Achterbahn der Gefühle

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Ich will ihn, ich brauch ihn, ich bin verrückt nach ihm... Denises Gefühle für Redford fahren Achterbahn. Die heißen Gedanken lassen sie nicht mehr los, und zum Glück hat sie gerade ein Brautkleid gekauft. Allerdings leider für die Hochzeit mit einem anderen ...


  • Erscheinungstag 18.04.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733767679
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Das ist alles ein Fehler!“ rief ich plötzlich panisch, als die Horde wild gewordener Frauen im Schnäppchenfieber von allen Seiten auf mich zustürmte. In den Minuten kurz vor dem „Wettlauf der Bräute“ in Filene’s Basement wurde es in der Menge langsam ungemütlich. Alle Frauen hatten sämtliche Klauen und Zähne ausgefahren.

Meine Freundin Cindy warf mir einen finsteren Blick zu. „Denise Cook, du kannst jetzt keinen Rückzieher mehr machen – ich verlass mich auf dich!“ Die sonst immer so zurückhaltende Cindy Hamilton schubste eine Frau neben ihr einfach zur Seite, um an ihre Umhängetasche zu kommen. „Hier, setz dir das Stirnband auf, damit wir uns da drin besser wiederfinden.“

Ich seufzte und griff nach dem Stirnband in Neon-Pink. Als wenn ich nicht schon lächerlich genug aussah – in meinem Yogatrikot (die Website hatte empfohlen, etwas Passendes zu tragen, wenn man die Brautkleider anprobieren wollte) fror ich mir sowieso schon sonst was ab. Februar in New York war nicht unbedingt die perfekte Jahreszeit, um im Trikot auf der Straße herumzustehen. Von meinem V-Ausschnitt abwärts fühlte sich alles irgendwie taub an. „Ist ein ziemlicher Aufwand für ein herabgesetztes Brautkleid, wenn man nicht mal verlobt ist“, murmelte ich.

„Es war deine Idee, du Pfennigfuchserin“, erinnerte mich Cindy.

Das stimmte. Ich half Cindy ein wenig bei ihrem Kurs „Positives Denken 101“. Sie hatte die Aufgabe bekommen, sich für ein erhofftes Ereignis vorzubereiten, das dann zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden sollte. Da Cindy nichts lieber wollte, als endlich zu heiraten, hatte sie beschlossen, sich ein Brautkleid zu kaufen. Als der Geizkragen, der ich nun mal bin (eigentlich eine Investment-Schrägstrich-Finanzberaterin), hatte ich Filenes jährlichen Brautkleider-Ausverkauf für diesen Zweck vorgeschlagen.

Und da standen wir nun um sieben Uhr dreißig an einem kalten Samstagmorgen, mit acht- oder neunhundert anderen Frauen in Yogatrikots auf der Straße und warteten darauf, dass die Türen von Feline’s Basement aufgerissen wurden. Einige waren mit ganzen Teams dort, zu erkennen daran, dass sie gleiche Kappen oder T-Shirts trugen. Das waren Freundinnen, die wie ich herangepfiffen worden waren, um so viele Kleider wie möglich von den Stangen zu reißen und damit die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass die Braut auch ein Kleid bekam, das ihr gefiel.

„Denk dran“, sagte Cindy, und ihr Blick war so ernst, wie der eines Footballtrainers bei der Taktikbesprechung, „trägerlos oder Spaghettiträger – auf Taille geschnitten. Weiß ist meine erste Wahl. Aber ich bin bereit, bis zu hellem Braungrau zu gehen. Ich brauche Größe 36, aber 38 ist auch okay.“

Ich nickte kurz. „Verstanden.“

„Wenn du ein Kleid findest, das passen könnte, zieh es sofort an, damit es dir niemand aus der Hand reißen kann.“

Ich schluckte und nickte wieder. Plötzlich machte ich mir doch etwas Sorgen.

„Und wer weiß“, fügte Cindy grinsend hinzu, „vielleicht findest du ja ein Kleid für dich selbst.“

Ich runzelte die Stirn. „Barry und ich haben noch nicht mal übers Heiraten gesprochen.“

„Du meine Güte, ihr seid jetzt zwei Jahre zusammen – er wird dir eines Tages einen Antrag machen, und dann hast du wenigstens schon ein Brautkleid. Das ist doch praktisch.“

Ich wollte gerade einwenden, dass ich das ziemlich anmaßend fände, aber dann fiel mir ein, warum Cindy hier war, und ich biss mir auf die Zunge. Sicher, Barry war … toll, aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen zu heiraten. Nicht noch einmal.

Wie jedes Mal, wenn ich mich an meine überstürzte Heirat in Las Vegas erinnerte, wurde mir übel. Meine erste Ehe gehörte zu jenen Ereignissen in meinem Leben, die ich lieber aus meiner Erinnerung löschen würde wie eine typische Teeny-Dummheit – nur dass ich leider kein dummer Teenager gewesen war, sondern ein noch viel blöderer Erwachsener. In den drei Jahren seit meiner Heirat und der darauf folgenden Annullierung der Ehe mit Redford war es mir meistens gelungen, diesen unglücklichen Zwischenfall aus meinem Gedächtnis zu verbannen.

Aber da zwei meiner besten Freundinnen, Jacki und Kenzie, gerade erst geheiratet hatten und meine letzte Single-Freundin Cindy ganz versessen darauf zu sein schien, dasselbe zu tun, waren mir die Erinnerungen an meine unglaubliche Hochzeitsnacht in den seltsamsten Augenblicken immer wieder in den Kopf geschossen – es schien mir nicht zu gelingen, sie abzuschütteln.

Irgendjemand hinter mir trat mir in die Hacken. Ich zuckte zusammen, und mir war nicht klar, ob es mir gelingen würde, diesem gefährlich verbissenen Haufen zu entrinnen.

„Sie machen die Türen auf“, verkündete Cindy aufgeregt.

In die Menge kam Bewegung, und sie stürmte vorwärts wie eine Büffelherde auf der Flucht. Die beiden Sicherheitsleute, die die Türen aufschlossen, sahen so ängstlich aus, wie ich mich fühlte. Als die Türen aufflogen, brach der pure Selbsterhaltungstrieb in mir durch – ich musste das Tempo der Menge halten, oder ich würde niedergetrampelt werden. Ich quetschte mich durch die Doppeltür und lief zu der Rolltreppe, die nach oben führte. Mein Herz hämmerte in meiner Brust. Sofort war die Rolltreppe verstopft, trotzdem drängten alle nach oben und manche schrien, als würden wir um die Plätze in der ersten Reihe eines Rockkonzerts kämpfen. Oben spuckte uns die Rolltreppe in den ersten Stock, wo mehrere frei stehende Ständer von ausladenden Kleidern überquollen. Ich hatte keine Ahnung, wo Cindy war, und ich zögerte, wo ich anfangen sollte.

Immer mehr Frauen stürmten an mir vorbei und rissen so viele Kleider von den Ständern, wie sie zu fassen bekamen. Sie waren wie ein Heuschreckenschwarm. Ich musste mich beeilen, sonst würde ich verlieren. Cindys Anweisung, trägerlos oder Spaghettis, verlor beim Anblick der sich leerenden Ständer jede Bedeutung. Ich griff mir alles, was ich in die Finger bekommen konnte, warf mir die Kleider über die Schultern, bis ich außer dem Geraschel des Stoffes nichts mehr hören konnte. Und sehen sowieso nicht.

Innerhalb einer Minute waren die Ständer geplündert. Und wie auf ein Stichwort begannen jetzt alle Hyänen, egal, wo sie gerade standen, die Kleider anzuprobieren. Sie zogen sich bis auf die Unterwäsche aus, in einigen Fällen sogar noch weiter, ohne sich um die männlichen Verkäufer und Sicherheitsleute zu kümmern, die durch den Laden patrouillierten. Während ich nach einem neon-pinken Stirnband Ausschau hielt, schaute ich meine Beute durch, jederzeit bereit, sie wie eine Löwin zu verteidigen.

Es war mir gelungen, ein weißes Satinkleid mit Haubenärmeln zu ergattern. In Größe 40. Ein langärmeliges Spitzenteil mit geradem Rock in gebrochenem Weiß in Größe 42. Ein pinkfarbenes Gibson-Girl-Modell mit Puffärmeln in Größe 38. Ein dunkelbeiges hochgeschlossenes Kleid mit einem bestickten Mieder, Größe 34. Und ein cremefarbenes rückenfreies Kleid mit einem perlenbesetzten Rock in Größe 36. Enttäuscht ließ ich die Schultern sinken – ich hatte es verpatzt!

Obwohl … das rückenfreie Kleid war eigentlich ganz nett. Ich schielte auf das Designerlabel, und meine Augenbrauen schossen in die Höhe. Es war sehr nett! Cindy wäre verrückt, wenn sie es nicht kaufen würde, auch wenn es nicht genau dem entsprach, was sie sich vorgestellt hatte. Während ich die anderen Kleider auf der Schulter balancierte, stieg ich in das rückenfreie Kleid und musste mich ziemlich verrenken, um den Reißverschluss zuzuziehen. Dann strich ich den Rock glatt und fuhr mit den Handflächen über die Staubperlen, mit denen der Stoff besetzt war. Sehnsucht ergriff plötzlich mein Herz, und das überraschte mich sehr, denn ich war der rationalste Mensch, den ich kannte – ein Kleid konnte einfach nicht solche Gefühle in mir auslösen.

„Es steht Ihnen perfekt“, meinte eine Verkäuferin neben mir.

„Oh, ich helfe nur einer Freundin“, erwiderte ich schnell.

„Schade“, sagte die Frau und deutete mit dem Kopf zu einer verspiegelten Säule ein paar Meter entfernt.

Ich schaute mich um und versuchte Cindy in dem rasenden Pöbel zu entdecken. Ich überlegte, dass ich auf der Suche nach ihr auch eben an dem Spiegel vorbeigehen konnte. Ich schlenderte hinüber – und blieb wie angewurzelt stehen.

Selbst über dem Trikot war das Kleid einfach umwerfend und für einen Moment fühlte ich mich umwerfend … ungeachtet meines make-up-losen Gesichts und meines dunkelblonden zerzausten Pferdeschwanzes. Für meine Blitzhochzeit in Vegas hatte ich ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Was hier passiert, bleibt auch hier“ getragen, was im Rückblick meinen Geisteszustand nicht besser hätte ausdrücken können. Ich hatte mir hundert Mal eingeredet, dass es nichts geändert hätte, wenn Redford und ich in einer aufwendigen, kirchlichen Zeremonie und in all dem Putz geheiratet hätten, aber als ich mich in diesem unglaublichen Kleid im Spiegel betrachtete, musste ich zugeben, dass die richtige Garderobe der ganzen surrealen Situation schon einen Hauch von Würde verliehen hätte.

Wenn ich jemals wieder vor den Altar träte, würde ich dieses Kleid tragen … oder etwas Ähnliches.

„Haben Sie irgendwas in Größe 42?“ schrie mich ein Mädchen an. „Ich brauche eine Größe 42!“

Ich schüttelte den Kopf. Dann begriff ich, dass um mich herum die Frauen regen Tauschhandel mit nicht passenden Kleidern trieben. Einige hielten sogar Schilder hoch, auf denen ihre Größe stand. Ich trat das Kleid in Größe 34 an eine zierliche Kindfrau ab, und während der Übergabe, wurde mir der Rest meiner Beute von marodierenden Kleidergeiern aus den Armen gerissen. Ich taumelte noch, als Cindy plötzlich vor mir auftauchte.

„Da bist du ja!“ brüllte sie gegen den Tumult an. „Ich habe mein Kleid gefunden!“

Und tatsächlich. Über ihrem Trikot trug sie ein süßes, trägerloses, weißes Satinkleid mit einer Prinzesstaille. Sie drehte sich um sich selbst, so dass sich der Rock blähte, und lachte wie ein Kind.

„Es ist perfekt“, stimmte ich ihr zu. Das Kleid harmonierte wirklich perfekt mit Cindys engelhafter Schönheit. Etwas traurig blickte ich an mir hinunter. Dieses himmlische Kleid würde ich nun wieder den wild gewordenen, Schnäppchen jagenden Bräuten in den gefräßigen Rachen werfen müssen. Das Getümmel hatte noch zugenommen, weil sich nun die verspäteten Jägerinnen auf die Reste stürzten und die nächste Runde verzweifelten Raubens und Tauschens folgte.

Cindy blieb stehen und starrte mich an. „Wow, das Kleid steht dir aber toll.“

Ich wurde rot. „Ich hab’s nur … für dich anprobiert. Von allen, die ich zu fassen gekriegt habe, hätte es am ehesten gepasst.“

Cindy traten die blauen Augen fast aus dem Kopf. „Du solltest es behalten, Denise. Wenn Barry dich in diesem Kleid sieht, wird er auf die Knie fallen und dich anflehen, ihn zu heiraten.“

Ich lachte. „Bestimmt.“ Barry hatte in meiner Gegenwart noch niemals auf den Knien gelegen – weder um mir einen Antrag zu machen noch aus irgendeinem anderen Grund –, aber ich musste zugeben, ich war schon versucht.

Eine Frau mittleren Alters mit rotem Gesicht blieb stehen und musterte mich von Kopf bis Fuß. „Wollen Sie das Kleid behalten?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm sie den Stoff des Rocks hoch, um die Perlen genauer zu betrachten.

Plötzlich erfüllte mich Besitzerstolz und bestimmt schob ich ihre Hand fort von meinem … äh … dem Kleid. „Ich habe mich noch nicht entschieden.“

Die Frau starrte wütend auf meine ringlose Hand. „Meine Tochter Sylvie hat schon den Termin für die Hochzeit.“

Ich runzelte die Stirn. „Und?“

„Und“, erwiderte die Frau schnippisch, „was nützt Ihnen das Kleid, wenn es nur in Ihrem Schrank hängt?“

Sie war unwirsch, aber sie hatte nicht Unrecht, zumal ich gerade erst gestern darüber lamentiert hatte, wie klein mein Schrank war. Trotzdem, was ging es sie eigentlich an, ob das Kleid in meinem voll gestopften Schrank hing, bis es der Trockenfäule zum Opfer fiel? (Diese Möglichkeit war nicht von der Hand zu weisen.)

Cindy trat einen Schritt vor und verschränkte die Arme vor der Brust. „Meine Freundin wird eines Tages wieder heiraten.“ Cindy hatte immer noch große Schuldgefühle wegen meiner improvisierten Hochzeit – sie gab sich selbst die Schuld, dass sie die Grippe bekommen hatte und ich daher in jenem Jahr Weihnachten und Silvester allein in Las Vegas hatte verbringen müssen, denn sonst wäre ich vielleicht nicht Redfords Zauber verfallen.

„Wieder? Eines Tages?“ Die Lady schnaubte, und ihre Körpersprache gab mir deutlich zu verstehen, dass eine Frau, die es beim ersten Mal nicht schaffte, auch keine zweite Chance bekommen sollte. Noch ein wichtiger Punkt. Ich hatte es beim ersten Gang zur Kirche verpatzt … nun ja, okay, es war keine richtige Kirche gewesen, nur eine kleine Drive-Through-Kapelle, was zu dem damaligen Zeitpunkt die ökonomischste Variante gewesen war.

Mein Bräutigam war ein toller Offizier auf Landgang gewesen, und zu der spontanen Hochzeit war es einfach wegen der intensiven Chemie zwischen uns beiden gekommen (Redford war körpermittig ziemlich spektakulär ausgestattet) und vielleicht wegen des ein bisschen falsch verstandenen Patriotismus, den ich für Liebe gehalten hatte. Eins der ältesten Klischees … Eine Beobachtung, die – wie ich reuevoll zugeben musste – ebenfalls ein Klischee war. Der größte Fehler meines Lebens war absolut überflüssig gewesen. Albernerweise traten mir plötzlich Tränen in die Augen.

Cindy starrte mich mit offenem Mund an. Ich heulte nie … niemals!

„Ist ja gut“, sagte die ältere Frau und tätschelte sogar meinen Arm. „Sie werden sich besser fühlen, sobald sie das Kleid ausgezogen haben.“

Cindy straffte die Schultern. „Gehen Sie weiter, Lady – das Kleid gehört uns.“

Die Frau schnappte hörbar ein und trollte sich. Ihr Blick schweifte dabei über die Anwesenden. Wahrscheinlich suchte sie nach weiteren Frauen, die sie auch noch zum Heulen bringen konnte.

Ich fühlte mich gedemütigt und blinzelte wie wild, um die Feuchtigkeit in meinen Augen loszuwerden. „Ich weiß nicht … was mit mir los ist.“

„Schon gut“, sagte Cindy, ganz beste Freundin. „Komm jetzt, bezahlen wir unsere Kleider. “

Ich schüttelte den Kopf. „Ich kann mir kein Brautkleid kaufen, Cindy. “

„Natürlich kannst du das … jeder weiß doch, dass du dir mit Coupons und Rabattmarken ein kleines Vermögen zusammengehamstert hast.“

Bei meinen Freunden hatte ich den Ruf, nun, sagen wir: „sparsam“ zu sein. „Ich meine nicht, dass ich es mir nicht leisten kann. Ich meine, ich … ich glaubte nicht, dass ich jemals … wieder heiraten würde.“ Aber wenn das stimmte, warum hatte ich das Kleid dann nicht einfach der aufdringlichen Frau überlassen?

Cindy zuckte die Schultern. „Gut. Wenn du in sechs Monaten immer noch derselben Meinung bist, verkaufst du das Kleid eben bei eBay … So wie ich dich kenne, wirst du dabei sogar noch Gewinn machen.“

Ich biss mir auf die Unterlippe. Cindy hatte Recht – selbst wenn ich das Kleid mit nach Hause nahm, es würde mir ja niemand eine Waffe an den Kopf halten und mich zum Heiraten zwingen. Barry schien genauso wenig erpicht darauf zu sein, vor den Altar zu treten, wie ich. Wenn allerdings Barry eines Tages den Drang verspüren sollte …

Ich hätte beinah laut gelacht – Barry war nicht der Typ Mann, der jemals irgendeine Art von Drang verspürte … Er war genauso überlegt und chaotisch wie ich selbst, was erklärte, warum wir uns seit zwei Jahren immer wieder trafen, ohne jemals ähnliche Dramen durchstehen zu müssen wie andere Paare. Ich hatte ja so ein Glück. So ein Glück!

„Es ist ein echtes Schnäppchen“, drängte Cindy mit flötender Stimme.

Ich warf einen Blick auf das Preisschild und traute meinen Augen nicht, als ich den rot durchgestrichenen Originalpreis von $2.000 sah und die hastig darunter gekritzelten $249. Ich liebte solche roten Striche. Es war ein Schnäppchen. Und ich würde das Kleid wahrscheinlich mit Gewinn bei eBay verkaufen können. Vielleicht würde ich sogar genug übrig haben, um Barry mit zwei Flugtickets für einen Kurzurlaub zu überraschen … er hatte so gern nach Vegas gewollt. Und ich war dagegen gewesen, aus Gründen, die jetzt irgendwie kindisch schienen.

Genauso kindisch wie die Tatsache, dass ich hier stand und mir den Kopf darüber zerbrach, ob ich ein Kleid viel leicht nicht kaufen sollte, nur weil es zu viele Erinnerungen weckte … Erinnerungen, die ein Brautkleid eventuell tilgen könnte.

„In Ordnung“, sagte ich spontan. „Ich nehme es.“

Cindy klatschte in die Hände, dann hielt sie inne, als fürchtete sie, dass ihr Freudenausbruch meine Meinung doch wieder ändern könnte, und schob mich zur Kasse.

Erst später, als ein überschäumender Verkäufer mir das Kleid überreichte, verpackt und bezahlt, kam mir ein entmutigender Gedanke: Was wäre, wenn Cindys Experiment mit der sich selbst erfüllenden Prophezeiung auf mich abfärben würde?

2. KAPITEL

Diese ganze Sache mit der sich selbst erfüllenden Prophezeiung nagte immer noch an mir, als ich nach Hause kam und begriff, dass ich mich von irgendetwas trennen musste, um Platz für meinen spontanen Kauf zu schaffen. Jetzt plagten mich schwere Gewissensbisse, dass ich zu schwach gewesen war, dem guten Geschäft zu widerstehen. Um mich zu bestrafen, nahm ich den braunen Wildledermantel mit den Fransen aus dem Schrank, für den ich im letzten Frühjahr mein Geld zum Fenster rausgeschmissen hatte, denn ich trug ihn nur äußerst selten. Dazu eine Nietenjeans und ein besticktes, weißes T-Shirt, das im Laden sehr exotisch gewirkt hatte. Zu Hause im Spiegel sah es dann aber mehr nach Karneval aus. Ich hatte nie den Mut gefunden, die Sachen zu tragen. Sosehr ich die Teile auch liebte, war es doch unwahrscheinlich, dass der Westernlook so bald wieder in Mode kommen würde. Und wenn doch, konnte ich es offensichtlich ja doch nicht tragen. Aber meine Freundin Kenzie konnte das. Und da sie jetzt in der Umgebung von New York – also in der Provinz – lebte, würde sie wahrscheinlich einen Weg finden, es zu tragen und umwerfend auszusehen.

Ich suchte noch nach anderen Dingen, die Kenzie vielleicht tragen könnte, und förderte einen Pullover mit galoppierenden Pferden zu Tage, den Redford mir geschenkt hatte. Nach einem Moment sentimentaler Unentschlossenheit packte ich ihn mit in die Tasche für Kenzie. Dann hängte ich das Brautkleid vorne in den Schrank, denn das war der einzige Platz, wo der Rock glatt hängen konnte, ohne von dem überquellenden Schuhregal im hinteren Teil zerdrückt zu werden.

Das Telefon klingelte. Ich schnappte mir den Hörer und wunderte mich, wer das an einem Samstagnachmittag sein könnte. (Ich war zu geizig, um die Rufnummernübermittlung zu zahlen.) „Hallo?“

„Hey“, meldete sich Barry. Seine Stimme war leise. „Was machst du gerade?“

Ich ließ mich auf mein Bett fallen, dessen Kopfteil immer noch etwas nach Rauch roch. Aber ich hatte das Bett nach dem Lagerbrand vor zwei Jahren wirklich sehr günstig erstanden. „Ich miste nur meinen Kleiderschrank aus.“

„Ich habe gute Nachrichten“, sagte er in einem Ton, der mich auf den Gedanken brachte, dass er auch nicht anders reagiert hätte, wenn ich verkündet hätte: Ich habe mir ein Brautkleid gekauft.

Ich schob meine Lippen hin und her. „Was denn?“

„Ich habe gerade Ellen im Gang getroffen. Du hast sie gestern beim Lunch wirklich schwer beeindruckt.“

Interessiert setzte ich mich auf. Barry war Producer bei einer der örtlichen TV-Stationen in New York, und Ellen Brant war die Managerin des Senders. Barry hatte sie wegen ein paar finanzieller Tipps in Bezug auf ihre Scheidung an mich verwiesen. Beim Lunch hatte sie mir dann die ganze schmutzige Geschichte von ihrem untreuen Ehemann erzählt und dabei vier große Martinis geleert. „Aber er war ein reicher Hurensohn“, sagte sie mit schwerer Zunge. „Und jetzt habe ich eine besch…“ (Ich interpretiere mal) „… eine Schiffsladung Geld zum Ausgeben.“

Als sie mir die Summe nannte, um die es ging, war das mehr als eine bescheidene Schiffsladung (obwohl sie am Ende des Abends keinerlei Regung gezeigt hatte, auch nur eins der verdammten Getränke zu bezahlen). Der Grey Goose Wodka hatte sie umgeworfen. Ehrlich gesagt, ich dachte, sie würde sich nicht mal mehr an meinen Namen erinnern können. Vielleicht noch nicht mal daran, ob ich Männchen oder Weibchen war.

Ich benetzte mir sorgfältig die Lippen und versuchte, meine Aufregung im Zaum zu halten. „Glaubst du, sie wird ein Depot bei Trayser Brothers eröffnen?“

„Da bin ich mir fast sicher. Du kommst doch zu der Preisverleihung heute Abend?“

„Natürlich komme ich. Ich will es mir doch nicht entgehen lassen, wenn du deine Auszeichnung bekommst.“

„Vielleicht gewinne ich ja gar nicht“, warnte er.

„Pah!“ machte ich, ganz die loyale Freundin.

„Ellen wird dort sein. Ich werde versuchen, sie beiseite zu nehmen und was herauszubekommen“, versprach er.

Ich war geschmeichelt – Barry war nie übermäßig interessiert an meinem Beruf gewesen, aber schließlich waren die meisten Leute eher misstrauisch gegenüber Investmentfritzen, als ob wir all die Geheimnisse, die wirklich Geld brachten, für uns behielten, während wir gemeinsam über all jene lachten, die uns vertrauten. (Was nicht stimmt – ich war zurzeit auch eher arm und arbeitete genau auf das zu, was ich allen meinen Klienten zu tun riet: Kaufen Sie Ihre Wohnung lieber früher als später.) Aber ungeachtet Ellens Schiffsladung Geld, fühlte ich mich verpflichtet, auf die möglichen Fallen hinzuweisen, da ich die Chefin meines Freundes bei ihren Finanzen beriet. „Barry, du weißt, ich freue mich sehr über die Empfehlung, aber …“

„Aber was?“

„Na ja, Ellen ist dein Boss. Ich möchte nicht, dass für dich daraus ein Interessenkonflikt entsteht.“

Er lachte leise. „Mensch, Denise, du und ich sind doch nicht verheiratet.“

Autsch! Ich warf einen Blick auf das Brautkleid, das knapp in den Schrank passte, und mir schoss die Röte ins Gesicht. „Ich weiß, aber wir … sind zusammen.“

„Vertrau mir … da gibt es kein Problem. Ellen wird viel eher in meiner Schuld stehen, weil ich sie zu dir gebracht habe. Das kann für uns beide noch sehr interessant werden.“

„In Ordnung“, erwiderte ich und schob erleichtert meine Bedenken beiseite.

Man möge es mir verzeihen, aber vor meinen Augen tanzten die Dollarzeichen in wildem Reigen. Ich konnte mir gut das Gesicht des alten Trayser vorstellen, wenn ich im Montagmorgen-Meeting verkündete, dass ich einen achtstelligen Betrag an Land gezogen hätte. Das Wort „Partner“ klang gar nicht mehr so weit hergeholt wie noch letzte Woche … zumindest ein Büro mit Fenster musste drin sein.

„Wie ist denn heute Abend die Kleiderordnung?“

Er gab ein klägliches Lachen von sich. „Aufgetakelt. Und Ellen ist eine ziemliche Modepuppe. Ich will nicht behaupten, dass irgendetwas davon abhängt …“

„Aber es könnte“, beendete ich den Satz. Mein Kopf wurde immer noch heiß, wenn ich an den kritischen Blick dieser Frau dachte, mit dem sie mein altes blaues Kostüm und meine schusterreifen Pumps betrachtet hatte. Ich war nicht gerade berühmt für meinen Stil. Meine trendigsten Sachen waren aus der letzten Saison und stammten meistens aus einem Designeroutlet. Ich kaufte meistens von der Stange, und es begeisterte mich nicht, das Limit meiner Kreditkarte für irgendein Outfit auszureizen, dass ich sowieso nur einen Abend trug. Aber dramatische Zeiten erforderten dramatische Taten. „Ich werde schon etwas finden“, versprach ich.

„Ich bin sicher, du wirst mich schmücken.“

Ich blinzelte. Barry überlegte sich also, inwieweit ich auf ihn abfärben würde. So dachte man nur als Paar … oder nicht? Stolz richtete ich mich bei diesem Kompliment auf.

„Ich hole dich um sieben ab.“

„Prima“, erwiderte ich. „Oh, und danke … Barry … für die Empfehlung.“ Die Kosenamen-Ebene hatten wir nie erreicht, und so versucht ich auch war, Schatz oder Liebster zu sagen, entschied ich mich doch, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war, romantisch zu werden, wenn er mir den Goldesel vor die Tür stellte.

„Für dich jederzeit“, entgegnete er und beendete das Gespräch.

Ich lächelte, aber als ich aufgelegt hatte, überfiel mich sofort Panik. Ich hatte noch zwei Pickel von meiner M&Ms-Orgie letzte Woche, und meine Nägel waren eine Katastrophe. Es würde so gut wie unmöglich sein, an einem Sonnabend noch in letzter Minute eine Maniküre zu bekommen.

Ich sprang auf und machte mich an die Arbeit. Nach einer Dusche rief ich meine Freundin Kenzie Mansfield Long auf dem Handy an – sie war die durchgestylste Person, die ich kannte –, obwohl ich nicht sicher war, dass sie in der abgelegenen Ecke, wo sie ihre Wochenenden verbrachte, überhaupt Empfang hatte.

„Hallo?“ flötete sie ins Telefon.

„Hi, hier ist Denise. Ich habe einfach mal versucht, dich zu erreichen – du hast jetzt Empfang?“

„Sie haben gerade einen Turm auf dem nächsten Berg aufgestellt. Jar Hollow hängt jetzt offiziell am Mobilfunknetz.“

„Hat Sam das extra für dich gemacht?“ fragte ich lachend. Ihr Ehemann war Tierarzt, und er liebte sie abgöttisch, darum tat er alles, was in seiner Macht stand, um das Landleben für seine in der Stadt aufgewachsene Frau einigermaßen erträglich zu machen.

„Der Türm ist doch nicht nur für mich“, protestierte Kenzie. „Er ist für die ganze Stadt. Und er hilft mir und Sam, in Verbindung zu bleiben, wenn wir während der Woche getrennt sind.“

Der schelmische Unterton in der Stimme meiner Freundin ließ mich vermuten, dass Telefonsex den beiden half, ihre schier unersättliche Lust aufeinander einigermaßen zu bändigen. Kenzies – oder sollte ich sagen – Sams selbst gemachter Dildo, abgenommen vom Original, war berüchtigt in unserem Freundeskreis. Nach dem ich ihn einmal gesehen hatte, konnte ich dem Mann nicht mehr in die Augen schauen. Eigentlich war es dieser verdammte Dildo, der meine Fantasien über Redford wieder angefacht hatte. Er hatte große Potenz und … äh … Dimensionen.

Okay, der Mann war ausgestattet wie ein Hengst … nicht, dass ich jemals das Glied eines Hengstes gesehen hätte, aber man sagt ja, dass der equine Penis besonders ausgeprägt sein soll. Die Tatsache, dass Redfords Familie in Kentucky in der Pferdebranche tätig war, hatte diesen Vergleich nur noch tiefer in mein verdorbenes Hirn gebrannt.

Nein, ich war nicht eifersüchtig auf Kenzies Beziehung mit Sam … meistens jedenfalls nicht. Ich hatte gigantische, umwerfende Lust mit Redford erfahren, aber unsere Liebe war so schnell verloschen wie eine billige Kerze. Barry auf der anderen Seite war nicht gerade das Energiebündel im Bett, dafür hatte er in anderen Bereichen viel Durchhaltevermögen.

„Wie war das ‚Rennen der Bräute‘?“ fragte Kenzie und riss mich damit aus meinen seltsamen Gedanken. „Hat Cindy ein Kleid gefunden?“

„Ja“, antwortete ich. Dann beschloss ich, lieber selbst zu beichten, bevor Cindy es ausplauderte. „Und ich … äh … habe auch ein Kleid gekauft.“

Am anderen Ende herrschte Stille. Dann: „Barry hat dir einen Antrag gemacht?“

„Nein“, erwiderte ich schnell und fühlte mich wie eine Idiotin. „Aber weißt du, ich dachte, falls doch … also … das Kleid war spottbillig“, schloss ich lahm.

„Ah“, sagte Kenzie. „ein Schnäppchen … jetzt verstehe ich. Na ja, irgendwann wird Barry sowieso über seinen Schatten springen.“

„Themenwechsel. Ich habe angerufen, weil ich einen Stilnotfall habe.“ Ich erzählte von der Preisverleihung mit Dinner und meinem Wunsch, Ellen Brant und ihre Brieftasche mit meinem beeindruckenden Sinn für Mode im Sturm zu erobern. „Irgendwelche Vorschläge?“

„Du könntest dein Hochzeitskleid anziehen“, schlug Kenzie trocken vor, dann lachte sie sich halb tot.

„Ich lege gleich auf.“

„Das war ein Scherz. Mensch, lach mal.“ Sie schnippte mit den Fingern. „Warte mal, ich habe ein ganz süßes gestreiftes Kleid im Fenster von Benderlee’s gesehen, und ich habe noch gedacht, dass es dir umwerfend stehen würde.“

„Würde es das Limit meiner Kreditkarte sprengen?“

„Wahrscheinlich, aber betrachte es einfach als Investition.“ Sie lachte. „So wie ich dich kenne, wirst du einen Weg finden, das Kleid als Betriebsausgabe von der Steuer abzusetzen.“

„Haha.“

Autor

Stephanie Bond
<p>Kurz bevor Stephanie Bond ihr Studium der Informatik abschloss, schlug einer ihrer Dozenten vor, es mit dem Schreiben zu versuchen. Natürlich hatte dieser eher akademisches Schreiben im Sinn, doch Stephanie Bond nahm ihn wörtlich und veröffentlichte ihre ersten Liebesromane. Nach dem großen Erfolg ihrer Bücher widmete sie sich ganz dem...
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