Am weißen Strand der Sehnsucht

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Eine raffinierte Verführungsstrategie! Gabriel Gessi besteht darauf, dass seine schöne Sekretärin Rose ihn auf eine Geschäftsreise in die Karibik begleitet. Am weißen Strand wird er endlich tun, was er viel zu lange versäumt hat: Rose erobern ...


  • Erscheinungstag 02.07.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751501477
  • Seitenanzahl 146
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Es war erst kurz nach sieben, doch Gabriel Gessi saß bereits an seinem Schreibtisch im Büro. Wie jeden Morgen. Abweichungen von diesem strikt festgelegten Plan waren nicht vorgesehen. Zunächst eine halbe Stunde auf dem Laufband in seinem Fitnessraum, dann eine halbe Stunde Schwimmen im Pool, eine kurze Dusche, eine Rasur und ab ins Büro, wo er sich voller Energie in die vor ihm liegenden Aufgaben stürzte.

Auch in den vergangenen drei Monaten hatte es davon keine Ausnahmen gegeben, und das, obwohl Gabriel sich mit einigen unvorhergesehenen Problemen herumschlagen musste, die ihn kostbare Zeit und noch viel wertvollere Nerven gekostet hatten.

Gabriel Gessi bewegte sich in der exklusiven Welt der Superreichen – insofern war er nicht daran gewöhnt, sich mit den belanglosen Unwägbarkeiten des Lebens zu befassen. Den ersten Rückschlag hatte er in Gestalt der kurzfristigen Vertretung seiner Sekretärin erhalten, die im Vorstellungsgespräch den Eindruck einer effizienten Person gemacht hatte, sich nach einer Woche jedoch als emotionales Wrack herausstellte, das die meiste Zeit in ein Taschentuch weinte und etwas von Liebeskummer stammelte.

Gabriel hatte weder Zeit noch Verwendung für Frauen mit Liebeskummer, und noch weniger für welche, die kurz vor einem Nervenzusammenbruch standen. Er war sie so schnell wie möglich wieder losgeworden, doch nach ihr folgte eine ganze Armada der Mittelmäßigkeit, die ihn beinahe in den Wahnsinn trieb.

Wie all diese inkompetenten Frauen, die bei ihm vorsprachen, es jemals geschafft hatten, eine bezahlte Arbeit zu finden, blieb ihm ein Rätsel.

Die letzte hatte er mit einem hörbaren Seufzer der Erleichterung am vergangenen Freitag verabschiedet. Zwar hatte sie länger durchgehalten als die anderen, aber das war nur der Tatsache zu verdanken, dass er eine geradezu lächerliche Geduld an den Tag legte und ihre alberne Neigung, sich jedes Mal, wenn er sie ansprach, in eine Ecke zu verdrücken, ignorierte. Wenn sie mit ihm redete, tat sie es so leise, dass er sie ständig auffordern musste, lauter zu sprechen.

Gabriel war mehr als glücklich, dass sich sein Leben nun endlich wieder normalisieren würde.

Zum ersten Mal seit drei Monaten hatte er die Empfangshalle des riesigen Bürokomplexes ohne grimmigen Gesichtsausdruck durchquert.

Heute kehrte Rose zurück, und mit ihr würde die Arbeit wieder in geregelten Bahnen verlaufen. Er konnte sich ganz seinem Imperium widmen, ohne sich über die lästigen kleinen Rädchen, die alles zusammenhielten, Gedanken machen zu müssen.

Natürlich war es noch nicht einmal acht Uhr, und auch wenn es ihn gefreut hätte, erwartete er nicht wirklich, dass seine Sekretärin wie er bei Anbruch der Dämmerung bereits im Büro saß. Vermutlich kämpfte sie immer noch mit ihrem Jetlag. Ein Flug von Australien setzte auch dem erfahrensten Reisenden zu, und Rose war keine erfahrene Reisende. In den vier Jahren, die sie jetzt für ihn arbeitete, hatte sie ihn nur wenige Male auf Reisen begleitet, und wenn, dann nur innerhalb Europas. Es war ihm immer wichtiger gewesen, dass sie in seiner Abwesenheit die Dinge am Laufen hielt.

Gabriel drehte seinen Ledersessel so, dass er durch das große Fenster auf die Londoner Skyline blicken konnte, die sich eindrucksvoll gegen den blauen Maihimmel abhob.

Die vergangenen drei Monate hatten ihm gezeigt, wie glücklich er sich schätzen durfte, eine so zuverlässige Mitarbeiterin wie Rose zu haben. Er bezahlte sie zwar schon gut, aber trotzdem dachte er jetzt über eine Lohnerhöhung nach. Oder vielleicht einen Firmenwagen, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, dass sie selbst zur Arbeit fuhr. Wer tat das schon? Er nahm entweder ein Taxi oder ließ sich von seinem Chauffeur durch den hektischen Londoner Verkehr fahren. Aber vielleicht würde sie das Auto nutzen, um aus der Stadt herauszukommen.

Kurz fragte sich Gabriel, ob sie das wohl jemals tat. Obwohl er hin und wieder nachgehakt hatte, wusste er herzlich wenig über ihr Privatleben. Rose besaß ein überaus großes Talent, ungewollten Fragen geschickt aus dem Weg zu gehen. Damit hätte sie auch im diplomatischen Dienst Karriere machen können.

Besaß sie überhaupt einen Führerschein? Eigentlich tat das wohl jeder, aber vielleicht auch nicht?

Er war so in seine Gedanken versunken, dass er weder das leise Klopfen noch das zaghafte Öffnen der Tür hörte. Erst eine Bewegung in der Spiegelung der Fensterfront ließ ihn realisieren, dass seine Sekretärin hinter ihm in dem offenen Türrahmen stand, der sein Büro von ihrem Arbeitsplatz trennte.

Im ersten Moment überkam ihn ein ungewöhnliches Aufwallen von Gefühlen, dann blickte er demonstrativ auf die Uhr und drehte sich um.

Rose holte unwillkürlich tief Luft, die sie dann ganz langsam wieder ausstieß. Es beruhigte ihre Nerven. Gabriel hatte schon immer eine unglaubliche Wirkung auf sie ausgeübt, und ihre dreimonatige Abwesenheit hatte das noch verstärkt. Jetzt fühlte sie sich beinahe einer Ohnmacht nahe, obwohl ihr wie immer kühler Gesichtsausdruck nichts davon verriet.

„Es ist Viertel vor neun“, sagte Gabriel mit grimmiger Miene. „Normalerweise sind Sie um acht Uhr dreißig da.“

Sein brüsker Ton löste ihre Starre, sodass sie eintrat und sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch setzte. „Wie ich sehe, haben Sie sich nicht verändert, Gabriel“, bemerkte sie trocken. „Sie ignorieren immer noch die elementarsten Regeln der Höflichkeit. Wollen Sie mich nicht fragen, wie mein Aufenthalt in Australien war?“

„Das brauche ich nicht. Aus Ihren E-Mails ging bereits hervor, dass Sie den Spaß Ihres Lebens hatten. Sie haben sich verändert. Sie haben abgenommen.“

Rose konnte es nicht verhindern. Sie errötete, als seine blauen Augen sie von oben bis unten musterten.

Verzweifelt kämpfte sie darum, sich daran zu erinnern, was ihre Schwester zu ihr gesagt hatte. Sie musste sich endlich aus dieser ausweglosen Situation befreien. Es brachte nichts, sich weiter dieser albernen Schwärmerei für einen Mann hinzugeben, der für jede Frau ein Gesundheitsrisiko darstellte.

„Ja, das habe ich“, gab sie zu, während sie auf den Brief in ihrem Schoß hinunterblickte, den sie mit nervösen Fingern umklammert hielt. „Da drüben war es wahnsinnig heiß. Ich habe mich fast ausschließlich von Salat ernährt. Es tut mir leid, dass Sie solche Probleme mit meinen Vertretungen hatten“, wechselte sie rasch das Thema. Gabriels bewundernde Blicke irritierten sie zunehmend. „Ich habe wirklich geglaubt, Claire wäre ein guter Ersatz, sonst hätte ich sie nicht eingestellt. Was war denn genau das Problem?“

Gabriel musste sich noch immer von ihrer Verwandlung erholen, von der er nicht wusste, ob er sie mochte. Verschwunden war die rundliche Sekretärin, die er zuletzt in einem praktischen blauen Hosenanzug mit weißem Rollkragenpullover gesehen hatte. An ihre Stelle war eine sehr schlanke Frau getreten, die eine überraschend aufsehenerregende Figur und gebräunte Haut zeigte. Sie trug einen schmalen schwarzen Rock, der einiges an Bein enthüllte, und ein enges T-Shirt, unter dem sich Brüste abzeichneten, die mehr als eine gute Handvoll waren. Ihre flachen Ballerinas bildeten die einzige nicht aufreizende Ausnahme an ihrer Kleidung.

„Ich wusste nie, dass Sie Beine haben“, murmelte er.

„Natürlich habe ich Beine, Gabriel! Was glauben Sie wohl, wie ich von A nach B gelange? Mit Flügeln?“

„Aber Sie haben sie bislang immer versteckt …“ Abrupt stand er auf und lehnte sich über den Schreibtisch, um sie besser betrachten zu können. „Und sehr hübsch sind sie auch noch. Doch vielleicht sollten Sie sich hier im Büro ein bisschen dezenter kleiden.“

Bei dieser ungeniert sexistischen Bemerkung blieb Rose der Mund offen stehen.

„Was haben Sie mit Ihrem Haar angestellt? Haben Sie irgendetwas gemacht? Es sieht anders aus.“

„Ich habe überhaupt nichts mit meinem Haar angestellt, Gabriel, abgesehen von einem Schnitt, und können wir jetzt bitte meine Person für einen Moment hinter uns lassen …?“ Sie schob den schicksalsträchtigen Brief von der einen in die andere Hand.

„Warum? Ihre Verwandlung fasziniert mich. Ich hatte geglaubt, Sie wollten Ihrer Schwester mit dem Baby helfen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sie sich vollkommen umstylen würden.“

„Ich bin dorthin gereist, um Grace zu helfen!“

„Und währenddessen haben Sie eine Diät gemacht, sich Ihr Haar schneiden lassen und den ganzen Tag im Bikini in der Sonne gelegen, um braun zu werden …?“

Rose zählte innerlich bis zehn und fragte sich dabei, was sie eigentlich in einem Mann sah, der unerträglich arrogant war und jedes Warnsignal ihrerseits ignorierte.

„Hatten Sie jemals mit einem Neugeborenen zu tun, Gabriel?“

„Das konnte ich bislang verhindern …“

„Dachte ich mir, denn andernfalls wüssten Sie, dass Neugeborene und im Bikini in der Sonne liegen nicht zusammenpassen.“

„Ihre Schwester hat doch sicher nicht erwartet, dass Sie die ganze Zeit nach diesem Ding sehen!“

„Es war kein Ding, Gabriel. Es war ein Baby. Ein wunderschöner kleiner Junge. Er heißt Ben.“ Als sie sich an das winzige weiche Bündel in ihren Armen erinnerte, wurde ihre Stimme ganz weich. Diese neue Erfahrung hatte sie dazu bewogen, ihr Leben zu überdenken.

Grace, zwei Jahre älter als sie, war so glücklich. Neben ihr sah Rose plötzlich die hässliche Realität ihres eigenen Lebens deutlich vor sich. In zwei Jahren würde sie genauso alt sein wie ihre Schwester jetzt, achtundzwanzig, aber es war mehr als zweifelhaft, ob sie dann auch ein kleines Kind und einen liebenden Ehemann an ihrer Seite haben würde. Zumindest wenn sie weiterhin für einen Mann arbeitete, der in ihr nichts weiter sah als seine kompetente Sekretärin. Daher schlich sich eine gewisse Sehnsucht in ihre Stimme, als sie ihm jetzt von ihrer Zeit in Australien erzählte.

Gabriel hörte kaum auf ihre weiteren Ausführungen über das Baby. Irgendwann würde das zwar auch für ihn zum Thema werden – schließlich war er Halbitaliener –, doch im Moment gab es kaum etwas, das ihn mehr langweilte als die Geschichten über ein Neugeborenes am anderen Ende der Welt.

Er war noch viel zu sehr damit beschäftigt, den Anblick dieser Frau mit den haselnussbraunen Haaren vor ihm zu verkraften. Einer Frau, die über üppige Brüste verfügte, zu denen sein Blick immer wieder abdriftete.

Da er nicht lüstern wirken wollte und weil er bereits ein unangenehmes Ziehen in den Lenden bemerkte, setzte er sich wieder auf seinen Sessel hinter dem Schreibtisch und versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was sie sagte. Irgendetwas über Ben und die Unberechenbarkeit seiner Hungerattacken. Diesen sanften Ausdruck in ihren Augen hatte er noch nie zuvor gesehen, und plötzlich runzelte er die Stirn.

„Ich hoffe, diese Reise hat Sie nicht auf dumme Ideen gebracht“, unterbrach er sie mitten im Satz.

„Wie bitte?“

„Reise? Ideen?“

„Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen“, erklärte Rose perplex.

„Ich spreche davon, dass meine perfekte Sekretärin plötzlich entschieden haben könnte, dass es für sie an der Zeit wäre, Mutter zu werden. Dieser ganze Babykram kann manchmal ansteckend sein. Das weiß ich mit Sicherheit.“

„Also wirklich, Gabriel …“ Rose spürte, wie blinde Wut sie erfasste und sie sich sehr bemühen musste, ruhig zu bleiben. „Und woher wollen ausgerechnet Sie so etwas wissen?“

„Ich habe zwei Schwestern und einen Bruder. Beide Schwestern haben Kinder, beinahe im selben Alter. Ich weiß also aus sicherer Quelle, dass sich bei manchen Frauen in dem Moment Muttersehnsüchte einstellen, sobald sie in die Nähe eines Neugeborenen kommen …“

Rose betrachtete den ungemein attraktiven Mann vor sich und wunderte sich nicht länger, dass sein Ton, als er von Babys sprach, mehr als geringschätzig geklungen hatte. Er gehörte zu der Sorte Mann, die die Gründung einer Familie so lange wie irgend möglich hinausschob.

„Ich plane nicht, in nächster Zeit Mutter zu werden“, erwiderte sie kühl. „Um einen solchen Schritt zu machen, sollte eine Frau einen ernsthaften Partner an ihrer Seite haben.“

Mit diesem einen Satz bekam Gabriel einen größeren Einblick in Roses Privatleben als jemals zuvor. Er war immer davon ausgegangen, dass bei ihr kein Mann im Spiel war, ganz einfach deshalb, weil sie nie einen erwähnte, und Frauen redeten in der Regel immer von ihrem Freund, wenn sie denn einen hatten. Jetzt erhielt er aber die offizielle Bestätigung, und das freute ihn.

„In Ihrem Leben gibt es also im Moment keinen Mann?“, hakte er trotzdem noch einmal nach, auch wenn ihr der Widerwille, dieses Thema zu erörtern, deutlich ins Gesicht geschrieben stand.

Rose errötete. Sie hatte immer darauf geachtet, ihre Beziehung streng geschäftlich zu halten und nichts über sich selbst zu erzählen. Instinktiv wusste sie – je mehr er von ihr erfuhr, desto gefährlicher würde ihre alberne Schwärmerei.

Daher zwang sie sich zu einem nonchalanten Lächeln. „Sie kommen und gehen“, erwiderte sie betont lässig. „Sie wissen ja, wie das ist – im Moment befinde ich mich zwischen zwei Beziehungen.“ Die kleine Notlüge war es allemal wert, denn die Ungläubigkeit in seinem Blick fand sie einfach unbezahlbar. Offensichtlich stellte es einen Schock für ihn dar, dass sie außerhalb des Büros auch noch ein Privatleben hatte. „Wie dem auch sei …“, nervös fingerte sie wieder an dem Brief herum, „jetzt, wo ich Ihnen alles von meiner Zeit in Australien erzählt habe, muss ich Ihnen etwas geben …“

Sie beugte sich nach vorne und legte den weißen Umschlag auf den Schreibtisch. Eine Welle der Anspannung erfasste sie.

Rasch erinnerte sie sich deshalb daran, dass sie absolut das Richtige tat. Sie hatte lange mit Grace darüber gesprochen – und es war der einzige Ausweg!

Gabriel schaute misstrauisch auf den Brief, doch dann griff er danach, öffnete ihn und überflog den Inhalt. Mehrmals. Offensichtlich glaubte er, sich verlesen zu haben. Als ihre Nerven mittlerweile zum Zerreißen angespannt waren, sagte er verdächtig sanft: „Was ist hier los, Rose?“ Schock und Ungläubigkeit standen in seinen blauen Augen, sodass sie unwillkürlich zurückzuckte. Nur mit Mühe schien er sich von einem Wutausbruch abzuhalten.

„Es ist … ist mein Kündigungsschreiben …“

„Ich weiß, was das ist! Ich kann lesen! Was ich nicht verstehe, ist die Tatsache, dass diese Kündigung überhaupt auf meinem Tisch liegt!“ Der Optimismus, mit dem er diesen Tag begonnen hatte, löste sich gerade in Rauch auf.

Es hatte damit angefangen, dass seine sonst so zuverlässige Sekretärin später als gewöhnlich zur Arbeit gekommen war und so fantastisch aussah, dass jeder Mann sich nach ihr umdrehen würde. Und als wenn das allein noch nicht schlimm genug gewesen war, knallte sie ihm ihre Kündigung auf den Tisch, als wäre ihr alles völlig egal.

Zusätzlich zu seiner Wut und Fassungslosigkeit fühlte er sich deshalb auch noch bitter betrogen.

„Ich dachte nur …“

„Ich meine, ohne Vorwarnung!“, unterbrach er sie scharf und wedelte anklagend mit dem Blatt Papier. „Sie schlendern hier herein zu Gott weiß welcher Zeit …“

„Viertel vor neun!“, protestierte sie. „Fünfzehn Minuten bevor ich meine Arbeit zu beginnen habe!“

Gabriel ignorierte ihren Einwand. „Und plötzlich erklären Sie mir, dass Sie mich im Stich lassen!“

„Ich lasse Sie nicht im Stich.“ Rose räusperte sich und zwang sich, ihm ins Gesicht zu sehen. „Jetzt sind Sie melodramatisch …“

„Wagen Sie ja nicht zu behaupten, ich sei melodramatisch!“, rief Gabriel. Hastig stand er auf und stützte sich mit beiden Händen auf dem Schreibtisch ab. Jeder einzelne Muskel in seinem Körper schien vor Anspannung hervorzutreten. Ihre Kündigung hätte ihn nicht stärker erschüttern können, als wenn er in sein Büro gekommen wäre und dort ein gähnendes Loch vorgefunden hätte.

„Ich habe Sie nach Australien gehen lassen“, donnerte er, „was mir unglaubliche Unannehmlichkeiten bereitet hat …“

Rose, die nicht vorhatte, ihren Chef noch wütender zu machen, wollte allerdings auch nicht klein beigeben. Sie konnte die Male, die sie nicht für Gabriel zur Verfügung gestanden hatte, an einer Hand abzählen. An endlos vielen Abenden hatte sie Überstunden gemacht und Treffen mit Freunden kurzfristig abgesagt, nur um ihm aus der Bredouille zu helfen.

„Ich habe für eine adäquate Vertretung während meiner Abwesenheit gesorgt“, verteidigte sie sich ruhig.

„Sie haben mir ein emotionales Wrack auf den Hals gehetzt! Eine Frau, die sich die ganze Zeit, die sie hier war, am Rande eines Nervenzusammenbruchs bewegte! Das ist nicht gerade meine Vorstellung eines adäquaten Ersatzes! Und der ganze Rest dieser inkompetenten Frauen war genauso schlimm!“ Mit der Schnelligkeit einer Raubkatze umrundete er den Schreibtisch. Er beugte sich zu ihr hinunter, wobei er beide Arme auf ihren Stuhllehnen abstützte. „Also, was haben Sie dazu zu sagen?“, fuhr er sie an, woraufhin sie unwillkürlich zurückzuckte.

Ihr war ja klar gewesen, dass ihre Kündigung bei ihm nicht gerade auf Begeisterung stoßen würde. Sie war gut in ihrem Job, und mit den Jahren hatte sich Gabriel an sie gewöhnt. Sie arbeiteten in perfekter Harmonie miteinander. Oftmals mussten sie nicht mal verbal äußern, worum es ging. Vor allem hatte Rose im Gegensatz zu seinen vorigen Sekretärinnen keine Angst vor ihm.

„Ich warte!“

„Ich sage gar nichts, bevor Sie nicht wieder auf Ihren Platz gehen, Gabriel. Ich fühle mich … bedroht …“

„Was glauben Sie denn, was ich tun werde?“ Unfreiwillig glitt sein Blick über ihre Brüste. Der Ausschnitt ihres T-Shirts gab einiges an Dekolleté frei. Als sie nicht antwortete, stieß er sich von den Lehnen ab und fuhr sich mit den Fingern frustriert durch die schwarzen Haare.

Rose merkte, wie sich ihre Atmung sofort normalisierte. „Es können doch nicht all diese Vertretungen hoffnungslos gewesen sein, Gabriel.“ Er warf ihr einen skeptischen Blick über die Schulter zu. „Sie schüchtern Menschen ein. Wahrscheinlich haben Sie es bei diesen Frauen genauso gemacht.“

„Ich? Schüchtere Menschen ein?“ Lässig hockte Gabriel sich auf die Schreibtischkante und schaute auf sie herab. „Hin und wieder vielleicht“, gab er widerwillig zu. „Aber Sie wissen ganz genau, dass das in der Geschäftswelt ein probates Mittel ist. Wollen Sie deshalb gehen? Weil Sie mit meiner Arbeitsweise unzufrieden sind?“ Er runzelte die Stirn und versuchte, das Unbegreifliche zu verstehen. Vor ihrer Abreise nach Australien hatte sie nur zu gern für ihn gearbeitet. Doch jetzt schien sie plötzlich andere Pläne zu haben.

Dabei konnte sie kaum darauf hoffen, bessere Arbeitskonditionen zu finden. Was ihr Gehalt anging, würde es keine andere Firma in ganz London geben, die ihr so viel zahlte. Nein, wahrscheinlich würde sie im ganzen Land vergeblich suchen.

„Hat Ihre Schwester Ihnen vielleicht eingeredet, es wäre eine gute Idee, London zu verlassen …?“, kam ihm der plötzliche Gedanke. „Sagen Sie mir ja nicht, Sie sind dumm genug, nach Australien gehen zu wollen!“ Schock mischte sich mit etwas anderem, das Gabriel nicht ganz verstand, das aber wie glühend heißes Feuer durch seine Adern schoss. Aus irgendeinem Grund behagte ihm diese Vorstellung ganz und gar nicht. Er sah ein Bild von ihr im australischen Outback vor sich, allein mitten in der Einöde. Doch wahrscheinlich würde sie gar nicht allein sein, oder?

Erneut nahm er ihre Erscheinung in sich auf – die fantastische Figur, die gebräunte Haut und den kupferfarbenen Schimmer in ihrem braunen Haar, das ihr lockig und weich auf die Schultern fiel. Nein, irgendein verdammter australischer Rancher würde ihr nur zu gern Gesellschaft leisten. Unwillkürlich biss er die Zähne zusammen und schaute sie grimmig an.

„Nein“, entgegnete sie müde. „Ich habe nicht vor, nach Australien zu gehen.“

„Warum dann das Ganze?“ Er warf einen vernichtenden Blick auf den beleidigenden Brief auf seinem Tisch. „Ein paar höfliche Zeilen sind alles, was ich mir verdient habe, nachdem ich vier Jahre lang ein vorbildlicher und großzügiger Chef war?“

„Ich dachte nicht, dass Sie blumige Reden mögen würden. Außerdem gibt es nicht mehr zu sagen. Ich gehe, weil ich festgestellt habe, dass es da draußen noch ein paar Dinge für mich zu erledigen gibt, und das kann ich nicht tun, während ich hier arbeite, auch wenn Sie tatsächlich ein sehr großzügiger Chef waren.“

„Dinge, die Sie noch erledigen wollen?“ Erneut runzelte Gabriel verständnislos die Stirn.

„Ich … ja …“

„Was für Dinge?“

„Ein Business-Kurs zum Beispiel …“ Unter anderem, dachte sie, inklusive einem eigenen Leben mit passendem Partner, einer Familie und all den Dingen, von denen Frauen meist schon sehr früh träumen.

„Sie wollen einen Business-Kurs belegen?“ Bei ihm klang es so, als hätte sie den Wunsch geäußert, auf den Mond fliegen zu wollen.

„Ja, zufälligerweise möchte ich das!“ Rose hob trotzig das Kinn. „Ich bin mit achtzehn von zu Hause weggegangen“, fuhr sie fort und gab damit noch mehr von ihrem Privatleben preis, das sie bislang so unter Verschluss gehalten hatte. „Dann musste ich mich um meine kranke Mutter kümmern, und als sie starb, machte ich eine Sekretärinnenausbildung, um Geld zu verdienen, das ich für ein Studium verwenden könnte. Falls Sie sich daran erinnern … ich bin mit einem Zeitvertrag zu Ihnen gekommen … und dann hier hängen geblieben …“

„Davon haben Sie nie etwas erzählt“, murmelte Gabriel, der die Bestürzung über ihre ungewohnte Gesprächigkeit in ihrem Gesicht ablesen konnte. Seine kühle, souveräne, sachliche Sekretärin verfügte also über inneres Feuer. Natürlich hatte er das von Anfang an vermutet. „Was hat denn Ihre Schwester gemacht, während Sie sich um Ihre Mutter gekümmert haben?“, fragte er neugierig.

Rose starrte ihn an und versuchte insgeheim, sich wieder auf sicheres Terrain zurückzuziehen, doch das ließ er nicht zu. Nach ein paar Sekunden lastender Stille zuckte sie die Achseln und wandte den Blick ab. „Grace war an der Universität, und dann hat sie Tom kennengelernt, und alles wurde … ziemlich hektisch für sie. Wie dem auch sei – natürlich werde ich meine Nachfolgerin entsprechend einarbeiten. Wenn ich hier aufhöre, will ich mir ein paar Wochen freinehmen und den Sommer genießen … Der Kurs wird dann im September starten …“

„Und Ihnen ist nie in den Sinn gekommen, das mit mir zu besprechen …? Dass es vielleicht eine für uns beide zufriedenstellende Lösung geben könnte …?“

Autor

Cathy Williams

Cathy Willams glaubt fest daran, dass man praktisch alles erreichen kann, wenn man nur lang und hart genug dafür arbeitet. Sie selbst ist das beste Beispiel: Bevor sie vor elf Jahren ihre erste Romance schrieb, wusste sie nur wenig über deren Inhalte und fast nichts über die verschiedenen Schreibtechniken. Aber...

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