Baccara Exklusiv Band 264

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BEWEISE MIR, DASS DU MICH LIEBST von JENNIFER LA BRECQUE

Auf der Highschool war er zu unsicher, um sie zu erobern. Jetzt ist Logan ein selbstbewusster Geschäftsmann, der immer noch von heißen Stunden mit Jenna träumt. Doch bevor er seine Sehnsucht gestehen kann, muss er ihr das Liebste nehmen, das sie besitzt …

ZUM ZWEITEN MAL DEN FEIND GEKÜSST von JANICE MAYNARD

So süß war damals sein Kuss – und so bitter die Enttäuschung, als er Mazie abwies! Dass J.B. Vaughan jetzt ihr Elternhaus kaufen will, ist die perfekte Gelegenheit für Rache. Denn natürlich lautet ihre Antwort Nein! Doch J.B. setzt alles daran, sie umzustimmen …

VIEL MEHR ALS DIESE EINE NACHT von REESE RYAN

Küsst sie gerade wirklich ihren besten Freund Ryan? Nachdem der Womanizer sie auf einem Wohltätigkeitsball ersteigert hat, ist nichts mehr, wie es war. Denn Ryan verwöhnt sie nicht nur von Kopf bis Fuß, er gibt ihr auch das Gefühl, die begehrenswerteste Frau der Welt zu sein.


  • Erscheinungstag 18.10.2025
  • Bandnummer 264
  • ISBN / Artikelnummer 9783751530958
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jennifer LaBrecque, Janice Maynard, Reese Ryan

BACCARA EXKLUSIV BAND 264

Jennifer LaBrecque

PROLOG

Logan Jeffries versuchte, seine Gedanken zu sammeln. In einer Viertelstunde würde die Nachmittagsdebatte beginnen und als Kapitän des Debattierclubs musste er dabei in Topform sein. Bisher hatte das Team noch keinen einzigen Wettkampf unter seiner Leitung verloren.

Allerdings war es für Logan nicht gerade leicht, sich auf die bevorstehende Runde zu konzentrieren, wenn Jenna Rathburne in der Nähe war. Gerade war er ihr im Gang begegnet. Wie immer hatte er in eine andere Richtung gesehen, als er an ihr vorbeigegangen war, denn er wollte auf keinen Fall, dass jemand sah, wie er das hübscheste und beliebteste Mädchen der Schule anstarrte.

Während er in seinem Spind nach etwas suchte, spürte er plötzlich ihre Nähe, so als schickten sämtliche Nervenstränge ein Radarsignal an sein Gehirn. Womöglich wartete sie auf jemanden, dessen Spind sich auch hier befand. Als er sich aufrichtete, bemühte er sich, geradeaus den Flur entlang zu blicken.

Jenna räusperte sich. „Äh … hey Logan.“

Völlig überrascht, dass sie ihn überhaupt ansprach, drehte er sich um. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals und er konnte kaum atmen.

„Hi“, brachte Logan schwach hervor.

„Bist du bereit für die Debatte heute Nachmittag?“

„Ja, ich denke schon“, murmelte er leise. Sein Gehirn schien auf einmal nicht mehr richtig zu funktionieren. Krampfhaft versuchte er, etwas Witziges von sich zu geben, aber stattdessen starrte er sie nur an.

Sie hatte ihre blonden Haare zu einem Pferdeschwanz hochgebunden, und obwohl er stets gewusst hatte, dass sie blaue Augen hatte, war die Farbe ihrer Augen aus der Nähe noch viel intensiver. Na ja, in diesem Moment war alles intensiv … Sein Magen zog sich nervös zusammen.

Jenna trat von einem Fuß auf den anderen. Einen kurzen Moment lang dachte Logan, dass sie womöglich genauso unsicher war wie er. Doch das war höchst unwahrscheinlich, so beliebt, wie sie bei allen war. Sie war hübsch und die Anführerin des Cheerleader-Teams. Ganz bestimmt war sie nicht nervös.

„Ich, äh, wollte dich fragen, ob du mich zum Homecoming-Spiel begleiten möchtest“, stieß sie hastig hervor. „Na ja, es sei denn, du hast bereits eine andere Verabredung oder so.“

Einen Moment lang stand Logan regungslos da und war sich sicher, dass er sie falsch verstanden hatte. Hatte sie ihn wirklich aufgefordert, mit ihr zur größten Veranstaltung an der Highschool zu gehen? „Häh?“ Völlig verständnislos sah er sie an.

„Magst du, wenn du Zeit hast, mit mir zum Homecoming-Spiel gehen?“ Jenna wiederholte noch einmal ihre Frage.

Er hatte also doch richtig gehört. Sie bat ihn um eine Verabredung.

Auf einmal erregte etwas hinter Jenna seine Aufmerksamkeit. Ihre beste Freundin Bethany stand am Wasserspender und beobachtete die beiden. Als sie merkte, dass Logan sie entdeckt hatte, bückte sie sich schnell und trank.

Aha, so war das also. Das Ganze ergab auf einmal einen Sinn. Das war mit Sicherheit eine Art Mutprobe oder ein abgekartetes Spiel. Die beiden wollten, dass er Ja sagte, und würden anschließend in hysterisches Gelächter ausbrechen. Und alle anderen würden sich auch über ihn lustig machen, sobald sie erfuhren, dass Logan Jeffries, der doch eigentlich so klug war, blöd genug gewesen war zu glauben, dass Jenna Rathburne mit ihm ausgehen wollte.

„Danke, aber nein danke. Homecoming ist nicht so mein Ding.“

Einen Augenblick lang meinte er Tränen in ihren Augen zu sehen, ehe sie ihr Zahnpastalächeln auflegte. „Okay. Schönen Tag noch.“

„Ja, dir auch.“ Logan wandte sich wieder seinem Spind zu, so als würde ihn der Inhalt unheimlich faszinieren.

„Ähm, viel Glück heute bei der Debatte“, merkte sie noch an. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sie sich umdrehte und sich entfernte.

Puh, gerade noch hatte er diese erniedrigende Erfahrung abwenden können. Beinahe hätte er sich nämlich furchtbar lächerlich gemacht, davon war er überzeugt.

1. KAPITEL

Zwölf Jahre später …

Jenna trat, geblendet von den Strahlen der tiefstehenden Oktobersonne, auf den schneebedeckten Gehweg von Good Riddance in Alaska.

Norris Watts bedeutete Jenna, etwas mehr nach links zu gehen. „Ich will das ganze Schaufenster draufkriegen.“ Das beschriftete Fenster hinter Jenna sorgte immer für Aufmerksamkeit: Curl’s Tierpräparation, Friseur, Schönheitssalon und Bestattungsinstitut.

„Warte mal. Tama muss auch mit aufs Foto.“

Norris seufzte. „Okay, geh die Katze holen.“

Jenna rannte wieder hinein und hob den imposanten Kater hoch, der auf einem Kratzbaum saß. „Komm, mein Süßer. Fototermin.“

Tama blinzelte Jenna wenig beeindruckt an und Jenna küsste ihn lachend auf den Kopf. Vor zwei Monaten hatte sie das Tier aus einem Tierheim in Anchorage adoptiert. Jenna hatte noch nie ein Haustier gehabt, und Tama war in ihren Augen natürlich die schönste und perfekteste Katze der Welt.

Tama folgte Jenna überallhin, fast so als wäre er ein Hund.

Mit dem Kater im Arm stellte sich Jenna nun rechts vors Schaufenster. „Wie ist das?“, fragte Jenna, nachdem die Fotografin noch ein paar Korrekturen angewiesen hatte.

„Super“, erwiderte Norris, ohne dabei die brennende Zigarette aus dem Mund zu nehmen. Die heisere Stimme der älteren Frau ließ darauf schließen, dass sie ihr Leben lang täglich mindestens eine Schachtel Zigaretten geraucht hatte.

„Perfekt.“ In schneller Abfolge drückte Norris auf den Auslöser. „Jetzt habe ich noch ein paar Fragen an dich.“

„Kein Problem.“ Jenna mochte Norris ebenso, wie sie fast alle Menschen mochte, die in Good Riddance wohnten.

Norris war erst im Juni nach Good Riddance gezogen und hatte sich hier zur Ruhe gesetzt, nachdem sie über vierzig Jahre lang als Reporterin für eine Tageszeitung in Philadelphia gearbeitet hatte. Zunächst hatten sie die langen Sommertage in Alaska begeistert und sie war viel beim Angeln und Zelten gewesen. Aber als die Tage kürzer geworden waren, hatte sie sich beschwert, dass ihr todlangweilig sei.

Deshalb hatte sie beschlossen, dass Good Riddance und die anderen abgelegenen Orte in der Umgebung dringend eine Zeitung brauchten, die über lokale Ereignisse und Neuigkeiten berichtete.

Da Jenna ebenfalls erst seit Kurzem in der Stadt wohnte und dort ein Geschäft betrieb, wollte Norris ein Feature über sie herausbringen. Jenna fand zwar nicht, dass sie so interessant war, dass man über sie einen Artikel schreiben musste, aber sie wollte ihrer Bekannten natürlich helfen.

Norris drückte ihre Kippe aus und legte sie in die kleine Dose, die sie immer bei sich trug.

Die beiden Frauen gingen zurück in den Laden, wo Jenna sich eingemietet hatte und mit ihrem Nagelstudio einen Tisch belegte. Außerdem befanden sich in dem kleinen Raum noch ein Waschbecken und ein Friseurstuhl. Der Tierpräparationsbetrieb und das Bestattungsinstitut lagen im hinteren Teil des Geschäfts. Deshalb hing ständig ein leichter Geruch nach Formaldehyd in der Luft, vermischt mit dem von Nagellack und Nagellackentferner.

Ehe sich Jenna an den Tisch setzte, hob sie Tama wieder auf den Katzenbaum und gab ihm ein Leckerli.

„Du bist also ursprünglich mit deinem Exverlobten, Tad Weatherspoon, nach Good Riddance gekommen, richtig?“, begann Norris, die auf dem Friseurstuhl Platz genommen hatte.

„Ja, genau.“ Das war damals eine etwas peinliche Situation gewesen, erinnerte sich Jenna.

„Aber als ihr hier ankamt, stellte sich heraus, dass er immer noch mit der Gründerin und Bürgermeisterin der Stadt, Merrilee Swenson, verheiratet war.“ Norris schob ein Stück Kaugummi in den Mund. „Hört sich für mich wie eine Seifenoper an.“

„Ja, das stimmt. Doch das Leben ist manchmal wirklich so. Nur dass es keine Werbepausen gibt.“

„Aber niemand in der Stadt hatte eine Ahnung davon, dass Merrilee verheiratet war.“ Kopfschüttelnd sah Norris ihr Gegenüber an. „Ein verheirateter Mann mit einer Verlobten an seiner Seite. Toll.“

„Wem sagst du das? Er hatte mir weisgemacht, wir würden nur nach Good Riddance reisen, um jemanden zu besuchen. Doch dann stellte sich heraus, dass der Grund für unseren Besuch der war, dass er Merrilee dazu bringen wollte, die Scheidungspapiere zu unterschreiben, damit er mich heiraten konnte.“

„Aber du hast ihn dann nicht geheiratet, oder?“

„Natürlich nicht. Ich wollte doch keinen Lügner heiraten. Er hatte stets behauptet, er sei schon geschieden. Außerdem hatte er hinsichtlich seines Alters und noch einiger Dinge mehr gelogen.“ Damals hatte Jenna gedacht, ein älterer Mann bedeute Stabilität im Leben. Aber da hatte sie sich gewaltig geirrt.

„Und wieso bist du hiergeblieben, anstatt wieder nach Georgia zurückzukehren?“

„Ich bin, rein aus Interesse, zu Curl in den Laden gegangen, weil am Schaufenster Schönheitssalon stand. In Georgia habe ich einen Betrieb mit Kosmetikprodukten, der sehr gut läuft. Na ja, Curl und ich kamen ins Gespräch und ich habe ein paar Maniküren für Kunden umsonst gemacht mit verschiedenen Nagellacken, die ich zufällig dabei hatte. Die Leute waren interessiert und mir gefiel es hier. Also reiste Tad wieder ab und ich blieb da.“

Dass es Jenna hier gefiel, war eine Untertreibung. Alles, was sie sich immer gewünscht hatte, war Beständigkeit in ihrem Leben und einen Ort, an dem sie Wurzeln schlagen konnte. Und sie hatte gleich erkannt, dass Good Riddance dieser Ort war.

Tad war total sauer gewesen. Noch heute musste Jenna lächeln, als sie daran dachte, wie er sich aufgeführt hatte. „Es war die beste Entscheidung meines Lebens. Aber ohne Tad wäre ich hier nie gelandet, denn ich hatte zuvor noch nie von Good Riddance gehört.“

Norris nickte, während sie alles in ihr Notizbuch schrieb. „Und elf Monate später hast du ein neues Ziel und eröffnest bald dein eigenes Wellnesscenter.“

„Nennen wir es: Schönheitssalon mit Spa. Es ist auch als Kooperative geplant. Die Kundinnen wünschen sich Gesichtsbehandlungen und Massagen. Hier im Curl’s ist das aus Platzgründen nicht möglich. Ich habe ein paar Behandlungen in diesem Friseurstuhl gemacht, doch das ist nicht wirklich entspannend. Außerdem platzt selbst der Nagelstudiobetrieb aus allen Nähten. Ich habe ein paar Freiberufler gefunden, die mit einsteigen werden, und jetzt suche ich noch jemanden, der die Körpermassagen machen kann. Es gibt schon Reservierungen bis in den Frühling.“

„Wann soll das Ganze eröffnet werden?“

„Na ja, von außen ist das Gebäude so gut wie fertig“, erzählte Jenna weiter. „Nächsten Monat ist das Gebäudeinnere dran. Anfang Dezember soll alles erledigt sein.“

Norris wusste das zwar alles bereits, genau wie alle anderen in Good Riddance, aber Jenna wiederholte gerne alles für das Interview, wenn Norris das so wollte.

„Gerade rechtzeitig zu Weihnachten“, bemerkte Norris.

„Erzähl mir etwas von dir, was hier sonst noch niemand weiß.“

Jenna konnte nicht kochen, aber das wussten fast alle in der Stadt. Sie hatte vor sechs Monaten eine Katze adoptiert, die auch bereits jeder kannte.

Dass sie noch Jungfrau war, würde sie auf keinen Fall preisgeben. Es war eine bewusste Entscheidung gewesen, die sie irgendwann einmal getroffen hatte. Nein, sie wollte nicht unbedingt bis zur Hochzeit warten, aber sie wollte, dass das erste Mal etwas Besonderes war. Doch sie hatte noch niemanden kennengelernt, der ihr wichtig genug gewesen war.

Damals in der Highschool war sie unsterblich in Logan Jeffries verliebt gewesen. Allein wenn sie ihn angesehen hatte, war sie rot angelaufen und furchtbar nervös geworden. Aber er hatte ihr eine klare Abfuhr erteilt, als er es abgelehnt hatte, mit ihr zum Homecoming-Spiel zu gehen. Und seitdem war sie niemandem mehr begegnet, der ein solches Gefühl in ihr ausgelöst hatte wie damals Logan. Nicht einmal für Tad hatte sie so viel empfunden.

Oft hatte Jenna sich ausgemalt, wie es wohl wäre, Logan zu berühren und von ihm berührt zu werden, wenn allein sein Anblick so starke Gefühle in ihr hervorgerufen hatte. Aber das war immer eine Fantasie geblieben.

„Komm schon“, unterbrach Norris ihre Gedanken. „Irgendetwas muss es doch geben.“

„Okay, ich habe zweiundzwanzig Stiefgeschwister und sechs Halbgeschwister.“

„Ach, du meine Güte. Wie ist denn das passiert?“

„Mom ist zum sechsten und Dad zum fünften Mal verheiratet.“

Norris stieß einen Pfiff aus. „Deine Familie könnte ihre eigene Seifenoper haben.“

„Oder eine richtig schlechte Reality-TV-Show“, antwortete Jenna lachend.

„Perfekt. Genau so was habe ich gesucht.“ Norris schlug ihr Notizbuch zu. „Gut, ich glaube das reicht. Wenn der neue Salon eröffnet ist, machen wir noch ein weiteres Interview.“ Mit diesen Worten steckte Norris ihren Kugelschreiber und das Notizbuch in ihre Handtasche und ging zur Tür. Jenna wusste, dass Norris eine Zigarette rauchen wollte.

Gemeinsam traten sie vor die Tür des Geschäfts.

„Bis bald“, verabschiedete sich Norris hastig und ging eilig davon.

Jenna sah auf die Uhr. Perfektes Timing, denn sie hatte noch einen Termin mit Nelson an der Baustelle.

Schnell schnappte sie sich ihre Jacke und sperrte die Ladentür hinter sich zu. Als sie den Gehweg entlangging, dachte sie bestimmt zum millionsten Mal, wie sehr sie diese Stadt liebte. Sie winkte Nancy und Leo Perkins zu, als sie an der Kurzwarenhandlung vorbeiging. Kurz darauf hupte Petey, der in seinem alten Suburban an ihr vorbeifuhr. Jeder kannte hier jeden.

Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich an einem Ort so richtig wohl. Aber irgendetwas nagte trotzdem an ihr. Eine gewisse Unzufriedenheit. Doch Jenna war sich sicher, dass dieses Gefühl verschwinden würde, sobald der neue Salon samt Spa eröffnet und sie in die Wohnung darüber gezogen war. Dann würde sie rundherum glücklich sein.

Logan sah die vor ihm liegenden Berichte in Bezug auf die geplante Expansion in Alaska durch. Er saß mit seinem Vater, dem Geschäftsführer von JMC, Inc. – Jeffries Mining Consolidated – in dessen Eckbüro, von dem man eine herrliche Aussicht auf die Skyline von Atlanta hatte.

Schweigend warteten sie auf Martina und Kyle, Logans Cousine und Cousin. Martina, die gleich alt wie Logan war, kümmerte sich um den IT-Bereich der Firma und Kyle, der zwei Jahre jünger war, leitete die Außeneinsätze.

Logan lehnte sich zurück und betrachtete, wie so viele Male zuvor, das Porträt an der gegenüberliegenden Wand. Sein Urgroßvater Jebediah Jeffries, der Gründer der Firma, war darauf abgebildet. Er war als Goldgräber in die Berge im Norden von Georgia gezogen und war auf eine Goldader gestoßen.

Seit Logan denken konnte, hatte er beim Anblick seines streng und unnachgiebig dreinblickenden Urgroßvaters immer das unbehagliche Gefühl gehabt, als blickte der alte Mann missbilligend auf ihn herab. Und das war bis heute nicht anders, obwohl er mittlerweile dreißig Jahre alt war.

Logan wandte sich wieder den Tabellen auf dem Tisch vor ihm zu. Vor ein paar Monaten hatte er nach dem Tod seines Onkels den Posten des Finanzvorstands eingenommen und leitete nun die kaufmännischen Belange des Unternehmens. Er hatte sich vor der Besprechung noch einmal genau den Cashflow und die Finanzwerte angesehen.

Die Tür ging auf und Martina und Kyle betraten den Raum und setzten sich an den Konferenztisch.

Sein Vater, Davis Jeffries, blickte kurz auf und kam ohne Einleitung sofort zur Sache. „Was hältst du von den Empfehlungen, Logan?“

Sie hatten vor ein paar Monaten begonnen, sechs mögliche Standorte zu lokalisieren, von denen drei aus verschiedenen Gründen ausgeschieden waren. Einer der noch übriggebliebenen Standorte und die Nummer eins auf ihrer Liste war Good Riddance. Logan hatte die Analysen und die Lageberichte hierzu besonders genau studiert, denn er wusste, dass Jenna Rathburne nun dort lebte. Beim heutigen Treffen sollte die Entscheidung für einen der drei Standorte fallen.

„Ich denke, Good Riddance wäre sehr rentabel. Die Gelder für die Übernahme stehen zur Verfügung. Die Einwohner werden das große Los ziehen mit dem, was wir der Stadt anbieten können. Keiner ist dort am Verhungern, aber besonders wohlhabend ist auch niemand.“ Durch die Übernahme von JMC würden die Bewohner zwar wegziehen müssen, es könnten aber alle zu Geld kommen und hinziehen, wohin sie wollten, und dort tun, was sie wollten.

Und die Firma würde in dem verschlafenen Nest ein Vermögen machen, denn die Kleinstadt war wortwörtlich eine Goldgrube.

Logan deutete auf die letzte Zeile des Finanzberichts. „Letztes Jahr wäre es in Bezug auf die Kosten noch untragbar gewesen, aber aufgrund der neuen Technologien ist es heute ein guter Deal.“

Davis drehte sich zu Martina um. „Was meinst du?“

„Na ja, was die IT angeht, ist Barton, Standort Nummer zwei auf unserer Liste, zwar besser geeignet, aber Good Riddance sollte kein allzu großes Problem darstellen.“

Davis nickte und wandte sich seinem Neffen zu. „Kyle?“

„Aus meiner Perspektive ist Barton nicht schlecht, aber Good Riddance ist besser.“

Nachdem er noch ein paar Fragen gestellt hatte, traf Davis schließlich eine Entscheidung. „Gut, lasst uns ein Angebot für Good Riddance abgeben.“ Mit einem Blick auf Logan fuhr er fort: „Wirst du Chaz hinschicken?“

Normalerweise führte Chaz Fischer die Übernahmeverhandlungen, aber diesmal wollte Logan es anders handhaben.

„Ich werde mich selbst drum kümmern“, gab er den anderen bekannt.

„Du?“ Verständnislos sah Kyle ihn an. „Du verlässt doch sonst nie dein Büro.“

„Da hast du recht. Die Verhandlungen sollten nicht länger als zwei bis drei Tage dauern und ich würde gern ein paar Tage Urlaub dranhängen. Alaska hat mich immer schon interessiert.“ Das stimmte zwar, der Bundesstaat faszinierte ihn seit Langem, aber der Hauptgrund war Jenna. Über eine gemeinsame Freundin bei Facebook hatte er erfahren, dass Jenna nach Alaska gezogen war und nun in Good Riddance wohnte.

Was für ein Zufall, dass seine Firma ausgerechnet diese kleine Stadt am anderen Ende des Kontinents aufkaufen wollte.

Davis beendete die Besprechung, bat aber Kyle darum, noch kurz zu bleiben. Martina und Logan traten gemeinsam auf den Flur.

„Ich habe heute mit deiner Mom zu Mittag gegessen“, erzählte seine Cousine ihm.

Logan zog die Augenbrauen hoch. Wenn seine Mutter sich mit Martina zum Mittagessen traf, konnte das nur einen Grund haben.

„Ja, sie versucht es mal wieder. Sie will, dass ich eine geeignete Frau für dich finde. Ich wollte ihr eigentlich sagen, dass du dich ja mal mit einer Freundin von mir, die Stripperin ist, treffen könntest.“ Martina grinste. Sie hatte einen guten Sinn für Humor, und sie wussten beide, dass es keine Stripperin unter ihren Freundinnen gab.

„Ich wollte dir nur Bescheid geben, mein lieber Cousin. Jetzt, wo du dreißig und mittlerweile Finanzchef der Firma bist, wird es Zeit für dich, dich niederzulassen und deinen Teil zum Vermächtnis der Jeffries beizutragen, indem du für einen zukünftigen Leiter der Firma sorgst. Natürlich musst du zuerst eine geeignete Frau zum Altar führen.“

Logan schüttelte den Kopf und lächelte. „Ich such mir meine Frauen selber aus. Aber vielen Dank.“

„Na ja, du bist in letzter Zeit viel beschäftigt gewesen mit deiner Arbeit und damit, deinen MBA zu machen. Was ich damit sagen will: Deinen Eltern geht es nicht schnell genug. Du kannst dich schon mal darauf vorbereiten, dass ich dir nach deiner Rückkehr aus Alaska ein paar passende Zuchtstuten zeigen werde. Magst du lieber blonde, braun- oder rothaarige Frauen?“

Auf einmal musste er wieder an Jenna denken, die mit ihrem Nagelstudio in den Augen seiner Mutter sicher keine geeignete Kandidatin war.

„Ich würde mal sagen: Blondinen bevorzugt.“

Jenna öffnete die Tür zum neuen Schönheitssalon und ihrem neuen Zuhause. Auch wenn es noch etwas dauern würde, bis alles bezugsfertig war, so fühlte sie sich bereits wohl hier. Sie grinste und drehte sich vor Freude mehrmals im Kreis herum. Dann blieb sie atemlos stehen und sah sich um. Sie wusste ganz genau, wie sie alles einrichten würde.

Zwei der großen Fenster boten Ausblicke auf Bäume, die anderen beiden auf Good Riddance.

Jenna hörte, wie sich Sven, der Baustellenleiter, draußen mit einem seiner Männer über die Fassade unterhielt. Laut Wettervorhersage sollte bald mehr Schnee fallen, weshalb die hintere Fassade des Gebäudes heute noch fertig werden musste.

Jenna mochte den großen Schweden, der für die Baustelle zuständig war. Na ja, nur als guten Freund, mehr nicht. Sven sah gut aus und sie verstanden sich großartig, aber sonst war nichts zwischen ihnen. Wie um das zu beweisen, hatten sie sich einmal geküsst. Und das hatte gereicht. Nicht, dass Sven nicht küssen konnte, aber es war keine Leidenschaft aufgekommen. Und so waren sie eben nur Freunde.

Morgen würden die Bauarbeiter mit dem Innenausbau beginnen. Jenna zog ihre Jacke fester um sich, während sie sich die Wände vorstellte, die eingezogen werden würden, und den Wasserfall, der sich im Empfangsbereich befinden würde. Es würde kein sehr großer Salon werden, aber dafür besonders schön. Wie die meisten Ladeninhaber in Good Riddance würde sie über ihrem Geschäft wohnen.

Die Eingangstür ging auf und Nelson Sisnuket kam herein. Wie immer trug er sein schwarzes Haar zu einem Pferdeschwanz, der mit einem Lederriemen zusammengebunden war.

Nelson war ein guter Freund. Die meisten Menschen mochten Jenna gern, aber nur sehr wenige verstanden sie. Einer davon war Nelson.

„Hi, Jenna.“

„Hey, Nelson“, erwiderte sie und umarmte ihn kurz.

Nelson war ein toller Mensch und Jenna hatte ihn sehr gern. Aber auch bei ihm war es nie mehr gewesen als Gernhaben, ob wohl sie sich auch mal näher gekommen waren, aber schnell beschlossen hatten, dass sie lieber Freunde bleiben würden. Irgendwie passierte Jenna das häufig in letzter Zeit.

„Danke, dass du dir Zeit genommen hast“, meinte Jenna.

Nelson war ein viel beschäftigter Mann. Er arbeitete in der Arztpraxis im Ort als Assistent und Büroleiter. Er war Einheimischer und durchlief gerade die Ausbildung zum Schamanen. Sein Volksstamm hatte ihn dazu auserwählt.

Jenna war sich ganz sicher, dass Nelson einmal ein guter Schamane sein würde, denn er ruhte in sich selbst. Er strahlte Gelassenheit und Beständigkeit aus.

„Kein Problem. Ich freue mich, dass ich dir helfen kann. In letzter Zeit war es in der Praxis ruhig, aber wenn sich das Wetter mal ändert, wird wieder viel los sein. Wie geht es dir?“

Die meisten Leute interessierten sich nicht wirklich für die Antwort auf diese Frage, es war lediglich eine Floskel. Aber Nelson wollte es wirklich wissen.

„Ich habe auf einmal Bammel“, gestand Jenna.

Während sie ihm ihr Unbehagen näher erklärte, zog Nelson einen Beutel aus Tierhaut aus der Jacke. Er ging in die Hocke, legte den Beutel vor sich, faltete ihn auseinander und zog etwas heraus, das wie eine übergroße Zigarre aussah. Tatsächlich war es ein Büschel Salbei, das mit einer Schnur zusammengehalten wurde.

Jenna hatte Nelson gebeten, ihr neues Gebäude zu räuchern, um jegliche negativen Energien zu beseitigen, ehe Sven und seine Männer im Innenbereich anfingen. Es war eine Tradition der Einheimischen, die regelmäßig durchgeführt wurde, um Räumlichkeiten zu reinigen und zu klären. Und Jenna wollte so viel positive Energie wie möglich für dieses Gebäude.

Zusammen mit Nelson ging sie zur am weitesten entfernt liegenden Ecke des Gebäudes. Er zündete ein Streichholz an und hielt die Flamme an das Salbeibüschel, bis dieses brannte. Rauch stieg auf und Nelson sprach ein paar Gebete, wobei er das Büschel immer wieder anhob und dann senkte.

„Ich weiß nicht“, knüpfte Jenna an das Vorhingesagte an, als Nelson fertig war. „Hast du auch manchmal das Gefühl, dass alles gut läuft, aber irgendetwas passt nicht?“

Nelson warf ihr einen prüfenden Blick zu, der bis in ihr Innerstes zu gehen schien.

„Wie meinst du das?“

Sie lehnten sich an die Wand.

„Ich kann’s nicht besser beschreiben. Ich liebe es, hier zu wohnen. Auch wenn ich in Marietta noch ein Geschäft habe, es hat sich dort nie so gut angefühlt wie hier. Das hier ist mein Zuhause. Das ist doch toll, oder? Wieso habe ich dann so ein … Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll.“

„Eine Art Leere im Inneren?“

„Ja.“

„Möglicherweise bist du bereit, deinen Partner zu finden.“

Jenna lachte. „Nein, ganz sicher nicht. Ich bin allein ganz glücklich.“

In Bezug auf Beziehungen war sie stets vom Pech verfolgt gewesen und hatte sich mittlerweile gut damit abgefunden, allein zu sein. Außerdem war sie mit Sicherheit die älteste Jungfrau auf der Welt. Aber auf keinen Fall würde sie sich in irgendetwas hineinstürzen, nur damit sie sagen konnte, dass sie einen Freund habe oder dass sie es endlich getan hatte. Sie wollte, dass es etwas Besonderes war und ihr etwas bedeutete.

„Trotzdem glaube ich, dass dir eine Beziehung fehlt.“ Nelson konnte manchmal sehr hartnäckig sein.

Er kannte sie zwar gut, aber dieses Mal lag er falsch. Nein. Endlich hatte sie das erreicht, was sie ihr ganzes Leben lang gewollt hatte: Stabilität und ein Zugehörigkeitsgefühl.

„Ich glaube, du schließt von dir auf andere. Vermutlich brauchst du eine Freundin.“

Achselzuckend sah er sie an und schwieg.

Jenna schüttelte den Kopf. „Nein, nein. Ich komme allein zurecht“, versicherte sie ihm noch einmal.

Das Letzte, was sie jetzt brauchte, war eine weitere verkorkste Beziehung.

2. KAPITEL

„Wir sind gleich da“, sagte die braunhaarige Pilotin des Kleinflugzeugs, das Logan in Anchorage abgeholt hatte.

Sein Herz schlug schneller, als er die Häuser unter sich auftauchen sah. Jenna war dort unten. Möglicherweise würde er sie in ein paar Minuten wiedersehen – nach zwölf Jahren.

Die Frau brachte ihn noch immer durcheinander, denn selbst nach all dieser Zeit verspürte er noch eine große Zuneigung für sie. Und seit seine Sekretärin die Reise für ihn gebucht hatte, hatte Logan jede Nacht von ihr geträumt. Heiße, sinnliche und erotische Träume, in denen er mit ihr geschlafen hatte. Jedes Mal, wenn er diese Träume hatte, endeten sie kurz bevor einer von ihnen den Höhepunkt erreichte. Dann wachte er schweißgebadet und mit einem Riesenständer auf.

Wie konnte eine Frau, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte und die er nie richtig gekannt hatte, ihn auf diese Weise berühren? Er würde noch verrückt werden, wenn das so weiterging.

Natürlich war es auch ein bisschen Stolz, weshalb er hoffte, sie wiederzusehen. Denn sie sollte sehen, dass aus dem Streber, den sie damals in der Highschool hatte verspotten wollen, etwas geworden war. Erfolg war die beste Rache. Nicht, dass er sich wirklich an ihr rächen wollte, aber sie sollte mit eigenen Augen sehen, wie erfolgreich er mittlerweile war.

Es war zwar ein Familienunternehmen, aber das hieß nicht, dass er dafür nichts hatte tun müssen. Nein, als ein Jeffries hatte er sich noch mehr beweisen müssen als die anderen in der Firma. Und außer den beruflichen waren da auch noch die privaten Erwartungen an ihn. Es überraschte ihn wenig, dass seine Mutter Martina damit beauftragt hatte, ihm bei der Suche nach einer geeigneten Frau behilflich zu sein. Ehe und Fortpflanzung standen ganz oben auf der Liste der Pflichten, die ein Jeffries erfüllen musste.

Außerdem wollte er auch ein kleines bisschen den Helden spielen, denn er würde die Träume aller Menschen, die in Jennas kleiner Stadt wohnten, wahrmachen. Ehrlich gesagt, war das der wahre Grund, weshalb er sie wiedersehen wollte.

Genau wie er auf den Satellitenfotos gesehen und im Bericht gelesen hatte, verlief nur eine einzige Straße durch die Stadt und teilte die Häuser in zwei Reihen. In der Kleinstadt, die von Nadelbäumen umgeben war, lag bereits Schnee. Die Schroffheit der Stadt, die unter ihm lag, erinnerte ihn an die Kulissen für Westernfilme, die er sich als Kind so gern angesehen hatte, nur dass diese Stadt nicht mitten in der Wüste lag.

„Wir landen in ein paar Sekunden“, meinte Juliette, die Pilotin, und setzte einen Funkspruch ab, mit dem sie um Landeerlaubnis bat. Was war nur mit ihm los? Juliette war eine attraktive und intelligente Frau, was er aus den Gesprächen schloss, die sie während des Flugs geführt hatten, und sie war ungefähr in seinem Alter.

Aber er war nicht im Geringsten an ihr als Frau interessiert. Stattdessen musste er dauernd an Jenna Rathburne denken. Diese Träume hatten ihn echt völlig verwirrt.

Einige Minuten später waren sie gelandet. Es schneite kräftig.

„Da wären wir. Hoffentlich kriegen Sie bald Ihr Gepäck.“

Logan nickte und stieg aus dem Flugzeug. Dicke Schneeflocken wirbelten um ihn herum und in der Ferne hörte er Hunde bellen und Kinder lachen. Er fröstelte und zog den Reißverschluss seiner Jacke zu. Es war verdammt kalt hier.

Obwohl er sich normalerweise bei Reisen leichter anzog, hatte er dieses Mal für die Kälte vorgesorgt. Statt des Anzugs und der Lederschuhe trug er Stiefel, Jeans und Flanellhemd. Eigentlich hatte er bereits in Anchorage seine dickere Jacke und Handschuhe aus dem Koffer holen wollen, aber leider war sein Koffer dort nicht angekommen. Er hasste es, wenn die Dinge nicht nach Plan liefen, aber er hatte nichts dagegen tun können.

Logan ging neben Juliette auf ein Holzgebäude zu. Sie näherten sich einer Tür mit der Aufschrift: Good Riddance Flugplatz und Zimmer mit Frühstück. Auf der rechten Seite des Gebäudes hing an einer Tür ein Schild mit dem Hinweis: Willkommen bei Gus’s.

Genau so hatte es im Lagebericht gestanden. Vor ein paar Monaten war jemand von Chaz’ Team als Tourist hier gewesen, um die Gegend, die Leute und die Infrastruktur zu erkunden, und um einen Bericht darüber zu schreiben.

Logan folgte der Pilotin in den gemütlich warmen Raum und strich sich den Schnee von den Schultern und aus dem Haar. Eine etwas ältere Frau in Jeans und Flanellbluse, die ihn an seine Mutter erinnerte, begrüßte sie.

„Sie sind sicher Mr. Jeffries.“ Bei dem weichen Südstaatenakzent der Frau musste er noch mehr an seine Mutter denken. Allerdings würde die nie etwas aus Flanell anziehen. „Ich bin Merrilee Danville Swenson. Als Gründerin und Bürgermeisterin der Stadt möchte ich Sie in Good Riddance herzlich willkommen heißen. Hier können Sie alles hinter sich lassen, was Ihnen Sorgen bereitet.“

Juliette hatte ihm während des Flugs von dem Motto der Stadt erzählt. Das hatte nämlich nicht im Bericht des Kundschafters gestanden.

Ihr Händedruck war fest. Die Frau war Logan auf Anhieb sympathisch. Die Zusammenarbeit mit ihr würde bei der Übernahme der Stadt ausschlaggebend sein. Er schenkte ihr sein charmantestes Lächeln. „Schön, Sie kennenzulernen, Mrs. Swenson. Ich freue mich, hier zu sein.“

Es hatte ihn überrascht, dass eine Frau diesen Ort mitten in der Wildnis gegründet hatte. Aber genau dieser Pioniergeist würde ihr zugutekommen, wenn sie ihre kleine Stadt bald umsiedeln müsste. Er würde ihr sogar einige Orte vorschlagen, an denen sie und die anderen Einwohner von Good Riddance sich neu niederlassen könnten. Aber das alles würde er erst morgen tun. Er wollte sie zunächst etwas besser kennenlernen und mit einigen anderen Menschen in der Stadt sprechen, ehe er das Thema der Übernahme anschneiden würde.

Die Bürgermeisterin lächelte ihn an. „Nennen Sie mich Merrilee, das tun alle.“

„Und ich bin Logan.“

„Wir legen hier keinen großen Wert auf Förmlichkeiten. Da drüben sind frischer Kaffee und Kekse. Sie können sich jederzeit bedienen. Juliette und ich müssen noch ein paar Dinge besprechen, damit sie wieder zurückfliegen kann. Anschließend bin ich für Sie da.“

„Vielen Dank. Lassen Sie sich ruhig Zeit.“

Während Juliette sich mit Merrilee unterhielt, schenkte er sich Kaffee ein und aß zwei Kekse. Dabei sah er sich im Raum um.

Es sah hier vollkommen anders aus als in dem Büro, in dem er täglich arbeitete. Fotos hingen an einer der Holzwände. In einer Ecke standen ein kleines Sofa und zwei Sessel vor einem Fernseher. Flanellvorhänge hingen vor den Fenstern und ein geflochtener Teppich bedeckte einen Großteil des Holzfußbodens.

Vorsichtig nahm er einen Schluck von seinem Kaffee. Stark und heiß. Ein behagliches Gefühl breitete sich in ihm aus. Und irgendetwas roch verdammt gut.

Logan stimmte dem zu, was im Bericht stand. Der Flugplatz und dieses Gebäude wären von Vorteil, wenn der Bergbaubetrieb erst mal hier war. Der Rest der Häuser würde vermutlich abgerissen werden. Aber dieses Gebäude wäre perfekt für den Hauptsitz, besonders wegen des dazugehörenden Restaurants. Was Besseres hätte ihnen nicht passieren können.

Ein gusseiserner Ofen stand an der rechten Wand. Ein alter Mann mit einem weißen Bart saß in einem Schaukelstuhl auf der einen Seite eines Schachspiels und sprach leise mit sich selbst. Der Stuhl auf der anderen Seite war leer.

„Schönen Aufenthalt“, rief Juliette ihm freundlich zu.

„Danke noch mal fürs Herfliegen.“

Als die Tür hinter der Pilotin ins Schloss fiel, warf Merrilee dem alten Mann einen traurigen Blick zu. „Das ist Dwight Simmons. Er ist harmlos, nur ein wenig verloren. Sein Schachpartner ist im vergangenen Sommer gestorben. Die beiden verbrachten ihre Tage mit Schachspielen und Streiten, aber sie waren die besten Freunde.“

Logan nickte betreten und murmelte etwas Unverständliches. Was hätte er auch sagen sollen?

„Und nun zu Ihnen“, wandte sich Merrilee ihm zu und setzte sich ihm gegenüber. Logan hatte mit aller Kraft versucht, Jenna aus seinen Gedanken zu verbannen, aber jetzt, wo sie sich in unmittelbarer Nähe befand, kostete es ihn alle Kraft, sein Gegenüber nicht nach ihr zu fragen.

„Juliette hat erzählt, dass sie eine eher beschwerliche Reise hinter sich haben“, meinte Merrilee.

Man hatte sie wegen der Verspätung seines Fluges in Kenntnis gesetzt, und sie hatte dafür gesorgt, dass der letzte Flug verschoben worden war.

Logan nickte. „Es war ein langer Tag. Heute Morgen war die Autobahn gesperrt wegen eines Unfalls. Ich konnte den Flughafen bereits sehen, konnte ihn aber nicht erreichen, weshalb ich den direkten Flug nach Anchorage verpasst habe.“

Das hatte dazu geführt, dass er über New York und Los Angeles nach Anchorage geflogen war. Und irgendwo dazwischen war sein Gepäck verloren gegangen.

„Möchten Sie sich in Ihrem Zimmer zuerst etwas frischmachen? Ich habe ein paar Toilettenartikel für Sie bereitgelegt, weil Ihr Koffer noch nicht angekommen ist. Oder möchten Sie nebenan was essen gehen?“

Er hatte den ganzen Tag kaum etwas gegessen, weil er von einem Flug zum anderen gehetzt war.

„Ich werde mich kurz frischmachen, aber dann würde ich gern etwas zu mir nehmen. Was auch immer es dort gibt, es riecht köstlich.“

Allein durch den Essensduft lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Die Kekse hatten zwar ein wenig geholfen, aber er hatte trotzdem noch einen Bärenhunger.

Merrilee lächelte ihn an. „Lassen Sie mich Ihnen Ihr Zimmer zeigen und anschließend können Sie nebenan was essen gehen.“

Logan folgte ihr eine Treppe hinauf in den ersten Stock.

„Soweit ich weiß, wohnt eine meiner ehemaligen Schulkameradinnen hier. Jenna Rathburne“, erwähnte Logan möglichst beiläufig, als er hinter Merrilee die Treppe hinaufstieg.

Merrilee blieb stehen, drehte sich um und sah ihn überrascht an. „Sie kennen Jenna? Sie hat uns gar nichts davon erzählt, dass Sie kommen.“

„Ich habe nicht mit ihr gesprochen. Ich dachte, ich besuche sie, wenn ich hier bin.“

„Ah, Sie überraschen sie. Da wird sie sich sicher freuen.“

Da war sich Logan nicht ganz so sicher. Auf einmal merkte er sogar, wie eine gewisse Unsicherheit in ihm aufstieg. Wie würde sie reagieren, wenn sie ihn sah? „Wir waren zusammen auf der Highschool“, erwiderte er zurückhaltend.

„Wir mögen sie alle so sehr. Sie ist eine der wenigen Frauen, die innen genauso schön ist wie von außen. Sie hat ein Herz aus Gold.“

Gott sei Dank blieb Logan eine Antwort erspart, weil Merrilee in diesem Moment eine Tür öffnete.

„Bitte schön.“ Er trat hinter ihr in ein hübsches einladendes Zimmer, in dem es jedoch ziemlich kalt war.

„Wir haben einige Probleme mit der Heizung hier oben“, erklärte Merrilee.

„Das wird sicher gehen.“ Sobald das Gepäck mit der Thermounterwäsche und den dicken Socken eintraf, dachte er im Stillen.

Trotz der Kälte fühlte er sich in dem Zimmer sofort wohl. Genau wie unten waren auch hier oben alle Wände aus Holz und Vorhänge aus Flanell hingen vor den Fenstern. Eine bunte Steppdecke war auf dem Bett ausgebreitet und in einer Ecke stand ein antiker Waschtisch mit einer Karaffe und einer Schüssel darauf. Ein gehäkeltes Zierdeckchen lag auf dem Nachttisch. Der Duft von Zimt und Äpfeln hing in der Luft.

„Das Badezimmer ist auf der anderen Seite des Gangs. Sagen Sie einfach Bescheid, wenn Sie irgendetwas brauchen.“

Zuerst etwas zu essen und danach die Wegbeschreibung zu Jenna.

„Er macht sich nur kurz frisch und geht anschließend zu Gus’s rüber zum Essen“, meinte Merrilee.

Jennas Herz hämmerte in ihrer Brust. „Logan Jeffries?“ Ihre Stimme war eine Oktave höher als sonst.

„Ja. Wie viele Logans kennst du denn aus der Highschool, Schätzchen?“, scherzte Merrilee.

„Nur einen.“ Und der war hier? Logan Jeffries war in Good Riddance, Alaska. Oh, Gott. Jenna konnte es noch immer nicht glauben.

„Was macht er denn hier?“

„Na, ich habe keine Ahnung. Das Einzige, was er bislang erwähnt hat, warst du.“

Einen ganz kurzen Moment lang hatte sie einen komplett verrückten Gedanken … Nein. Das war lächerlich. Viel zu romantisch.

Jenna hatte keine Ahnung, was Logan beruflich machte, also hatte sie keine Ahnung, weshalb er sonst noch hier sein könnte. Aber sie konnte doch unmöglich der Grund sein … oder womöglich doch?

„Er wollte dich überraschen“, fuhr Merrilee fort. „Ich verderbe nur ungern Überraschungen, aber ich dachte, möglicherweise ist es dir ja ganz recht so. Die meisten Frauen wollen vorgewarnt werden, ehe ein gutaussehender Mann auf ihrer Türschwelle steht.“

Überraschung war eine komplette Untertreibung. Jenna spürte, wie ihre Knie schwach wurden. „Sieht er noch gut aus?“

„Na ja, ich habe keine Ahnung, wie er damals aussah, aber jetzt sieht er nicht schlecht aus. Groß, breite Schultern, dunkle Haare, schöne braune Augen und ein Mund, der zum Küssen einlädt. Das sagst du aber bitte nicht Bull. Er ist etwas zurückhaltend, aber auf jeden Fall nett.“

Schmetterlinge schienen in Jennas Magen umherzufliegen und eine wunderbare Wärme, die sie so lange nicht mehr verspürt hatte, breitete sich in ihr aus. Logan hatte immer schon einen wunderschönen Mund gehabt. Ein wohliger Schauer durchströmte ihren Körper.

So oft hatte sie davon geträumt, wie es wohl sein würde, diese heißen Lippen auf ihrem Mund, ihren Brüsten und auf der Innenseite ihrer Oberschenkel zu spüren. Und sie hatte sich dabei vorgestellt, wie er wohl schmecken würde. Aber alles, was ihr das gebracht hatte, war Erregung und danach Frustration. Sie mochte zwar Jungfrau sein, das hieß aber noch lange nicht, dass sie kein Verlangen verspürte.

„Oh, Gott.“

„Na, Ms. Jenna, gibt es da etwas, das du mir über Logan Jeffries erzählen willst? Irgendwie habe ich das Gefühl, als sei er nicht nur irgendjemand aus der alten Heimat.“

Jenna sah in den Spiegel. Der Pulli und die Jeans hatten gut an ihr ausgesehen, als sie sich heute Morgen angezogen hatte, aber jetzt nicht mehr so sehr. Nicht, wenn sie Logan gleich nach so langer Zeit wiedersehen sollte.

„Jenna?“

Krampfhaft versuchte Jenna, sich wieder auf das Telefongespräch zu konzentrieren und den Knoten, der sich vor lauter Nervosität in ihrem Magen gebildet hatte, zu ignorieren.

„Ja. Tut mir leid. Was hast du gesagt?“ Sie drehte das Schild an der Ladentür auf Geschlossen und schlüpfte mit einem Arm bereits in ihre Jacke. Ohne das Telefon aus der Hand zu legen, zog sie ihre Mütze an und schlang ihren pinkfarbenen Schal um den Hals.

Es blieb ihr nichts anderes übrig, sie musste so schnell wie möglich nach Hause, dort ihr Make-up und ihre Haare richten und sich umziehen. Verdammt, Logan Jeffries würde sich nach ihr verzehren, wenn er sie wiedersah, dafür würde sie sorgen. Sie war zwar nicht mehr sauer auf ihn wegen damals, aber sie hatte auf jeden Fall ihren weiblichen Stolz.

Tama strich um ihre Beine, als sie an der Tür stand. Er wollte auch mit.

„Was ist mit diesem Kerl?“, wollte Merrilee wissen. „Du bist ja total durcheinander.“

„Na ja, es kommt nicht alle Tage vor, dass jemand von Zuhause aufkreuzt“, erwiderte Jenna ausweichend, während sie vor die Tür trat. Schneeflocken tanzten um sie herum.

„Gut. Und nun will ich noch den Rest der Geschichte hören. Denn ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass es da noch etwas zu berichten gibt.“

Man konnte vor Merrilee nichts geheim halten. Andererseits musste, was damals passiert war, auch kein allzu großes Geheimnis bleiben. „Es ist Schnee von gestern. Ich habe ihn einmal gefragt, ob er mit mir zum Homecoming geht und er hat abgelehnt. Keine große Sache.“ Gut, okay, zum damaligen Zeitpunkt war es vernichtend gewesen und wenn sie ganz ehrlich war, tat es auch heute noch ein bisschen weh, wenn sie daran zurückdachte.

„Er hat dir einen Korb gegeben?“ Merrilee klang schockiert.

Jenna wich einem Schlittenhund aus, der auf dem Gehweg vor der Kurzwarenhandlung lag, und winkte Nancy zu, die drinnen die Regale abstaubte. Nancy war eine Stammkundin von ihr. „Das hat er, ja.“

„Dann ist er aber nicht so schlau, wie er aussieht.“

„Oh nein. Er ist sehr klug, superintelligent.“ Er war der Kapitän des Debattierclubs gewesen und sie hatte ihn immer verehrt, obwohl sie wusste, dass sie nicht sein Typ war. Na ja, besser gesagt nicht klug genug für ihn war.

„Schätzchen, wenn er dir einen Korb gegeben hat, kann er nicht so helle gewesen sein.“

Jenna lachte, während sie die Tür zu der Blockhütte öffnete, die sie in der Stadt gemietet hatte. Es gab keinen Grund, die Tür abzuschließen, denn in Good Riddance sperrte niemand seine Haustür ab. „Glaub mir, er ist hochintelligent.“

„Na ja, intelligent oder nicht, es sieht ganz so aus, als sei er volle Kanne wieder in dein Leben geplatzt. Er hat das Zimmer für fünf Nächte gebucht.“

Ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in ihr aus. Sie musste an das denken, was Nelson heute zu ihr gesagt hatte, dass sie einen Partner in ihrem Leben brauchte.

Nein, nein und noch mal nein. Sie brauchte niemanden, und selbst wenn, dann sicher nicht Logan. Er war sowieso nur vorübergehend hier und das war ihr auch gerade recht so. Okay, sie war damals sehr von ihm angetan gewesen, aber dieser Teil ihres Lebens war lange vorbei.

Seitdem war viel Wasser den Bach hinuntergeflossen. Wenn sie einen Mann fürs Leben wollte, dann wäre das sicher nicht Logan Jeffries.

3. KAPITEL

Logan schluckte den letzten Bissen seiner ersten Alaskamahlzeit herunter: Eintopf vom Rentier. Sekunden später stand die Kellnerin, eine blonde junge Frau namens Teddy, an seinem Tisch.

„Beim Tagesgericht ist ein Nachschlag inbegriffen. Wollen Sie noch etwas Eintopf? Oder noch ein Brötchen? Mehr Wasser?“

„Es war sehr lecker“, entgegnete Logan. „Aber ich bin satt. Könnte ich bitte die Rechnung haben?“

„Klar doch.“

Gus’s, das Restaurant, das sich im selben Gebäude wie sein Zimmer befand, war ein interessanter Ort. Wieder einmal wurde er an eine Szene aus einem alten Western erinnert. Eine Bar mit einer Fußstütze aus Messing erstreckte sich fast über die ganze Länge der einen Wand des Raumes. Beim Anblick des Elchkopfes mit der Sonnenbrille, der an der Wand über der Bar hing, musste er lächeln.

Am anderen Ende der Wand befand sich die Küche, die zum Restaurant hin offen war. An der gegenüberliegenden Wand führte eine Tür zu den Toiletten. Zwei Billardtische, eine Dartscheibe und eine Jukebox standen links von der Tür. Vor den beiden anderen Wänden waren die Tischnischen aufgereiht. In der Mitte des Raumes befanden sich ein paar Tische mit Stühlen. Neben der Bar war noch eine Tür.

Es war viel los, besonders wenn man bedachte, dass es erst später Nachmittag war. Aber draußen war es mittlerweile fast dunkel. Einige Leute hatten ihn neugierig gemustert, als er vor etwa einer halben Stunde die Kneipe betreten hatte. Er hatte einige Gespräche mitangehört, und möglicherweise hätte er versuchen sollen, ein paar der Gäste kennenzulernen. Aber jetzt, wo er hier war, konnte er an nichts anderes mehr denken als an Jenna.

Er musste unbedingt herausfinden, wo sie wohnte, und sie besuchen, damit er das von seiner Liste streichen konnte. Vorbeigehen, Hallo sagen, seine Neugier befriedigen und sich anschließend auf das Geschäftliche konzentrieren. Ganz einfach.

Die Kellnerin kehrte mit seiner Rechnung zurück. „Sind Sie sicher, dass Sie nicht noch ein Stück Schokoladenkuchen möchten? Heute Morgen frisch gebacken. Sehr lecker.“

Logan lächelte. „Danke, das ist lieb. Aber heute nicht.“

Je eher er Jenna fand, umso besser. Danach konnte er sich auf das konzentrieren, was wirklich zählte, nämlich jedem in Good Riddance finanzielle Sicherheit zu bieten, die sie vermutlich vorher noch niemals hatten.

Er legte das Geld auf den Tisch, nahm seine Jacke und ging zurück in seine Pension am Flugplatz. Merrilee Swenson saß an ihrem Schreibtisch.

Sie blickte auf, als er den Raum durchquerte. „Wie war das Essen?“

„Ausgezeichnet.“

„Da bin ich aber froh. Wir sind stolz auf das Essen bei Gus’s. Es ist zwar das einzige Restaurant in der Stadt, aber dafür eins der besten in Alaska.“

„Ich habe noch nie Rentiereintopf gegessen, aber der war lecker.“

„Dann müssen Sie unbedingt die Elchpastete probieren. Am Donnerstag gibt es im Gus’s Karaoke. Da ist immer viel los.“

Lächelnd schüttelte Logan den Kopf. „Karaoke ist nicht wirklich mein Ding.“

„Das wird sich bald ändern, glauben Sie mir. In Good Riddance gibt es nicht viel Unterhaltung. Es macht mehr Spaß, als Sie denken.“ Mit diesen Worten klemmte sie ihren Kugelschreiber hinters Ohr. „Übrigens, Ihr Gepäck wird morgen früh hier eintreffen.“

„Danke, das ist super.“ Um einen beiläufigen Ton bemüht, fuhr er fort: „Ich dachte, ich gehe mal Jenna besuchen. Wo, denken Sie, kann ich sie finden?“

„Oh, sie ist sicher bei Curl’s. Sie hat ein Nagelstudio dort. Na ja, sie baut sich gerade am Stadtrand einen eigenen Schönheitssalon auf. Aber im Moment arbeitet sie noch von Curl’s aus.“

Er wusste von Jennas Nagelstudio. Das mit dem Schönheitssalon musste relativ neu sein, denn in dem sechs Monate alten Bericht hatte noch nichts darüber gestanden. „Curl’s?“

„Curl gehört die Tierpräparation, der Friseur und das Bestattungsinstitut.“

„Na, ich hoffe doch, dass Jenna nicht für das Bestattungsinstitut arbeitet.“

Merrilee grinste. „Das gehört alles zusammen. Aber nein, sie arbeitet nicht für das Bestattungsinstitut“, meinte sie augenzwinkernd. „Wenn Sie rauskommen, gehen Sie links und dann liegt Curl’s auf der rechten Seite. Sie können den Laden nicht übersehen.“

„Na ja, das ist bei einer einzigen Straße auch fast unmöglich“, erwiderte Logan und ging zur Eingangstür.

„Stimmt. Jenna kann man sowieso nicht übersehen“, fügte Merrilee noch hinzu, als er schon fast aus der Tür war.

„Das kann ich mir denken“, murmelte er leise zu sich selbst.

Die Kälte schlug ihm entgegen und er stellte den Kragen seiner Jacke hoch, die für dieses Wetter viel zu dünn war. Er steckte die Hände in die Jackentaschen und machte sich auf den Weg.

Die Stadt hatte einen gewissen Charme, das musste er zugeben. Trotz der Kälte strahlte der Ort eine behagliche Wärme aus. Die Leute waren alle sehr freundlich, von Merrilee bis zu den Leuten, die er bei Gus’s gesehen hatte. Licht drang aus den Schaufenstern und verlieh dem schneebedeckten Gehweg ein funkelndes Glitzern.

Logan ging um einen großen grauschwarzen Hund herum, der auf dem Gehweg lag, und dem die Kälte und der Schnee offensichtlich nichts anhaben konnten. Der Duft von Holzfeuer und Tannen lag in der Luft. Es würde hier nicht besonders beschwerlich werden für die Männer, die in der Mine arbeiten würden.

Freundlich grüßte er einen Mann, der ihm entgegenkam. Der Mann trug eine Fellmütze, die bei diesem Wetter sicher nicht unangebracht war.

Einige Kinder jagten sich gegenseitig den Gehweg entlang und ihr Lachen und Schreien erfüllte die Dunkelheit, bevor es um ihn herum wieder leiser wurde. Ein verschmutzter Pick-up mit einem Elchgeweih auf der Motorhaube fuhr langsam an ihm vorbei. Die Autos und Trucks, die an der Straße geparkt standen, waren alle bereits alt und sicher lange nicht mehr gewaschen worden.

Und plötzlich sah er den Laden auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Der Name des Geschäfts und die dort angebotenen Dienstleistungen standen auf der Schaufensterscheibe geschrieben. Aber viel wichtiger war die Frau, die er im Laden erblickte.

Jenna sprach gerade mit zwei Frauen, eine davon groß und blond, die andere etwas kleiner und mit langem dunklem Haar. Als er Jenna sah, blieb ihm beinahe das Herz stehen, ehe es wie wild zu hämmern begann. Trotz der Kälte wurde ihm auf einmal ganz heiß. Sie war noch viel schöner, als er sie in Erinnerung hatte. Auch auf ihrem Facebook-Foto war sie nicht annähernd so hübsch wie in Wirklichkeit.

Regungslos stand er auf dem Gehweg und sog ihren Anblick in sich auf. Ihr blondes Haar war etwas länger als schulterlang. Sie lachte und ihr ganzes Gesicht strahlte. Schon damals hatte sie so viel Lebensfreude versprüht.

Sie trug ein hellrosa Sweaterkleid, das ihre Rundungen betonte.

Er fühlte sich wie gelähmt und sein Herz klopfte ihm bis zum Hals.

„Hey, Kumpel. Alles okay?“, fragte ihn ein Mann im Vorübergehen.

„Äh, ja. Ich habe mich nur orientiert, wo ich hin muss.“

„Das sollte nicht so schwierig sein. Die Stadt ist ganz klein“, meinte der Fremde mit einem freundlichen Grinsen. Anschließend streckte er Logan die Hand entgegen. „Wir kennen uns noch nicht. Ich bin Dalton Saunders. Ich habe gehört, meine Kollegin Juliette hat Sie heute hergeflogen. Ich bin der andere Pilot hier.“

Logan schüttelte dem Mann die Hand. „Logan Jeffries. Schön, Sie kennenzulernen.“

Dalton blickte auf Logans dünne Jacke. „Ich habe auch erfahren, dass Ihr Gepäck noch nicht da ist. In dieser Kälte will ich Sie nicht länger aufhalten. Wir sehen uns.“

„Ganz sicher. Bis dann.“

Fröhlich pfeifend ging Dalton weiter. Logan überquerte die Straße. Er musste das unbedingt hinter sich bringen, ehe er sich noch komplett lächerlich machte.

„Noch mal danke, Jenna. Die sehen super aus.“ Bewundernd betrachtete Donna ihre Fingernägel.

„Stimmt, sie sehen heute besonders gut aus“, bestätigte Jenna bemüht, die Nervosität, die sie verspürte, zu unterdrücken. Logan war da draußen. Sie spürte ihn regelrecht. Bereits auf der Highschool hatte sie es stets gemerkt, wenn er in der Nähe war, so als hätte sie einen Radar in sich, der ihr Logans Anwesenheit meldete. Und genau dieser Radar schlug auch jetzt wieder Alarm.

Sie wandte sich Ellie Lightfoot zu, die wegen der Stelle als Masseurin vorbeigekommen war. „Danke, dass du vorbeigekommen bist, Ellie. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit dir.“

Ellie, die ihr langes Haar zu einem Zopf geflochten trug, lächelte schüchtern. „Ich freue mich auch. Mein Ausbilder sagt, ich hätte starke Hände, aber einen sanften Druck. Eine gute Kombination.“

Die einheimische Frau, die etwa in Jennas Alter war, war Lehrerin, hatte sich aber nebenbei zur Masseurin ausbilden lassen. Sie hatte Jenna gefragt, ob sie bei ihr im Salon arbeiten könnte, und Jenna hatte sofort zugesagt. Die ruhige Frau war für die Stelle gut geeignet.

„Nächste Woche zur selben Zeit?“, wollte Donna wissen, während sie und Ellie zur Ladentür gingen.

„Klar. Du stehst in meinem Terminkalender. Und Ellie, wir sehen uns morgen.“ Ellie wollte am folgenden Tag vorbeikommen, um Jenna den Nacken zu massieren.

„Oh, hallo. Wollen Sie reingehen?“, hörte Jenna Donna sagen, nachdem diese auf den Gehweg getreten war.

„Ja, danke.“

Selbst nach all den Jahren erkannte Jenna die Stimme sofort. Auch wenn Merrilee sie nicht vorgewarnt hätte, hätte sie sofort gewusst, wer draußen stand. Logans Stimme war tief und melodiös und hatte schon i...

Autor

Janice Maynard
<p>Janice Maynard wuchs in Chattanooga, Tennessee auf. Sie heiratete ihre High-School-Liebe während beide das College gemeinsam in Virginia abschlossen. Später machte sie ihren Master in Literaturwissenschaften an der East Tennessee State University. 15 Jahre lang lehrte sie in einem Kindergarten und einer zweiten Klasse in Knoxville an den Ausläufern der...
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Reese Ryan
<p>Reese Ryan schreibt Liebesgeschichten, die nicht nur sexy und gefühlvoll sind, sondern in denen sie auch von kleineren Familiendramen erzählt. Reese ist im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten geboren und aufgewachsen, ihre Familie hat aber auch Wurzeln in Tennessee.</p>
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