Baccara Spezial Band 18

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LIEBE – JEDES RISIKO WERT von JANIE CROUCH
Deputy Tanner Dempsey hat Bree das Leben gerettet, als eine Terror-Organisation sie umbringen wollte. Jetzt muss die schöne Computerspezialistin ihm helfen und schnellstens digital herausfinden, wer hinter einem Dreifachmord steckt – der nämlich Tanner angelastet wird …

GEFÄHRLICHES WIEDERSEHEN IN FLORIDA von HEATHER GRAHAM
Drei Frauen sind spurlos verschwunden: FBI-Agent Brock McGovern ermittelt auf einer Ranch in Florida. Auch Video-Produzentin Maura, seine erste große Liebe, reist an. Ihr Wiedersehen an diesem Ort löst einen emotionalen Flashback aus. Für Maura und Brock – und für den Täter …

DAS VERSTECK AM ECHO LAKE von AMANDA STEVENS
„Er kommt.“ Ein eiskalter Schauer läuft Ellie über den Rücken, als sie während ihrer Radioshow am Echo Lake einen unheimlichen Anruf erhält. Wer kommt? Der Mörder ihrer Freundin? Der nie überführt wurde? Kann ihr Special Agent Sam Reece helfen? Kann sie ihm überhaupt trauen?


  • Erscheinungstag 10.06.2022
  • Bandnummer 18
  • ISBN / Artikelnummer 9783751510479
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Janie Crouch, Heather Graham, Amanda StevensAmanda Stevens

BACCARA SPEZIAL BAND 18

JANIE CROUCH

Liebe – Jedes Risiko wert

Drei Männer, vorzeitig entlassen, werden ermordet – und plötzlich ermittelt man gegen Deputy Tanner Dempsey. Denn er hatte die drei ins Gefängnis gebracht. Zusammen mit seiner Geliebten Bree versucht er, dem wahren Täter auf die Schliche zu kommen. Ein riskanter Plan, denn für sie beide läuft die Zeit ab, als die Spur, der sie folgen, immer heißer wird …

HEATHER GRAHAM

Gefährliches Wiedersehen in Florida

Ihre Teenagerliebe zerbrach auf schreckliche Weise: Als ein Mord geschah, geriet Brock McGovern unter Mordverdacht – und Maura machte sich aus dem Staub. Jetzt sehen sie sich in Florida wieder, am selben Ort wie damals. Drei Frauen sind verschwunden, und Brock, inzwischen FBI-Agent, ermittelt. Diesmal, schwört Maura, wird sie zu ihm halten. Egal, was passiert …

AMANDA STEVENSAMANDA STEVENS

Das Versteck am Echo Lake

Es war sein erster Fall beim FBI, und er hat ihn nie gelöst. Der Cold Case vom Echo Lake lässt Special Agent Sam Reece keine Ruhe, und er fährt erneut zu der schönen Radiomoderatorin Ellie Brannon. Noch immer ist ihre Erinnerung an jene Nacht, in der ihre Freundinnen verschwanden, getrübt. Sam will alles tun, um den Fall zu lösen – und um Ellie zu helfen …

1. KAPITEL

Die Schlinge schnürte Tanner die Kehle zu, sodass ihm schwarz vor Augen wurde. Kurz bevor er das Bewusstsein verlor, mobilisierte er seine letzten Kräfte, um sich mit den Beinen abzustützen und sich so den langersehnten Sauerstoff zu verschaffen. Er wusste allerdings, dass diese Erleichterung nicht von langer Dauer sein würde. Ein Bein war gebrochen, das andere geschwächt, weil er bereits stundenlang auf Zehenspitzen auf dem Hocker balancierte.

„Sag uns, wer der Cop ist, und das Ganze hat ein Ende.“

Tanner konnte durch seine zugeschwollenen Augen kaum etwas sehen. „Ich habe es euch schon gesagt.“ Mehr als ein gekrächztes Flüstern brachte er nicht hervor, dafür hatten die Schläge ins Gesicht und die Verletzungen an seinem Hals gesorgt. „Ich bin der Cop.“

Jemand trat ihm gegen das Bein. Wieder straffte sich das Seil. Die Hände hatte man ihm hinter dem Rücken gefesselt, sodass er sich nicht wehren konnte. Sofort ging ihm wieder die Luft aus, obwohl er sich nicht mehr als nötig bewegte. Schon nach der ersten Stunde hatte er verstanden, dass es nichts brachte, sich zu wehren – außer, dass es noch mehr Energie und Sauerstoff verbrauchte, und von beidem hatte er nur begrenzte Reserven.

„Wer von denen ist der Cop? Wir wissen, dass du mit einem von ihnen zusammenarbeitest.“

Gemeint waren die beiden Männer, die vor ihm an zwei Stühle gefesselt waren. Einer war gerade mal einundzwanzig Jahre alt. Tanner konnte sie nicht sehen und auch nicht hören. In diesem Augenblick konnte er nur versuchen zu überleben.

Jemand half ihm, sein gesundes Bein wieder auf den Stuhl zu stellen, damit er den Druck auf seinen Hals lindern konnte. Wenigstens hatten sie endlich verstanden, dass er nicht reden konnte, wenn sie versuchten, ihn zu erdrosseln.

Er atmete so tief ein, wie es seine geschwollene Kehle zuließ. „Ich arbeite mit keinem zusammen.“ Das war die Wahrheit … er arbeitete mit beiden zusammen. Alle drei waren sie Teil dieser verdeckten Ermittlung. „Ich bin allein.“

Der Schlag in den Magen traf ihn vollkommen unvorbereitet. Er hustete Blut und hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Tanner wusste nicht, wie viel er noch ertragen konnte, doch er würde alles tun, damit Nate und Alex lebendig hier herauskamen.

Er selbst würde es nicht schaffen. Mit dieser Tatsache hatte er sich bereits abgefunden.

Bevor er sich auf den nächsten Schlag vorbereiten konnte, lief jemand wild fluchend zur anderen Seite der Lagerhalle. „Da sind Cops! Sie sind überall!“

Den Bruchteil einer Sekunde verspürte Tanner Hoffnung. Sie würden es doch schaffen.

Diese Hoffnung verging allerdings einen Augenblick später, als der Anführer des Syndikats seinen Männern eine einzige simple Anweisung erteilte: „Tötet sie alle.“

Der Satz hallte in Tanners Ohren nach.

Tötet sie alle.

Tötet sie alle.

Als er den ersten Schuss hörte, nahm er all seine Kraft zusammen, um sich mit einem letzten verzweifelten Versuch vom Hocker zu stürzen. Er konnte es kaum glauben, als das Seil tatsächlich nachgab und von der Decke riss, anstatt sein Leben zu beenden. Krachend schlug er auf dem Boden auf. Den Schmerz ignorierend, kämpfte er sich auf die Beine.

Er drehte sich genau in dem Moment um, als einer der Männer des Syndikats die Pistole an die Stirn des 21-jährigen Nate Fletchers hielt, und warf sich, ohne nachzudenken, auf die beiden.

Acht Stunden später klebte dieser Albtraum immer noch schleimig an Tanner Dempseys Haut. Das Gefühl zu fallen hatte ihn aufgeweckt, so wie schon Hunderte Male zuvor seit den Geschehnissen in dem Lagerhaus vor drei Jahren.

In seinen Träumen schaffte Tanner es nie, Nate zu retten … genauso wenig, wie er es im wahren Leben geschafft hatte. Er hatte mitansehen müssen, wie der vielversprechende Polizeianwärter getötet worden war.

Auch Alex, den anderen verdeckten Ermittler, hatte Tanner nicht retten können. Er war durch die erste Kugel gestorben.

Kaum eine Minute später war das Lagerhaus von Polizisten gestürmt worden. Fast jeder aus dem Viper-Syndikat, einem Kartell, das wegen Drogen- und Menschenhandels berüchtigt war, war an diesem Tag festgenommen oder getötet worden.

Nur für Nate und Alex war jede Rettung zu spät gekommen.

Tanner rieb sich mit der Hand über das Gesicht. Er saß im Gerichtsgebäude von Denver, wo er gerade in einem Prozess wegen Trunkenheit am Steuer ausgesagt hatte. Normalerweise wäre er nach seiner Aussage direkt gegangen, aber er wollte noch mit dem Staatsanwalt sprechen, mit Ryan Fletcher, Nates Bruder.

Vielleicht hatte das Wissen, dass er Ryan heute sehen würde, ihm letzte Nacht diesen Albtraum beschert, obwohl Tanner nach drei Jahren verpflichtender Besuche beim Polizeipsychiater wusste, dass sein Unterbewusstsein keinen Grund brauchte, um über das Geschehene nachzugrübeln. Manchmal ging es ihm einfach so durch den Kopf. Manche Auslöser seiner posttraumatischen Belastungsstörung waren offensichtlich, andere hingegen weniger.

Er und Ryan waren im Laufe des vergangenen Jahres, als Ryan nach Colorado gezogen und Bezirksstaatsanwalt geworden war, zwar nicht gerade Freunde, aber mehr als Kollegen geworden. Wenn Tanner in Denver oder Ryan in Grand County war, um den Sheriff zu sehen, trafen sie sich manchmal zu einem Sparring im Fitnesscenter. Ryan war jetzt zwar Anwalt, aber er hielt sich gut in Form.

Tanner hatte hart daran gearbeitet, das zu überwinden, was im Lagerhaus passiert war. Er hatte versucht, seine Wunden – sowohl die körperlichen als auch die seelischen – dazu zu nutzen, um ein besserer Polizist zu werden. Schließlich war er Captain des Südost-Dezernats des Grand-County-Sheriffbüros, zu dem auch seine Heimatstadt Risk Peak gehörte. Er würde alles dafür tun, um die Leute unter seiner Obhut zu beschützen.

Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, bevor er es verhindern konnte. Zu Risk Peak gehörte nämlich jetzt auch Bree Daniels, die Frau, die ihn seit Kurzem ungefragt zum Lächeln brachte.

Vor drei Monaten waren ihr in Risk Peak das Geld und der letzte Funken Hoffnung ausgegangen, als sie vor einer terroristischen Vereinigung geflohen war. Eigentlich war Tanner Verbrechern niemals dankbar, aber diese hatten die sozial unbeholfene, aber atemberaubend schöne Bree zu ihm geführt, und das reichte aus, um eine Ausnahme zu machen.

„Wir haben den Fall noch nicht gewonnen.“ Ryan kam auf ihn zu und klopfte ihm auf die Schulter. „Spar dir dein idiotisches Grinsen also für später auf.“

Tanner reichte ihm die Hand. „Denkst du, es wird schwierig, eine Verurteilung zu erwirken?“

„Darauf antworte ich mit einem eindeutigen Nein. Der Kerl ist schließlich ohne Führerschein gefahren und danach vor der Polizei geflohen. Außerdem wird heute Nachmittag noch Dr. Michalski seine professionelle Einschätzung zum Angeklagten abgeben.“

„Michalski ist gut.“ Er musste es wissen, denn er war bei ihm in Behandlung. Tanner war allerdings kein großer Fan dieser Termine. Manchmal hatte er Millionen anderer Dinge zu tun, als dort herumzusitzen und über die Vergangenheit zu reden. Aber er konnte nicht leugnen, dass Michalski ein guter Psychiater war.

„Er ist im Zeugenstand auf jeden Fall besser als der Psychiater, mit dem ich in Seattle gearbeitet habe.“ Ryan grinste. „Natürlich wird er niemals so gut sein wie du. Immer wenn ich weiß, dass du aussagen wirst, versuche ich, so viele Frauen wie möglich in die Jury zu bekommen.“

Tanner verdrehte die Augen. Er war schon häufiger wegen seines guten Aussehens aufgezogen worden, von den Staatsanwälten und auch von seinen Kollegen. Doch soweit es ihn betraf, gab es nur eine Person, deren Meinung zu diesem Thema zählte. „Ich tue alles, um einen Verbrecher von der Straße zu bekommen.“

Das unbekümmerte Lächeln verschwand aus Ryans Gesicht. „Hast du gehört, dass Owen Duquette letzte Woche auf Bewährung freigekommen ist?“

Tanner nickte. „Ich habe dem Bewährungsausschuss mit Nachdruck meine Vorbehalte mitgeteilt. Sowohl schriftlich als auch persönlich bei der Anhörung.“

„Es fühlt sich einfach wie ein Schlag ins Gesicht an. Duquette war an dem Tag zwar nicht im Lagerhaus, aber er hat genau gewusst, was dort vor sich ging. Er ist mitschuldig an Nates Tod.“ Ryan umklammerte den Henkel seiner Aktentasche fester.

Sie wussten beide, dass es zwei vollkommen verschiedene Dinge waren, etwas zu wissen und etwas vor Gericht zu beweisen. Rechtlich gesehen hatte Duquette minimale Verbindungen zum Viper-Syndikat unterhalten. Der damalige Staatsanwalt hatte Duquette nur wegen anderer geringfügiger Verbrechen anklagen können, nicht aber wegen Mordes.

Trotzdem kam er jetzt nach gerade mal drei Jahren wieder raus? Tanner war stinkwütend, und er konnte sich nicht mal vorstellen, wie Ryan sich gerade fühlen musste. Der Mann, der mit dem Mord an Nate zu tun hatte, war wieder auf freiem Fuß.

„Ich werde ihn im Auge behalten“, sagte Tanner. „Nicht nur, wenn ich die Uniform trage. Sobald er aus der Reihe tanzt, werde ich ihn festnageln.“

„Danke. Es ist nur … du weißt schon. Nate wäre diesen Monat fünfundzwanzig geworden.“

Tanner musste den Blick abwenden. Wenn er sich nur etwas früher hätte befreien können, wäre Nate vielleicht noch am Leben. „Duquette bekommt, was er verdient. Keine Sorge.“

Ein Berufskrimineller wie Duquette blieb nämlich nie lange auf freiem Fuß. Tanner würde alle verfügbaren Ressourcen dafür einsetzen, um zu erfahren, wann Duquette den Pfad der Rechtschaffenheit wieder verließ.

Ryan nickte und blickte über Tanners Schulter hinweg. „Oh, hallo, Dr. Michalski. Hätten Sie kurz Zeit, um noch ein paar letzte Details zu besprechen?“

„Sicher, Ryan.“ Dr. Michalski stellte sich neben Tanner und streckte ihm die Hand hin. „Tanner, schön, Sie zu sehen. Es ist ja schon eine Weile her.“

Was bedeuten sollte: Sie haben Ihren letzten Termin verpasst.

Seine Antwort könnte lauten: Verzeihung, aber ich musste das Land vor einer Terrororganisation retten, die sich illegal Zugang zu allen Handys auf der Welt verschaffen wollte.

Doch keiner der beiden sagte tatsächlich etwas.

„Alles in Ordnung? Keine … Aggressionsprobleme?“

Der gute Doktor hatte anscheinend das Gespräch über Duquette mitgehört.

„Ja, alles bestens. Ich bin nur etwas frustriert, wenn mir mein Job dadurch erschwert wird, dass Kriminelle einfach frühzeitig entlassen werden.“

„Vielleicht können wir ja bei Gelegenheit darüber reden.“

Tanner hütete sich, die Augen zu verdrehen. „Klingt nach einem Plan. Ich lasse Sie beide jetzt in Ruhe.“

Ryan lächelte. „Tanner, vielen Dank noch mal für deine Aussage. Brillant wie immer. Setz beim nächsten Mal aber bitte noch einen Cowboyhut auf, falls wir ein wenig mehr Zuspruch von den weiblichen Geschworenen brauchen.“

Tanner schüttelte beiden Männern die Hand und verabschiedete sich.

Es gab eine Frau, die ihn mit Cowboyhut tatsächlich besonders attraktiv fand. Eine, die ihm kaum bis zum Kinn reichte und der braune Locken über den Rücken fielen. Eine, die nicht mal Make-up tragen musste, weil ihre natürliche Schönheit jedes Supermodel blass aussehen ließ.

Ein Blick in ihre grünen Augen und er vergaß sofort alles … Psychiater, Zeugenstände und sogar das geisterhafte Jucken einer Schlinge um den Hals.

2. KAPITEL

Der Mann beobachtete, wie Tanner Dempsey das Gerichtsgebäude verließ, genauso, wie er ihn schon den ganzen Tag über beobachtet hatte, ohne dass jemand erkannte, was er wirklich tat.

Hatte Dempsey es bemerkt? Natürlich nicht. Denn Tanner Dempsey war so eingebildet, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass ihn jemand voller Verachtung, Hohn und Geringschätzung ansehen könnte.

Der Mann spürte, wie ihm die Galle hochkam, als er sah, wie freundlich die anderen Leute zu Dempsey waren. Wie konnten sie nicht von seiner Arroganz angeekelt sein? Davon, dass er sich offensichtlich für etwas Besseres hielt?

Sie schüttelten einfach seine Hand und lächelten. Diese Narren. Sie konnten die Wahrheit nicht erkennen – sie wussten nicht, dass Dempsey sie alle täuschte.

Es hatte den Mann jedes Fünkchen Selbstbeherrschung gekostet, nicht mitten im Gerichtssaal aufzustehen und herauszubrüllen, dass Dempsey ein Schwindler war.

Dempsey glaubte, die Regeln galten für ihn nicht. Er glaubte, dass er alles tun konnte, was er wollte.

Doch bald würden alle die Wahrheit über Tanner Dempsey erfahren. Er würde bekommen, was er verdiente.

Es war an der Zeit, dass der Gesetzeshüter in Ungnade fiel.

3. KAPITEL

„Die Bestellung ist fertig, Bree!“

Bree Daniels lächelte Gayle Little an, die gegenüber von ihr am Tisch saß. „Was hat Mr. Little dann getan?“

Mrs. Little runzelte die Stirn. „Dan hat gerade nach dir gerufen. Musst du nicht das Essen holen?“

Bree schmunzelte. Mrs. Little kam seit dem Tod ihres Mannes, mit dem sie mehr als sechzig Jahre lang verheiratet gewesen war, mehrmals die Woche ins Sunrise Diner. Bree wusste, dass es Dan wichtiger fand, der alten Dame zuzuhören, anstatt schnell das Essen zu holen. „Machen Sie sich keine Sorgen wegen Dan. Er wird das Essen einfach selbst servieren.“

Vor nicht allzu langer Zeit hatte Bree noch nicht geahnt, dass jeder Gast hier liebend gern eine lauwarme Mahlzeit aß, wenn Mrs. Little, eine Frau, die jeder kannte, dafür nur einen Moment lang ihre Trauer vergessen konnte. Erst im Laufe der vergangenen Wochen, seit Bree in Risk Peak lebte, hatte sie begonnen, die Nuancen zwischenmenschlicher Interaktion besser zu verstehen. Doch das Ganze fiel ihr immer noch nicht leicht.

Sie war wahrscheinlich die einzige geniale Hackerin auf der ganzen Welt, die in einem Diner mitten im Nirgendwo arbeitete, wo es weit und breit keine Computer gab. Die meisten Leute würden es für eine Verschwendung ihres Talents halten, aber Bree war das egal. Wenn sie niemals mehr einen Computer zu Gesicht bekäme, wäre sie mehr als zufrieden.

„Dann hat er sich an Ort und Stelle hingekniet und mich gefragt, ob ich ihn heiraten will. Schon bei unserer dritten Verabredung“, sagte Mrs. Little mit einem verträumten Blick in den Augen.

Brees Lächeln war echt. Sie fand die Geschichte wirklich romantisch, und es war ihr egal, dass sie diese schon mehrmals gehört hatte.

Inzwischen war sie zum Glück nicht mehr bei jedem Gespräch angespannt und befürchtete, etwas Falsches oder Unangebrachtes zu sagen.

Auch wenn Bree die Arbeit mit Computern nicht vermisste, musste sie zugeben, dass diese für sie einfacher war als der Umgang mit Menschen. Denn beim Coding gab es keine unterschwelligen Botschaften. Es fiel Bree so leicht wie das Atmen.

Beziehungen und Menschen waren hingegen das Gegenteil … sie waren voller unausgesprochener Regeln, Erwartungen und Bedeutungen.

Einfache Dinge, die andere für selbstverständlich hielten, wie Reden, Scherzen und – Gott bewahre – Flirten, versetzten Bree immer noch in Panik. Zum einen lag das daran, dass Bree ohne Freunde und mit einer emotional distanzierten Mutter aufgewachsen war, zum anderen daran, wie Brees Gehirn funktionierte. Nämlich wie ein Computer.

Mrs. Little tätschelte jetzt Brees Hand und beendete ihre Geschichte. Danach begab sich Bree wieder in die Küche. Jemand hatte das Essen tatsächlich bereits an den Tisch gebracht.

Einen Moment lang stutzte sie und fragte sich, ob sie doch die falsche Entscheidung getroffen hatte, aber Dan und Cheryl lächelten sie beide an, also machte sich Bree keine Gedanken mehr darüber.

Sie hatte sowieso ganz andere Sorgen. Tanner wollte sie später abholen. Er hatte gesagt, er habe eine Überraschung für sie.

Bree hielt nichts von Überraschungen.

Sie wusste, dass er heute in Denver gewesen war, um vor Gericht auszusagen, deshalb hatte sie ihn nicht nach weiteren Einzelheiten fragen können, und das hatte ihr Unbehagen nur noch verstärkt.

Was bedeutete es, wenn ein Mann sagte, er habe eine Überraschung für sie, aber es sei kein Date, und sie solle sich auf keinen Fall schick machen?

„Alles in Ordnung, Schatz?“ Cheryl kam zu ihr und tätschelte ihren Arm.

Noch vor Kurzem hatten sich solche beiläufigen Berührungen äußerst seltsam angefühlt, denn Bree war es nicht gewohnt gewesen, berührt zu werden.

Judy, die andere Kellnerin, stellte sich jetzt auf Brees andere Seite und verpasste ihr einen freundschaftlichen Stoß mit der Hüfte. „Du starrst diesen Krug schon eine Minute lang an. Willst du ihn zu einem Date einladen? Dann wäre Tanner bestimmt eifersüchtig.“

Beim Klang seines Namens zog sich Brees Magen sofort zusammen. „Ich habe Angst“, flüsterte sie schließlich. Über ihre Emotionen zu sprechen, war immer noch schwierig für sie, aber diese Frauen waren schließlich ihre Freundinnen.

Freundinnen. Dieses Konzept war ihr immer noch fremd.

Cheryl legte einen Arm um Brees Taille. „Angst vor was, Schatz? Denkst du, dich beobachtet wieder jemand?“

„Die können dir nichts mehr antun, vor allem Michael Jeter nicht“, versicherte ihr Judy. „Die sitzen alle im Gefängnis.“

Bree erzitterte. Jeter hatte sie unter Folter gezwungen, ihre Fähigkeiten für seine Machenschaften einzusetzen, und ihre Mutter in den Tod getrieben. Aber Judy hatte recht – Jeter wartete momentan auf seine Verhandlung und konnte Bree nicht mehr wehtun.

„Nein, nicht vor Jeter“, flüsterte sie. „Vor Tanner.“

„Du hast Angst vor Tanner?“, fragte Judy schockiert.

Deshalb redete Bree nicht gern. Sie vermasselte es jedes Mal.

„Sag uns, was los ist“, forderte Cheryl sie auf.

Bree sah der älteren Frau in die freundlichen Augen.

„Bestellung ist fertig“, rief Dan durch die Durchreiche.

„Eine Minute!“, antworteten Cheryl und Judy im Chor. Dan seufzte leise.

„Warum hast du Angst vor Tanner? Ist etwas vorgefallen?“, fragte Judy.

Es einfach auszusprechen, war wahrscheinlich die beste Option. „Er holt mich in einer Stunde ab. Er hat gesagt, er habe eine Überraschung für mich.“

„Eine Überraschung ist nichts Schlimmes, Bree.“ Cheryl rieb ihr wieder über den Arm. „Er sollte wissen, dass du keine Überraschungen magst, aber es ist definitiv nichts, wovor du Angst haben müsstest.“

„Aber er hat gesagt, ich müsse mich nicht schick machen! Das heißt, er will nicht, dass ich mir mit meinen Haaren und dem Make-up Mühe gebe, wenn er mir sagt, dass es aus ist.“

Die anderen zwei Frauen sahen sich an.

„Oder …“, Judy zog das Wort in die Länge, „… er hat einfach etwas anderes geplant.“

Bree runzelte die Stirn, während sie darüber nachdachte. „Was denn?“

„Ich hab noch eine Bestellung fertig, Mädels“, rief Dan.

„In einer Minute!“ Dieses Mal stimmte Bree in den Schlachtruf mit ein. Sie sah ihre Freundinnen etwas hoffnungsvoller an.

„Vielleicht eine Wanderung“, schlug Judy vor.

Cheryl nahm Bree den Krug mit Eistee aus der Hand und stellte ihn auf die Theke. „Vielleicht will er die Sterne beobachten. Das ist romantisch, und dafür würde er trotzdem nicht wollen, dass du dich schick machst.“

Judy zuckte mit den Schultern. „Oder eine Motorradfahrt. Vielleicht hat er sich eines geborgt.“

„Eine Überraschung muss nichts Schlimmes sein. Tanner würde dich niemals überrumpeln.“ Cheryl gab Bree einen Kuss auf die Wange, dann lächelten die beiden Frauen sie an und gingen in die Küche, um Dan zu helfen.

Bree drehte sich um und schenkte Mrs. Little Eistee nach. Sie war immer noch nicht ganz überzeugt. Sie hatte zu viel durchlebt, bei dem Unbekanntes automatisch Gefahr und Schmerz bedeutet hatte.

Aber eine Sache stimmte: Tanner würde sie niemals überrumpeln.

Er hatte den vergangenen Monat damit zugebracht, ihr bei fast allem zu helfen. Etwa bei dem Wiedereinzug in die kleine Wohnung am Stadtrand oder dabei, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden.

Vor allem dabei, den lähmenden Verlust der Zwillinge zu verkraften. Sie wusste, dass Christian und Beth jetzt wieder dort waren, wo sie hingehörten. Bei ihrer Mutter, Brees Cousine Melissa. Aber der Verlust hatte dennoch ein großes Loch in Brees Herz gerissen.

Tanner hatte sie abgelenkt, mit Dates, Ausritten auf seiner Ranch und Küssen, die ihre Zehen zum Kribbeln gebracht hatten.

Judy und Cheryl hatten recht. Bree war sich zwar nicht sicher, wohin ihre Beziehung führte, aber hätte er etwas Schlimmes zu sagen, würde er nicht um den heißen Brei herumreden.

Das Glöckchen über der Tür zum Diner klingelte und fast so, als hätte sie ihn mit ihren Gedanken heraufbeschworen, trat Tanner ein. Sie ließ ihren Blick über ihn wandern. Dunkles, kurz geschnittenes Haar, ein kantiges Kinn, das von einem fast immerwährenden Dreitagebart überzogen war … und diese braunen Augen.

Bree konnte einfach nicht aufhören, ihn anzustarren. Doch immerhin starrte er sie auch an.

Er kam näher und blieb wenige Zentimeter vor ihr stehen. „Ich weiß, ich bin früh dran, aber ich musste dich einfach sehen. Heute war …“

Sie ging einen Schritt auf ihn zu. „Alles in Ordnung? Ist irgendetwas passiert?“

Jeder Teil ihres Körpers kribbelte, als er mit seinem Daumen über ihre Wange fuhr. „Jetzt ist alles gut.“

Sie konnte ihren Blick nicht von diesen braunen Augen abwenden. Vor Kurzem war es ihr noch schwergefallen, ihm überhaupt in die Augen zu sehen, aber jetzt fand sie es fast unmöglich, nicht hinzusehen. „Ich bin froh, dass jetzt alles gut ist.“

Wie immer nahm er ihre Unbeholfenheit gelassen hin. „Ich warte einfach hier, bis du fertig bist, falls das okay ist.“

Klar. Sie bildete das Wort in ihrem Kopf, aber schien es nicht aussprechen zu können, als er wieder mit dem Daumen über ihre Wange strich. Sie nickte abrupt, drehte sich um und rannte verschreckt in die Küche.

Judy und Cheryl grinsten wie Idioten.

„Ich bin mir sicher, dass es keine schlechte Überraschung ist“, sagte Judy.

Cheryl stellte sich hinter Bree. „Was tust du denn da?“, fragte Bree, als sie spürte, wie der Knoten ihrer Schürze gelöst wurde.

„Im Prinzip schmeißt Dan den Laden eh allein. Wir brauchen dich hier nicht mehr.“ Sanft schob Cheryl Bree zurück ins Restaurant. „Da draußen sitzt ein umwerfender Mann, der es bestimmt nicht mehr aushält, noch eine Stunde auf dich warten zu müssen. Was auch immer er für eine Überraschung für dich hat, sie wird dir gefallen.“

4. KAPITEL

Bree erkannte schnell, wohin sie fuhren, und entspannte sich langsam, denn er brachte sie an ihren liebsten Ort auf der ganzen Welt: auf die Ranch, die Tanner zusammen mit seinem Bruder Noah gehörte und die eine halbe Stunde außerhalb von Risk Peak lag.

Als sie vor der Organisation geflohen war, hatte sie eine Weile hier gelebt. Es war unmöglich, sich nicht in diesen Ort zu verlieben. Es gab dort Pferde und Berge, und es war so ruhig. Menschen fuhren hier nie vorbei, nur Noah, der sich aber meist im Hintergrund hielt.

Normalerweise kamen sie und Tanner nur am Wochenende her, wenn er ihr Reitunterricht gab.

Sie spürte ein Stechen im Herzen, als er sie um das Haus herumführte. Die Erinnerung daran, wie sie eines Morgens aufgewacht war und Tanner die Zwillinge in seinen starken Armen gehalten und ihnen die Pferde gezeigt hatte, hatte sich tief in ihre Seele eingebrannt.

„Warum dieser traurige Gesichtsausdruck?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich musste an Beth und Christian denken. Ich vermisse sie.“

„Habt ihr diese Woche schon geskypt?“

„Na klar. Melissa und Chris wissen, dass ich es ihnen nie verzeihen würde, wenn sie mich nicht anrufen. Aber es ist einfach nicht dasselbe.“ Sie konnte einen kleinen Seufzer nicht unterdrücken. „Sie sind jetzt sicher und glücklich bei ihren Eltern. Genau so soll es sein.“

„Aber du vermisst sie.“

„Verrückt, oder? Sie sind ja nicht mal meine Kinder.“ Das hatte sie sich immer wieder gesagt, aber die Kleinen hatten ihr Herz dennoch gestohlen.

„Überhaupt nicht. Vielleicht macht meine Überraschung es ja etwas besser.“ Er führte sie hinüber zum Stall.

„Habt ihr ein neues Pferd?“ Das wäre doch mal eine wunderbare Überraschung, denn Bree liebte Tiere.

„Besser.“ Er zog sie zu einer Box in der hintersten Ecke.

Sie ging um die Stalltür herum, um besser sehen zu können, und schrie kurz darauf vor Freude. „Corfu hat ihre Welpen bekommen!“

„Einer ist für dich, wenn du willst.“

„Wirklich?“ Sie konnte nicht anders, als vor Freude auf und ab zu springen und in die Hände zu klatschen. Sie wusste, dass sie sich blödsinnig aufführte, aber es musste sein.

Es wäre zwar nicht dasselbe wie mit den Zwillingen, aber es wäre ein Welpe … und er würde ihr gehören.

Tanner führte sie näher zu Corfu, einer Mischlingshündin, die vor einem Jahr einfach auf der Ranch aufgetaucht war. „Sie sind jetzt fast eine Woche alt, aber Noah hat es nicht für nötig gehalten, mir Bescheid zu sagen.“

Die vier Welpen lagen kuschelnd neben Corfu, die ihren Kopf hob, um an Bree zu schnüffeln, als sie sich neben sie hockte. „Darf ich sie streicheln?“

Tanner hockte sich ebenfalls neben die Hündin. „Na klar. Sie weiß, dass du eine Freundin bist.“

Bree kraulte ihr sanft den Kopf und lächelte, als Corfu sich ihren Fingern entgegenstreckte.

„Sie sind so winzig!“ Vorsichtig berührte sie einen. „Welcher ist denn meiner?“

„Es sind drei Rüden und eine Hündin. Du darfst dir einen aussuchen.“

„Einen Rüden“, sagte sie sofort. „Ich möchte den da. Ich werde ihn Star nennen.“ Sie deutete auf den in der Mitte – er war schwarz mit einem großen weißen Fleck auf dem Kopf.

Tanner lachte leise und hob den Welpen hoch. „Ich fürchte, du musst jetzt eine schwierige Entscheidung treffen.“

„Ist er schon vergeben?“ Es war albern, enttäuscht zu sein, denn jeder Welpe wäre toll.

„Nein, aber du kannst keinen Rüden und den hier haben. Star ist nämlich eine Hündin.“ Er reichte ihr den Welpen.

Bree atmete tief ein und lächelte, dann nahm sie den Welpen in den Arm. „Natürlich bist du eine Hündin. Du bist ein wunderschönes, süßes Mädchen, und wir werden beste Freundinnen sein.“

Sie spielten ein paar Minuten mit den Welpen, bis Tanner meinte, sie sollten Corfu und die Kleinen wieder in Ruhe lassen.

„Sie ist noch zu jung, um sie mitzunehmen, richtig?“ Der Gedanke, Star in ihrer viel zu ruhigen Wohnung zu haben, war äußerst verlockend.

Tanner legte einen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich, als sie den Stall verließen und zu seinem Haus gingen. „Es dauert noch acht Wochen, bis sie entwöhnt ist.“

Acht Wochen waren nicht so lang. Bis vor wenigen Wochen hatte sie Jahre überstanden, ohne Kontakt zu anderen Menschen zu haben. Bestimmt konnte sie noch etwas länger ohne Hund durchhalten.

„Es ist schwieriger, als du zugibst, oder? Allein zu sein, meine ich.“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich war viele Jahre lang allein. Sogar schon, bevor meine Mutter gestorben ist. Es wäre doch komisch, sich jetzt zu beschweren, wenn ich endlich nicht mehr allein bin.“

Er ließ seine Hände hinunter zu ihrer Taille gleiten. „Ich bin zwar nicht so niedlich wie die Zwillinge, aber du bist nicht mehr allein. Ich bin immer für dich da, wenn du mich brauchst.“ Er lehnte seine Stirn an ihre. „In Ordnung?“

Wenn Tanner so nah war, konnte sie an nichts anderes mehr denken. Sie konnte nur seinen Duft einatmen, der holzig, frisch und unbestreitbar männlich war.

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, als seine Lippen sich ihren näherten. Ihr Kopf funktionierte zwar wie ein Computer, aber ihr Körper wie der einer Frau. Sie erbebte, als er mit dem Daumen sanft über ihr Kinn strich, und hatte das Gefühl aus ihrer Haut zu schmelzen, als er sie auf den Mund küsste und mit der Zunge über ihre Unterlippe fuhr.

Er küsste sie sanft, bis sie es nicht mehr aushielt, dann legte sie die Hand auf seinen Hinterkopf und zog ihn hart an sich. Sie keuchte leise, als die Lust sie durchströmte. Als sie ihn stöhnen hörte, wusste sie, dass er gerade dasselbe fühlte. Beide gaben sich dem Feuer hin, das zwischen ihnen loderte.

Als sie sich wieder voneinander lösten, waren sie beide außer Atem. „Ich denke, ich sollte dich jetzt nach Hause bringen.“

Sie wollte ihn bitten, heute Nacht bei ihr zu bleiben. Jedes Mal, wenn sie aneinandergepresst dastanden, war es eindeutig, dass er sie wollte. Wenn sie ihm grünes Licht gab, würde er dann den nächsten Schritt machen?

Falls er darauf wartete, dass sie bereit war, dann war dies der richtige Moment. Sie hatte zwar noch nie Sex gehabt, aber sie hatte keine Angst davor … nicht mit Tanner, denn er würde ihr nicht wehtun, das wusste sie.

Aber irgendetwas hielt ihn zurück. Zwar gab er ihr nicht das Gefühl, dass es mit ihr zu tun hatte, aber trotzdem …

Ihr fehlten viele der emotionalen Komponenten, die anderen Frauen – normalen Frauen – nicht fehlten. Frauen, die nicht mit einem Computerhirn geboren worden waren oder mit Gefühlen, die manchmal einfach nicht zu funktionieren schienen. Frauen, die sich nicht emotional abkapseln mussten, weil sie gefoltert worden waren. Frauen, die nicht ihr halbes Leben lang allein auf der Flucht gewesen waren.

All diese Dinge hatten große Lücken in Brees emotionaler Entwicklung hinterlassen. Vielleicht erkannte Tanner unterbewusst, dass sie ihm nicht alles geben konnte, was er brauchte, und wollte diesen letzten Schritt nicht gehen, weil es dann schwieriger sein würde, sich zu trennen, wenn sie es mussten.

Warum sonst sollte er immer aufhören, wenn sein Körper doch deutlich signalisierte, dass er sie wollte?

„Ich bring dich jetzt heim“, flüsterte er.

Auf der Rückfahrt schwiegen sie beide, doch die ganze Zeit über hielt Tanner ihre Hand und führte sie immer wieder an seinen Mund, um sie zu küssen.

Das alles verwirrte Bree nur umso mehr. Sie wollte ihm gern Tausende Fragen stellen, traute sich aber nicht.

Dass er sie vor ihrer Wohnungstür wieder küsste, machte sie auch nicht schlauer.

„Sehen wir uns morgen?“, fragte er und gab ihr einen weiteren Kuss auf die Stirn.

Bitte bleib.

Sie wollte ihm sagen, dass sie bereit war … dass sie ihn wollte … dass sie es wollte.

Aber bevor sie den Mut dafür aufbrachte, war Tanner bereits verschwunden.

Sie seufzte und ärgerte sich. Warum platzte sie in unangemessenen Situationen immer mit allem heraus und jetzt, wo es um etwas Gutes ging, konnte sie sich nicht überwinden, es auszusprechen?

Frustriert ging sie ins Bett, konnte aber nicht einschlafen. Nach einer halben Stunde gab sie auf. Das Problem mit Tanner konnte sie jetzt nicht lösen, aber dafür konnte sie alles über Welpen herausfinden. Vielleicht würde sie das ja ablenken.

Sie ging hinüber zum Schreibtisch. Beim Aufklappen des Laptops überkam sie automatisch ein unangenehmes Gefühl, aber schon nach wenigen Minuten übernahm die Gewohnheit, und jedes Unbehagen war verschwunden. Nach einer Stunde hatte sie mehrere Artikel über die körperliche, geistige und emotionale Entwicklung von Hunden gelesen und eine Liste aller Dinge erstellt, die sie besorgen wollte, wenn sie das nächste Mal in Denver war. Zum Glück hatte sie noch ein paar Wochen Zeit, denn ein Welpe brauchte viele Sachen, und dieses Mal wollte sie richtig vorbereitet sein, nicht wie bei den Zwillingen.

Sie war immer noch hellwach, als sie las, dass ein Hund einen Freilauf brauchte. Zu ihrer Wohnung gehörte ein kleiner Garten, aber war dieser groß genug?

Da ihr Gehirn sie niemals schlafen lassen würde, bevor sie nicht die genaue Quadratmeterzahl ihres Gartens berechnet hatte, schlüpfte Bree in eine Jogginghose und Schuhe.

Sie war froh, dass sie keine Nachbarn hatte, die sehen könnten, wie sie mitten in der Nacht ihren Garten vermaß. Mit dem Maßband teilte sie das Grundstück in Quadranten ein und tippte anschließend die Zahlen in ihr Handy. Als sie am weitesten Punkt von ihrer Wohnung ankam, ging sie einen Schritt rückwärts und stolperte plötzlich.

Fluchend fiel sie hin. Sie stellte die Taschenlampenfunktion an ihrem Handy ein, um zu sehen, worüber sie gestolpert war. Sie dachte, es wäre ein Stein, aber nein, sie war über einen Menschen gestolpert!

Er lag mit dem Gesicht nach unten im Gras. Der Größe nach zu urteilen, musste es ein Mann sein.

„Hey, geht es Ihnen gut?“ Sie tippte ihn vorsichtig an, aber er reagierte nicht. „Wachen Sie auf.“

Als er sich immer noch nicht bewegte, wurde ihr mulmig zumute.

Sie tastete beklommen nach seinem Puls, fand aber keinen, und seine Haut fühlte sich unnatürlich kalt an.

Sie war nicht nur über einen Mann gestolpert – sondern über eine Leiche.

5. KAPITEL

Tanner tastete auf dem Nachttisch nach seinem Handy und war sofort hellwach. Nach zehn Jahren als Polizist war er es gewohnt, dass es zu jeder Tages- und Nachtzeit klingeln konnte.

Sein Herz begann allerdings zu rasen, als er Brees Namen las. Sie würde ihn nicht grundlos um vier Uhr morgens anrufen.

„Bree, was ist los?“ Die hektischen Atemgeräusche am anderen Ende der Leitung beruhigten ihn kein bisschen. Er stand auf und begann sofort, sich anzuziehen. „Bree? Rede mit mir.“

„Tanner? Hier liegt … eine Leiche.“

Fluchend zog er den Reißverschluss seiner Jeans zu. „Geht es dir gut? Bist du verletzt?“

„Nein, ich bin nicht verletzt.“

Er zog sich ein Hemd an und fing an, es zuzuknöpfen. „Ist jemand in deiner Wohnung?“

„Nein, ich habe sie draußen gefunden.“

Er hatte keinen blassen Schimmer, warum sie mitten in der Nacht draußen eine Leiche gefunden haben sollte. Vielleicht war nur jemand betrunken auf ihrem Rasen eingeschlafen, und es gab gar keine Leiche.

„Bist du jetzt wieder in deiner Wohnung?“

„Ja“, flüsterte sie und klang äußerst beunruhigt.

„Bleib einfach dort, okay? Ich bin gerade in meiner Wohnung in der Stadt, das heißt, ich bin in fünf Minuten bei dir.“

Er wollte nicht auflegen, aber er musste auf der Wache anrufen und Ronnie Kitchens, den diensthabenden Deputy, ebenfalls zum Tatort rufen.

Als Tanner wenig später bei ihr ankam, näherte er sich mit gezogener Waffe ihrer Wohnungstür und schaute sich dabei ständig um.

Er klopfte. „Bree, mach auf, Liebling. Ich bin’s.“ Er starrte wachsam in die Dunkelheit, ob sich irgendwo etwas bewegte.

Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet. „Tanner?“

Es war furchtbar, die Angst in ihrer Stimme zu hören. „Ja. Lass mich rein.“

Sie öffnete die Tür. Er trat ein, steckte die Waffe weg und umarmte sie. „Alles in Ordnung?“

„Ja, s…sie liegt draußen. Ich bin über sie gestolpert“, erklärte sie zitternd.

„Ronnie müsste gleich da sein, dann sehen wir uns um.“ Er führte sie zum Küchentisch und setzte sie auf einen Stuhl. „Warum warst du überhaupt mitten in der Nacht da draußen?“

„Ich habe den Garten vermessen, um zu sehen, ob er die vorgeschriebene Größe für einen Hund hat.“

Trotz der Schwere der Situation musste Tanner beinahe lachen. Den Garten für einen Welpen ausmessen? Das würde auch nur Bree einfallen.

„Es ist nicht so, dass ich an dir zweifle, Liebling, aber bist du sicher, dass es eine Leiche war?“

„Ja, ich habe versucht, ihn aufzuwecken, bevor ich dich angerufen habe.“

Das klang gar nicht gut.

Er streichelte ihr beruhigend über das Haar. „Bleib du hier. Ich sehe mich mal um.“

In den Fenstern spiegelte sich das Licht von Ronnies Streifenwagen. Tanner ging hinaus und nahm ihn in Empfang.

„Ist es wirklich eine Leiche?“, fragte Ronnie, als er ausstieg.

„Bree sagt, sie sei dort hinten. Sie ist wohl darüber gestolpert, als sie den Garten für ihren neuen Hund ausgemessen hat.“

Ronnie starrte ihn an. „Will ich überhaupt wissen, warum sie so etwas mitten in der Nacht tut?“

„So ist Bree halt. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, führt kein Weg daran vorbei.“

Sie holten sich zwei Taschenlampen aus dem Streifenwagen und gingen mit gezogenen Waffen hinter das Haus. Brees Grundstück war nicht groß, es dauerte also nicht lange, bis sie erkannten, dass sie recht gehabt hatte.

Es lag tatsächlich eine Leiche dort.

Sobald er die kalte Haut des Mannes berührt hatte, wusste Tanner, dass er nicht mehr lebte. Trotzdem suchte er nach einem Puls.

Vergeblich.

„Hol die Spurensicherung. So wie es sich anfühlt, ist er schon seit einer ganzen Weile tot.“ Tanner stand auf und wich zurück, um den Tatort nicht zu verunreinigen.

„Ein natürlicher Tod?“, fragte Ronnie.

Tanner leuchtete nach unten. Das Hemd des Toten war blutverschmiert. „Nein, daran ist definitiv nichts natürlich.“

Tanner schaute zu, wie die Spurensicherung den Tatort untersuchte. Bald darauf stand fest, dass das Opfer mit mehreren Stichen in den Rücken getötet worden war.

„Captain Dempsey!“ Owen, einer der Kriminaltechniker, kam zu ihm hinübergejoggt. „Wir haben unsere vorläufige Untersuchung abgeschlossen. Sie können die Leiche also jetzt anschauen.“

Tanner und Ronnie halfen dabei, die Leiche umzudrehen. Ronnie seufzte erleichtert auf. „Das ist niemand aus Risk Peak, oder?“

Auch Tanner entspannte sich. „Du hast recht. Ich kenne ihn nicht …“ Tanner verstummte, denn er kannte den Toten doch, auch wenn er tatsächlich nicht von hier war. „So ein Mist!“

„Was?“, fragte Ronnie verwirrt. „Ist es doch jemand, den wir kennen?“

Tanner kniete sich neben die Leiche. „Es ist jemand, den ich kenne. Joshua Newkirk. Er stammt aus dem Norden von Grand County. Hat dort eine Frau vergewaltigt. Vor vier Jahren habe ich zu dem Team gehört, das ihn festgenommen hat, und vor sechs Monaten wurde er aus dem Gefängnis entlassen.“

Hatte er etwa vorgehabt, Bree etwas anzutun? Das Vorgehen war zumindest ähnlich. Newkirk war bei der anderen Frau eingebrochen, als diese allein gewesen war.

„Verdammt, ich habe dem Berufungsausschuss gesagt, dass bei ihm die Gefahr für eine Wiederholung zu groß ist und er daher im Gefängnis bleiben sollte.“

Genauso wie heute bei Owen Duquette. Anderer Ausschuss, gleiche Situation. Wie sollte die Polizei für Sicherheit sorgen, wenn alle Verbrecher ständig wieder freigelassen wurden?

„Nun ja, er wird bestimmt keine Frauen mehr angreifen.“

Tanner schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht so tun, als würde mir sein Tod schlaflose Nächte bereiten.“ Vor allem nicht, da er ihn auf Brees Grundstück gefunden hatte.

„Trotzdem hat niemand das Recht, ihn zu töten“, meinte Ronnie.

„Nein, natürlich nicht. Aber, Ronnie, der Kerl liegt nur wenige Meter hinter Brees Wohnung.“

„Ich denke aber nicht, dass er ihr etwas antun wollte.“

Tanner sah ihn fragend an. „Warum nicht?“

„Ich weiß nicht, ob es die Sache besser oder schlechter macht, aber der Kerl wurde nicht hier umgebracht, denn ansonsten wäre hier eine verdammte Menge Blut“, sagte Owen.

Ronnie hob eine Augenbraue. „Eine verdammte Menge? Ist das ein Fachbegriff?“

„Ich meine ja nur, dass hier eine große Lache Blut wäre, wenn er hier erstochen worden wäre.“

Tanner sah sich um. Er konnte tatsächlich kein Blut sehen. „Was bedeutet das?“

„Entweder wurde er woanders angegriffen und ist bis hierher getaumelt, oder der Mörder hat seine Leiche absichtlich hier abgelegt.“

Das war ja fast genauso schlimm wie die Vorstellung, dass es ein Vergewaltiger auf Bree abgesehen hatte. „Warum würde jemand eine Leiche hier ablegen?“, knurrte Tanner.

Owen zuckte mit den Achseln. „Man legt eine Leiche nur in fremden Gärten ab, wenn man will, dass sie gefunden wird. Schließlich gibt es in der Nähe Tausende Hektar Wald. Dort wäre sie vielleicht jahrelang nicht entdeckt worden.“

„Also ist das eine Botschaft für Bree?“, fragte Ronnie. „Kennt sie ihn denn?“

Tanner schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, aber ich werde sie fragen.“

Ronnie klopfte Tanner auf die Schulter. „Wir finden schon heraus, was hier los ist.“

„Ich werde Bree nach Newkirk fragen“, sagte Tanner.

Er drehte sich zum Haus um. Bree stand vor der Haustür und hatte sich in eine Decke gewickelt. Gott, er hasste es, sie wieder so besorgt zu sehen. Mit demselben Ausdruck im Gesicht hatte er sie kennengelernt. Er wollte, dass dieser schnellstens wieder verschwand.

„Ist es jemand, den wir kennen?“, fragte sie ängstlich.

Tanner nahm sie in den Arm. „Es ist niemand von hier.“ Er spürte, wie sie sich etwas entspannte. „Kennst du jemanden namens Joshua Newkirk?“

Sie lehnte sich zurück, sodass sie ihm in die Augen sehen konnte. „Nein, sollte ich?“

Er glaubte ihr, denn sie hatte keinen Grund zu lügen.

„Das ist der Name des Toten. Ich habe ihn vor ein paar Jahren festgenommen. Anscheinend hat er sich Feinde gemacht, seit er vor sechs Monaten aus dem Gefängnis entlassen worden ist.“

Tanner gefiel das alles ganz und gar nicht. Er hoffte, dass Owen recht hatte und die Leiche nur zufällig hier gelandet war.

Doch Tanner glaubte nicht an solche Zufälle. Er wurde unweigerlich wütend. Sie hatte schon genug durchgemacht. Er hatte sie nach Risk Peak geholt, damit sie sicher war.

Er spürte, wie sie ihre Hände um seine geballten Fäuste legte.

„Mir geht es gut. Was auch immer sich dein Kopf gerade ausmalt, ist nicht geschehen.“

Das Vertrauen, das sich in ihren Augen widerspiegelte, machte ihn fertig. Er strich ihr liebevoll über die Wange. Es gab so viele Dinge, die er ihr gern sagen wollte … aber in diesem Moment klingelte sein Handy. Es war Sheriff Duggan, seine Chefin.

„Sheriff Duggan.“

„Wie ich gehört habe, liegt in Bree Daniels’ Garten eine Leiche.“

Tanner war nicht überrascht, dass sie schon davon erfahren hatte, denn Grand County war nicht sonderlich groß, und ein Mord war eine bedeutende Sache. „Ja, und ich kann dir sogar sagen, wer es ist: Joshua Newkirk.“

„Der Vergewaltiger?“ Sie fluchte laut. „Er wurde in Ms. Daniels’ Garten ermordet?“

Tanner erzählte seiner Chefin daraufhin alle Einzelheiten.

„Du musst ehrlich zu mir sein. Es ist kein Geheimnis, dass du etwas für Bree empfindest. Muss ich dich von dem Fall abziehen? Ich mache mir Sorgen, dass du nicht neutral sein kannst.“

„Der Kerl ist tot. Meine Neutralität macht da keinen Unterschied.“

„Trotzdem musst du einen Mörder finden, und jeder weiß, dass du kein Freund von Newkirk warst.“

Tanner schluckte seinen Ärger hinunter. „Ich hoffe, dass überhaupt niemand ein Freund von Newkirk war. Nur, weil ich nicht traurig über seinen Tod bin, heißt das nicht, dass ich seinen Mörder nicht finden will.“

Duggan schwieg einen Moment. Er schätzte es, dass sie immer erst nachdachte, bevor sie etwas sagte.

Nur gefiel ihm dieses Mal nicht, was er hörte.

„Ich werde Richard Whitaker zu euch schicken. Bevor du anfängst, mit mir zu streiten, das ist keine Strafe und bedeutet auch nicht, dass ich dir nicht traue. Er bringt einfach nur eine neue Sicht auf die Dinge mit sich, da er weder Bree noch Newkirk kennt.“

Tanner wusste, dass es das Beste war, aber es ärgerte ihn trotzdem, denn niemand kam mit Richard Whitaker zurecht. Der Kerl war ein echtes Arschloch.

„Es gefällt mir nicht, aber ich werde mich nicht dagegen wehren.“

„Gut, denn immerhin ist jemand ermordet worden, und egal, ob wir den Toten mögen oder nicht, wir werden herausfinden, wer es getan hat.“

6. KAPITEL

Richard Whitaker, Tanners Pendant aus dem nördlichen Teil von Grand County, tauchte eine Stunde später auf.

„Dempsey, Kitchens.“ Whitaker nickte ihnen zu und sah dann zum Tatort hinüber. „Sheriff Duggan meinte, dass bei Ihnen endlich mal etwas Spannendes passiert ist.“

Aus dem Augenwinkel heraus sah Tanner, wie Ronnie die Augen verdrehte. Er konnte es ihm nicht verübeln.

Richard Whitaker löste bei jedem dieses Bedürfnis aus. Der Kerl war vor sechs oder sieben Jahren mit seiner Frau aus Dallas hergezogen, weil sie aus dieser Gegend stammte. Als sie sich achtzehn Monate später scheiden ließen, war Whitaker ironischerweise geblieben und seine Frau wieder weggezogen.

Er war ein guter Polizist, das konnte Tanner nicht abstreiten. In den Jahren beim Dallas PD hatte er viel Erfahrung gesammelt – was er allerdings auch jedem unter die Nase rieb.

„Das Opfer heißt Joshua Newkirk. Ein verurteilter Vergewaltiger“, erklärte Ronnie und ging zum Fundort. „Aufgrund der Körpertemperatur scheint er seit sechs Stunden tot zu sein. Die Leiche wurde aber erst vor zwei Stunden gefunden.“

„Ms. Daniels hat aber nicht den Notruf gewählt. Stimmt das?“ Whitaker sah Tanner vielsagend an.

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Ja, das stimmt. Sie hat mich angerufen, weil sie mich kennt.“

„In Dallas haben wir es oft erlebt, dass derjenige, der ein Verbrechen meldet, etwas damit zu tun hat und auf diese Weise unschuldig wirken will.“

Tanner verkrampfte sich. „Das hier ist aber nicht Dallas, und Bree hat nichts damit zu tun.“

„Genau das ist der Grund dafür, warum der Sheriff mich hergeschickt hat. Sie sind befangen, Dempsey.“

Tanner biss die Zähne zusammen. „Nur, weil ich keinen Hirngespinsten hinterherjage, heißt das noch lange nicht, dass ich den Täter nicht finden werde.“

Ronnie blieb neben ihm stehen. „Ich habe nichts mit Bree zu tun und bin derselben Meinung wie Tanner. Sie ist nicht stark genug, um Newkirk überwältigen zu können, und sie ist nicht dumm genug, die Leiche in ihrem eigenen Garten abzulegen. Die Frau hat einen IQ, der höher ist als der von Einstein.“

Whitaker sah aus, als wolle er etwas erwidern, nickte aber nur. „Na schön. Konzentrieren wir uns erst mal nicht auf Ms. Daniels. Aber wenn die Beweise darauf hindeuten, dass sie etwas mit der Sache zu tun hat, werde ich sie verhören. Nur weil Risk Peak eine Kleinstadt ist und hier jeder jeden kennt, werden wir Beweise nicht einfach ignorieren.“

Tanner konnte spüren, wie Ronnie wieder die Augen verdrehte. „Beweise zählen hier genauso viel wie überall anders. Aber Bree war das nicht.“

Whitaker nickte noch einmal und betrachtete dann die Leiche.

Tanner blieb mit Ronnie zurück. „Kannst du das hier mit ihm zu Ende bringen? Ich möchte Bree zu meiner Ranch fahren, damit sie sich erholen kann. Ich komme nachmittags wieder hierher.“

„Na klar. Ich wünschte, es wäre nicht in ihrem Garten passiert. Sie hat schon genug durchgemacht.“

„Das stimmt.“

„Kümmere dich um sie.“

Das einzig Gute an Whitakers Anwesenheit war, dass er sich mit solchen Fällen auskannte. Woran es Ronnie an Erfahrung mangelte, machte Whitaker wett, und der Sheriff hatte recht: Zwei Paar Augen waren besser als eines.

Trotzdem war Whitaker ein Mistkerl.

Tanner ging durch die Hintertür in Brees Wohnung. Sie saß wieder am Küchentisch und hatte die Hände um einen Becher geschlungen. Sie sah erschöpft aus. Er hasste das.

„Hey“, flüsterte er. „Geht es dir gut?“

Mit ihren grünen Augen, die ihn von Anfang an verzaubert hatten, sah sie zu ihm auf.

„Ja, ich bin nur müde.“

„Pack deine Sachen. Du kannst hier nicht bleiben. Ich werde dich zur Ranch bringen.“

Ihr Blick nahm einen freudigen Ausdruck an. „Wirklich?“

„Ist das in Ordnung für dich?“

Sie nickte aufgeregt. „Ich hole schnell meine Sachen.“

Während der Fahrt schaute er ständig zu ihr hinüber, weil er befürchtete, dass sie sich doch noch aufregen könnte, aber sie sah ziemlich glücklich aus.

„Warum schaust du mich immer so an?“, fragte sie, als sie außerhalb der Stadt waren.

„Berufsrisiko, schätze ich. Ich will nur sicher sein, dass es dir wirklich gut geht. Ich kann verstehen, wenn du aufgebracht bist. Schließlich habe ich dich davon überzeugt, nach Risk Peak zu ziehen, damit du in Sicherheit bist, und dann passiert so etwas.“

Sie lächelte ihn an. „Ich hatte nur Angst, dass wir den Toten kennen. Als du mir gesagt hast, dass es ein Unbekannter ist, war ich erleichtert. Außerdem darf ich jetzt auf der Ranch bleiben, wo ich Star jeden Tag sehen kann.“

Er konnte nicht anders, als sie ebenfalls anzulächeln. So war Bree, sie reagierte immer anders, als man es erwartete.

Das war einer der vielen Gründe, warum er sich in sie verliebt hatte.

Plötzlich verschwand ihr Lächeln. „Das ist falsch, oder? Was ich fühle. Ich müsste traurig sein, weil jemand gestorben ist.“

„Glaub mir, es wäre nicht hilfreich, in so einer Situation auszuflippen.“

Sie schaute aus dem Fenster und schwieg eine Weile. „Aber es ist nicht normal. Als ich herausgefunden habe, dass wir ihn nicht kennen, war es mir egal, wer da in meinem Garten liegt. Es kann doch nicht normal sein, dass ich mich in so einer Situation auf die Ranch und den Hund freue.“

Beruhigend legte er eine Hand auf ihre. „Bree …“

Verzweifelt sah sie ihn an. „Meine Gefühle sind falsch, Tanner! Ich bin kaputt.“

Er schaltete die Warnblinkanlage ein und fuhr an den Straßenrand. Dann legte er beide Hände an ihre Wangen. „Ich will niemals wieder hören, dass du so etwas sagst. Deine Gefühle sind genau richtig. Nur weil du nicht hysterisch wirst, bist du noch lange nicht kaputt. Fühle dich niemals schlecht, weil dein brillanter Verstand so arbeitet, um dich zu beschützen.“

„Aber …“

„Kein Aber.“ Er beugte sich vor und küsste sie. „Du hast etwas überlebt, was die meisten Menschen zerstört hätte. Du bist wunderbar, genau so wie du bist.“

Er war sich nicht sicher, ob sie ihm glaubte, aber er meinte jedes Wort ernst. Er wartete, bis sie endlich nickte, dann ließ er sie los und fuhr weiter.

Kurz darauf erreichten sie die Ranch. „Wir beide könnten ein paar Stunden Schlaf gebrauchen“, sagte er. „Ich nehme die Couch, du kannst das Bett haben.“

Sie ging in Richtung Schlafzimmer, drehte sich aber noch mal um und sagte: „Komm mit. Lass uns in einem Bett schlafen wie schon einmal.“ Sie streckte ihm eine Hand entgegen.

Er wünschte sich nichts sehnlicher, als sich mit ihr in seinem Bett zu verkriechen, aber da seine Wut und sein Frust gerade so nah an der Oberfläche brodelten, könnte es gut sein, dass er wieder Albträume hatte. Dass er Bree dabei unbewusst schlagen könnte, machte ihm Angst.

„Vergiss es“, sagte sie hastig, da sie sein Zögern missverstand.

Verdammt, lieber würde er nie wieder schlafen, als diesen verletzten Blick in ihren Augen sehen zu müssen.

Er ging auf sie zu. „Ich will ja. Glaub mir. Nichts will ich lieber. Aber … ich will dich nicht wecken, wenn ich früher nach Risk Peak zurückgerufen werde.“ Das war zumindest die halbe Wahrheit.

Der gequälte Ausdruck verschwand aus ihren Augen, und ein schüchternes Lächeln trat auf ihr Gesicht. „Das macht mir nichts aus, solange ich nur neben dir schlafen kann.“

In diesem Augenblick hätte er alles für sie getan. Er nahm also ihre Hand und zusammen gingen sie ins Schlafzimmer.

Nacheinander zogen sie sich im Badezimmer um und legten sich anschließend ins Bett. Es war eine unschuldige, aber sehr intime Situation.

Tanner legte sich auf die Seite und zog Bree an sich. Er atmete den süßen Duft ihres Haares ein, als ihr Kopf in der Beuge seines Ellenbogens ruhte. Den anderen Arm legte er locker um ihre Taille.

Wenige Minuten später war sie eingeschlafen. Ihr zierlicher Körper lehnte an seinem … sie vertraute darauf, dass er sie beschützte, während sie schlief. Tanner würde dieses Vertrauen nicht betrügen, selbst wenn es bedeutete, sie gegen ihn zu beschützen.

Außerdem wurde Schlafen überbewertet. Stattdessen konnte er jede ihrer Kurven, die ihn seit Monaten in seinen Träumen verfolgten, spüren.

Das war es auf jeden Fall wert.

7. KAPITEL

Eine Woche später saß Bree im Wohnzimmer von Tanners Haus und strich mit den Händen über ihren Rock. Es war ein hübscher Rock, blau mit kleinen weißen Blumen. Er endete knapp über ihren Knien und sah in Kombination mit der weißen Bluse großartig aus. Tanner hatte es gefallen, als sie dieses Outfit bei einem Date vor wenigen Wochen getragen hatte. Doch jetzt wollte sie es sich am liebsten vom Leib reißen und wegwerfen.

Das hatte allerdings weniger mit dem Outfit, sondern mehr mit der Tatsache zu tun, dass Tanner sie heute mit zum Abendessen bei seiner Familie nehmen wollte. Bevor sie sich eine Ausrede hatte einfallen lassen können, um nicht mitzukommen, fuhr Tanner vor dem Haus vor.

Sie fühlte sich allerdings besser, als er sie ansah und anerkennend pfiff. „Du siehst zum Anbeißen aus.“

Sie vergaß, was auch immer sie sagen wollte, um sich vor dem Essen zu drücken, als er sich an sie heranpirschte. Anders konnte man es nicht nennen: anpirschte. Als wäre er ein Raubtier und sie seine Beute … und er hatte offenbar die feste Absicht, sie anzubeißen.

Eigentlich müsste sie das erschrecken, aber es erweckte nur die weiblichsten Gegenden ihres Körpers zum Leben.

Innerhalb von Sekunden war er bei ihr, schlang einen Arm um ihre Taille und drängte sie an die Wohnzimmerwand. Er presste sich fest an sie, und all ihre nervösen Gedanken verflogen, als er ihre Lippen in Beschlag nahm.

Sein Mund war fordernd. Er neigte den Kopf, bis er ihren in die gewünschte Position gebracht hatte. Sie stöhnte leise, als er mit der Zunge ihre Lippen nachzeichnete, und öffnete sich für ihn. Der Kuss wurde immer intensiver. Er streichelte über ihre Zunge, schmeckte sie und beanspruchte sie.

Als er ihren Rock nach oben schob und über ihren Oberschenkel streichelte, drückte sie sich noch enger an ihn. Es war unmöglich, sich auf den Kuss zu konzentrieren, wenn er gleichzeitig mit den Fingern Linien auf ihrem Oberschenkel und ihrer Hüfte zeichnete.

„Verdammt.“ Er atmete genauso schwer wie sie, als er wenige Minuten später den Kopf gegen ihre Stirn lehnte. „Wir müssen aufhören, sonst kommen wir zu spät, und meine Mutter bringt mich um. Ich muss mich außerdem noch umziehen und rasieren.“

Sie streichelte über seine Wange. „Ich mag deine Stoppeln. Sie sind sexy.“ Durch sie wirkte er immer ein wenig gefährlich.

Er legte seine Hand auf ihre. „Wir haben uns wegen meiner Stoppeln kennengelernt, weißt du noch? Ich habe dich beim Klauen erwischt, weil Mr. Vanover meine Lieblingsrasierklingen immer im hintersten Gang seines Ladens aufbewahrt. Sonst wäre ich nicht dort hinten gewesen und hätte dich überrascht.“

Sie fuhr mit den Fingernägeln über seine kurzen Barthaare. „Ich bin froh, dass du mich erwischt hast“, flüsterte sie. „Denn es war das Beste, was mir je passiert ist.“

Ein Feuer schien hinter seinen braunen Augen zu lodern. Er legte eine Hand auf ihren Rücken und presste sie erneut an sich.

Sie konnte spüren, dass er sie wollte. Einen Moment lang war sie versucht, ihn zum Bleiben zu überreden, aber sie schob den Gedanken schnell beiseite. Sie wollte ihn nicht zu ihrem ersten Mal überreden, nur um einem Abendessen zu entgehen.

Mal ganz davon abgesehen, dass sie gar nicht wusste, wie man einen Mann verführte.

Er seufzte und löste sich von ihr. „Du wirst noch mal mein Untergang sein.“

„Ist das gut oder schlecht?“

„Das Allerbeste. Gib mir fünf Minuten. Es wird Zeit, dass sich die wichtigsten Menschen in meinem Leben besser kennenlernen.“

8. KAPITEL

Bree wollte flüchten, als Tanner viereinhalb Minuten später ins Wohnzimmer zurückkam und in seiner Jeans und dem Hemd absolut wundervoll aussah, und eine halbe Stunde später erneut, als sie am Haus seiner Mutter ankamen.

Sie hatte schon alle Mitglieder aus Tanners Familie kennengelernt. Noah auf der Ranch und Mrs. Dempsey und Tanners Schwester Cassandra im Sunrise Diner. Aber dieses Mal würde sie zum ersten Mal als Tanners Freundin auf sie treffen.

Bree umklammerte den Karton mit Mrs. Andrews’ Zitronenkuchen und stolperte verkrampft auf die Haustür zu.

Tanner legte einen Arm um ihre Schultern, zog sie kurz an sich und küsste ihre Schläfe. „Du wirst das großartig machen. Sie werden dich lieben.“

Bree war sich da nicht so sicher. Was gleich kam, war ihr schlimmster Albtraum – sie unter anderen Menschen, mit denen sie geistreiche Unterhaltungen führen sollte.

Sie würde sich wie ein normaler Mensch verhalten müssen.

Das wird nicht funktionieren, dachte sie panisch.

Doch das Abendessen meisterte sie ohne einen größeren Fauxpas. Durch das ständige Gezänk zwischen Tanner und Cassandra und den gelegentlichen Einwürfen von Noah und Cassandras Ehemann Graham musste sie gar nicht viel sagen.

Als alle aufstanden und ihr benutztes Geschirr in die Küche trugen, tat Bree es ihnen gleich.

„Wie gefällt dir das Leben auf der Ranch?“, fragte Mrs. Dempsey. „Für meinen Geschmack ist sie zu abgelegen. Findest du nicht?“

„Nein, mir gefällt das. Menschen können manchmal etwas zu viel für mich sein.“

„Amen“, murmelte Noah. „Pferde sind mir da viel lieber.“

Tanner lächelte und gab ihr einen Kuss, als er mit etwas Geschirr an ihr vorbeiging.

„Aber wie lebt es sich mit meinem dummen Bruder?“ Cassandra stieß Tanner mit dem Ellenbogen in die Seite, als sie in die Küche kam.

Bree wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie lebten ja nicht wirklich zusammen. „Ich wohne nur momentan dort wegen der Leiche und dem Welpen.“

Cassandra grinste. „Aber nicht, wenn Tanner etwas dazu zu sagen hätte.“

Bree spürte, wie sie rot wurde. Sie wusste schon wieder nicht, was sie sagen sollte. „Ähm …“

„Aua!“ Cassandra starrte Tanner böse an. „Mom, Tanner hat mich gerade gekniffen.“

Mrs. Dempsey drehte sich zu ihnen um. „Benehmt euch und setzt euch wieder an den Tisch! Bree, lass uns den Kuchen anschneiden.“

„Streiten die sich wirklich?“, fragte Bree verwirrt.

„Cassandra ist die Jüngste. Sie ärgert ihre Brüder gern, wenn sie hier sind. Hast du auch Geschwister?“

„Nein.“ Sie hatte ja nicht mal eine echte Mutter gehabt.

„Mein Sohn bringt nicht leichtfertig jemanden zum Familienessen mit. Er ist offenbar ganz hingerissen von dir.“

„Ich …“ Manchmal war sich Bree nicht sicher, was er für sie fühlte. Die vergangenen Tage hatten sie zwar im selben Haus gelebt, aber er hatte sie immer auf Abstand gehalten, als wäre sie nur ein Gast.

Doch dann war da heute dieser Kuss gewesen. Als er sie geküsst hatte, als würde er die Kontrolle verlieren.

Sie konnte seine Finger immer noch auf ihrem Oberschenkel spüren.

„Ich weiß nicht. Manchmal vielleicht.“

Mrs. Dempsey schaute vom Kuchen auf und sah sie genauer an. „Tanner hat seine Dämonen und seine eigene Art, damit umzugehen.“

„Wirklich?“ Er kam ihr immer so entspannt und freundlich vor. So nett und nahbar. Es war ihr gar nicht in den Sinn gekommen, dass er ebenfalls Probleme haben könnte.

„Redet er nicht mit dir darüber?“

„Nicht über so was.“

Mrs. Dempsey hatte nicht verurteilend geklungen, aber Bree fragte sich sofort, ob sie Tanners Bedürfnisse vielleicht nicht befriedigte. Vielleicht hatten sie deshalb noch nicht miteinander geschlafen.

„Er will dich offenbar beschützen. Das kann ich ihm nicht verdenken. Du hast etwas Besonderes an dir. Bei Tanners Vater und mir war es auch so.“

Mrs. Dempsey sah gar nicht so aus, als müsste sie beschützt werden.

„Natürlich habe ich Clifford sofort zu verstehen gegeben, dass man mich nicht in Watte packen muss. Dich etwa, Bree?“

Bree antwortete sofort. „Nein, ich kümmere mich schon lange selbst um mich. Ich bin stark.“

Die ältere Frau lächelte. „Das glaube ich dir. Du hast einen harten Kern. Aber du musst Tanner noch davon überzeugen, dass du stark genug bist, um das zu sein, was er braucht.“

Was brauchte Tanner denn? Bree war sich nicht sicher. Sie wollte Mrs. Dempsey fragen, aber in diesem Moment hörten sie Rufe aus dem Esszimmer. „Wir wollen Kuchen!“

Mrs. Dempsey seufzte und grinste dann. „Die Kinder werden unruhig.“

Alle Dempsey-Geschwister starrten den Kuchen in Mrs. Dempseys Hand an, sobald sie das Esszimmer betrat.

Bree klappte die Kinnlade herunter, als Tanner, Noah und Graham begannen, ihre Kuchenstücke hinunterzuschlingen. Sie schaute zu Cassandra hinüber, die sich in angemessenerem Tempo an ihres machte. „Ich habe das Wettessen aufgegeben, als ich geheiratet habe. Meine Brüder konnte ich übertrumpfen, aber gegen sie und Graham zusammen habe ich keine Chance. Aber für sexuelle Gefälligkeiten gibt mir mein Mann manchmal was vom Kuchen ab, wenn er gewinnt.“ Sie wackelte mit den Augenbrauen. Graham zeigte mit dem Daumen nach oben und schob sich noch mehr Kuchen in den Mund.

Bree lächelte nur und sah ihnen mit Verwunderung zu. „Tanner hat mal versucht, mir diese Sache mit dem Kuchen zu erklären, aber man begreift es erst, wenn man dabei gewesen ist.“

Sobald die Männer ihren Kuchen aufgegessen hatten – im Abstand von nur wenigen Sekunden –, entschuldigten sie sich höflich, bevor sie in die Küche eilten. Das gehörte wohl auch zur Tradition.

Cassandra und Mrs. Dempsey schüttelten den Kopf und aßen beide gemächlich weiter.

„Wie gefällt dir das Kellnern im Sunrise Diner?“, fragte Cassandra.

„Cass“, sagte Mrs. Dempsey leise.

Cassandra zuckte mit den Achseln. „Es macht doch nichts, wenn ich frage, oder?“

Bree redete gern über ihre Arbeit. Dachte Mrs. Dempsey vielleicht, sie sei ihr peinlich?

„Es macht Spaß. Dan und Cheryl sind eine große Stütze für mich.“

„Vermisst du es manchmal, mit Computern zu arbeiten?“, fragte Cassandra nun.

Bree starrte auf ihren Kuchen. Tanner hatte seiner Familie bestimmt nicht viel über ihre Vergangenheit erzählt. Dieses Gespräch war überraschend schnell schwierig geworden. Denn was war die angemessenste Antwort auf Cassandras Frage?

Sie hob die Gabel an den Mund, um sich etwas Zeit zu verschaffen.

„Es ist kompliziert“, sagte sie schließlich.

„Warum?“, fragte Cassandra.

„Cass …“, sagte Mrs. Dempsey noch einmal.

„Es ist doch nicht schlimm zu fragen, Mom. Ich will es doch nur verstehen.“

Bree hatte irgendwie für Ärger zwischen Tochter und Mutter gesorgt. Das hatte sie nicht gewollt. „Ich kann gut mit Computern umgehen, aber durch etwas, was mir als Kind passiert ist, können sie bei mir Angst auslösen.“

„Denkst du, du wirst noch mal mit ihnen arbeiten?“

Bree rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Sie wusste nicht, warum Cassandra so viel über dieses Thema fragte. Befürchtete sie, dass sie etwas Illegales tat und Tanner in die Sache hineinzog? Sie wussten offenbar, dass sie mit der Organisation zu tun gehabt hatte.

Bevor Bree etwas sagen konnte, redete Cassandra weiter. „Ich bin Friseurin.“

Bree blinzelte verwundert wegen des plötzlichen Themenwechsels. „Ich habe dich noch nie in der Stadt arbeiten sehen.“

„Das tue ich auch nicht. Zumindest nicht oft. Ich kümmere mich zu Hause um die Kinder, aber ich beginne bald einen Nebenjob. Es ist eher eine Art Mission.“

Die Männer kamen nun aus der Küche zurück. Alle drei grinsten, sahen aber etwas zerzaust aus. „Wir haben uns den Rest des Kuchens geteilt.“

„Ist meine Küche noch ganz?“ Mrs. Dempsey hob eine Augenbraue.

„Ja, Ma’am“, sagten alle drei pflichtbewusst.

„Ich hatte eine Idee und würde gern Brees Meinung dazu hören“, sagte Cassandra.

Tanner setzte sich auf den Stuhl neben Bree, legte eine Hand auf ihren Rücken und spielte mit ihren Haaren. Jeder bemerkte es, aber niemanden schien es zu stören. Das war ein gutes Zeichen, oder?

„Was willst du von Bree wissen?“

Cassandra ignorierte ihn und sah Bree an. „Ich gehöre zu einem Verein, der ein Frauenhaus gründen will. Wir wollen Frauen aus Denver helfen, gewalttätigen Beziehungen zu entkommen.“

Bree nickte, verstand aber immer noch nicht, was Cassandra von ihr wollte. „Das klingt toll.“

„Es soll nicht nur ein sicherer Ort für sie sein, ich will ihnen auch verschiedene Fähigkeiten beibringen. Zum Beispiel das Friseurhandwerk.“

Bree nickte. Das war eine gute Idee. Damit half man Frauen nicht nur, wieder auf die Beine zu kommen, sondern sich auch auf lange Sicht selbst versorgen zu können. „Klingt wie ein gutes Vorhaben und ein kluger Ansatz.“

Cassandra lächelte. „Ich wollte dich fragen, ob du nicht vielleicht einen Computerkurs leiten könntest.“

Bree setzte sich abrupt gerade hin und starrte Cassandra an, bevor ihr ein hysterisches Lachen über die Lippen kam.

Das war eine absolut furchtbare Idee. Sie wäre eine grauenvolle Lehrerin. Sich vor anderen hinstellen? Versuchen, ihnen etwas zu erklären? Das war überhaupt keine gute Idee.

Sie schaute nervös auf ihre Hände. Aber … diese Frauen brauchten Hilfe. Sie waren wie sie, als sie nach Risk Peak gekommen war. Allein, verzweifelt, pleite. Ihre Situation war zwar nicht dieselbe, aber eine ähnliche.

Könnte sie so etwas tun? Würde sie einen Weg finden können, so wie die Bewohner von Risk Peak ihr geholfen hatten?

Das Geräusch von klapperndem Geschirr lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Tisch. Cassandra war aufgestanden und stapelte Teller aufeinander.

„Cass“, sagte Tanner sanft. „Du hättest zuerst mit mir reden sollen.“

Cassandra drehte sich zu Bree um. „Schade, dass du die Idee lachhaft findest. Ich dachte, du würdest erkennen, wie wichtig es ist.“

„Nein, so habe ich das nicht gemeint.“ Bree warf Tanner einen erschrockenen Blick zu. „Ich halte es für eine sehr gute Idee.“

„Cass, du weißt nicht alles“, sagte Tanner. Sein Handy vibrierte. „Mist. Das ist die Arbeit. Ich muss rangehen.“

Tanner verließ das Zimmer und ließ Bree mit seiner Familie zurück.

„Cassandra, ich …“

„Weißt du was? Vergiss es einfach.“ Cassandra nahm die Teller und ging in die Küche. Graham folgte ihr mit einem entschuldigenden Blick.

„Ignorier sie einfach“, schlug Noah vor. „Das tun wir alle.“

Mrs. Dempsey tätschelte Brees Arm. „Mach dir keine Gedanken, Schatz. Cassandra ist sehr leidenschaftlich und trägt das Herz am rechten Fleck. Sie denkt aber leider nicht immer nach.“

„Ich glaube nur, dass ich eine furchtbar schlechte Lehrerin wäre.“

Tanners Mutter lächelte. „Wir werden es ihr erklären. Niemand will, dass du etwas tust, bei dem du dich unwohl fühlst.“

Bevor Bree alles aufklären konnte, kam Tanner zurück ins Zimmer.

„Tut mir leid, Mom, aber ich muss los. Ronnie hat sich eine Lebensmittelvergiftung eingefangen, und wir haben versprochen, heute Mr. Dunwoodys Werkstatt zu observieren, weil dort in letzter Zeit mehrmals eingebrochen und randaliert worden ist.“

Bree sprang beinahe vom Stuhl auf. Da sie den Abend eh ruiniert hatte, war es wahrscheinlich das Beste zu gehen.

Als Tanner seine Familie umarmte, fing Cassandra Bree an der Tür ab. „Hör zu. Ich hasse es, wenn mein Mann recht hat, aber er meinte, ich hätte dich überrumpelt. Das war ungerecht.“

„Ich halte es wirklich für eine exzellente Idee, ich bin nur keine gute Lehrerin. Du findest bestimmt jemand Besseres.“

Cassandra lächelte. „Das denke ich nicht. Tanner meint, du seist ein Genie, und das würde er nicht einfach so sagen.“

Bree zuckte mit den Schultern.

Cassandra drückte ihre Hand. „Denk einfach mal darüber nach. Was du kannst, könnte einen riesigen Unterschied für diese Frauen bedeuten. Nicht nur, weil du ihnen etwas beibringen kannst, sondern weil du Ähnliches durchgemacht hast.“

9. KAPITEL

Tanner wachte am nächsten Nachmittag auf und fühlte sich viel besser, nachdem er ein paar Stunden geschlafen hatte.

Er hatte nämlich bis vier Uhr morgens vor Dunwoodys Werkstatt ausgeharrt. Nichts, aber auch gar nichts war passiert, und trotz mehrerer Tassen Kaffee war Tanner in seinem Auto vor Erschöpfung eingeschlafen, weil er extrem übermüdet war, seit Bree bei ihm auf der Ranch wohnte. Schließlich hatte er aufgegeben und war nach Hause gefahren.

Autor

Janie Crouch

Janie Crouch ist USA Today Bestsellerautorin und mehrfach presigekrönt. Sie schreibt das, was sie selbst am liebsten liest: leidenschaftliche und spannende Romane. Sie kommt aus Virginia (USA), hat aber die letzten fünf Jahre in Deutschland verbracht, wo ihr Mann arbeitet. Janie mag es, sich in Abenteuer jeder Art zu stürzen...

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