Baccara Spezial Band 5

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GEFÄHRLICHE KÜSSE IN MEXIKO von ELLE JAMES

Entspannung pur in Mexiko - das war Duff Callaways Plan. Aber dann kreuzt die hinreißende Natalie seinen Weg zum Pool. Plötzlich wird der Urlaub für den Navy SEAL sexy - und gefährlich! Denn Duff muss sie retten, als man versucht, Natalie bei einem Tauchausflug zu verschleppen …

IM SCHATTEN DEINER ANGST von CYNTHIA EDEN

"Ich bin unschuldig!" Voller Angst vor einer Mordanklage wendet Scarlett sich an Privatdetektiv Grant McGuire. Vor zehn Jahren hat der coole Army-Mann ihr das Herz gebrochen. Jetzt ist er der Einzige, der ihre Unschuld beweisen kann. Und ihr Herz wieder heilen …

GERETTET VON DEM SEXY SEAL von TAWNY WEBER

Ein Schuss, überall Blut - in einem Hotel wird Lila Zeugin eines Mordes. Verstört flieht sie an den Strand, wo sie einem attraktiven Fremden begegnet. Er begleitet sie zurück an den Tatort, doch der ist makellos! Eine gefährliche Suche nach der Wahrheit beginnt für sie beide …


  • Erscheinungstag 24.04.2020
  • Bandnummer 5
  • ISBN / Artikelnummer 9783733729264
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Elle James, Cynthia Eden, Tawny Weber

BACCARA SPEZIAL BAND 5

ELLE JAMES

Gefährliche Küsse in Mexiko

Außer sich vor Sorge fliegt Natalie nach Mexiko: Seit einem Tauchausflug ist ihre Schwester spurlos verschwunden. Als sie genau wie Melody eine Tauchexkursion macht, passiert es: Unter Wasser wird sie attackiert – und von einem ebenso mutigen wie attraktiven Mann gerettet. Plötzlich ist SEAL Duff Callaway ihre einzige Hoffnung, Melody lebend zu finden …

CYNTHIA EDEN

Im Schatten deiner Angst

„Wenn du mich jemals brauchst, bin ich für dich da.“ Grant weiß, was er Scarlett antut, als er mit ihr Schluss macht. Aber sein Leben ist nun mal die Army. Zehn Jahre später betritt Scarlett seine Privatdetektei: Sie steht unter Mordverdacht! Grant muss sein Versprechen halten. Was viel weiter führt als nur dazu, Scarletts Unschuld zu beweisen …

TAWNY WEBER

Gerettet von dem sexy SEAL

Die nackte Angst steht in Lila Adrians Augen! Ex-SEAL Travis ist alarmiert. Offenbar hat die sexy Blondine in einem Restaurant einen Mord beobachtet, die gnadenlose Hinrichtung eines Kochs. Travis‘ Beschützerinstinkt ist geweckt. Und schon kurz darauf muss er die schöne Zeugin vor der Rache eines skrupellosen Verbrecherrings in Costa Rica bewahren …

1. KAPITEL

„Was für ein Leben.“ Dutton „Duff“ Calloway streckte sich auf der Liege am Pool aus und schloss die Augen.

Sawyer reichte ihm einen mit Obst garnierten Cocktail, bevor er sich auf die Liege daneben setzte. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir alle vier gleichzeitig Urlaub bekommen haben.“ Er zog das bunte Papierschirmchen aus einem Stück Ananas in seinem Drink.

Duff stürzte gierig ein Drittel des Cocktails hinunter. Normalerweise bevorzugte er eisgekühltes Bier. Doch das Gemisch aus Orangensaft, Ananas und was immer noch darin sein mochte, war erfrischend und ließ ihn ein wenig mehr entspannen, so wie er es sich von der Zeit in Cancún erhofft hatte. „Freu dich darüber und hinterfrag es nicht.“ Er beschattete seine Augen mit einer Hand und spähte durch die Palmen zum Strand. „Wo sind Quentin und Montana hin?“

„Sie haben irgendwas davon gesagt, dass sie sich für einen Tauchausflug morgen anmelden wollen. Also habe ich sie gebeten, uns auch auf die Liste zu setzen.“

Duff schloss die Augen und sog die warmen Sonnenstrahlen in sich auf. „Klingt gut. Nach diesem Einsatz bei dem Terroristen-Ausbildungslager in Honduras genieße ich es, einmal andere die Arbeit machen zu lassen.“

Sawyer verschränkte die Hände hinter dem Kopf und grinste. „Ja. Was für ein Leben.“

Auch Duff musste grinsen. „Keine Befehle, keine Waffen, keine Terroristen. Nur meine Freunde und das …“ Er hob den Cocktail. „Fehlt nur noch ein kaltes Bier.“

„Und Frauen“, fügte Sawyer hinzu.

Duff nickte schweigend. Wie lange war es her, dass er mit einer Frau zusammen gewesen war? Er seufzte. Zu lange auf jeden Fall.

Das Kichern weiblicher Stimmen wehte vom gegenüberliegenden Ende des Pools herüber.

Sawyer hob den Kopf. „Wenn man vom Teufel spricht.“

Die Gruppe schnatternder Mädchen war im College-Alter, alle geschminkt und in Bikinis, bewaffnet mit großen Strandtaschen.

Duff seufzte. „Zu jung.“

„Was ist mit ihr?“ Sawyer deutete mit dem Kopf auf eine Frau, die gerade aus dem Hotel kam. Sie trug einen schwarzen Badeanzug mit einem tiefen V-Ausschnitt, der bis zum Bauchnabel reichte. Das blonde Haar fiel ihr auf die Schultern. An der Tür blieb sie kurz stehen und setzte eine Sonnenbrille auf. Dann lief sie barfuß über den Beton, die Zehennägel ihrer nackten Füße schimmerten in einem knalligen Rot.

Duff gelang es nicht, den Blick von ihr abzuwenden, und sein Puls beschleunigte sich. Sie konnte nicht viel älter sein als die College-Mädchen, doch sie bewegte sich wie ein Model. Als sie an Duff und Sawyer vorbeiging, klappte Duff die Kinnlade runter.

Vom Liegestuhl neben ihm ertönte ein leiser Pfiff, mit dem Sawyer ihm aus der Seele sprach.

Der Badeanzug der Frau war hinten tief ausgeschnitten, kaum mehr als ein String und entblößte einen knackigen Po.

Neben ihm erklang ein leises Lachen. „Das interpretiere ich als ein Ja. Und wenn du dich nicht an sie ranmachst, gehört sie mir“, meinte Sawyer.

„Wer redet denn von ranmachen?“

„Nicht interessiert?“ Sawyer schwang die Beine über den Rand des Liegestuhls und stand auf. „Du magst vielleicht den ganzen Tag in der Sonne liegen wollen und Cocktails trinken …“ Er hob die Hände. „Und daran ist nichts auszusetzen. Aber ich brauche eine Frau, die nachts meinen Namen schreit. Und sie könnte genau die Richtige sein.“ Sawyer legte zwei Finger an die Stirn und salutierte. „Bis später.“

„Viel Glück.“ Duff lehnte sich zurück und schloss die Augen. Wenn er nur nicht so erschöpft wäre, würde er Sawyer an den Strand folgen und ihm zeigen, was eine Harke ist.

Gähnend stellte er seinen Cocktail neben sich auf dem Tisch ab. Später.

Außerdem hatte er Urlaub, und Frauen konnten äußerst anstrengend sein. Nach einem kleinen Schläfchen würde er die heiße Blondine vielleicht in ein Gespräch verwickeln.

Er streckte sich. Die Sonne wärmte seine Haut und war Balsam für seine Seele. Duff genoss diesen paradiesischen Ort ohne Schüsse und Explosionen.

Was für ein Leben.

Gerade als er langsam wegdöste, traf ihn etwas am Kopf.

Duff fuhr hoch und sah ein kleines Mädchen, das ihn ängstlich mit großen braunen Augen ansah. „Tut mir leid, Mister.“ Ihr Blick wanderte zu dem Strandball, der unter seine Liege rollte.

Lächelnd griff er nach dem Ball und gab ihn dem Mädchen zurück.

„Danke.“ Sie rannte zurück zum Poolrand, wo ein Mädchen und zwei Jungen, die aussahen wie ihre Geschwister, auf sie warteten. Keins der Kinder war älter als zehn.

„Wer zuerst im Wasser ist“, rief der Älteste. Die Mädchen kreischten, und alle vier Kinder sprangen hinein, sodass Duff von oben bis unten nass wurde.

Als sie wieder auftauchten, plapperten und kreischten sie aufgeregt.

Statt sich über den missglückten Mittagsschlaf zu ärgern, stand er auf und folgte Sawyer an den Strand. Wenn er schon wach war, konnte er ebenso gut das Beste daraus machen. Sicher hatte sein Freund die Blondine schon angesprochen, und Duff wollte sie fragen, ob sie Lust auf einen Drink hatte.

Das Schlimmste, was passieren konnte, war, dass er eine Abfuhr von dieser atemberaubenden Frau kassierte.

Natalie Layne betrat den Strand von Cancún und grub die Zehen in den warmen weißen Sand. Sie war den Spuren ihrer Schwester gefolgt. Melody war vor einer Woche mit ihren Kappa-Delta-Verbindungsschwestern hier angekommen. Sechs junge Frauen, die sich ein bisschen amüsieren wollten. Als Melodys einzige lebende Verwandte hatte Natalie ihre Schwester gebeten, sich jeden Tag zu melden. Und Melody war ihrer Bitte nachgekommen und hatte jeden Tag eine SMS geschickt. Bis zum vierten Tag.

Erst spät am Abend hatte das Telefon geklingelt. Am anderen Ende der Leitung ertönte eine Stimme mit schwerem Akzent. „Wir müssen ihnen leider mitteilen, dass ihre Schwester Melody gegen drei Uhr bei einem Tauchausflug verschwunden ist.“

Vor zwei Jahren hatte sie bei einer Massenkarambolage auf der Interstate 10 schon ihre Eltern verloren. Nun weigerte Natalie sich zu begreifen, was der Mann sagte.

Ihre Schwester? Verschwunden?

Nach dem Tod ihrer Eltern hatte Natalie ihren ebenso aufregenden wie einträglichen Job als Geheimagentin an den Nagel gehängt und war nach New Orleans zurückgekehrt, um sich um ihre Schwester zu kümmern, bis diese die Schule abgeschlossen hatte.

Und jetzt das.

Natalie hatte sich die Informationen des Polizisten aus Cancún notiert und aufgelegt. Wie betäubt hatte sie ihren Computer aufgeklappt. Es hatte ihr von Anfang an nicht gefallen, dass ihre Schwester allein nach Mexiko reisen wollte. Doch sie war volljährig und brauchte das Einverständnis ihrer Schwester nicht mehr.

Nur wenige Minuten nachdem sie den Anruf erhalten hatte, wählte sie die Nummer ihres ehemaligen Arbeitgebers Royce Fontaine.

Es gab niemanden, der ihr besser helfen konnte als der Chef der Stealth Operations Specialists, kurz S.O.S., einer Behörde für verdeckte Ermittlungen.

„Natalie, willst du endlich wieder für uns arbeiten?“ Er lachte leise. „Wird dir das Leben als Reisejournalistin langweilig?“

„Royce, ich brauche eure Hilfe.“

Sein Lachen verstummte. „Was immer es ist, wir sind für dich da.“

Sie erklärte die Situation und ließ ihm Zeit, die Informationen zu verarbeiten.

„Ich frage mal nach, ob es in der Gegend in letzter Zeit Fälle von vermissten Frauen gegeben hat“, erwiderte Royce. „Dein Misstrauen ist berechtigt.“

„Sag mir Bescheid, wenn du etwas herausfindest. Ich mache mich inzwischen auf den Weg nach Cancún.“

„Mach ich“, sagte Royce. „Ich schicke Lance Johnson mit der nötigen Ausrüstung im Privatjet runter, um dich zu verkabeln, damit wir dich finden, wenn du in Schwierigkeiten gerätst.“

„Danke, Royce. Ich wusste, ich kann auf dich zählen.“

„Jederzeit. Eigentlich sollte Lance morgen eine andere Mission übernehmen, aber darum kann ich mich auch selbst kümmern.“

„Tut mir leid, wenn ich euch Umstände bereite …“

„Nat, es geht um deine Schwester. Die Familie geht vor. Deshalb schicke ich Lance. Er ist technisch genauso versiert wie Geek, aber falls du Verstärkung brauchst, ist er die bessere Wahl.“

„Gut.“ Natalie war in Gedanken schon fünf Schritte voraus und überlegte fieberhaft, was sie vor ihrer Abreise nach Mexiko noch alles erledigen musste.

„Hör zu, warum fliegst du nicht mit Lance zusammen in unserem Jet? Das spart dir Zeit und Geld.“

„Ich weiß nicht. Ich habe das Gefühl, es ist besser, wenn ich undercover ermittle. Vielleicht bekomme ich so mehr Antworten.“

„Na schön. Aber mit unserem Jet bist du schneller. Lance kann dich an einem anderen Flughafen absetzen, dann kommt ihr getrennt an.“

„Einverstanden.“

Während Natalie für Cancún packte, suchte sie in Melodys Nachrichten und Fotos nach Hinweisen. Im Kopf spielte sie diverse Szenarien durch, die ihrer Schwester zugestoßen sein könnten, eins schlimmer als das andere.

Als ihr Handy klingelte, war sie so in ihre Gedanken versunken, dass sie erschrak.

„Ich fürchte, ich habe keine guten Neuigkeiten“, sagte Royce ohne Begrüßung.

Natalie sank das Herz. „Was hast du herausgefunden?“

„In den letzten beiden Tagen sind in Cancún drei Frauen verschwunden, alle unter fünfundzwanzig.“

„Warum war das nicht in den Nachrichten?“

„Alle drei stammen aus verschiedenen Ländern – Schweden, Australien und jetzt USA. Für jedes einzelne Land sah es aus wie ein einmaliger Zwischenfall. Die mexikanische Regierung hat offiziell keinen Zusammenhang hergestellt. Mein Kontakt in Cancún sagt, man will die Sache runterspielen.“

Natalie packte die Wut. „Drei Frauen? Alle sind beim Tauchen verschwunden?“

„Zwei beim Tauchen. Die dritte ist angeblich in einen verlassenen Schacht bei den Maya-Ruinen von Chichén Itzá gestürzt. Das liegt etwa eine Stunde von Cancún entfernt.“

Natalie konnte nicht glauben, dass man die Suche so leicht aufgegeben hatte. Andererseits hatte die mexikanische Polizei genug andere Sorgen und stand möglicherweise unter der Fuchtel des dortigen Drogenkartells. Vielleicht hatte sie gar kein Interesse daran, die Frauen zu finden. „Hat man überhaupt versucht, sie zu finden?“

„Mein Kontakt sagt, man hat die Suche bei Einbruch der Dunkelheit eingestellt. Falls du hinfährst …“

„Nicht falls“, unterbrach ihn Natalie. „Ich fahre auf jeden Fall.“

„Natürlich“, fuhr Royce fort. „Hast du noch die falschen Pässe?“

„Hab ich.“

„Nimm einen ausländischen, aber nicht Schweden oder Australien. Und bleib blond. Die anderen drei Frauen waren alle blond.“

„Gut zu wissen.“

„Ich habe Geek ihren familiären Hintergrund überprüfen lassen. Sie stammen alle aus Familien, die keine Mittel haben, um ein Lösegeld zu zahlen, und schon gar nicht, um lange Prozesse zu führen oder Privatdetektive zu engagieren, die nach ihren Töchtern suchen.“

Natalie knirschte mit den Zähnen. Die Frauen waren ausgewählt worden, weil sie blond und jung waren und von ihren Familien keine finanzielle Unterstützung erwarten konnten.

„Du glaubst also nicht, dass sie entführt wurden, um Lösegeld zu fordern.“

„Nein.“ Sein Tonfall sagte alles.

Falls die Frauen entführt worden waren, konnte man mit dem oder den Kidnappern nicht verhandeln. Sie würden die Mädchen verkaufen oder unter Drogen setzen und zur Prostitution zwingen.

Natalie zwang sich, einen kühlen Kopf zu bewahren. „Je eher wir sie finden, desto besser.“

„Genau.“ Royce versorgte sie mit den nötigen Informationen für das Treffen mit Lance am Flughafen von New Orleans am nächsten Morgen.

Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, sah sie ihre alten Pässe durch. In ihrem alten Leben als Geheimagentin waren sie unentbehrlich gewesen, um durch die Welt zu reisen, ohne Verdacht zu erregen. Zum Glück hatte sie damals dem Impuls widerstanden, sie zu vernichten.

Sie nahm den britischen Pass und betrachtete das Bild. Auf dem Foto trug sie ihre Haare kürzer. Es war vor drei Jahren aufgenommen worden, als sie noch aktive Agentin gewesen war.

Unter ihrem britischen Decknamen Natalia Scranton, dreiundzwanzig Jahre alt, reservierte sie ein Zimmer im selben Hotel, in dem Melody und ihre Freundinnen Urlaub machten.

An Schlaf war nicht zu denken, doch sie versuchte es trotzdem. Das Handy lag neben ihr auf dem Kissen, für den Fall, dass Melody sich wie durch ein Wunder melden sollte.

Am nächsten Tag hatte sie sich mit Lance am Flughafen getroffen und den Privatjet der S.O.S. bestiegen. Nachdem sie gestartet waren, kam Lance mit einer Spritze auf sie zu.

Natalie hob eine Hand. „Stopp.“

„Du brauchst einen Peilsender. Falls der Entführer der Mädchen dich in die Hände bekommt, müssen wir dich verfolgen können.“

„Ja, aber warum die Spritze? Kann ich den Sender nicht in meine Tasche stecken?“

„Das würde funktionieren, wenn du Taschen hättest. Aber ich vermute mal, dass du eher im Badeanzug rumläufst.“

Natalie runzelte die Stirn. „Mir gefällt der Gedanke nicht, rund um die Uhr überwacht zu werden.“

„In diesem Fall ist es zu deinem Schutz.“

„Okay, aber mach es so, dass ich den Sender jederzeit entfernen kann.“

„Klar. Wo hättest du ihn denn gern?“

„Zwischen den Zehen.“ Sie hob den Saum ihres Sommerkleids und streckte das Bein aus.

Lance injizierte den Mikrochip und setzte sich mit einem Handgerät auf seinen Platz. Er schaltete es ein und wartete. „Da.“ Er zeigte auf den Punkt auf dem Bildschirm. „Da bist du. Egal ob du jetzt schwimmen, tauchen oder duschen gehst, wir können dich finden.“

Natalie schnaubte. „Schön zu wissen, dass ich unter der Dusche Gesellschaft habe.“

Lance grinste und öffnete einen Aluminiumkoffer. Daraus holte er etwas hervor, das aussah wie ein Hörgerät, und gab es ihr. „Weißt du noch, wie die funktionieren?“

„Ja, ja. Kommen wir zu den schönen Dingen.“ Sie beugte sich über den Koffer und nahm eine Kaliber 40 H&K-Pistole und mehrere Patronenschachteln heraus. „Eigentlich bevorzuge ich Kaliber 45 oder eine Neunmillimeter, aber die hier ist handlicher.“

„Eben.“ Er reichte ihr ein Set mit Wurfmessern, ähnlich denen, die sie zu Hause in New Orleans sicher in ihrem Safe verwahrte.

Melody hatte keine Ahnung, wie Natalies Leben ausgesehen hatte, bevor sie nach dem Tod ihrer Eltern nach New Orleans zurückgekehrt war. Ihre Schwester dachte, sie hätte in Washington einen langweiligen Bürojob aufgegeben.

Bis an die Zähne bewaffnet war Natalie im Hotel angekommen und spielte die junge Frau, die Urlaub in der Sonne machen wollte.

Sie begrüßte die Angestellte am Empfang mit einem englischen Akzent, den sie sich einmal für eine Mission in Oxford angeeignet hatte. Sie bat um ein Zimmer in dem Stockwerk, in dem auch die drei College-Freundinnen ihrer Schwester untergebracht waren.

Nachdem sie ihren Koffer ausgepackt und die Waffen im Safe verstaut hatte, zog sie ihr Sommerkleid aus und den knappen Badeanzug an. Dann schnappte sie sich ein Strandtuch und ihre Sonnenbrille und ging nach unten. Sie durchquerte die Lobby und lief am Pool vorbei, wobei sie alle musterte, denen sie begegnete, und sich fragte, ob sie etwas mit dem Verschwinden ihrer Schwester zu tun haben könnten. Keine der jungen Frauen ähnelte denen auf Melodys Selfies.

Als sie an den Strand kam, hisste gerade jemand die rote Flagge, die signalisierte, dass es gefährlich war zu baden.

Mütter scheuchten ihre Kinder aus dem Wasser, Teenager schlurften maulend durch die Brandung an Land. Eine Gruppe junger Frauen in bunten Bikinis stand bis zur Hüfte im Wasser und fotografierte sich gegenseitig. Der Mann, der die Flagge gehisst hatte, winkte ihnen und rief, dass sie wegen der Strömung rauskommen sollten.

Natalie sah den weißen Strand hinunter, dankbar für ihre Sonnenbrille. Neben ihr knirschte der Sand, und ein Schatten streifte ihr Gesicht.

Sie erstarrte.

„Suchen Sie jemanden?“, fragte eine tiefe männliche Stimme.

Sie gehörte einem Mann, der lediglich eine schwarze Badehose und ein Lächeln trug. Und das reichte vollkommen. Sein tätowierter Körper war atemberaubend, seine weißen Zähne leuchteten im Kontrast zu seiner sonnengebräunten Haut. Obendrein hatte der Fremde dunkles Haar, dunkle Augen und ein freundliches Gesicht.

„Nicht speziell“, antwortete sie, ohne den britischen Akzent zu vergessen, und wandte sich gleich wieder ab.

„Ich bin Sawyer“, sagte er. „Meine Freunde und ich sind heute angekommen.“

„Wie schön.“ So attraktiv und muskulös der Mann auch sein mochte, er gehörte nicht zu Natalies Plan. Sie war wegen ihrer Schwester hier, nicht um mit einem heißen Typen in Badehose zu flirten.

„Schwirr ab, Sawyer“, sagte eine andere Stimme hinter Natalie, und als sie sich umdrehte, sah sie einen noch größeren Mann mit pechschwarzem Haar und einem Kinn, das aussah, als könnte er damit Nüsse knacken.

Sie zog die Sonnenbrille ein Stück herunter, weil sie neugierig war, welche Farbe seine Augen hatten. Als ihre Blicke sich trafen, flatterte ihr Herz. Das tiefe Grün, in das sie schaute, verschlug ihr fast den Atem.

„Verzeihen Sie“, sagte er. „Es ist eine Weile her, seit wir in Gesellschaft einer so schönen Frau waren.“

Ein Schrei ertönte. Seine grünen Augen ließen von Natalie ab und richteten sich auf zwei entfernte Umrisse im Wasser, die zu weit draußen schwammen. Beides schienen Frauen zu sein, eine näher am Ufer als die andere. Die Frau, die weiter draußen war, schien, obwohl sie Richtung Land schwamm, immer weiter abzutreiben.

Der Mann mit den grünen Augen ließ Natalie stehen und joggte Richtung Wasser. Der Typ namens Sawyer heftete sich dicht an seine Fersen, und Natalie eilte ihnen nach.

„Sieht aus, als würde die Strömung sie abtreiben“, sagte Sawyer.

Sein Freund antwortete nicht, sondern rannte mit unverminderter Geschwindigkeit Richtung Wasser. Er lief bis zu den Knien hinein und sprang dann in die Wellen.

Sawyer folgte ihm.

Obwohl sie starke Schwimmer waren, hatten auch sie Mühe, gegen die Strömung anzukommen.

Sawyer machte bei der ersten Frau Halt, während sein Freund zu der anderen weiterschwamm.

Ein Teenager beobachtete das Ganze vom Strand aus, ein Surfbrett unter dem Arm. Als Natalie ihn entdeckte, änderte sie ihre Richtung und rannte auf ihn zu. „Darf ich mir das mal ausleihen?“

Er gab es ihr, ohne Fragen zu stellen.

Mit dem Surfbrett unter dem Arm lief Natalie weiter auf das Wasser zu.

Als sie sich auf das Brett schwang, war Sawyer mit dem ersten Mädchen schon auf dem Weg zurück an Land. Sein Freund hatte das andere Mädchen inzwischen erreicht.

Die arme Frau war so verängstigt, dass sie sich an ihm festklammerte. Er versuchte, sich aus ihren Fängen zu befreien, doch je energischer er das tat, desto mehr geriet sie in Panik.

Dann verschwand er im Meer.

Die Frau, die sich an ihm festklammerte, ging mit ihm unter, ließ ihn jedoch sofort los und kämpfte sich zurück an die Oberfläche.

Natalie paddelte schneller und suchte das Wasser nach dem verschwundenen Mann ab. Tauch auf, betete sie. Tauch auf!

2. KAPITEL

Duff hätte lieber bei den Kindern am Pool bleiben sollen. Jetzt schwamm er mitten im Meer, bei gefährlicher Strömung, und eine hysterische Frau klammerte sich an ihm fest.

So viel zur Erholung.

Als er genug davon hatte, Wasser in die Nase zu bekommen, tauchte er unter. Die Frau, die sich an ihn geklammert hatte, ließ von ihm ab und kämpfte sich zurück an die Oberfläche. Sie schlug um sich, ihre Kräfte schwanden.

Er packte sie an den Knöcheln und zog sie nach unten, ließ sich nach oben gleiten und legte von hinten einen Arm über ihre Schulter und quer über ihren Bauch. Dann tauchte er auf und lehnte sie zurück, sodass sie in den Himmel sah. Sie strampelte mit Armen und Beinen wie ein kleiner Hund, der schwimmen lernt.

„Verdammt, Mädchen, hör auf zu zappeln“, schimpfte Duff.

„Interessante Methode, ein verängstigtes Opfer zu beruhigen“, sagte eine weibliche Stimme hinter ihm. Als er über seine Schulter sah, blickte er in die blauen Augen der Frau im schwarzen Badeanzug, die nun auf einem Surfbrett saß. „Was tun Sie denn hier?“, wollte Duff wissen. „Haben Sie die rote Flagge nicht gesehen?“

„Doch. Aber ich dachte, Sie brauchen vielleicht noch mehr als ihre starken Muskeln, um die Frau an Land zu bringen. Die Strömung ist zu stark, um das allein zu schaffen.“

Duff hielt sich mit einem Arm über Wasser, während er mit dem anderen die Frau festhielt.

„Wie heißt du?“, fragte die schöne Blondine auf dem Surfbrett die Frau in Duffs Arm.

„Lisa“, antwortete diese schwach.

„Ich wette, du bist erschöpft.“

Lisa nickte.

„Ich heiße Natalia“, sagte die Blondine. „Und das ist …?“ Sie zog die Augen hoch und bedachte Duff mit einem fragenden Blick.

„Duff“, sagte er.

„Und da kommt auch der Rettungsschwimmer.“ Natalia blickte hinter sich, und Duff erkannte in der Ferne einen jungen Mann, fast noch ein Teenager, der auf einem Surfbrett angepaddelt kam.

„Lisa, willst du mit mir oder dem Rettungsschwimmer zurück an Land?“

Lisa schluckte und erwiderte: „Mit dir.“

Natalia nickte. „Gut. Ich glaube, Duff kann dir helfen, auf das Board zu klettern. Was hältst du davon?“

Lisa nickte, doch ihre Hände umklammerten Duffs Arm noch fester.

Natalia streckte eine Hand aus und lächelte ermutigend. „Nimm meine Hand, Lisa. Duff hilft dir aufzusteigen und bleibt die ganze Zeit hinter dir. Stimmt’s?“, wandte sie sich an ihn.

„So ist es.“ Zusammen hievten sie die Frau auf das Board.

Er brauchte einen Moment, bis er wieder normal atmen und sie zurückschwimmen konnten.

Natalia wies die Frau an, sich auf den Bauch zu legen, dann legte sie sich auf den Rücken der Frau und fing an zu paddeln. „Paddeln, Lisa. Je mehr du paddelst, desto schneller sind wir an Land.“

Lisa schlug schwach mit den Armen, das Gesicht zum Strand gewandt. Duff schwamm hinter ihnen und schob das Surfbrett. Zu dritt, und mit dem Rettungsschwimmer im Schlepptau, schafften sie es schließlich zurück zum Strand. Eine Gruppe junger Frauen kam ihnen entgegen, half Lisa aus dem Wasser und überschüttete sie mit Umarmungen.

Duff stand neben Natalia, die das Surfbrett in den Sand rammte. „Danke.“

Sie antwortete mit ihrem bezaubernden englischen Akzent: „Gern geschehen.“

Er streckte die Hand aus. „Nun noch einmal in Ruhe: Ich heiße Duff.“

Natalia zögerte kurz, dann gab sie ihm die Hand. „Ich bin Natalia. Lisa hat Glück gehabt, dass du zufällig am Strand warst.“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich bin froh, dass ich helfen konnte. Hör mal, ich weiß, wir hatten einen holprigen Start, aber darf ich dich heute Abend zum Essen einladen?“

„Nein, danke“, entgegnete sie, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Duff!“ Sawyer kam auf sie zu, den Arm um eine Frau gelegt, die in ein Strandtuch gewickelt war. „Ich bin froh, dass du es an Land geschafft hast. Der Tauchausflug morgen würde ohne dich nur halb so viel Spaß machen.“

Er schnaubte. „Schön, dass du mich vermisst hast.“

Lisa löste sich aus der Gruppe ihrer Freundinnen und schlang die Arme um Duffs Hals. „Danke, dass Sie mir das Leben gerettet haben.“ Dann wandte sie sich an Natalia und nahm sie ebenfalls in den Arm. „Ihr beide seid meine Helden. Als wären die letzten Tage nicht schrecklich genug gewesen.“

Natalia drückte die Frau. „Was ist passiert?“

Lisa schüttelte den Kopf, und ihr traten Tränen in die Augen. „Ich habe eine meiner Schwestern verloren.“ Der Rest der jungen Frauen scharte sich um sie.

„Wie meinst du das?“, fragte Natalia.

Lisa schniefte. „Wir waren auf einem Tauchausflug. Sie war meine Tauchpartnerin. Ich war nur kurz abgelenkt, weil ich eine Muräne in den Korallen gesehen habe. Als ich mich wieder umgedreht habe, war Melody verschwunden.“

Natalia wurde blass.

„Wollen Sie damit sagen, sie wurde nicht gefunden?“, fragte Duff.

Lisa und ihre Freudinnen schüttelten einhellig die Köpfe.

Natalia ergriff Lisas Hände. „Was für ein furchtbares Erlebnis. Hat der Tauchlehrer nach ihr gesucht?“

Eine Brünette im rosafarbenen Bikini nickte. „Zwei Stunden.“

Eine Blondine ergänzte: „Er hat sogar die Küstenwache verständigt.“

„Aber die haben sie auch nicht gefunden.“ Lisa schniefte erneut. „Keine Ahnung, warum wir heute an den Strand gekommen sind. Ich glaube, ich werde nie wieder ins Wasser gehen.“

Die junge Dame in Sawyers Arm löste sich von ihm und legte einen Arm um Lisa. „Wir können Cancún erst verlassen, wenn unsere planmäßigen Flüge gehen. Lisa und ich dachten, wir sehen uns im Wasser mal um, auch wenn Melody ein ganzes Stück von hier entfernt verschwunden ist. Irgendwie hatten wir gehofft, die Strömung würde sie zurückbringen. Deshalb waren wir so weit draußen.“

„Das war dumm“, gab Lisa zu.

„Wenigstens ist euch nichts passiert“, meinte Duff.

Natalia nickte. „Ihr solltet auf euer Zimmer gehen und euch ausruhen.“

Lisa und ihre Freundinnen dankten ihnen erneut und verließen den Strand in Richtung Hotel.

„Wow, armes Ding“, sagte Sawyer. „Innerhalb von zwei Tagen erst die Freundin und dann fast das eigene Leben verloren. Urlaub stell ich mir anders vor.“

„Wenn ihr mich bitte entschuldigt, ich glaube, ich lege mich auch ein bisschen hin“, sagte Natalia.

„Wenn ich dich später schon nicht zum Essen einladen darf, dann vielleicht wenigstens auf einen Drink“, versuchte Duff es erneut.

Sie unterdrückte ein Lächeln. „Wir werden sehen.“

Er sah der atemberaubenden Blondine im schwarzen Badeanzug nach. Stark und schön. Welche andere Frau wäre ihm in so einer gefährlichen Situation zu Hilfe gekommen?

Sawyer machte mit der Hand eine Tauchbewegung und ahmte den Knall einer Explosion nach. „Hast du etwa einen Korb bekommen?“

Duff nickte, während sein Blick noch Natalias Hüftschwung folgte. „Aber der Kampf ist noch nicht verloren.“

Natalie hatte es eilig, ins Hotel zurückzukommen. Sie war froh, dass es den beiden muskulösen Männern gelungen war, Lisa und ihre Freundin vor der starken Strömung zu retten. Zudem freute sie sich, dass sie mit den jungen Frauen ins Gespräch gekommen war, ohne Verdacht zu erregen. Beim Abendessen oder später an der Bar würde sie noch einmal zu ihnen gehen. Vielleicht hatte eine von ihnen, ohne es zu ahnen, etwas gesehen, das ihr einen Hinweis auf Melodys Verbleib liefern würde.

Tief in ihrem Innern glaubte Natalie, dass ihre Schwester lebte.

An der Rezeption erkundigte sie sich nach Tauchfahrten für den folgenden Tag. Sie ließ sich von einer Frau namens Maria Sanchez alle Optionen und Anbieter aufzählen. Als sie Scuba Cancún nicht erwähnte, erkundigte Natalie sich danach.

„Freunde von mir waren letzten Monat hier und haben mir Scuba Cancún empfohlen.“ Natalie blinzelte unschuldig, dabei hätte sie der bezaubernden Maria am liebsten die Mappe aus der Hand gerissen und selbst nachgesehen.

„Ja, wir haben auch Scuba Cancún im Angebot, aber als ich das letzte Mal nachgesehen habe, war für morgen alles ausgebucht. Ich sehe mal nach, ob jemand abgesagt hat.“ Sie tippte etwas in die Tastatur ihres Rechners und starrte mit gerunzelter Stirn auf den Bildschirm. Dann glätteten sich ihre Züge, und sie strahlte Natalie an. „Sie haben Glück. Für morgen früh ist noch ein Platz frei. Soll ich den für Sie reservieren?“

Erleichtert stieß Natalie die Luft aus, die sie angehalten hatte, und nickte. „Ja, bitte.“

Hätte sie sich etwas davon versprochen, hätte sie Fragen gestellt und Antworten verlangt. Doch falls man Melody entführt hatte, um sie zur Prostitution zu zwingen, würde keiner der Beteiligten über das Verschwinden der College-Studentin reden wollen.

Nein, sie musste ihre Verbindung zu Melody geheim halten. Vielleicht halfen ihr blondes Haar und der britische Akzent, sie zum nächsten Zielobjekt zu machen. Der schnellste Weg, die Entführungsopfer zu finden, war, selbst eines zu werden.

Auf dem Weg nach oben zu ihrem Zimmer bemerkte sie die Kamera an der Decke des Fahrstuhls. Als sie in ihrem Stockwerk ausstieg, sah sie eines der Mädchen vom Strand ihr Zimmer aufschließen und eilte zu ihr. „Ich bin so froh, dass ich dich hier treffe. Ich bin Natalia, vom Strand.“ Sie streckte die Hand aus.

„Ach, ja. Danke, dass du meine Freundinnen gerettet hast.“ Sie gab Natalie die Hand. „Ich bin Kylie.“

„Geht es Lisa und eurer anderen Freundin gut?“, fragte Natalie.

Die hübsche Blondine lächelte und nickte. „Lisa und Jodie schlafen. Ihre Eltern konnten ihren Rückflug auf morgen früh umbuchen. Ich wünschte, wir könnten alle mit, aber der Flug ist ausgebucht.“

„Kommt ihr zum Abendessen? Meine Mitbewohnerin wollte eigentlich mit mir herreisen, aber ihre Tante ist gestorben, und sie musste in letzter Minute absagen. Ich würde mich freuen, wenn ich nicht allein essen muss.“

„Wir sind so gegen acht Uhr unten. Du kannst uns gern Gesellschaft leisten. Ich bin sicher, die anderen haben nichts dagegen.“

„Danke. Das freut mich.“ Natalie winkte. „Dann bis um acht.“ Sie drehte sich um und ging in ihr Zimmer, das direkt neben Kylies lag.

Als Erstes sah sie nach, ob auf dem Wegwerfhandy, das sie am Flughafen gekauft hatte, eine Nachricht von Lance eingegangen war. Und tatsächlich. Er war während ihres ereignisreichen Strandspaziergangs im Hotel eingetroffen und hatte ihr die Nummer seines Bungalows geschickt.

Da sie noch ein paar Stunden Zeit hatte, beschloss sie, bei ihm vorbeizuschauen.

Sie zog einen langen, fließenden Rock über ihren Badeanzug, setzte einen Schlapphut auf und verließ das Zimmer. Statt den Fahrstuhl zu nehmen, entschied sie sich für die Treppe. Auf ihrem Weg überprüfte sie, wo sich die Sicherheitskameras befanden. Sie fragte sich, ob es Lance gelungen war, sich in das Sicherheitssystem zu hacken, um das Material von vorletzter Nacht anzusehen.

So sorglos wie möglich, schlenderte sie den Kiesweg entlang, bis sie an dem richtigen Bungalow vorbeikam. Mit einem schnellen Blick vergewisserte sie sich, dass niemand in der Nähe war, und klopfte leise.

Kurz darauf öffnete Lance die Tür, und Natalie schlüpfte hinein. „Hast du dich in die Polizeidateien eingehackt?“

„Ich würde gern Ja sagen, aber ich habe mein System gerade erst eingerichtet. Und außerdem sind die örtlichen Behörden nicht sehr fortschrittlich. Ich bin nicht mal sicher, ob sie ihre Akten auf Computern gespeichert haben.“

„Was ist mit dem Sicherheitssystem des Hotels?“, fragte Natalie.

Lance ging zu dem kleinen Tisch an der Wand. „Daran arbeite ich gerade.“ Er setzte sich auf den Stuhl und klappte seinen Laptop auf. Auf dem Bildschirm sah man eine Landkarte von Cancún, die Hotelanlage und einen leuchtend grünen Punkt – Natalies Peilsender.

„Wenn du an die Aufnahmen der Sicherheitskameras im Hotel kommst, überprüfe, ob sich irgendwelche verdächtigen Gestalten Melody genähert haben. Royce hat dir doch ein Foto von Melody gegeben, oder?“

„Klar. Ich sag dir Bescheid, wenn ich auf etwas stoße.“

„Tust du mir noch einen Gefallen?“, fragte Natalie.

„Nämlich?“

„Ich habe heute am Strand ein paar Typen kennengelernt. Beide tätowiert und durchtrainiert. Kannst du die überprüfen? Ihrem Verhalten nach würde ich wetten, dass sie beim Militär sind. Sie haben behauptet, dass sie heute erst angekommen sind, aber das könnte gelogen sein. Beide haben mich angebaggert.“

Lance grinste. „Wenn der Rest des Badeanzugs auch so tief ausgeschnitten ist, wundert mich das nicht.“

Natalie runzelte die Stirn. „Finde heraus, wer sie sind und wann sie angekommen sind.“

„Klar.“

„Danke. Ich mach mich mal auf den Weg, damit ich rechtzeitig beim Abendessen bin. Falls du irgendetwas herausfindest, will ich es sofort erfahren.“

Lance salutierte. „Jawohl, Ma’am.“

Da ihr nur noch eine Stunde Zeit blieb, eilte Natalie zurück auf ihr Zimmer und stieg unter die Dusche. Nachdem sie das klebrige Salzwasser abgespült hatte, trocknete sie sich ab, föhnte sich die Haare und glättete sie, sodass sie aussah wie eins der Collegemädchen.

Dann trug sie eine Kombination aus blauem und dunkelgrauem Lidschatten auf sowie schwarzen Eyeliner und Mascara. Zufrieden mit dem Ergebnis, zog Natalie ein kurzes, blaues Kleid mit schmalen Spaghettiträgern an. Der Saum reichte ihr nur knapp über den Po und entblößte jeden Zentimeter ihrer langen Beine. Wegen der dünnen Träger konnte sie keinen BH darunter tragen, und alles andere als ein Stringtanga hätte sich unter dem eng anliegenden Stoff abgezeichnet.

Als sie in die silbernen Riemchensandaletten schlüpfte, fühlte sie sich so nackt, wie man in einem Kleid nur sein konnte. Sie steckte etwas Geld, ihren Pass und eines der Messer in das silberne Handtäschchen. Als Letztes schaltete sie den Ohrstöpsel ein und setzte ihn sich ins linke Ohr.

„Hey, Lance.“

„Ich bin hier, Süße.“

„Nenn mich nicht Süße.“

„Alles klar, Baby.“

Weil sie keine Lust auf Diskussionen hatte, ließ sie ihm die kleine Stichelei durchgehen. „Gibt’s was Neues?“

„Deine Typen sind zwei von vieren, die heute angekommen sind. Ich habe sie alle bis zu dem Flieger zurückverfolgt, mit dem sie gelandet sind. Dutton Calloway, Sawyer Houston, Benjamin Raines und Quentin Lovett. Ihr Flugzeug ist in New Orleans gestartet. Wahrscheinlich sauber.“

„Danke.“

„Soll ich noch tiefer graben?“

„Ja, nur für den Fall, dass sie die Käufer der gekidnappten Frauen sind.“

„Verstanden.“

„Und … Lance?“

„Ja, Baby?“

„Erinnere mich daran, dir später eine zu verpassen.“

Ein Lachen ertönte in ihrem Ohr.

„Mach ich.“

„Bis dahin rede nur mit mir, wenn ich dich zuerst anspreche oder du etwas Wichtiges herausfindest.“

Beim Essen herrschte gedrückte Stimmung. Melodys Freundinnen redeten nur gedämpft miteinander, und nach den Erlebnissen der vergangenen Tage wirkten sie alle in sich gekehrt.

„Lasst uns ein letztes Mal auf Melody anstoßen“, sagte Kylie schließlich. „Ein letzter Drink an der Bar, bevor Lisa und Jodie morgen früh abreisen.“

„Geht ruhig ohne mich. Mir ist nicht zum Feiern zumute“, sagte Jodie.

„Du musst mitkommen. Es wäre nicht dasselbe ohne dich.“ Lisa und Kylie hakten sich zu beiden Seiten bei ihr ein und zogen sie zur Bar, wo laute Reggae-Musik spielte, zu der schon einige Pärchen tanzten.

Natalie folgte den Mädchen zur Bar unter der strohbedeckten Cabana, die mit bunten Lichtern geschmückt war.

Sie bestellten Erdbeer-Margaritas und stellten sich an einen Tisch.

„Melodys Lieblingsdrink“, sagte Lisa mit brüchiger Stimme, als sie das Glas mit Zuckerrand erhob. „Auf Melody. Hoffentlich wird sie unversehrt gefunden und kommt bald wieder nach Hause.“

Kylies Augen füllten sich mit Tränen, als sie ihr Glas mit den anderen erhob.

Natalie kämpfte selbst mit den Tränen. „Auf Melody“, flüsterte sie. Ich werde dich finden und nach Hause bringen.

3. KAPITEL

Duff entdeckte sie sofort, als sie in die Bar kam.

Sie hatte die Gruppe junger Frauen vom Strand im Schlepptau. Sie bestellten Erdbeer-Margaritas mit Zuckerrand und bunten Papierschirmchen, dann erhoben sie wie auf Kommando alle gemeinsam ihr Glas.

Natalia nippte an dem süßen Drink und verzog das Gesicht.

Duff hätte fast gelacht. Ein Gefühl sagte ihm, dass sie nicht auf fruchtige Cocktails stand.

Sie stellte den Drink ab und sah sich um, als würde sie etwas oder jemanden suchen. Vielleicht jemanden, der sie vor diesem Drink rettete.

Er schlenderte zur Bar und bestellte zwei Bier. Dann stellte er sich hinter Natalia. „Suchst du jemanden?“

Sie drehte sich um und verzog den Mund zu einem Lächeln. „Eigentlich nicht.“

Duff nickte den anderen Frauen am Tisch zur Begrüßung zu, bevor er sich wieder Natalia zuwandte.

Sie starrte mit hochgezogenen Augenbrauen auf seine Hände. „Trinkst du zweihändig?“

„Nein, ich hatte gehofft, dass du Bier lieber magst als das süße Zeug.“

Sie streckte die Hand aus. „Ehrlich gesagt, hast du recht.“

„Gott sei Dank.“ Er reichte ihr eine der eiskalten Flaschen. „Ich hatte schon Angst, ich müsste beide trinken. Allein.“

„Freut mich, wenn ich helfen kann.“ Sie setzte die Flasche an die Lippen und trank einen großen Schluck, bevor sie Duff in die Augen sah. „Du lässt dich nicht so leicht abweisen.“

„Ich bin hartnäckig. Wenn ich etwas will, verfolge ich mein Ziel solange, bis ich es erreiche.“

Sie schnaubte leise. „Um den Preis zu gewinnen?“

„Eher um mich der Herausforderung zu stellen.“ Er hob seine Flasche und stieß sie gegen ihre. „Alles Wertvolle ist es wert, darum zu kämpfen.“

„Zum Beispiel?“

„Freiheit. Das Leben deiner Familie und Freunde …“ Er senkte die Stimme. „Die Liebe einer Frau …“

Sie blinzelte, und ihr Lächeln wurde breiter. „Wow, bist du immer so ein Charmeur?“

Duff grinste. „Hab ich aus einem Film. Ist das erste Mal, dass ich Gelegenheit hatte, es zu benutzen.“ Er stellte seine Flasche auf den Tisch, nahm Natalia ihre Flasche aus der Hand und stellte sie neben seine. „Komm. Lass uns tanzen.“ Er legte den Arm um ihre Taille.

Sie zögerte. „Und wenn ich nicht will?“

„Du willst“, sagte er. Dass sie ihn nicht sofort abblitzen ließ, gab ihm Hoffnung.

„Ganz schön eingebildet.“

„Nur, wenn ich mir meiner Sache sicher bin.“

Trotz seiner Arroganz – oder vielleicht gerade deshalb – ließ sie sich von ihm auf die Tanzfläche führen. Als eine schnellere Reggae-Nummer erklang, hörten einige der Paare auf zu tanzen.

Natalie neigte den Kopf zur Seite. „Tut mir leid, aber ich habe keine Ahnung, wie man zu so einer Musik tanzt. Ich habe zwei linke Füße.“

„Dann hast du nur noch nicht den richtigen Partner gehabt.“ Er drehte sie von sich weg, dann zog er sie in seine Arme, sodass ihr Rücken an seiner Brust lehnte und seine Lippen dicht an ihrem Ohr waren. „Entspann dich einfach. Die Arbeit mach ich.“

Die Wärme von Natalias Hand in seiner, und die Art, wie sie dieses unglaublich heiße blaue Kleid trug, brachte Duffs Blut in Wallung.

Er wirbelte sie unter seinem Arm hindurch, sodass sie ihm wieder gegenüberstand, bewegte die Hüften im Rhythmus, die Füße im Takt.

Je mehr er sich bewegte und dabei seine Hand an ihrem Rücken ruhen ließ, desto mehr entspannte sich ihr Körper, bis sie gegen Ende des Songs seine Schritte vorausahnte, als würden sie schon seit Jahren zusammen tanzen. Ihre langen Beine, ihr geschmeidiger, athletischer Körper fühlten sich genau richtig an in seinen Armen.

Als die Musik in einen langsamen, sinnlichen Rhythmus wechselte, zog Duff sie an sich.

Für einen kurzen Moment versteifte sich ihr Körper, doch dann schmiegte sie sich an ihn und legte ihre Hand an seine Brust. Man konnte sich an diese Frau gewöhnen.

„Also, was führt dich nach Cancún?“, fragte er, seine Lippen nah an ihrem Ohr.

Er zog sie fester an sich und legte die Wange an ihr Haar. „Tut mir leid. War meine Frage zu persönlich?“

Sie schaute zu ihm auf, als würde ihr in diesem Moment zum ersten Mal bewusst, dass sie mit ihm tanzte, und zog die Stirn kraus. „Was hast du gerade gefragt?“

Offenbar hatte sie ihm nicht zugehört. Das traf sein Ego. „Was führt dich nach Cancún?“

„Ich mache Urlaub“, sagte sie lächelnd.

„Allein?“, fragte er.

„Eigentlich war es nicht beabsichtigt, aber jetzt ist es so gekommen. Die Tante meiner Freundin ist gestorben, und sie musste in letzter Minute absagen, um auf die Beerdigung zu gehen.“

„Das tut mir leid für sie.“ Er zog Natalia an sich und bewegte sich im Takt der Musik, sodass ihre Hüften aneinander rieben. Seine Hose spannte sich, und er wünschte, sie wären irgendwo, wo es ungestörter war – zum Beispiel auf seinem Zimmer.

Natalia schmiegte sich an ihn und krallte die Finger in sein Hemd, sodass ihre Fingernägel über seine Brust kratzten.

Duff schluckte ein Stöhnen herunter.

Sie lächelte ihn an. „Was ist mit dir? Was führt dich nach Cancún?“

„Dasselbe. Urlaub. Lange überfällig.“

„Harter Job?“, fragte sie.

Er schnaubte. „Manchmal.“ Er redete nicht viel über seine Arbeit, außer mit seinen Kollegen vom Special Boat Team 22. Die meisten SEAL-Einsätze waren topsecret. Nur Personen, die für eine spezielle Mission befugt waren, erhielten Informationen darüber. Obwohl er den Drang verspürte, Natalia alles zu erzählen, konnte er das auf keinen Fall.

Die Musik verstummte, und sie löste sich von ihm. „Vielen Dank für den Tanz.“ Sie drehte sich um und wollte gehen, doch Duff nahm ihre Hand.

„Wirst du noch mal mit mir tanzen?“

Sie hob eine Schulter. „Vielleicht, aber jetzt will ich Zeit mit meinen neuen Freundinnen verbringen.“

Und das war’s. Natalia ging und ließ ihn mitten auf der Tanzfläche stehen.

Sie kehrte zu der Gruppe junger Frauen zurück, hielt sich jedoch am Rand und ließ ihren Blick immer wieder umherwandern.

Er runzelte die Stirn. Wonach suchte sie?

Eine Hand, die eine eisgekühlte Flasche hielt, berührte seinen Arm. „Du siehst aus, als könntest du eins gebrauchen.“

Sawyer reichte ihm das kalte Bier und nahm selbst einen Schluck von seinem. „Was ist passiert?“

„Was soll passiert sein?“ Duff setzte die Flasche an die Lippen und trank einen großen Schluck.

Sein Freund deutete mit dem Kopf auf Natalia, die mit einem anderen Mann auf die Tanzfläche kam.

Duff biss die Zähne zusammen.

„Hast du etwas gesagt, das sie verärgert hat?“, hakte Sawyer nach.

„Glaub nicht.“

Sawyer schüttelte den Kopf. „Das hat es noch nie gegeben. Ich kenne keine einzige Frau, die deinem unglaublichen Charme widerstehen kann.“

„Halt die Klappe.“

Sein Freund lächelte ihn unschuldig an. „Ich mein ja nur.“

Natalia hatte also kein Interesse. Er hätte die Sache vergessen und sich eine andere Frau suchen sollen. Leider fand er keine andere so anziehend wie Natalia.

Er beobachtete, wie sie noch mit ein paar weiteren Männern tanzte, bevor er genug hatte. „Ich geh ins Bett“, verkündete er.

„Ich auch.“ Montana stand auf, streckte sich und legte einen Arm um Duffs Schulter. „Um null achthundert geht’s tauchen.“

„Wird sicher lustig“, meinte Quentin.

„Was soll lustig daran sein, tauchen zu gehen, ohne irgendwas in die Luft zu jagen?“, fragte Sawyer.

Duff schüttelte den Kopf. „Wir sehen uns morgen.“

Sawyer beugte sich zu Quentin und Montana und sagte laut: „Er ist nur sauer, weil er bei der hübschen Blondine abgeblitzt ist.“

Montana lachte. „Meinst du? Duff gibt auf?“

Quentin schüttelte den Kopf. „Dass ich den Tag noch erlebe.“

Duff verließ die Bar, ohne auf seine Freunde zu warten. Als er das Hotel betrat, sah er sich noch einmal nach Natalia um, die schon wieder mit einem anderen tanzte.

Er zuckte mit den Schultern und wandte sich ab.

Konzentriere dich auf Melody.

Natalie lächelte, lachte über jeden Witz ihrer Tanzpartner und tat interessiert. Wenn jemand hinter blonden jungen Frauen her war, musste sie auf sich aufmerksam machen, um ins Visier des Entführers zu geraten. Indem sie mit verschiedenen Männern tanzte, signalisierte sie, dass sie Single war. Obwohl sie lieber mit Duff getanzt hätte. Bei diesem so hart aussehenden Typen mit den Tattoos auf Schultern und Rücken fühlte sie sich weiblicher als bei anderen Männern.

Während ihrer Zeit beim S.O.S. hatte sie immer das Gefühl gehabt, beweisen zu müssen, dass sie genauso gut, wenn nicht besser als ihre männlichen Kollegen war. Die meisten Männer und Frauen, die für Royce Fontaine arbeiteten, waren vorher beim Militär, Geheimdienst oder FBI gewesen. Natalie hingegen hatte nur einen langweiligen Bürojob gehabt.

Ihre Liebe zum Schießen hatte sie entdeckt, nachdem sie nach Washington gezogen war und herausgefunden hatte, wie gefährlich die Stadt für eine alleinstehende Frau war.

Sie war zum Schießstand gefahren, um mit der 40-Kaliber-Pistole zu üben, die sie zu ihrem Schutz gekauft hatte. Nachdem sie ein paarmal gefeuert hatte, begriff sie, dass sie Talent hatte, und probierte andere Waffen aus, die man sich am Schießstand leihen konnte. Bald konnte sie mit allen Waffen hervorragend umgehen und wurde von Händlern gebeten, ihre neuen Modelle vorzuführen.

Natalie hatte den Job beim S.O.S. ergattert, als sie am Schießstand zufällig Fontaine begegnet war. Royce hatte sie diverse Waffen abfeuern sehen, die ein Händler an jenem Tag mitgebracht hatte. Nachdem sie alle getestet hatte, gab sie ein kurzes Feedback, und als sie sich schließlich umdrehte, stand der S.O.S.-Chef vor ihr und sah sie lächelnd an.

Das war der Anfang einer Tätigkeit, die sie zu lieben gelernt hatte, denn er verband ihr Geschick im Umgang mit Waffen mit ihrer Abenteuerlust. Sie wurde Geheimagentin.

Royce hatte arrangiert, dass sie an einem speziellen dreimonatigen Trainingsprogramm teilnehmen konnte, vergleichbar mit einer militärischen Grundausbildung. Man hatte ihr nichts geschenkt, nur weil sie eine Frau war, und sie hart rangenommen. Doch sie hatte es geschafft und bei der Qualifikation für Schusswaffen sogar als Beste abgeschnitten.

Zwei ganze Jahre war sie Geheimagentin gewesen, bevor ihre Eltern bei einem Autounfall starben. Natalie hatte keine Wahl gehabt. Die Familie ging vor.

Während sie tanzte, behielt sie die Bar im Blick. Diverse Männer stachen heraus. Duff natürlich und seine Freunde, die am selben Tag angekommen waren wie sie selbst, sowohl wegen ihrer durchtrainierten Körper als auch wegen ihres lässigen Charmes. Natalie spürte keine Bedrohung von ihnen ausgehen.

Der Barkeeper war ein gedrungener Mann mit dunklem Haar und dunklen Augen. Er servierte die Drinks zackig, ohne zu reden, und die Kellner wirkten von ihm ein wenig eingeschüchtert.

Dann waren da zwei Südamerikaner, die an einem Ecktisch saßen, Coronas tranken und Melodys Freundinnen und sie beobachteten, während sie mit einem blonden Playboy aus New Jersey tanzte.

Für Natalie stand jeder Mann hier unter Tatverdacht, bis seine Unschuld bewiesen war.

Als Duff und seine Freunde gingen, war Natalies Energie schlagartig verpufft. Auch Melodys Freundinnen war nicht nach Feiern zumute.

Sie fuhren gemeinsam im Fahrstuhl nach oben und trennten sich auf dem Flur ihres Stockwerks.

Lisa umarmte Natalie zum Abschied. „Pass auf dich auf.“

Sie erwiderte die Umarmung und hatte das Gefühl, ihrer Schwester dadurch ein kleines bisschen näher zu sein.

Sobald sie ihr Zimmer betreten hatte, fasste sie an ihren Ohrstöpsel. „Irgendwelche Neuigkeiten?“, fragte sie Lance.

„Ich habe die Überwachungsvideos. Die letzten drei Stunden habe ich damit verbracht, das Material zu sichten.“

„Und?“

„In der Lobby waren ein paar Typen, die ich eben an der Bar wiedergesehen habe. Kannst du kurz vorbeikommen, um dir die Gesichter anzusehen?“

„Bin in fünf Minuten bei dir.“

„Lass den Ohrstöpsel drin, falls du unterwegs in Schwierigkeiten gerätst.“

Sie schlüpfte aus ihrem blauen Kleid und den High Heels in ein gemütliches Maxikleid und flache Sandaletten. Wenn jemand sie fragte, was sie vorhatte, würde sie sagen, dass sie am Strand spazierengehen wollte. Sie nahm die Treppe ins Erdgeschoss und trat durch die Hintertür. Der Pool war beleuchtet und in ein sanftes Meeresblau getaucht, eine leichte Brise kräuselte die Wasseroberfläche.

Natalie zwang sich, ihre Schritte zu verlangsamen, um wie eine Urlauberin zu wirken, die die Abendluft genoss. Für den Fall, dass ihr jemand folgte, steuerte sie zunächst den Strand an und ging einen Umweg. Bis sie den Bungalow erreichte, waren zehn Minuten vergangen.

Lance öffnete die Tür, unmittelbar nachdem Natalie geklopft hatte.

Sie schlüpfte hinein und ging zielstrebig zum Computer. Das Bild war bei zwei dunkelhaarigen Männern eingefroren, die in einer Ecke der Bar saßen. „Die beiden habe ich heute Abend gesehen. Am selben Tisch.“

„Kennst du zufällig ihre Namen?“

Natalie schüttelte den Kopf.

Lance spulte das Video vor. Als er es anhielt, sah sie Melody mit einem Mann tanzen.

Ihr Herzschlag setzte kurz aus, und sie sog scharf die Luft ein. Ihr Blick hing an Melody, die lachte, tanzte, flirtete. Sie wirkte so glücklich, so unbeschwert.

Als ihr Herz weiterschlug, fing es an zu rasen. Die Wut pumpte das Blut immer schneller durch ihren Körper.

Natalie beugte sich vor, um den Mann besser zu erkennen, mit dem ihre Schwester tanzte, doch man sah nur seinen Hinterkopf. „Ist sein Gesicht irgendwo auf dem Video zu erkennen?“

Lance schüttelte den Kopf. „Es gibt keine einzige deutliche Aufnahme von seinem Gesicht.“

„Melody ist nur eins sechzig groß, mit Absätzen vielleicht eins achtundsechzig. Er ist nochmal gut fünfzehn Zentimeter größer, also ungefähr eins dreiundachtzig. Und er hat dunkles Haar.“ Sie richtete sich auf. „Sonst noch was?“

„Diverse Männer in der Hotellobby. Manche mit Frauen, die aussehen wie Freundinnen oder Ehefrauen. Andere allein.“ Er tippte auf das Touchpad, und auf dem Bildschirm erschien die Lobby.

Lance zeigte ihr ein paar Minuten des Videos, das er für relevant hielt. Als sie fertig waren, hatte Natalie nicht das Gefühl, bei der Suche nach ihrer Schwester auch nur einen Schritt weitergekommen zu sein. „Morgen früh fahre ich auf dem Tauchboot mit, auf dem Melody angeblich mit ihren Freundinnen war.“

Lance runzelte die Stirn. „Bleib auf jeden Fall immer in der Nähe deines Tauchpartners.“

Sie schnaubte. „Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Melodys Kidnapper sich innerhalb von einer Woche zweimal dasselbe Boot vornimmt?“

„Gering. Immerhin ist dieser Typ schlau genug, drei Frauen zu kidnappen, ohne dass die örtlichen Behörden auf ihn aufmerksam werden.“

Natalie seufzte. „Vielleicht kann ich aus der Crew Informationen herauskitzeln. Möglicherweise steckt einer von ihnen mit dem Kidnapper unter einer Decke.“

Lance drückte eine Taste auf dem Computer, und auf dem Bildschirm erschien wieder die Landkarte mit ihrem Peilsender. „So oder so, ich pass auf dich auf. Jetzt schlaf dich erst mal aus und sei morgen vorsichtig.“

Natalie lächelte. „Danke für deine Hilfe, Lance. Schön zu wissen, dass die S.O.S. hinter mir steht.“

„Wir vermissen dich. Niemand kann unsere beste Scharfschützin ersetzen.“

Ein warmes Gefühl durchströmte sie. Das S.O.S.-Team war wie eine Familie für sie gewesen.

Sie öffnete die Tür und prüfte, ob die Luft rein war. Es wehte eine leichte Brise. Der Mond schien hell durch die sanft wogenden Palmwedel, die Schatten warfen. Doch sonst bewegte sich nichts.

Natalie verließ den Bungalow und ging Richtung Strand.

Sie lief an einem anderen Bungalow vorbei und wollte den direkten Weg durch die Bougainvillea-Hecken nehmen, als hinter ihr ein Zweig knackte.

Blitzschnell drehte sie sich um, bereit, den Angreifer abzuwehren. Wieder bewegte sich nichts außer den Schatten der Palmen.

Trotz der lauen Nacht lief ihr ein Schauer über den Rücken. Statt die Abkürzung durch die dichten Hecken zu nehmen, ging sie auf dem Kiesweg weiter zum Strand. Spätestens dort musste ihr Verfolger aus der Deckung kommen.

Natalie beschleunigte ihren Schritt und versuchte Abstand zwischen sich und ihren Verfolger zu bringen. Inzwischen konnte sie Schritte hinter sich hören, doch immer wenn sie sich umdrehte, war niemand zu sehen. Als sie zwischen den Palmen hindurch endlich den Strand betrat, drehte sie sich um und stieß gegen eine massive Wand. Jemand schlang die Arme um sie und hielt sie so fest, dass sie sich nicht bewegen konnte.

Sie versuchte zu schreien, doch ihr wurde mit einer Hand der Mund zugehalten.

4. KAPITEL

Duff war noch zu aufgedreht, um schlafen zu können. Seine Gedanken kreisten um die schöne Natalia, daher beschloss er, an den Strand zu gehen. Das Geräusch der Brandung und der Sand hatten eine beruhigende Wirkung auf ihn.

Er war am Strand entlangspaziert und wollte gerade zurückgehen, als eine Frau zwischen den Palmen hervorgeschossen kam. Noch im Laufen drehte sie sich um, ohne Duff zu bemerken. Als sie gegen seine Brust prallte, hielt er sie mit einem Arm fest und legte die andere Hand über ihren Mund, weil er voraussah, dass sie schreien würde, und er keine Aufmerksamkeit erregen wollte.

Sie stieß ihm den Ellbogen in die Rippen.

Er stöhnte, lockerte seinen Griff jedoch nicht. „Ich will dir nicht wehtun.“

Sie wand sich in seinen Armen, und er spürte ihren schlanken, weiblichen Körper.

„Ich lasse dich los, wenn du mir versprichst, nicht zu schreien“, sagte er.

Sie hörte auf zu zappeln und nickte.

Duff ließ sie los und trat zurück.

Sofort brachte sie sich in sichere Distanz zu ihm, dann drehte sie sich um.

Ihre Blicke trafen sich.

„Natalia?“

„Ja, ich bin’s.“ Sie sah flüchtig zu dem Weg, der zum Hotel führte. „Bist du allein?“

„Ja.“ Er folgte ihrem Blick.

„Und du hast auch niemanden erwartet?“

„Nein.“ Er stellte sich neben sie.

Natalia atmete schwer, ihre Hände waren zu Fäusten geballt, ihre Knie gebeugt, kampf- und fluchtbereit.

„Was ist los?“

Sie starrte lange in die Schatten, bevor ihr Körper sich entspannte. „Nichts.“

„Bist du sicher?“

Als sie nähertrat und in die Richtung starrte, aus der sie gekommen war, sah Duff, dass sie vor irgendetwas Angst hatte.

Er legte einen Arm um ihre Taille und zog sie an sich, den Blick immer noch auf den Weg zum Hotel gerichtet. Er verspürte den starken Drang, diese Frau zu beschützen, und seine freie Hand ballte sich wie von selbst zur Faust. „Hat jemand versucht, dir wehzutun?“

„Nein.“ Für einen kurzen Moment lehnte sie sich an ihn. „Ich glaube, ich habe mich nur vor den Schatten gegruselt.“

Die Wärme ihres Körpers erinnerte ihn daran, warum er an den Strand gekommen war. Natalia berührte ihn, wie es schon lange keine Frau mehr getan hatte. Zwischen den Missionen blieb wenig Zeit, Beziehungen aufzubauen. Nicht, dass er die Absicht hatte, etwas Ernstes anzufangen. Er hatte Urlaub. Eine lockere Affäre, mehr war nicht drin. Dann würde sie in ihr Leben zurückkehren, und er in seins.

Natalia löste sich von seiner Seite. „Ich gehe besser wieder auf mein Zimmer.“

Als sie sich umdrehte, um zu gehen, wurde Duff bewusst, dass er sie nicht gehen lassen wollte. Er griff nach ihrer Hand. „Geh nicht.“

Sie zögerte. „Es ist spät.“

Er neigte das Gesicht zum Himmel. „Wenn du jetzt gehst, verpasst du die Sterne.“

Sie hob das Kinn, sodass ihr das lange Haar über den Rücken fiel. „Sie sind wunderschön.“

„Atemberaubend“, bestätigte er, sah dabei jedoch nicht in den Himmel, sondern betrachtete die Frau, die vor ihm stand. „Geh noch ein bisschen mit mir spazieren.“

Sie zögerte kurz und warf wieder einen flüchtigen Blick in die Richtung, aus der sie gekommen war. Dann seufzte sie. „Okay.“

Er ließ ihre Hand nicht los, und nachdem sie ein kurzes Stück gegangen waren, schlüpfte Natalia aus ihren Sandaletten und ließ sie von ihrem Finger baumeln. „Ich könnte am Strand nie Schuhe tragen.“

„Ich auch nicht.“ Er hob ein Bein und präsentierte ihr seinen nackten Fuß. „Ich fühle mich nirgendwo so zu Hause wie am Meer. Was ist mit dir? Wo fühlst du dich zu Hause?“

Einen Moment lang schwieg sie, dann antwortete sie: „Oxford.“

„Ich hatte vor zwei Jahren die Gelegenheit, mir Oxford anzusehen.“

Natalia versteifte sich. „Ach, tatsächlich?“

„Ein dreitätiger Zwischenstopp, während unser Flugzeug repariert wurde. Ich habe einen ganzen Tag in der Stadt verbracht.“

„Schön.“ Ihre Finger in seiner Hand verkrampften sich.

„Was ist dein Lieblingsort in Oxford?“

Sie ging so nah ans Wasser, dass die Wellen sanft ihre Zehen umspülten. „Ich weiß nicht. Es ist überall ziemlich schön.“

Ihre vage Antwort weckte sein Misstrauen. Er änderte die Taktik und tischte ihr eine Lüge auf, um zu sehen, ob sie darauf hereinfiel. „Ich mag die Engelskirche und die alte Festung.“

„Ja, die Engelskirche ist hübsch“, sagte Natalia.

Er blieb neben ihr stehen und spürte den Sand unter seinen Füßen. Sie hatte die Lüge geschluckt. Er ging jede Wette ein, dass sie noch nie in Oxford gewesen, geschweige denn Engländerin war. Zu oft hatte sie ihren vorgetäuschten britischen Akzent vergessen. Warum gab sie sich als jemand anderes aus?

Doch es schreckte ihn nicht ab, dass sie etwas zu verbergen hatte. Im Gegenteil, es faszinierte ihn. Er würde mitspielen und sie in dem Glauben lassen, dass er ihr auf den Leim ging. Wenn sie es tat, um sich zu schützen, würde sie sich ihm vielleicht anvertrauen.

Er unterdrückte ein Lächeln. „Am liebsten mag ich die Seufzerbrücke. Es liegt etwas hoffnungslos Romantisches in dem Namen.“ Die Brücke in Oxford war eine der schönsten, die er auf seinen Reisen gesehen hatte.

Natalia neigte den Kopf, um zu ihm aufzusehen, und ihre Mundwinkel zuckten. „Ich hätte dich nicht für einen Romantiker gehalten.“

„Natürlich kann ich romantisch sein.“ Auch wenn es zu seinem Job gehörte, Terroristen zu töten. Vielleicht war es das, was ihn erdete. Überall, wo er hinkam, nahm er die schönen Dinge wahr, selbst an den furchtbarsten Orten.

Und die Frau, die vor ihm stand, war wirklich schön, mit ihren blonden Haaren und der perfekten Figur. Na und, dann log sie eben. Was tat das zur Sache? Er wollte sie ja nicht heiraten.

„Ich sollte wirklich zurück ins Hotel gehen“, sagte sie und machte einen Schritt, doch ihr anderer Fuß steckte im Sand fest. Natalia – falls das ihr richtiger Name war – schwankte und wäre fast gestolpert.

Duff fing sie auf und drückte sie an seine Brust. „Alles in Ordnung?“

„Natürlich. Alles bestens.“ Sie legte ihre Hände an seine Brust, drückte ihn jedoch nicht von sich. Stattdessen krallte sie die Finger in sein Hemd und betrachtete den Stoff in ihren Fäusten. Ihr Atem ging flach und schnell. „Ich sollte wirklich gehen“, flüsterte sie.

„Du solltest wirklich bleiben. Der Wetterbericht hat gesagt, es gibt einen Meteoritenschauer, und zwar in … “ Er sah auf seine Uhr. „Zwanzig Minuten.“

„Nein, das wäre unvernünftig. Ich habe morgen viel vor. Ich brauche Schlaf.“ Sie machte keinerlei Anstalten zu gehen.

Er hob eine Hand und berührte ihre Wange. „Sterne sollte man sich nie allein ansehen.“

„Du hast doch deine Freunde.“

Er lachte leise. „Das wäre nicht dasselbe.“ Dann senkte er den Kopf. „Eine schöne Frau, ein sternklarer Himmel, Wellen, die sanft an den Strand schlagen …“

„Du Poet …“ Als er sich ihren Lippen näherte, hob Natalia das Kinn, und als ihre Münder sich berührten, durchfuhr es Duff wie ein Blitz.

Er vertiefte den Kuss und umspielte mit der Zunge ihre Lippen, bis diese sich für ihn öffneten.

Mit den Fingern strich er ihren Hals hinab, über ihre Schulter und den Rücken hinunter, während seine Zunge zwischen ihre Lippen glitt.

Natalia ließ ihre schlanken Finger über seinen Hals und durch sein Haar wandern. Ein leises Stöhnen stieg aus ihrer Kehle auf und füllte seinen Mund, warm und sexy.

Als er schließlich den Kopf hob, sah er in ihre Augen. „Du verzauberst mich.“ Er strich ihr eine lose Haarsträhne hinters Ohr. „Wann kann ich dich wiedersehen?“

Sie blinzelte und schien erst jetzt zu begreifen, was geschehen war. „Ich … tut mir leid … Das hätte nie passieren dürfen. Ich muss los.“

Obwohl er eigentlich nicht vorgehabt hatte, es bei dem einen Kuss zu belassen, wollte er sie nicht bedrängen. Er würde mit ihr schlafen, bevor er Cancún verließ, und sie würde es genauso sehr wollen wie er.

Sie wich zurück, doch er nahm ihre Hand. „Ich begleite dich.“

Schnell warf sie einen Blick zu dem Pfad, auf dem sie gekommen war. „Okay.“

Hand in Hand gingen sie zum Hauptgebäude zurück. Als sie den Eingang erreichten, blieb Natalia stehen. „Von hier schaffe ich es allein.“

Er zog sie an sich. „Sehe ich dich morgen wieder?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht.“

„Ich werde dich finden.“

„Ehrlich, ich … Wir … sollten es dabei belassen.“

„Wahrscheinlich hast du recht.“ Er lächelte und berührte sanft ihre Wange. „Aber ich kann nicht widerstehen.“ Er beugte sich vor und wollte ihr einen flüchtigen Kuss geben, doch als ihre Lippen sich berührten, konnte er sich nicht länger zurückhalten. Er schlang die Arme um sie und verschloss ihren Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss.

Als er sie wieder freigab, taumelte sie leicht und berührte mit den Fingern ihre Lippen. „Gute Nacht“, murmelte sie und eilte ins Gebäude.

Natalie drückte immer wieder auf den Fahrstuhlknopf. Ihr Blick war verschwommen, ihre Knie zitterten, und ihre Lippen brannten von Duffs Kuss.

Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie war nicht in Cancún, um mit einem Fremden ins Bett zu gehen. Sie war hier, um ihre vermisste Schwester zu finden. Wäre sie am Strand nicht zufällig Duff begegnet, hätte ihr Verfolger sie vielleicht eingeholt und sich zu erkennen gegeben. Verdammt. Vielleicht war das ihre einzige Chance gewesen, mit demjenigen in Kontakt zu treten, der für die Entführung ihrer Schwester verantwortlich war.

Die Fahrstuhltür öffnete sich, und sie trat in den Lift. Sie drückte den Knopf für ihre Etage und sah, wie die Tür sich schloss.

Eine Hand schob sich im letzten Moment dazwischen.

Natalie schlug das Herz bis zum Hals. Für einen kurzen Augenblick dachte sie, es wäre Duff, der ihr gefolgt war.

Ein Mann – nicht Duff – betrat den Fahrstuhl. Groß, dunkles Haar, dunkle Augen, dunkle Haut. Er trug ein am Kragen aufgeknöpftes weißes, kurzärmeliges Hemd und eine Goldkette um den Hals, eine dunkle Hose und glänzende schwarze Schuhe. Die Hose sah teuer aus, und der dicke Goldring mit dem glitzernden Diamanten an seiner rechten Hand verriet, dass er Geld hatte.

Sie rückte in die Ecke des Fahrstuhls.

Der Mann machte Anstalten, einen Knopf zu drücken, ließ die Hand jedoch sinken, als sich die Tür schloss und der Lift sich in Bewegung setzte.

Natalie wurde unbehaglich zumute, während sie darauf wartete, dass der Fahrstuhl ihr Stockwerk erreichte.

Ein Pling ertönte, und die Tür öffnete sich. Ob der Mann ebenfalls aussteigen würde? Natalie trat in den Flur und wandte sich in die ihrem Zimmer entgegengesetzte Richtung, während sie aus dem Augenwinkel die Fahrstuhltür beobachtete.

Der Blick des Mannes ruhte auf ihr, doch dann schloss sich die Tür, und Natalie atmete die Luft aus, die sie angehalten hatte.

Sie blieb noch eine Weile stehen und beobachtete die Fahrstuhlanzeige. Die Zahl änderte sich von acht zu neun, dann blieb die Anzeige stehen.

Was bewies das schon? Nur, dass der Mann ein Stockwerk über ihr ausgestiegen war.

Schulterzuckend zog Natalie ihre Schlüsselkarte aus der Tasche und ging zu ihrem Zimmer.

Es war ein langer Tag gewesen, und sie war müde. Ihre Gedanken wanderten zu ihrer Schwester zurück. Tief in ihrem Herzen wusste sie, dass Melody nicht ertrunken oder von einem Hai gefressen worden war. Sie würde nicht aufgeben, bis sie ihre Schwester fand, lebendig oder … Sie schluckte. Oder tot.

In ihrem Zimmer angekommen, zog Natalie sich aus, stieg unter die Dusche und ließ das Wasser über ihr Gesicht und ihre Haare laufen. Die warme Flüssigkeit liebkoste ihre Haut, rann über ihren Körper, über ihre Brüste zu der Stelle, wo ihre Schenkel sich trafen. Wäre ihre Schwester nicht in Gefahr, wäre Natalie tatsächlich im Urlaub, wäre sie länger mit Duff am Strand geblieben. Vielleicht hätte sie sogar die Nacht mit ihm verbracht.

Sie verspürte ein leichtes Kribbeln im Bauch, doch sie konnte es sich nicht erlauben, der Versuchung nachzugeben. Und so stellte sie das Wasser auf kalt, um das aufkeimende Verlangen zu verdrängen, und konzentrierte sich auf ihre nächsten Schritte.

Als sie in das luxuriöse Bett stieg und ihren Kopf auf das weiche Kissen legte, fragte sie sich, wo Melody jetzt war. Sie hatte nicht damit gerechnet, tatsächlich einzuschlafen, doch kaum hatte sie die Augen geschlossen, fiel sie vor Erschöpfung in einen tiefen, unruhigen Schlaf.

Nachts plagten sie Albträume von bösen Männern, die Mädchen aus ihren Betten zerrten und in den Dschungel verschleppten. Sie träumte auch von Duff, der am Strand neben ihr lag und, auf einen Ellbogen gestützt, auf sie hinabsah. Dann küsste er sie, drückte mit dem Knie ihre Beine auseinander. Er legte sich auf sie und drang tief in sie ein.

Natalie schreckte aus dem Schlaf, als der Wecker ihres Handys klingelte. Die vermeintlich schlaflose Nacht war vorbei, und ein neuer Tag hatte begonnen.

Sie musste Melody finden. Mit frischer Energie stand sie auf und schlüpfte in einen pinken Bikini, der mit Sicherheit die Aufmerksamkeit auf ihren halbnackten Körper ziehen würde. Hoffentlich die Aufmerksamkeit desjenigen, der für Melodys Verschwinden verantwortlich war. Sich selbst als Köder auszulegen, war der einzige Weg, Melodys Entführer aus der Deckung zu locken.

Eine kleine Gruppe junger Männer und Frauen in Schwimmsachen und mit Strandtaschen versammelte sich in der Lobby.

Eine junge Frau mit braunen Haaren und braunen Augen wedelte mit einem Klemmbrett über ihrem Kopf. „An alle, die an der Scuba-Cancún-Tauchfahrt teilnehmen: Wenn Sie sich schon bei mir gemeldet haben, können Sie nach draußen zum Bus gehen. Wir fahren in zwei Minuten los.“

Natalie nannte der Frau ihren Namen.

„Alles klar. Sie können in den Bus steigen.“

Nachdem sie die Lobby mit einem raschen Blick überflogen hatte, eilte Natalie nach draußen zum Bus. Sobald sie saß, beugte sie sich vor und tat, als würde sie in ihrer Tasche nach etwas suchen. Unauffällig steckte sie sich den Knopf ins Ohr. „Sobald wir auf dem Boot sind, musst du still sein“, flüsterte sie.

„Roger“, erwiderte Lance. „Bist du sicher, dass ich nicht als Verstärkung mitkommen soll?“

„Ja. Ich komme klar.“

„Ich hab dich auf meinem Radar. Sei vorsichtig da draußen.“

„Versprochen.“

„Ist der Platz noch frei?“, fragte eine tiefe, verführerische Stimme.

Natalie schreckte hoch und stieß gegen ein hartes Kinn. „Oh!“

Duff Calloway hielt sich die Hand ans Kinn. „Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken.“

„Nein, mir tut es leid.“ Sie rutschte zur Seite, um für ihn Platz zu machen. „Ich hoffe, es ist nichts gebrochen. Man sagt mir nach, ich sei ein ganz schöner Dickschädel.“

Duff setzte sich neben sie, sodass ihre Beine sich berührten. „Geht schon wieder.“ Er bewegte seinen Kiefer hin und her, dann grinste er. „Ich habe nicht damit gerechnet, dich hier zu sehen.“

„Klingt, als wärst du dem Typen schon mal begegnet“, sagte Lance leise in ihrem Ohr. „Wenn ich ihn überprüfen soll, sag Bescheid.“

Während sie einen Mann im Ohr hörte und der andere auf Tuchfühlung ging, befürchtete Natalie, dass die Situation leicht außer Kontrolle geraten konnte. „Wofür steht eigentlich Duff?“, fragte sie.

Ihr Sitznachbar lächelte. „Dutton Calloway. Duff nennt mich mein Team.“

In ihrem Ohr hörte sie Lance leise lachen. „Ich versuch mal, ein bisschen über ihn rauszufinden.“

„Dein Team?“ Natalie drehte sich zu ihm. „Was für ein Team?“

Er wandte den Blick ab. „Nur die Jungs, mit denen ich zusammenarbeite.“

Interessant. Sie kniff die Augen zusammen. „Was für eine Art Arbeit ist das?“

„Wir sind so eine Art Such- und Rettungsteam.“

„Du meinst, bei Naturkatastrophen zum Beispiel?“

Er zuckte mit den Schultern. „So was in der Art.“

Der Bus setzte sich in Bewegung.

„Was ist mit dir?“, fragte Duff. „Womit verdienst du deinen Lebensunterhalt?“

Sie lächelte und schaute aus dem Fenster. „Ich bin freie Journalistin.“

„Interessant.“ Er legte einen Finger ans Kinn. „Worüber schreibst du so?“

Sie grinste. „Reisen, Menschen und Orte.“

„Dann warst du sicher schon an exotischeren Orten als Cancún.“

„Gelegentlich.“

„Du bist eine faszinierende Frau“, sagte Duff.

Viel zu schnell kam der Bus im Hafen an, wo sie das Boot bestiegen, das sie zu den Korallenbänken bringen sollte.

„Suchen Sie sich bitte alle einen Tauchpartner“, bat die Reiseleiterin. „Und vergessen Sie nicht, derjenige wird die ganze Zeit bei Ihnen sein. Wenn beim Tauchgang irgendetwas nicht funktioniert, holt Ihr Partner Sie sicher rauf.“

Duff umschloss Natalies Finger mit seinen. „Ich hab meinen schon!“, sagte er laut und streckte ihre Hand in die Luft.

„Toller Freund“, brummte Sawyer.

Natalie beugte sich zu Duffs Ohr. „Was, wenn ich gar nicht dein Tauchpartner sein will?“

„Aber du willst, oder?“ Er zwinkerte ihr zu. „Ich verspreche auch, mich nicht an dich ranzumachen, solange wir unter Wasser sind.“

Sie lachte. „Du bist ein hoffnungsloser Fall.“

Der Kapitän steuerte das Boot aufs offene Meer. Natalie entschuldigte sich unter dem Vorwand, dass sie ihre Tasche verstauen wolle. Nachdem Duff außer Sicht war, sah sie sich auf dem Boot um. Es gab zwei Tauchlehrer, einen ersten Offizier, sie alle waren Lateinamerikaner, und den Kapitän, der Amerikaner zu sein schien.

Während sich die Crew um die Ausrüstung kümmerte und Sauerstoffflaschen und Atemregler überprüfte, machte Natalie heimlich Fotos und schickte sie Lance. Dann packte sie ihren Ohrstöpsel in die Tasche und gesellte sich zu den anderen Passagieren an Deck.

Als die Tauchlehrer die weniger erfahrenen Teilnehmer instruierten, schnappte Natalie sich eine Tarierweste, einen Atemregler und eine Sauerstoffflasche, Maske, Schnorchel und Flossen und setzte sich auf eine Bank.

Duff hatte seine Ausrüstung schon vor ihr angezogen und getestet. Er hielt die Flossen in der Hand und stand neben den Männern, mit denen sie ihn am Abend zuvor gesehen hatte.

„Hey, Duff.“ Der Mann mit den schwarzen Haaren und braunen Augen, der Sawyer hieß, schlug Duff mit dem Handrücken auf den Bauch. „Willst du uns deiner Tauchpartnerin nicht vorstellen?“ Er streckte die Hand aus. „Wir kennen uns zwar schon, aber Sie haben mir noch nicht Ihren Namen verraten.“

Bevor Natalie antworten konnte, schob ein anderer Mann mit braunem Haar und grünen Augen Sawyer beiseite. „Sie sind wunderschön. Ich bin Ben Raynes, aber Sie können mich Montana nennen.“

Bevor sie seine Hand ergreifen konnte, stellte sich ein anderer Mann, mit schwarzem Haar und blauen Augen, vor Montana. „Quentin Lovett, zu Ihren Diensten. Vergessen Sie diese Idioten.“

Natalie lächelte. „Freut mich, Sie kennenzulernen.“

„Glückspilz“, brummte Quentin gutmütig.

Das Boot kam langsam zum Halten, und Guillermo, einer der Tauchlehrer, bat um ihre Aufmerksamkeit für die Sicherheitsanweisungen. Dann stieg einer nach dem anderen von der Plattform am Ende des Bootes ins Wasser.

In voller Montur watschelte Natalie an den Rand, schob sich den Atemregler in den Mund und atmete ein. So weit alles gut.

Duff trat neben sie, nahm ihre Hand und nickte. „Auf drei.“ Er setzte seinen Atemregler ein, dann streckte er einen Finger nach dem anderen.

Natalie zählte. „Eins … zwei … drei.“

Gemeinsam sprangen sie von der Plattform und sanken in das kristallklare Wasser.

Autor

Elle James
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Cynthia Eden
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Tawny Weber

Schon immer liebte Tawny Weber Liebesromane, vor allem seit sie auf ein paar Geschichten in ihrer Grundschulbibliothek stieß, die sie sofort fesselten. Was gibt es Besseres als Romane mit spannenden Wendungen und einem Happy End – oder noch besser – mit erotischen Liebeszenen zu lesen? Nichts, denn das sind...

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