Baccara Weekend Band 55

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

EIN HEISSER KUSS IST MEIN GESCHENK von VICKI LEWIS THOMPSON

Leise gleitet der Pferdeschlitten durch die verschneite Landschaft. Es ist ein ganz besonderer Heiligabend, den Jo mit dem attraktiven Cowboy Russ verbringt. Gefolgt von einer Nacht, die sie nie vergessen will. Bis Russ ihr ein Geheimnis offenbart, das alles zerstören kann …

NOCH EINE CHANCE KRIEGST DU NICHT von MAUREEN CHILD

Nach ihrer geplatzten Hochzeit flieht Casey an einem eiskalten Dezembertag auf die Ranch ihres Jugendfreunds Jake. Noch immer ist er ungemein verführerisch – ein richtiger Mann, der weder Tod noch Teufel fürchtet. Nur das Wörtchen „Liebe“ macht ihm anscheinend Angst …

VIEL LIEBE ZUM FEST von JO ANN ALGERMISSEN

Wer ist dieser Mann? Cat wollte auf der einsamen Ranch ihrer Schwester das Weihnachtsfest allein verbringen! Stattdessen trifft sie auf einen sexy Fremden, der mit seinem lässigen Charme und seinem frechen Lächeln ihr Blut in Wallung bringt …


  • Erscheinungstag 08.11.2025
  • Bandnummer 55
  • ISBN / Artikelnummer 9783751531085
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Vicky Lewis Thompson, Maureen Child, Jo Ann Algermissen

BACCARA WEEKEND BAND 55

Vicky Lewis Thompson

1. KAPITEL

Es war genau vor einem Jahr gewesen. Jo Cassidy erinnerte sich deutlich an den Tag, als ihr Ehemann Tommy sie verlassen hatte, direkt nach dem Thanksgiving Day. Sie wusste, dass sie froh sein konnte, dass ihre Ehe beendet war. Heute Abend jedoch fühlte sie sich den Tränen nahe.

Sie würde sich zusammenreißen. Keiner der Gäste im „Round-up“, dem Saloon von Prescott, würde einer melancholischen Kellnerin ein Trinkgeld zahlen. Und Jo war auf jeden Penny angewiesen.

„Hallo, Jo, wir könnten noch eine Runde vertragen!“, rief ein grauhaariger Cowboy, der mit Freunden eine Partie Billard spielte.

„Ich komme, Andy!“ Sie ging an die Bar, um die Bestellung auszuführen.

Es war nicht viel los heute Abend, und Eddie, der Besitzer des Saloons, hatte Jo schon vor einer ganzen Weile angeboten, sie könnte Feierabend machen. Vermutlich waren bereits viele Leute nach Phoenix gefahren, um die ersten Weihnachtseinkäufe zu tätigen.

Jos wehmütige Stimmung und ein Gefühl der Sehnsucht ließen ihr den Gedanken an einen einsamen Abend zu Hause jedoch nicht verlockend erscheinen. Wenn wenigstens etwas Tolles passieren würde! Vielleicht würde das endlich ihre Erinnerung an jenen Tag auslöschen.

„Hast du an Thanksgiving über deinen Schulbüchern gesessen?“, fragte Andy, als Jo das Bier brachte.

Jo nickte und lächelte tapfer. Andy hatte recht. Da Tommy das Geld für ihre Ausbildungskosten verspielt hatte, verdiente sie es sich nun selbst. Inzwischen lagen mehr als tausend Meilen Abstand zwischen Jo und ihrem Exmann in Montana, der weiterhin spielte und trank.

„Die Abschlussprüfungen stehen bevor, ich werde mich wohl für Tiermedizin eintragen.“

„Dann müssen wir dich wohl bald mit Frau Professor anreden.“

„Höchstens mit Frau Doktor, ich will Tierärztin werden. Doch das wird noch einige Jahre dauern.“

„Ein Pferdedoktor?“ Andy war überrascht. „Kannst du denn den Anblick von Blut ertragen?“

„Sicher, wenn ich einem Tier helfen kann. Seit ich als Kind die Geburt eines Fohlens miterlebt habe, wollte ich nichts anderes werden als Tierärztin. Ich liebe Tiere über alles, könnte ich mir einen besseren Beruf aussuchen?“

„Wir können hier immer einen guten Pferdedoktor gebrauchen, aber dann wirst du natürlich nicht mehr mit Leuten wie uns reden.“

„Da brauchst du keine Sorgen zu haben.“ Jo lächelte Andy an. Wenn er wüsste, wie wichtig die Unterhaltung mit ihren Gästen für sie war. Auch ihre Familie lebte in Montana, und zwischen Unterricht und dem Job im Saloon blieb ihr nicht viel Zeit. So war sie an manchen Tagen schrecklich einsam.

Als sie sah, dass Steve Gibson, ein Rancher, den Saloon betrat, hellte sich ihre Stimmung auf, denn Steve war einer ihrer Lieblingsgäste. Er und seine Frau Claire überraschten zu Weihnachten notleidende Menschen mit Geschenken.

Unmittelbar hinter Steve kam Ned, ein kräftiger Cowboy, der im nächsten Monat heiraten wollte. Aber es war der Fremde hinter ihm, dessen Anblick Jo fesselte. Ihr waren schon viele attraktive Cowboys begegnet, doch dieser hochgewachsene Typ mit den dunklen Augen und dem schwarzen Stetson übertraf alle.

Jo beobachtete ihn genau. „Andy, wer ist der Cowboy, der mit Steve und Ned gekommen ist?“

„Sieht aus wie Russ, Steves Bruder.“

„Das ist also Russ Gibson.“ Niemand hatte bisher erwähnt, dass er so fantastisch aussah.

Er war ein Einzelgänger, der während des Sommers Steve beim Pferdebeschlagen half und im Winter für eine Ferienranch in Tucson arbeitete. Gerüchten nach war Russ ein Abenteurer, und dass er keinen Führerschein besaß, veranlasste viele zu Spekulationen. Er redete nicht viel über sich, und das ließ die Leute vermuten, dass er ein dunkles Geheimnis zu verbergen hatte.

„Gib nur gut auf dein Herz acht“, warnte Andy.

„Mach dir keine Sorgen, Andy, kein noch so attraktiver Cowboy wird mich davon abhalten, mein Examen zu machen. Aber ich werde fragen, was sie trinken möchten.“

„Ich habe dich gewarnt.“

„Ja.“ Jo zupfte ihre Uniform zurecht und atmete tief durch.

Alle Kellnerinnen des „Round-up“ trugen knappe Shorts, weiße Cowboystiefel und Cowboyhüte. Das Oberteil hatte ein tiefes Dekolleté, und als Jo sich jetzt Russ Gibson näherte, wünschte sie plötzlich, ein hochgeschlossenes Kleid zu tragen.

Russ hatte Jo gleich beim Betreten des Saloons wahrgenommen. Ihre langen glänzenden Haare, die kastanienbraun schimmerten, fielen ihm zuerst auf. Jos Gesicht strahlte Intelligenz und Entschlossenheit aus. Aber Russ glaubte auch eine Spur Traurigkeit zu erkennen.

Als Jo zum Tisch kam, um die Bestellung aufzunehmen, wollte Russ so tun, als hätte er sie nicht bemerkt. Doch dann stand sie nur wenige Zentimeter neben ihm, ihr Parfüm stieg ihm in die Nase, und er war augenblicklich verwirrt.

„Was darf ich den Herren bringen?“

Der Klang ihrer Stimme weckte ihn aus seinen Träumen, er sah hoch und schaute direkt in ihre graugrünen Augen.

„Jo, ich möchte, dass du meinen Bruder kennenlernst – Russ“, sagte Steve. „Russ, das ist Jo Cassidy.“

Russ stand auf und tippte an die Krempe seines Hutes. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Lady.“

Ihr schöner Mund mit den vollen Lippen fiel ihm als nächstes auf.

„Nett, Sie kennenzulernen, Russ.“ Auf ihren Wangen erschien ein intensiver Hauch Rosa.

Russ schluckte. Sie schien auf ihn genauso zu reagieren wie er auf sie.

„Russ hat uns zum Thanksgiving Day besucht“, bemerkte Steve.

„Wie nett.“ Jo sah Russ unverwandt in die Augen.

„Jo studiert Tiermedizin, weil sie Pferdeärztin werden möchte“, ergänzte Ned.

„Das stimmt nicht ganz. Bevor ich mich für Tiermedizin einschreiben kann, muss ich erst die Zulassungsprüfungen bestehen.“ Jo sah Russ immer noch an.

„Sie müssen sehr intelligent und fleißig sein“, sagte Russ anerkennend.

„Ich hoffe, dass es ausreicht.“ Endlich konnte sie den Blick von ihm lösen. „Doch jetzt sollte ich besser meinen Job machen. Für euch beide das Übliche, Steve, Ned?“

„Ja, bitte.“

„Russ?“ Sie sah zu ihm hoch. „Was möchten Sie?“

Er hatte eine Antwort parat, doch er zwang sich, sie nicht auszusprechen. „Ein frisch gezapftes Bier wäre großartig.“

„Ich bin gleich zurück.“

Russ nahm wieder Platz und rückte seinen Hut zurecht.

Sein Bruder sah ihn nachdrücklich an. „Nichts für dich, Russ. Sie ist wirklich ein nettes Mädchen und arbeitet hart, um das College zu beenden. Sie hat es nicht verdient, dass man ihr das Herz bricht.“

„Wieso gehst du davon aus, dass ich das tun würde?“

Steve begann, an den Fingern abzuzählen: „Ellen im letzten Sommer, Beth im Herbst, Suzanne in Tucson, Amy in Phoenix, und keine von ihnen hat dir etwas bedeutet.“

„Sie waren alle nette Mädchen, aber … Ich bin noch nicht soweit, mich festzubinden. Das überlasse ich dir und Ned.“

„Jedenfalls hoffe ich, dass du Jo in Ruhe lässt. Sie verdient jemanden, der eine Weile hierbleibt – ungefähr für die nächsten fünfzig oder sechzig Jahre.“

Russ wusste genau, dass Steve recht hatte, aber die Moralpredigt gefiel ihm überhaupt nicht. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, noch eine Woche in Prescott zu bleiben, aber das war wohl doch keine gute Idee.

„Mach dir keine Sorgen, Steve. Am Sonntag nehme ich den Bus zurück nach Tucson, so werde ich nicht viel Zeit haben, Dummheiten zu machen.“

„Sonntag? Claire hatte gehofft, du würdest über Weihnachten bleiben.“

„Keine Chance. Du weißt genau, Weihnachten ist nicht mein Ding.“

Ned beugte sich vor. „Jetzt muss ich dich mal etwas fragen, Russ. Steve und Claire beschenken an jedem Weihnachtsfest fremde Leute – und du suchst dir ein Loch zum Verkriechen, bis die Feiertage vorüber sind. Was für ein Problem hast du mit Weihnachten, Russ?“

Russ spürte einen Stich im Herzen. „Darüber möchte ich jetzt und hier nicht reden.“

Steve räusperte sich. „Übrigens, Ned, Eddie sagte, wir könnten den Saloon für deinen Junggesellenabschied reservieren, wir müssen nur rechtzeitig Bescheid sagen.“

Russ sah seinen Bruder dankbar an. Steve war vermutlich nicht mit seiner Art zu leben einverstanden, doch er würde niemandem gestatten – nicht einmal seinem besten Freund – sich in das Privatleben seines jüngeren Bruders einzumischen. Nur Steve und Claire wussten, was Weihnachten vor drei Jahren in New Mexico geschehen war, und sie hatten versprochen, es für sich zu behalten.

Ned schaute wieder zu Steve. „Klingt gut. Claire plant eine Party für Sharon, dann können wir am selben Abend feiern.“

Russ klopfte ihm auf die Schulter. „Kaum zu glauben, Ned ist bald ein verheirateter Mann!“

Ned sah ihn vielsagend an. „Das passiert den meisten von uns früher oder später. Irgendein süßes Mädchen wird auch dich über kurz oder lang einfangen, Russ.“

„Das ist so gut wie ausgeschlossen.“ In diesem Augenblick kam Jo zurück. Ein Blick auf ihr Dekolleté bot sich Russ ungewollt, als sie die Drinks abstellte, und das aufkommende Verlangen nach ihr ließ seinen Blutdruck ansteigen.

„Soll ich es aufschreiben?“

„Das wäre nett, Jo“, meinte Steve. „Sollte Andy jemals mit seiner Partie gegen Snuffy fertig werden, könnten wir noch Billard spielen. Wir haben heute unseren freien Abend. Claire und Sharon machen Weihnachtseinkäufe in Phoenix und bleiben bis morgen.“

„Fühlt euch wie zu Hause.“ Jo vermied erneuten Blickkontakt mit Russ, was sicher für beide das Beste war, doch sie stand nahe genug, dass er ihre Wärme spüren konnte.

Jo wandte sich an Steve. „Könntest du noch eine weitere Person auf eurer Geschenkeliste für Weihnachten berücksichtigen?“

Steve lachte. „Was wünschst du dir denn, Jo?“

„Es ist nicht für mich. Lucile Varnum, die Witwe, die im Nebenhaus wohnt, könnte eine nette Aufmerksamkeit gebrauchen.“

„Ich denke schon, aber es kommt auch darauf an, was für ein Geschenk es sein soll.“

„Nun, ihre alte Katze ist vor Kurzem gestorben, und nun ist sie besonders einsam. Vielleicht wisst ihr jemanden, der ein Kätzchen zu verschenken hat.“

„Steve, du hast doch neulich erzählt, dass die Katze in der Scheune so spät Junge bekommen hat, die ihr nun im Haus halten müsst, damit sie nicht erfrieren“, stellte Ned fest.

„Ihr habt wirklich kleine Katzen?“

„Ungefähr vier Wochen alt“, erklärte Steve. „Was hältst du davon, wenn wir deiner Nachbarin zwei schenken, dann könnten wenigstens zwei Geschwister zusammenbleiben?“

Russ schaute sie lange an. „Sie sollten aufpassen, gleich wird Steve versuchen, Ihnen alle fünf aufzuschwatzen – zwei für die Nachbarin und drei für Sie selbst.“

Jo betrachtete ihn eingehend. „Zwischen Schule und Arbeit bleibt mir nicht ausreichend Zeit, mich um die Kleinen kümmern zu können, sonst hätte ich sie sofort genommen. Ich vermisse Tiere sehr. Zu Hause in Montana hatten wir Hunde, Katzen, kleine Ziegen, sogar Hühner. Und natürlich Pferde.“

Ein Mädchen aus Montana, dachte er. Es machte ihn neugierig, denn er kannte bisher weder Montana noch jemanden von dort. „Wieso sind Sie hier gelandet?“

Ein Schatten von Traurigkeit erschien in ihren schönen grünen Augen. „Das College machte einen guten Eindruck und ich … Ich wollte mal sehen, was in Arizona los ist.“

Russ war sicher, dass es da noch eine Menge anderer Gründe gab, keine Frau ließ einfach alles hinter sich. Er fragte sich, ob sie vor irgendetwas geflohen war. Er selbst versuchte ja ebenfalls, vor seinen schmerzlichen Erinnerungen von New Mexico davonzulaufen.

„Die Kätzchen sind wirklich zutraulich und stubenrein“, sagte Steve.

„Das klingt perfekt für Lucile.“

„Dann ist es abgemacht.“

Jo schaute zu Russ. „Werden Sie Steve und Claire helfen?“

Er fühlte einen Stich des Bedauerns, denn sie schien zu hoffen, er würde in die Kategorie „Netter Kerl“ passen. Sie konnte die Wahrheit ebenso gut gleich erfahren. „Nein, werde ich nicht.“

„Weihnachten findet stets ohne Russ statt“, meinte Ned.

„Ich verstehe.“

Offenbar war sie keineswegs vor den Kopf gestoßen. Stattdessen sah sie ihn interessiert an.

„Es scheint, dass Andy den Billardtisch doch noch freigibt“, unterbrach Steve. „Ich bin in der richtigen Stimmung, um gegen dich zu gewinnen, Russ. Ned kann dann gegen den Gewinner spielen, und das werde ich sein!“

Russ wusste genau, was sein Bruder beabsichtigte. Nun gut, er würde sich nicht vor der Herausforderung drücken, auch wenn er sich dafür von Jo abwenden musste.

„Dann such dir schon mal ein gutes Queue aus, Steve, du wirst es brauchen!“

„Vielen Dank noch mal für die Kätzchen, Steve.“ Jo verließ den Tisch. „Wenn ihr noch eine Runde wollt, macht euch bemerkbar.“

Kaum war sie außer Hörweite, begann Steve mit der Standpauke.

„Verdammt, Russ, Jo ist kein Mädchen für deine Abenteuer.“

Russ war irritiert. „Warum regst du dich so auf? Ich habe fast mein ganzes Leben lang mit Frauen geflirtet und dich noch nie so erlebt.“

„Vielleicht, weil ich die wenigsten gekannt habe. Aber Ned und ich kommen ein paar Mal die Woche her. Jos Arbeit ist anstrengend, außerdem vermisst sie ihre Familie und hat nicht genügend Geld, um sie zu besuchen. Jo spart jeden Penny fürs Studium.“

Russ sah seinen Bruder spöttisch an. „Es gibt auch in Montana Colleges, wieso ist sie in Arizona? Wäre sie dort geblieben, würde sie ihre Familie jetzt nicht vermissen.“

„Ich vermute, dass irgendein Cowboy dort ihr Kummer gemacht hat. Aber was auch passiert ist, sie hatte immerhin die Kraft, allein hierher zu kommen, um für ihr College zu arbeiten.“

„Dann hat sie vielleicht auch genügend Kraft, um jemanden wie mich richtig zu behandeln.“

„Wenn du Beziehungen ernst nehmen würdest, hätte ich nichts dagegen, aber ich glaube nicht, dass du es tust.“

„Damit hast du wohl recht.“

„Verdammt, Russ, wann wirst du endlich …“

„Willst du gegen mich gewinnen?“ Russ stieß die ersten Kugeln heftig über den grünen Tisch. Nachdem er sie der Reihe nach versenkt hatte, beschloss er, den Tisch abzuräumen.

Als das Spiel vorbei war, grinste er seinen Bruder an. „Poolbillard zum Beispiel ist etwas, was ich sehr ernst nehme.“

2. KAPITEL

Während Jo die anderen Gäste bediente, hatte sie ständig ein Auge auf den Cowboy, der das Billardspiel so meisterhaft beherrschte. Russ mochte der wildere der Gibson-Brüder sein, aber es stand fest, dass er auch der interessantere war. Jo glaubte, in Russ so etwas wie eine verletzte Seele entdeckt zu haben, die er so gut wie möglich hinter einer wirkungsvollen Show zu verbergen versuchte – ähnlich wie sie selbst.

Wenn er hochschaute und sich ihre Blick trafen, grinste er triumphierend. Als sie zurücklächelte, verschwand der letzte Rest ihrer melancholischen Stimmung. Was auch immer er für Fehler haben mochte – er hatte einen deutlichen Vorzug: Er ließ sie allen Kummer wegen Tommy vergessen.

Nachdem Russ Steve und Ned geschlagen hatte, kamen andere Herausforderer an den Tisch, und bald hatte sich das halbe Dutzend verbliebener Gäste um den Tisch versammelt. Das Interesse an dem improvisierten Turnier schien die Leute durstig zu machen, denn mit steigender Spannung stiegen die Bestellungen und damit auch die Trinkgelder.

Jo brachte Steve eine weitere Limonade. „Dein Bruder garantiert guten Umsatz.“

„Er hat die Menschen schon immer in seinen Bann gezogen.“ Steve klang amüsiert. „Wenn ich den Pferdeschlitten fertig restauriert habe, kann ich hoffentlich Russ überreden, mit Schlittenfahrten den Touristen das Geld aus der Tasche zu ziehen.“

Jo konnte es sich vorstellen, wie Russ mit hochgeschlagenem Kragen und in die Stirn gezogenem Hut durch den Schnee kutschierte. „Ich hätte auch nichts gegen eine Schlittenfahrt einzuwenden.“

„Ich fahre dich auch, wohin du möchtest, du brauchst es nur zu sagen.“

Sie lächelte und schaute wieder zu Russ, der gerade einen großen Schluck Bier nahm, bevor er seinen nächsten Stoß anpeilte. „Du versuchst, mich von ihm fernzuhalten, nicht wahr?“

„Ja.“

„Komm, Steve, so schlecht kann er nicht sein, schließlich ist er dein Bruder.“

„Ja, und ich liebe diesen aufsässigen Kerl, aber den Frauen bringt er kein Glück. Ich möchte nicht, dass es dir ebenso geht.“

„Du bist lieb, Steve. Wenn ich einen großen Bruder hätte, müsste er genauso sein wie du.“ Dann schaute sie zu Russ, über dessen breite Schultern sich das Hemd spannte, als er sich über den Billardtisch beugte.

„Dann nimm auch einen brüderlichen Rat von mir an, Jo. Vergiss ihn. Außerdem fährt er sowieso am Sonntag zurück nach Tucson. Ich werde dafür sorgen, dass er morgen Abend nicht herkommt.“

Jo hatte das Gefühl, als hätte ihr jemand ein verlockendes Geschenk vor der Nase weggezogen. „Das war ja ein kurzer Besuch.“

„So ist er nun einmal. Es macht ihn nervös, wenn er lange an einem Platz verweilt. Selbst wenn er mir beim Beschlagen der Pferde hilft, verschwindet er alle paar Tage und verbringt eine Nacht allein in den Bergen oder draußen am Lynx Lake.“

Jo verstand diese Unruhe. Sie hatte Montana Hals über Kopf verlassen und es als ungeheure Erleichterung empfunden, in der neuen Umgebung unbekannte Menschen um sich zu haben. Seitdem sie hier lebte, hatte auch sie einige Male an dem See gezeltet, um Ruhe und Abstand zu finden.

„Vielleicht sollte ich meine Nase nicht in deine Angelegenheiten stecken“, meinte Steve, „aber du hast hier keine Angehörigen, mit denen du reden könntest. Abgesehen davon würde es mir nicht gefallen, wenn mein eigener Bruder dich ins Unglück stürzen würde.“

„Danke, dass du so besorgt um mich bist. Ich …“

Jo unterbrach sich, weil ein Cowboy mit seinem leeren Glas winkte. Sie klopfte Steve auf die Schulter. „Ich werde daran denken.“ Der arme Steve konnte nicht wissen, dass er Russ durch seine Warnungen noch interessanter für sie gemacht hatte.

An der Bar hatte Eddie eine Nachricht für Steve. Claires Auto hatte Schwierigkeiten mit dem Motor, sodass sie und Sharon nach Hause zurückgefahren waren. Die beiden Frauen erwarteten, dass ihre Männer ebenfalls nach Hause kommen würden.

Jo ging zu Steve und Ned am Billardtisch und richtete die Mitteilung aus.

„Soviel zu unserem unbegrenzten Ausgang“, grinste Steve. Er und Ned schienen nicht im geringsten verärgert zu sein.

Jo lächelte. „Keiner von euch scheint dem munteren Junggesellendasein nachzutrauern.“

„Nein“, bestätigte Steve. „Aber mein Bruder wird nicht glücklich sein, dass wir jetzt gehen müssen.“

Während Steve mit Russ sprach, kam Jo zu der Erkenntnis, dass der aufregende Teil dieses Abends vorüber war. Immerhin hatte sie ihre Traurigkeit vergessen.

Steve kam zurück, um zu bezahlen. „Dusty will eine weitere Chance, um gegen Russ zu spielen, und wird ihn nachher nach Hause fahren.“

Jo bemühte sich, ihre freudige Überraschung zu verbergen. „Oh!“

„Lass Dusty ihn zur Ranch bringen, Jo!“

Jo tat, als würde sie die Rechnung kontrollieren. „Wieso nicht?“

Steve seufzte. „Warum kommt es mir vor, als rasten zwei Züge aufeinander zu, egal, wie ich die Weichen stelle?“

Jo gab ihm die Rechnung. „Du bist ein wirklich guter Freund. Aber ich bin eine erwachsene Frau von siebenundzwanzig Jahren – und wenn ich jetzt nicht auf mich selbst aufpassen kann, dann gibt es für mich nicht viel Hoffnung.“

„Du versprichst, auf dich achtzugeben?“

„Versprochen.“ Vielleicht würde sie wirklich auf Steves Rat hören und sich von Russ fernhalten. Doch wenn Russ sie ansah, spürte sie ein Gefühl lustvoller Erwartung, von dem sie fast vergessen hatte, dass es das gab. Und wenn es für diese Erwartung eine Erfüllung geben konnte, dann war sie keinesfalls bereit, darauf zu verzichten!

Nachdem Steve und Ned gegangen waren, bestellte Dusty eine weitere Runde. Ein paar Schaulustige standen noch um den Tisch, doch der Abend neigte sich dem Ende zu.

Russ hatte sich auf das Queue gestützt und beobachtete Jo. Sie war verdammt hübsch. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie aufregend es wäre, sie in den Armen zu halten, wie seidig sich ihr Haar anfühlen würde. Jo servierte Dusty das Bier, dann ging sie um den Tisch herum zu Russ.

Russ nahm das Bier entgegen. „Sie hoffen sicher, dass wir endlich gehen, damit Sie Feierabend machen können.“

Sie schüttelte den Kopf, wobei ihre schulterlangen Haare schimmerten. „Nicht unbedingt. Wir haben sowieso noch eine Stunde geöffnet, ob Sie hierbleiben oder nicht. Außerdem hat Eddie mir schon vor einiger Zeit freigestellt zu gehen, weil so wenig los ist.“

„Also gehen Sie jetzt?“ Er konnte sein Bedauern nicht verbergen.

Sie sah ihn an. „Ich habe mich noch nicht entschieden.“

Russ wusste noch nicht genau, was er wollte, aber auf keinen Fall, dass sie jetzt schon das Lokal verließ. Er holte etwas Kleingeld aus seiner Tasche. „Würden Sie für mich ein paar Platten aus der Musikbox wählen?“

„Sicher.“

Als Jo nach den Münzen greifen wollte, umschloss er ihre Hand und hielt sie fest. Dieser erste körperliche Kontakt war elektrisierend und harmonisch zugleich.

„Ich habe noch gar nicht gesagt, was ich gern hören möchte.“

Ihre Augen strahlten ihn an. „Und was möchten Sie hören?“

„Russ, du bist dran!“, rief Dusty über den Tisch hinweg.

„Ich bin gleich da, Dusty.“ Russ hielt immer noch ihre Hand fest und streichelte leicht mit dem Daumen über ihren Handrücken, ohne sie aus den Augen zu lassen.

„Etwas Schnelles oder etwas Langsames?“

„Das überlasse ich Ihnen.“ Der Ausdruck in ihren Augen gefiel ihm, und sein Herz schlug heftiger. „Erlaubt Ihr Chef es, wenn Sie mit den Gästen tanzen?“

„Nicht während der Arbeit.“

Er gab ihre Hand frei. „Dann ist es jetzt an der Zeit, dass Sie Feierabend machen.“ Erfreut sah er, wie ihr Lächeln ihr Gesicht erhellte.

„Ja, vielleicht.“

„Entschuldigen Sie mich für eine Minute“, sagte Russ. „Ich habe noch etwas Geschäftliches zu erledigen.“ Er wandte sich dem Billardtisch zu, wobei er überlegte, das Spiel eine Weile auszusetzen. Er wollte unbedingt mit Jo tanzen, das war verlockender, als mit Dusty Billard zu spielen. Das einzige Problem war, dass Dusty ihn nach Hause fahren musste. Den ganzen Weg zur Gibson-Ranch zu Fuß zu gehen, dazu hatte er absolut keine Lust.

Als eines seiner Lieblingslieder ertönte, sah er zu den beiden anderen Cowboys, die das Spiel beobachteten. „Möchte einer von euch den Sieger dieses Spiels übernehmen?“

„Ich denke, ich würde es schaffen“, sagte einer. „Nach dem bisherigen Verlauf wirst du es wohl sein.“

„Möglich.“

„Ich kann dich immer noch besiegen, Russ“, warf Dusty ein. „Ich schätze, du willst dich drücken.“

„Kann sein.“

Es dauerte länger, als er gedacht hatte. Am Ende gelang es Dusty, die achte Kugel ins Loch zu stoßen, und triumphierend streckte er Russ die Hand entgegen.

„Das war ein verdammt gutes Spiel.“ Russ schüttelte Dustys Hand.

„Wenn ich diese beiden abserviert habe, kannst du es gern noch einmal versuchen.“

„Ich werde darauf zurückkommen.“ Das Spiel hatte so lange gedauert, dass inzwischen fast alle Platten schon gespielt waren.

Russ stellte das Queue in die Halterung zurück, nahm sein Bierglas und durchquerte den Raum. Jo saß an der Bar und unterhielt sich mit Eddie. Russ spürte einen Kloß im Hals, als er sie betrachtete. Es gab keinen Grund zur Aufregung. Ein paar Tänze, etwas Körperkontakt – all das hatte er schon hundertmal genossen, ohne eine große Sache daraus gemacht zu haben.

Er leerte sein Glas, setzte sich an die Bar und zog eine Fünf-Dollar-Note aus der Tasche. „Ich brauche noch etwas Kleingeld für die Musikbox, Eddie.“

Jo sah ihn nachdenklich an. „Sie haben gegen Dusty verloren?“

„Ich fürchte ja.“

Eddie lachte, während er die Kasse öffnete. „Dustys Spiel ist sprichwörtlich mies.“

Russ nahm das Wechselgeld, ging zur Musikbox und wählte ein paar langsame Songs. Schnelle Tänze waren gut zum Flirten, wenn man die ganze Nacht Zeit hatte, doch die hatte er nicht mehr. Er sehnte sich jedoch danach, Jo in seinen Armen zu halten.

Jos Augen glänzten, als sie ihn von der Seite ansah. „Möchten Sie noch ein Bier, Cowboy?“

Wieder spürte er diese Enge in seiner Brust, als würde er ihr eine schwerwiegende Frage stellen wollen. Er holte tief Luft. „Ich würde gern mit Ihnen tanzen, wenn Sie einverstanden sind.“

Jo sah zu Eddie. „Offiziell bin ich außer Dienst, nicht wahr?“

„Ja, viel Spaß.“

Jo legte ihren Hut auf den Tresen. „Dann können wir tanzen.“ Sie ging hinüber zu der kleinen Tanzfläche.

Es war ein Fehler, in ihre Augen zu sehen, denn er konnte den Blick nicht mehr von ihr lassen. Ihren eng an ihn geschmiegten, anmutigen Körper zu fühlen, brachte ihn um seine Selbstkontrolle. Dies ist keine große Sache, erinnerte er sich selbst erneut und bemühte sich, es auch zu glauben.

„Steve sagte, Sie campen ab und zu am Lynx Lake?“

„Und was hat mein großer Bruder noch über mich zu sagen gehabt?“ Er vertraute darauf, dass Steve keine Geschichten ausplaudern würde, doch es gab darüber hinaus noch eine Menge anderer Dinge über ihn zu erzählen.

„Sie würden Frauen nicht guttun.“

„Hast du ihm geglaubt?“

„Steve ist nicht der Typ, der sich so etwas ausdenkt, also sollte ich ihm wohl glauben.“

„Wieso bist du nicht so schnell wie möglich nach Hause gerannt, Sweetheart?“

„Ich dachte, ein oder zwei Tänze wären nicht weiter schlimm. Ich tanze nämlich gerne.“

„Ich auch.“ Das Leuchten in ihren Augen wurde intensiver, als er sie fester in den Arm nahm. Wenn Steve wüsste, was er jetzt gerade dachte, würde er ihn die Peitsche spüren lassen. „Wieso bist du von Montana hierher gekommen?“

„Wieso bleibst du nie lange an einem Ort?“, fragte sie zurück.

Er lächelte. Wie ähnlich sie ihm war. Persönliche Fragen wie diese beantwortete er ebenfalls stets mit einer Gegenfrage. „Vielleicht gefällt es mir, neue Umgebungen kennenzulernen.“

„Mir vielleicht auch.“

Er mochte ihre Art. Russ fragte sich, ob ihm ihre Art auch im Bett gefallen würde. Der Gedanke daran bedeutete schließlich noch nicht, dass er es auch herausfinden wollte.

Plötzlich war wieder dieses beengende Gefühl in ihm, als ob irgendetwas passieren würde. „Du hast den Lebensraum hier bestimmt verbessert.“

Sie errötete, doch im Gegensatz zu anderen Frauen, die nach einem Kompliment verlegen weggeschauten, sah sie ihm weiterhin in die Augen. „Das Kompliment könnte ich zurückgeben, Cowboy.“

Russ spürte, wie ihm heiß wurde. „Oh, Lady, du spielst ein gefährliches Spiel.“

„Ein harmloses Spiel macht nicht so viel Spaß.“

„Das stimmt.“

Als das Lied zu Ende war, blieben sie stehen, ohne jedoch den Blick voneinander zu lösen. Er wünschte sich, sie gleich hier küssen zu können. Doch hier, vor Eddie und den drei anderen Cowboys, war es unmöglich.

Russ zog Jos Kopf an seine Brust, als der nächste Song begann. „Für den Moment haben wir genug geredet, lass uns den Tanz genießen.“

„Hm.“ Jo schmiegte sich an ihn.

Russ überlegte, ob sie seinen Herzschlag hören konnte. Ahnte Jo, wie sehr sie ihn erregte? Irgendetwas an dieser Frau war außergewöhnlich. Er konnte sich nicht erinnern, jemals bei einem kleinen Flirt und einigen wenigen Tänzen so verrückt reagiert zu haben.

Es war nicht der Alkohol. Durch das Billardspiel hatte er gar keine Zeit gehabt, viel zu trinken. Vielleicht lag die Schuld bei Steve. Hätte er ihm nicht geraten, sich von Jo fernzuhalten, wäre er sicher nicht so interessiert gewesen, sie näher kennenzulernen. Aber war das die Erklärung dafür, was er bei jedem Blick in ihre Augen empfand? Und wieso hatte er den Eindruck, er und Jo wären wie zwei Teile eines Puzzles, die zusammengehörten?

Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, seine Wange an ihr Haar zu schmiegen. Es fühlte sich seidig an und duftete zart nach Blumen. Verträumt schloss Russ die Augen. Es gab keinen Anlass, die Gefühle zu analysieren, es gab Dinge im Leben, die jenseits des Verstandes lagen. Dieser perfekte Moment, in dem er mit einem Mädchen tanzte, dass er noch nie zuvor gesehen hatte, gehörte ganz sicher dazu.

Sie benötigten immer weniger Raum auf der Tanzfläche und bewegten sich selbst in den Pausen zu einem imaginären Rhythmus weiter.

Er fühlte einen sonderbaren Schmerz, während er sie fest an sich gepresst hielt, doch solange er nicht in ihre Augen sah und nicht ihre süße, verführerische Stimme hörte, konnte er es kontrollieren. Diese Frau war auf jeden Fall zu gut für jemanden wie ihn. Doch für die noch verbleibende Zeit konnte er seine Seele wärmen und die Trostlosigkeit vergessen, die ihm überall hin folgte.

Da tippte ihm jemand auf die Schulter, und der Zauber war verflogen.

Mit Mordgelüsten im Herzen hob er den Kopf und öffnete die Augen. Dusty stand neben ihm.

Dusty wirkte nervös. „Ich bin durch mit dem Billardspiel und würde gern losfahren.“

„Gib mir eine Minute, Dusty, ich tanze gerade mit der Lady.“

„Gut, dann nach diesem Lied.“

Russ presste die Lippen aufeinander. Meistens machte es ihm nichts aus, keinen Führerschein zu haben, doch wenn er darauf angewiesen war, von so arroganten Typen wie Dusty mitgenommen zu werden, gefiel ihm das ganz und gar nicht. Er nickte ihm kurz zu und drehte sich im Tanz so, dass er dem schmächtigen Cowboy den Rücken zuwandte. Seufzend lehnte er seine Wange wieder gegen Jos Haar und schloss die Augen.

Jo umfasste ihn fester und murmelte etwas, doch ihre Worte wurden in seinem Hemd erstickt.

Russ beugte sich hinunter. „Was hast du gesagt?“

„Ich möchte nicht, dass du gehst.“

Sein Herz hämmerte heftig gegen seine Rippen, und er überlegte, ob ihr klar war, was sie gesagt hatte.

„Ich möchte auch nicht gehen, aber Dusty fährt mich nach Hause.“

Sie hob ihren Kopf, und ihr Mund war zum Küssen nah.

„Ich könnte dich fahren.“

Er sah in diese unsagbar grünen Augen. Es wurde von Minute zu Minute schwieriger, standhaft zu bleiben. „Das glaube ich dir gern, Sweetheart, doch mein Bruder hat recht. Ich bin nicht der Typ, mit dem du dich einlassen solltest. Es ist das Beste, wenn ich mit Dusty fahre.“

„Ist es auch das, was du willst?“

Er schloss erneut die Augen und bemühte sich, ehrenhaft zu erscheinen. „Du musst dich nicht darum kümmern, was ich will.“

„Gut, dann sage ich dir, was ich möchte“, erklärte sie ruhig. „Seit langer Zeit fühle ich mich das erste Mal wieder lebendig, und dieses Gefühl möchte ich gern noch länger spüren. Egal, ob es richtig oder falsch ist, ich möchte heute Nacht nicht allein sein.“

Er sah einen Ausdruck in ihren Augen, der völlig mit dem Gefühl in seinem Herzen übereinstimmte.

„Ich kann dir keine Versprechungen machen.“

„Darum bitte ich dich auch nicht.“

Er überlegte, ob er wohl bestraft werden würde, wenn er dieser Frau das gab, was sie wollte, auch wenn er genau wusste, dass er ihr niemals mehr würde geben können.

„Sag Dusty, du hast einen anderen Chauffeur“, flüsterte sie.

Er würde sowieso in die Hölle kommen, eine Sünde mehr oder weniger würde keinen großen Unterschied machen. „Okay.“

3. KAPITEL

Das ist abenteuerlich und leichtsinnig, dachte Jo, als sie und Russ in ihren alten Transporter kletterten. Na ja, nicht vollkommen leichtsinnig, denn Russ hatte noch einen Abstecher zur Herrentoilette gemacht, und Jo wusste genau, weswegen.

Sie war zwar etwas beklommen, aber sie war auch überzeugt, dass sie es für den Rest ihres Lebens bedauern würde, wenn sie diese Nacht nicht mit ihm verbringen würde. Er gab ihr wieder das Gefühl, begehrenswert zu sein, und wie sehr sie das brauchte, war ihr überhaupt nicht bewusst gewesen.

Vielleicht war jemand wie Russ, der selbst ein trauriges Geheimnis zu haben schien, genau der Richtige, damit sie ihren Kummer vergessen konnte. Es war schon himmlisch gewesen, mit ihm zu tanzen. Jo konnte sich nur noch eine Sache vorstellen, die noch schöner sein würde. Trotzdem war sie nervös.

Sie fuhr vom Parkplatz und ließ gleich an der ersten roten Ampel den Motor ausgehen.

„Du machst das nicht oft, nicht wahr?“, fragte Russ.

Jo versuchte sich zu beruhigen und startete den Motor erneut. „Unsinn ich fahre ungefähr seit meinem zwölften Lebensjahr, die alte Bessie braucht wahrscheinlich eine Inspektion.“

„Ich habe nicht das Autofahren gemeint.“

Jo seufzte. Da er sie mühelos zu durchschauen schien, konnte sie ebenso gut ehrlich über ihren Mangel an Erfahrung reden.

„Nein.“

„Noch kannst du deine Meinung ändern.“

Jo holte tief Luft und sog die männlich-herbe Duftmischung aus Leder und After Shave ein, die den Wagen erfüllte.

„Ich habe nicht die Absicht, meine Meinung zu ändern.“

„Dann solltest du vielleicht das Licht einschalten.“

Geräuschvoll stieß sie die Luft aus und zog den Lichtschalter heraus. „Ganz hervorragend, was?“

„Ich hab’ mich nicht beschwert, Darling.“ Er schien zu lächeln.

Ihr Puls schlug unregelmäßig. Sie war in solchen Dingen nicht sehr erfahren, doch zum Glück war er es. Zu Hause würde sie sich entspannen und ihm die weitere Führung des Abends überlassen können. Der Gedanke daran machte sie ganz unruhig. Dann stotterte der Motor und ging aus, nachdem sie erneut vergessen hatte, einen Gang einzulegen.

Russ blickte auf das Armaturenbrett. „Trotzdem hoffe ich, dass du nicht allzu weit entfernt wohnst.“

„Nein, es ist nicht mehr weit. Es war wohl Schicksal, dass Dusty dich beim Billard geschlagen hat.“

„Es war vielleicht Schicksal, was mich heute Abend in den Saloon geführt hat, doch dieses Spiel zu verlieren, hatte damit nichts zu tun.“

Sie spürte ein warmes Gefühl. „Du hast absichtlich verloren?“

„Hm.“

„Ach, du liebe Güte! Dusty wird wochenlang damit angeben. Ich kann nicht glauben, dass du meinetwegen deinen Ruf als brillanter Billardspieler ruiniert hast.“ Diese Geschichte machte ihn noch begehrenswerter.

„Ich wollte unbedingt mit dir tanzen. Aber du sollst wissen, dass ich den restlichen Ablauf des Abends nicht geplant hatte. Ich wollte wirklich gehen.“

„Ich weiß. Ich …“

Ich war diejenige, die gebettelt hatte, bei mir zu bleiben, wollte sie sagen, brachte es jedoch etwas förmlicher heraus: „Ich trage die Verantwortung für deinen Sinneswandel. Wegen Steve – ich meine, falls er …“

„Mach dir keine Gedanken wegen Steve, das werde ich schon regeln.“

„Ich möchte nicht, dass Steve denkt, dass du mich ausgenutzt hast.“

„Also, kleiner Schatz, ich glaube nicht, dass du in der Lage bist, Steves Denken in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Er wird überzeugt sein, dass ich vom ersten Augenblick an nichts anderes gedacht habe.“

„Aber das hast du nicht.“

„Nun, das ist auch nicht die ganze Wahrheit. Ich hatte nur gedacht, ich wäre stark genug, um dir zu widerstehen. Scheint, dass es nicht der Fall ist.“

„Danke. Ich glaube nicht, dass ich eine weitere Zurückweisung ertragen hätte.“

„Eine weitere?“

Oh, das war ihr herausgerutscht. Nun würde sie es erklären müssen.

„Ich meinte damit nicht, dass ich heute Abend eine Abfuhr erhalten habe. Es ist etwas, was ein Jahr her ist und … Es ist mir plötzlich wieder eingefallen. Aber mehr möchte ich darüber nicht erzählen – wenn es geht.“

„Du musst nicht über etwas reden, was dich verletzt hat, wenn du nicht willst, Sweetheart. Es gibt auch in meinem Leben einige Dinge, über die ich lieber nicht spreche.“

Sie hatte geahnt, dass er sie verstehen würde. Er konnte ihr geben, was sie brauchte, ohne nach dem Warum zu fragen, denn es ging ihm ebenso. Diese eine Nacht würden sie sich Zuneigung geben, an mehr wollte sie nicht denken.

„Du wohnst allein?“, fragte er an der Haustür.

„Ja, ich schätze meinen persönlichen Freiraum.“

„Ich auch.“

Nach einigen Versuchen gelang es ihr, die Tür aufzuschließen. Die Lampe, die sie immer brennen ließ, tauchte den kleinen Raum in sanftes Licht.

Russ schaute sich um. „Es sieht sehr gemütlich aus.“

Jo sah ihn an. Sie konnte immer noch nicht ganz glauben, was passierte. Sie hatte noch nie jemanden, den sie gerade erst kennengelernt hatte, mit nach Hause gebracht.

Jo hielt die Luft an, als er sich näherte und ihr den Mantel von den Schultern zog. Sie schaute in seine dunklen Augen und hatte das Gefühl, das Blut in ihren Adern würde zu sieden beginnen.

„Es gibt tausend Möglichkeiten, alles zu vergessen, woran wir uns nicht erinnern wollen“, murmelte er. „Ich schätze, ich habe alle ausprobiert, doch diese ist mir die liebste.“ Langsam strich er mit den Fingern über ihren Nacken.

Sie hielt die Luft an und erschauerte, dann atmete sie seufzend aus.

„Das letzte Mal ist schon ziemlich lange her, nicht wahr, Sweetheart?“

Sie nickte, und ganz bestimmt wollte sie sich nicht an das letzte Mal mit Tommy erinnern.

Er öffnete den obersten Knopf ihrer Bluse. Jo schluckte. „Wollen wir ins Schlafzimmer gehen?“

„Noch nicht, Sweetheart.“ Russ ließ seine Finger zum Vorderverschluss ihres BHs gleiten. „Es gibt so viele schöne Dinge, mit denen wir gleich hier anfangen können. Und außerdem mag ich das Licht.“ Mit geübten Fingern öffnete er den BH. „Was für ein wundervoller Anblick.“ Sanft umfasste er ihre Brüste. Jo zitterte, als er langsam mit den Daumen über ihre Brustspitzen strich.

Sie schloss die Augen.

„Oh, Sweetheart, du bist ja schon völlig erregt.“

Sie sah ihn an und hatte sich noch nie so wehrlos gefühlt, noch nie hatte ein Mann sie durch einen einzigen Blick und eine kleine Berührung so erregt.

In seinem Gesicht war ein Lächeln, als er sie mit sanfter Stimme beruhigte. „Du must nicht ängstlich sein. Es ist in Ordnung, jemanden zu begehren.“

Sie schluckte. „Und du?“

„Ich begehre dich in dieser Minute und will dich weiter ausziehen. Ich möchte wissen, ob du ebenso gut schmeckst, wie du dich anfühlst.“ Er neigte den Kopf, und ihr stockte der Atem, als seine Lippen eine harte Knospe berührten.

„Hm. Mir scheint, dass ich recht habe.“ Während er mit der einen Hand weiterhin ihre Brust liebkoste, zog er mit dem anderen Arm ihre Hüften an sich.

Das intensive, rhythmische Saugen löste heftige Emotionen in Jo aus, und sie griff nach seinen Schultern. Konnte es sein, dass sie so schnell zum Höhepunkt gelangte? Doch ihr leiser Aufschrei zeigte, dass es tatsächlich so war. Seufzend und bebend klammerte sie sich an ihn.

Die Woge der Erregung hatte sie mit solch einer Macht erfasst, dass sie kaum wahrgenommen hatte, wie er während seiner Liebkosungen ihre Shorts geöffnet und ihren empfindsamsten Punkt gereizt hatte, bis sie alles um sich herum vergessen und sich von der Welle der Begierde hatte mitreißen lassen.

Langsam streichelte er ihren Bauch, seine Hand wanderte weiter zwischen ihren Brüsten bis zum Hals empor. Er sah sie an. „Jetzt können wir ins Schlafzimmer gehen.“

Sie holte tief Luft. „Ich kann nicht. Meine Knie zittern.“

„Das hör’ ich gern.“

„Es ist wahr. Wenn du mich jetzt loslässt, liege ich auf dem Boden.“

„Aber ich lass dich nicht los. Wir haben noch die ganze Nacht vor uns.“

„Ich habe immer noch meine Stiefel an. Ich bin … Das ist mir noch nie passiert … dabei hast du mich noch nicht einmal geküsst.“

„Das werde ich noch.“ Er trug sie zum Schlafzimmer. „Später.“

Er setzte sich neben sie auf das Bett und zog zuerst seine, dann ihre Stiefel aus und begann, ihren Fuß zu massieren.

„Hm, das ist gut.“ Sie war völlig entspannt.

„Natürlich ist das gut. Du bist stundenlang auf den Füßen gewesen.“ Dann massierte er den anderen Fuß.

Jo lag auf dem Bett und schnappte nach Luft. Dieser Mann verwandelte jeden Quadratzentimeter ihrer Haut in eine erogene Zone. Als sie sich erneut dem Gipfel der Lust näherte, begann sie zu stöhnen und wollte ihre Shorts abstreifen.

„Lass mich das tun, mein kleiner Liebling.“ Er zog ihre Shorts und den Slip herunter.

„Ich möchte …“

„Lass mich raten.“

Bevor sie noch wusste, wie ihr geschah, hob er ihre Knie über seine Schultern und liebkoste hingebungsvoll ihre intimste Stelle.

„Gut … geraten“, flüsterte sie. Himmel, dieser Mann war wirklich ein Künstler. Immer wieder trieb er sie bis an den Rand der Ekstase, um dann sekundenlang aufzuhören. Kaum, dass sie sich ein wenig beruhigt hatte, begann er dieses Spiel aufs Neue – bis sie um Erlösung bettelte. Er gab ihr, wonach sie sich sehnte, und endlich schrie sie ihre leidenschaftliche Erregung aus tiefster Seele heraus.

Während sie völlig erschöpft nach Atem rang und seufzte, glitten seine Lippen langsam aufwärts, bis er ihren Mund erreicht hatte. Als seine Lippen ihre berührten, küsste er sie mit einer derartigen Intensität, als wolle er diesen Moment für alle Ewigkeit ihrem Gedächtnis einprägen.

Dann hob er den Kopf. „Geh nicht fort.“

Sie lächelte schwach. „Das könnte ich gar nicht.“

Er stand auf und entkleidete sich ohne Hast oder die geringste Eitelkeit. Abgesehen von einer dunklen Narbe auf seiner Brust, die jedoch fast ganz von feinem lockigen Haar verdeckt war, war sein Körper makellos. Seine Schultern waren breit, die Arme kräftig und muskulös, die Hüften schmal.

Ohne die geringste Verlegenheit nahm er ein Kondom aus seiner Jeanstasche und streifte es über.

Sie hatte noch nie einen Mann getroffen, der so selbstverständlich mit der Sexualität umging und der jeden Moment des Zusammenseins so offensichtlich genoss. Dieser Cowboy, dachte Jo, ist von der Sorte, die morgens aufwacht und gleich wieder mit Sex beginnt. Zum Glück hatte sie keinen Unterricht am nächsten Tag. Vielleicht konnte sie sogar jemanden finden, der sie am Abend im Saloon vertreten würde. Steve hatte gesagt, Russ würde am Sonntag abreisen. Wenn es nach ihr ginge, würde er ihr Bett vorher nicht wieder verlassen.

Russ hatte sich gründlich geirrt. Er hatte eine aufregende Nacht verbringen wollen, doch er hatte nicht damit gerechnet, dass er den Verstand verlieren und so verrückt nach dieser Frau sein würde. Jo war noch viel liebevoller und erregender, als er sich in seinen wildesten Träumen vorgestellt hatte. Er kam auf Ideen, die er nicht haben sollte.

Er hätte sofort wieder gehen sollen, aber dazu fehlte ihm die Kraft. Er musste dieses Verlangen stillen, dass er hatte, seitdem er mit ihr aus der Bar gekommen war. Jetzt war ihm klar, es würde schwer sein, ihr Bett so einfach wieder zu verlassen.

Er betrachtete sie eingehend und wusste, dass er diesen Anblick lange Zeit nicht vergessen würde. Während er seinen Körper behutsam über ihren schob, stellte er fest, dass sein Verlangen beinahe übermächtig war. Das war nicht gut. Er würde einen Moment lang innehalten und sich selbst versichern müssen, dass er die Situation völlig unter Kontrolle hatte. Doch als er in ihre Augen sah, warnte ihn ein flaues Gefühl im Magen, dass er sich bereits stärker engagiert hatte, als er es wollte.

Dann umrahmte Jo sein Gesicht mit den Händen, und er genoss diese sanfte Berührung genauso wie ihren zärtlichen Blick, der verriet, wie sehr sie sich auf alles freute, was noch kommen würde. Er küsste ihre Handfläche, dann die Innenseite ihres Armes entlang bis hinauf zur Schulter. Sein Herz klopfte heftig, als sich ihre Lippen trafen.

Das ist kein normaler Kuss, dachte er. Das war nicht so vorgesehen. Er konnte sich an keine Frau erinnern, deren Lippen so weich waren und so gut schmeckten. Er musste sich regelrecht zwingen, den Kopf zu heben und den Kuss zu beenden.

Ihre Hände glitten seinen Rücken hinab und hielten seine Hüften fest. Dann bog sie sich ihm entgegen.

Mit einem Stöhnen gab er das Denken auf und glitt in sie hinein. Es fiel ihm schwer zu atmen, und seine Augen brannten, als ihm klar wurde, dass dies genau das Gefühl sein musste, das in sämtlichen Liebesliedern beschrieben wurde. Er war immer überzeugt gewesen, dass diese Lieder nur etwas vorgaukelten, denn bis jetzt hatte er so etwas noch nie verspürt.

Wenn er Glück hatte, fühlte nur er so, und Jo empfand vielleicht nichts als körperliches Vergnügen.

Er schaute sie an und konzentrierte sich darauf, ihr genau das zu geben. Danach würde er aus ihrem Leben verschwinden, bevor er anfing, Dinge zu erhoffen, auf die er kein Recht hatte.

„Es gefällt mir, wenn du mich ansiehst“, murmelte sie.

Ihm gefiel es auch – etwas zu sehr. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, und sie atmete schnell. Er musste sie erneut küssen, und in gleichmäßigem Rhythmus bewegte er sich, um sie zum Höhepunkt zu bringen. Sollte dies das einzige Mal sein, dass er sie liebte, dann wollte er so perfekt wie möglich sein.

Die Anspannung ließ ihn erzittern, ihre Körper waren schweißnass. Er löste seine Lippen von ihrem Mund, um in ihre Augen zu blicken, die vor Leidenschaft verdunkelt waren.

„Oh, Russ!“

Die Art, wie sie seinen Namen aussprach, traf ihn wie ein Blitz. Noch niemals vorher hatte er soviel Freude dabei empfunden, eine Frau zu beglücken. Ein paar ganz bestimmte Worte gingen ihm durch den Kopf. Er besaß gerade noch genügend Selbstbeherrschung, sie nicht auszusprechen.

„Gefällt es dir, Darling?“ Den ganzen Abend über hatte er bewusst vermieden, sie mit ihrem Namen anzureden, das war seine Methode, Distanz zu wahren.

„Ja, ja!“ Ihre Augen wurden groß, als sie sich aufbäumte und sich dem überwältigendem Gefühl hingab.

Das war für ihn das Zeichen, seiner Begierde freien Lauf zu lassen. Er erreichte den erschöpfendsten Höhepunkt seines Lebens. Und gedämpft hörte er sich selbst den Namen stöhnen, den er die ganze Zeit über so sorgsam vermieden hatte auszusprechen.

Als Jo erwachte, war das Schlafzimmer dunkel. Sie vermisste Russ’ Arme, die sie umfangen hatten, als sie in tiefen, erfüllten Schlaf gefallen war. Der Wecker zeigte drei Uhr morgens, und das Bett neben ihr war leer.

Einen Augenblick blieb sie still liegen und horchte nach Geräuschen, die verraten würden, dass er noch in der Wohnung wäre, doch es herrschte absolute Stille. Seine Kleidungsstücke waren fort, das Licht im Wohnzimmer ausgeschaltet. Ungläubig stand sie auf und machte sich auf die Suche.

Nichts, nicht die kleinste Notiz. Jo konnte es nicht glauben. Ein gefühlvoller Mann wie er hätte sie nicht wortlos mitten in der Nacht verlassen sollen. Sie hatte diesen liebevollen Ausdruck in seinen Augen gesehen, und ihr war nicht entgangen, mit wie viel Gefühl er ihren Namen ausgesprochen hatte.

Sie hatte nicht erwartet, dass er ihr ewige Liebe schwören würde, das war genau die Art von Peinlichkeit, die sie nicht gewollt hätte und der Grund, weswegen sie sich instinktiv zu einem Mann wie Russ hingezogen fühlte. Keiner von ihnen hatte wegen einer leidenschaftlichen Nacht eine Beziehung beginnen wollen.

Doch sie hatte wenigstens erwartet, dass er bis zum Frühstück bleiben würde. Außerdem hatte er keinen Wagen, also blieb ihm nur die Möglichkeit, zu Fuß zur Ranch zu gehen oder per Anhalter zu fahren, doch um diese Zeit würden sicher nicht viele Autofahrer unterwegs sein. Er hatte es wohl kaum erwarten können, nach Hause zu kommen, wenn er den Fußmarsch in Kauf genommen hatte.

Jo ging zurück ins Schlafzimmer, ließ sich auf das Bett fallen und starrte an die Decke.

Es machte keinen Sinn.

Er war mehr als geneigt gewesen, die Nacht mit ihr zu verbringen, und er schien auch nicht der Typ zu sein, der das Interesse in dem Moment verlor, wo er sein Ziel erreicht hatte. Sie hatten eine unvergessliche Zeit miteinander verbracht, und sie hatte gehofft, diese ein bisschen verlängern zu können. Sie hatte ihn nicht mit Geschwätz über ewige Liebe verjagt – also, wo lag sein Problem?

Sie würde es herausfinden. Sie würde ihren Stolz unterdrücken und Steve nach den Gründen fragen. Sie schluckte. Diese besondere Nacht mit einer schlechten Erinnerung abzuschließen, würde alles nur schlimmer machen.

4. KAPITEL

Russ ging dem Geräusch nach und fand Steve im Stall.

Sein Bruder sah hoch. „Na, hast du Dusty das Prahlen abgewöhnt?“

Russ hasste das, was nun kommen würde. Doch es war an der Zeit, für das, was er getan hatte, geradezustehen. „Ich habe ihn gewinnen lassen.“

Steve hielt inne. „Es muss äußerst unangenehm gewesen sein, ihm die ganze Heimfahrt über zuzuhören.“

„Du solltest es lieber gleich von mir hören als von jemand anderem – ich bin mit Jo nach Hause gefahren.“

Schweigend schob Steve den Hut in den Nacken und seufzte. „Ich hätte dich nicht zurücklassen sollen.“

„Das wäre wohl besser gewesen.“

„Wie bist du nach Haus gekommen, ich habe gar keinen Wagen gehört?“

„Zu Fuß.“

Aufgebracht stach Steve die Forke ins Heu. „Zu Fuß? Was zum Teufel hast du mit ihr gemacht, dass sie dich nicht einmal hergefahren hat?“

„Als ich gegangen bin, schlief sie noch.“

„Du hast dich davongeschlichen?“

Es war Russ ganz recht, dass Steve so wütend war. Wenn er darüber nachdachte, wie sich Jo an diesem Morgen fühlen musste, dann hatte er es verdient. „Du hattest recht mit deiner Meinung über sie, großer Bruder. Sie ist eine außergewöhnliche Frau. Von ihr wegzugehen, war mit das Schmerzlichste in meinem Leben, doch es musste sein.“

„Ich möchte gern wissen, warum du erst mit ihr nach Hause gehen musstest. Du hättest doch wissen müssen, dass es so enden würde.“

Russ fühlte sich schuldig. „Ich weiß, es war eine Dummheit, doch das sollte dich bei mir nicht überraschen. Ich dachte, ich könnte ein paar schöne Stunden mit ihr haben, doch es war mir nicht klar … Ach, verdammt, ich sollte keine Entschuldigung suchen. Ich werde gleich bei Ned anrufen und mit ihm und Sharon nach Phoenix fahren. Von dort kann ich den Bus nehmen.“

„Das ist wieder typisch, so ohne Nachricht abzuhauen!“

Russ biss die Zähne zusammen. „Es gäbe nur eine Erklärung für mein Verhalten, die ich ihr geben könnte, und das habe ich beim besten Willen nicht vor. Also ist Flucht der einzige Ausweg. Es ist besser, sie jetzt auf diese Weise zu verletzen, als alles noch schlimmer zu machen!“

„Glaubst du, nach dem, was mit Sarah passiert ist, hast du das Recht, dich so zu benehmen?“

„Nein, was mit Sarah passiert ist, gibt mir überhaupt keine Rechte, schon gar nicht, wenn man eine Frau wie Jo trifft. Jo ist die liebenswerteste, netteste, entzückendste…“ Die Worte waren nur so aus ihm herausgesprudelt, und er wusste, dass er schon zu viel gesagt hatte.

Steves sah ihn mitfühlend an. „Es hat dich erwischt, nicht?“

Steves Wut hatte Russ ertragen können, doch nicht diese plötzliche Anteilnahme.

„Fahr nicht heute schon, kleiner Bruder. Lass mich dich zu Jo fahren. Erzähl ihr, welcher Teufel dich geritten hat.“

„Keine Chance.“

„Was mit Sarah passierte, war furchtbar. Doch deswegen kannst du dich nicht bis in alle Ewigkeit vor dem Leben verkriechen oder glauben, du könntest nie wieder ernsthaft etwas für eine Frau empfinden. Es ist das Verkehrteste, was du tun kannst.“

„Für dich ist es leicht, so zu reden! Du warst nicht da draußen auf der Landstraße. Du hast nicht gesehen, was dein kleiner Bruder einer schönen, unschuldigen, jungen Frau angetan hat!“

„Nein, ich war nicht dabei. Aber ich bin hier und sehe, was du dir selbst antust, und das ist nicht richtig. Gerade jemand wie Jo Cassidy könnte in der Lage sein, dich aus dieser Hölle, in der du lebst, herauszuholen.“

Russ spürte Sehnsucht nach ihr, doch er bekämpfte dieses Gefühl, ...

Autor

Maureen Child
<p>Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
Mehr erfahren
Jo Ann Algermissen
<p>Am 27. August 1942 wurde Jo Ann Algermissen als Jo Ann Hudson geboren. Sie war jahrelang als Erzieherin tätig. Sie heiratete Henry C. Algermissen und sie hatten zusammen zwei Kinder. Sie starb am 20. November 2009 in Texas.</p>
Mehr erfahren

Gefahren

  • Dieses Produkt enthält keine bekannten Gefahren.

Kontakt zum Herausgeber für weitere Informationen zur Barrierefreiheit

  • Weitere Informationen zur Barrierefreiheit unserer Produkte erhalten Sie unter info@cora.de.

Navigation

  • Dieses E-Book enthält ein Inhaltsverzeichnis mit Hyperlinks, um die Navigation zu allen Abschnitten und Kapiteln innerhalb dieses E-Books zu erleichtern.