Bianca Exklusiv Band 254

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NUR EIN DATE MIT DIR von WILKINS, GINA
Ein Necken hier, ein Kompliment dort - fast alle ihr männlichen Gäste flirten mit der hübschen Kellnerin Teresa. Doch nur der charmante Reporter Riley lässt ihr Herz schneller schlagen. Aber mehr als ein unverbindliches Date scheint er nicht von ihr zu wollen …

DIE GEFÄHRLICHE KREUZFAHRT von WILSON, MARY ANNE
Er ist nicht ihr Mann, sondern nur zu ihrem Schutz auf dieser weihnachtlichen Kreuzfahrt engagiert. Aber trotz allem, was sie trennt, fühlt Shelley sich immer mehr zu dem starken Lucas Jordon hingezogen - bis die Gefahr, vor der sie geflohen ist, sie erneut einholt …

HAUPTGEWINN: TRAUMMANN von SAFREY, JEN
Wer hat bloß den Lotto-Jackpot geknackt? Pizzaverkäuferin Acey will unbedingt herausfinden, wer der Glückspilz ist, zumal er in ihrer Nähe wohnen soll. Da trifft sie auf ihren neuen Nachbarn Harry Wells. Traumhaft attraktiv - und verdächtig verschlossen beim Thema Geld …


  • Erscheinungstag 30.01.2015
  • Bandnummer 0254
  • ISBN / Artikelnummer 9783733730161
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Gina Wilkins, Mary Anne Wilson, Jen Safrey

BIANCA EXKLUSIV BAND 254

GINA WILKINS

Nur ein Date mit dir

Nichts geht Reporter Riley über seine Freiheit. Deswegen will er auch nicht mehr als ein Date mit Teresa, der attraktiven Kellnerin des Rainbow Cafés. Bis er sich zufällig mit ihren beiden Kindern anfreundet. Und alle drei kurz darauf in seine Nachbarschaft ziehen. Auf einmal ist Teresa ihm so unglaublich nah … und unglaublich wichtig …

MARY ANNE WILSON

Die gefährliche Kreuzfahrt

Auf einer Kreuzfahrt die Anwältin beschützen, die für den Mörder seines Kollegen einen Freispruch erwirkt hat? Unliebsamer könnte ein Auftrag für Lucas nicht sein. Doch Shelley ist unerwartet reizend. So reizend, dass es eines Abends zwischen ihnen knistert und Lucas einen Kuss lang alles vergisst. Auch dass sie bei den Ermittlungen als Lockvögel dienen …

JEN SAFREY

Hauptgewinn: Traummann

Die Welt der Reichen in Texas vergessen und ein glücklicher Niemand sein – das will der Millionär Harrison Wells in New York. Er mietet sich ein Apartment, knüpft Kontakte zu den Nachbarn und nennt sich Harry. Alles läuft perfekt – bis er sich in die süße Acey verliebt. Denn die scheint aus genau den Gründen an ihm interessiert, die ihn aus Texas vertrieben …

1. KAPITEL

Der Mann mit den wachsamen grauen Augen war wieder da zum Frühstück – bereits zum dritten Mal während Teresas erster Woche als Kellnerin im Rainbow Café. Er benahm sich stets recht anständig, aber etwas an ihm machte sie nervös.

Er flirtete mit ihr auf eine freche Art, die sie vermuten ließ, dass er sich über sie lustig machte. Was fand er an ihr so amüsant? War er so überheblich, dass er eine Serviererin in einem Kleinstadtlokal für unter seinem intellektuellen Niveau hielt? Er sieht so aus, dachte sie und schalt sich dann, dass sie einen Menschen verurteilte, den sie gar nicht richtig kannte.

„Was kann ich dir heute Morgen bringen?“, erkundigte sie sich.

Er hatte noch nie die Speisekarte aufgeschlagen und dennoch stets die Bestellung parat. „Das Omelett Denver mit einer Extraportion Soße und Kaffee.“

„Brötchen oder Toast?“

„Toast. Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du wie Grace Kelly aussiehst?“

„Sicher. Ich werde ständig mit verstorbenen Filmstar-Prinzessinnen verglichen“, erwiderte sie lässig. „Ich bringe gleich den Kaffee.“

Auf dem Rückweg legte sie einige Stopps an anderen Tischen ein. Zwei ältere Herren, die sich jeden Morgen zum Frühstück trafen, flirteten heftig mit ihr, als sie ihnen Kaffee nachschenkte. Sie wehrte ihre Neckereien gelassen ab.

Die meisten Gäste waren durchaus angenehm und freundlich. Andere verhielten sich anzüglich und einige geradezu ungehobelt. Da sie schon lange als Kellnerin arbeitete, wusste sie mit ihnen umzugehen. Doch der Mann, der sich ihr nur als Riley vorgestellt hatte, passte in keine der Kategorien. Er machte sie einfach nervös.

„Du lässt dir doch von den Schmeicheleien der Burschen nicht den Kopf verdrehen, oder?“, fragte er, als sie mit der Kaffeekanne an seinen Tisch trat. „Der alte Ernie hält sich für Romeo. Bestimmt hat er dir schon mehrere Anträge gemacht.“

Sie füllte seine Tasse. „Die beiden scheinen sehr nett zu sein.“

Sein Lächeln wirkte wieder einmal spöttisch. „Sagst du das von jedem, den du hier bedienst?“

„Von jedem nicht“, entgegnete sie bedeutungsvoll. „Ich sehe mal nach deinem Frühstück.“

In der Küche stellte sie die Kaffeekanne mit einem dumpfen Knall ab und murrte: „Dieser Mensch ist einfach merkwürdig.“

Shameka Cooper blickte von den Würstchen auf, die in einer riesigen Pfanne brutzelten. „Welcher Mensch?“

„Etwa dreißig, braune Haare, graue Augen, eingebildet.“

„Das klingt nach Riley O’Neal.“

„Ja, er hat gesagt, dass er Riley heißt. Ist er ein Blödmann, oder habe ich nur einen schlechten Eindruck von ihm gewonnen?“

Shameka schmunzelte. „Ach, Riley ist ein Schatz, der wie ein Blödmann wirkt. Meistens möchte man ihn umarmen, aber gelegentlich möchte man ihm einfach eine kleben.“

Teresa konnte sich nicht vorstellen, ihn zu umarmen. „Er gibt sich so selbstgefällig. Als wüsste er etwas, das ich nicht weiß. Etwas, das er amüsant findet.“

„Das ist typisch für Riley. Deswegen mögen manche ihn nicht. Ich persönlich bin immer gut mit ihm ausgekommen. Er ist nicht halb so zynisch, wie er tut. Er meint nur, es gehört zu seinem Image als hartgesottener Reporter.“

„Er ist Reporter?“ Kein Wunder, dass er sich so gelangweilt und weltklug gab.

„Sicher. Er arbeitet für den Evening Star. Das macht uns gewissermaßen zu Arbeitskollegen. Denn Marjorie gehört nicht nur dieses Lokal, sondern eigentlich auch die Zeitung, obwohl ihre Tochter und ihr Schwiegersohn sie herausbringen.“

„Na, großartig.“ Marjorie Schaffer, die Mutter von Teresas bester Freundin Serena, hegte gewiss eine Schwäche für den lässig-charmanten Reporter.

„Du wirst ihn mögen, wenn du ihn erst mal kennst“, versicherte Shameka mit einem breiten Lächeln. „Fast jeder mag ihn. Lass dich von ihm nur nicht auf den Arm nehmen. Hier ist sein Frühstück.“

Während Teresa den gefüllten Teller entgegennahm, bezweifelte sie ernsthaft, dass sie sich jemals mit Riley O’Neal anfreunden würde.

Riley fühlte sich missverstandenen von den Einwohnern in seiner kleinen Heimatstadt in Arkansas, denn es kursierten zahlreiche irrige Annahmen über ihn.

Einige Leute hielten ihn für faul, was er natürlich nicht war. Er führte nur seine Arbeit überwiegend im Kopf aus. Andere sahen seinen spitzen Humor als Beweis für eine zynische Natur an. Er selbst sah sich eher als einen humorvollen Beobachter menschlicher Schwächen. Manche nannten ihn ungehobelt und taktlos, doch er bemühte sich nur, ehrlich zu sein.

Von vielen als Einzelgänger tituliert, legte er einfach nur Wert auf seine Privatsphäre. Er brauchte Ruhe und Frieden für seine Schreiberei. Wenn ihm nach Gesellschaft zumute war, suchte er welche. Also war er kein Einzelgänger, oder?

Edstown war nicht sehr groß, und er hatte fast sein ganzes Leben dort verbracht. Daher und wegen seines Berufs als Reporter kannte er fast alle Einheimischen. Auch sie kannten ihn gut genug, um ihn in Ruhe zu lassen, während er im Rainbow Café die Zeitung las und frühstückte. Er kannte die Besitzerin Marjorie Schaffer seit Langem und fühlte sich in ihrem Lokal beinahe so behaglich wie in seiner eigenen Küche.

Normalerweise verschanzte er sich hinter der Zeitung, sobald er Platz genommen hatte. Es war ein effektiver Weg, unliebsamen Gesprächen zu entgehen, und außerdem genoss er es wirklich, die Zeitung zu lesen. Er wusste das kleine Lokalblättchen zu schätzen, von dem er lebte – die wenigen aktuellen Nachrichten auf der Titelseite, Tratsch und Bagatellen im Innenteil, die Kochrezepte von einer achtzigjährigen ehemaligen Lehrerin, die Sportseiten von verschiedenen Schülern der Highschool. Der Evening Star besaß seinen eigenen Charme, seinen festen Platz in der Stadt, doch es war die überregionale Morgenzeitung, die Riley studierte, um mit dem Rest der Welt verbunden zu bleiben.

Für gewöhnlich suchte er das Lokal nicht öfter als zwei oder drei Mal im Monat auf, doch in dieser Woche war er bereits zum dritten Mal dort. Denn die neue Kellnerin hatte es ihm angetan. Ihr schulterlanges dunkelblondes Haar wies goldene Strähnen auf und war fest im Nacken zusammengebunden. Klare blaue Augen, von langen, kunstvoll getuschten Wimpern umrahmt, dominierten ihr herzförmiges Gesicht. Ihre Nase war gerade und perfekt proportioniert, und sie brauchte keine Kosmetik, um ihre rosigen Lippen zu betonen. Ihr Kinn war ein wenig spitz, um objektiv zu sein, aber ihm gefiel das Grübchen dort.

Seine Zeitung war momentan vergessen, als er ihr nachblickte. Nette Figur, dachte er nicht zum ersten Mal. Nicht zu dünn – der knochige Supermodeltyp hatte ihn nie gereizt. Passend zu der ungezwungenen Atmosphäre des Lokals trug sie Jeans, eine langärmelige weiße Baumwollbluse und Turnschuhe. Die Jeans passten ausgezeichnet, wie ihm auffiel, als sein Blick auf ihrem wohlgerundeten Po landete.

Er vermutete, dass sie in seinem Alter war, Anfang dreißig. Sie trug keinen Ehering und keinen anderen Schmuck außer einer schlichten Armbanduhr. Sie war neu in der Stadt und kannte vermutlich noch nicht viele Leute. Irgendwann einmal, wenn er in der Stimmung war, wollte er mit ihr ausgehen, obwohl sie ihn bisher nicht gerade ermutigt hatte.

Schnell kehrte sie mit seinem Frühstück zurück. „Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“

Ein halbes Dutzend frecher Antworten kam ihm in den Sinn. Flirten fiel ihm leicht, und zahlreiche Frauen gingen bereitwillig drauf ein. Gerade weil Teresa eine anzügliche Bemerkung zu erwarten schien, erwiderte er höflich: „Danke, im Moment nicht.“

„Ich schenke dir nachher Kaffee nach.“

„Danke. Wie heißt du eigentlich mit Nachnamen, Teresa?“ Das hätte er eigentlich längst in Erfahrung bringen müssen.

„Scott. Entschuldige mich bitte. Meine anderen Kunden verlangen nach mir.“

Besonders freundlich ist sie nicht gerade, sinnierte er, als sie sich abwandte. Höflich durchaus, aber nur so weit, wie es ihr Job erforderte. Er fasste es als Herausforderung auf.

Er lächelte. Wenn es nicht allzu viel Einsatz von seiner Seite erforderte, genoss er gelegentlich eine Herausforderung.

„Also, hast du dir die hübsche neue Kellnerin drüben im Rainbow Café schon angesehen?“, erkundigte sich Bud O’Neal am Sonntagnachmittag bei seinem einzigen Neffen.

Riley deutete mit dem Kopf zum Fernseher. „Ich versuche, mir das Rennen anzusehen, Bud.“

„Sie fahren doch gerade unter gelber Flagge. Du verpasst nichts, wenn du meine Frage beantwortest. Hast du die neue Kellnerin schon gesehen?“

Riley löste den Blick vom Bildschirm und strich sich durch das Haar. „Ich habe sie gesehen.“

„Das habe ich gehört.“

Ärgerlich schüttelte Riley den Kopf. „Warum fragst du dann?“

„Ich habe gehört, dass du plötzlich Stammgast in dem Laden geworden bist. Manche Leute behaupten, du hättest Probleme, die hübsche Kellnerin aus den Augen zu lassen.“

„Tja, wir wissen doch beide, dass die Leute in dieser Stadt nichts lieber tun, als Klatsch aus dem Nichts zu fabrizieren.“ Betont wandte Riley sich wieder dem NASCAR-Rennen zu, um das Gespräch als beendet zu signalisieren.

„Dir haben schon immer langbeinige Blondinen mit großen Augen gefallen“, meinte Bud gedehnt.

Riley seufzte laut. „Was soll ich dazu sagen? Ich gebe zu, dass sie hübsch anzusehen ist. Vielleicht habe ich ein paar Mal mit ihr geflirtet. Aber sie hat mir beinahe Frostbeulen mit diesen großen, kalten Augen verpasst. Wenn du dich also genügend über mich lustig gemacht hast, dann lass uns das Rennen weiter ansehen.“

„Sie hat dich abgewiesen? Was stimmt mit ihr denn nicht?“

„Mit ihr stimmt alles, soweit ich weiß. Sie ist einfach nicht interessiert. Und ich bin nicht der Ladykiller, für den du mich zu halten scheinst.“

Bud schnaubte. „Ich habe noch keine Frau erlebt, die nicht anbeißt, wenn du dich richtig ins Zeug legst. Also kann ich nur annehmen, dass die hübsche Kellnerin für dich nicht die Mühe wert ist.“

„Würdest du bitte aufhören, sie die hübsche Kellnerin zu nennen? Sie hat einen Namen. Teresa.“

Buds buschige stahlgraue Augenbrauen schossen in die Höhe. „Nicht, dass du interessiert wärst“, murmelte er.

„Sieh dir lieber das Rennen an.“

Bud wusste, dass er genug gesagt hatte. Er faltete die Hände vor seinem Bauch und lehnte sich auf der Couch zurück. Seine Füße lagen wie Rileys auf dem zerkratzten Tisch. Sie saßen im Wohnraum von Buds Wohnwagen, den er aus der zweiten Scheidung vor fünf Jahren gerettet hatte.

Riley und Bud kamen häufig zusammen, da sie die einzigen Familienmitglieder waren, die noch in Edstown lebten. Der fünfundsechzigjährige Bud hatte keine Kinder und daher stets ein väterliches Interesse an dem einzigen Sohn seines einzigen Bruders gehegt, vor allem seit Rileys Eltern sich vor fast zehn Jahren in Florida zur Ruhe gesetzt hatten.

Während Riley die Wagen mit den bunten Reklameaufschriften im Auge behielt, erkundigte er sich: „Wie geht es R. L.? Ich habe ihn kaum gesehen, seit er sich aus der Versicherungsbranche zurückgezogen hat.“

„Wir gehen am Mittwoch angeln. Willst du mitkommen?“

„Nein, danke. Ich plane auszuschlafen.“

„Weichei“, murmelte Bud schmunzelnd.

„He, es ist schon Mitte September und im Morgengrauen eiskalt draußen auf dem See. Ich will nicht riskieren, dass mir gewisse Körperteile abfrieren. Ich brauche sie noch.“

Bud lachte. „Dir wird nicht kalt, wenn du dich richtig anziehst. Und gegen Mittag wird es immer noch regelrecht heiß.“

„Danke, aber es ist einfach nicht mein Ding. Ich wünsche euch beiden viel Spaß.“

„Den werden wir wohl haben. Aber natürlich wird Truman uns fehlen.“

Riley nickte ernst. Er wusste nie, was er sagen sollte, wenn Bud den Namen ansprach.

Truman Kellogg, fünfzig Jahre lang praktisch untrennbar von Bud O’Neal und R. L. Hightower, war vor acht Monaten bei einem Hausbrand ums Leben gekommen. Seitdem war Bud nicht mehr derselbe.

Zwang der Tod seines Kumpels ihn, an seine eigene Sterblichkeit zu denken? Oder vermisste er ihn einfach? Die Freundschaft hatte die Schulzeit, Buds und R. L.s Ehen und Scheidungen, den Tod von Trumans Frau vor mehreren Jahren, gute und schlechte finanzielle Zeiten überdauert. Da war es wohl nur natürlich, dass den beiden der Verlust nahe ging.

„Soll ich nicht mal ein gutes Wort für dich bei der hübschen Kellnerin einlegen? Ich wette, ich könnte sie davon überzeugen, dass du nicht so schlimm bist, wie du auf sie wirkst.“

„Halt dich aus meinem Liebesleben raus.“

„Welches Liebesleben denn? Mir scheint, dass du alle Hilfe brauchst, die du nur kriegen kannst. Willst du noch was trinken?“

„Nein. Und ich meine es ernst. Sag ja kein Wort zu Teresa.“

Bud grinste nur, während er in die Küche eilte.

Riley war nach einem Interview mit dem Bürgermeister gerade auf dem Weg zur Zeitung, als er Teresa Scott mit finsterer Miene neben einem alten Auto am Straßenrand stehen sah. Prompt lenkte er seinen Zweisitzer auf den Seitenstreifen.

„Sieht aus, als hättest du ein Problem“, sagte er, während er ausstieg.

Ihre resignierte Miene verriet, dass sie nicht besonders angetan von seinem Auftauchen war.

„Ich werde damit fertig. Ich habe nur einen Platten.“

Er schob die Hände in die Taschen seiner Jeans. „Hast du schon mal einen Reifen gewechselt?“

„Ein Mal.“

„Mach den Kofferraum auf.“ Er zog sich die dünne Lederjacke aus und warf sie in seinen Wagen. „Ich hoffe, du hast einen Wagenheber und einen Ersatzreifen.“

„Ich habe beides, und ich bin durchaus fähig, den Reifen selbst zu wechseln.“

„Davon bin ich überzeugt. Aber da ich nun mal hier bin, und da ich hoffe, dich mit meiner Tüchtigkeit zu beeindrucken – ganz zu schweigen von meiner Ritterlichkeit – biete ich liebend gern meine Dienste an.“

„Aber ich …“

„Ohne Haken“, fügte er hinzu. „Du brauchst mir nicht mal zu danken, wenn du nicht willst. Mach den Kofferraum auf, ja?“

Sie seufzte und steckte den Schlüssel ins Schloss. „Ich will nicht undankbar wirken. Ich bin es nur gewohnt, mich selbst um meine Probleme zu kümmern.“

„Ach, wirklich?“ Er beugte sich in den Kofferraum, der so sauber war, als würde sie ihn zweimal pro Woche reinigen.

„Ja. Es ist einfacher so.“

„Da stimme ich zu. Achte darauf, wie meine Muskeln spielen, wenn ich den Ersatzreifen mühelos heraushebe.“

Aus den Augenwinkeln sah er, wie sie ein Lächeln unterdrückte. „Sehr eindrucksvoll“, sagte sie trocken.

„Empfindest du etwas dabei?“

„Ja. Es macht mich froh, dass du ihn heraushebst und nicht ich.“

„Nicht gerade die Reaktion, auf die ich gehofft hatte“, erwiderte er gespielt niedergeschlagen und kniete sich neben den Platten. „Da ist das Problem.“ Er deutete zu einer großen Metallschraube im Gummi.

„Eine Schraube?“

„Hattest du erwartet, dass jemand den Reifen aufgeschlitzt hat?“

„Natürlich nicht.“ Sie wirkte eher verärgert als amüsiert über seine Hänselei.

Eine Weile später gestand Teresa widerstrebend ein: „Du machst das sehr gut. Ich hätte wesentlich länger gebraucht.“

Er schwang den Schraubenschlüssel mit übertriebener Kraft. „Als Kind wollte ich immer Mechaniker in einem NASCAR-Team werden.“

„Wieso hast du es dir anders überlegt?“

„Ich habe festgestellt, dass es harte Arbeit bedeutet. Mit viel Schweiß und Schmutz und so. Das ist nichts für mich. Jetzt bin ich damit zufrieden, mir die Rennen im Fernsehen anzusehen.“

Sie blickte ihn an, so als wäre sie nicht sicher, ob er scherzte. „Du hast also deinen Kindheitstraum aus Faulheit aufgegeben?“

„Genau. Schreiben ist wesentlich einfacher. Dabei breche ich selten in Schweiß aus.“

„Ich würde meinen, dass es ein recht fordernder Beruf ist, als Reporter für die Lokalzeitung zu schreiben.“

Er lachte. „Für den Evening Star? Wirkliche Schlagzeilen gibt es in diesem Nest höchstens einmal im Monat, und wir berichten zu zweit darüber. Es ist nur ein Teilzeitjob für mich, der mir Zeit für andere Interessen lässt.“

„Ich habe gehört, dass du einen Roman schreibst.“

Riley blickte sie über die Schulter an. Hatte sie sich nach ihm erkundigt? Die Vorstellung gefiel ihm. „Wirklich?“

„Marjorie hat es mir erzählt.“ Ihr Achselzucken wirkte ernüchternd. „Sie erzählt mir von jedem, der ins Lokal kommt.“

„Harmloser Klatsch ist ihre Lieblingsbeschäftigung.“ Er zog die letzte Radmutter an. „So, das war es.“

„Ich weiß das sehr zu schätzen. Vielen Dank, Riley.“

„Gern geschehen.“

Er packte das Werkzeug und den platten Reifen in den Kofferraum und schloss die Klappe. Und dann, weil er wusste, dass sie einen Flirt von ihm erwartete, ging er zu seinem Wagen. „Fahr vorsichtig, Teresa. Wir sehen uns.“

Sie wirkte immer noch verblüfft, als er den Motor startete. Grinsend fuhr er davon. Es hatte ihm nie gefallen, berechenbar zu sein. Aber irgendwann würde er wieder mit ihr flirten. Es amüsierte ihn zu sehr, um widerstehen zu können.

2. KAPITEL

Riley hatte Zurückweisung nie gut verkraftet. Er gestand sich freimütig ein, dass er daran gewöhnt war, seinen Kopf durchzusetzen.

Als verwöhntes Einzelkind älterer Eltern und der einzige Enkel in der Familie hatte er nie um Aufmerksamkeit oder Zuneigung buhlen müssen. Gute Zensuren wie Freunde waren ihm in der Schule zugeflogen, und er besaß genügend Geld aus der Erbschaft seiner verstorbenen Großeltern, um behaglich, wenn auch nicht verschwenderisch leben zu können.

Sein Job beim Evening Star war kaum lukrativ, machte ihm aber Spaß. Er zwang ihn, regelmäßig mit anderen zu tun zu haben, und wirkte seiner Neigung entgegen, sich allein mit seinen Büchern, seiner Musik und seiner Fantasie zu verkriechen. Und doch blieb ihm genug Freiraum zu tun, was er wollte. Er war bekannt dafür, dass er tagelang in seinem Haus verschwand, ohne sich blicken zu lassen, sofern er bei der Zeitung nicht gebraucht wurde.

Vermutlich war es seine Abneigung gegen Zurückweisung, die ihn abhielt, seinen Roman einem Verleger anzubieten. Er glaubte zwar an sein Talent, fürchtete aber, wie die meisten Schriftsteller zunächst abgewiesen zu werden. Also redete er sich ein, dass er nur zu seinem eigenen Vergnügen schrieb.

Ebenso ungern riskierte er Körbe von Frauen. Daher sprach er für gewöhnlich nur dann Einladungen aus, wenn er ziemlich sicher war, dass sie auch angenommen wurden. Seine Erfolgsrate auf diesem Gebiet war jedenfalls recht hoch.

Teresa Scott drohte diese eindrucksvolle Statistik zu ruinieren.

In den vergangenen zwei Wochen hatte er sie dreimal eingeladen. Obwohl sie sich seit dem Reifenwechsel freundlicher verhielt, hatte sie ihn jedes Mal abgewiesen. Höflich, ja sogar amüsiert, aber entschieden.

Statt sich zu ärgern oder entmutigen zu lassen, sah er es allmählich als unterhaltsam an. Also fragte er weiterhin, nur um ihre Reaktion zu beobachten. Und vielleicht änderte sie irgendwann ihre Ansicht, wenn er beharrlich blieb.

Sie füllte seine Kaffeetasse am Freitagmorgen, beinahe drei Wochen nach ihrer ersten Begegnung. „Was möchtest du heute?“

„Ein Date mit dir. Wie wäre es heute Abend?“

„Heute Abend lackiere ich mir die Fingernägel. Was möchtest du essen?“

Er schmunzelte. „Mir ist heute nach Haferbrei mit Obst. Wie sieht es morgen Abend aus? Hast du dann Zeit?“

„Nein. Dann lackiere ich meine Fußnägel passend zu den Fingernägeln. Ich gehe die Bestellung aufgeben.“

Er war ziemlich sicher, dass er einen Anflug von Belustigung in ihren Augen gesehen hatte. Vielleicht hatte er sie noch nicht gewonnen, aber sie fand ihn unterhaltsam. Das war immerhin ein Anfang.

„Hallo, Riley.“

Er blickte auf und lächelte. „Hallo, Chief. Was gibt es?“

Polizeichef Dan Meadows sank auf den Platz gegenüber von Riley. „Lindsey berichtet heute Morgen über eine Veranstaltung in der Realschule. Deshalb bin ich allein zum Frühstück.“

Riley schüttelte sich theatralisch. „Irgendein hohes Tier vom Ministerium für Bildung hält eine Rede, und ein Haufen Sechstklässler führt ein Musical auf. Lindsey hat mir den Auftrag angeboten, aber ich habe ihn ihr überlassen.“

Dan schmunzelte. „Sehr nobel von dir.“

„Das finde ich auch. Ich bin verdammt froh, dass du sie geheiratet und überredet hast, hier zu bleiben, statt einen Job bei einer der großen Zeitungen anzunehmen. Wenn sie gegangen wäre, müsste ich mir jetzt einen Haufen Kinder anhören, die falsch trällern.“

„Stets gern zu Diensten“, erwiderte Dan belustigt.

Teresa trat mit Rileys Frühstück an den Tisch und wandte sich an Dan, der sie neugierig musterte. „Guten Morgen. Möchten Sie die Speisekarte?“

„Nicht nötig. Ich nehme Rührei mit Schinken.“

„Brötchen oder Toast?“

„Toast.“

Riley blickte von einem zum anderen. „Seid ihr euch schon vorgestellt worden? Nein? Teresa Scott, das ist Dan Meadows.“

„Es freut mich, Sie kennenzulernen, Ms Scott.“

„Ebenso, Mr Meadows.“

„Chief Meadows“, korrigierte Riley. „Dan ist der Polizeichef von Edstown.“

„Tatsächlich?“

„Ja, Madam. Falls ich irgendetwas für Sie tun kann, lassen Sie es mich wissen, ja?“

Sie nickte. „Nun, tatsächlich habe ich bereits eine verdächtige Gestalt angetroffen, seit ich hierher gezogen bin.“

„Wer ist das? Jemand, auf den ich ein Auge halten sollte?“

„Es sieht so aus, als ob Sie das schon tun“, erwiderte sie mit einem bedeutungsvollen Blick zu Riley. „Ich bringe Ihnen gleich Ihren Kaffee, Chief.“

Dan schmunzelte, als Teresa ging. „Ich glaube, sie hat dich gerade abblitzen lassen.“

„Nicht zum ersten Mal.“

„Sie scheint nett zu sein.“

Riley nickte und begann zu essen.

„Hübsch außerdem.“

„Das ist mir nicht entgangen.“

„Hast du sie eingeladen?“

„Ja.“

„Und?“

„Mir jedes Mal die Finger verbrannt.“

Dan schmunzelte. „Aha. Hübsch und intelligent.“

Teresa kehrte mit einer Tasse Kaffee zurück. „Ihr Frühstück kommt gleich.“

„He, Teresa, in Little Rock findet nächstes Wochenende ein Sinfoniekonzert statt. Willst du mit mir hingehen?“, fragte Riley.

„Tut mir leid. An dem Abend wasche ich mir die Haare.“

„Ich habe nicht gesagt, an welchem Abend das Konzert stattfindet.“

„Und ich habe nicht gesagt, an welchem Abend ich mir die Haare wasche.“

Dan schüttelte grinsend den Kopf, als sie sich entfernte. „Oh, Mann, die hat es dir aber gegeben.“

„Schon, aber hast du ihre Augen gesehen? Sie hat Nein gesagt, aber eigentlich wollte sie sagen …“

„Nein, zum Teufel“, warf Dan ein.

Riley schnaubte über den Einwurf. „Mach dich nur über mich lustig, aber ich glaube, ich gehe ihr schon ein bisschen unter die Haut.“

„Ach ja?“ Dan blickte zu Teresa auf, als sie sein Frühstück servierte. „Riley glaubt, dass er Ihnen unter die Haut geht.“

„Er hat recht“, murmelte sie. „Er geht mir entschieden auf die Nerven.“

„Darüber sollten wir reden“, schlug Riley vor. „Wie wäre es mit heute Abend?“

„Tut mir leid. Heute Abend werde ich krank sein. Entschuldigt mich bitte.“

„Ich glaube, ich mag sie“, murmelte Dan anerkennend.

„Hilf mir bitte trotzdem, den Dolch aus meiner Brust zu ziehen, ja?“

„Den Dolch? Ist es nicht eher ein Pfeil von Amor?“

„Sehr witzig. Lass dein Frühstück nicht kalt werden.“

Gehorsam griff Dan zu seiner Gabel, doch seine Augen funkelten vor Belustigung.

Unwillkürlich freute Teresa sich stets, wenn Riley O’Neal zum Frühstück kam. Sie fühlte sich nicht besonders geschmeichelt von seinen Einladungen, denn sie vermutete, dass er sich jeder einigermaßen attraktiven Frau zu nähern versuchte. Aber es war trotzdem nett, Anerkennung im Blick eines attraktiven Mannes zu sehen.

„Ich glaube, er ist in dich verliebt“, eröffnete Marjorie Schaffer.

Teresa rümpfte die Nase. „Der alte Ernie? Ich glaube, er macht jeder Frau einen Antrag, die ihm über den Weg läuft.“

„Natürlich. Bei mir macht er es mindestens zweimal pro Woche. Aber ich meine Riley O’Neal. Jedem ist aufgefallen, dass er fast täglich kommt, um mit dir zu flirten.“

„Riley flirtet genauso gewohnheitsmäßig wie der alte Ernie. Ich nehme beide nicht ernst.“

„Er kommt auffällig oft, seit du hier bist. Früher war er höchstens zweimal im Monat hier. Jetzt sind es drei oder vier Male in der Woche.“

„Wirklich?“ Das überraschte Teresa. Sie hatte angenommen, dass er schon lange Stammgast war. Vielleicht war es doch ein wenig schmeichelhaft. Sie hob ein beladenes Tablett und ging zur Tür.

Sie dachte immer noch an Marjories Worte, als sie einige Minuten später mit einer Kaffeekanne an Rileys Nachbartisch trat. Vielleicht lag ihm wirklich daran, mit ihr auszugehen. Nicht, dass sie in der Lage war, sich mit jemandem einzulassen, aber es gab ihr etwas zum Träumen.

Während sie die Tassen nachschenkte, konnte sie nicht umhin, Rileys Gespräch aufzuschnappen.

„Ich hoffe, Lindsey hat Spaß an der Schulaufführung. Ich würde lieber Dreck fressen, als mir die Gören anzuhören.“

Dan schmunzelte. „Du bist in Wirklichkeit gar nicht so gegen Kinder, wie du immer vorgibst.“

„Nein. Sie sind ganz okay, solange ich nicht miterleben muss, wie sie singen oder tanzen oder Theater spielen. Und solange ich nicht ein Flugzeug mit ihnen teilen muss, oder ein Kino oder ein Restaurant oder …“

Lachend warf Dan ein: „Okay, ich verstehe schon.“

Ebenso erging es Teresa. Sie redete sich ein, dass sie nicht wirklich enttäuscht war. Sie hatte nicht ernsthaft erwogen, mit ihm auszugehen. Momentan war sie nicht interessiert, mit irgendjemandem zu gehen.

Sie schenkte zunächst dem Polizeichef und dann Riley Kaffee nach. „Kann ich den Herren sonst noch etwas bringen?“

„Ich übernehme die Rechnung“, sagte Riley. „Ich halte mir den Polizeichef gern warm für den Fall, dass ich jemals einen Strafzettel vernichtet haben muss oder so.“

„Ich wünschte, du würdest so etwas nicht sagen“, wandte Dan recht aufgebracht ein. „Leute, die mich nicht kennen, könnten glauben, dass ich wirklich bestechlich bin.“

Teresa lächelte. „Keine Sorge, Chief. Ich nehme sehr wenig von dem ernst, was er sagt.“

„Ich habe doch gesagt, dass sie intelligent ist“, sagte Dan zu Riley, der Teresa übertrieben bekümmert anblickte.

„Wenn Sie sonst nichts mehr brauchen, hole ich die Rechnung“, verkündete sie.

„Bist du sicher, dass du es dir nicht noch mal überlegen willst mit der Einladung für heute Abend?“

„Ganz sicher“, erwiderte sie in derart kühlem Ton, dass das Lächeln auf seinem Gesicht erfror.

Diesmal war es kein Vielleicht, kein humorvolles Geplänkel, sondern ein regelrechtes Nein, und es ließ keinen Zweifel daran, dass es niemals ein Date – oder irgendetwas anderes – zwischen ihnen geben würde.

Es war nicht Rileys Gewohnheit, mit Kindern zu sprechen. Einerseits wusste er nie genau, was er zu ihnen sagen sollte. Andererseits reagierten Eltern mit Misstrauen, wenn Fremde sich ihrem Nachwuchs näherten – zu Recht natürlich. Daher erschien es ihm sicherer, sich von den Gören fernzuhalten.

An einem angenehm kühlen Nachmittag in der ersten Oktoberwoche saß er mit einem Buch auf einer Bank im Stadtpark, als sich ihm ein stupsnasiger Bengel näherte.

„Hi“, sagte der Junge.

Riley legte das Taschenbuch auf den Schoß. Er musterte den Jungen, der etwa zehn Jahre alt war, und kam zu dem Schluss, dass er ihn noch nie gesehen hatte. „Hi.“

„Was machst du da?“

Riley saß auf der Bank, mit dem Gesicht zu dem kleinen hübschen Teich, der den Mittelpunkt des Parks bildete. Hinter ihm auf dem Tisch befanden sich die Überreste eines Hamburgers mit Pommes. Er nutzte einen angenehm warmen Tag, um zu picknicken, zu lesen und mit der Natur zu kommunizieren. Aber der Junge versuchte, ein Gespräch in Gang zu bringen. „Ich mache eine Pause von der Arbeit. Und was tust du?“

„Ich will die Enten füttern.“ Der Junge hielt eine durchsichtige Plastiktüte voller Brotkrumen hoch.

Riley blickte zum See. Mehrere Enten, die den Jungen offensichtlich als eine vielversprechende Nahrungsquelle ansahen, hatten sich lärmend am Ufer versammelte. „Das wird ihnen bestimmt gefallen. Wieso bist du nicht in der Schule?“

„Heute ist keine Schule“, erklärte der Junge glücklich. „Heute ist Lehrerkonferenz.“

Riley blickte sich nach den wenigen anderen Parkbesuchern um, von denen niemand auf den Jungen zu achten schien. „Du bist doch nicht allein hier, oder?“

„Nein. Mein Babysitter ist bei mir. Na ja, sie ist gerade mit meiner kleinen Schwester auf dem Klo. Ich soll auf sie warten, weil Maggie immer wütend wird, wenn ich die Enten ohne sie füttere.“

„Maggie ist deine Schwester?“

„Ja. Ich heiße Mark.“

Riley reichte ihm die Hand. „Es freut mich, dich kennenzulernen, Mark. Ich bin Riley.“

Mark schüttelte ihm ernst die Hand. „Ich freue mich auch. Jetzt bist du kein Fremder mehr, und ich darf mit dir reden.“

Riley schmunzelte unwillkürlich. „Waren wir nicht vorhin noch Fremde, als du mich angesprochen hast?“

Mark dachte nur einen kurzen Moment darüber nach, bevor er unbekümmert entgegnete: „Da war ich nur höflich.“

Obwohl ihn die kindliche Logik amüsierte, hielt Riley einen klugen Rat für angebracht. „Vielleicht ist es besser, wenn du nicht ganz so höflich bist, wenn dein Babysitter nicht dabei ist.“

„Ich spreche nicht mit schlimmen Fremden, nur mit netten.“

„Aber …“ Riley verstummte und holte tief Luft. Der Knirps schien für alles eine Ausrede zu haben und musste seine Eltern ständig auf Trab halten.

„Mark spricht schon wieder mit einem Fremden! Das sage ich Mom!“, rief eine hohe Stimme hinter ihnen.

Trotzig reckte Mark das Kinn vor. „Er ist gar kein Fremder. Er heißt Riley und er ist mein Freund.“

Riley kannte den Teenager bei Marks blonder, blauäugiger Schwester. „Hallo, Jenny.“

Ihre stark geschminkten Augen leuchteten auf. „Hallo, Riley. Was machst du denn hier?“

„Ihr kennt euch“, stellte Mark erfreut fest.

„Sicher. Ich kannte Jenny schon, als sie noch kleiner war als du.“

„Er ist mal mit meiner großen Schwester gegangen.“ Jenny kicherte. „Aber sie hat mit ihm Schluss gemacht, weil er nicht heiraten wollte.“

Riley räusperte sich und wechselte hastig das Thema. „Du hast heute also auch schulfrei?“

„Ja. Wir alle. Deshalb verdiene ich mir was und passe auf die Kinder meiner Nachbarin auf.“

Mark und Maggie waren bereits ans grasige Ufer zu den erwartungsvollen Enten gerannt, die sich quakend um das Futter stritten.

„Ich verstehe ja nicht viel von Kindern“, sagte Riley zu Jenny, „aber vielleicht solltest du etwas mehr auf Mark achten. Er ist sehr gesprächig gegenüber Fremden.“

Jenny seufzte. „Ich weiß. Er redet gern und interessiert sich für alles und jeden. Seine Mom meint, dass er wahrscheinlich mal Politiker oder so wird, weil er mit jedem reden will, den er sieht. Ich habe ihm gesagt, dass er bei den Toiletten warten soll. Aber dann hat er dich wohl gesehen und konnte nicht widerstehen. Ich rede nachher mit ihm darüber.“

„Gut. Er muss wissen, dass er nicht einfach mit jedem seltsamen Vogel im Park reden darf.“

Jenny kicherte. „Du bist doch kein seltsamer Vogel.“

„Deine Schwester könnte anderer Meinung sein.“

„He, Riley!“, rief Mark. „Willst du auch die Enten füttern?“

Riley griff nach dem Rest seines Hamburgerbrötchens. „Enten füttern ist zufällig meine Lieblingsbeschäftigung.“

Dass er keine Kinder mochte, war ein weiteres verbreitetes Missverständnis. Er trachtete zwar nicht unbedingt nach ihrer Gesellschaft und verbrachte folglich nicht viel Zeit mit ihnen, aber er hegte dennoch keine Abneigung.

Er genoss die Entenfütterung durchaus. Mark plapperte unaufhaltsam, bombardierte Riley mit Fragen und witzigen Kommentaren. Maggie, die zunächst schüchtern wirkte, taute zusehends auf und behandelte Riley bald wie einen langjährigen Freund.

Niedliche Kids, dachte er. Wenn mehr Kinder so unterhaltsam und wohlerzogen wären wie diese zwei, würde er ihnen nicht so häufig aus dem Weg gehen.

Trotzdem verkündete er bald: „Ich muss gehen. Ich habe heute Nachmittag viel zu tun.“

Jenny blickte zur Uhr. „Oje, wir auch. Eure Mom kommt bald nach Hause.“

„Grüß deine Familie, Jenny“, sagte Riley, als sie den Park verließen.

„Mach ich. Tschüs, Riley.“

„Tschüs, Riley“, plapperte Maggie nach.

„Bis bald, Riley!“, rief Mark über die Schulter.

„Ja, bis bald.“ Es war eine Kleinstadt, und vielleicht liefen sie sich wirklich schon bald wieder über den Weg.

Niedliche Kids, dachte er erneut, während er vom Parkplatz fuhr. Ihrer Eltern machten offensichtlich etwas richtig mit der Erziehung. Manche Leute schienen Talent dafür zu haben. Zufällig gehörte er nicht zu ihnen. Für ihn bedeuteten Kinder zu viel Verantwortung und Druck.

3. KAPITEL

Aus irgendeinem Grund weilten Rileys Gedanken bei vergangenen Ereignissen, als er das Footballstadion der Highschool betrat.

Es war einige Monate her, seit der junge Eddie Stamps wegen Brandstiftung verhaftet und somit einer Serie von Feuersbrünsten ein Ende gesetzt worden war. Die meisten der betroffenen Gebäude hatten leer gestanden, sodass eher Ärgernisse als ernsthafte Gefahren für die Gemeinde entstanden waren.

Zwei der Fälle waren jedoch anders gelagert. Das Hightower-Versicherungsgebäude war bis auf die Grundmauern niedergebrannt, wobei wertvolle Akten und teure Büroausstattung zerstört worden waren. Fünf Angestellte hatten ihren Arbeitsplatz verloren, da R. L. Hightower sich aufgrund des Zwischenfalls zur Ruhe gesetzt hatte.

Das schrecklichste Unglück hatte sich Mitte Januar ereignet. Eine kleine Jagdhütte in den Wäldern nahe der Stadt war abgebrannt, und dabei war Truman Kellogg an Rauchvergiftung gestorben.

In diesem Fall gab es im Gegensatz zu den anderen Bränden keinen klaren Beweis für Brandstiftung. Die Ursache war noch immer ungeklärt. Es war ein seltsamer Zufall, dass Truman sich in dieser Nacht überhaupt in seiner Jagdhütte aufgehalten hatte. In den vergangenen Jahren war er nur selten hingefahren und fast nie zu jener Jahreszeit.

Eddie Stamps hatte die harmlosen Brände gestanden, aber die Verantwortung für die Versicherungsgesellschaft und die Jagdhütte geleugnet. Die meisten Einheimischen und auch die Polizei hielten ihn auch in diesen Fällen für schuldig und vermuteten, dass er lediglich ein höheres Strafmaß verhindern wollte.

Seit Eddies Verhaftung passierte in der Stadt nicht mehr viel, worüber die beiden Reporter des Evening Star berichten konnten. Zu Rileys regelmäßigen Aufgaben zählte die Berichterstattung über Stadtratsitzungen und Sportereignisse sowie eine zweimal wöchentlich erscheinende Kolumne mit bissigen politischen und gesellschaftlichen Kommentaren.

Die Kolumne war eine Idee des leitenden Redakteurs Cameron North. Zuerst hatte es Riley widerstrebt, sich an die Anforderungen einer regelmäßigen Kolumne zu binden. Doch inzwischen machte es ihm wider Erwarten Spaß. Es gab ihm die Gelegenheit, einige Seitenhiebe auf den Bürgermeister, den Stadtrat, die Schulbehörde und hochgestellte Einwohner abzuschießen. Nicht einmal seine Freunde waren sicher vor seinen Spitzen.

Der Stadtverordnete trat mit verärgerter Miene zu Riley. „Ihre heutige Kolumne ist nicht gerade fair. Dass der Oberste Gerichtshof die Stadtverordnung gestürzt hat, bedeutet nicht, dass ich nichts von meinem Job verstehe. Ich habe ehrlich geglaubt, dass sie vor Gericht standhalten würde.“

„Ich bitte Sie, Dwayne, jeder Geschäftsmann in der Stadt beklagt sich seit zwei Jahren, dass die Verordnung ungesetzlich ist. Dass Sie und der Bürgermeister einen Amtsrichter – wohlbemerkt einen Golfpartner des Bürgermeisters – überredet haben, sie zu unterstützen, macht sie noch nicht legal. Wie der Oberste Gerichtshof ausdrücklich klargestellt hat.“

Dwaynes Miene verfinsterte sich noch mehr. „Genau davon rede ich. Sie können einem Richter nicht vorwerfen, durch eine langjährige Bekanntschaft mit dem Bürgermeister parteiisch zu sein.“

„Natürlich kann ich. Vor allem, wenn es wahr ist.“

„Verdammt, Riley …“

„Vorsicht, Dwayne. Wir haben unschuldige Zuhörer.“ Geschickt wich Riley einer Horde Kinder aus, die rücksichtslos zu den Verkaufsständen hinter ihnen stürmten, und ging weiter, bevor Dwayne sich weiter aufregen konnte.

„Riley!“ Ein blonder Junge in modisch übergroßer Kleidung stürmte auf ihn zu, gefolgt von einer kleineren weiblichen Gestalt. „Hallo. Kennst du uns noch?“

„Natürlich. Mark und Maggie. Es freut mich, euch zu sehen.“

„Wir holen uns was zu trinken und Popcorn.“ Mark wedelte mit einem Fünfdollarschein. „Mom hält uns die Plätze frei. Sie hat gesagt, wir sollen dicht zusammenbleiben und mit niemand reden.“

„Du redest aber mit mir.“

„Ja, aber das ist was anderes. Wir kennen dich.“

„Trotzdem solltet ihr euch beeilen und zu eurer Mom zurückgehen, bevor sie sich Sorgen macht. Wir sehen uns später, okay?“

„Okay.“

Riley ging weiter zu den Tribünen. Er war nicht beauftragt, über das Spiel zu berichten. Ein Oberklässler mit Ambitionen zum Sportreporter hatte dieses Privileg für sich in Anspruch genommen. Aber Riley mochte Football und war ein loyaler Fan der Edstown Eagles. Er ließ sich selten ein Heimspiel entgehen, selbst wenn er nicht für die Teilnahme bezahlt wurde.

Die Zuschauer waren bereits in Hochstimmung. Die Band spielte laut, wenn auch nicht fehlerhaft. In Rot und Gold gekleidete Cheerleader hüpften und riefen im Sprechchor. Die Stimme eines Ansagers dröhnte aus knisternden Lautsprechern. Die Gerüche von frischem Popcorn, Hotdogs, Kaffee und Kakao lagen in der kühlen Luft. Teenager stolzierten kichernd in Grüppchen umher und versuchten, das andere Geschlecht zu beeindrucken.

Manche Dinge, dachte er, ändern sich nie.

Im Vorübergehen nickte er Bekannten zu, während er sich über ausgestreckte Beine einen Weg zu einer fast unbesetzten Bank bahnte. Behutsam sank er auf das kalte Aluminium, blickte sich um, stutzte und lächelte dann.

Wenige Schritte entfernt saß Teresa. Sie sah sehr hübsch aus in enger Jeans, weißem Pullover und roter Jacke. Ihre Aufmerksamkeit galt dem Tanz der Cheerleader. Sie schien allein in der lärmenden Menge zu sein. Riley rückte näher zu ihr und wartete darauf, dass sie ihn bemerkte.

Sie blickte zur Uhr und drehte sich dann um, so als suchte sie jemanden. Er runzelte die Stirn. Vielleicht war sie doch nicht allein.

Als sie ihn schließlich erblickte, zog sie überrascht die Augenbrauen hoch. „Hallo“, sagte sie tonlos, wie zu einem Fremden.

Hastig lächelte er sie an. „Hi.“

Sie blickte über die Schulter und murmelte etwas, das er wegen des Geräuschpegels um sie her nicht verstehen konnte.

Er hob die Stimme. „Wartest du auf jemanden?“

„Allerdings.“

Deswegen hatte sie seine Einladungen also ausgeschlagen. Sie ging mit jemand anderem. Er konnte es verkraften, aber es gefiel ihm nicht. „Jemand, den ich kenne?“

„Nein. Ich …“

Scheinbar aus dem Nichts tauchte Mark auf, stellte sich vor Riley und hielt ihm einen Pappkarton voll Popcorn hin. „Willst du?“

„Ich hab was Süßes gekauft.“ Maggie lehnte sich an Rileys Knie und lächelte ihn kokett an. „Willst du ein Smartie? Du kannst ein blaues haben. Die sind am schönsten.“

„Danke, Maggie. Dir auch, Mark. Aber ich habe momentan wirklich keinen Appetit. Solltet ihr nicht zu euren Plätzen gehen? Das Spiel fängt gleich an.“

Mark sank auf die Bank zwischen Riley und Teresa. „Ich will hier sitzen.“

„Aber ich will bei Riley sitzen“, protestierte Maggie.

Er fragte sich, wo ihre Eltern sein mochten, und blickte zu Teresa. Sie wirkte völlig verblüfft. Er konnte es ihr nicht verdenken. Natürlich hatte sie nicht erwartet, dass er von zwei plappernden Kindern heimgesucht wurde.

Maggie starrte Mark wütend an und sagte dann zu Teresa: „Sag ihm, dass er mich da sitzen lassen soll.“

Trotzig rückte Mark noch näher zu Riley. „Du kannst bei Mom sitzen.“

„Das ist nicht fair. Mommy!“

Den Blick auf Rileys Gesicht geheftet, murmelte Teresa zerstreut: „Mark, Maggie, das reicht.“

„Soll das heißen …“, begann Riley.

„Wie hast du …“, setzte Teresa gleichzeitig an. Dann verstummten beide.

Maggie beendete den Streit mit Mark, indem sie auf Rileys Schoß kletterte und sich an seine Brust lehnte. „Machst du mir das auf?“, bat sie und hielt ihm das Röhrchen hin.

Anscheinend hatte er unverhofft eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Kinder entwickelt. Das letzte Mal, als eine Achtjährige auf seinem Schoß gesessen hatte, war er im selben Alter gewesen, und Debbie Glover hatte ihn zu küssen versucht. Diese Szene war beinahe ebenso peinlich.

Erneut setzte Teresa über den Lärm hinweg an: „Riley, wann hast du meine …“

„Bitte erheben Sie sich für die Nationalhymne“, dröhnte die Stimme des Ansagers aus den Lautsprechern.

„Steh auf, Mom“, drängte Mark und sprang auf.

Riley stellte Maggie auf die Bank neben sich und erhob sich. Teresa beugte sich dicht zu ihm. „Wo hast du meine Kinder kennengelernt?“

„Neulich im Park. Aber ich wusste nicht, dass es deine sind. Ich wusste nicht mal, dass du überhaupt Kinder hast.“

„Pst“, flüsterte Maggie laut. „Ihr dürft bei der Hymne nicht reden. Mein Lehrer sagt, dass es respektlos ist.“

Gehorsam verstummten Riley und Teresa, doch sie bedachten einander mit forschenden Blicken. Er versuchte zu ergründen, wie es möglich war, dass er sie seit fast einem Monat kannte und nichts von ihren Kindern erfahren hatte.

Da Klatsch eine beliebte Beschäftigung in dieser typischen Kleinstadt war, hörte er stets alles über jeden. Doch Teresa war neu in der Stadt und offensichtlich noch nicht in die Gemeinde integriert. Mit Ausnahme des Reifenwechsels hatte er sie bislang nirgendwo anders als im Rainbow Café gesehen.

Aber warum hatte Marjorie ihm nichts von den Kindern gesagt? Sie hatte ihm nur mitgeteilt, dass Teresa eine Studienfreundin ihrer Tochter Serena war und sich auf der Suche nach einem Job an sie gewandt hatte.

Nun fragte er sich, ob Marjorie ihm die Kinder vorsätzlich verschwiegen hatte, da sie von seiner Politik gegen Beziehungen mit Müttern wusste. Ihm war nicht entgangen, dass sie ihm Teresa schmackhaft zu machen versuchte. Sie war eine notorische Ehestifterin und hoffte seit Langem, ihn verkuppeln zu können. Aber er hätte nie gedacht, dass die nette, weichherzige, wohlmeinende Dame regelrecht verschlagen sein konnte.

Als die beiden Teams auf das Spielfeld stürmten, setzte Riley sich wieder. Prompt ließ Maggie sich auf sein Knie fallen.

„Maggie, Mr O’Neal möchte sich das Spiel ansehen“, wandte Teresa ein. „Komm auf meinen Schoß.“

„Hier kann ich besser sehen.“

„Aber …“

„Schon gut, Teresa“, wehrte er ab. „Ich schicke sie zu dir, wenn mein Bein einschläft.“

In den nächsten Minuten ging Riley geduldig auf Marks Fragen zum Spielverlauf und Maggies Geplapper ein. Es fiel ihm jedoch schwer, sich auf das Spiel zu konzentrieren, während die beiden Kids um seine Aufmerksamkeit wetteiferten. Außerdem wurde ihm bewusst, dass er einiges Aufsehen unter den Zuschauern erregte, und dass es in Kürze zum Stadtgespräch werden würde.

Bis zur Halbzeit hielt er durch. Inzwischen war Maggie eingeschlafen – ebenso wie sein linker Arm. Mark, gelangweilt vom Spiel, hatte einen Gameboy aus Teresas Handtasche geholt und verfolgte eifrig Pokémons.

„Ich sollte jetzt in die Pressebox gehen“, verkündete Riley und deponierte Maggie auf Teresas Schoß. „Ich muss nachsehen, ob der Sportreporter von der Highschool meine Hilfe braucht.“ Was zum Teil der Wahrheit entsprach. Er hatte versprochen, die Notizen durchzulesen, aber nicht unbedingt während des Spiels.

„Kommst du wieder? Kann ich mitkommen?“, fragte Mark.

„Nein“, erwiderte Teresa entschieden, bevor Riley antworten konnte. „Wir gehen jetzt auch.“

„Wieso? Das Spiel ist doch noch gar nicht vorbei.“

„Deine Schwester ist müde. Unser Team führt mit drei Touchdowns. Und du hast sowieso nicht zugeschaut.“

Hastig versteckte er den Gameboy hinter dem Rücken. „Hab ich wohl!“

„Wir gehen, Mark. Ende der Diskussion.“

Riley verabschiedete sich und machte sich auf den Weg zur Pressebox. Mehrmals wurde er von Bekannten aufgehalten. Einer fragte, ob er an die hübsche Kellnerin heranzukommen suchte, indem er nett zu ihren Kindern war. Ein anderer wollte wissen, ob ihm die Rolle als Stiefvater gefiel.

Eine Frau, die eine ebenso begeisterte Kupplerin wie Marjorie und eine doppelt so große Klatschbase war, teilte ihm mit: „Ein schlafendes Kind auf dem Schoß steht Ihnen ausgezeichnet. Ich wusste immer, dass Sie mal einen guten Vater abgeben.“

Hastig entfloh Riley – nicht zur Pressebox, sondern zu seinem Wagen. Sollten die Eagles ohne seine Anfeuerungsrufe zurechtkommen. Er musste eine Weile allein sein.

4. KAPITEL

„Es ist echt nett von dir, dass du mitkommst“, sagte Teresa zu Marjorie, als sie am Samstagnachmittag zur Besichtigung einer Doppelhaushälfte fuhren, die zu vermieten war.

Teresa hatte samstags frei und Jenny für ein paar Stunden zu den Kindern kommen lassen, um auf Wohnungssuche gehen zu können.

Marjorie hatte erst am Vortag von dem Vorhaben erfahren, aber prompt einen Besichtigungstermin bei einem ihrer Freunde vereinbart. „Das tue ich doch gern. Ich hoffe, dir gefällt die Wohnung.“

„Bestimmt, wenn du sie mir empfiehlst. Du hast mir noch nie einen schlechten Rat gegeben.“

Marjorie räusperte sich, und es klang ein wenig schuldbewusst. „An der nächsten Kreuzung links. Es ist das letzte Haus rechts in der Sackgasse.“

„Es ist wirklich eine gute Gegend“, sinnierte Teresa, während sie die gepflegten Vorgärten der kleinen Häuser bewunderte. „In der Nähe des Lokals und der Schule, nicht viel Verkehr, und die Miete ist sehr günstig. Die Wohnung muss irgendeinen Haken haben.“

„Keineswegs“, entgegnete Marjorie etwas zu hastig. „Sie ist sehr hübsch. Ziemlich klein, aber groß genug für deine momentanen Bedürfnisse.“

Teresa bog in die Auffahrt ein und musterte das rote Backsteinhaus. Zwei Stockwerke. Weiße Läden an den Fenstern. Zwei identische Eingangstüren mit kleinen, überdachten Terrassen. Eingezäunte Gärten mit gepflegten, wenn auch nicht sehr zahlreichen Blumenbeeten.

Es sah ideal aus. Als Skeptikerin konnte Teresa jedoch nicht umhin zu befürchten, dass sich irgendwo größere Mängel verbargen. Vielleicht war alles nur Fassade, und die Wände waren feucht. Oder vielleicht, dachte sie, als ihnen die Tür geöffnet wurde, lag das Problem nicht am Haus selbst, sondern an seinem Besitzer.

Dieses Doppelhaus schien Riley O’Neal zu gehören.

Er war offensichtlich ebenso überrascht wie Teresa. Doch er erholte sich rasch und sagte mit leicht vorwurfsvollem Blick zu Marjorie: „Das ist also deine Freundin, die eine Wohnung sucht.“

„Ja. Habe ich nicht erwähnt, dass es Teresa ist?“, entgegnete sie in unschuldigem Ton.

„Nein. Deine genauen Worte waren, dass du eine liebe, verwitwete Freundin hast, die nach einer ruhigen, hübschen Wohnung sucht.“

„Marjorie!“, rief Teresa entsetzt.

„Was ist denn? Das stimmt doch alles.“

„Hast du auch erwähnt, dass deine liebe Freundin zwei Kinder hat?“

„Diese Tatsache hat sie nicht erwähnt.“ Riley wirkte eher nachsichtig resigniert als verärgert über die geringfügige Täuschung.

Teresa seufzte. „Du willst bestimmt nicht an jemanden mit Kindern vermieten. Also danke für deine Zeit, aber …“

„Moment mal. Wer hat denn gesagt, dass ich nicht an jemanden mit Kindern vermieten will?“

„Willst du denn?“

Er räusperte sich. „Warum siehst du es dir nicht erst einmal an, bevor du ablehnst?“

Teresa zögerte, doch Marjorie packte sie überraschend fest am Arm und zog sie ins Haus. „Ja, Terry, schau es dir an. Es ist wirklich sehr hübsch.“

Sie betraten ein kleines Foyer mit einer geraden Treppe, die nach oben führte. Unter den Stufen befand sich ein winziges Duschbad. Das unmöblierte Wohnzimmer wies einen schönen Parkettfußboden auf, und die Küche mit Essecke war voll ausgestattet mit Herd, Kühlschrank, Geschirrspüler, Waschmaschine und Trockner.

Die kleine Wohnung, die Teresa derzeit bewohnte, wies keine Waschmaschine auf, sodass sie alles in eine Reinigung bringen musste – eine teure und zeitaufwendige Angelegenheit.

„Lass uns nach oben gehen“, drängte Marjorie wie eine erfahrene Maklerin. „Drei Schlafzimmer, oder, Riley?“

„Ja. Sie sind nicht größer als durchschnittliche Abstellkammern und teilen sich ein Badezimmer, aber verschiedene Nischen und Schlupfwinkel bieten ziemlich viel Stauraum.“

Die Schlafzimmer waren tatsächlich nicht besonders groß, aber mit Einbauschränken und Parkettfußboden ausgestattet. Große Fensterflächen ließen viel Licht herein und verhinderten, dass die Räume beengend wirkten.

Es ist sehr hübsch, gestand Teresa sich ein. Geräumiger, als es von außen wirkte, und der eingezäunte Garten hinter dem Haus bot einen sicheren Spielplatz für die Kinder. Zu schade, dass sie es nicht nehmen konnte.

„Danke für die Führung“, sagte sie ein wenig steif zu Riley. „Es ist sehr hübsch. Ich bin sicher, dass du sehr schnell einen Mieter finden wirst.“

„Bist du denn nicht interessiert?“

Überrascht zog sie die Augenbrauen hoch. „Du würdest mich einziehen lassen?“

„Ja. So bald du willst.“

„Meine Kinder auch?“

Er verdrehte die Augen. „Nein. Du müsstest sie auf der Straße lassen. Natürlich auch die Kinder.“

Den Bruchteil einer Sekunde lang spielte sie mit dem Gedanken. Dann schüttelte sie den Kopf. Die Vorstellung, Tür an Tür mit Riley zu wohnen, wirkte einfach ungeheuerlich. „Lieber nicht.“

Marjorie blickte enttäuscht drein. „Was gefällt dir denn nicht, Terry?“

„Es gefällt mir sehr. Aber ich glaube nicht, dass es das Richtige für uns ist.“

„Hast du etwas gegen den Vermieter?“, hakte Riley nach.

„Der Vermieter ist nicht an Kinder gewöhnt. Mark und Maggie sind meistens gut erzogen, aber sie sind normale Kinder. Manchmal toben sie und werden laut. Und sie mögen dich. Wahrscheinlich würden sie dich ständig belästigen.“

„Ich weiß, was ich von Kindern zu erwarten habe“, entgegnete er ernst. „Diese Wände sind sehr gut schallisoliert, und ich bin durchaus fähig, sie wissen zu lassen, wann ich meine Ruhe haben möchte. Ich weiß meine Privatsphäre zu schützen. Die Vormieter habe ich oft tagelang nicht zu Gesicht bekommen.“

Teresa schüttelte den Kopf, noch bevor er ausgesprochen hatte. „Ich glaube nicht, dass es funktionieren würde.“

„Es ist deine Entscheidung. Allerdings gibt es in Edstown nicht viele Wohnungen zu mieten, besonders nicht in dieser Gegend.“

„Wieso glaubst du, dass ich eine geeignete Mieterin wäre?“

„Ich halte dich für eine verantwortungsvolle Mieterin, die ihre Rechnungen bezahlt, das Haus in Ordnung hält und mir keine Scherereien bereitet. Ich habe gesehen, dass du die Kinder im Griff hast, und befürchtet keine großen Probleme. Ich möchte bald vermieten, damit ich mir darüber keine Gedanken mehr zu machen brauche, und Marjorie hat für dich gebürgt.“

Teresa nagte an der Unterlippe, während sie über seine Worte nachdachte.

„Ich finde, du solltest es versuchen“, riet Marjorie. „Es ist die beste Wohnung, die ich in diesem Schulbezirk kenne.“

„Und Marjorie kennt sie alle“, murmelte Riley.

Das bezweifelte Teresa nicht. Sie holte tief Luft. „Also gut, ich nehme sie.“

Motorengeräusche von der Auffahrt nebenan lockten Riley vor die Haustür. Teresa und die Kinder waren in einem gemieteten Möbelwagen vorgefahren. Offensichtlich hatten sie genügend Hilfe für den Umzug mitgebracht. Marjorie, ihre Tochter Serena und Serenas Mann Cameron North stiegen aus einem anderen Fahrzeug. Alle trugen legere Freizeitkleidung und wirkten bereit, an die Arbeit zu gehen. Zum Glück war es ein milder, sonniger Tag und nicht mehr so heiß wie im September.

Teresa sah sehr hübsch aus in Jeans, kirschrotem Pullover und Turnschuhen. Unausweichlich zog sie Rileys Blick an. Mit ihrem Pferdeschwanz sah sie gewiss nicht alt genug aus für zwei schulpflichtige Kinder.

Seit er von ihrem Nachwuchs wusste, hatte er sich geschworen, sie nicht wieder um ein Date zu bitten. Er hielt sich stets an seinen Entschluss, sich nicht mit Müttern einzulassen. Zu gut wusste er, wie sehr Kinder unter wechselnden Bezugspersonen litten.

Nick, sein bester Freund in der Highschool, stammte aus einer zerrütteten Ehe. Er hatte oft darüber geklagt, wie schmerzlich es war, von einer Stiefmutter oder einem Stiefvater wieder verlassen zu werden, sobald man diejenige Person ins Herz geschlossen hatte.

Riley wollte sich selbst niemals in die Position bringen, einem Kind derart wehzutun. Dass Teresa verwitwet und nicht wie ursprünglich von ihm angenommen geschieden war, hatte ihn ebenso verblüfft wie die Existenz ihrer Kinder. Sie war noch so jung, und ihre Kinder waren noch so klein, um bereits den Vater verloren zu haben. Vermutlich war es diese überraschende Enthüllung, die ihn veranlasst hatte, ihr die Wohnung zu vermieten.

Ausnahmsweise hatte sein Mitgefühl über seinen Egoismus gesiegt. Er musste vorsichtig sein, um nicht seinen Ruf in der Stadt zu ruinieren.

„He, Riley, willst du nur tatenlos zuschauen oder helfen?“, rief Cameron, als er Riley auf der Veranda stehen sah.

Riley zog die Hände aus den Taschen seiner Jeans und wappnete sich für harte körperliche Arbeit – etwas, das er für gewöhnlich tunlichst mied. „Vergiss nicht, dass du nur bei der Zeitung mein Boss bist“, rief er seinem Redakteur in Erinnerung, als er sich dem Möbelwagen näherte.

Cameron grinste. „Ich habe das Gefühl, dass bei diesem Job keiner von uns beiden der Boss ist.“

„Cameron, du solltest zuerst die Schlafzimmermöbel ausladen!“, ordnete Marjorie an.

„Jawohl, Madam.“

„Oh, Riley, wie nett, dass du auch hilfst.“ Sie lächelte ihn anerkennend an. „Ihr Männer passt auf, dass ihr nicht mit den Möbeln anstoßt, ja? Ihr wollt doch nicht die frisch gestrichenen Wände beschädigen.“

„Jawohl, Madam“, sagte Riley.

Cameron schmunzelte. „Verstehst du jetzt, was ich meine?“

Mark und Maggie stürmten zu ihnen. „Hallo, Riley! Wir ziehen in dein Haus ein“, verkündete Maggie.

„Nicht in sein Haus“, korrigierte Mark ungehalten. „Nur in eine Hälfte davon.“

Gleichgültig gegenüber den Details vertraute sie Riley an: „Ich habe mir schon mein Zimmer ausgesucht. Es ist das mit dem weißen Ventilator. Das gefällt mir am besten. Mommy kriegt das größte und Mark das andere.“

„Das klingt gut.“

„Mein Zimmer ist das beste“, verkündete Mark. „Es liegt gleich bei der Treppe.“

„Nein, meins ist das beste“, beharrte Maggie.

Rasch beendete Teresa den Streit. „Ihr habt beide das Zimmer, das für euch das Beste ist.“ Sie schenkte Riley ein zerstreutes Lächeln. „Die Wände sehen großartig aus. Du hättest sie nicht streichen müssen, aber danke.“

„Ich hatte es ohnehin geplant und mich schon vor Wochen beim Maler angemeldet. Die alte Farbe sah schmuddelig aus. Ich bin froh, dass er es vor deinem Einzug geschafft hat.“

„Können wir meine Sachen zuerst auspacken?“, verlangte Maggie. „Ich will mein Zimmer fertig machen.“

„Wir packen alles aus, sobald wir dazu kommen“, versicherte Teresa. „Geh doch mit Mark nach hinten in den Garten, während wir erst mal ein paar Sachen reintragen.“

„Aber ich will den Männern helfen“, verlangte Mark und rückte näher zu Riley.

„Ich auch“, sagte Maggie.

„Wir finden schon etwas Leichtes für sie zu tragen“, sagte Cameron.

„Na gut, solange sie euch nicht im Weg sind.“ Sie wandte sich an Riley. „Ich habe genug Hilfe, falls du andere Dinge zu tun hast.“

„Es macht mir nichts aus“, entgegnete er, und zu seiner Überraschung war es die Wahrheit. „Dadurch verdiene ich mir ein paar Pluspunkte bei meinen Arbeitgebern.“

Sie lächelte über den Scherz. „Danke.“

„Danke ihm erst, wenn er wirklich was getan hat“, schlug Cameron vor, während er Teresa einen Karton reichte. „Riley, lass uns diese Kommode zuerst nehmen. Sie kommt nach oben.“

„Okay.“ Er krempelte sich die Ärmel hoch. „Die schaffe ich allein.“

Bald stellte er fest, dass Teresa nicht übermäßig viele, aber geschmackvolle Möbel besaß. Er hätte beschwören können, dass es sich bei einigen der Stücke, die er mit Cameron in die Schlafzimmer trug, um ausgesuchte Antiquitäten handelte.

Kurz vor sechs, als fast alle Sachen ins Haus getragen waren, servierte Marjorie einen Imbiss in der Küche, und die Erwachsenen versammelten sich um den Tisch. Es war eine willkommene Erholungspause von all der Schlepperei. Sogar die Kinder, die auf einer Tischdecke auf dem Fußboden picknickten, wirkten müde.

„Ihr kennt euch also vom College?“, erkundigte sich Riley und blickte von Teresa zu Serena.

„Ja.“ Teresa lächelte Serena an. „Ich habe die Highschool ein Jahr früher als normal abgeschlossen und war jünger als die anderen. Ich hatte wahnsinnige Angst. Aber zum Glück wurde mir eine sehr nette Stubenkameradin zugewiesen.“

„Und mich hat es erleichtert, dass meine Mitbewohnerin ordentlich und fleißig war“, gestand Serena ein. „Ich hatte befürchtet, eine Schlampe zu kriegen, die mehr Zeit auf Partys verbringt als mit dem Studium.“

Riley schmunzelte. Serena, eine erfolgreiche Anwältin, war ein notorischer Workaholic und nahm ihre Pflichten gegenüber Familie, Beruf und Gesellschaft sehr ernst.

Sie und Cameron passten gut zusammen. Obwohl auch ihm seine Karriere sehr wichtig war, ging er es gelassener an. Er entlockte ihr ihren trockenen Humor und ermutigte sie, sich zu amüsieren. Sie waren seit einem Jahr verheiratet und blickten sich immer noch so verliebt wie in den Flitterwochen an.

Riley hatte nichts gegen die Institution Ehe einzuwenden. Sie schien manchen Leuten durchaus gut zu bekommen – Serena und Cameron, Dan und Lindsey, auch seinen eigenen Eltern. Aber er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass er selbst diesen drastischen Schritt wagte.

Er fragte sich, ob Teresa mit ihrem verstorbenen Mann glücklich gewesen war. Wie lange war es her, dass sie ihn verloren hatte? Trauerte sie noch um ihn?

Abrupt wurde ihm bewusst, dass sie gerade erklärte, wie sie nach Edstown gekommen war. „Ich war ein paar Mal mit Serena hier, als wir noch aufs College gingen, und habe immer gedacht, dass es wundervoll sein muss, hier aufzuwachsen. Als die Kriminalität in dem Viertel wuchs, in dem wir wohnten, bin ich wegen der Kinder hierher gezogen. Marjorie hat mir freundlicherweise einen Job angeboten. Da das Lokal nur zum Frühstück und Mittagessen geöffnet hat, bin ich wieder zu Hause, wenn die Kinder von der Schule kommen. Es klappt sehr gut.“

„Du tust mir einen Gefallen“, entgegnete Marjorie. „Bei mir hat das Personal so oft gewechselt, dass es eine Erleichterung ist, eine beständige Angestellte zu haben.“

Cameron räusperte sich. „Technisch gesehen arbeite ich immer noch für dich“, rief er seiner Schwiegermutter in Erinnerung.

Marjorie lachte. „Ich meinte ja auch nicht dich.“

Teresa zog fragend die Augenbrauen hoch.

„Ich habe dir doch erzählt, dass Cameron im Lokal gearbeitet hat, als er hier angekommen ist, oder?“, warf Serena ein.

Teresa nickte und wandte sich an ihn. „Vorher warst du Reporter bei einer Zeitung in Dallas. Du wurdest in einen komplizierten Fall verwickelt und beinahe getötet. Es ging um einen korrupten Politiker, oder?“

„Unter anderem. Ich folgte einer Spur nach Little Rock und observierte gerade das Haus seiner Geliebten, als mir jemand über den Schädel schlug. Der Gauner streitet immer noch ab, jemanden beauftragt zu haben, mir eins zu verpassen. Er behauptet, er hätte lediglich Bodyguards für seine platonische Freundin angeheuert, die Morddrohungen erhalten haben soll.“

„Seine platonische Freundin, die zufällig gerade von ihm schwanger ist“, fügte Riley hinzu.

„Wie auch immer“, sagte Serena. „Ich – beziehungsweise mein Hund – fand Cameron spät abends in einem Straßengraben hinter unserem Haus. Er war bewusstlos und lag im hohen Gras. Es war praktisch ein Wunder, dass ich ihn gefunden habe.“

„Am nächsten Morgen wäre ich wahrscheinlich tot gewesen“, verkündete Cameron in erstaunlich sachlichem Ton.

Serena fuhr fort: „Er erwachte im Krankenhaus, ohne sich zu erinnern, wer er war oder wie er dorthin gekommen war. Aber anstatt seine Amnesie einzugestehen, verbarg er sie und erfand ein Märchen, dass er ein Gammler und von Fremden ausgeraubt worden sei.“

„Natürlich war Dan nicht besonders glücklich“, fügte Riley hinzu, „als sich ein paar Wochen später herausstellte, dass er unzählige Stunden mit der Suche nach diesen nicht existierenden Straßenräubern vergeudet hatte, während er stattdessen Camerons Identität hätte feststellen können.“

„Einen Teil der Story kannte ich schon“, sagte Teresa zu Cameron, „aber ich habe nie verstanden, warum du deine Amnesie verschwiegen hast. Aus Angst?“

Er wirkte verlegen. „Ich war mir nicht sicher, ob man mir glauben würde, weil wahre Amnesie so selten vorkommt. Ich dachte mir, dass mein Gedächtnis zurückkehrt, wenn ich mich nur entspanne und es nicht erzwinge.“

„Also hat er einen Job bei mir im Lokal angenommen“, fügte Marjorie hinzu, „um sich bis zur Rückkehr seines Gedächtnisses über Wasser zu halten. Er war ein sehr guter Kellner“, betonte sie etwas wehmütig.

„Er ist ein besserer Redakteur“, entgegnete Serena entschieden.

„Natürlich“, bestätigte Marjorie, doch sie schien den Verlust ihres beliebten Kellners noch immer zu bedauern.

Teresa und Riley schauten sich über den Tisch hinweg belustigt an. Dann wandte sie abrupt den Blick ab.

„Wie lange hat es gedauert, bis deine Erinnerungen zurückkehrten?“, fragte sie.

„Einige Bruchstücke kamen fast sofort. Nach drei Wochen hatte ich dann den Mut, Serena die Wahrheit zu sagen.“

„Und zu dem Zeitpunkt waren die beiden schon ineinander verliebt“, warf Marjorie mit einem sentimentalen Seufzen ein.

Erneut tauschten Riley und Teresa einen amüsierten Blick. Erneut wandte sie sich als Erste ab.

„Danach klärte sich alles schnell auf“, fuhr Cameron fort. „Mein Freund Shane sah mein Foto in der Zeitung und kam aus Dallas hierher mit Informationen über den Fall, an dem ich gearbeitet hatte. Einen Monat später waren meine Erinnerungen fast vollständig. Ich habe noch ein paar Lücken, die wahrscheinlich bleiben werden, aber davon abgesehen habe ich mich vollständig erholt.“

„Ich bin satt“, verkündete Maggie vom Fußboden aus. „Darf ich in mein Zimmer gehen und meine Sachen auspacken?“

„Ich auch“, sagte Mark. „Ich will meine Bücher einräumen.“

Riley hatte erfreut festgestellt, dass beide Kinder mehrere Kisten mit Büchern und Malsachen besaßen. Er war überzeugt, dass Belesenheit der Schlüssel zu akademischen Leistungen war, und Teresa schien diese Philosophie zu teilen.

Sobald den Kindern die Erlaubnis erteilt wurde, stürmten sie die Treppe hinauf.

„Ich wünschte, meine Batterien würden sich auch so schnell wieder aufladen“, murrte Cameron.

Serena schmunzelte. „Wir können nur hoffen, dass wir genug Energie haben, um mit unserem Kind mitzuhalten. Wir haben wesentlich später damit angefangen als Terry.“

Nach einer kurzen, überraschten Pause hakte Teresa nach: „Soll das heißen …?“

Serena nickte lächelnd.

Riley blickte Marjorie an. „Jetzt wird mir klar, warum du heute so außergewöhnlich gut gelaunt bist.“

Strahlend verkündete sie: „Es war verdammt schwer, nichts zu verraten, aber ich wusste, dass Serena es selbst verkünden wollte.“

„Du hast den ganzen Tag Kartons und Möbel geschleppt.“ Vorwurfsvoll blickte Teresa zu Serena. „Wenn ich gewusst hätte …“

„Du hast wohl nicht gemerkt, dass Cameron mich die ganze Zeit mit Adleraugen beobachtet hat. Das Zeug, das er mir zum Tragen gegeben hat, war lächerlich leicht.“

Auch Riley hatte es nicht bemerkt. Da er sich für seine Beobachtungsgabe rühmte, störte es ihn, dass er sich derart von Teresa ablenken ließ. Er hatte das Flirten eingestellt und jeden Gedanken an eine flüchtige Affäre verbannt. Doch gewisse Teile seines Körpers hatten diese Botschaft noch nicht erhalten.

Auch jetzt, als sie sich eine goldene Haarsträhne aus dem Gesicht strich, juckte es ihm in den Fingern, ihre Haare zu streicheln. Als sie nach ihrem Glas griff, konnte er nicht umhin zu bemerken, wie aufreizend ihr roter Pullover ihre weiblichen Rundungen unterstrich.

Eine Prinzessin in Jeans und Turnschuhen, dachte er verklärt. Dann wurde ihm bewusst, dass seine Faszination ihn wieder einmal alles andere um ihn her vergessen ließ. Er hob sein Wasserglas zu einem Toast. „Auf Serena und Cameron. Mögen sie mit der Weisheit, der Geduld und dem Mut gesegnet sein, den sie in den nächsten achtzehn Jahren oder so brauchen werden.“

Marjorie lachte sanft. „Als ob all die Probleme der Elternschaft enden, wenn die Kinder achtzehn werden.“

„Wie geht es deiner großen Tochter?“, erkundigte er sich.

Verständnislos schüttelte sie den Kopf. „Sie behauptet, dass sie sich prächtig amüsiert. Sie sind fast jeden Abend in einer anderen Stadt.“

Marjories ältere Tochter Kara war auf Tournee mit ihrem Verlobten, Pierce Vanness, einem aufstrebenden Countrysänger. Er hatte gerade seine erste CD aufgenommen, und seine erste Single war bereits beachtlich in den Charts gestiegen.

Kara glaubte an ihn, seit sie ihn zum ersten Mal in einer Bar hatte singen hören. Sie hatte alles in Edstown stehen und liegen lassen – einschließlich der Leitung des Evening Star –, wofür sie jahrelang studiert hatte. Manche Leute hielten sie für verrückt, dass sie ein derartiges Risiko eingegangen war. Aber fast alle glaubten, dass es an ihrer Unterstützung und Ermutigung lag, dass sich seine Karriere so schnell entwickelte.

Riley konnte sich durchaus mit Pierces Traum identifizieren. Auch er hegte einige Träume. Der Unterschied lag darin, dass er niemanden brauchte, der ihn ermunterte oder antrieb.

Cameron seufzte und stand auf. „Da warten noch einige Kartons auf uns.“

Riley erhob sich ebenfalls. „Gehen wir. Je eher sie eingezogen ist, umso eher kann sie anfangen, Miete zu zahlen.“

Alle lachten – sogar Teresa.

Er fragte sich, ob es nicht doch ein großer Fehler war, die Hälfte seines Hauses an eine Frau zu vermieten, die er viel zu faszinierend fand.

5. KAPITEL

Kurz nach Einbruch der Dunkelheit war der Einzug vollendet. Teresa und Riley hatten gerade die Hilfskräfte verabschiedet und standen noch auf der Veranda, als ein verbeulter Pick-up in seine Auffahrt einbog. Ein älterer Mann in Jeans und abgewetzten Stiefeln stieg aus. „He, Riley.“

„He, Bud. Komm und begrüße meine neue Mieterin.“

Bud schlenderte näher und musterte Teresa im Schein der Verandabeleuchtung. „Bist du nicht ein glücklicher Vermieter?“

Riley seufzte. „Teresa Scott, mein Onkel Bud O’Neal.“

„Es freut mich, Sie kennenzulernen, Madam.“

Sie reichte ihm die Hand. „Mich freut es auch, Mr O’Neal.“

„Nennen Sie mich Bud wie jeder hier. Sie sind gerade eingezogen?“

„Ja. Heute.“

„Sagen Sie mir Bescheid, falls Riley Ihnen Probleme macht, ja? Ich bin der Einzige, der ihn je zähmen konnte.“

Teresa erwiderte sein ansteckendes Lächeln. „Danke. Ich werde es mir merken.“

„Mom! Wir haben Hunger!“, riefen Mark und Maggie, während sie aus dem Haus liefen. „Kriegen wir was zu essen?“

„Sagt zuerst Rileys Onkel Guten Tag. Das ist Mr O’Neal, und das sind meine Kinder Mark und Maggie.“

Bud zog die buschigen grauen Augenbrauen hoch und warf Riley einen verblüfften Blick zu. Dann schenkte er Mark und Maggie seine volle Aufmerksamkeit, und es wurde sofort deutlich, dass er Kinder mochte. „Wie gefällt euch eure neue Wohnung?“

„Sie ist cool“, sagte Mark. „In der anderen Wohnung hatten wir keine Treppe.“

„Mein Zimmer ist das schönste“, versicherte Maggie. „Es hat ein großes Fenster und …“

„Fangt nicht wieder damit an“, warf Teresa ein, als Mark sein eigenes Quartier verteidigen wollte.

„Gehst du gern angeln, Mark?“, fragte Bud.

„Weiß ich nicht. Ich war noch nie.“

„Du warst noch nie angeln?“ Bud wirkte geradezu entsetzt. „Wie alt bist du denn?“

„Zehn.“

„Dann ist es höchste Zeit, dass du es mal probierst.“

Riley trat einen Schritt näher zu Teresa. „Für Bud ist das Angeln fast eine Religion. Er hat mich schon mitgenommen, als ich kaum laufen konnte.“

Teresa war sich sehr gewusst, dass in Marks Leben ein Vater oder Großvater fehlte. Um seinetwillen beneidete sie Riley daher um die enge Beziehung zu seinem Onkel. „Mein Vater hat mich ein paar Mal zum Angeln mitgenommen, als ich noch sehr klein war“, murmelte sie. „Ich kann mich kaum daran erinnern, aber ich weiß, dass ich es genossen habe, auf dem Wasser zu sein.“

„Lebt dein Vater noch?“, erkundigte sich Riley.

„Meine Eltern sind bei einem Autounfall gestorben, als ich zehn war.“

Obwohl sie bewusst sachlich gesprochen hatte, blickte er sie mitfühlend an. „Das tut mir leid.“

Sie nickte, während sie beobachtete, wie Mark mit Bud über den Umzug, sein Zimmer und die Schule plauderte. Für ihn gab es keine Fremden. Seine Geselligkeit beunruhigte sie. Er war so vertrauensselig, so neugierig gegenüber jedem, dem er begegnete. Wie konnte sie ihn vor Schaden bewahren, ohne seinen extrovertierten Geist zu beeinträchtigen?

Manchmal beängstigte sie die große Verantwortung, die auf ihren Schultern ruhte. Das Wissen, dass sie allein für Sicherheit, Glück und Zukunft ihrer Kinder verantwortlich war, wirkte beinahe überwältigend.

Eine abendliche Brise zauste ihr Haar und rief ihr in Erinnerung, dass es spät geworden war. „Wir gehen jetzt lieber hinein“, sagte sie zu ihren Kindern. „Ihr könnt beide ein Eis zum Nachtisch haben. Es hat mich sehr gefreut, Sie kennenzulernen, Bud.“

Die Kinder wünschten Riley und Bud eine gute Nacht und stürmten hinein.

„Ist deine Tür offen?“, erkundigte sich Bud bei Riley.

„Ja. Geh rein und nimm dir was zu trinken.“

„Ich weiß schon, wo ich alles finde. Lass dir nur Zeit.“

Riley wandte sich an Teresa. „Also, wenn du noch irgendetwas brauchst …“

„Danke, aber wir kommen bestimmt zurecht.“

„Ich wollte dir nicht meine Dienste anbieten. Ich wollte dir nur sagen, dass in der Küche ein Telefonbuch liegt.“

Sie lachte. „Oh, vielen Dank.“ Seine selbstgefällige Miene verriet ihr, dass es ihn erfreute, sie erheitert zu haben. „Noch mal vielen Dank für deine Hilfe. Bestimmt hättest du etwas Besseres zu tun gehabt.“

„Kein Problem. Aber ich bestehe auf dem selbst gebackenen Kuchen, den du mir versprochen hast.“

„Den wirst du bekommen.“

Beiden fiel kein Grund mehr ein, länger zu bleiben, doch keiner von beiden rührte sich.

Er räusperte sich. „Nun …“

Sie schob die Fingerspitzen in die Taschen ihrer Jeans. „Gute Nacht, Riley.“

Er strich ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr, und sie zuckte zusammen, als die Berührung ein ärgerliches und entschieden unpassendes Kribbeln in ihrem Innern erweckte. „Gute Nacht, Teresa. Schlaf gut.“

Er stand ihr zu nahe, lächelte sie zu herzlich an. Sie befeuchtete sich die Lippen und stellte vorsichtshalber klar: „Riley, ich möchte, dass dieses Mietverhältnis funktioniert. Und es gibt keinen Grund, warum es nicht möglich sein sollte, wenn wir von Anfang an ein paar Grundregeln festlegen.“

„Grundregeln?“

Sie nickte entschieden. „Ich werde meinen Kindern klarmachen, dass wir lediglich nette Nachbarn sind, nichts weiter. Es wird ihnen nicht gestattet sein, dich zu belästigen oder ohne Erlaubnis aufzusuchen, und ich werde versuchen zu verhindern, dass sie zu viel Lärm machen, wenn sie draußen spielen.“

„Sie sind Kinder. Lass ihnen doch ihren Spaß.“

„Ich habe nicht gesagt, dass sie keinen Spaß haben sollen. Ich will nur nicht, dass sie sich vergessen.“

„Weitere Regeln, die du aufstellen willst, wenn du gerade dabei bist?“

Er machte sich über sie lustig, aber sie erwiderte mit vorgerecktem Kinn: „Einige.“

„Wie zum Beispiel?“

Autor

Gina Wilkins

Die vielfach ausgezeichnete Bestsellerautorin Gina Wilkins (auch Gina Ferris Wilkins) hat über 50 Romances geschrieben, die in 20 Sprachen übersetzt und in 100 Ländern verkauft werden!

Gina stammt aus Arkansas, wo sie Zeit ihres Leben gewohnt hat. Sie verkaufte 1987 ihr erstes Manuskript an den Verlag Harlequin und schreibt...

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