Bianca Exklusiv Band 313

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DAS GEHEIMNIS DES MOGULS von KLASKY, MINDY
Bis zum fünften Januar muss Ethan verheiratet sein, sonst verschenkt seine Großmutter ihre Firmenanteile! Aber eine Erbkrankheit verbietet Ethan, sich zu verlieben und Kinder zu bekommen. Da taucht auf einmal die schöne Sloane bei ihm auf - ihre gemeinsame Nacht hatte ungeahnte Folgen …

EIN HAPPY END FÜR UNSERE LIEBE von HARLEN, BRENDA
Schmuckdesignerin Penny McCord ist glücklich verliebt in den erfolgreichen Unternehmer Jason Foley. Sie kann es kaum erwarten, ihm zu verraten, dass sie sein Kind unter dem Herzen trägt. Doch ein Anruf ihrer Schwester verändert alles. Hat Jason sie etwa nur benutzt?

SO LIEBT NUR EIN TEXANER von SMITH, KAREN ROSE
Hypnotisiert starrt Lisa in die tiefblauen Augen des attraktiven Texaners - und schon hat sie ihr Herz verloren. Auch Alan Barrett scheint wie vom Blitz getroffen. Aber wie wird er reagieren, wenn er von Lisas Vergangenheit erfährt? Auf ein Happy End wagt Lisa kaum zu hoffen …


  • Erscheinungstag 16.08.2019
  • Bandnummer 0313
  • ISBN / Artikelnummer 9783733737061
  • Seitenanzahl 236
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Mindy Klasky, Brenda Harlen, Karen Rose Smith

BIANCA EXKLUSIV BAND 313

1. KAPITEL

Ethan Hartwell war es nicht gewohnt zu warten.

Er warf einen verärgerten Blick auf die Assistentin. Mit saurer Miene bewachte sie das Chefbüro. Dann schaute er auf seinen Blackberry.

Hartwell Genetics konnte es sich als Unternehmen nicht leisten, ins Hintertreffen zu geraten, nicht angesichts der steigenden Nachfrage nach seinen Produkten – Medikamente, die bei Erbkrankheiten helfen sollten.

Wenn er schon wie ein frecher Schuljunge vor dem Büro des Direktors warten musste, konnte er wenigstens währenddessen arbeiten.

Ethan räusperte sich, um den grauhaarigen Drachen auf sich aufmerksam zu machen. „Ich gehe wieder in mein Büro“, sagte er.

Bevor er seine Drohung wahr machen konnte, hob die Dame eine Hand ans Ohr. Sie nickte, während sie einer Nachricht lauschte, und richtete dann ihren kalten Blick auf Ethan und sprach: „Sie können nun hinein.“

Wie satt er solche Spielchen hatte. Wenn er vor fünfzehn Minuten angekündigt hätte, dass er gehen würde, hätte man ihm viel früher Einlass gewährt. Ethan steckte seinen Blackberry ein und zupfte seine Hosenbeine zurecht. Für den perfekten Auftritt schob er noch seine Manschetten zurück, sodass seine Armbanduhr hervorblitzen konnte. Und er atmete tief durch: Ethan Hartwell, Doktor der Medizin und MBA, in dritter Generation Präsident von Hartwell Genetics und der begehrteste Junggeselle in Washington, D. C. – das dritte Jahr in Folge.

Er musste einen klaren Kopf bekommen, bevor er ins innerste Zentrum der Macht eintrat.

Die Tür öffnete sich lautlos. Ethans elegante schwarze Schuhe gruben sich tief in den hellen Teppichboden, während er das Zimmer durchquerte. Er ignorierte die gerahmten Fotos an den Wänden, Fotos mit dem Präsidenten und mit Führungspersönlichkeiten der ganzen westlichen Welt. Wie schon oft zuvor schritt Ethan auf den imposanten Thron hinter dem Schreibtisch zu.

Er beugte sich hinunter und hauchte einen leichten Kuss auf die Wange, die nach Babypuder und Flieder roch. „Guten Morgen, Großmutter“, sagte Ethan.

Margaret Hartwells Augen glitzerten, während sie ihn zu einem ihrer unbequemen schweren Stühle winkte. „Trinkst du ein Tässchen Tee mit mir?“

Ethan unterdrückte ein Seufzen. Es würde länger dauern, mit ihr zu diskutieren. Zuerst goss er ihr Tee ein – zwei Stück Zucker in ihre Tasse und ein großer Schluck Milch dazu – und dann sich selbst. Er mochte seinen Tee schwarz, stark und bitter. Fest entschlossen, die Unterhaltung mit ihr zu einem Ende zu bringen und zurück an seine Arbeit zu gehen, setzte er an: „Großmutter …“

„Ich habe heute Morgen die Zeitung gelesen, bevor ich ins Büro kam“, unterbrach sie ihn.

Auch Ethan hatte auf der Fahrt zur Arbeit das Wall Street Journal und die Financial Times überflogen. „Die neue Behandlungsmethode ist erfolgreich“, meinte er. „Wir sollten nächsten Monat die nächste Versuchsphase beginnen.“

Als ob seine Großmutter Aufklärung über pharmazeutische Entwicklungen bräuchte! Als frühere Präsidentin von Hartwell Genetics und derzeitige Vorstandsvorsitzende verfolgte Margaret Hartwell Nachrichten aus der Welt der Medizin wie eine gefräßige Wölfin. Vielleicht konnte sie ihn deshalb so leicht verärgern – sie waren einander schlicht zu ähnlich: ehrgeizig, entschlossen und geradezu verbissen, wenn es um neue Geschäftsideen ging.

„Davon spreche ich nicht“, erwiderte sie bissig. „Ich spreche von den Klatschseiten.“

Ethan hob fragend eine Augenbraue. Seine Großmutter und er mochten geschäftlich an einem Strang ziehen, aber was sein Privatleben betraf, gingen ihre Meinungen weit auseinander. „Großmutter, diese Diskussion hatten wir bereits. Du weißt, dass ich nicht kontrollieren kann, was die Zeitungen drucken.“

Sie setzte ihre Teetasse bestimmt ab. „Du hast jedoch Kontrolle darüber, welchen Stoff du diesen Idioten lieferst. Ich habe es dir bereits zig Mal gesagt: Dein Verhalten hat direkte Auswirkungen auf dieses Unternehmen!“

Er schob seine Teetasse von sich. „Ich glaube kaum, dass es unsere Gewinne im zweiten Quartal beeinflusst, wenn ich auf dem Dach eines Hotels Sekt trinke.“

„Sie ist ein Revuegirl, Ethan!“

Er lachte und stand auf. „Es gibt keine Revuegirls mehr, seit du auf deinem ersten Ball getanzt hast, Großmutter. Natasha ist Schauspielerin. Und mach dir keine unnötigen Sorgen. Sie ist heute Morgen nach Kalifornien zurückgeflogen!“

Es hätte ihn nicht überraschen dürfen, wie hart seine Großmutter klang. Er wusste, dass er die schlechtesten Seiten an ihr hervorbrachte – und umgekehrt. Plötzlich fühlte er sich wieder wie der kleine verlassene Junge, der gehörig zurechtgewiesen worden war – von der einzigen Verwandten, die überhaupt noch da war, um sich um ihn kümmern zu können.

Und zugleich stand er als 33-Jähriger vor der Vorstandsvorsitzenden.

„Ethan, es reicht endgültig. Deine Partys und Frauen ziehen diese Firma in ein Jammertal. Sie lenken dich ab. Und dabei machen sie dich nicht einmal glücklich.“ Seine Großmutter starrte ihn mit dem unnachgiebigen Blick an, der schon Tausende von Geschäftsabschlüssen besiegelt hatte. „Ethan, ich will, dass du spätestens bis zu meinem Geburtstag verheiratet bist.“

Er quittierte ihre Bemerkung mit einem Lachen.

„Ich scherze nicht!“ Sie lehnte sich nach vorne. Plötzlich fielen Ethan die tiefen Fältchen um ihren Mund und die Tränensäcke unter ihren Augen auf.

„Großmutter“, sagte er, um einen beruhigenden Tonfall bemüht. „Ich bin erwachsen. Ich entscheide, wann es Zeit ist zu heiraten.“

„Ich wünschte nur, das könnte ich glauben.“ Ihre Stimme wackelte, und er begann sich ernsthaft Sorgen zu machen. „Ich habe versucht, geduldig zu sein, Ethan, aber ich habe große Angst, dass unsere Familie aussterben wird.“ Sie hob eine zittrige Hand, um seinen Protest abzuwehren. „Ich weiß ja, dass du Angst hast. Aber wir können jetzt testen. Wir können sicherstellen, dass deinen potenziellen Kindern eine Genmutation erspart bleibt.“

Er hatte seine Großmutter noch nie weinen gesehen. Nicht beim Tod von Ethans Geschwistern. Nicht, als die Ehe von Ethans Eltern an der Trauer zerbrach. Nicht, als die Verantwortung für das Unternehmen an ihr hängen blieb, das ursprünglich gegründet worden war, um nach einer Behandlungsmöglichkeit für ein wohlbehütetes Familiengeheimnis zu forschen, einen Gendefekt, der in eine Krankheit münden konnte. Und nicht, als sie ihren Ehemann nach einundfünfzig Jahren verlor.

Aber jetzt weinte sie tatsächlich.

„Du hast eine Verantwortung, Ethan. Gegenüber der Familie Hartwell und gegenüber der Firma. Und dir selbst gegenüber. Es wird Zeit, dass du sesshaft wirst.“ Sie hatte anscheinend den reflexartig aufkeimenden Protest in seinem Gesicht gelesen. Denn sie richtete sich auf und starrte ihn aus haselnussbraunen Augen an. „Wenn du nicht gewillt bist, bleibt mir nichts anderes übrig, als vom Vorstand zurückzutreten und meine Anteile an Hartwell Genetics zu übertragen.“

Ihre Anteile waren groß genug, um nahezu jede Unternehmensentscheidung zu beeinflussen. Wenn jemand anders diese besäße, müsste Ethan regelrecht kämpfen, um das Geheimnis seiner Erbanlagen nicht zu verraten und die Forschung dennoch in seinem Sinne weitertreiben zu können. Er würde unweigerlich viele Stunden darauf verschwenden müssen, sich bei neuen Geschäftspartnern einzuschmeicheln, und unter neuer Führung würden seine langfristigen Pläne vielleicht nie wahr werden.

„Das meinst du nicht so!“, sagte er.

„Doch! Ich muss wissen, dass ich irgendetwas aufgebaut habe, das bleibt, Ethan, etwas, das mich überlebt.“ Er konnte jedes ihrer neunundsiebzig Jahre in ihrer Stimme hören. „Ethan, es ist einfach wichtig für mich zu wissen, dass du deiner Pflicht nachkommst. Dass du Hartwell Genetics durch die nächsten fünfzig Jahre führst. Wenn du mir das nicht beweisen kannst – wenn du bis zum 5. Januar nicht verheiratet bist –, dann feiere ich meinen Achtzigsten damit, meine gesamten Anteile an die American Foundation for the Advancement of the Arts zu übertragen.“

AFAA. Das Lieblingsprojekt seiner Großmutter.

Es war sogar schlimmer, als er vor wenigen Augenblicken noch gedacht hatte. Die AFAA hatte keinerlei Interesse an Medizin. Solch einen großen Anteil an Aktien würde die Stiftung nur als konservatives Investment betrachten. Und mit Freude würde sie jede von Ethans Entscheidungen infrage stellen.

Ethan seufzte. Er hatte vor zwei Monaten seine Großmutter zur jährlichen Versteigerung der Stiftung ins luxuriöse Eastern Hotel begleitet, von wo aus man Aussicht auf das Washington Monument hatte.

Er schluckte. An jenem Abend hatte er der Auktionatorin einen Drink spendiert und dann im Penthouse des Hotels eine Suite gebucht.

Sloane. Sloane Davenport.

Er sah noch immer Sloanes unsicheres Lächeln, während sie zugab, so etwas noch nie zuvor getan zu haben – mit einem Mann mitzugehen, den sie gerade erst kennengelernt hatte. Er hatte ihr Geständnis unterbrochen, indem er sie geküsst hatte, ohne sich eingestehen zu wollen, wie anziehend er ihre Unschuld und ihre Schüchternheit fand.

Seit der Auktion hatte er unzählige Male zum Telefonhörer gegriffen, aber doch nie ihre Nummer gewählt. Er wollte das Bedauern in ihrer Stimme nicht hören, wenn er sich meldete. Und er wollte nicht über die Unterhaltung nachdenken, die sie im Dunkeln geführt hatten – etwas schläfrig und ganz entspannt, noch lange, nachdem ihre Körper erschöpft waren. Er wollte sich auch nicht daran erinnern, wie er alleine aufgewacht war und neben ihm auf dem Kissen nur noch ein Hauch ihres Parfums lag.

Er räusperte sich und mahnte sich, die eine Nacht zu vergessen, die aus der endlosen Reihe von One-Night-Stands im letzten Jahr herausstach. „Die AFAA!“, brachte er schließlich hervor.

Die Augen seiner Großmutter glitzerten, als sie einen dicken Umschlag auf den Schreibtisch legte. „Ich habe die Papiere hier, Ethan. Zach hat sie für mich bereits aufgesetzt.“

Zach Crosby. Ethans bester Freund. Und der Anwalt seiner Großmutter.

Ethan machte kehrt, ohne sich um seine Großmutter zu kümmern oder den abschätzigen Gesichtsausdruck ihrer Sekretärin. Ihm blieben sieben Monate, um eine Frau zu finden. Er hegte keinerlei Zweifel daran, dass seine Großmutter ihre Drohung wahr machen würde, wenn er keine finden sollte. Dessen war er sich absolut sicher. Sie liebte ihn und sie würde alles tun, was sie für nötig hielt, um ihn aus ihrer Sicht zu retten. Auch, wenn er gar nicht gerettet werden wollte.

Sloane Davenport schnappte nach Luft, als ihr Bildschirm flackerte, einen Schreckensmoment lang blau aufleuchtete und als dann der Computer seinen Geist aufgab. Verdammt! Das passierte heute schon zum dritten Mal! Und sie konnte nun nicht überprüfen, ob ihre E-Mail gesendet worden war. Und ob ihr Lebenslauf an den zukünftigen Arbeitgeber hinausgegangen war. Und ob sie es endlich aus der misslichen Lage schaffen würde, in der sie sich befand.

Langsam stand sie auf und massierte ihren unteren Rücken. Der dumpfe Schmerz war wiedergekommen. Sie verzog das Gesicht und nahm sich eine Salzstange. Übelkeit stieg in ihr hoch, aber sie zwang sich dazu, langsam zu kauen und ein ganzes Glas Wasser zu trinken.

Zweieinhalb Monate waren vergangen. Mit der Morgenübelkeit sollte es jetzt allmählich vorbei sein. So stand es zumindest in dem Buch mit den vielen Eselsohren, das sie wie eine Bibel griffbereit auf dem Tisch liegen hatte.

Sie zuckte mit den Schultern und griff nach den Papieren neben ihrem PC. Rechnungen. Glücklicherweise zahlte sie noch mit Überweisungen – so konnte ihr Computer diese nicht auch noch ruinieren.

Nicht dass dieses Papier irgendein Trost wäre, aber immerhin hatte sie die Miete pünktlich bezahlen können. Ihr Studienkredit war allerdings eine andere Sache. Sie hatte eine geringe Summe abbezahlt und einen Zettel dazugelegt, dass sie mehr abbezahlen würde, sobald sie dazu in der Lage war.

Als ob das demnächst eintreten könnte! Die Ausgaben für das Baby hatten gerade mal begonnen, und Sloane war es jetzt schon zu viel. Bald musste sie neue Kleidung kaufen. Noch sah man nichts, aber bis es so weit sein würde, waren es höchstens noch ein paar Wochen.

Sie würde auch gute Lebensmittel kaufen müssen, sobald sie mehr als nur Salzstangen und Nudeln im Magen behalten konnte. Erst einmal hoffte sie, dass ihre teuren Schwangerschaftsergänzungsmittel ausreichten. Sie warf einen Blick auf die weiße Flasche auf dem Küchenbord.

Und sie musste Geld für einen Arzt zusammenkratzen.

Den ersten Arztbesuch hatte sie noch geschafft, bevor ihre Versicherung ausgelaufen war. Aber inzwischen waren zwei Monate vergangen – und sie schuldete sich und dem Baby diese zwei versäumten Besuche. Sie versuchte sich zwar zu überzeugen, dass sie warten konnte, bis sie einen neuen Job hatte, aber mit jedem Tag, der verging, ohne dass ihre Bewerbungen Erfolg hatten, wuchs ihre Angst.

Sie strich über den dünnen Stoff ihres T-Shirts, unter dem in ihr das neue Leben heranwuchs. Wäre sie die Sache mit der AFAA anders angegangen, wenn sie gewusst hätte, dass sie schwanger war?

Sie errötete bei dem Gedanken daran, wie sie am Morgen nach der Auktion mit der U-Bahn vom Eastern Hotel nach Hause gefahren war. Sie war in den ungewohnt hohen Schuhen in ihre Wohnung hinuntergestöckelt. Sie war müde und verlegen, weil sie sich unbemerkt aus der Hotelsuite geschlichen hatte. Und trotz des Herzklopfens bei der Erinnerung an die Nacht davor erwischte sie sich dabei, wie sie dämlich grinste. Sie sang sogar unter der Dusche, während sie sich für die Arbeit fertig machte. Lächerliche Songs: Liebeslieder.

Ach, sie wusste, dass Ethan Hartwell sie nicht liebte. Er konnte sie nicht lieben. Er war berühmt und reich und das Klatschthema Nummer eins in der Stadt.

Aber da war etwas in seinem Blick gewesen, als er neben sie an die Bar gekommen war. Dort gönnte sie sich eine wohlverdiente Pause, nachdem sie die erfolgreichste Frühlingsauktion in der Geschichte der AFAA organisiert hatte. Und es hatte etwas in der Art gelegen, wie er ihr noch einen Cocktail bestellt hatte und wie er mit ihr flirtete.

Ja, sie hatte geflirtet …

Sloane seufzte bei dem Gedanken daran, wie leicht ihr die Worte über die Lippen gekommen waren. Dieses eine Mal im Leben war es ihr leichtgefallen, mit einem Mann zu reden, ihn zu necken und aufzuziehen. Leicht verwundert nahm sie wahr, wie Ethan sich zu ihr lehnte. Sie neigte den Kopf, sprach leiser und biss sich auf die Unterlippe. Als er einen Finger auf ihr Kinn legte und sie zu sich zog, fühlte sie, was vor ihnen lag. Plötzliche Hitze durchströmte sie.

Sie konnte den Whiskey auf seinen Lippen schmecken – das rauchige Aroma, das sich mit dem Zitronengeschmack ihres eigenen Drinks vermischte. Unbewusst sog sie noch mehr von seinem Duft in sich auf. Als seine Zunge die ihre berührte, war sie wie elektrisiert, und sie war froh, dass seine Hand auf ihrem unteren Rücken sie auf dem Hocker festhielt.

Eine Stunde, einen Cocktail und viel Geplänkel später wandte er sich an den Barkeeper und sagte etwas, das sie nicht verstehen konnte. Sie sah jedoch eine Kreditkarte aufblitzen und konnte wenig später beobachten, wie eine Schlüsselkarte von der einen in die andere Hand wanderte.

Er besiegelte seine Einladung mit einem weiteren Kuss, der ihre Knie zittern ließ. Sie fand ein paar geistreiche Worte, und dann war sie dankbar dafür, wie er sie zum Aufzug und in die Penthousesuite führte, die er sich anscheinend mühelos organisiert hatte.

Seine Sicherheit verlieh ihr das Selbstvertrauen, all das zu tun, was sie tun wollte. Sie brauchte sich nicht zu fragen, ob sie dieses sagen oder jenes tun sollte. Stattdessen vertraute sie ihrem Gefühl. Eine einzige perfekte Nacht lang fühlte sie sich mit einem Mann wohler als je zuvor, vertraute ihm voll und ganz. Es lag nicht nur an den wundervollen Dingen, die er mit ihr anstellte. Hinterher redeten sie tatsächlich noch stundenlang, lagen nebeneinander im Dunkeln und erzählten einander aus dem eigenen Leben. Alles fühlte sich so … richtig an.

Am Morgen hatte sie sich jedoch hinausgeschlichen, bevor er aufgewacht war. Frauen machten das so – zumindest im Film und in den Klatschblättern. Sie hatte sich weggeschlichen, zu Hause geduscht und war ins Büro gegangen. Für alles hatte sie weniger als eine halbe Stunde benötigt.

Dreißig Minuten, in denen ihr Chef auf sie gewartet und sich seine Wut bis zum Äußersten gesteigert hatte.

Wusste Sloane denn nicht, dass die AFAA ein Image aufrechterhalten musste? Projektleiterinnen bei der AFAA konnten sich nicht einfach mit berüchtigten Playboys abgeben, schon gar nicht in öffentlichen Bars, wo großzügige Spender ihnen dabei zuschauen konnten. Und Projektleiter der AFAA konnten auch ganz sicher nicht einfach mit ihren Eroberungen an einen ganz eindeutigen Ort verschwinden. Projektleiterinnen bei der AFAA durften den langfristigen Erfolg der seriösen Stiftung in keinem Fall gefährden.

Projektleiter der AFAA konnten ohne Zögern in Sekundenschnelle ersetzt werden.

Sogar jetzt noch, Wochen später, musste Sloane bei der Erinnerung daran das Gesicht aus Verzweiflung verziehen.

Bevor sie ihre Notizen einsammeln und damit zur Bibliothek – und dem funktionierenden PC dort – gehen konnte, klingelte es an der Tür. Sie fuhr überrascht auf, denn sie bekam nie Besuch. Als sie durch den Spion sah, fiel sie beinahe um.

Ethan Hartwell. Als ob sie ihn mit ihren Erinnerungen heraufbeschworen hätte.

Das war natürlich absurd. Sie hatte seit März beinahe ununterbrochen an diese Nacht gedacht. Die Gedanken alleine hatten Ethan bisher noch nie hierhergebracht.

Mit klopfendem Herzen fuhr sie sich durch die Haare. Gott sei Dank hatte sie diesen Morgen geduscht, sich die Zähne geputzt und sogar Zahnseide verwendet. Sie warf einen Blick hinunter auf ihr enges blaues T-Shirt, kämpfte eine Sekunde lang mit dem Knopf ihrer Hose und zog den Bauch ein. Er würde das Babybäuchlein noch nicht sehen können, oder? Niemand sah es, sagte sie sich.

Es klingelte wieder, lange und beharrlich. Sie spürte Widerstand in sich. Was wollte Ethan Hartwell von ihr? Warum war er gerade jetzt hier? Sie zog in Betracht, nicht zu öffnen. Er konnte schließlich anrufen, wenn er sie wirklich brauchte. Ihr Name stand im Telefonbuch.

Doch dann erinnerte sie sich an seine braunen Augen, die ihr im Eastern Hotel als Erstes aufgefallen waren. Sie dachte an seine sonore Stimme. Und an seine großen Hände, die sich auf ihre Hüften legten und …

Sie öffnete das doppelte Schloss genau in jenem Moment, als er die Hand hob, um zu klopfen.

„Ethan“, stellte sie fest, stolz darauf, dass ihre Stimme nicht wackelte und ihr Tonfall den richtigen Hauch Überraschung enthielt.

„Sloane.“ Er ließ die Hand sinken. Etwas loderte in seinem Blick auf. Er lächelte dann auf genau dieselbe umwerfende Art wie damals. „Darf ich reinkommen?“

Wortlos trat sie beiseite. Als er an ihr vorbeiging, nahm sie seinen Duft wahr – wie Pinien im Mondschein –, durch und durch männlich. Sie erwartete, wie derzeit gewohnt mit Übelkeit auf intensive Gerüche zu reagieren, war aber angenehm davon überrascht, dass ihr nicht schlecht wurde.

Ihr Körper reagierte jedoch durchaus. Ihre Lippen kribbelten, während sie versuchte, ihren Atem zu beruhigen. Ihr Herz klopfte so schnell, dass sie beinahe annahm, Ethan würde sich umdrehen und ganz verstört von dem Lärm auf ihren Brustkorb starren. Bei dem Gedanken an seinen Blick auf ihrer Brust regte sich noch mehr in ihr. Als sie spürte, dass ihre Brustspitzen hart wurden, verschränkte sie die Arme.

Mit einem gespielten Hüsteln fragte sie: „Möchtest du etwas trinken?“ Doch Kaffee war ausgeschlossen. Sie konnte ihrem unruhigen Magen nicht trauen in Anbetracht frischen Kaffeedufts. „Tee vielleicht?“, fragte sie.

Er schüttelte den Kopf. „Nein, danke“, antwortete er. Er schritt auf ihre Couch zu, als ob er hier wohnte.

Sie lebte nun seit fast drei Jahren in dieser Wohnung. Aber in all dieser Zeit hatte sie nie wahrgenommen, wie klein das Apartment tatsächlich war und wie stickig. Er warf einen Blick in Richtung Schlafzimmer, und plötzlich stellte sie sich vor, wie er sie aufhob, um sie dann auf die zerwühlten Laken des Doppelbetts niederzulassen.

Sie ermahnte sich weiterzuatmen. Sie deutete auf das Wohnzimmer und sagte: „Es ist nicht ganz das Eastern, oder?“

Er ignorierte ihre Frage. „Du hast die Stiftung verlassen.“

Etwas an seinem Tonfall störte sie. „Ich wusste nicht, dass ich dazu deine Erlaubnis gebraucht hätte!?“

Er ging nicht auf ihren Sarkasmus ein. „Ich versuchte gestern, dich zu erreichen. Sie sagten, dass du vor zwei Monaten aufgehört hast zu arbeiten. Ich schätze, die Auktion war dein letzter kleiner Flirt?“

Sie wurde rot. Er konnte nicht wissen, dass die Nacht mit ihm etwas Besonderes für sie gewesen war. Ihre Verletzlichkeit ließ ihren Tonfall fordernd klingen. „Warum kümmert dich das? Warum wolltest du mich überhaupt anrufen?“

Im schwachen Licht wirkten seine braunen Augen schwarz. „Dein Name fiel in einer Unterhaltung, und ich fragte mich, wie es dir wohl geht.“

„Mein Name fiel in einer Unterhaltung“, sagte sie und kämpfte gegen das Kribbeln an, das Ungläubigkeit und Aufregung in ihr verursachten. „Nach zweieinhalb Monaten? Einfach so?“ Warum nur hatte ihre Stimme beim letzten Wort gewackelt?

Er trat einen Schritt auf sie zu und legte eine Hand auf ihren Arm. Sie wusste, dass sie ihren Arm wegziehen und einen sicheren Abstand hätte einhalten sollen, aber sie traute ihren plötzlich wackligen Knien nicht.

„Fangen wir noch einmal von vorne an“, sagte er. „Setz dich!“

Sie setzte sich und tat so, als ob es ihre eigene Idee gewesen wäre. Dabei war es ihr sehr recht, sich zurücklehnen zu können. Sie sehnte sich danach, ein Kissen vor ihren Bauch zu halten. Stattdessen faltete sie ihre Hände und versuchte ruhig zu werden, obwohl ihr Herz unaufhörlich laut pochte. Während er sich neben sie setzte, suchte sie nach etwas, das sie sagen konnte, irgendetwas, das normal klang.

Er sprach in sanftem Tonfall: „Wie weit bist du?“

Sie zupfte an ihrem T-Shirt. „Woher weißt du …?“

„Die Nahrungsergänzungsmittel.“ Er nickte Richtung Anrichte, wo das weiße Plastikfläschchen mit dem knalligen Aufdruck stand. „Das Buch.“ Sie errötete, als sein Blick auf den Couchtisch fiel. Er wiederholte: „Wie weit?“

„Zehnte Woche.“ Sie beobachtete ihn genau, während er rechnete, und erwartete, Zorn und Ablehnung in seinem Blick zu erkennen. Stattdessen jedoch war da etwas anderes, das sie nicht deuten konnte.

Er senkte die Schultern. „Ist es von mir?“

Sie nickte, plötzlich sprachlos. Die Hormone, dachte sie, als ihr die Tränen in die Augen stiegen. Dämliche Schwangerschaftshormone!

Wunderbar, dachte Ethan. Schon die zweite Frau, die er diese Woche zum Weinen gebracht hatte.

Damit hatte er nicht gerechnet. Nicht ein einziges Mal hatte er beim Gedanken an Sloane erwogen, dass ihre gemeinsame Nacht Folgen gehabt haben könnte. Ein Baby mit den Genen der Hartwell-Familie. Mit dem Potenzial für so viel Leiden, dass ihm der Atem stockte.

Sie hatten natürlich verhütet. Er war ja kein Idiot. Aber er war Arzt und kannte die Statistiken. Kondome versagten hin und wieder – in drei Prozent der Fälle. Drei Prozent! Nach einer langen Glückssträhne hatte er nun eine Niete gezogen.

Heute Morgen war er mit gemischten Gefühlen zu Sloane gefahren, entschlossen, seine Unabhängigkeit zu wahren, auch wenn er dem Befehl seiner Großmutter folgte. Er hatte gedacht, dass Sloane und er sich besser kennenlernen könnten. Immerhin war sie die einzige Frau, an die er noch gedacht hatte, nachdem er das gemeinsame Bett verlassen hatte. Die einzige Frau, der er je etwas hatte anvertrauen wollen. Alles anvertrauen. Darum hatte er sich natürlich gleich danach geschworen, sie nie wiederzusehen.

Aber jetzt brauchte er eine Frau. Eine Ehefrau sogar. Und angesichts des Ultimatums seiner Großmutter war ihm Sloane eingefallen.

Er hatte sich etwas vorgemacht, als er angenommen hatte, es würde einfach. Dass sie ein paar richtige Verabredungen haben könnten, die nicht im Bett endeten – auch wenn das schwierig werden könnte. Sich einfach ein bisschen besser kennenlernen.

Und nun war der Einsatz höher geworden. Viel höher. Und Sloane hatte nicht die geringste Ahnung, was vor sich ging. Sie hatte keine Vorstellung davon, welches Leid die Zukunft für sie bereithalten mochte. Ethan biss die Zähne zusammen. Es gab Tests. Daran hatte ihn seine Großmutter erinnert. Ab der vierzehnten Woche konnte man diese Tests machen.

Jetzt hatte er die Stille zu sehr ausufern lassen. „Bist du alleine hier?“

Sie nickte wieder. Er versuchte die Gefühle zu benennen, die sich in seine Erleichterung mischten: Freude und ein überraschend deutlicher Besitzanspruch. Sie war alleine. Damit meinten sie eigentlich beide: nicht gebunden.

„Gut“, brummte er.

Dieses Wort entfachte ein Feuer in Sloane. Klar, sie hatte davon geträumt, ihm die Neuigkeit mitzuteilen. Sie hatte sich unsinnige Szenen ausgemalt, wie Ethan ihr in ein paar Jahren über den Weg laufen würde, nachdem sie Karriere gemacht und sich selbst und der Welt bewiesen hatte, dass sie stark und unabhängig war.

Doch tief im Herzen hatte sie gewusst, dass das nie passieren würde. Ethan würde nicht für sie da sein, nicht am Leben ihres Babys teilhaben. Sie hatten ja nur eine Nacht zusammen verbracht, und sie hatten schließlich vorgesorgt, dass sie nicht in so einer – Situation enden würden.

Außerdem hatte sie nach dieser Nacht all den Klatsch recherchiert. Sie hatte sich dazu gezwungen, in den Klatschspalten über sein Playboyleben zu lesen.

Sloanes Tagträume konnten nicht wahr werden. Oder doch!?

„Sloane“, unterbrach er ihre Gedanken. „Ich hätte mich schon vorher melden sollen. Ich weiß, dass das unerwartet kommt, aber ich habe seit jener Nacht an dich gedacht. Oft. Als ich aufwachte und du weg warst, dachte ich, ich könnte akzeptieren, was du offensichtlich wolltest.“

Er streckte den Arm aus und legte die Hand auf ihren Bauch. Seine Fingerspitzen entfachten lauter kleine Feuer in ihr, und sie rang nach Luft. Er rutschte näher zu ihr. „Aber jetzt ist alles anders.“

Mit seinem Mund auf ihrem hatte sie nicht gerechnet. Sie fühlte seine Kraft, seine Energie. Ihr Körper reagierte, noch bevor sie eine vernünftige Antwort parat hatte. Sie beugte sich zu ihm, von seiner Berührung angezogen wie eine Verhungernde von einem Festmahl. Er fuhr mit der Zunge über ihre Lippen, und sie gab nach, ohne sich bewusst entschieden zu haben. Ihre Finger verließen ihren Schoß und fuhren durch seine Haare, zogen Ethan näher zu sich.

Ihre Hände schienen ihn aus einer Starre zu lösen, denn plötzlich waren seine Finger fast gleißend heiß unter ihrem T-Shirt und strichen über ihren noch flachen Bauch. Er legte eine Hand über ihren Busen und rieb dabei den zarten Stoff ihres BHs gegen ihre Haut. Sloanes Körper war noch nie so empfindsam gewesen, und sie schnappte überrascht nach Luft. Sie legte die Hand auf seine Finger. „Einen Moment.“

Ethan ließ den Kopf auf ihre Schulter fallen und spürte mit der Wange ihren Puls.

Es war verrückt. Er war hergekommen mit dem Plan, ein perfekter Gentleman zu sein. Er hatte die Zeit zurückdrehen wollen, um sich und ihr etwas mehr Zeit und Raum zu geben, um einander besser kennenlernen zu können. Er hatte auf die wundersame Basis bauen wollen, die damals im Eastern Hotel schon entstanden war, diese Nacht, in der sie endlos geredet und miteinander geschlafen und noch mehr geredet hatten.

Aber er konnte nicht anders. Auch wenn er wusste, dass sie sein Baby in sich trug. Besonders, weil er das wusste.

Er lehnte sich zurück, um ihr in die Augen sehen zu können. In so blaue Augen, dass er darin zu ertrinken meinte. Die Worte kamen aus seinem Mund, bevor er überhaupt wusste, dass er sie sagen würde: „Sloane, heirate mich!“

„Wie bitte?“ Sloane traute ihren Ohren nicht. Er wollte ihr über die Lippen streichen, aber sie wandte sich zur Seite. Wie konnte er ihre Tagträume kennen? Die Geschichten, die sie sich vor dem Einschlafen selbst erzählte?

„Heirate mich!“, wiederholte er, als ob es das Natürlichste in der Welt wäre.

Das konnte er doch nicht ernst meinen.

Sicher, sie hatte sich vorgestellt, wie er ihr einen Antrag machte, nachdem er von dem Baby erfuhr. Mit allem Drum und Dran wie Rosen, Sekt, einem Diamantring.

Aber in ihren Träumen kannten sie sich etwas länger, ehe er sie fragte. Sie hatten sich Tausende Male unterhalten, unzählige Gemeinsamkeiten entdeckt. Füllten ihre Tage – und Nächte – mit Lachen und mit Geheimnissen. Sie schufen eine Grundlage für ein gemeinsames Leben. Er ließ seinen Ruf als Frauenheld hinter sich, weil er endlich angekommen war bei seiner … wahren Liebe!?

Es war ihr großer Traum. Aber Träume wurden bekanntlich nie wahr. Jedenfalls nicht ihre, nicht die Träume eines Pflegekindes, das ein Leben lang von einem lieblosen Zuhause ins nächste verschoben worden war. Ihre alte Abwehrhaltung erwachte genau rechtzeitig. Sie erinnerte sie daran, dass sie sich und ihr Baby beschützen musste und dass nur sie allein das konnte. Sie zog also ihr T-Shirt zurecht und befahl sich, die Erregung zu unterdrücken. Mit härterer Stimme fragte sie nun: „Bist du übergeschnappt!?“

Etwas flackerte in seinen Augen, als er aufstand, und sie versuchte, seine Miene zu lesen. Schuldgefühle. Oder Verlegenheit. „Ich versuche nur, das Richtige zu tun“, erwiderte er angestrengt.

Sie wollte ihm so gerne glauben. Sie wollte glauben, dass ihr das wirklich gerade passierte. Aber ernsthaft, Ethan Hartwell? Hartwell Genetics? Ein Milliardär? Der Junggeselle des Jahres?

Ihr Schweigen schien ihn zornig zu machen. Seine Kiefermuskeln spannten sich an. Er griff in seine Gesäßtasche und zog eine Geldtasche hervor. Mit zwei Fingern nahm er eine Visitenkarte heraus. Dann schritt er zu ihrem Küchentisch, und sie versuchte seinem angespannten Rücken zu entnehmen, was er dachte.

Als er sich wieder zu ihr drehte, waren seine Augen dunkel. „Denk darüber nach, Sloane. Ich will das Richtige tun. Erst ein Vaterschaftstest, dann eine richtige Hochzeit. Ein besseres Angebot wirst du nicht bekommen.“ Er wartete ihre Antwort nicht ab, sondern ging hinaus und schloss die Tür nachdrücklich.

Der Kerl hatte doch wahrlich einen an der Klatsche! Erst war er ganz der charmante Typ, den sie im Eastern getroffen hatte, der Mann, der sie dazu gebracht hatte, die Nacht mit ihm zu verbringen – nur mit seinem Lächeln.

Und im nächsten Moment war er kühl und bedacht aufs Geschäftliche. Ein Arzt und Businessmann, der einen Deal aushandelte. Ein Vaterschaftstest! Er dachte also, dass sie ständig mit fremden Männern aufs Zimmer ging.

Sie würde es ihm zeigen. Diese Visitenkarte würde sie in tausend Stücke zerreißen. Sie stürmte in die kleine Küche.

Aber sie hielt gleich wieder inne, als sie sah, was vor ihr lag.

Unter Ethans Karte lagen fünf Hundertdollarscheine.

Fünfhundert Dollar. Mehr Geld, als sie zu Gesicht bekommen hatte, seit die AFAA sie hinausgeworfen hatte. Geld, das er ihr nicht hätte geben müssen. Geld, das er an eine Bedingung hätte knüpfen können.

Plötzlich schämte sich Sloane. Welchen Grund hätte Ethan wirklich, ihr zu glauben?

Sicher, sie hatten eine sehr intime Nacht zusammen verbracht. Das Baby in ihr war Beweis dafür. Aber hatte sie seither den Mut aufgebracht, ihn zu kontaktieren? Den Vater ihres Babys? Was, wenn Ethan heute Morgen nicht zu ihr gekommen wäre? Wie lange noch hätte er nichts gewusst? Wochen? Monate? Jahre?

Unter den Umständen hatte Ethan sich eigentlich ganz gut verhalten.

Was hatte er eben gesagt? Er wollte das Richtige tun. Sogar, nachdem sie die Wahrheit vor ihm verborgen hatte. Sein Instinkt war es gewesen, sich um sie zu kümmern. Und um das Baby. Er hatte sich keineswegs wie der Lebemann aus den Klatschspalten verhalten.

Ein Gefühl von Zärtlichkeit breitete sich in Sloanes Brust aus. Da war wirklich etwas zwischen ihnen, etwas Starkes, etwas von entscheidender Bedeutung.

Ein Lächeln formte sich auf ihren Lippen, als sie an seinen ernsten Tonfall dachte. Heirate mich.

Konnte es sein, dass er es wirklich so meinte? Sollte sie ein Ja wagen?

Sie hatte keine Vorbilder für die Ehe. Sie war ohne Vater und Mutter aufgewachsen, ohne das Familienleben, von dem sie träumte, wenn sie Filme ansah oder Bücher las. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es war, jemandem genug zu vertrauen, um den Rest des Lebens mit ihm verbringen zu wollen.

Und jemanden so sehr zu lieben.

Ach, es war viel zu früh zu sagen, dass sie Ethan liebte. Das wusste sie. Aber sie konnte behaupten, dass etwas sie sehr stark zu ihm hinzog. Dass sie sich bei ihm sicher fühlte. Und, mehr noch, dass sie sich durch ihn begehrenswert fühlte. Begehrt. Durch ihn kam sie sich lebendiger vor als jemals zuvor.

Sloane biss sich auf die Lippen und faltete die Scheine. Die Visitenkarte glänzte ihr noch immer herausfordernd vom Tisch entgegen.

Hatte sie den Mut, ihn anzurufen? Die Stärke, auf Ethan zuzugehen und ihm zu sagen, was sie dachte? Nachdem sie bisher aus Selbstschutz jegliches starke Gefühl unterdrückt hatte, konnte sie es wagen, den nächsten Schritt zu tun?

2. KAPITEL

Das hatte er gründlich versaut.

In der Sekunde, als Ethan sich in seinen Wagen setzte, wusste er, dass er einen schrecklichen Fehler gemacht hatte.

Aber etwas an Sloane brachte ihn aus der Fassung. Heirate mich! Wo war das nur hergekommen? Kaum gesagt, wusste er, wie abrupt es für Sloane klingen musste. Er hatte nur daran gedacht, dass Sloane ein Kind von ihm erwartete. Und er konnte die fixe Idee nicht loswerden, dass es Schicksal war.

Gleich nachdem er von seiner Großmutter weggegangen war, hatte Ethan die AFAA angerufen, nur um zu erfahren, dass Sloane nicht mehr dort arbeitete. Danach schaltete er einen Privatdetektiv ein. In weniger als vierundzwanzig Stunden wusste Ethan, dass Sloane gefeuert worden war. Immerhin hatte er nun ihre Adresse. Und eine Kreditkartenrechnung. Nur von einer Sache hatte er überhaupt keinen Wind bekommen: von der Schwangerschaft …

In der Theorie war alles so logisch gewesen. Er kam dem Wunsch seiner Großmutter nach und fand zugleich heraus, ob wirklich etwas zwischen Sloane und ihm war.

Aber alle Absichten waren wie weggeblasen, als er vor Sloane stand. Als er die Überraschung in ihren meerblauen Augen sah. Und die Unsicherheit. Wie sie leicht errötete, während sie ihn hineinließ und die Arme vor der Brust verschränkte, um die offensichtliche Reaktion ihres Körpers zu verbergen. Und erst seine eigenen Gefühle!

Und in diesem Moment hatte er noch nicht einmal erkannt, dass sie schwanger war.

Heirate mich! Einfach so hatte er die Worte gesprochen. Ohne Einleitung, ohne Erklärung. Er hatte nicht einmal beteuert, dass sie nicht nur einer seiner Flirts gewesen war. Dass da eine Verbindung zwischen ihnen war. Nächtliche Gespräche wie ihre hatte er bis dahin für Erfindungen von Kitschromanen gehalten. So etwas konnte nicht wirklich passieren.

War es aber.

Sogar jetzt noch konnte er sich an jedes einzelne Wort erinnern. Er hatte ihr von Hartwell Genetics erzählt und dass er die Welt verändern wollte. Er wollte Millionen Menschen mit seinen Medikamenten helfen. Und wie sie auch mochte er die Herausforderung, die Kämpfe und den harten Wettbewerb in der Geschäftswelt.

Sie hatte ihm von ihren Träumen erzählt. Wie nannte sie es? Das Projekt der Hoffnung – eine Internetseite, die sie entwickeln wollte. Es ging um die kunsttherapeutische Arbeit mit Pflegekindern. Ihre unerschütterliche Entschlossenheit und ihre Überzeugung, dass sie etwas Gutes bewirken konnte, hatten ihn sehr berührt.

Er konnte nicht behaupten, dass all das nichts war. Und er konnte nicht zugeben, dass seine Großmutter ihm befohlen hatte zu heiraten. Und er konnte ihr ganz sicher nicht den Grund für den Vaterschaftstest nennen. Er hatte noch nie jemandem von dem Fluch erzählt, der auf seiner Familie lastete, von seinen Geschwistern, die beide vor ihrem dritten Geburtstag gestorben waren.

Er hatte ihr einen Antrag gemacht und dann die Geldscheine einfach liegen gelassen. Als ob er sie kaufen könnte!

Er fluchte und fragte sich, wie jemand, der in der Geschäftswelt so erfolgreich war, sein Privatleben zugleich so verpfuschen konnte. Es musste einen Weg geben, Sloane alles zu erklären. Alles Gesagte zurückzunehmen und neu anzufangen.

Er schloss die Augen und versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Ginge es um eine Geschäftsverhandlung, würde er einen Weg finden. Er rief seine Assistentin an.

Ein Plan entwickelte sich …

Sloane kehrte aus der Bibliothek zurück, wohin sie zum Nachdenken gegangen war.

Sosehr sie Ethan auch sagen wollte, was sie dachte und fühlte, sie musste alles in Ruhe bedenken. Schließlich entschied sie nicht mehr nur für sich selbst. Da war auch das Baby. Das neue Leben war ein guter Grund, nicht impulsiv zu reagieren.

Sie musste sichergehen, dass in Ethan wirklich mehr steckte als nur der Playboy, über den sie so vieles gelesen hatte. Sie musste wissen, dass er mit ihr mehr geteilt hatte als mit den vielen anderen Frauen. Sie musste außerdem über ihre eigene Verliebtheit – ja, das war es! – hinwegsehen.

Bei ihrer Rückkehr sah sie den Umschlag sofort und erkannte das Logo von Hartwell Genetics auf dem Adressaufkleber. Ihr Herz begann schneller zu klopfen, aber sie zwang sich, erst einmal in Ruhe die Tür aufzuschließen, sich ein Glas Wasser einzuschenken und sich an den Küchentisch zu setzen. Eine Weile zog sie in Betracht, den Umschlag ungeöffnet zurückzusenden. Sie konnte doch zurück an den Absender daraufschreiben und ihn dann einwerfen, oder?

Bloß hatte Ethan den Umschlag gar nicht mit der Post geschickt. Es klebte nämlich keine Marke darauf. Er hatte den Brief liefern lassen.

Sie holte tief Luft und öffnete den Brief.

„Sloane“, stand da, „gibst du mir eine zweite Chance? E.“ Und da steckte auch noch ein Ticket im Kuvert.

Für Schwanensee. Für die Premiere des Bolschoi-Balletts zur Eröffnung der Tanzsaison im Kennedy Center. Freitagabend.

Sie lehnte sich zurück. Worauf ließ sie sich da ein?

Aber das war die falsche Frage, oder? Die richtige war: Worauf hatte sie sich eingelassen? Vor zweieinhalb Monaten, als sie der geradezu magnetischen Anziehungskraft eines Mannes nachgegeben hatte. Als sie sich der übermächtigen Anziehungskraft zwischen ihnen beiden hingegeben hatte.

Sie legte die Hand auf ihren Bauch, über das Kind, das in ihr heranwuchs.

Sicher, sie konnte Ethan mitteilen, sie habe schon Pläne für Freitagabend. Sie würde schon alleine zurechtkommen, denn sie war glücklich und gesund und liebte ihr Baby jetzt bereits über alles.

Aber was würde sie auf lange Sicht tun? Wie würde sie dieses Kind alleine großziehen?

Heirate mich!

Ihre Unabhängigkeit war ihr wichtig. Seit ihrer turbulenten Kindheit und ihrer verwirrenden Jugendzeit. Sloane hatte sich ihr Leben selbst aufgebaut. Eigenständigkeit hatte sie zu der Frau gemacht, die sie heute war.

Heirate mich!

Sie hatte jeden Tag, seit sie die Stiftung verlassen hatte, Jobbörsen durchforstet, aber es gab nicht viele bezahlte Stellen für Psychologen, die auf Kunsttherapie für Pflegekinder spezialisiert waren. Darum war sie ja überhaupt erst als Projektleiterin zur AFAA gekommen. Wie lange würde sie noch nach einem Job suchen müssen? Wie lange würden ihre mageren Ersparnisse ausreichen?

Selbst wenn sie seine fünfhundert Dollar verwenden würde. Selbst wenn sie das Geld annehmen und nicht als Beleidigung auffassen würde.

Heirate mich!

Er konnte es nicht ernst meinen. Wahrscheinlich hatten die Überraschung und der Schock aus ihm gesprochen. Aber warum hatte Sloane ihm davor auch nichts erzählt? Was hatte sie sich beweisen wollen? Und ihm? Dass sie ihn nicht brauchte? Dass sie niemanden brauchte? Wieder sah sie seinen ernsten Blick vor sich, als er um ihre Hand anhielt. Er hatte keine Sekunde gezögert. Er war mit all seiner Sicherheit auf sie zugegangen, die er schon in jener Nacht im Eastern Hotel ausgestrahlt hatte. Sie könnte doch lernen, sich darauf zu verlassen.

Heirate mich!

Aber sie war verrückt, wenn sie ein Ja in Betracht zog. Verrückter als er. Hatte sie allerdings eine bessere Alternative für ihr Baby? Wie sonst konnte sie ihrem Kind die Stabilität und Sicherheit geben, die es verdiente?

Sie starrte auf die Eintrittskarte. Was war schon dabei? Was hatte sie denn zu verlieren?

Ihr Magen knurrte, während sie Ethans Zettel noch einmal las. Zum ersten Mal seit Tagen hatte sie tatsächlich Hunger. Ein Burger mit Käse und Speck klang jetzt verlockend. Und dieses Mal musste sie nicht rechnen, ob sie sich eine Extraportion Pommes leisten konnte.

Ethan verbot sich selbst, noch einmal auf die Uhr zu sehen. Entweder tauchte sie auf oder eben nicht.

Die Musiker begannen, ihre Instrumente einzuspielen. Ethan klopfte mit dem Programmheft gegen seine Armlehne und wünschte, dass er in der Loge auf und ab gehen könnte.

Er stand auf – besser als nichts. Er schob eine Manschette hoch, bevor er sich daran erinnerte, dass er ja gar nicht auf die Uhr sehen wollte.

Da öffnete sich die Tür. Einen Moment lang sah er nur Umrisse. Dann streckte sich zögerlich eine Hand nach ihm aus – helle Haut mit perfekt lackierten roten Nägeln. Bei dem Anblick lief ihm ein wohliger Schauer über seinen Rücken. Sloane glitt herein, ein schwindelerregender Gegensatz aus Erwachsensein und Unschuld, eingehüllt in eine bescheidene kobaltblaue Robe.

Er murmelte ihren Namen, unfähig zu mehr.

Sie warf einen Blick auf die vielen Stühle in der Loge und fragte mit gerunzelter Stirn: „Wer kommt denn noch?“

„Niemand“, antwortete er. „Die Loge gehört uns heute Abend alleine.“

Sie errötete und sah nervös zur Seite. Das überraschte ihn. Sie hatte sich entschieden zu kommen, und sie wusste doch, wozu er fähig war, wozu sie beide fähig waren.

Es gab so viel zu entdecken mit dieser Frau. An dieser Frau. An sich selbst – mit ihr. Diese Vorstellung fand er seltsam erregend. In der Hoffnung, etwas von ihrer Anspannung zu nehmen, sagte er: „Schön, dass du hier bist.“

Und er fand es wirklich schön.

Ihre Haare waren hochgesteckt, der Hals wirkte lang und verletzlich. Es juckte ihn in den Fingern, den V-Ausschnitt ihres Kleides nachzufahren. Stattdessen wies er nur auf den besten Platz der Loge.

Als sie nach vorne trat, sah er, dass die Vorderseite ihres Kleides täuschte. Hinten war es tief ausgeschnitten und ließ einen freien Blick auf ihren Rücken zu. Dieser perfekte Körper elektrisierte ihn. Sie nahm grazil Platz, sich ihrer Wirkung offensichtlich nicht bewusst.

Sloane hatte zwar gewusst, dass Ethan einen Anzug tragen würde. Trotzdem versetzte seine formelle Kleidung sie sofort zurück in jene Nacht im Eastern. Sie sah seine gelockerte Krawatte vor sich, die offenen Hemd- und Manschettenknöpfe, seine muskulösen Unterarme.

Aber heute Abend ging es nicht darum. Das war nicht der Grund, warum sie zugesagt hatte, ihn heute hier im Kennedy Center zu treffen. Sie musste sich wieder an ihr Ziel erinnern: Ihr Baby brauchte ärztliche Versorgung, Sicherheit – alles Dinge, für die sie alleine nicht gut genug sorgen konnte.

Sloane war nun froh, dass sie sich die Zeit genommen hatte, ihre Haare hochzustecken und sich die Nägel zu lackieren. Und sie war begeistert, dass sie immer noch in dieses prächtige Kleid passte, das sie vor Jahren in Chicago gefunden hatte.

Im Kennedy Center war sie noch nie zuvor gewesen. Sie kannte es nur aus dem Fernsehen. Mit dem dicken roten Teppich unter ihren Füßen fühlte sie sich wie eine Prinzessin. Die Goldtupfen auf den Leuchten spiegelten das Blond von Ethans Haaren wider und betonten seine wilden Strähnen, mit denen er ein bisschen wie ein unartiger Junge wirkte. Sie blinzelte und stellte sich vor, wie er ihren Namen flüsterte.

Plötzlich überkam sie Verlangen. Glücklicherweise gingen gerade die Lichter aus. Sie atmete die kühle Luft tief ein und lehnte sich zurück. Dann befahl sie sich, die unglaubliche Kraft zu vergessen, die von dem Mann neben ihr ausging.

Der Vorhang hob sich.

Die Musik und der Tanz entführten sie in eine andere Welt. Sie wurde ganz von Sehnsucht erfüllt, als Prinz Siegfried gegen seine Zwangsheirat rebellierte und sich in die verbotene Prinzessin verliebte. Sie lachte, wenn die Schwäne umhertollten. Und sie erschauderte, als der böse Odin auftauchte und das ewige Glück der Liebenden bedrohte.

Als es vorbei war und sich der Vorhang senkte, sprang Sloane auf. Das restliche Publikum tat es ihr gleich und applaudierte frenetisch. Ein großer Spot erleuchtete die Bühnenmitte, wo sich die Haupttänzer elegant verbeugten.

„Ethan“, sagte sie, als schließlich das Saallicht wieder anging. „Das war unglaublich!“

Sie war unglaublich.

Ethan war ebenfalls aufgestanden, aber er hatte die ganze Zeit über Sloane betrachtet. Sein Blick war an ihrer Taille hängen geblieben. Noch war nicht zu sehen, dass sie ein Kind erwartete. Sein Kind.

Er wollte, dass dieses Baby gesund war. Es musste einfach so sein.

Er strich mit den Fingern über seine Brusttasche, um sicherzugehen, dass die Schatulle noch da war. Er konnte die Sache durchziehen. Er musste es tun. Seit dem Nachmittag in Sloanes Wohnung stand so viel mehr auf dem Spiel. Es ging nun nicht mehr darum, sich mit seiner Großmutter zu messen. Es ging um viel mehr.

Sloane biss sich auf die Lippen, als sie der Bühne den Rücken kehrte. Ethan sah verdutzt, dass sie weinte.

Er ging auf sie zu und legte eine Hand auf ihren Arm. „Was ist?“

Sloane wischte sich über die Wangen und schien selbst von den Tränen überrascht. „Ich …“, begann sie, aber ihre Gefühle hielten sie immer noch gefangen.

Ethan zog ein Taschentuch hervor. Sie lächelte dankbar und tupfte vorsichtig an ihren Augen. Gott sei Dank hatte sie wasserfeste Wimperntusche gewählt.

„Ich dachte, wir könnten vielleicht auf die Dachterrasse gehen“, meinte Ethan in die Stille, als ob dies eine normale Unterhaltung wäre. „Um diese Zeit weht dort oben immer eine schöne kühle Brise.“ Er wartete, bis sie nickte, und legte dann eine Hand auf ihren unteren Rücken. Sie fühlte seine Wärme durch ihr Kleid. Irgendwie gab ihr seine Gegenwart Ruhe und Kraft.

In der Dachlounge schwirrte eine bunt gemischte Menge umher. Kellner trugen Tabletts mit Sekt und Minidesserts. Sloane erinnerte sich an die Stiftungsauktion. Diese Menschen hier waren wohl großzügige Spender des Kennedy Centers und Gönner der Bolschoi-Kompanie. Reiche Spender wie jene, die so brüskiert von Sloanes Verhalten nach der AFAA-Auktion gewesen waren.

Ethan bemerkte nichts von ihrer Beschämung und führte Sloane durch die Menge. Ein paar Männer sahen zu ihnen und nickten ihnen zu wie ernste Butler. Ein paar Frauen waren etwas aufdringlicher und flatterten auf Ethan zu, um ihr Glas zu heben und unausgesprochene Einladungen auszudrücken.

Eine Frau löste sich aus der Menge und kam in einem dunkelroten Kleid auf sie zu, das wie die Sünde selbst aussah. „Ethan“, gurrte sie und stellte sich direkt vor ihn, ihre Krallen auf seiner Brust. „Du hast nach der Party letzte Woche versprochen anzurufen. Du schuldest mir noch das Dessert.“ Sie fuhr sich mit der Zunge aufreizend über die Lippen und ließ keinen Zweifel an der Art des Desserts.

Sloane ballte eine Faust um ihr Taschentuch. Jetzt war es so weit. Das war der Moment, der alles ändern würde, wenn Ethan wieder in seine Playboyattitüde verfiel, die ihn zum Liebling aller Klatschkolumnisten machte.

Doch Ethan legte nur die Hand um Sloanes Taille, zog Sloane auf eine Art zu sich, die keine Zweifel ließ. „Es tut mir leid, Elaine“, sagte er nur. „Ich war beschäftigt.“

Da war die Dame nicht mehr verführerisch, sondern eiskalt und zornig. „Ellen!“, spuckte sie ihm entgegen. „Ich heiße Ellen.“

Ethan zuckte mit den Schultern und zog Sloane dabei noch näher an sich heran. „Ellen“, wiederholte er gleichgültig. Die Frau stotterte, offensichtlich sprachlos, und dann nickte Ethan. „Schönen Abend noch“, sagte er höflich.

Drei Schritte weiter tauchte auf einmal ein Fotograf aus dem Nichts auf. „Mr. Hartwell“, sprach er Ethan an. „Etwas für den Washington Banner?“

„Kein Kommentar!“, fauchte Ethan und ging mit großen Schritten weiter, sodass Sloane schneller gehen musste.

Der Fotograf wirkte überrascht, dann wütend. Er schwirrte vor sie, schoss ein paar Fotos und blendete sie dabei mit schwindelerregend hellen Blitzen. Ethan trat einen Schritt nach vorne, aber der Fotograf zog sich zurück, bevor die Lage eskalieren konnte.

Bis sie die Türen zur Terrasse erreichten, begegnete ihnen nun niemand mehr. „Möchtest du etwas trinken?“, fragte er, bevor sie entkommen konnten.

Sloane nickte.

„Dann geh schon mal raus. Ich komme gleich nach.“

Sie ging alleine auf die Terrasse hinaus. Die Juninacht war lau, und sie betrachtete die vom Mond erleuchtete Kulisse. Das hier war das schöne Washington, das lebendige. Ihre düstere Kellerwohnung war meilenweit von dieser Eleganz entfernt. Sie wurde etwas entspannter, während sie die Lichter der Schiffe auf dem Potomac betrachtete. Alles war golden hier – die Lichter, das Gelächter. Unendliche Möglichkeiten boten sich.

Hinter ihr ging die Tür auf und ließ den Lärm der Party nach draußen strömen. Sloane wurde wieder angespannter. Ethan reichte ihr wortlos ein Sektglas. Sie nahm einen Hauch Limette zwischen den Bläschen wahr, und der erste Schluck bestätigte ihr, dass er ihr Wasser gebracht hatte. Schön, dass er an das Baby gedacht hatte.

Er selbst hielt ein hohes Glas in der Hand, in dem sich Eiswürfel in etwas Goldenem bewegten. Scotch, erinnerte sie sich an die Nacht im Eastern Hotel. Den besten Single Malt, den die Bar zu bieten hatte. Sie musste an den rauchigen Geschmack auf seiner Zunge denken, und der Atem stockte ihr.

„Danke“, sagte er und starrte auf das Wasser.

„Wofür?“ Sie war erstaunt.

„Dass du heute gekommen bist. Und dass du mir vertraut hast.“

Im Eastern hatte sie ihm noch weit mehr vertraut. So, wie sie noch nie einem Mann vertraut hatte. Sie hielt ihr Glas gegen ihr Handgelenk. Sie wünschte, dass sie mutig genug wäre, um die Eiswürfel aus seinem Glas zu nehmen und damit die Hitze zu kühlen, die er in ihr entfachte. Aber die konnte sie sich nicht eingestehen. In dieser Unterhaltung ging es nicht um diese Art von Befriedigung.

So weit, so gut, dachte Ethan.

Sie lief nicht vor ihm davon. Und sie hatte sich auch nicht von dieser Idiotin Elaine abschrecken lassen.

Ethan hatte drinnen nicht zu viel Zeit vergeudet. Als er sich von der Bar abwandte, kam Zach Crosby auf ihn zu und sah vielsagend auf die beiden Gläser in Ethans Händen. „Du bist aber schnell, Mann. Wer ist heute Abend die Glückliche?“

„Wer fragt? Mein bester Freund? Oder der Anwalt meiner Großmutter?“

Zach runzelte die Stirn. „Du weißt, dass ich darüber nicht reden kann. Schwamm drüber?“

Ethan seufzte. Die Freundschaft der beiden Männer hatte schon Schlimmeres überstanden, von Grundschulstreichen bis zu Collegeunsinn. „Schwamm drüber“, antwortete er widerwillig.

„Also stellst du mir die Frau der Stunde vor? Krieg ich eine Chance, sie zu warnen?“

„Ganz sicher nicht.“ Ethan lächelte und ging weiter in Richtung Tür, hinter der Sloane auf der Terrasse stand.

„Hey!“, rief Zach ihm hinterher. „Was ist mit der verdeckten Auktion?“

Verdammt! Zach war für die Spenden zuständig. Und Ethan hatte ihm bereits ein großzügiges Gebot versprochen. „Schreib was für mich auf. Du kennst ja mein Limit.“

Zach hatte gelacht, und Ethan war auf die Terrasse geflüchtet.

Nun betrachtete er Sloane dabei, wie sie an ihrem Sektglas nippte. Er wollte den Weg des Wassers mit seiner Zunge nachfahren, bis zu dem V, das ihre Brüste rahmte.

Sie spürte seine Aufmerksamkeit. Bisher war noch kein Mann so auf sie und auf jede ihrer Bewegungen konzentriert gewesen. Sie fühlte sich … geschätzt. Behütet. Sie fühlte sich mutig genug, um zu fragen: „Worum geht es hier, Ethan?“

„Was meinst du damit?“ Sie sah leichte Besorgnis in seinen Augen.

Sie setzte ihr Glas auf den Boden, als ob sie damit Abstand zwischen sich und all die Erinnerungen bringen könnte, die die Tänzer wachgerufen hatten. „Ich meine, die Aussicht ist traumhaft, das Ballett war wundervoll, und ich bin wirklich dankbar dafür, dass du mich mitgenommen hast.“ Nun verschwand die Heiterkeit aus ihrer Stimme. „Aber warum willst du mich heiraten? Du bist nicht gerade der Typ dafür. Und wir haben nur eine Nacht zusammen verbracht.“

„Eine verdammt tolle Nacht.“

„Ich habe einiges über dich gelesen, Ethan, in diversen Zeitungen. Du hast schon viele solcher Nächte gehabt. Und du warst mit vielen Frauen zusammen, aber ich habe noch nie gehört, dass du einer von ihnen einen Antrag gemacht hast.“

Die Wahrheit war schlicht, dass keine dieser Frauen auch nur im Entferntesten wie Sloane gewesen war. Ethan hatte lange und viel nachgedacht, seit er vor drei Tagen aus Sloanes Wohnung gegangen war. Irgendetwas hatte in der Tat seine übliche Mauer durchbrochen, sodass er diese beängstigenden Worte gesprochen hatte. Heirate mich!

Er hatte natürlich versucht, die Gefühle abzuschütteln und sich einzureden, dass er nur auf die absurde Forderung seiner Großmutter reagierte. Sie wusste einfach zu gut, wie sie ihn manipulieren konnte.

Aber er hatte schließlich auch jahrelange Übung darin, seine Großmutter zu ignorieren.

Außerdem würde nur ein Idiot komplett ignorieren, was eine Vertraute zu ihm sagte. Und so wütend ihn seine Großmutter auch machen konnte, schließlich hatte sie ihn erzogen. Sie kannte ihn besser als jeder andere Mensch. Ethan hatte die ernsthafte Besorgnis in ihrem Gesicht gesehen. Er erkannte, wie sehr sie seine Frauengeschichten bekümmerten. Wenn sie wirklich glaubte, dass sein Lebenswandel seine Arbeit negativ beeinflusste, musste er dem zumindest Gehör schenken. Das Argument Business musste er annehmen.

Und mit wem könnte er sich besser niederlassen und zur Ruhe kommen als mit der Frau, die nun neben ihm stand? Sloane war real. Sie hatte Träume und Ziele. Wenn er die Augen schloss, konnte er sie noch an sich gekuschelt fühlen – erschöpft, aber erpicht darauf, ihm mitzuteilen, wie sie die Welt verbessern wollte.

Nicht eine einzige Frau war wie du. Er sehnte sich danach, diesen Worten mit einer Berührung Ausdruck zu verleihen. Er sah Sloanes Verletzlichkeit. Einfach nur mit dem Finger ihr Kinn nachfahren … sie zu ihm drehen, ihren Kopf heben, ihre Lippen unter seine schieben.

Aber er konnte sie jetzt nicht berühren. Es ging um mehr als nur die Lust nach ihrem Körper.

Sloane sprach in die viel zu lange Stille hinein. Es handelte sich um schwierige und schmerzliche Worte, über die sie drei Tage lang nachgedacht hatte: „Wir hatten nur eine Nacht miteinander, Ethan. Ich bin nicht anders als all die anderen Frauen. Ich werde dich nicht auf etwas festnageln, was du aus einer Laune heraus versprochen hast. Und ich werde unser Baby nicht dazu missbrauchen, dich zu etwas zu bringen, was du nicht tun willst.“ Sie hatte ihrer allergrößten Angst Ausdruck verliehen. Was auch immer Ethan nun antworten würde, sie war sich treu geblieben. Und ihrem Kind gegenüber.

Er setzte sein Glas neben ihres und griff in die Innentasche seines Sakkos. In der Dunkelheit konnte sie nicht sofort erkennen, was er herausnahm. Der schwarze Samt verschmolz fast mit der Nacht. Er hielt ihr vorsichtig etwas hin.

Sie nahm die kleine Schachtel aus seiner Hand, bevor sie sich bewusst wurde, was das war. Ein kurzes Drücken reichte aus, und das Etui öffnete sich. Sie schnappte nach Luft, als sie den schönsten Diamantring vor sich sah, den sie sich nur vorstellen konnte. Perfekt in seiner Einfachheit. Mindestens zwei Karat.

„Ethan“, hauchte sie, fast ängstlich, dass der Ring verschwinden würde, wenn sie sprach.

Als er mit seinem Antrag herausgeplatzt war, hatte sie ihn nicht ernst nehmen können. So etwas passierte ihr nicht, war ihr noch nie passiert.

Aber ein Diamantring war etwas anderes. Ein Diamantring unter dem Sternenhimmel bedeutete, dass er alles gut bedacht hatte. Dass er es wirklich auch so meinte.

Wenn du den Vaterschaftstest bestehst, flüsterte eine Stimme in ihrem Hinterkopf. Natürlich würde sie das. Es wäre dumm von ihm, ihn nicht zu fordern. Das hatte sie an all den Frauen gesehen, die um ihn herumscharwenzelt waren. Er musste sich schützen.

Das nährte jedoch wieder ihre Unsicherheit. Wie konnte sie sicher sein, dass er bei ihr bleiben würde? Sicher, er sagte, dass sie anders war, dass ihre gemeinsame Nacht besonders war. Aber dem standen all die anderen Dinge gegenüber, die sie über Ethan erfahren hatte. Ethan Hartwell war nicht der Typ für eine Familie. Er war nicht der Typ fürs Heiraten.

Aber er war der Typ, der für ihre Arztbesuche zahlen konnte. Und danach für den Kinderarzt. Und für all die anderen Dinge, die Sloane für ihr Baby haben wollte. Für Ethans Baby. Für ihr gemeinsames Kind.

Sie sah auf den beeindruckenden Verlobungsring. Ihre Hände fingen an zu zittern. Mit einem aufmunternden Lächeln nahm Ethan den Ring aus dessen samtenem Bett. Dann ließ er das Etui zuschnappen und steckte es wieder ein. Seine warmen nervösen Finger nahmen ihre, wovon sie etwas ruhiger wurde. Vorsichtig und präzise wie ein Chirurg schob er ihr den Ring an den linken Ringfinger.

Perfekt, als ob der Ring schon immer ein Teil von ihr gewesen wäre. Der Diamant fing das Licht des Nachthimmels auf und warf es tausendfach zurück.

Ethan fand, dass der Ring an ihrer Hand noch viel besser aussah, als er es sich beim Juwelier vorgestellt hatte. Er beobachtete, wie sich die Freude über ihr Gesicht ausbreitete, und nahm ihre Hände. Sie blinzelte, als er den funkelnden Ring bedeckte, fast, als ob er dadurch einen Zauber brechen würde. Ethan konnte ihren freudigen Herzschlag in seiner Handfläche fühlen.

„Sloane Davenport“, sagte er mit heiserem Flüstern, „willst du meine Frau werden?“

Dieses Mal kamen keine Tränen. „Ja“, hauchte sie. „Ja, das will ich.“

Er nahm sie in die Arme. Ihr nackter Rücken brannte durch seine Ärmel. Er musste sie einfach halten, fühlen, ihren Körper gegen sich gedrückt spüren, um glauben zu können, dass es wirklich passierte. Seine Lippen fanden ihre, und er küsste sie gierig, sog ihr ungläubiges Lachen in sich auf. Er nahm ihre Unterlippe zwischen seine Zähne und hielt sich nur schwer etwas zurück, wenn er daran dachte, dass er sie und das ungeborene Kind schützen und vorsichtig sein musste.

„Ethan“, sagte sie atemlos, als sie sich schließlich losriss. Ein paar Augenblicke lang versuchte er sie weiter zu küssen, seinen offensichtlich unstillbaren Durst zu befriedigen.

Aber sie konnte ihn nicht lassen. Sie durfte nicht vergessen, warum und wozu das hier alles gut war. Sie musste stark sein, für das Baby. „Ethan“, wiederholte sie. „Ich heirate dich, aber unter einer Bedingung.“

„Ja“, antwortete er prompt.

Sie verbiss sich ein Lächeln. „Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Du musst mir zuerst zuhören. Und dich dann entscheiden.“

Seine Finger hielten sie an den Hüften fest, aber sie wich seinem Blick nicht aus. Sie musste das nun sagen. Sichergehen, dass sie mit dem Herzen genau wusste, was sie tat und warum.

Wenn sie eines bei der Konzeption ihres Projekts der Hoffnung gelernt hatte, dann das: Kinder verdienen eine Familie, die sie liebt. Eine Familie, die ohne elterliche Angst, Irrungen und Wirrungen funktioniert, welche ständig die Selbstsicherheit unterlaufen. Kein Kunsttherapieprojekt konnte je ersetzen, was ein Baby von Geburt an haben sollte: ein stabiles und liebevolles Zuhause.

Und Sloane konnte sich nichts vorstellen, was eine Beziehung turbulenter machte als Sex. Sex mit Ethan war wunderbar gewesen, viel besser, als sie es sich je erträumt hätte. Aber dabei verlor sie ihre Ziele aus den Augen. Mit Ethan zu schlafen, hatte sie bereits um ihren Job gebracht. Jetzt wollte sie sich davon nicht noch mehr zerstören lassen.

„Wenn ich dich heirate, Ethan, dann nicht wegen dessen, was im Eastern Hotel geschehen ist. Es kann nicht wegen Sex sein. Ich werde nicht mit dir schlafen, bis wir verheiratet sind. Wir brauchen beide diese Pause. Wir müssen beide sicher sein können, dass wir aus dem richtigen Grund heiraten, nämlich wegen des Babys.“

Er verstand. Obwohl sie es über sich gebracht hatte, heute herzukommen, machte sie die Leidenschaft nervös, die sie beide zusammengebracht hatte und auch jetzt zwischen ihnen flirrte.

Aber das hatte ihn doch erst zu ihr hingezogen, oder? Ihre Unschuld. Ihre Ehrlichkeit und Offenheit, die sie auch im Bett an den Tag legte. Das hatte ihn so fasziniert und ihm klargemacht, dass sie anders war als alle anderen Frauen davor. Dass sie mehr ausmachte als nur ein toller Körper, war so etwas wie ein unerwarteter Pluspunkt gewesen.

Ob Sloane ihn noch wollte, wenn sie die grausige Wahrheit über die Erbanlagen der Hartwell-Familie erfuhr? Hoffentlich blieb sie nach der vierzehnten Woche noch bei ihrem Versprechen, nachdem der Test offenbaren würde, ob Ethan von demselben Fluch befallen war wie seine Eltern. Er hielt den Gedanken nicht aus, Sloane zu verlieren.

Darum sollte er besser mitspielen. Lieber vorgeben, dass er sich des Happy Ends sicher war.

Er hob ihre Hand an seine Lippen. Doch er berührte sie kaum. Er konnte ihr unterdrücktes Stöhnen hören und ließ seine Zunge über ihre Haut wandern. Als sie überrascht zurückzuckte, nahm er ihren Arm und zog sie zu sich.

„Du wirst deine Meinung noch ändern“, sagte er. „Nach ein paar Wochen? Monaten?“ Er beugte sich zu ihr und flüsterte: „Ich verspreche es dir: Du wirst deine Meinung ändern.“

Sie schüttelte den Kopf, ihre Augen waren groß. „Das werde ich nicht“, wisperte sie. „Das kann ich nicht.“

„Du wirst!“, erwiderte er. „Wenn du es dann zugibst, musst du darum bitten, was du wirklich willst.“

Sie schüttelte wieder den Kopf, unfähig zu weiteren Worten.

Er löste sich von ihr und hauchte noch einen letzten Kuss auf ihre Hand. „Erinnere dich daran“, meinte er. „An den jetzigen Moment. Du wirst deine Meinung ändern!“

3. KAPITEL

Als Sloane aufwachte, war es dunkel in ihrem Schlafzimmer, obwohl der Wecker 9 Uhr 27 zeigte. Sie seufzte und drehte sich auf den Rücken. Anscheinend regnete es.

Sie knipste die Lampe an, und ihr Blick fiel auf den Ring an ihrem Finger. Sie ließ sich zurück auf das Kissen fallen und drehte ihr Handgelenk im schwachen Licht hin und her. Es war also kein Fiebertraum.

Ethan hatte ihr einen Antrag gemacht. Und sie hatte angenommen.

Am Abend davor hatte es sich wie ein Märchen angefühlt. Dennoch hatte sie großen Wert darauf gelegt, alleine nach Hause zu fahren. Sie musste ihm etwas beweisen und sich selbst.

Ethan hatte lächelnd zugestimmt und seinen Fahrer angewiesen, Sloane durch die nächtlichen Straßen nach Hause zu bringen. Sloane war zu ihrer Wohnung gegangen und sicher gewesen, jeden Moment aufzuwachen und festzustellen, dass alles nur ein seltsamer Traum gewesen war. Aber der Ring steckte noch immer an ihrem Finger. Sie war verlobt.

Sloane Hartwell.

Mrs. Ethan Hartwell.

Sich zu verloben, war einer der Höhepunkte im Leben. Sie sollte ihre Mutter und ihre Freundinnen anrufen. Nun, da war keine Mutter und eigentlich auch keine Freundinnen. Als Kind hatte sie nie Freunde mit in ihre Pflegefamilien genommen, denn ihr Leben war zu chaotisch gewesen. Als Erwachsene war sie dann zu sehr aufs College und anschließend stark auf ihre Arbeit konzentriert gewesen und hatte für ihr Kunsttherapieprojekt zu kämpfen begonnen. Während Sloane jede Menge Bekannte hatte, besaß sie weniger echte Freunde, als sie zugeben mochte.

Sie seufzte und legte eine Hand auf ihren Bauch. „Nun, Kleines. Wir müssen uns einfach alleine freuen, oder?“

Wie als Antwort knurrte ihr Magen und erinnerte sie daran, dass sie letzten Abend zu nervös gewesen war, um noch etwas zu essen. Sie setzte die Füße mit Schwung auf den Boden und warf sich ihren abgewetzten Morgenmantel um.

Sloane stolperte in die Küche, füllte den Wasserkessel und stellte ihn auf den Gasherd. Sie brauchte drei Versuche, bis die Flamme brannte – sie würde ihren Vermieter anrufen müssen, damit er das bescheuerte Ding endlich reparierte. Schon wieder. Sie blickte zu dem winzigen Fenster, neben dem ein riesiges Klimagerät hing. Es regnete schon wieder. In D. C. gab es im Sommer so oft Dauerregen.

Während sie wartete, dass das Wasser kochte, hörte sie Geraschel vor der Wohnungstür. Die Katze ihres Vermieters hatte sich wahrscheinlich irgendwo verfangen auf der Suche nach einem trockenen Plätzchen. Sloane konnte die süße dreifarbige Katze ja hereinlassen.

„Sloane!“

„Ms. Davenport!“

Vor ihrer Tür stand eine Menge Leute mit blitzenden Kameras und Mikrofonen. Sloane starrte sie an. Wo waren die hergekommen? Und was wollten sie von ihr?

Eine Stimme drang aus der Menge hervor. „Sloane, zeigen Sie uns Ihren Ring! Wie haben Sie sich den begehrtesten Junggesellen der Stadt geangelt?“

Instinktiv zog sie ihren Mantel enger um sich und ihren Bauch. Während sie an sich hinuntersah, um sicherzugehen, dass ihr rosa Nachthemd nicht bemerkt werden konnte, fiel ihr auf, dass sie vielleicht unbewusst Signale sandte, dass sie ein Baby erwartete. Sie ließ den Mantel wieder los wie glühende Kohlen.

Die ganze Zeit über blitzten die Kameras weiter, und die Menge drängte sich auf den drei Stufen vor ihrem Apartment. Sloanes Kehle schnürte sich zu. Sie bekam keine Luft mehr. Sie wollte diese Leute hier nicht.

Ein mächtiger Blitz erhellte den Himmel, und sie musste die Augen schließen. Der unausweichliche Donner übertönte die Reporter. Plötzlich erinnerte Sloane sich daran, wie Ethan letzte Nacht mit dem Fotografen umgegangen war. Sie holte tief Luft und sagte entschlossen: „Kein Kommentar!“

Sie schloss die Tür, bevor jemand protestieren konnte. In diesem Moment begann das Wasser zu kochen, und der Teekessel pfiff schrill.

Draußen hörte sie immer noch die Meute, die ihren Namen rief. Es gab nur eins, das sie tun konnte. Ihre Finger zitterten beim Wählen.

„Büro Ethan Hartwell“, meldete sich eine Frau nach dem ersten Klingeln.

Sloane biss die Zähne zusammen, denn sie hatte gehofft, Ethan selbst würde abheben. „Hier spricht Sloane Davenport. Könnte ich bitte Mr. Hartwell sprechen?“ Welche Frau nannte ihren Verlobten Mister?

„Ich sehe nach, ob er in seinem Büro ist.“ Sloane konnte nicht ausmachen, ob die Sekretärin ihren Namen erkannt hatte. Klassische Musik erklang, und Sloane wollte auf einmal auflegen.

„Sloane.“ Ethans Stimme war warm. „Guten Morgen!“ Sogar dieser normale Gruß klang verführerisch.

Da brach sie zusammen. „Ethan!“, schluchzte sie.

„Was ist passiert?“, fragte er. „Sloane, geht’s dir gut? Und dem Baby?“

„Nein“, stammelte sie, obwohl sie sich bewusst wurde, dass sie ihm Angst machte. „Nein, tut mir leid. Ich … es sind nur die Leute, die Paparazzi. Sie lauern vor meiner Tür!“

Ethan fluchte.

„Ich weiß nicht, wie sie das von uns herausgefunden haben“, schluchzte Sloane. „Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe!“

Obwohl Ethan zornig war, antwortete er mit sanfter Stimme: „Du hast gar nichts falsch gemacht, Sloane. Das ist nicht deine Schuld.“

„Aber wie …“ Sie holte Luft und versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen.

„Das ist nicht deine Schuld“, wiederholte er. Aber er wusste, wer Schuld daran hatte. Der Fahrer von letzter Nacht war neu und erst seit zwei Wochen bei ihnen. Das Sicherheitsteam von Hartwell Genetics hatte ihn zwar auf Herz und Nieren geprüft, und er war sogar ein Exmarinesoldat. Aber das hieß nicht, dass er sich zu gut dafür war, Klatsch zu verkaufen.

Ethan fragte sich, wie viel Geld der Fahrer wohl dafür bekommen hatte. Nicht genügend, das war sicher. Er würde in D. C. nie wieder einen Job finden.

Aber das war jetzt alles nicht so wichtig. Nicht, während Sloane am anderen Ende weinte.

„Es tut mir so leid“, sagte Ethan. „Ich dachte, du würdest mehr Zeit haben.“

„Mehr Zeit?“ Jetzt klang sie schon wieder etwas gelassener. Sie bekam sich wieder in den Griff. Besser so, denn sie würde nicht so toll finden, was er noch zu sagen hatte.

„Nun, da dein Name bekannt ist, haben sie Blut geleckt. Die werden keine Ruhe geben.“

„Ethan, warum interessieren sie sich denn für mich? Ich bin doch ein Niemand!“

„Du bist kein Niemand für mich!“, erwiderte er. „Ich schicke dir Daniel Alton. Er ist unser Sicherheitschef.“

„Ich glaube nicht, dass das nötig ist.“

„Ich schon.“ Er wollte nicht diskutieren. Letztlich würde er sowieso gewinnen. „Daniel wird sich deine Wohnung ansehen. Das wird dem Umzugsunternehmen behilflich sein.“

„Umzugsunternehmen?“ Er hörte ihre Fassungslosigkeit und stellte sich auf Protest ein.

„Pack einen Koffer – alles, was du für die nächsten vierundzwanzig Stunden brauchst. Daniel wird dich zu mir fahren. Morgen werden deine restlichen Sachen abgeholt.“

Sloane starrte den Telefonhörer ungläubig an. Das konnte doch nur ein Scherz sein! Etwas Handgepäck mitnehmen und den Rest ihres Lebens hierlassen? „Ethan, das kann ich nicht machen.“

„Doch“, sagte er, „kannst du.“

Sloane unterdrückte ein Stöhnen. Sie sagte sich die nächsten Worte im Kopf vor und sprach schließlich bestimmt. „Ich habe gesagt, ich will dich heiraten, Ethan. Ich habe aber nicht gesagt, dass du über mein Leben bestimmen darfst. Und ganz sicher habe ich nicht gesagt, dass ich in ein Gefängnis ziehe!“

Sie erwartete, dass er diskutieren würde. Mit harter Stimme und dem Wunsch nach absoluter Kontrolle, wie sie es in anderer Hinsicht schon erlebt hatte.

Den Bruch in seiner Stimme hatte sie jedoch nicht erwartet. „Ich weiß, dass du das nicht hast, Sloane.“ Doch schnell klang er eindringlicher. „Ich will aber, dass du sicher bist. Ich will dich von den Reportern fernhalten, von den Leuten, die deine Freiheit einschränken. Unsere Freiheit. Vertrau mir in dieser Hinsicht! Zieh in mein Haus! Lass mich dich beschützen! Dich und das Baby.“

Das Baby.

Das war der Schlüssel, oder? Wäre Sloane alleine, könnte sie tun, was immer sie wollte.

Aber sie entschied jetzt für zwei. Sie konnte nicht, ohne nachzudenken, handeln. Das hatte aufgehört, als sie sich entschieden hatte, Ethan in die Hotelsuite zu folgen. Als sie dem Feuer der Leidenschaft nachgegeben hatte und der unmöglich scheinenden Gewissheit, dass er der Mann war, mit dem sie auf ewig zusammen sein wollte, zusammen sein musste.

Und als sie sagte, dass sie seine Frau werden wollte.

„Okay“, antwortete sie.

Ethan atmete langsam aus und wurde sich erst da bewusst, dass er den Atem angehalten hatte. „Danke, Sloane.“ Er schauderte und wurde wieder professioneller. „Daniel wird in einer Stunde da sein. Er wird dich anrufen, wenn er vor der Tür steht.“

Während er auflegte, ging Ethan schon alles durch, das er erledigen musste. Vor einem Anruf zögerte er jedoch.

Seine Großmutter musste nun von Sloanes Existenz erfahren. Sicher gab es schon einen kurzen Artikel auf irgendeiner Klatschseite. Aber Großmutter war an so etwas gewöhnt und tat seine Liaisons für gewöhnlich ab. Sie würde nicht glauben, dass er sich tatsächlich verlobt hatte, wenn sie es nicht von ihm persönlich hörte. Und sie würde sicher nicht erwarten, dass das lange ersehnte Urenkelkind bereits unterwegs war.

Doch Sloane hatte schon genug zu verarbeiten, auch ohne das Hartwell-Oberhaupt kennenzulernen. Ethan könnte ihr eine kurze Pause gönnen. Deshalb musste auch der Gentest noch etwas warten.

Die Großmutter würde sich überhaupt nicht freuen, wenn sie die Wahrheit erfuhr, aber Sloanes Glück war für Ethan jetzt viel wichtiger. Die Großmutter würde einfach noch warten müssen.

Sloane wusste, dass sie dankbar sein sollte. Genau wie Ethan gesagt hatte, holte Daniel sie von ihrer Wohnung ab. Er führte sie vorbei an den Reportern, die vom Regen trieften, und bellte: „Kein Kommentar!“ Mittlerweile hatte sie verstanden, dass der Umgang mit Paparazzi nun zu ihrem Leben gehörte. Der Sicherheitschef ließ Sloane im Fond eines Wagens Platz nehmen und setzte sich hinters Steuer.

Beim Haus wurde sie von James begrüßt. Sloane musste lächeln. Der ältere Herr trug eine Kakihose und ein Polohemd, das seinen Bauchansatz nicht verbergen konnte. Er nahm Sloanes Tasche, nickte Daniel freundlich zu und führte Sloane dann in die Küche. Nach einer Tasse Kamillentee und einer Zimtschnecke war Sloane fast bereit zu glauben, dass es schön war, zu Ethan ziehen zu müssen.

Sie konnte allerdings noch den ganzen restlichen Tag darüber nachdenken. Ethan ließ ihr nämlich von James ausrichten, dass in der Schweizer Niederlassung ein Produktionsproblem aufgetaucht war und dass es spät werden würde.

Ein Produktionsproblem, an einem Samstag!?

Worauf ließ sie sich da ein? War das wirklich der Mann, den sie heiraten wollte? Ein Workaholic, der sein Leben im Büro verbrachte? Für ihr Baby brauchte sie etwas anderes. Sie würde dafür kämpfen müssen, dass Ethan seine Prioritäten anders setzte.

James zeigte Sloane die Bibliothek und half ihr, sich bei einem Laptop einzuloggen, der dort für Gäste bereitstand. Sie seufzte, als sie die leichtgängige Tastatur ausprobierte, die so viel besser funktionierte als ihre eigene. Sie freute sich, wieder zur Arbeit am Kunsttherapieprojekt zurückkehren zu können. Aber das konnte bis morgen warten. Jetzt hatte sie Wichtigeres zu tun: Sie musste ihre Gedanken sortieren.

Sie holte tief Luft. Eine halbe Stunde später saß sie noch immer vor einem leeren Textdokument. Was genau wollte sie denn von Ethan? Was erwartete sie sich von dieser Ehe?

Ethan Hartwell tippte sie schließlich als Überschrift. Um Zeit zu gewinnen, tippte sie seinen Namen noch einmal, diesmal in Großbuchstaben. Dann änderte sie die Schrift zu fett und unterstrich die beiden Wörter und begann eine neue Zeile.

Weil ihr nun nichts mehr einfiel, um die Sache hinauszuzögern, schrieb sie ein neues Wort: Vertrauen. Sie musste Ethan vertrauen. Und glauben, dass er immer für sie und das Baby da sein würde, dass seine Zeit als Playboy endgültig vorbei war.

Respekt, fügte sie hinzu. Ethan musste sie respektieren. Schätzen, was ihr wichtig war – ihr Projekt zum Beispiel –, selbst wenn es ihm selbst nicht so wichtig war.

Freundschaft, tippte sie als Nächstes. Sie starrte auf den Cursor. Was genau meinte sie damit? Sie hatte ja selbst nicht genügend Erfahrung damit, um das Konzept zu verstehen. Sie löschte das Wort wieder.

Partnerschaft, schrieb sie stattdessen. Sie und Ethan mussten gleichberechtigt sein. Auf einer Ebene.

Vertrauen, Respekt, Partnerschaft.

Das klang jetzt eher nach einer Geschäftsbeziehung als nach einer Ehe. Aber was sollte sie noch schreiben? Wahre Liebe? Konnte sie das denn verlangen? Wie konnte Ethan das versprechen? Wahre Liebe passierte oder passierte eben nicht. Man konnte nicht darüber verhandeln.

Sloane seufzte und tippte etwas anderes. Eine Frist für den Hochzeitstermin. Das Baby sollte im Dezember kommen. Dann musste sie drei Monate rechnen, um wieder in Form zu kommen. Drei Monate, um die Hochzeit zu planen. Also am 1. Juni nächstes Jahr. Da konnten sie frühestens heiraten.

Sloane lehnte sich in dem dicken Ledersessel zurück. Da war sie nun: eine Basis für ihre Beziehung mit Ethan. Sie warf einen Blick auf den Drucker unter dem Fenster. Ein paar Tasten später hielt sie ein glattes Blatt Papier in der Hand. Sie las noch einmal durch, was sie geschrieben hatte, bevor sie es faltete und in ihre Handtasche steckte.

Allmählich wurde sie etwas hungrig, doch gerade da erschien James mit einem Sandwich in der Tür. Er schien zu verstehen, dass sie Zeit für sich brauchte, um alles zu verarbeiten. Er ließ sie in der Bibliothek alleine, und zwar fast bis zum frühen Abend. Dann brachte er ein weiteres Tablett, auf dem ein Salat mit Shrimps stand. „Sloane“, unterbrach er sie beim Abrufen ihrer E-Mails, „ich mache mich nun auf den Weg nach Hause.“

„Nach Hause?“

Er wies aus dem Fenster. „Ich lebe in dem Gartenhäuschen draußen.“

„Ich dachte …“ Sie hatte einfach angenommen, dass James hier im Haus lebte.

„Das ist für alle besser“, meinte er augenzwinkernd. „Ein bisschen Privatsphäre ist viel wert. Wählen Sie aber einfach die Null, wenn Sie mich brauchen.“

Sloane nickte, aber sie konnte sich nicht an den Gedanken gewöhnen, dass das Grundstück so groß war, dass es ein Gartenhäuschen hatte. Und auch nicht daran, einen Butler, Haushälter oder Freund zu haben. Sie wusste nicht, welche Rolle James erfüllen sollte. „Danke!“, sagte sie etwas verspätet. „Danke für alles, was Sie für mich getan haben.“

Autor

Karen Rose Smith
Karen Rose Smith wurde in Pennsylvania, USA geboren. Sie war ein Einzelkind und lebte mit ihren Eltern, dem Großvater und einer Tante zusammen, bis sie fünf Jahre alt war. Mit fünf zog sie mit ihren Eltern in das selbstgebaute Haus „nebenan“. Da ihr Vater aus einer zehnköpfigen und ihre Mutter...
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