Bianca Exklusiv Band 336

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

BRENNENDE HERZEN, BRENNENDE KÜSSE von RAEANNE THAYNE
Gar so hitzig hatte sich Laura ihre Rückkehr nach Pine Gulch nicht vorgestellt! Kaum angekommen, legt ihr Sohn im betagten Familien-Gasthof Feuer – und Retter in der Not ist ausgerechnet der verführerische Taft Bowman, den Laura vor zehn Jahren schweren Herzens verlassen hat …

SEHNSUCHT DES HERZENS von SUSAN FOX
Fast verrückt macht es Rancher Calvin, dass sein Vater der elternlosen Rhea die Hälfte seiner Ranch vererbt hat. Erst als Rhea einen schweren Reitunfall erleidet, erkennt Calvin, dass er ohne sie nicht mehr leben kann. Aber dann erfährt er, dass sie seine Halbschwester sein soll!

EINE ZWEITE CHANCE FÜR DAS GLÜCK von LILIAN DARCY
Soll sie, oder soll sie nicht? Schließlich entscheidet Maggie sich dafür, Will Braggett in ihrer Praxis mitarbeiten zu lassen. Schon immer herrschte zwischen ihnen eine starke erotische Spannung. Jetzt möchte Maggie dem Glück eine Chance geben. Noch weiß sie nicht, wie schwer der Weg zu Wills Herzen ist, der vor ihr liegt.


  • Erscheinungstag 21.05.2021
  • Bandnummer 336
  • ISBN / Artikelnummer 9783751501149
  • Seitenanzahl 236
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

RaeAnne Thayne, Susan Fox, Lilian Darcy

BIANCA EXKLUSIV BAND 336

1. KAPITEL

Taft Bowman liebte die Männer seiner Mannschaft wie seine eigenen Brüder, aber manchmal hätte er am liebsten den Feuerwehrschlauch auf sie gerichtet.

Sie hatten gerade das zweite Wildwasser-Rettungstraining diesen Monat – eine regelmäßige Institution, seit Taft vor fünf Jahren Feuerwehrchef geworden war –, und trotzdem gelang es ihnen immer noch nicht, den Wurfsack auch nur ansatzweise in die Nähe eines der drei „Opfer“ zu werfen, die in nassen Uniformen und Helmen im Cold Creek trieben.

„Ihr müsst die Strömung berücksichtigen! Der Sack muss so weit stromabwärts geworfen werden, dass die Männer genau darauf zutreiben“, erklärte er zum ungefähr sechshundertsten Mal, während sich die im Wasser Schwimmenden – ebenfalls Feuerwehrmänner aus seiner dreißigköpfigen Mannschaft – einer nach dem anderen zur über den Fluss gespannten Rettungsleine treiben ließen und daran entlang zum Ufer hangelten.

Das Wasser war noch immer eiskalt, aber zum Glück würde das Schmelzwasser aus den Bergen, das den Fluss immer zu einer reißenden und gurgelnden Wassermasse anschwellen ließ, erst in ein paar Wochen kommen, und für diese Zeit trainierten sie.

Der Cold Creek wurde bei Kajakfahrern nämlich nicht nur wegen seiner zahlreichen Biegungen und Stromschnellen immer beliebter, sondern auch wegen der grandiosen Aussicht auf die Grand-Teton-Berge, einem Zipfel der Rocky Mountains. Taft fuhr selbst gern Kajak, aber je mehr unerfahrene Freizeitsportler sich neben dem einen oder anderen unvorsichtigen Einwohner am Fluss herumtrieben, desto öfter würden seine Leute einen Noteinsatz haben, und Taft wollte, dass sie gut darauf vorbereitet waren.

„Okay, versuchen wir es noch mal. Terry, Charlie, Bates, ihr übernehmt nacheinander den Wurfsack. Luke, Cody, Tom, ihr springt diesmal erst in Abständen von fünf Minuten ins Wasser, damit wir genug Zeit haben, euch zu retten.“

Taft wies seinen Leuten ihre Positionen zu und beobachtete, wie sein Stellvertreter Luke Orosco ein Stück flussaufwärts ins Wasser sprang und sich mit den Füßen voran zur Strömung drehte. „Okay, Terry, er kommt!“, rief Taft. „Bist du so weit? Der Zeitpunkt ist genau richtig. Eins, zwei, drei, jetzt!“

Jetzt segelte der Wurfsack ein großes Stück vor Luke ins Wasser.

Taft grinste. „Perfekt! Und jetzt erklär deinem Unfallopfer, woran er das Seil befestigen kann.“

Diesmal lief das Manöver überraschend glatt. Während Taft darauf wartete, dass Cody Shepherd ins Wasser sprang, begann sein an seinem Gürtel befestigtes Funkgerät plötzlich zu rauschen.

„Chief Bowman, bitte melden!“ Der Einsatzleiter klang ungewöhnlich aufgeregt.

Taft wurde daher sofort hellhörig. „Hier Chief Bowman. Was ist los, Kelly?“

„Ein Feuer wurde soeben gemeldet, im Inn in der Cold Creek Road.“

Das zweite Rettungsmanöver begann. „Was?“, fragte Taft ungläubig und spürte, wie das Adrenalin durch seinen Körper schoss. In einer so ruhigen Kleinstadt wie Pine Gulch brannte es nur sehr selten. Das letzte Feuer hatten sie vor vier Monaten gelöscht, einen Kaminbrand, der in fünf Minuten unter Kontrolle gebracht worden war.

„Es stimmt, Sir. Das Hotel wird gerade evakuiert.“

Taft stieß einen leisen Fluch aus. Die Hälfte seiner Mannschaft war völlig durchnässt, aber zum Glück waren sie nur wenige Hundert Meter von der Feuerwache entfernt.

„Manöver abbrechen!“, brüllte er ins Megafon. „Beim Cold Creek Inn brennt es! Sofort alles einpacken und zurück zur Wache!“

Gott sei Dank erfasste seine Crew sofort den Ernst der Lage. Rasch zogen sie den letzten Mann aus dem Wasser und eilten zurück zur Feuerwache, einem Neubau, der vor ein paar Jahren von der Stadtverwaltung bewilligt worden war.

Keine vier Minuten später war der erste vollständig besetzte Leiterwagen auf dem Weg zum Cold Creek Inn, während weitere Mitglieder der Feuerwehr in die Wache stürmten, um sich ihre Einsatzkleidung überzuziehen.

Das Inn, ein weitläufiges zweistöckiges Holzhaus mit zwei eingeschossigen Seitenflügeln, lag am Rand des kleinen Zentrums von Pine Gulch, etwa eine Meile von der Wache entfernt. Taft versuchte, die Lage einzuschätzen, als sie sich dem Gebäude näherten. Er konnte keine Flammen erkennen, aber aus einem Fenster am Ende des Ostflügels quoll dunkler Rauch.

Als er die auf dem Rasen versammelten Gäste sah, empfand er großes Mitgefühl für die Besitzerin Mrs. Pendleton. Die arme Frau hatte ohnehin schon genug Probleme, die Zimmer ihres schönen, aber etwas heruntergekommenen Inns zu füllen. Das Feuer und die Evakuierung würden den Ruf des Hotels nicht gerade verbessern.

„Luke, nimm Pete mit und vergewissere dich, dass alle Gäste das Gebäude verlassen haben. Shep, wir beide sehen uns das Feuer an.“

Er und Cody Shepherd, ein junger Auszubildender, eilten zur Seitentür des Ostflügels. Als sie das betroffene Zimmer betraten, stellten sie fest, dass schon jemand einen Feuerlöscher benutzt hatte. Es waren keine Flammen zu sehen, nur die Vorhänge qualmten noch vor sich hin. Von ihnen stieg der schwarze Rauch auf, den sie von draußen gesehen hatten.

Das Zimmer schien gerade renoviert zu werden. Es hatte kein Bett, und der Teppich war zusammengerollt. Alles war durchnässt. Offensichtlich hatte sich auch das alte Sprinklersystem eingeschaltet.

„Mehr nicht?“, fragte Shep missmutig.

„Tja, da scheint uns jemand zuvorgekommen zu sein.“ Taft hielt dem Auszubildenden den Feuerlöscher hin. „Willst du trotzdem mal versuchen?“

Schnaubend griff Shep nach dem Feuerlöscher und sprühte eine völlig unnötige Schicht Schaum auf die Vorhänge.

„Zumindest wurde niemand verletzt“, sagte Taft. „Wir sollten allerdings die Vorhänge rausschaffen und die Crew von Wagen 20 hier reinschicken, um etwaige Schwelbrände auszuschließen.“

Per Funk gab er durch, dass sich das Feuer nur auf ein Zimmer beschränkte, und orderte das Team herbei, das überprüfen sollte, ob sich die Flammen womöglich durch die Wände fraßen und sich auf andere Zimmer ausbreiteten.

Als er das Haus wieder verließ, kam Luke Orosco auf ihn zu. „Nicht viel los, oder? Einige von uns hätten beim Fluss bleiben können.“

„Wir machen nächste Woche wieder ein Wildwasser-Rettungstraining. Außer Wagen 20 können alle wieder zurück zur Wache.“

Während der kurzen Unterhaltung fiel sein Blick auf Jan Pendleton, die ein Stück abseits stand und ganz aufgelöst wirkte. Sie hatte ein kleines, dunkelhaariges Mädchen auf dem Arm, vermutlich einen traumatisierten Gast. Die Arme.

Neben ihr stand eine jüngere Frau, die inmitten der Löschfahrzeuge mit ihren blinkenden Lichtern und den einander Instruktionen zurufenden Feuerwehrleuten sehr gelassen wirkte. Als sie sich zu ihm umdrehte, wäre Taft beinahe über einen Feuerwehrschlauch gestolpert.

Laura?

Wie angewurzelt blieb er stehen. Zum ersten Mal in seinen fünfzehn Jahren als Feuerwehrmann vergaß er komplett, warum er eigentlich da war, und welchen Auftrag er hatte.

Laura …

Seit zehn Jahren hatte er sie nicht mehr gesehen – nachdem sie ihm eine Woche vor ihrer Hochzeit seinen Ring zurückgegeben und die Stadt verlassen hatte. Ach was, das ganze Land, verdammt noch mal! Als habe sie nicht weit genug weg von ihm fliehen können.

Oder handelte es sich um eine Verwechslung? Vielleicht war es bloß irgendeine andere schlanke Frau mit honigblondem Haar und großen blauen Augen.

Nein, es war zwecklos, sich etwas vorzumachen. Das war eindeutig Laura neben ihrer Mutter. Und sie sah genauso schön aus wie früher …

„Chief, das Team konnte keine Schwelbrände entdecken“, riss Lukes Stimme ihn aus seinen Gedanken. Mühsam versuchte er, seine längst vergessen geglaubten Gefühle des Verlusts und der Reue zu verdrängen.

„Bist du dir sicher?“

„Bis jetzt ja. Tom und Nate überprüfen noch die Innenwände.“

„Gut“, antwortete Taft geistesabwesend. „Sehr gut. Ausgezeichnete Arbeit.“

Sein Stellvertreter starrte ihn verblüfft an. „Alles in Ordnung, Chief? Du siehst ganz verstört aus.“

„Das Feuer hätte hier alles vernichten können, Luke. Bei den alten Stromleitungen ist es ein Wunder, dass nicht das ganze Gebäude in die Luft geflogen ist.“

„Habe ich auch schon gedacht.“

Taft musste dringend mit Mrs. Pendleton sprechen – was bedeutete, dass er zwangsläufig auch Laura gegenübertreten würde. Am liebsten wäre er einfach stehen geblieben und hätte so getan, als habe er sie gar nicht gesehen. Doch als Feuerwehrchef durfte er sich nicht vor seinen Pflichten drücken, nur weil beim Anblick der Tochter der Besitzerin schmerzliche Erinnerungen in ihm aufstiegen.

Manchmal hasste er seinen Job.

Als er auf die beiden Frauen zuging, klopfte ihm das Herz bis zum Hals.

Laura versteifte sich bei seinem Anblick und wandte den Blick ab, während ihre Mutter ihm verängstigt entgegensah.

„Mrs. Pendleton, ich kann Sie beruhigen. Das Feuer ist unter Kontrolle.“

„Natürlich ist es unter Kontrolle“, sagte Laura kühl. „Es war schon unter Kontrolle, bevor eure Wagen hier auftauchten – übrigens erst zehn Minuten, nachdem wir das Feuer gemeldet haben.“

„Sieben, nach meinen Berechnungen. Und wir wären doppelt so schnell gewesen, wenn wir nicht gerade ein Wildwasser-Rettungstraining gemacht hätten, als der Notruf reinkam.“

„Dann hättet ihr wenigstens unsere Gäste retten können, falls sie auf die Idee gekommen wären, vor dem Feuer in den Cold Creek zu flüchten.“

So scharfzüngig war Laura früher nicht gewesen. Taft hatte sie als fröhliche und lebenslustige junge Frau in Erinnerung. Bevor er alles zerstört hatte …

„Chief Bowman, wann dürfen die Gäste auf ihre Zimmer zurück?“, fragte Jan Pendleton mit zitternder Stimme.

Das kleine Mädchen auf ihrem Arm – es hatte Lauras Augenfarbe und, wie Taft erst jetzt auffiel, charakteristische Downsyndrom-Gesichtszüge – strich ihr tröstend über die Wange. „Nicht weinen, Gram.“

Jan lächelte schwach.

„Ihre Gäste dürfen vorerst nur auf die Zimmer zurück, um ihre Sachen zu holen, allerdings nicht aus denen in unmittelbarer Brandnähe. Meine Männer werden etwa eine Stunde brauchen, um sich zu vergewissern, ob das Feuer nicht doch noch irgendwo schwelt.“

Taft zögerte, bevor er mit der nächsten Hiobsbotschaft fortfuhr. „Ich überlasse Ihnen die Entscheidung, ob Sie Ihre Gäste hier übernachten lassen, aber ehrlich gesagt würde ich davon abraten. Ganz egal, wie sorgfältig wir sind, bei Holzhäusern weiß man nie, ob das Feuer nicht doch Stunden später wieder aufflammt.“

„Wir haben zwölf Gäste“, sagte Laura scharf. „Was sollen wir so lange mit ihnen machen?“

Ihre nicht zu übersehende Feindseligkeit machte Taft wütend. Sie war schließlich diejenige gewesen, die ihn eine Woche vor ihrer Hochzeit sitzen ließ. Wenn hier also jemand das Recht hatte, feindselig zu sein, dann er.

Doch er durfte sich von seinen Gefühlen nicht beeinflussen lassen. „Wir könnten das Rote Kreuz bitten, ein Zelt aufzubauen, oder bei den anderen Hotels der Stadt nachfragen. Vielleicht würde Cavazo ja einige Leute aufnehmen.“

Mrs. Pendleton schloss verzweifelt die Augen. „Das ist eine Katastrophe“, jammerte sie.

„Wir schaffen das schon, Mom.“ Beruhigend drückte Laura ihrer Mutter den Arm.

„Haben Sie eine Ahnung, was das Feuer ausgelöst haben könnte?“, fragte Taft. Es war seine Pflicht, der Sache auf den Grund zu gehen.

Laura sah plötzlich ganz schuldbewusst aus. „Nicht genau, was, aber wahrscheinlich, wer.“

„Ach?“

„Alexandro Santiago, komm her, junger Mann!“

Als Taft ihrem Blick folgte, fiel ihm ein dunkelhaariger kleiner Junge ins Auge, der auf der Bordsteinkante saß und das Geschehen um sich herum aufmerksam beobachtete. Er war etwa sechs Jahre alt und hatte dunkle Augen. Sein Mund glich jedoch dem Lauras, und er hatte ihre schmale Nase und ihre hohen Wangenknochen geerbt. Zweifellos ihr Sohn.

Der Junge erhob sich im Zeitlupentempo und schlich mit hängendem Kopf auf seine Mutter zu.

„Alex, erzähl dem Feuerwehrmann doch mal, was das Feuer ausgelöst hat.“

Dem Kleinen war sichtlich unbehaglich zumute. Nervös wich er Tafts Blick aus. „Muss ich wirklich?“

„Ja“, antwortete Laura streng.

Der Junge seufzte resigniert. „Okay, ich habe in einem der leeren Zimmer ein Feuerzeug gefunden.“ Er sprach mit einem schwachen, kaum wahrnehmbaren Akzent. „Ich wollte es nur ausprobieren, ganz bestimmt! Aber dann fingen die Vorhänge plötzlich an zu brennen, und ich schrie, und dann kam mi madre mit dem Feuerlöscher.“

Unter anderen Umständen wäre Taft vielleicht belustigt über diese Darstellung der Ereignisse gewesen. Alex schilderte das Ganze so, als sei das Feuer völlig ohne sein Zutun ausgebrochen. Doch das Zündeln hätte böse ins Auge gehen können, vor allem in einem so alten Kasten wie dem Inn.

Sosehr es ihm auch widerstrebte, die Autoritätsperson heraushängen zu lassen, der Junge musste begreifen, welchen Schaden er hätte anrichten können. Es gehörte auch zu Tafts Aufgaben, Menschen über Risiken und Gefahren aufzuklären, und er nahm diese Verantwortung sehr ernst.

„Das war grob fahrlässig“, sagte er streng. „Menschen hätten gefährdet werden können. Wenn deine Mom nicht so schnell mit dem Feuerlöscher gekommen wäre, hätten die Flammen sich von Zimmer zu Zimmer ausbreiten und das ganze Hotel zerstören können.“

Der Junge hob den Blick zu ihm. Taft bewunderte seinen Mumm. „Ich weiß“, sagte Alex kleinlaut. „Das war dumm von mir. Es tut mir leid.“

„Dabei habe ich dich doch wieder und wieder ermahnt, nicht mit Streichhölzern oder Feuerzeugen zu spielen!“, schaltete Laura sich ein und funkelte ihren Sohn wütend an. „Wir haben doch schon so oft über die Gefahren gesprochen.“

Ihr Sohn verzog schuldbewusst das Gesicht. „Ich wollte ja nur ausprobieren, wie das Feuerzeug funktioniert“, sagte er mit dünner Stimme.

„Versprichst du mir, so etwas nie wieder zu tun?“, fragte Taft.

„Na klar! Ich mache so etwas nie, nie, nie wieder!“

„Gut, wir sind nämlich sehr streng bei solchen Dingen. Das nächste Mal musst du ins Gefängnis.“

Der Junge starrte ihn entsetzt an, atmete jedoch erleichtert auf, als er Tafts Lächeln sah. „Ich werde es nie wieder tun, das schwöre ich!“

„Okay, ich glaube dir.“

„Hey, Chief!“, rief Lee Randall ihm in diesem Augenblick vom Löschfahrzeug aus zu. „Wir haben mal wieder ein Problem mit der Schlauchrückführung.“

„Bin gleich da!“, rief Taft zurück, dankbar für den willkommenen Vorwand, das unangenehme Wiedersehen mit Laura zu beenden. Er wandte sich an die beiden Frauen und die Kinder. „Würdet ihr mich bitte entschuldigen?“

„Natürlich“, sagte Jan Pendleton. „Richten Sie auch Ihren Männern aus, wie dankbar wir für ihre Arbeit sind. Nicht wahr, Laura?“

„Sicher.“

„Bye, Chief.“ Das kam von dem kleinen Mädchen auf Jans Arm, das Taft freundlich anlächelte. Die Kleine hatte wirklich Charme.

„Bis später.“ Er drehte sich um und ging davon.

Als er bei seinen Leuten ankam, war er wie betäubt. Laura war also wieder da, obendrein mit zwei niedlichen Kindern. Laura Pendleton, inzwischen Santiago. Er hatte sie früher einmal geliebt, aber sie hatte ihn verlassen, ohne auch nur einmal zu ihm zurückzublicken.

Jetzt, wo sie zurückgekommen war, würde er ihr wahrscheinlich öfter über den Weg laufen. In einer Kleinstadt wie Pine Gulch, in der es nur ein Lebensmittelgeschäft und zwei Tankstellen gab, und wo die Feuerwache nur zwei Blocks von dem Hotel ihrer Familie entfernt lag, war das wohl unvermeidlich. So ein verdammter Mist! Dabei hatte er sich doch erst neulich beglückwünscht, Feuerwehrchef einer Kleinstadt zu sein, in der kaum je etwas Katastrophales passierte!

Taft Bowman.

Laura beobachtete, wie er auf dem Rückweg zum Feuerwehrwagen hier und da stehen blieb, um mit seinen Leuten zu reden, und schließlich irgendetwas am Wagen in Ordnung brachte.

Ihn in Aktion zu erleben, war nichts Neues. Als sie ein Paar gewesen waren, hatte sie ihn manchmal bei seinen Einsätzen begleitet, wenn sie es nicht mehr ausgehalten hatte, von ihm getrennt zu sein. Sie hatte seine souveräne Art schon damals bewundert.

Auch sonst schien er sich nicht verändert zu haben. Er hatte immer noch schmale Hüften und diesen sexy Gang, sogar in der schweren und unförmigen Einsatzkleidung.

Als Laura bewusst wurde, dass sein Anblick erotische Erinnerungen in ihr weckte, wandte sie hastig den Blick ab. Wie konnte er nach all den Jahren und all dem Schmerz und den zerstörten Träumen nur solche Wirkung auf sie haben? Er müsste sie doch eigentlich komplett kaltlassen!

Als sie nach Javiers Tod beschlossen hatte, nach Hause zurückzukehren, hatte sie natürlich gewusst, dass sie ihm früher oder später über den Weg laufen würde. Pine Gulch war schließlich eine Kleinstadt. Ganz egal, wie viel Mühe man sich gab, jemandem aus dem Weg zu gehen – früher oder später stand man ihm unweigerlich gegenüber. Aber in ihrer Fantasie war sie immer ganz kühl und unbeteiligt gewesen.

Es war damals die richtige Entscheidung für sie gewesen, nach Spanien zu gehen und ein neues Leben anzufangen. Sie hatte jemand anders geheiratet, zwei Kinder zur Welt gebracht und Pine Gulch weit hinter sich zurückgelassen. Taft war im Grunde genommen nur ein kurzes Kapitel in ihrem Leben gewesen, ganz egal, wie sehr sie ihn geliebt hatte.

Zumindest hatte sie sich das bisher immer eingeredet. In ihrer Naivität hatte sie sich eingebildet, den Schmerz und die Trauer über seinen Verlust längst überwunden zu haben. Vielleicht hätte sie sich innerlich besser auf ihr erstes Wiedersehen einstellen sollen, bevor sie ihre Kinder nahm und das einzige Zuhause verließ, das die beiden je gekannt hatten.

Aber leider hatte sie dafür nicht genug Zeit und Energie gehabt. Sie hatte sich nämlich um die Schulden kümmern müssen, die Javier ihr völlig unerwartet hinterlassen hatte, und sich danach mit zwei hungrigen Kindern im teuren Madrid durchschlagen müssen. Als ihr schließlich bewusst geworden war, dass sie es nicht allein schaffen würde, hatte sie keine andere Lösung gesehen, als mit ihrer kleinen Familie zurück zu ihrer Mutter zu ziehen.

Den Gedanken an Taft hatte sie dabei erfolgreich verdrängt. Und jetzt bekam sie die Rechnung präsentiert – leider zu spät.

„Was machen wir denn jetzt nur?“, fragte Lauras Mutter verzweifelt und setzte Maya auf dem Bürgersteig ab. Die Kleine gesellte sich zu ihrem Bruder und nahm seine Hand. „Das hier wird uns ruinieren!“

Als Laura ihrer Mutter einen Arm um die fülligen Schultern legte, wurde sie von Gewissensbissen geplagt. Warum hatte sie nicht besser auf ihren Sohn aufgepasst? Sie wusste doch ganz genau, dass man ihn keine Sekunde aus den Augen lassen durfte!

Aber sie hatte gerade neue Gäste aufgenommen – ein frisch verheiratetes Paar, das Semesterferien hatte. Alex musste unbemerkt aus dem Büro geschlüpft und zum Ostflügel gegangen sein. Wie er es allerdings geschafft hatte, dort ein Feuerzeug aufzutreiben, war ihr schleierhaft. Wahrscheinlich hatte es einer der ehemaligen Gäste oder einer der Handwerker vergessen. Ein Glück nur, dass er sich nicht verletzt oder das ganze Hotel abgefackelt hatte!

„Du hast doch gehört, was Chief Bowman gesagt hat. Das Feuer und der Rauch beschränken sich nur auf ein Zimmer. Das ist doch eine gute Nachricht.“

„Wie kannst du nur so gelassen bleiben?“

Lauras Mutter sah um Jahre gealtert aus, und ihre Hände zitterten, als sie sich das sorgfältig gefärbte Haar aus dem Gesicht strich. Was für eine Ironie! Laura war nach Hause zurückgekehrt, um sich von ihrer Mutter helfen zu lassen, und dabei brauchte Jan in Wirklichkeit ihre Hilfe. Sich allein um das Haus mit immerhin zwanzig Zimmern zu kümmern, überforderte sie offensichtlich so, dass sie bereitwillig einen Teil der Verantwortung an ihre einzige Tochter abgab.

„Es hätte doch viel schlimmer kommen können, Mom. Immerhin wurde niemand verletzt. Sogar die alte Sprinkleranlage hat noch funktioniert. Außerdem wird jetzt die Versicherung einen Teil der Reparaturen übernehmen, die wir sowieso geplant hatten.“

„Mag ja sein. Aber was machen wir nur so lange mit den Gästen?“

Laura drückte Jan liebevoll an sich. „Mach dir keine Sorgen. Und jetzt bring die Kinder ins Cottage zurück. Ich glaube, sie hatten für diesen Nachmittag genug Aufregung.“

„Würde Chief Bowman das denn erlauben?“

Laura warf einen Blick auf das kleine Häuschen hinter dem Inn, in dem sie aufgewachsen war. „Klar, unser Cottage liegt weit genug von der Gefahrenzone weg. Ich erledige in der Zwischenzeit einige Telefonate. Wir finden schon eine neue Unterkunft für unsere Gäste. Keine Sorge, bisher haben wir doch auch alles hingekriegt.“

„Ich bin so froh, dass du hier bist, Liebes. Keine Ahnung, was ich ohne dich machen würde.“

Laura wurde schmerzlich bewusst, dass nichts von all dem hier passiert wäre, wenn sie und ihr wilder Sohn nicht da gewesen wären. „Ich auch, Mom“, antwortete sie. Das war ernst gemeint, auch wenn ihre Rückkehr bedeutete, sich mit einem gewissen Feuerwehrchef auseinandersetzen zu müssen, mit dem sie eine komplizierte Geschichte verband.

„Ich gehe vorher noch kurz zu dem armen Mr. Baktiri“, sagte Jan. „Er versteht wahrscheinlich gar nicht, was überhaupt los ist.“

Mr. Baktiri stand mitten auf dem Rasen und beobachtete verwirrt das Tohuwabohu um sich herum. Laura kannte ihn schon, seit sie ein kleines Mädchen war. Ihm und seiner Frau hatte der Drive-in vor der Stadt gehört. Nach ihrem Tod war Mr. Baktiri zu seinem Sohn nach Idaho Falls gezogen, aber offensichtlich fühlte er sich dort so unwohl, dass er jeden Monat zurück nach Pine Gulch floh, um das Grab seiner Frau zu besuchen.

Jan ließ ihn dann immer zu einem stark reduzierten Preis im kleinsten Zimmer wohnen, bis sein Sohn kam, um ihn wieder abzuholen. Das war zwar nicht gerade wirtschaftlich, aber eine gute Tat. Laura hatte den Verdacht, dass Mr. Baktiri allmählich dement wurde. Vermutlich war ihm die vertraute Umgebung ein Trost.

„Lichter, Mom.“ Maya schlang die Arme um Lauras Beine und sah lächelnd zu ihr auf. Die grellen Lichter spiegelten sich in ihren dicken Brillengläsern wider.

„Ich weiß, mein Schatz.“

„Hübsch.“

Typisch Maya, in jeder Situation das Positive zu sehen. Laura war sehr froh über diese Gabe ihrer Tochter. Obwohl sie gerade viele andere Dinge zu erledigen hatte, nahm sie sie liebevoll in die Arme und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Alex verstohlen näherkam.

„Komm her, niño“, sagte sie leise zu ihm.

Kurz darauf drückte sie beide Kinder fest an sich. Deren Wohlergehen war das Wichtigste. Den kleinen Rückschlag mit dem Feuer würde sie schon irgendwie wegstecken. Schließlich war sie eine Kämpfernatur. Sie hatte ein gebrochenes Herz, eine geplatzte Hochzeit und eine katastrophale Ehe überlebt. Was war dagegen schon ein lächerliches kleines Feuer?

2. KAPITEL

„Rate mal, wen ich neulich im Vorbeifahren in der Stadt gesehen habe.“

Taft nahm sich eins der köstlichen Brötchen seiner Schwester Caidy aus dem Brotkorb und zwinkerte ihr zu. „Mich, bei einer heroischen Tat. Beim Feuerlöschen oder Lebensretten.“

Wie von ihm beabsichtigt, kicherten seine Nichte Destry und Gabrielle Parsons, deren ältere Schwester sein Zwillingsbruder Trace in ein paar Monaten heiraten würde.

Caidy verdrehte genervt die Augen. „Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber es geht nicht immer nur um dich, Taft. Obwohl, diesmal in gewisser Hinsicht schon.“

Taft schwante nichts Gutes. „Und? Wen hast du gesehen.“

„Laura Pendleton.“

„Sie heißt nicht mehr Pendleton“, korrigierte Ridge, ihr ältester Bruder und Destrys Vater.

„Stimmt“, warf Trace von der anderen Seite des Tisches ein. Er hielt gerade Händchen mit Becca. Die beiden konnten wie immer nicht die Finger voneinander lassen.

Taft war es unbegreiflich, wie sie es schafften, dabei zu essen.

„Sie hat in Spanien geheiratet und zwei Kinder bekommen“, erklärte Trace. „Wie ich gehört habe, war eins davon in den Brand beim Inn verwickelt?“

Lauras Sohn. Taft sah wieder vor sich, wie der Kleine ihm versprochen hatte, nie wieder mit Feuer zu spielen. Das Kind war offensichtlich ein richtiger Lausebengel, aber er schien seine Lektion gelernt zu haben. „Stimmt, Lauras Ältester“, sagte er. „Er hat ein Feuerzeug in einem der leeren Zimmer gefunden und die Vorhänge damit in Brand gesteckt.“

„Und du warst der Retter in der Not?“ Caidy riss die Augen auf. „Mann, das muss ja ganz schön unangenehm für euch gewesen sein.“

Taft spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss, und er griff hastig nach der dampfenden Schüssel mit Kartoffelbrei. „Wieso?“, murmelte er. „Ich hatte kein Problem damit.“

Okay, das war zwar gelogen, aber das brauchte seine Familie ja nicht zu wissen. Er hatte in den letzten Tagen ständig an Laura denken müssen. Kaum hatte er mal eine ruhige Minute, tauchten ihre blauen Augen und ihre feinen Gesichtszüge vor seinem inneren Auge auf, oder irgendeine halb vergessene Erinnerung an ihre gemeinsame Zeit stieg in ihm hoch.

Das nervte gewaltig. Er hatte schließlich hart gearbeitet, Laura zu vergessen. Wie sollte er nur damit klarkommen, ihr und ihren Kindern jederzeit über den Weg zu laufen und dabei immer wieder an seine früheren Fehler und Versäumnisse erinnert zu werden?

„Ich glaube, ihr müsst mir ein bisschen auf die Sprünge helfen.“ Becca griff verwirrt nach ihrem Glas. „Wer ist Laura Pendleton? Ist sie mit Mrs. Pendleton vom Inn verwandt? Und warum sollte es für Taft peinlich sein, dort ein Feuer zu löschen?“

„Ach, es ist nichts weiter.“ Caidy streifte Taft mit einem flüchtigen Blick. „Nur, dass Taft und Laura früher einmal verlobt waren.“

Taft fuhr mit seiner Gabel in seinem Kartoffelbrei herum, um den Blicken seiner Familienmitglieder auszuweichen. Sie hatten ihm das geliebte Sonntagsessen gründlich vermiest.

„Verlobt? Taft?“, fragte Becca entgeistert.

„Ja“, hörte Taft seinen Zwillingsbruder sagen. „Kaum zu glauben, oder?“

„Wie lange ist das her?“, fragte sie.

„Eine Ewigkeit“, antwortete Ridge. „Er und Laura waren praktisch seit der Highschool zusammen …“

„Seit dem College“, murmelte Taft.

„Die beiden waren unzertrennlich“, fügte Trace hinzu.

„Und nach ihrem Abschluss an der Montana State University hat Taft ihr einen Heiratsantrag gemacht“, fuhr Ridge fort.

„Und dann?“, fragte Becca und sah Taft neugierig an.

Allmählich wurde es ihm zu bunt. Warum kam in Momenten wie diesen eigentlich nie ein Notruf? Es musste ja nichts Schlimmes sein, nur ein brennender Schuppen oder ein Kind, das in einem Schacht feststeckte. „Wir haben die Beziehung beendet“, antwortete er mürrisch.

„Eine Woche vor der Hochzeit“, warf Caidy ein.

War ja klar, dass dieses Detail auch erwähnt werden musste.

„Es war in gegenseitigem Einverständnis“, log Taft. Dabei war die brutale Wahrheit, dass Laura ihn fallen lassen hatte. Eine Woche vor ihrer Hochzeit, nach all den Vorbereitungen, Anzahlungen und Anproben hatte sie ihm seinen Ring zurückgegeben und ihm gesagt, dass sie ihn nicht heiraten konnte. „Müssen wir eigentlich darüber reden? Was vorbei ist, ist vorbei.“

„Nicht ganz“, antwortete Trace. „Zumindest nicht mehr jetzt, wo Laura wieder da ist.“

Leider hatte er recht. Allen würde wieder einfallen, wie Laura und ihre Mutter sich schriftlich und telefonisch für die kurzfristige Absage der Hochzeit entschuldigt hatten, während er seinen Kummer im Bandito ersäuft hatte. Fast zwei Monate lang.

Jetzt, nach Lauras Rückkehr, würde er sich wohl oder übel den Gefühlen stellen müssen, die er seit zehn Jahren verdrängt hatte. Um seinen Schmerz über Lauras Verlust nicht spüren zu müssen, hatte er so getan, als sei die Trennung kein Problem. Noch nicht einmal Trace, der nicht nur sein Zwillingsbruder, sondern auch sein bester Freund war, kannte die wahren Hintergründe der Geschichte.

Seine Familie hatte Laura geliebt. Sein Vater hatte ihm ständig gesagt, dass Laura das Beste war, das ihm passieren konnte, und mit seiner Mutter hatte sie das Interesse für Kunst und Malerei geteilt. Tafts Mutter hatte sich als Malerin gerade einen Namen gemacht, als sie ermordet wurde.

Die Erinnerungen verdrängend, richtete er die Aufmerksamkeit wieder auf seine Geschwister. Doch als er Beccas mitleidigen Gesichtsausdruck sah, verschlug ihm das auch noch sein letztes bisschen Appetit.

„Das tut mir leid“, sagte sie. „Gegenseitiges Einvernehmen hin und her, es muss trotzdem schlimm gewesen sein. Fällt es dir schwer, sie wiederzusehen?“

Taft bemühte sich um einen gleichgültigen Gesichtsausdruck. „Warum sollte mir das schwerfallen? Das Ganze ist inzwischen zehn Jahre her. Sie ist weitergezogen – und ich auch. Kein Ding.“

Ridge räusperte sich vernehmlich.

Taft sah ihn irritiert an. Er liebte seine Geschwister, aber in diesem Augenblick hätte er sie am liebsten erschlagen.

Becca sah aufmerksam zwischen ihm und seinen Brüdern hin und her, bevor sie zu Tafts Erleichterung rücksichtsvoll das Thema wechselte. „Und? Wie kommst du mit dem Haus voran?“

„Gut“, antwortete er dankbar. Becca war eine tolle Frau. Womit hatte sein Bruder sie eigentlich verdient? „Es fehlen nur noch die Trockenmauern für zwei Zimmer. Allmählich sieht es wie ein richtiges Haus aus.“

„Ich bin gestern mal dort vorbeigefahren und habe einen Blick durchs Fenster geworfen“, sagte Caidy. „Sieht toll aus.“

„Ruf mich doch das nächste Mal vorher an, dann führe ich dich herum. Du wärst überrascht, wie weit ich schon gekommen bin.“

Nachdem Taft in den letzten Jahren eine günstig gelegene, aber kleine Mietwohnung in der Nähe der Feuerwache bewohnt hatte, hatte er schließlich beschlossen, ein eigenes Haus zu bauen. Das zweistöckige Blockhaus lag auf einem Grundstück in der Nähe des Cold Creek Canyons.

„Und was ist mit dem Stall und der Weide?“, fragte Ridge.

In den letzten Jahren hatte Taft zwei Stuten von einem prämierten Hengst besteigen lassen, den er günstig einem in finanziellen Schwierigkeiten steckenden Rancher in der Nähe von Wood River abgekauft hatte. Die Fohlen hatte er größtenteils verkauft und nur vier behalten. Sie waren zurzeit auf der Ranch seiner Familie untergebracht. „Der Zaun steht schon, aber mit dem Stall möchte ich noch warten, falls du damit einverstanden bist.“

„Klar, wir haben hier jede Menge Platz. Die Pferde können so lange bleiben, wie du willst.“

„Und wann ziehst du ein?“, fragte Becca.

„Mitte Mai, hoffe ich. Hängt davon ab, wie schnell ich mit den Malerarbeiten fertig bin.“

„Sag Bescheid, falls du Hilfe brauchst“, bot Ridge an.

„Mir auch“, sagte Trace.

Tafts Brüder hatten beide viel um die Ohren: Ridge leitete die Ranch und zog Destry allein groß, während Trace der überarbeitete Polizeichef eines unterbesetzten Reviers war – und eine Zukunft mit Becca und Gabi plante. Taft wusste ihr Angebot daher umso mehr zu schätzen. „Das wird nicht nötig sein“, antwortete er. „Das Schlimmste ist ja schon geschafft. Was jetzt kommt, ist reines Vergnügen.“

„Kein Wunder, dass ich dich schon immer für durchgeknallt gehalten habe.“ Caidy schüttelte den Kopf. „Streichen macht dir Spaß?“

„Ich male auch gern Sachen an“, warf Destry ein. „Ich kann dir helfen, Onkel Taft.“

„Ich auch!“, rief Gabrielle. „Au ja! Dürfen wir?“

Bloß nicht, die beiden Mädchen würden bestimmt alles ruinieren. „Danke, das ist wirklich lieb von euch, aber Ridge hat hier bestimmt genug anderes für euch zu tun. Der Zaun am Bach zum Beispiel sieht so aus, als könnte er einen neuen Anstrich gebrauchen.“

„Klar“, antwortete Ridge. „Sobald es nachts wärmer ist, sage ich euch Bescheid.“

„Kriegen wir Geld dafür?“, fragte Gabrielle, wie immer ganz Opportunistin.

Ridge lachte. „Wir können ja die Bedingungen mit eurer Anwältin aushandeln.“

Als Caidy Becca – besagte Anwältin –, auf ihre Hochzeit im Juni ansprach, richtete sich die allgemeine Aufmerksamkeit zu Tafts Erleichterung darauf. Während sich die anderen über die Vorbereitungen unterhielten, stieg wieder jene Unzufriedenheit in ihm auf, die ihn seit einiger Zeit begleitete.

Seit Trace und Becca einander gefunden hatten, fühlte er sich irgendwie ausgeschlossen. Dabei liebte er seinen Bruder. Trace war sein bester Freund, und Taft gönnte ihm das Glück, das er mit Becca und Gabi gefunden hatte, von Herzen, doch die Neuigkeit von ihrer Verlobung hatte seine Welt irgendwie erschüttert – ein Gefühl, das sich durch das Wiedersehen mit Laura noch verstärkt hatte.

Er hatte sich nie für einen Heiligen gehalten, aber er tat sein Bestes. Sein Motto als Feuerwehrchef und Notarzt lautete primum non nocere, vor allem keinen Schaden anrichten. Vielleicht waren ihm ja gerade deshalb seine Versäumnisse so bewusst. Es gab bisher nur zwei Dinge in seinem Leben, die er wirklich bereute, und beide hatten mit Laura Pendleton zu tun.

Er hatte ihr damals sehr wehgetan. In den Monaten, in denen sie zu der Überzeugung gekommen war, dass ihre Beziehung keine Zukunft mehr hatte, hatte er sie wieder und wieder zurückgestoßen. Inzwischen war ihm alles klar. Verdammt, er hatte es schon damals gewusst, doch er war nach der Ermordung seiner Eltern so verbittert gewesen, dass er alles in seinem Leben zerstört hatte, was gut gewesen war. Er konnte Laura daher keinen Vorwurf daraus machen, die Hochzeit abgesagt zu haben, nicht wirklich. Auch wenn es ihn damals fast umgebracht hatte.

Sie hatte ihn gewarnt, doch er hatte sich stur gestellt und ihr damit letztlich keine andere Wahl gelassen, als ihre Drohung wahr zu machen und die Hochzeit abzusagen. Sie war weggezogen, hatte irgendeinen exotischen Job in einem spanischen Hotel angenommen und ein paar Jahre später einen Mann geheiratet, den sie dort kennengelernt hatte.

Beim Gedanken an den Tod ihres Mannes wurde ihm noch elender zumute. Sie hatte viel Schrecklicheres durchgemacht als seinen Verlust – den des Vaters ihrer Kinder nämlich. Ihr Mann war vor einem halben Jahr bei einem Schiffsunglück ertrunken.

„Isst du noch auf, oder spielst du bloß mit deinem Essen herum?“

Als Taft den Blick hob, stellte er zu seiner Bestürzung fest, dass außer ihm nur noch Ridge am Tisch saß. Alle anderen hatten das Zimmer bereits verlassen. Anscheinend war er so tief in Gedanken versunken gewesen, dass er das gar nicht bemerkt hatte. „Sorry, ich habe ein paar sehr anstrengende Tage hinter mir.“

Ridge, der nach dem Tod ihrer Eltern die Rolle des Familienoberhauptes übernommen hatte, trank einen Schluck Wasser. „Ich wollte gleich mit den beiden Mädchen ausreiten. Möchtest du vielleicht mitkommen? Ein bisschen frische Bergluft würde dir vielleicht guttun.“

Taft ritt sehr gern, war aber gerade nicht in der Stimmung für weitere neugierige Fragen. „Ehrlich gesagt würde ich lieber an meinem Haus weiterarbeiten.“

Ridge nickte. „Verständlich. Im Werkzeugladen habe ich neulich übrigens mitbekommen, dass Jan Pendleton dringend Hilfe bei der Renovierung ihres Inns braucht. Ich dachte, du hättest vielleicht Lust, Laura und ihrer Mutter etwas unter die Arme zu greifen.“

Taft schnaubte. Als ob Laura ihrer Mutter erlauben würde, seine Hilfe anzunehmen! Ohne auf Ridges Vorschlag einzugehen, stand er auf und nahm seinen Teller. Vor allem keinen Schaden anrichten … Bei Laura hatte er in dieser Hinsicht versagt.

Aber manchmal konnte man angerichteten Schaden auch wiedergutmachen, oder? Es war zumindest einen Versuch wert.

Laura starrte ihre Mutter entgeistert an. „Sag das noch mal. Du hast was getan?“

„Ich wusste ja nicht, dass es dir so viel ausmachen würde.“ Jan lächelte entschuldigend und rührte in der Hähnchenpfanne, die sie fürs Abendessen kochte.

Bist du übergeschnappt? hätte Laura sie am liebsten angeschrien. Wie kommst du nur auf die verrückte Idee, dass mir das nichts ausmacht?

Sie holte tief Luft, um die Worte hinunterzuschlucken, die ihr auf der Zunge lagen. Gott sei Dank machten wenigstens die Kinder ausnahmsweise mal keine Dummheiten, sondern spielten brav mit ihren Autos im Wohnzimmer. Laura sah ihnen eine Weile dabei zu, um Ihre Nerven zu beruhigen.

Sie rief sich ins Gedächtnis, dass ihre Mutter gerade viel Stress hatte, und das nicht nur finanziell. Trotzdem verstand sie nicht, warum ihre Mutter eine solche Entscheidung getroffen hatte, ohne vorher mit ihr darüber zu reden.

„Eigentlich war es ja deine Idee“, sagte Jan.

Meine Idee?“ Niemals! Sogar in ihren schlimmsten Albträumen wäre Laura nicht auf so etwas verfallen.

„Allerdings. Hast du nicht erst neulich gesagt, wie nützlich es wäre, einen Handwerker unter unseren Gästen zu haben, zumal wir in dem einen Zimmer noch mal ganz von vorne anfangen müssen?“

„Ich rede viel, wenn der Tag lang ist, Mom.“ Das heißt noch lange nicht, dass ich einfach loslaufe und mit einem solchen Idioten wie Taft Bowman ins Geschäft komme!

„Ich dachte, du würdest dich über die Hilfe freuen, das ist alles. Das Feuer hat schließlich unseren ganzen Renovierungsplan durcheinandergebracht.“

„Nicht wirklich. Es wurde ja nur ein Zimmer beschädigt, und das stand ohnehin noch auf der Liste.“

„Wie dem auch sei, Chief Bowman kam heute Morgen vorbei, um nach dem Rechten zu sehen, was ich übrigens sehr nett von ihm fand. Er bot uns an, uns in seiner Freizeit bei ein paar Reparaturen zu helfen. Da kam mir die Idee, ihm ein Zimmer anzubieten. Er baut doch gerade ein Haus und muss aus seiner Wohnung raus. Das schien mir die ideale Lösung zu sein.“

Ach, wirklich? Wieso ist es eine ideale Lösung, den Exverlobten seiner Tochter im Haus zu haben?

Jan Pendleton leitete das Inn seit dem Tod von Lauras Vater vor fünf Jahren allein. Laura war nicht immer einverstanden mit den Methoden ihrer Mutter und hätte manches anders gemacht, wenn sie zu Hause gewesen wäre, aber sie wusste, dass Jan ihr Bestes gab. Doch das ging entschieden zu weit. „Theoretisch ist es eine gute Idee. Ein Handwerker vor Ort wäre wirklich praktisch. Aber doch nicht ausgerechnet Taft, um Himmels willen!“

Jan runzelte verwirrt die Stirn. „Du meinst wegen eurer Vergangenheit?“

„Das auch. Ihn nach all den Jahren wiederzusehen, war mir ziemlich unangenehm“, gestand Laura.

Ihre Mutter sah sie erstaunt an. „Das verstehe ich nicht. Du hast doch immer gesagt, dass ihr euch im gegenseitigen Einvernehmen getrennt habt. Ich kann mich noch genau erinnern, wie du mir wieder und wieder versichert hast, dass ihr Freunde bleiben wolltet.“

Hatte sie das wirklich gesagt? Laura konnte sich kaum noch an Einzelheiten aus dieser schrecklichen Zeit erinnern, nur noch an ihre Verzweiflung und ihren Schmerz.

„Du warst so gelassen, als du deine Verlobung abgesagt hast und all die Hochzeitsgeschenke zurückschicken musstest. Hätte ich geahnt, dass Tafts Gegenwart dir etwas ausmacht, hätte ich sein Angebot natürlich nie angenommen.“

Jetzt rächte sich offensichtlich, dass Laura ihren Eltern damals etwas vorgemacht hatte, um sie zu schonen. Es war doch zum Verrücktwerden! Sie hatte niemandem zeigen wollen, dass Taft ihr das Herz gebrochen hatte, und daher einfach ein fröhliches Gesicht aufgesetzt und so getan, als freue sie sich schon auf das Abenteuer, ins Ausland zu gehen.

Sie konnte ihrer Mutter jetzt unmöglich vorwerfen, ihr sorgfältig konstruiertes Lügengebäude nicht durchschaut zu haben, zumal sie ein paar Jahre später geheiratet und Kinder bekommen hatte. Die ganze Misere war allein ihre Schuld. Na ja, und die des Typen, der ihre Mutter schon damals mit Leichtigkeit um den kleinen Finger gewickelt hatte – und jede andere Frau in einem Zwölfmeilenradius von Pine Gulch.

„Na schön, ich sehe ein, dass wir Hilfe gebrauchen können, und Taft ist sehr geschickt mit den Händen.“ Hastig verdrängte Laura den Gedanken daran, wie geschickt. „Aber musstest du ihm gleich ein Zimmer anbieten?“

Jan zuckte die Achseln und goss Zitronensoße über das Hähnchen, das zu zischen und zu brutzeln begann. Ein köstlicher Duft erfüllte die Küche. „Er fand die Idee auch ganz praktisch.“

Na klar! Die Frage war nur, warum? Was konnte Taft so plötzlich bewogen haben, in die Höhle des Löwen zu ziehen? Als sie ihn neulich wiedergesehen hatte, schien er sich genauso unbehaglich gefühlt zu haben wie sie.

Aber vielleicht war das Ganze ja nur Teil eines schrägen und perfiden Racheplans. Sie hatte ihn schließlich zurückgewiesen. Vielleicht wollte er sich ja nach all den Jahren an ihr rächen, indem er die Zimmer so mies renovierte, dass sie und Jan sie hinterher kostspielig wieder neu machen lassen mussten …

Laura seufzte, als ihr bewusst wurde, wie lächerlich ihr Hirngespinst war. So etwas sah Taft einfach nicht ähnlich. Was auch immer er für Gründe hatte, er würde sein Bestes geben.

„Sein neues Haus soll sehr schön sein“, fuhr Jan fort. „Und überleg doch mal, was wir an Renovierungskosten sparen können. Außerdem sind wir sowieso nicht ausgebucht. Ich dachte wirklich, du würdest dich freuen. Es ist die ideale Lösung.“

Nur nicht für Laura. Wie sollte sie es nur ertragen, ihn ständig in der Nähe zu wissen und seine grünen Augen sehen zu müssen, die sie früher so geliebt hatte? Oder seinen Mund, der so aufregend küssen konnte. Sie seufzte tief auf.

Ihre Mutter warf ihr einen besorgten Blick zu. „Ich kann ihm immer noch absagen, wenn du willst. Taft wollte heute zwar schon ein paar Sachen vorbeibringen, aber es ist noch nicht zu spät. Wir finden auch jemand anders, wenn dir die Vorstellung so unangenehm ist, dass er hier wohnt und arbeitet.“

Laura wusste, dass ihre Mutter das ehrlich meinte. Jan würde Taft sofort anrufen, wenn sie wüsste, wie sehr Laura ihren gescheiterten Träumen von einer gemeinsamen Zukunft mit ihm hinterhertrauerte. Für einen Moment spielte sie ernsthaft mit dem Gedanken, den Vorschlag ihrer Mutter anzunehmen, besann sich dann jedoch eines Besseren. Taft würde sofort wissen, dass sie dahintersteckte.

Das wäre eine sehr unangenehme Vorstellung. Er durfte auf keinen Fall erfahren, wie sehr ihr das Wiedersehen mit ihm zu schaffen machte. Nein, sie musste ihm den Eindruck vermitteln, dass er ihr völlig gleichgültig war. So wie neulich, als sie sich ihm gegenüber ganz kühl und unbeteiligt gegeben hatte, als seien sie nur entfernte Bekannte. Wenn Jan ihm jetzt absagte, würde er sofort wissen, dass sie sich nur verstellt hatte.

Laura saß in der Zwickmühle. Sie war genauso hilflos wie die Kälber, die Taft früher immer beim Highschool-Rodeo gefangen hatte. Ein Gefühl, das ihr nur allzu vertraut war. Sie hatte es in den letzten sieben Jahren täglich empfunden – seit ihrer Heirat mit Javier Santiago. Doch anders als die Kälber war sie freiwillig ins Lasso eines Mannes gegangen, den sie nicht geliebt hatte.

Obwohl, so ganz freiwillig doch nicht. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass es ein Fehler wäre, den smarten Hotelbesitzer zu heiraten, und versucht, ihm den Laufpass zu geben. Leider war sie damals im vierten Monat schwanger gewesen. Javier – in dieser Hinsicht erstaunlich altmodisch – hatte darauf bestanden, sie zu heiraten.

Sie hatte sich eingeredet, dass sie ihn liebte. Er hatte sehr gut ausgesehen, war charmant gewesen und hatte sie zum Lachen gebracht. Irgendwann hatte sie nachgegeben und versucht, ihm eine gute Frau zu sein. Doch es hatte nicht gereicht, weder ihm noch ihr. Als ihr das bewusst wurde, saß sie bereits fest – erst wegen Alex und dann wegen Maya, ihrer wunderbaren fragilen Tochter.

Was Taft anging, konnte sie zwar nicht ungeschehen machen, was ihre Mutter arrangiert hatte, aber zumindest würde sie verhindern, dass er in ihre Privatsphäre eindrang. Gott sei Dank würde er nur vorübergehend im Hotel wohnen und dann wieder aus ihrem Leben verschwinden.

„Soll ich ihn anrufen und ihm absagen?“, wiederholte ihre Mutter ihre Frage.

Laura zwang sich zu einem Lächeln. „Nein, Mom. Sorry, ich war nur … überrascht, das war alles. Du hast völlig recht, es ist eine großartige Idee. Einen Handwerker im Haus kann man wirklich immer gebrauchen, und wie du schon gesagt hast, müssen wir dafür nur ein Zimmer opfern, das ohnehin leer stünde.“

In diesem Augenblick kam Maya in die Küche. Sie hatte offensichtlich keine Lust mehr zum Spielen und umarmte ihre Mutter auf jene so unnachahmlich liebenswerte Art, die für Laura inzwischen so überlebenswichtig war wie Sauerstoff und Wasser. „Hunger, Mom.“

„Gram macht uns gerade etwas Leckeres zum Abendessen. Ist es nicht ein Glück, dass wir sie haben?“

Maya strahlte ihre Großmutter an. „Du bist toll, Gram.“

„Du auch, Süße.“ Jan lächelte gerührt zurück.

In diesem Augenblick wurde Laura bewusst, dass das Wohlergehen ihrer Kinder viel wichtiger war als ihre Probleme mit Taft. Sie würde alles tun, um aus dem Hotel einen rentablen Betrieb zu machen, und seine Hilfe konnte sie dabei gut gebrauchen. Bisher warf es gerade genug ab, um sie zu ernähren.

Durch ihre Rückkehr hatte sie endlich die Chance, wieder ein eigenes Leben zu führen und ihre und die Zukunft ihrer Kinder zu gestalten. Sie würde ihren Lebenstraum verwirklichen und das Cold Creek Inn in das behagliche und schöne Hotel verwandeln, das sie sich immer vorgestellt hatte – einen Ort, an dem Familien zusammentrafen, Paare sich fanden oder ihre Liebe neu entdeckten und Geschäftsleute ein zweites Zuhause hatten. Auf keinen Fall würde sie sich das von Taft verderben lassen!

Sie würde einfach ganz locker und souverän sein, wenn sie ihm begegnete. Das war doch keine große Sache.

Oder?

3. KAPITEL

Falls Taft insgeheim gehofft hatte, dass Laura ihm vor lauter Dankbarkeit über seine Hilfe bei der Renovierung um den Hals fallen würde, wurde er bitter enttäuscht.

Als er sich in den nächsten Tagen nämlich in seinem überraschend komfortablen Zimmer im Ostflügel einrichtete, bekam er sie kaum zu Gesicht. Irgendwie schien sie auch immer auf mysteriöse Weise verschwunden zu sein, wenn er an der Rezeption vorbeikam.

Die paar Gelegenheiten, bei denen es ihm tatsächlich gelang, sie anzusprechen, war sie kühl und kurz angebunden und ließ ihn unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand stehen, als litte er an einer ansteckenden Krankheit.

Sie hatte ihn sitzen lassen und nicht andersherum, verdammt noch mal! Trotzdem benahm sie sich, als sei er hier der Schurke. Doch irgendwie empfand er ihre kratzbürstige und reservierte Art als Herausforderung. Er war es nämlich nicht gewohnt, dass Frauen ihn ignorierten – und schon gar nicht Laura!

Sie waren schon eine Ewigkeit befreundet gewesen, als ihm an jenem denkwürdigen Sommertag nach Lauras erstem Jahr auf dem College endlich bewusst geworden war, dass sie viel mehr für ihn war als nur eine Freundin. Als sie nach Spanien ging, hatte sie eine Lücke in seinem Leben hinterlassen, die sich nie wieder geschlossen hatte, doch manchmal vermisste er seine beste Freundin genauso sehr wie die Frau, die er geliebt hatte.

Nach drei Tagen im Hotel und diversen flüchtigen und frustrierenden Begegnungen gelang es Taft am vierten Morgen endlich, Laura abzufangen. Er verließ gerade den Ostflügel, um sich auf den Weg zu einem Meeting in der Feuerwache zu machen, als er jemanden in den verwilderten Blumenbeeten des Hotels arbeiten sah.

Bisher wuchsen dort nur Tulpen und Unkraut, doch irgendjemand schien sich mehr Mühe damit geben zu wollen. Auf dem Fußweg lagen mehrere Paletten mit bunten Frühjahrsblumen verteilt.

Taft hielt die Frau mit dem Strohhut erst für eine angestellte Gärtnerin, bis er ihr honigblondes Haar sah. Sofort änderte er seine Richtung und steuerte anstatt auf seinen Dienstwagen auf sie zu. „Guten Morgen!“, rief er.

Laura zuckte zusammen und drehte sich um. Bei seinem Anblick wechselte ihr Gesichtsausdruck von Überraschung zu Bestürzung, bevor sie ein höfliches und unpersönliches Lächeln aufsetzte. „Ach. Hallo.“

Taft war zu gekränkt, um über ihre Reaktion zu lächeln. „Dir ist doch klar, dass wir hier in Ost-Idaho wohnen und nicht in Madrid. Wir haben erst April. In den nächsten sechs Wochen kann es locker noch schneien.“

„Ich weiß“, antwortete Laura steif. „Das sind alles winterharte Pflanzen. Sie müssten die Kälte gut überstehen.“

Taft hatte keine Ahnung von Gartenarbeit, außer dass er es immer gehasst hatte, wenn seine Mutter ihn, seine Brüder und Caidy im Sommer morgens geweckt hatte, um das Unkraut im Gemüsebeet zu jäten. „Ich meine ja nur. Nicht, dass du Geld für Blumen ausgibst und dann eines Morgens aufwachst und feststellen musst, dass sie über Nacht erfroren sind.“

„Ich weiß deine Besorgnis um meinen Geldbeutel zu schätzen, aber manchmal muss man eben gewisse Risiken eingehen, wenn man seine Umgebung verschönern will. Außerdem bepflanze ich zunächst nur die Beete auf der Ost- und Südseite, da ist es milder. Und keine Angst, ich habe nicht vergessen, wie unberechenbar das Wetter hier in den Rockies sein kann.“

Sonst schien Laura allerdings jede Menge vergessen zu haben. Zum Beispiel, dass sie früher mal sehr glücklich miteinander gewesen waren. Warum behandelte sie ihn nur ständig mit dieser nervtötenden höflichen Gleichgültigkeit?

Obwohl Taft es eilig hatte, wollte er zumindest versuchen, ihr doch noch eine andere Reaktion zu entlocken. „Heute Morgen ohne Kinder?“, fragte er, obwohl das offensichtlich war.

„Sie machen gerade mit meiner Mutter zusammen Frühstück.“ Laura zeigte auf das kleine Cottage hinter dem Inn, in dem sie aufgewachsen war. „Ich habe die Gelegenheit genutzt, noch ein bisschen im Garten zu arbeiten, bevor sie rauskommen und ich Alex davon abhalten muss, ein Loch bis nach China zu graben, und Maya davon, sämtliche Blüten abzureißen.“

Taft musste grinsen. Er fand Lauras Kinder wirklich niedlich – und irgendwie fühlte es sich gut an, hier in der Morgensonne neben Laura zu stehen und den Anblick der ersten grünen Triebe an den Pappeln am Ufer zu genießen. „Du hast tolle Kinder“, sagte er.

Laura sah ihn skeptisch an. „Du meinst, wenn sie nicht gerade herumzündeln?“

Taft lachte. „Ich bin überzeugt, dass es ein Versehen war.“

Da, ihre Mundwinkel zuckten. Um ein Haar hätte sie tatsächlich gelächelt, wandte jedoch das Gesicht ab. Taft freute sich trotzdem über diesen Etappensieg. Es hatte ihm schon früher immer Spaß gemacht, sie zum Lächeln zu bringen.

Ein seltsames Gefühl überkam ihn, als er dabei zusah, wie sie eine leuchtend gelbe Blume einpflanzte. Kein Zweifel, er fühlte sich zu ihr hingezogen. Er fand sie unglaublich schön und anmutig – so frisch und hübsch wie die Blumen.

Was auch immer sie durchgemacht hatte, die Zeit hatte es gut mit ihr gemeint. Sie war nach wie vor eine sehr attraktive Frau – eigentlich sogar noch anziehender als damals. Er fühlte sich noch genauso zu ihr hingezogen wie früher, als sie eigentlich ständig in seinen Gedanken gewesen war.

Erschrocken fiel ihm nichts anderes ein, als sie ausgerechnet auf das einzige Thema anzusprechen, über das sie bestimmt nicht reden wollte. „Was ist eigentlich mit dem Vater deiner Kinder passiert?“

Laura klopfte die Erde um die Blume so heftig glatt, dass Taft unwillkürlich zusammenzuckte. „Was geht dich das an?“, fragte sie mit gepresster Stimme.

„Gar nichts. Aber du hast ihn immerhin nur wenige Jahre nach unserem Hochzeitstermin geheiratet. Da kannst du mir meine Neugierde darüber nicht verübeln.“

Laura hob eine Augenbraue. Offensichtlich war sie anderer Meinung. „Du hast die pikanten Details doch bestimmt schon gehört. Javier ist vor einem halben Jahr bei einem Schiffsunfall vor Barcelonas Küste verunglückt. Er und seine damalige Geliebte kamen dabei ums Leben. Es war für alle Beteiligten eine schreckliche Tragödie.“

Verdammt! Taft hatte gewusst, dass ihr Mann ertrunken war, aber mehr auch nicht. Er bezweifelte, dass irgendjemand in Pine Gulch nähere Details kannte, sonst hätte er sie längst gehört.

Laura weigerte sich noch immer, ihn anzusehen. Taft kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie ihre offenen Worte schon bereute. Wie viel Leid mochte sich hinter ihren schlichten Sätzen verbergen?

„Das tut mir leid“, sagte er schließlich, da ihm nichts anderes einfiel. Er kam sich total lahm und banal vor.

„Was? Sein Tod oder das mit der Geliebten?“

„Beides.“

Noch immer seinem Blick ausweichend, griff Laura nach einer weiteren Blume. „Er war ein guter Vater. Man kann ihm alles Mögliche vorwerfen, aber er hat seine Kinder geliebt. Sie vermissen ihn beide sehr.“

„Du nicht?“

„Auch das geht dich nichts an!“

Taft seufzte. „Du hast ja recht. Aber wir waren früher mal sehr gute Freunde. Ich habe nicht aufgehört, mir Gedanken um dich zu machen, nur weil du mich fallen lassen hast.“

Sie hielt den Kopf noch immer gesenkt. „Hör auf, Taft! Du weißt genauso gut wie ich, dass ich unsere Hochzeit nur deshalb abgeblasen habe, weil du nicht den Mumm hattest, es selbst zu tun.“

Autsch! Das saß. „Mein Gott, Laura, warum hast du mir nie gesagt, dass du das so siehst?“, fragte er bestürzt.

Sie stand auf und sah ihn an. Ihre Wangen waren gerötet. „Tu doch nicht so, als wüsstest du nicht, wovon ich rede! Du hast dich nach der Ermordung deiner Eltern komplett aus unserer Beziehung verabschiedet. Immer, wenn ich mit dir reden wollte, hast du mich abgewimmelt. Du hast einfach behauptet, dass alles in Ordnung ist, und bist dann ins Bandito gefahren, um zu trinken und herumzuflirten. Wenn ich es recht bedenke, dürfte es eigentlich niemanden überraschen, dass ich einen untreuen Mann geheiratet habe. Du kennst ja die Redensart. Alte Muster zu durchbrechen, ist schwer.“

Okay, immerhin redete sie endlich mit ihm. Man sollte sich vorher überlegen, was man sich wünscht, Bowman.

„Ich war dir nie untreu!“

Sie schnaubte verächtlich. „Vielleicht bist du nie so weit gegangen, aber du hast die Gegenwart der Schlampen in der Bar mehr genossen als meine.“

Das lief ganz anders als erwartet. Er musste verrückt geworden sein, ins Hotel zu ziehen und den Handwerkerjob zu übernehmen. Dabei hatte er doch nur austesten wollen, ob es noch eine Chance für sie beide gab, ihre verletzten Gefühle zu überwinden und wieder Freunde zu werden.

Laura sah aus, als bereue sie schon, überhaupt über ihre Vergangenheit geredet zu haben. „Ich habe gespürt, dass du mich nicht mehr wolltest, Taft. Alle wussten das, du hattest mir nur nicht wehtun wollen. Ich kann das gut verstehen.“

„So war es gar nicht!“

„Ich war doch selbst dabei. Du warst völlig verstört vom Tod deiner Eltern. Ich wollte deswegen unsere Hochzeit verschieben, wenn du dich recht entsinnst, aber du wolltest nichts davon hören. Immer, wenn ich dich darauf ansprach, hast du dich zurückgezogen. Wie konnte ich dich unter solchen Umständen heiraten? Wir hätten einander irgendwann gehasst.“

„Und jetzt ist es natürlich viel besser“, entgegnete Taft sarkastisch. „Jetzt hasst nur du mich.“

Unglaublich, sie sah doch tatsächlich gekränkt aus. „Wer sagt denn, dass ich dich hasse?“

„Okay, Hass ist vielleicht übertrieben. Verachtung trifft es besser.“

Sie atmete scharf ein. „Das sehe ich anders. Was wir miteinander hatten, ist schon lange vorbei. Ich empfinde überhaupt nichts für dich, höchstens ein bisschen Nostalgie um der alten Zeiten willen.“

Autsch! Das tat doppelt weh. Ihre unmissverständlichen Worte schmerzten. Taft fühlte sich zu ihr hingezogen wie eh und je, und das Einzige, was sie für ihn empfand, war Nostalgie?

Eindringlich sah er sie an. Vielleicht sagte sie ja nicht die Wahrheit. Doch ihr Blick war kühl, und sie lächelte genauso frustrierend höflich wie immer. Verdammt, er hasste dieses Lächeln! Am liebsten hätte er Laura an sich gerissen und es ihr ein für alle Mal von den Lippen geküsst. Natürlich nur um der alten Zeiten willen …

Doch stattdessen zwang er sich, höflich zurückzulächeln. Er hatte nämlich gleich ein Meeting und wollte sich nicht noch mehr verspäten als ohnehin schon.

„Gut zu wissen“, murmelte er. „Ich lass dich dann mal weiterarbeiten. Meine Schicht endet heute um sechs. In den nächsten Tagen habe ich nur Bereitschaftsdienst und werde daher mehr Zeit zum Renovieren haben. Leg mir eine Liste mit Aufgaben an die Rezeption. Ich werde mir in Zukunft Mühe geben, dir aus dem Weg zu gehen.“

Jetzt klang er genauso kühl und unbeteiligt wie sie!

Doch als er in seinen Wagen stieg, konnte er sich nicht beherrschen, seine Tür erheblich heftiger zuzuschlagen als nötig.

Wann werde ich jemals lernen, die Klappe zu halten?

Noch lange, nachdem Taft in seinen Pick-up gestiegen und weggefahren war, zog Laura mit zitternden Händen das Unkraut aus den vernachlässigten Beeten und ärgerte sich, dass sie sich überhaupt auf ein Gespräch mit ihm eingelassen hatte. Sie hätte die Schaufel fallen lassen und zum Cottage zurückgehen sollen, sobald sie ihn sah.

Immer wieder rief sie sich ihre Unterhaltung ins Gedächtnis. Wenn ihre Gartenhandschuhe nicht so dreckig gewesen wären, hätte sie stöhnend die Hände vors Gesicht geschlagen.

Warum hatte sie ihm nur von Javier und seiner Untreue erzählt? Taft war der Letzte in Pine Gulch, dem sie das hätte anvertrauen dürfen! Sogar ihre Mutter hatte keine Ahnung, wie schwierig die letzten Jahre ihrer Ehe gewesen waren, und dass sie Javier sofort verlassen hätte, wenn die Kinder nicht gewesen wären.

Sie hatte Taft den Eindruck vermitteln wollen, dass es ihr in Spanien bestens gegangen war. Und was hatte sie stattdessen getan? Sich vor ihm entblößt! Jetzt fand er sie bestimmt genauso erbärmlich wie vor zehn Jahren, als sie ihm ihre ganze Liebe geschenkt hatte und er nicht in der Lage oder willens gewesen war, sie anzunehmen.

Zu allem Überfluss hatte sie sich auch noch auf ein Gespräch über ihre gemeinsame Vergangenheit eingelassen! Dabei hatte sie sich doch so fest vorgenommen, das nicht zu tun. Jetzt dachte er bestimmt, dass sie ständig an ihn denken musste, was ihren ganzen Plan zunichtemachte, ihm gegenüber kühl und desinteressiert zu wirken.

Wie schaffte er es nur immer, ihr Dinge zu entlocken, die sie unbedingt für sich behalten wollte? Er hätte Polizist werden sollen und nicht sein Zwillingsbruder!

Früher einmal hatte sie ihm alles anvertraut – dass sie sich von ihren Eltern schulisch unter Druck gesetzt gefühlt hatte, oder dass die Mädchen aus ihrer Klasse sie wegen ihrer guten Leistungen ausgrenzten.

Taft und sie kannten sich eigentlich schon seit der Grundschule, doch da hatte sie ihn nur gelegentlich beim Mittagessen gesehen – einen großen sportlichen Jungen, der einen eineiigen Zwillingsbruder hatte und immer lächelte. Er war zwei Jahrgänge über ihr gewesen und hatte daher einen ganz anderen Freundeskreis gehabt.

Ihre erste deutliche Erinnerung an ihn stammte aus der siebten Klasse. Er war damals in der neunten gewesen – ein beliebter Junge, der immer alle zum Lachen brachte. Sie hingegen war still und schüchtern und fühlte sich mit einem guten Buch wohler als mit ihren Klassenkameradinnen, die in den Pausen am Spind standen und sich kichernd über die älteren Jungs unterhielten.

Sie und Taft hatten beide Spanisch als Wahlpflichtfach und wurden aus unerfindlichen Gründen nebeneinandergesetzt. Normalerweise gaben sich Jungs in seinem Alter, noch dazu Sportskanonen, nicht mit jüngeren Mädchen ab, schon gar nicht mit schlaksigen unsicheren Bücherwürmern. Aber irgendwie freundeten sie sich über den Partizipien der Vergangenheit und dem Konjugieren von Verben an.

Laura gefiel sein Sinn für Humor, und er bewunderte ihr Sprachtalent. Von da an lernten sie für jeden Test zusammen, oft vor der Schule, da Taft nachmittags meistens Sport hatte.

Sie wusste noch genau, wann sie gemerkt hatte, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Es geschah eines Morgens, als sie in der Bibliothek auf ihn wartete. Da sie in der Stadt wohnte und die Schule zu Fuß erreichen konnte, war sie oft vor ihm da. Er und sein Zwillingsbruder fuhren meistens mit ihrem älteren Bruder Ridge mit, der damals in der Abschlussklasse war und einen coolen Pick-up mit großen Reifen fuhr.

Während sie auf Taft wartete und dabei ein erst in zwei Wochen fälliges Geschichtsreferat überarbeitete, tauchte Ronnie Lowery auf. Ronnie war aus ihrem Jahrgang und als Mobber berüchtigt. Auf Laura hatte er es besonders abgesehen.

Sie hatte keine Ahnung, wieso, vermutete jedoch, dass es damit zusammenhing, dass Ronnies alleinerziehende Mutter als Zimmermädchen im Hotel arbeitete. Sie war kein sehr gutes Zimmermädchen und kam öfter nicht zur Arbeit, wenn sie betrunken war. Laura hatte mitbekommen, dass ihre Mom sie feuern wollte, doch ihr Dad war dagegen.

„Sie hat ein Kind zu Hause und braucht den Job“, sagte er immer, was Laura auch nicht anders von ihm erwartete. Ihr Dad hatte immer viel Verständnis für Menschen, denen es nicht gut ging.

Laura vermutete, dass Ronnies Mutter sich zu Hause über ihren Job beklagte, und dass das der Grund für Ronnies Abneigung gegen sie war. Er schubste sie gelegentlich auf der Treppe und lauerte ihr einmal sogar auf der Mädchentoilette auf, wo er versuchte, sie zu küssen und ihre kaum vorhandenen Brüste zu berühren, bis sie ihm ihr schweres Algebra-Buch auf den Kopf schlug und ihm befahl, sofort seine dreckigen Hände von ihr zu lassen.

Normalerweise ging sie ihm konsequent aus dem Weg, aber an jenem speziellen Morgen war sie die Einzige in der Schulbücherei. Sogar Mrs. Pitt, die nette Bibliothekarin, war zu ihrer Bestürzung verschwunden.

Ronnie setzte sich neben sie. „Hey, Laura, du Schlampe“, sagte er.

„Halt den Mund“, antwortete sie so würdevoll wie möglich.

„Wer soll mir denn den Mund verbieten?“, fragte er und sah sich übertrieben sorgfältig um. „Ich sehe hier niemanden.“

„Lass mich in Ruhe, Ronnie. Ich versuche zu lernen.“

„Ach ja. Ist das dein Geschichtsreferat? Du hast das gleiche Thema wie ich. Ich habe mit meinem noch nicht angefangen. Gut so, denn jetzt brauche ich es auch nicht.“

Er nahm ihr die Arbeit weg, an der sie in den letzten zwei Wochen jeden Abend gearbeitet hatte, und hielt sie hoch über den Kopf.

„Gib sie mir sofort zurück!“ Laura hatte Mühe, nicht in Tränen auszubrechen.

„Vergiss es! Du bist mir noch etwas schuldig. Ich hatte zwei Wochen lang einen blauen Fleck, nachdem du mich letzten Monat geschlagen hast. Ich musste meiner Mutter sagen, dass ich beim Sport gegen die Tribüne gerannt bin.“

„Willst du dir noch eine fangen?“, fragte sie, obwohl sie innerlich vor Angst schlotterte.

Seine Augen funkelten bösartig. „Wag es ja nicht, du blöde Kuh! Sonst nehme ich dir mehr weg als nur das doofe Referat!“

Dieses Referat?“

Beim Klang von Tafts Stimme spürte Laura, wie ihre innere Anspannung sofort von ihr abfiel. Ronnie war zwar groß für einen Siebtklässler, aber verglichen mit Taft war er nur ein erbärmlicher kleiner Dreckskerl, dem es Spaß machte, Kinder zu ärgern, die kleiner als er waren.

„Ja, das ist meins“, platzte sie heraus. „Ich will es zurückhaben.“

Taft lächelte ihr beruhigend zu, nahm Ronnie das Referat weg und gab es Laura.

„Danke“, murmelte sie.

„Du bist doch Lowery, oder?“, fragte Taft den anderen Jungen. „Ich glaube, du hast zusammen mit meinem Zwillingsbruder Trace Sportunterricht.“

„Stimmt“, murmelte der Junge.

„Tut mir leid, Lowery, aber du wirst dich jetzt verziehen müssen. Wir wollen nämlich für einen Spanischtest lernen. Laura gibt mir Nachhilfe, und ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn ihr etwas zustieße. Sehr begeistert würde ich jedenfalls nicht darauf reagieren. Und mein Bruder bestimmt auch nicht.“

Mit der vereinten Wut der beiden berüchtigten Bowman-Brüder konfrontiert, trollte Ronnie sich feige. Das war der Augenblick, an dem Laura wusste, dass sie Taft für den Rest ihres Lebens lieben würde.

Als Taft im Jahr darauf an die Highschool ging, trauerte Laura ihm hinterher. In der Hoffnung, dass er sie sehen und ihr zulächeln würde, ging sie in den nächsten zwei Jahren zu sämtlichen Highschool-Footballspielen, bei denen er mitmachte. Oh ja, sie war schon immer verrückt gewesen, wenn es um Taft Bowman ging!

Als sie in die zehnte Klasse kam, waren er und sie endlich wieder auf derselben Schule. Sie konnte es kaum erwarten, ihn wiederzusehen. Zu ihrer Freude saß er bei ihrer ersten Spanischstunde im selben Raum. Sie würde nie vergessen, wie er sie anlächelte und den Rucksack vom Stuhl neben sich nahm, als habe er nur auf sie gewartet.

In jenem Jahr wurden sie jedoch noch kein Paar. Laura war noch zu jung und unerfahren, um den Mädchenschwarm zu reizen, doch sie frischten ihre Freundschaft sofort wieder auf.

Er vertraute ihr seine Liebesgeschichten an und bat sie um Rat, ob er wie sein Zwillingsbruder zum Militär oder lieber aufs College gehen sollte. Schließlich entschied er sich für beides, schrieb sich auf dem College ein und wurde Mitglied der Heeresreserve. Im Sommer nach der Highschool verließ er Pine Gulch, um Waldbrände zu löschen. Er und Laura hatten jedoch in der ganzen Zeit E-Mail-Kontakt und trafen sich regelmäßig im Diner The Gulch, wenn er wieder zurückkam.

Im Sommer nach Lauras erstem Studienjahr bekämpfte Taft ein Feuer in Oregon und geriet dabei in Lebensgefahr. Die ganze Stadt redete von nichts anderem als davon, dass er fast ums Leben gekommen wäre, nachdem er zwei andere Feuerwehrleute gerettet hatte. Sie war außer sich vor Sorge um ihn gewesen.

Schließlich kam er für zwei Wochen nach Hause, um seinen Zwillingsbruder zu sehen, der Urlaub von der Armee bekommen hatte. Eines Abends ritten sie und er zusammen zum Fluss, und er erzählte ihr die Geschichte von dem Brand.

Und dann, von einem Moment zum anderen, veränderte sich alles. Eben sprach er noch über das Feuer, und im nächsten Augenblick – sie wusste kaum, wie ihr geschah – küsste er sie.

Sie küssten sich mindestens zehn Minuten lang – die schönsten zehn Minuten ihres Lebens. Als er schließlich den Mund von ihrem löste, schien er über sich selbst schockiert zu sein. „Tut mir leid, Laura. Das war … Wow, es tut mir ja so leid!“

Lächelnd schüttelte sie den Kopf. „Das wurde höchste Zeit, Taft Bowman“, murmelte sie, bevor sie die Arme um ihn schlang und ihn weiterküsste.

Von da an waren sie unzertrennlich. Sie feierte mit ihm seine erfolgreichen Abschlüsse als Sanitäter und Notarzt, und er besuchte sie auf ihrem College in Bozeman und brachte dort ihre Zimmergenossinnen zum Schwärmen. Wenn sie im Sommer nach Hause kam, verbrachten sie jede freie Minute miteinander.

An ihrem einundzwanzigsten Geburtstag machte er ihr einen Heiratsantrag. Obwohl sie beide noch schrecklich jung waren, konnte sie sich eine Zukunft ohne ihn nicht mehr vorstellen und willigte ein.

Laura seufzte sehnsüchtig. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie sich schon bis zur Straße vorgearbeitet hatte. Ihre Mutter wartete bestimmt schon mit dem Frühstück.

Sie stand auf, um sich den schmerzenden Rücken zu reiben, als sie plötzlich den Motor eines Pick-ups neben sich hörte. Hoffentlich war das nicht Taft! Sie war noch immer viel zu durcheinander von ihrem Gespräch und den Erinnerungen, die es wieder aufgewühlt hatte.

Doch statt Taft stieg eine junge Frau mit den grünen Augen und dunklen Haaren des Bowmans aus dem Pick-up. Es handelte sich um seine jüngere Schwester Caidy.

„Hi, Laura! Erinnerst du dich noch an mich? Ich bin Caidy Bowman.“

„Natürlich erinnere ich mich“, sagte Laura überrascht.

Caidy kam mit ausgestreckten Armen auf sie zu. Laura schaffte es gerade noch rechtzeitig, sich die Gartenhandschuhe abzustreifen, bevor sie die Umarmung der anderen Frau erwiderte. „Wie geht es dir?“, fragte sie.

Trotz des sechsjährigen Altersunterschieds zwischen ihnen waren sie früher enge Freundinnen gewesen. Caidy war damals ein fröhlicher und selbstbewusster Teenager gewesen, das von seinen älteren Brüdern geliebte Nesthäkchen. Die Ermordung ihrer Eltern hatte sie jedoch verändert. „Gut“, antwortete sie nach kurzem Zögern.

Laura hoffte, dass die junge Frau die Wahrheit sagte. Das Trauma, Ohrenzeugin der Ermordung ihrer Eltern zu sein, ohne etwas dagegen tun zu können, hatte bei Caidy eine Angststörung ausgelöst. Wochenlang hatte sie sich nicht getraut, die Ranch zu verlassen, und darauf bestanden, dass immer einer ihrer Brüder bei ihr blieb.

Das war ein weiterer Grund für Laura gewesen, Taft zu überreden, ihre Hochzeit zu verschieben, doch er hatte darauf beharrt, dass seine Eltern nicht gewollt hätten, dass sie ihre Pläne änderten. Nicht, dass das jetzt noch eine Rolle spielte.

„Du siehst fantastisch aus“, sagte Laura.

Caidy verzog das Gesicht. „Du auch“, sagte sie. „Großer Gott, ich kann gar nicht fassen, wie lange es schon her ist, dass wir uns zuletzt gesehen haben.“

„Was treibst du inzwischen so? Hast du Tiermedizin studiert?“

Caidys Blick flackerte schmerzvoll auf, doch sie zuckte nur die Achseln. „Nein. Nach zwei Semestern merkte ich, dass die Uni nichts für mich ist. Seitdem lebe ich auf der Ranch und helfe Ridge bei der Erziehung seiner Tochter. Nebenbei trainiere ich Pferde und Hunde.“

„Das ist ja toll“, antwortete Laura, obwohl sie ein bisschen bestürzt war. Caidy war schon immer sehr tierlieb gewesen und hatte einen schon fast unheimlichen Draht zu allem gehabt, was vier Beine hatte. Früher hatte sie Tierärztin werden und sich nach dem Studium in Pine Gulch niederlassen wollen.

Doch die Katastrophe hatte nicht nur ihr Leben verändert. Der brutale Raubmord – die Täter hatten es auf die große Kunstsammlung der Bowmans abgesehen – hatte ganz Pine Gulch erschüttert. So etwas passierte dort einfach nicht. Der letzte Mord war in den Dreißigerjahren geschehen, als zwei Rancharbeiter sich wegen eines Mädchens gestritten hatten.

Die Bowman-Geschwister hatten völlig unterschiedlich auf den Tod ihrer Eltern reagiert. Ridge hatte sich in die Arbeit auf der Ranch gestürzt und die Rolle des Familienoberhaupts übernommen, Trace war noch ernster und schweigsamer als sonst geworden, und Caidy hatte sich verängstigt in sich selbst zurückgezogen.

Nur Taft hatte seine Gefühle verdrängt und so getan, als sei alles in Ordnung, während er innerlich voller Wut und Schmerz gewesen war. Laura war einfach nicht mehr an ihn herangekommen.

„Ich bin auf der Suche nach Taft“, erklärte Caidy. „Ich wollte nämlich gerade zum Futterladen und dachte, ich schau mal kurz vorbei und schlage ihm vor, mit mir im Gulch zu frühstücken.“

Laura liebte das Diner ebenfalls. Warum war sie seit ihrer Rückkehr eigentlich noch nicht da gewesen? Sie konnte das Lokal mit den runden Drehhockern an der altmodischen Bar förmlich vor sich sehen und sogar den Duft von gebratenem Speck und Kaffee riechen. Sie musste unbedingt bald mal mit den Kindern dort frühstücken.

„Taft ist nicht hier, tut mir leid. Er ist vor einer halben Stunde weggefahren, zur Feuerwache, nehme ich an. Er hat gesagt, dass seine Schicht erst um sechs vorbei ist.“

„Ach so.“ Caidy legte den Kopf schief und sah Laura forschend an. „Du hättest nicht zufällig Lust, mich zu begleiten?“

Laura war vollkommen überrascht. Hatte Taft seiner Familie etwa nie erzählt, dass sie diejenige war, die die Hochzeit hatte platzen lassen? Nur das würde erklären, warum Caidy so nett zu ihr war. Die Bowmans hielten nämlich immer zusammen wie Pech und Schwefel.

Autor

RaeAnne Thayne

RaeAnne Thayne hat als Redakteurin bei einer Tageszeitung gearbeitet, bevor sie anfing, sich ganz dem Schreiben ihrer berührenden Geschichten zu widmen. Inspiration findet sie in der Schönheit der Berge im Norden Utahs, wo sie mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern lebt.

Foto: © Mary Grace Long

Mehr erfahren
Lilian Darcy

Die Australierin Lilian Darcy hat einen abwechslungsreichen Weg hinter sich. Sie studierte Russisch, Französisch und Sprachwissenschaften und ging nach ihrem Abschluss als Kindermädchen in die französischen Alpen. Es folgten diverse Engagements am Theater, sowohl auf der Bühne als auch als Drehbuchautorin. Später hat Lilian Darcy als Lehrerin für Französisch und...

Mehr erfahren
Susan Fox
Mehr erfahren