Bianca Extra Band 14

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

ES WAR EINMAL AM VALENTINSTAG ... von LEIGH, ALLISON
An Happy Ends glaubt Shea längst nicht mehr. Deshalb zeigt sie dem attraktiven Millionär Pax Merrick entschlossen die kalte Schulter, als er alles Märchenprinzenmögliche tut, um ihr Herz zu erobern. Bis sie am Valentinstag etwas entdeckt, das sie plötzlich schwach werden lässt …

EIN RENDEZVOUS MIT DEM BOSS von KIRK, CINDY
Wird ein Traum wahr für Betsy? Ihr faszinierender Boss Ryan Harcourt, in den sie heimlich verliebt ist, will mit ihr ausgehen! Schon hofft sie, dass er ihre Gefühle erwidert, da macht Ryan ihr ein überraschendes Geständnis - und Betsy muss fürchten, dass er sie nur benutzt …

BEIM BLICK IN DEINE BLAUEN AUGEN von PADE, VICTORIA
Diese blauen Augen, dieses verführerische Lächeln … Seth Camden ist einfach viel zu sexy, um mit ihm Geschäfte zu machen, findet Lacey. Aber sie hat keine Wahl. Wenn sie endlich von ihrem Vater als Unternehmerin ernst genommen werden will, muss sie sich jetzt auf Seth einlassen …

KARIBIKGLÜCK ZU ZWEIT von SIMS, JOANNA
Auf der malerischen Karibikinsel Curaçao verliebt sich die schöne Jordan unsterblich in den weltberühmten Fotografen Ian Sterling. Noch nie war sie so glücklich! Doch ausgerechnet am Valentinstag stellt die Liebe zu Ian sie vor eine herzzerreißende Entscheidung …


  • Erscheinungstag 20.01.2015
  • Bandnummer 14
  • ISBN / Artikelnummer 9783733732400
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Allison Leigh, Cindy Kirk, Victoria Pade, Joanna Sims

BIANCA EXTRA BAND 14

ALLISON LEIGH

Es war einmal am Valentinstag …

„Ich habe kein Interesse an einer Beziehung.“ Die schöne Shea ist dem Unternehmer Pax Merrick ein Rätsel. Warum weigert sie sich so beharrlich, ihn nach einer wundervollen Liebesnacht wiederzusehen?

CINDY KIRK

Ein Rendezvous mit dem Boss

Der Staranwalt Ryan Harcourt sucht Betsys Nähe eigentlich nur aus einem Grund: Er schwärmt für ihre beste Freundin. Zumindest bis Betsy auf einmal diese ungeahnt sinnlichen Gefühle in ihm weckt …

VICTORIA PADE

Beim Blick in deine blauen Augen

Ein bisschen Spaß – mehr hat Seth Camden mit Lacey nicht im Sinn. Denn auf Dauer würde eine ehrgeizige Geschäftsfrau wie sie doch niemals zu einem lässigen Cowboy wie ihm passen, oder?

JOANNA SIMS

Karibikglück zu zweit

Für den Fotografen Ian Sterling ist es Liebe auf den ersten Blick, als er die betörende Jordan trifft. Aber er muss fürchten, dass sie ihn auf der Stelle verlässt, wenn er ihr sein Geheimnis gesteht …

1. KAPITEL

Dezember

An allem war nur dieses Hemd schuld.

Das Hemd von diesem umwerfenden Mann, um genau zu sein.

Allerdings wäre es gar kein Problem gewesen, wenn er es einfach nur anbehalten hätte. Aber nein, er musste ja unbedingt den Gentleman markieren. Weil sie bis auf die Haut durchnässt und am Erfrieren war, nachdem ein eisiger Sturm Seattle lahmgelegt hatte.

Damit hatte alles angefangen.

Ganz offensichtlich hatte sie in diesem Augenblick den Verstand verloren.

Welche Erklärung konnte es sonst dafür geben, dass sie gerade auf ein paar Kissen im Büro der Schiffsbaufirma Merrick & Sullivan auf dem Fußboden lag? Und dafür, dass Paxton Merrick einen sehnigen Arm um ihre Taille geschlungen hatte und wie selbstverständlich eine Hand auf ihrer Brust ruhen ließ?

Shea Weatherby lag reglos da und hoffte, dass er nicht aufwachen würde.

Es war Morgen. Sonnenlicht durchflutete den Raum. Der Sturm, der sie dazu gebracht hatte, im Büro von Pax Zuflucht zu suchen, als ihr Auto nicht anspringen wollte, war vorüber. Sie schloss die Augen und fragte sich, wie sie sich noch einen Rest Selbstachtung bewahren konnte.

Sie kannte Pax schon über zwei Jahre. So lange war sie nicht auf seine Flirtversuche eingegangen. Jetzt war ihr Widerstand nach nur einem gemeinsamen Abend in sich zusammengebrochen. Nur weil sie es sich nicht leisten konnte, ihre Schrottkarre zu ersetzen.

Er hatte ihr sein Hemd gegeben, weil ihre Sachen tropfnass waren. Er hatte sie in den Arm genommen, um sie warm zu halten, als der Strom wegen des Sturms ausgefallen war. Dann …

Sie war sich nicht mal sicher, wer wen zuerst geküsst hatte. Shea befürchtete sogar, dass sie den ersten Schritt getan hatte.

Sie umklammerte das Kissen und dachte an etwas anderes. Oder versuchte es zumindest. Das war schwierig, weil sie sich so wohl und entspannt fühlte wie seit Jahren nicht mehr.

Und in sexueller Hinsicht befriedigter als je zuvor.

Sie wusste, dass sie dankbar sein sollte, dass Pax überhaupt in seinem Büro war. Er verbrachte wesentlich mehr Zeit auf der Werft. Wenn er nicht da gewesen wäre, hätte sie während des eisigen Sturms im Auto ausharren müssen. Sie arbeitete erst eine Woche für Cornelia im Büro nebenan. Die Verantwortung für einen Schlüssel hatte sie deswegen abgelehnt. Und so kam sie, nachdem sie das Haus einmal verlassen hatte, nicht mehr hinein. Als der Sturm losgebrochen war, waren alle anderen Mitarbeiter schon weg.

Sie unterdrückte einen Seufzer und öffnete die Augen.

Pax hatte ihnen aus den Polstern der Clubsessel in seinem Büro ein Lager gebaut. Außerdem hatte er eine Plane gefunden, die sie als Decke verwenden konnten, und ein paar Kerzenstummel, die er in ein paar Kaffeetassen gesteckt hatte, damit sie Licht hatten.

Shea ließ den Blick von einem polsterlosen Sessel zu dem runden Tisch in der Mitte des Büros wandern. Die korrekte Bezeichnung war wohl eher „Ausstellungsraum“ als Büro. Denn abgesehen von den Sesseln war das einzige Möbelstück dieser Tisch, auf dem das Modell eines Segelschiffs prangte.

Pax und sein Partner Erik Sullivan bauten Segelschiffe. Große, wunderschöne Jachten. Beide Männer waren Junggesellen. Beide sahen unglaublich gut aus. Sie waren Teil der Segelwelt mit allem, was dazugehörte – vor allem Reichtum und Schönheit. Aber die beiden engagierten sich auch für gute Zwecke. Deswegen hatte Shea Pax überhaupt erst kennengelernt. Als sie einen Artikel für die Zeitung geschrieben hatte, bei der sie arbeitete. Für die Seattle Washtub.

Shea verzog das Gesicht. Sie konnte nicht mehr stillliegen. Sobald sie sich regte, fuhr Pax ihr langsam mit dem Daumen über die Brust. Zu ihrem Entsetzen sehnte sie sich nach mehr. Sie erstarrte.

Shea war stolz darauf, praktisch veranlagt zu sein. Sie wusste ganz genau, dass es zu nichts führte, sich etwas vorzumachen.

Oder ein schiefes Lächeln zum Anlass von Tagträumen zu nehmen.

So etwas hatte sie schon mal erlebt. Das hatte ihr nur Liebeskummer eingebracht.

Pax streichelte sie. „Du denkst zu viel.“ Seine Stimme war tief und rau und geradezu unverschämt erotisch. Behutsam ließ er die Finger über ihren Körper gleiten.

Shea schlug sich mit Gewalt alle romantischen Hirngespinste aus dem Kopf. „Ich denke überhaupt nicht.“

Er drehte sich um. Jetzt spürte sie die Wärme seines Körpers von den Kniekehlen bis zum Nacken. Oh ja, er war hellwach. „Es würde viel mehr Spaß machen, wenn wir uns auf unsere Gefühle konzentrieren würden.“

Sie rollte sich auf den Rücken. Dann sah sie ihn an.

Selbst wenn man untertrieb, musste man Pax als unglaublich gut aussehend bezeichnen. Die dunklen Bartstoppeln ließen seine markanten Gesichtszüge weicher erscheinen. Braune Locken fielen ihm über dunkelbraunen Augen in die Stirn.

Unbarmherzig presste sie die flache Hand gegen seinen Oberkörper und schob ihn von sich weg. Dann kämpfte sie sich unter der Leinwandplane hervor. „Das war ein Fehler.“

Irgendwie schaffte Pax es, gleichzeitig amüsiert und sexy auszusehen. Als wüsste er, dass sie ihn genauso begehrte wie er sie.

„Vorhin hast du dich ganz anders angehört.“ Er verzog die Lippen zu seinem typischen entspannten Lächeln. „Ich erinnere mich da eher an …“ Er senkte die Stimme. „‚Ich will mehr.‘“

Das Problem war, dass sie wirklich mehr wollte.

Das war gar nicht gut.

„Jetzt nicht mehr.“ Sie schnappte sich ihren Pulli vom Bug des Schiffsmodells, wo Pax ihn zum Trocknen aufgehängt hatte. Dabei fragte sie sich, ob das Schiff schon einmal als Wäscheleine hatte herhalten müssen.

Wie sie Pax kannte, war das durchaus denkbar. Shea zog sich den feuchten Pullover über den Kopf und war dankbar, dass er ihr bis zu den Oberschenkeln reichte. Ihren nassen BH hatte sie in der Toilette gelassen. Und ihr Slip steckte immer noch irgendwo unter der Plane, zusammen mit Pax und seinem verdammten Hemd.

Daher beschränkte sie sich darauf, ihre Cordhose anzuziehen. Sie schauderte. Der Stoff war kalt und klamm. Dann ging sie zum Fenster. Die Straße vor dem historischen Ziegelbau wirkte verlassen.

Ihr Auto stand immer noch vor der Tür. Die Eiszapfen an der Stoßstange wirkten wie eine Weihnachtsdekoration. Shea hoffte, dass die Reparatur kein Vermögen kosten würde. Gerade erst hatte sie ihren Kontostand aus den roten Zahlen herausmanövriert. Und das auch nur wegen ihres Teilzeitjobs bei Cornelia.

„Wie sieht’s draußen aus?“

„Eisig.“ Als sie sich umdrehte, sah sie ihn nicht länger an als nötig. Sie war keine Frau, die One-Night-Stands hatte. Und sie hatte auch keine Liebesabenteuer. Punktum.

Sie hob die Kaffeetassen mit den Kerzen hoch und stellte sie neben dem Modell ab. „Für einen heißen Kaffee jetzt sofort würde ich töten …“ Es war sicherer, sich auf ihr Verlangen nach Koffein zu konzentrieren, als auf ihr Verlangen nach ihm.

„Bis der Strom wieder da ist, gibt’s hier nur kalten Kaffee.“ Pax setzte sich auf.

Shea schluckte schwer und ging hastig in die Toilette. Als sie den Lichtschalter betätigte, passierte nichts. Aber es fiel genug Licht durch das schmale Fenster, um wenigstens ein bisschen sehen zu können. Ihr BH war noch so feucht wie ihre anderen Sachen. Sie stopfte ihn in die Hosentasche. Noch eine Lage feuchten Stoff auf der Haut konnte sie einfach nicht ertragen. Widerwillig kehrte sie in den Ausstellungsraum zurück.

Pax hatte inzwischen die Plane zur Seite geschlagen und seine Jeans angezogen.

Unwillkürlich glitt ihr Blick über seine straffen Bauchmuskeln. Als ihre Augen sich begegneten, wurde sie rot.

An allem war nur sein Hemd schuld. Wirklich.

Er grinste. Als ob er genau wusste, was sie gedachte hatte. Dann bückte er sich und hob das verflixte Ding vom Fußboden auf.

„Ich muss nach Hause“, verkündete sie abrupt. „Meine Katze ist krank.“

Er grinste nur noch breiter. „Also, diese Ausrede habe ich noch nie gehört.“

„Marsha-Marsha.“ Shea hasste die Nervosität, die in ihr aufstieg. Und das merkwürdige Gefühl im Magen, das sie jedes Mal hatte, wenn sie ihn ansah. „Sie ist sechzehn Jahre alt. Ich muss ihr Antibiotika geben.“

Sein amüsierter Gesichtsausdruck änderte sich, wurde sanfter. Das kam unerwartet. Er zog sich das Hemd an. „Wie lange hast du sie schon?“

Shea schaffte es, wegzusehen und sich auf das hölzerne Schiffsmodell zu konzentrieren. „Seit sie ein Kätzchen war. Mein … mein Stiefvater Ken hat sie mir geschenkt.“ Ken war der dritte Ehemann ihrer Mutter gewesen. Von insgesamt sieben. Er war längst Geschichte. Aber Marsha-Marsha gab es noch.

„Dann musst du natürlich nach Hause“, sagte Pax ernst und meinte es auch so.

Gestern war ihr Auto nicht angesprungen. Sie bezweifelte, dass eine Nacht im eisigen Sturm die Probleme beseitigt hatte. „Meinst du, dass die Busse wieder fahren?“ Am Vortag war der öffentliche Nahverkehr zum Erliegen gekommen.

Er lächelte. „Das spielt keine Rolle. Wenn die Straßen frei sind, bringe ich dich nach Hause.“

Wieder diese Schmetterlinge im Bauch.

„Aber ich wohne auf der anderen Seite von Fremont“, warnte sie. Ihr Apartment lag nicht gerade um die Ecke.

„Das weiß ich.“

Sie musterte ihn. „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich dir erzählt habe, wo ich wohne.“ Abgesehen von den Interviews, die sie mit ihm geführt hatte, waren ihre Gespräche bisher oberflächlich gewesen. Normalerweise endeten sie damit, dass er sie zu überzeugen versuchte, dass ihr Leben nie vollkommen sein würde, wenn sie nicht mit ihm ausging.

„Nur weil du dafür bezahlt wirst, heißt das nicht, dass du der einzige Mensch auf der Welt bist, der jemals Fragen stellt“, meinte Pax trocken.

„Wen hast du denn über mich ausgefragt? Mrs Hunt etwa?“ Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Cornelia Hunt für Klatsch und Tratsch zu haben war. Aber Shea hatte sich auch nicht vorstellen können, dass Cornelia eine so ungewöhnliche Geschäftsidee entwickeln würde. Schließlich hatte Cornelia es nicht mal nötig zu arbeiten. Sie war mit einem der reichsten Männer des Landes verheiratet. Trotzdem hatte sie ein Unternehmen gegründet, um Frauen zu geschäftlichem Erfolg zu verhelfen.

Jetzt trug Shea einen kleinen Teil zu diesem Projekt bei. Cornelia hatte sie auf Teilzeitbasis eingestellt. Shea sollte Bewerber überprüfen. Wenigstens nahm Cornelia Sheas Recherchetalent ernst. Sheas Boss bei der Washtub war da ganz anders.

„Da gibt es diesen Redakteur bei der Tub“, sagte Pax, als ob er ihre Gedanken gelesen hatte.

„Harvey Hightower. Ein komischer alter Kauz.“ Er nannte Shea „Zuckerpuppe“ und teilte sie immer nur für rührselige Geschichten ein, auch wenn sie noch so sehr darum bettelte, andere Themen bearbeiten zu dürfen. Dabei spielte es nicht mal eine Rolle, dass die kostenlose Lokalzeitung, die zweimal in der Woche erschien, nur über ein winziges Budget verfügte. Harvey bezahlte einfach lieber „richtige“ Journalisten für „schwierigere“ Sachen.

Shea schnaubte. „Du bist so eine Nervensäge.“

Pax lachte leise.

Es war besser, sich zu beschäftigen, als ihn zu beobachten. Daher hob sie ein Polster auf und legte es wieder an seinen Platz. Darunter entdeckte sie ihren Slip. Eilig stopfte sie ihn in die andere Hosentasche.

Ein Glück, dass ihr Pullover lang genug war, um die Taschen zu verdecken! Sie tat so, als ob Pax nicht die ganze peinliche Szene mit angesehen hatte. Weil es nichts mehr zu tun gab, setzte sie sich und zog ihre Lederstiefel an. Dann ging sie wieder zum Fenster.

„Es gibt immer noch keinen Netzempfang.“

Sie warf einen Blick über die Schulter und sah, wie Pax sein Handy in die Hosentasche steckte.

„Ich habe es auch schon mit dem Festnetz versucht“, fügte er hinzu. „Genauso tot wie mein Handy.“

„Das überrascht mich nicht.“ Sie deutete auf das Gebäude auf der anderen Straßenseite. Ein Strommast war so mit Eis bedeckt, dass er schief stand und fast gegen das Lagerhaus fiel. „Alles voller Eis.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Die Straßen sind wahrscheinlich auch immer noch spiegelglatt.“

Pax legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. „Lass uns erst mal rausgehen“, sagte er gelassen. „Wenn es zu gefährlich ist, fahren wir nicht.“

Shea sah ihn nicht an. „Ich habe keine Angst.“

„Natürlich nicht.“ Sein Tonfall war trocken wie die Wüste.

Sie presste die Lippen zusammen und machte einen Schritt zur Seite. Er würde sie vergessen, sobald sein Blick auf eine andere Frau fiel – das durfte sie nicht vergessen.

Sie holte Pax an der Tür zu der überdachten Fläche zwischen seinem Büro und dem von Cornelia ein. Dort stand sein roter Sportwagen. Über das Auto hinweg konnte sie die Segelschiffe erkennen, die im Hafenbecken schaukelten. Boote von Merrick & Sullivan waren jedoch nicht dabei. Pax hatte ihr erklärt, dass momentan die ganze Flotte zur Überholung an Land war.

„Bleib im Haus, während ich das Auto in Gang bringe.“

Nur zu gern. Beim ersten eisigen Luftzug bekam sie sogar auf den Augenlidern eine Gänsehaut. Sie wartete, bis er den Motor anließ und kurz hupte. Dann schloss sie die Tür hinter sich und rannte zum Auto. „Schließt die Haustür automatisch?“

„Ja.“ Luft kam aus den Düsen und versprach Wärme. „Anschnallen.“

Sie spürte, wie sie rot wurde. „Cornelias Tür schließt auch automatisch“, sagte sie. „Darum konnte ich gestern nicht wieder rein.“

Er warf ihr einen Blick zu. „Das hast du bereits erwähnt.“

Sie errötete noch heftiger. Natürlich. Sie hatte ihm alle möglichen Erklärungen aufgetischt. Einschließlich der Tatsache, was für einen Fehler sie gemacht hatte, weil sie ihr Auto nicht zur Werkstatt gebracht hatte, als es plötzlich merkwürdige Geräusche von sich gegeben hatte. Und dass sie auf die Unwetterwarnungen nichts gegeben hatte.

Sie hatte einen Fehler nach dem anderen gemacht. Und der letzte war der größte gewesen. Möglicherweise der größte ihres Lebens.

Ihr Blick fiel auf seine Oberschenkel. Unter den verblichenen Jeans zeichneten sich deutlich seine kräftigen Muskeln ab.

Pax legte den Gang ein, fuhr vorsichtig aus dem Carport und bog in die Straße ein.

Erst nach drei Blocks begegneten sie einem anderen Fahrzeug. Die Heizung lief inzwischen auf Hochtouren, und Shea stellte sich vor, dass ihre Kleidung zu dampfen anfing. Das war eine angenehmere Vorstellung als der Gedanke, dass ihr nur so heiß war, weil sie neben Pax saß.

Sie zwang sich, den Blick abzuwenden.

„Du grübelst doch schon wieder.“

Wie machte er das nur? „Ich denke nur darüber nach, wie ich morgen zur Arbeit komme“, log sie.

Er schnaubte. „Ich würde die Honey Girl dafür verwetten, dass das nicht stimmt.“

Sie wusste, dass die Honey Girl das Schiff war, welches er eigenhändig gebaut hatte und was sein größter Schatz war. Jede Frau in der ganzen Stadt verzehrte sich nach der Gelegenheit, mal an Bord dieses Schiffes eingeladen zu werden.

„Selbst wenn du gerade über deinen Job nachgedacht hast …“ Er grinste sie an. „… bin ich mir ziemlich sicher, dass morgen keiner bei der Tub arbeitet. Hör mal.“ Er schaltete das Radio ein. „Es wird noch immer geraten, das Haus nur in Notfällen zu verlassen.“

„Mich nach Hause zu fahren fällt wahrscheinlich nicht darunter.“

„Aber sicher. Das ist doch medizinischer Notfall.“

„Bei einer Katze.“

„Deshalb ist das trotzdem wichtig.“ Pax hielt an einer Kreuzung. Obwohl er so langsam fuhr, brach der Wagen ein wenig zur Seite aus. Zum Glück waren keine anderen Autos in der Nähe. „Wenn mein Hund Hooch Medikamente bekommen müsste, würde ich immer eine Möglichkeit finden, sie ihm zu geben.“

Shea hatte acht Artikel über Pax geschrieben. Sie wusste, dass er in der Kleinstadt Port Orchard aufgewachsen war. Dort hatten er und sein Geschäftspartner angefangen, Segelboote zu bauen. Jetzt wohnte er im Penthouse eines Luxushochhauses in Belltown, einem der vornehmsten Viertel von Seattle. „Du hast nie erwähnt, dass du einen Hund hast.“

„Hättest du dann Ja gesagt, als ich dich das erste Mal eingeladen habe? Oder beim zweiten oder beim dritten Mal?“

Ihr Exverlobter Bruce hatte einen Hund gehabt. Zwei Tage vor der Hochzeit hatte er mit ihr Schluss gemacht.

„Nein.“

Pax musterte sie einen Augenblick lang. Dann fuhr er über die verlassene Kreuzung. „Und jetzt?“

„Das habe ich doch schon gesagt. Das war ein …“

„… ein Fehler. Ja, ich erinnere mich. Warum?“

Shea unterdrückte einen Seufzer. „Darum!“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Ich hätte gedacht, dass eine Journalistin sich besser ausdrücken kann, Süße.“

„Selbst wenn ich an Beziehungen glauben würde – was ich nicht tue –, wäre ich nicht so dumm, irgendetwas von dir zu erwarten. Und ich habe keine Zeit für Spielchen.“ Sie hatte viel zu viel damit zu tun, sich mit ihrer Arbeit bei der Tub und ihrem Job bei Cornelia über Wasser zu halten.

Er verzog die Lippen. „Du hast mein Selbstwertgefühl schon immer strapaziert.“

„Ich bitte dich.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Für dich ist Flirten so natürlich wie das Atmen. Nichts, was ich sage oder tue, könnte deinem Ego jemals zusetzen.“

„Warum hältst du nichts von Beziehungen?“

Shea starrte wieder aus dem Fenster. Zum Glück waren sie nur noch wenige Blocks von ihrer Wohnung entfernt. „Welcher vernünftige Mensch tut das schon? Lass mich da oben aussteigen. Wenn die Straße vereist ist, kommst du sonst nicht mehr weg.“

„Dann werde ich wohl meinen Eltern mitteilen müssen, dass sie keine vernünftigen Menschen sind“, sagte er milde.

„Ausnahmen bestätigen die Regel.“

„Wie alt bist du? Fünfundzwanzig? Sechsundzwanzig?“

„Achtundzwanzig“, sagte sie. Pax war zehn Jahre älter als sie. An seinem Geburtstag im August hatte Harvey sie gezwungen, mit der Kamera vor dem Club gegenüber von dem Apartmenthaus zu warten, in dem Pax wohnte. Sie sollte von allen Gästen, die für Schlagzeilen sorgen würden, ein Foto schießen.

Als sie ihm die Fotos von Pax und seinen Begleiterinnen gezeigt hatte, war ihr Chef vor Freude beinahe außer sich gewesen. Jawohl, Begleiterinnen. Plural. Pax war in Begleitung von drei Damen angekommen und hatte den Club erst in den frühen Morgenstunden verlassen. Und damit war die Party ganz offensichtlich noch nicht zu Ende gewesen.

„Das ist trotzdem zu jung, um so desillusioniert zu sein“, sagte er.

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich lerne schnell. Warte …“ Er bog in ihre Straße ein und fuhr im Schneckentempo den steilen Hügel hinunter. „Ich habe doch gesagt, du sollst mich oben aussteigen lassen!“

„Und ich habe dich ignoriert.“ Die Reifen knirschten auf der Straße. Endlich hielt Pax vor dem schäbigen Wohnblock an, in dem sie wohnte. Er sah sie an. „Das mache ich immer, wenn jemand Blödsinn redet.“

„Du meinst, wenn jemand etwas sagt, was du nicht hören willst.“

Seine Lippen zuckten. „Auch das.“

Ihr Herz machte einen Satz, als er den Blick auf ihrem Mund ruhen ließ. Sie presste die Lippen zusammen. „Ob du das jetzt hören willst oder nicht: Die letzte Nacht hätte nicht passieren dürfen.“

„Was meinst du genau? Wir hätten nicht miteinander schlafen sollen? Zusammen ins Bett oder vielmehr unter die Leinwandplane gehen sollen? Sex haben sollen?“ Seine braunen Augen glitzerten. „Uns lieben sollen?“

„Wir hätten keinen Sex haben sollen“, brachte Shea schließlich mit strengem Ton heraus. „Das ändert nichts.“

Er streckte die Hand nach ihr aus und zwirbelte eine zerzauste Haarsträhne um seinen Finger. „Sei dir da mal nicht so sicher, Süße.“

„Bin ich aber.“ Sie zog ihr Haar aus seiner Hand, löste den Sicherheitsgurt und öffnete die Autotür. „Danke fürs Mitnehmen, Pax. Aber sieh dich bitte irgendwo anders nach deiner nächsten Eroberung um. Es gibt jede Menge Frauen, die nur auf diese Chance warten.“ Sie nahm ihre Handtasche, sprang aus dem Wagen und knallte die Tür zu, bevor Pax noch etwas sagen konnte.

Sie hatte den eisglatten Bürgersteig noch nicht überquert, als sie das Surren des elektrischen Fensterhebers hinter sich hörte. „Meine Eltern geben zu Weihnachten eine Party. Du solltest mit mir hingehen.“

Genervt drehte sie sich um. „Pax …“

„Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich Unsinn ignoriere, wenn ich ihn höre. Ich rufe dich an.“ Dann schenkte er wieder sein typisches Lächeln, ließ das Fenster wieder hochgleiten und fuhr davon.

Shea stieß einen zittrigen Atemzug aus. „Dieses verdammte Hemd!“

2. KAPITEL

Februar

„Sie ist da.“

Pax blickte von dem Vertrag auf, den er gerade las. Seine Sekretärin Ruth stand in der Tür zu seinem Büro. „Wie bitte?“

Ruth zog vielsagend die Augenbrauen hoch. „Shea Weatherby“, sagte sie mit übertriebener Geduld. „Ich habe gesehen, wie sie gerade nebenan ins Büro von Mrs Hunt gegangen ist. Tun Sie gar nicht erst so, als ob Sie nicht auf sie gewartet hätten. Sie wären doch sonst auf der Werft.“

Pax richtete den Blick immer noch auf den Vertrag. „Danke für die Warnung.“

Ruth seufzte, halb ungläubig, halb genervt. „Dann zieren Sie sich eben weiter. Es ist Valentinstag, und ich mache heute früher Feierabend, weil ich mit meinem Mann zum Essen ausgehe.“

„Lassen Sie sich bloß nicht von der Romantik des Augenblicks so hinreißen, dass Sie wieder Schwangerschaftsurlaub brauchen.“

Ruth lachte nur und ging hinaus.

Er wartete, bis sich die Haustür hinter ihr schloss. Dann ließ er den Stift fallen.

So ging das fast jeden Dienstag und Freitag. Denn an diesen Tagen kam Shea vorbei, um ihre erledigten Aufträge im Büro von Cornelia Hunt abzugeben.

Sich vorzumachen, dass er nicht rübergehen und um eine Tasse Kaffee bitten würde, war sinnlos. Es war allerdings schon traurig, dass das seine einzige Chance war, um ein paar Worte mit Shea Weatherby wechseln zu können.

Seit er mit ihr geschlafen hatte, hatte sich nichts verändert. Sie zeigte ihm immer noch die kalte Schulter. Bei Pax war auch alles beim Alten. Er verspürte nach wie vor ein unglaubliches Verlangen nach ihr.

Seit sie das erste Mal mit ihrem Notizblock und ihrem Kugelschreiber in der Hand auf ihn zugekommen war und mit ihren großen blauen Augen zu ihm aufgeblickt hatte, während der Wind ihr das lange blonde Haar um die Schultern wehte.

Er hatte in ihre Augen gesehen, und die Welt war stehen geblieben. Nach dem Sturm hatte er geglaubt, endlich bessere Chancen bei ihr zu haben.

Aber Shea zeigte sich weiterhin abweisend. Ja, sie hatte einmal mit ihm geschlafen. Doch sie weigerte sich, ihn wiederzusehen.

Es lag nicht daran, dass sie kein Interesse an ihm hatte. Das wusste er.

Während des Sturms hatte er nichts weiter vorgehabt, als für ihre Sicherheit zu sorgen.

Aber dann hatte sie ihn geküsst. Das hatte ihm Hoffnung gemacht.

Er schnappte sich eine Kaffeetasse. Dann ging er zum Haupteingang von Cornelias Bürogebäude. Auf dem unauffälligen Schild neben der Tür stand GF GmbH.

Er hatte nicht gewusst, wofür die Buchstaben standen. Sein Partner hatte ihm schließlich lachend erklärt, dass es sich um die Abkürzung für „Gute Fee“ handelte. Denn Erik hatte seine Verlobte über das Unternehmen kennengelernt. Dabei handelte es sich trotz des Firmennamens nicht um eine Heiratsvermittlung, sondern um eine Art Unternehmensberatung. Sie wollte jungen Frauen durch ihre Unterstützung einen besseren Start ins Geschäftsleben ermöglichen.

Das schätzte Pax an Cornelia. Der älteren Frau war es wirklich wichtig, Menschen zu helfen. Sie war außerdem überraschend bescheiden für eine Frau, die erst vor Kurzem einen der reichsten Männer des Landes geheiratet hatte. Harrison Hunt und seine Computerfirma HuntCom waren in Seattle wirklich jedem ein Begriff.

„Hallo, Pax!“ Eine attraktive Frau mit Brille kam gerade die Treppe hinunter. „Du bist wohl mal wieder auf der Suche nach Kaffee?“

Als Antwort hob er seine Tasse hoch. „Hey, Phil.“

Dann deutete er auf die Vasen mit Unmengen roter Rosen überall. „Gehört das jetzt hier zur Standardausstattung, oder hat das etwas mit dem Valentinstag zu tun?“

Felicity Granger lachte leise und zog eine Rose aus einem Strauß. Geschickt brach sie den Stiel ab und steckte ihm die Rosenknospe ans Revers. „Dafür ist Mr Hunt verantwortlich.“ Sie lächelte. „Cornelia hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.“ Phil ging mit Pax nach hinten in den Aufenthaltsraum. „Ich habe eine Kanne frisch aufgebrüht, als Shea hereingekommen ist.“ Sie warf Pax einen Blick zu. „Ich habe mir schon gedacht, dass du auftauchen würdest.“

Er schenkte sich ein. „Ich bin wegen des Kaffees da.“

Phil schob ihre Brille hoch. „Und das zweimal in der Woche. Wie lange geht das schon? Einen Monat? Sechs Wochen? Und wenn du Glück hast, was hast du davon? Drei Minuten in ihrer Gesellschaft, wenn überhaupt? Wie erfolgreich ist diese Taktik?“

„Als wärest du der Experte … GF ist doch angeblich keine Partnervermittlung“, knurrte er.

Phil lachte nur erneut. „Shea ist oben bei Cornelia. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die beiden fast fertig sind“, sagte sie beim Hinausgehen.

„Hallo, Pax“, begrüßte ihn Cornelia, als sie kurz darauf mit Shea hereinkam. Sie wirkte amüsiert. „Was für eine Überraschung!“

Shea unterdrückte einen Fluch. Aber statt nach der Kaffeekanne zu greifen, ging sie an Pax vorbei und füllte ihren Thermobecher mit Wasser. „Anscheinend verbringt er mehr Zeit hier als in seinem eigenen Büro.“

Pax merkte, wie Cornelia sich bemühte, nicht zu lachen. Zum Glück fiel Shea das nicht auf.

Ihr honigblondes Haar reichte ihr beinahe bis zu den Hüften. Sonst trug sie oft Jeans und Stiefel. Aber heute hatte sie einen orangefarbigen Faltenrock an, der ihr nur bis knapp über die schönen Knie reichte.

Als sie sich aufrichtete, wandte Pax hastig den Blick von ihren Beinen ab. Er schaute ihr in die großen Augen.

Sie hatte tiefe Augenringe. Als ob sie nicht genug geschlafen hätte. Trotzdem war sie noch immer die attraktivste Frau, die ihm je begegnet war. „Kein Kaffee heute?“

„Heute nicht.“ Sie senkte den Kopf und drehte sich zu Cornelia um. Sie klopfte auf die überdimensionale Handtasche, die sie über der Schulter trug. „Ich mache mich gleich heute Abend daran.“

„Oh nein“, schalt Cornelia. „Es ist Valentinstag. Du solltest ausgehen und den Abend genießen. Deine Nachforschungen können bis morgen warten.“

„Ich habe nichts vor. Den Valentinstag überlasse ich lieber Leuten, die an den ganzen Kram glauben.“

„Wie meinem überaus zurückhaltenden Harrison?“ Cornelia lächelte. „Der Mann kennt keine Grenzen.“ Sie tätschelte Shea die Schulter. Dann drehte sie sich zur Tür um. „Nimm dir einen Blumenstrauß mit, wenn du gehst“, sagte sie. „Du auch, Pax. Du kannst ihn ja an Ruth weiterschenken.“ Mit diesen Worten schwebte sie aus dem Zimmer.

Shea sah kurz auf. Sie sah aus, als ob sie etwas sagen wollte. Doch dann schüttelte sie nur kurz den Kopf. „Genieß deinen Kaffee“, murmelte sie und folgte Cornelia nach draußen.

Pax ließ die Kaffeetasse stehen und ging ihr nach. „Shea. Warte.“

Sie blieb in der Mitte des Foyers stehen. „Pax, bitte hör auf. Ich habe im Augenblick keinen Nerv dafür.“

„Wofür? Ich wollte dir nur einen schönen Valentinstag wünschen.“

Sie verzog die Lippen. „Klar.“ Sie stupste die Rose an, die Phil ihm angesteckt hatte. „Hätte nie gedacht, dass du der Typ bist, der sich für so einen künstlichen, kitschigen Feiertag begeistern kann.“

Er fragte sich, was sie sagen würde, wenn sie das Geschenk zu Gesicht bekam, das er ihr hatte schicken lassen. „Der Valentinstag ist mehr als nur Kitsch und Kommerz. Warum siehst du so fertig aus? Lässt dein Redakteur dich zu viel schuften?“

„Es gibt immer genug Klatsch und Tratsch.“ Sie machte einen Schritt auf den Ausgang zu. „Ich war einfach nur beschäftigt.“

„Mit einer neuen Beziehung?“

Ihre Überraschung war offensichtlich. „Nein! Das habe ich dir doch schon gesagt. Ich habe kein Interesse an einer Beziehung.“

„Dann sollte ich es also nicht persönlich nehmen, dass du mir aus dem Weg gehst.“

Sie wirkte gequält. „Das … das tue ich doch gar nicht.“

Es war sinnlos, mit ihr zu streiten. „Ich weiß, dass du dir in den Kopf gesetzt hast, dass ich ein Playboy bin. Dass ich es nicht ernst meine. Aber ich bin immer noch neugierig, was du gegen …“

„Sag jetzt bloß nicht Romantik.“ Sie sah sich in dem vor Rosen überquellenden Foyer um.

„Ich wollte fragen, was du gegen Beziehungen hast“, stellte Pax klar.

Sie schwieg so lange, dass er sich nicht sicher war, ob sie antworten würde. „Weil das sinnlos ist“, sagte sie schließlich. „Weil Beziehungen sowieso nicht funktionieren.“

Er musterte sie. Plötzlich verspürte er eine Sehnsucht, die er sich nicht so recht eingestehen wollte. „Du erinnerst mich an Erik.“

Sie zog die Augenbrauen hoch. „An deinen Geschäftspartner?“ Sie streckte ihren Arm zur Decke. „Ein Hüne. Dunkles Haar und graue Augen. Ein Mann. Und ich erinnere dich an ihn?“

Shea war zierlich, blond und eine wunderschöne Frau. „Bis Erik Rory kennengelernt hat, war er auch ziemlich desillusioniert, weil er eine schlimme Scheidung durchgemacht hatte. Du hast auch so etwas hinter dir, oder?“

„Ich war nie verheiratet“, sagte sie mit ruhiger Stimme.

Aber da gab es jemanden in ihrer Vergangenheit. Pax würde jede Wette eingehen. „Ich war auch noch nie verheiratet.“

„Ich habe inzwischen acht Interviews mit dir geführt. Mit dem Thema sind wir durch.“

Er grinste. „Dann hast du also mitgezählt.“

Sie rollte die Augen. Allerdings bemerkte er, dass ihre Lippen zuckten. Dann atmete sie tief durch. „Pax, ich …“ Sie verstummte, als die Tür aufging und eine von Cornelias Mitarbeiterinnen einen Wagen mit überquellenden Postsäcken hereinschob.

„Das ist doch verrückt“, murmelte Shea. „Im Oktober habe ich einen Artikel geschrieben, in dem Joanna Spinelli Cornelia als ihre gute Fee bezeichnet hat, weil sie ihr bei der Finanzierung ihrer Modefirma geholfen hat.“

Pax hatte alles von Shea gelesen, was seit ihrer ersten Begegnung in der Seattle Washtub veröffentlicht worden war. An diese Geschichte erinnerte er sich ganz genau.

„Die Story hat sich online wie ein Virus verbreitet. Da haben wir bei der Zeitung jede Menge Post für Cornelia bekommen.“ Sie zuckte die Achseln. „Und noch mehr E-Mails. Jedenfalls hat Cornelia schon damals gedacht, dass sie gern mehr Frauen so helfen würde wie Joanna. Die Reaktionen der Öffentlichkeit haben sie in ihrem Wunsch nur bestärkt.“

„Und GF war geboren.“

„Mehr oder weniger.“ Shea sah sich in dem luxuriösen Foyer um. „Es hilft natürlich, mit einem Mann verheiratet zu sein, der einem zur Hochzeit mal eben sechzig Millionen Dollar schenkt. Inzwischen hat Cornelia schon fast dreihundert Frauen beim Start-up geholfen. Vom Strickwarenladen bis zu Anwaltskanzlei.“

Shea zog die Handtasche höher die Schulter hinauf. „Das ist schon ziemlich beeindruckend. Natürlich müssen sich Cornelia und die anderen durch jede Menge alberne Anfragen wühlen, bis sie etwas Sinnvolles finden.“

„Die anderen, das sind die ‚guten Feen‘?“, fragte Pax. „Das ist nicht nur so eine Floskel? Und die Frauen, denen geholfen wird, die nennt ihr ‚Cindys‘.“ Erik und Rory hatten ihm davon erzählt.

Shea gab einen missmutigen Laut von sich. „Wie Cinderella.“

„Aber du nennst sie nie so. In keinem Beitrag, den du über Cornelias Unternehmen geschrieben hast.“

„Weil die Bezeichnung einfach albern ist!“ Sie hob die Stimme und fuhr prompt zusammen, als jemand ihren Namen rief.

Phil stand oben an der Treppe. „Gut, dass du noch da bist.“ Sie hielt eine bunte Schlüsselkette hoch. „Du hast wieder deine Schlüssel vergessen.“

Shea verzog das Gesicht und ging der anderen Frau entgegen. „Danke. Ich glaube, ich sollte die besser um den Hals tragen.“ Sie drehte sich um und eilte zur Tür. „Bis dann!“, rief sie noch. Dann war sie weg.

„Da warst du ja mal wieder äußerst erfolgreich, wie ich sehe“, meinte Phil zu Pax, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war. „Hast du jemals daran gedacht, Shea einfach mal zu fragen, mit dir auszugehen?“

Pax stieß den Atem aus. Bevor sie miteinander geschlafen hatten, hatte er Shea ein Dutzend Mal eingeladen. Sie hatte ihn immer abgewiesen. Er verschränkte die Arme. „Und was hast du heute Abend vor, Phil?“

Die Frau grinste. „Einen schönen Abend mit Karamellbonbons. Anders als bei einem Date ist da die Zufriedenheit garantiert.“

„Jetzt klingst du schon wie Shea.“

Sie kam die Treppe herunter. „Gib nicht auf.“

Phil war attraktiv. Single. Anfang dreißig, vermutlich. Pax kannte sie seit vier Monaten, aber er hatte noch nie darüber nachgedacht, ob seine Eltern sie mögen würden – oder wie ihre Kinder wohl aussehen würden. Ärgerlicherweise kamen ihm solche Gedanken anscheinend nur, wenn es um Shea ging.

„Hatte ich auch nicht vor.“ Es wäre allerdings schön, wenn Shea ihn wenigstens ein bisschen ermutigen würde. Seit ihrer in jeder Hinsicht stürmischen Nacht waren fast zwei Monate vergangen.

Er hob einen Blumenstrauß auf und nahm ihn mit in sein Büro, um ihn dort auf Ruths Schreibtisch zu stellen.

Dann packte er zusammen und fuhr nach Hause. Sein Hund Hooch begrüßte ihn an der Tür. Pax zog sich seine Laufsachen an und nahm den Hund zum Joggen mit.

Auf allen Reklametafeln ging es nur um den Valentinstag. Jedes Plakat erinnerte ihn an Shea.

Schließlich hatte er genug. Wieder zurück in seiner Wohnung, schaltete er den Fernseher ein, fütterte Hooch und gab ihm frisches Wasser. Dann ging er unter die Dusche.

Sein Handy klingelte, als er das Wasser abdrehte. Aber es war nur sein Immobilienberater. Pax ließ den Anruf zu seiner Mailbox umleiten, während er sich ein Handtuch um die Hüften wickelte und in die Küche ging. Dort starrte er ins Innere seines Kühlschranks, als ob er so etwas Essbares herbeizaubern konnte.

Sein Handy klingelte wieder. Sofort warf er einen Blick aufs Display.

Er strahlte und nahm sich mit der freien Hand ein Bier. Dann hob er ab und sagte beiläufig: „Wenn das nicht meine Lieblingsjournalistin ist. Hast du meine Nummer schon die ganze Zeit gehabt, oder hast du sie dir erst über geheime Kontakte beschaffen müssen?“

Sie ignorierte ihn. „Danke für den Strauß.“

„Gern geschehen.“

„Du hast gewusst, dass ich darauf reagieren muss“, fuhr sie fort. „Nur deshalb hast du das gemacht.“

Pax machte das Bier auf und setzte sich an die Theke. Von hier aus hatte er einen herrlichen Blick über die ganze Stadt. Doch statt der Großstadtlichter sah er im Geiste nur Shea vor sich. „Ich habe gedacht, dass dich diese Art Blumen vielleicht zum Lachen bringen“, sagte er aufrichtig.

„Das haben sie auch“, gab sie nach kurzem Zögern zu. „Das ist der erste Blumenstrauß aus Katzenfutter, den ich je bekommen habe. Marsha-Marsha sagt auch vielen Dank.“

„Es war mir ein Vergnügen.“

Er konnte hören, wie sie am anderen Ende der Leitung leise Luft holte. „Also, ich wollte mich nur bedanken. Und dir einen schönen … einen schönen Valentinstag wünschen.“

„Ich wünsche dir auch einen schönen Valentinstag, Shea.“

Einen Augenblick später hörte er nur noch das Freizeichen.

In ihrem Apartment legte Shea das Telefon auf den antiken Schrankkoffer, den sie als Couchtisch benutzte, und hob Marsha-Marsha vorsichtig auf ihren Schoß. Die gescheckte Katze war im letzten Jahr immer gebrechlicher geworden. Aber heute hatte sie voller Begeisterung mit den Katzenspielsachen gespielt, die an dem „Blumenstrauß“ von Pax hingen.

Sie drückte ihre Wange gegen den Kopf der Katze und lauschte ihrem Schnurren. „Wie sage ich es ihm nur?“, fragte sie. „Heute hatte ich die Chance. Aber dann konnte ich es einfach nicht tun.“

Marsha-Marsha drehte sich ein paar Mal im Kreis, bevor sie sich auf ihrem Schoß zusammenrollte.

Shea biss sich auf die Lippe.

Neben ihrem Handy und dem Korb mit dem „Blumenstrauß“ von Pax lag eine Schachtel. Es handelte sich um den dritten Schwangerschaftstest, den sie an diesem Tag gekauft hatte. Das Ergebnis des Tests entsprach dem der anderen beiden: positiv.

Shea hatte viele Interviews mit Pax gemacht. Und sie hatte ein einziges Mal mit ihm geschlafen. Er war einfach unmöglich. Sie wollte ihn nicht mögen. Sie wollte ihn auch nicht begehren. Aber das tat sie. Beides.

Und jetzt war sie mit seinem Baby schwanger. Früher oder später musste sie es ihm sagen.

Entweder würde er sich so schnell wie möglich aus dem Staub machen.

Oder das Gegenteil.

Shea wusste nicht, wovor sie mehr Angst hatte.

3. KAPITEL

„Zuckerpuppe!“

Shea schaute auf, als sie die Stimme ihres Redakteurs hörte. Sie speicherte den Artikel, an dem sie gerade arbeitete, und ging in sein Büro.

„Ich habe da eine Sache, um die Sie sich kümmern sollten“, sagte Harvey.

„Ein politischer Skandal? Wirtschaftskriminalität?“ Sie lächelte spöttisch. Der Mann ließ sie nie an heiße Themen ran. „Cooper ist doch krank, da könnte ich die Hintergrundrecherche über den Hubschrauberabsturz übernehmen …“

„Nein.“ Er warf ihr einen Blick über den Rand seiner Brille hinweg zu. „Es geht um eine Wohltätigkeitsveranstaltung.“ Er suchte nach irgendetwas auf seinem unordentlichen Schreibtisch. „Merrick & Sullivan sind die Sponsoren.“

Sheas Magen verkrampfte sich. Das war die Strafe dafür, dass sie Pax am Vorabend ihr Geheimnis nicht erzählt hatte. „Wann denn?“

„Heute Abend.“

„Was ist, wenn ich heute Abend schon etwas vorhabe? Ich habe auch noch ein Privatleben, wissen Sie?“

„Nein, das haben Sie nicht.“ Endlich hatte Harvey gefunden, was er suchte. Er schob ihr einen Zettel hin. „Elegante Kleidung. Also sehen Sie zu, dass Sie sich etwas Passendes besorgen, borgen oder stehlen.“

„Wie schick soll es denn genau sein?“ Wenn Abendgarderobe Pflicht war, hatte Shea ein Problem.

„Keine Ahnung. Machen Sie uns einfach keine Schande, in Ordnung?“ Er sah noch mürrischer aus als sonst.

„Vielleicht sollten Sie dann lieber jemand anders schicken“, schlug Shea kühl vor. „Jemanden, dem Sie so viel bezahlen, dass er oder sie über eine Garderobe verfügt, die Sie nicht in Verlegenheit bringt.“

„Sie schreiben Geschichten, die Menschen bewegen“, fuhr er sie an. „Finden Sie sich damit ab, oder ziehen Sie Leine, Zuckerpuppe.“

Weil sie sich nicht ganz sicher war, ob das ein Witz war oder nicht, seufzte sie und ging mit der Pressemitteilung in der Hand wieder zurück an ihren Platz.

„Und diesmal bitte viele Bilder!“, rief er ihr nach. „Das mögen die Leser.“

Laut der Pressemitteilung handelte es sich bei der Wohltätigkeitsveranstaltung um eine „stille Auktion“. Der Erlös würde Fresh Grounds zugutekommen, einer Wohnungsvermittlung für einkommensschwache Familien. Die ganze Geschichte wurde in der Tat von Merrick & Sullivan gesponsert.

Nur der Gedanke daran, Pax wiederzusehen, ließ Shea in kalten Schweiß ausbrechen.

Sie schrieb schnell ihren Artikel zu Ende und reichte ihn ein. Dann machte sie ihren Computer aus und suchte ihre Sachen zusammen. Die Auktion fand im Olympic Hotel statt. Das allein schon sagte ihr, dass Abendgarderobe am passendsten war. Und das wiederum bedeutete, dass sie ihre Mutter besuchen musste.

Shea konnte sich kein exklusives Abendkleid leisten. Sie zahlte immer noch die Reparatur ihres Autos vom Dezember ab. Ihre Mutter dagegen war mit einem Schönheitschirurgen verheiratet und hatte einen ganzen Schrank voll eleganter Kleidung.

Deshalb fuhr Shea nach Magnolia, wo ihre Mutter mit Jonathan Jones, ihrem siebten Ehemann, lebte. Der schicke BMW, den Jon seiner Gloria zum siebenundvierzigsten Geburtstag verehrt hatte, stand in der Einfahrt. Shea ging zur Haustür und klingelte. Nervös klopfte sie den Takt der Türglocke mit.

Dann ging die Tür auf, und Gloria Weatherby Garcia Monroe Nelson Garcia Frasier Jones stand vor ihr. Ihre blauen Augen wirkten überrascht. Sonst war ihr jedoch keine Gefühlsregung anzusehen. Seit Sheas sechzehntem Geburtstag war Botox die beste Freundin ihrer Mutter.

„Shea!“ Ihre Mutter hielt die Tür auf. „Du weißt doch, dass du nicht klingeln musst.“

Shea gab ihrer Mutter einen flüchtigen Kuss auf die seidenglatte Wange. „Als ich das letzte Mal nicht geklingelt habe, habe ich dich mit dem Pool-Boy erwischt“, erinnerte sie ihre Mutter.

Aber diese schwenkte nur die beringte Hand. „Das ist Jahre her. Jonathan hält mich so auf Trab, dass ich keinen Pool-Boy mehr brauche.“ Sie ging voraus ins Wohnzimmer. Dort musterte sie Shea. „Du siehst furchtbar aus“, sagte sie unverblümt. „Jonathan könnte sich um die Falten kümmern, die du um die Augen herum bekommst.“

Shea ignorierte ihre Mutter und ließ ihre Handtasche auf das weiße Sofa fallen. Ihre Mutter liebte Weiß. So konnte sie der einzige Farbakzent im Raum sein. „Ich bin hier, weil ich mir ein Kleid ausleihen wollte. Ich muss heute über eine Veranstaltung im Olympic berichten. Um Abendgarderobe wird gebeten.“

„Für die Arbeit?“ Ihre Mutter zog einen Schmollmund. „Wie enttäuschend! Wenn du immer nur arbeitest, findest du nie einen Mann. Hast du denn gar nichts aus der Sache mit Bruce gelernt?“

„Ich will keinen Mann.“ Shea ignorierte den Stich, den ihr diese Worte ins Herz versetzten. „Sondern nur ein passendes Kleid für heute Abend.“

Ihre Mutter seufzte theatralisch. „Na schön.“ Sie ging nach oben ins Schlafzimmer. Ihr begehbarer Kleiderschrank war größer als Sheas Wohnzimmer. „Du solltest dem Himmel danken, dass wir immer noch die gleiche Größe tragen“, sagte ihre Mutter. „Wenn deine Brüste noch größer werden, wirst du allerdings aus meinen Sachen herausplatzen.“

Shea ließ die Arme sinken, die sie peinlich berührt vor dem Busen verschränkt hatte. „Keine Pailletten“, warnte sie.

Beleidigt hängte ihre Mutter zwei Kleider wieder zurück. „Hier.“ Sie drückte Shea drei andere in die Hand. „Probier die mal.“

Shea ging mit den Kleidern ins Bad. Sie zog sich hastig aus und vermied es, sich in den Spiegeln anzusehen, bis sie das erste Kleid angezogen hatte. Es war scharlachrot. Shea bekam nicht mal den Reißverschluss zu. Sie beeilte sich, das zweite zu probieren. Dabei handelte es sich um ein hautenges, schulterfreies Satinkleid in schrillem Pink. Sie fragte sich, wie ihre Mutter es schaffte, darunter noch Unterwäsche zu tragen. Das dritte Kleid war etwas besser. Es hatte wenigstens Träger und war einfach nur schwarz. Der Rock hatte zwar hinten einen Riesenschlitz, aber Shea bekam den Reißverschluss zu, und ihre Brüste quollen nicht aus dem Dekolleté. Damit konnte sie leben.

Sie zog das Kleid aus und ihre Jeans und ihr Shirt wieder an.

Ihre Mutter saß auf dem Doppelbett. „Ich habe gedacht, dass ich wenigstens eine Modenschau zu sehen bekomme“, sagte sie schmollend.

Shea hängte die anderen Kleider wieder auf.

„Aha“, schlussfolgerte ihre Mutter. „Langweilig und konservativ.“ Sie ging zu einem Spiegel und schob ihn zur Seite. Dahinter verbarg sich ein Schmuckkästchen. „Du brauchst noch Ohrringe.“

Allein bei dem Gedanken daran, die schweren Ohrringe ihrer Mutter einen ganzen Abend lang zu tragen, wurde Shea schlecht.

„Hier.“ Ihre Mutter drehte sich um und hielt ihr ein Paar glitzernde Ohrringe hin. „Ich hoffe, dass du dir ausnahmsweise mal die Zeit nimmst, Rouge aufzutragen. Du brauchst Farbe im Gesicht. Ehrlich, Shea. Du wärst so eine hübsche Frau, wenn du dir nur ein bisschen Mühe geben würdest.“

„Danke für deine Hilfe, Mom.“ Es war einfacher nachzugeben, als zu widersprechen. „Ich würde noch bleiben, aber ich habe noch zu tun.“ Sie musste zugeben, dass ihre Mutter zumindest großzügig war, wenn es ums Kleiderborgen ging. „Danke für das Kleid.“

Ihre Mutter folgte ihr die Treppe hinunter. „Wenn du schon darauf bestehst, die ganze Zeit zu arbeiten, kannst du dich wenigstens von deiner Schokoladenseite zeigen. Vielleicht fällst du ja jemandem auf.“

„Mom! Was willst du eigentlich? Soll ich eine Anzeige schalten, dass ich noch zu haben bin?“ Shea wusste genau, dass diese Unterhaltung zu nichts führen würde. Sie konnte sich nur vorstellen, was ihre Mutter sagen würde, wenn Shea ihr beichtete, dass sie nach einem One-Night-Stand schwanger war.

Ihre Mutter hatte aus einem ganz einfachen Grund so oft geheiratet. Sie behauptete, dass sie außer mit Sheas Vater mit keinem Mann vor der Hochzeit geschlafen hatte.

„Ich weiß gar nicht, wie du immer so schnell mit einem Urteil bei der Hand sein kannst“, beschwerte sich ihre Mutter. „Du bist genau wie dein Vater.“

Sheas Vater lebte mit seiner vierten Frau in Europa. Diese Frau war jünger als Shea. „Ich will dich wirklich nicht kritisieren, Mom.“ Sie hatte schreckliche Kopfschmerzen. Dabei befand sie sich noch keine halbe Stunde in der Gesellschaft ihrer Mutter. Ein neuer Rekord. „Noch mal vielen Dank für das Kleid.“

Ihre Mutter hauchte einen Kuss auf Sheas Wange. „Gern geschehen.“

„Das ist sie, richtig?“

Pax warf seiner Schwester einen Blick zu. Beatrice hakte sich bei ihm ein.

Shea war gerade angekommen.

„Die Journalistin, in die du verschossen bist.“

Er hatte gehofft, dass die Auktion ihn von Shea ablenken würde. Aber jetzt war sie hier. In voller Lebensgröße und atemberaubend schön. „Das bin ich nicht.“

Ungläubig zog seine Schwester die Augenbrauen hoch. „Wann war deine letzte Verabredung?“

Seit dem Sturm war er nicht mehr ausgegangen. „Hast du im Augenblick nichts Besseres zu tun?“, fragte er zurück. Beatrice war Eventplanerin. Sie hatte diese Auktion organisiert.

Sie warf ihm einen Blick zu. „Ich bitte dich. Wenn Beatrice für dich eine Veranstaltung auf die Beine stellt, läuft alles wie am Schnürchen.“

„Du bist ja süß.“

„Ich gebe mir Mühe.“ Sie warf ihm ein strahlendes Lächeln zu, und er freute sich, das zu sehen. Seit der Mistkerl, den sie heiraten wollte, die Hochzeit abgeblasen hatte, hatte sie nicht oft gelächelt. Auch darum war er bereit gewesen war, diese Veranstaltung zu sponsern. Es war ihr erstes Projekt, seit sie wieder in Seattle war. Seit ihr Verlobter und Geschäftspartner in San Francisco in jeder Hinsicht ihr Ex war.

Beatrice stieß ihn an. „Was stehst du noch hier rum? Geh hin und rede mit ihr.“

„Hast du die Pressemitteilung an die Washtub geschickt, um mich zu verkuppeln oder um Werbung für Fresh Grounds zu machen?“

Sie zog die Schulter hoch. „Warum nicht beides gleichzeitig?“ Sie gab ihm ein Küsschen auf die Wange. Dann schlenderte sie davon. So war es für Pax viel zu leicht, seine Aufmerksamkeit wieder auf Shea zu richten.

Da kam Erik auf ihn zu und drückte ihm ein Glas in die Hand. „Reiß dich zusammen, Mann.“

„Als ob du auf deine Verlobte anders reagierst …“

Erik grinste. „Der Unterschied ist, dass ich mit Rory vor den Altar treten werde. Wie weit bist du mit Shea?“

Pax hatte seinem Partner und besten Freund immer noch nicht erzählt, was während des Sturms zwischen ihm und Shea passiert war.

„Rücken gerade“, murmelte Erik. „Sie kommt auf uns zu.“

Als ob Pax das nicht gemerkt hätte.

Er beobachtete, wie sie näher kam. Ihr Kleid war wunderbar schlicht. Trotzdem war es unglaublich sexy und umschmeichelte ihre Figur. Das Haar fiel ihr lang den Rücken hinunter. Nur ein schmales schwarzes Band hielt es ihr aus dem Gesicht zurück. Sie trug keinen Schmuck. Abgesehen von der Kamera war ein kleiner Notizblock ihr einziges Accessoire.

Er hob sein Glas und trank die Hälfte in einem Schluck. Gut, dass es sich nur um Wasser handelte. So wie Shea ihn ansah, musste er einen kühlen Kopf behalten.

„Mr Sullivan.“ Als Erstes begrüßte sie Erik. „Herzlichen Glückwunsch. Ich habe gehört, dass Sie bald heiraten.“

Er nickte. „Nächste Woche. Und das habe ich dir doch schon einmal gesagt: Ich heiße Erik.“

„Na schön, Erik. Habe ich dann das Glück, heute Abend ein Foto von dir und deiner Verlobten machen zu dürfen?“

„Diesmal leider nicht. Rory ist mit unserem Sohn Tyler zu Hause geblieben.“

Pax hörte den Stolz aus der Stimme seines Partners heraus. Tyler war zwar nicht Eriks Sohn, aber das hinderte ihn nicht daran, den kleinen Jungen von ganzem Herzen zu lieben.

„Ein Sohn.“ Shea warf Pax einen Blick zu. Ihr Lächeln wirkte gezwungen. „Wie alt ist er denn?“

„Fünf.“

„Und wird er auch ins Geschäft einsteigen und Segelschiffe bauen?“

Erik lachte. „Das muss er irgendwann selbst entscheiden.“ Er versetzte Pax einen Schlag auf die Schulter. „Jetzt müsst ihr mich aber entschuldigen.“

Shea blickte Erik nach. „Irgendwie ist er heute anders“, murmelte sie.

„Er heiratet bald. Er ist glücklich.“

Endlich sah sie zu ihm auf. Ihre langen Wimpern waren dunkler als sonst. Aber das war alles, was er an Make-up erkennen konnte. „Bei dir klingt das so einfach.“

„Ist es auch.“ Er trat zur Seite, um einem Kellner Platz zu machen, der ein Tablett mit Cocktails trug. Er nahm sich eine Champagnerflöte. „Mit Rory und Tyler hat Erik endlich alles gefunden, was er sich immer gewünscht hat.“ Er reichte Shea das Glas. Ihre Finger berührten sich kurz.

Sie senkte kurz die langen Wimpern und verbarg ihre strahlend blauen Augen. Als sie ansetzte, das Glas an die Lippen zu heben, hielt sie inne und sah wieder zu ihm auf. „Wenn er bald verheiratet ist, übernimmst du dann noch mehr Verantwortung bei Merrick & Sullivan?“

„Ist das eine offizielle Frage, oder bist du einfach nur neugierig?“

„Vermutlich beides“, gab sie schließlich zu. Pax fragte sich, wen von ihnen beiden dieses Eingeständnis mehr überraschte.

„Unsere Partnerschaft ist wie jede gute Beziehung“, sagte er. „Eine exakte Aufrechnung gibt’s da nicht. Manchmal arbeitet Erik mehr und manchmal ich. Am Ende gleicht sich das wieder aus, weil wir uns vertrauen und ihm die Firma genauso wichtig ist wie mir.“

„Ihr seid jetzt schon sehr lange Partner.“

„Zwanzig Jahre.“ Er lächelte verhalten. „Manche Beziehungen halten eben doch.“

Das Glitzern in ihren Augen erstarb. „Das behauptest du immer wieder.“ Sie stellte das unberührte Glas ab. Dann nahm sie ihren Notizblock zur Hand und holte einen Stift aus dem Ausschnitt ihres Kleides.

Pax konnte nicht anders. Er musste lächeln. „Hast du noch andere interessante Sachen da drin versteckt?“ Seine Erinnerung zauberte nur zu leicht weitere Details herbei, wie etwa ihre dunklen Brustwarzen, die süßer schmeckten als Erdbeeren im Sommer.

Shea wurde rot. „Ich habe vergessen, mir eine passende Handtasche zu besorgen, als ich mir den Rest dieser Verkleidung ausgeliehen habe.“

„Das Kleid ist geborgt?“

„Von meiner Mutter.“ Sie drückte auf die Feder des Kugelschreibers. „Was an Fresh Grounds hat Sie und Ihren Partner dazu inspiriert, die Auktion heute Abend zu sponsern?“

„Das Teil gehört deiner Mutter?“ Es stand Shea fantastisch. Aber eine Frau, die alt genug war, um ihre Mutter zu sein, konnte er sich darin nicht vorstellen.

„Ja.“ Sie klickte den Kugelschreiber erneut. „Also, wie war das mit dem Event heute Abend?“

„Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass man nicht nur für die Arbeit leben darf?“

Sie starrte ihn nur wortlos an.

Er lenkte ein. „Fresh Grounds leistet gute Arbeit.“ Erik und er hätten das Geld nicht aufgebracht, wenn es nicht einem wirklich sinnvollen Zweck zugutekommen würde. „Ganz egal, wem das Kleid gehört, du siehst wunderschön aus.“

Sie biss die Zähne zusammen und warf einen vielsagenden Blick zu Beatrice hinüber. „Solltest du dir solche Kommentare nicht lieber für deine Begleiterin aufsparen? Sie ist nämlich wirklich wunderschön.“

Seine dunkelhaarige Schwester war heute Abend ganz in Rot und sah wirklich hübsch aus. Aber was Pax wesentlich mehr interessierte, war der Ausdruck in Sheas Augen.

Sie war eifersüchtig.

Er schaffte es, ein Lächeln zu unterdrücken. „Du glaubst, dass ich mit ihr hier bin?“

„Bist du das denn nicht?“ Sie reckte herausfordernd das Kinn.

„Du solltest sie kennenlernen.“

Shea schnaubte genervt. Aber als Beatrice herüberkam, begrüßte sie seine Schwester mit einem höflichen Lächeln.

Pax legte seiner Schwester freundschaftlich den Arm um die Schultern. Er wusste genau, dass er Sheas Missmut nicht so genießen sollte. Aber er tat es trotzdem. „Beatrice, das hier ist Shea Weatherby.“ Er sah Shea tief in die blauen Augen. „Shea“, sagte er langsam und betont, „darf ich vorstellen? Beatrice Merrick.“

Er sah, wie sich ihre Pupillen weiteten. Den Vorwurf in ihren Augen. „Du hast geheiratet?“

Seine Schadenfreude löste sich augenblicklich in Luft auf. So viel zum Thema, endlich bei Shea weiterzukommen.

„Beatrice ist meine Schwester.“

Die Erleichterung in ihren Augen wäre ja lustig gewesen, wenn Pax nicht gewusst hätte, wie wenig Shea von ihm hielt.

„Das ist schon schlimm genug“, scherzte Beatrice. Sie nahm Sheas Hand und schüttelte sie. „Ich habe das Gefühl, als ob ich dich schon ewig kenne. Seit dem ersten Artikel, den du über Pax und Erik geschrieben hast, lese ich alles, was du für die Tub schreibst. Du hast wirklich Talent.“

Shea hörte kaum ein Wort von dem, was die andere Frau sagte.

Seine Schwester.

Die hochgewachsene brünette Schönheit war seine Schwester.

Irgendwie schaffte sie es, sich daran zu erinnern, dass sie etwas zu Beatrice sagen musste. Aber sie konnte den Blick nicht von Pax abwenden. „Dein Bruder hat zwar mal von dir gesprochen“, brachte sie mühsam heraus, „aber ich … ich habe gedacht, du lebst in San Francisco.“

Endlich schaute Pax weg. Er starrte in sein Glas. Shea schluckte schwer.

Beatrice hatte die gleichen braunen Augen wie ihr Bruder. „Ich bin vor ungefähr sechs Monaten wieder hergezogen.“ Sie zuckte eine Schulter. „Ich wollte nicht wieder für jemand anders arbeiten. Deshalb habe ich meine eigene Firma gegründet.“

Pax wandte sich plötzlich wieder an Shea. „Beatrice ist die Eventplanerin, die diese Auktion auf die Beine gestellt hat. Sie musst du heute Abend interviewen, nicht mich.“ Er nickte seiner Schwester kurz zu, dann drehte er sich um und ging quer durch den Ballsaal auf seinen Partner zu.

Shea musste den Impuls unterdrücken, ihm zu folgen.

Was konnte sie schon sagen? Dass es ihr leidtat? Und ach ja, dass sie schwanger von ihm war?

„Also, wie lange bist du schon bei der Washtub?“

Shea befeuchtete ihre Lippen. „Sechs Jahre.“ Beinahe überrascht stellte sie fest, dass sie immer noch den Notizblock und den Stift in der Hand hielt. „Und ich sollte wirklich dir Fragen stellen.“

„Eigentlich nicht.“ Beatrice hakte sich bei Shea unter, als ob sie alte Freundinnen waren, und führte sie zum Tisch für die Ehrengäste. „George Summers ist der Direktor von Fresh Grounds. Du musst dich mit ihm unterhalten.“

Aus den Augenwinkeln sah Shea, wie Pax zur Tür ging.

„Das mache ich“, sagte sie plötzlich. „Ich muss nur kurz etwas klarstellen.“ Sie löste sich von Beatrice und folgte Pax.

Ihn einzuholen war leichter gesagt als getan. Er hatte lange Beine und trug keine hohen Absätze und kein enges Abendkleid. Shea schaffte es nur, weil ein älteres Ehepaar ihn draußen vor dem Ballsaal aufhielt.

Unbeholfen harrte sie in der Nähe aus, bis die älteren Herrschaften weg waren. Erst dann drehte Pax sich zu ihr um. Sein Gesichtsausdruck war abweisend.

„Willst nur da herumstehen und mit deinem Kugelschreiber spielen?“

Als ihr klar wurde, dass sie in der Tat nervös ihren Stift geklickt hatte, wurde sie rot. „Ich muss mit dir reden.“

Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. „Wie zum Beispiel über die Tatsache, dass du allen Ernstes geglaubt hat, dass Bea meine Frau ist?“

Sie öffnete den Mund, um das abzustreiten, aber das konnte sie nicht. „Ich weiß nicht, was ich gedacht habe!“ Sie leckte sich über die trockenen Lippen. „Ich kann einfach nicht klar denken, wenn es um dich geht, seit …“ Sie verstummte und holte tief Luft.

„Ich habe dir erst gestern gesagt, dass ich noch nie verheiratet war.“ Er sprach leise, aber das verschleierte seinen Ärger nicht.

„Na ja, die Leute sagen doch dauernd Sachen, die nicht stimmen.“

„Was denkst du eigentlich von mir? Dass ich im Vorübergehen kurz mal geheiratet habe? Oder dass ich dich schon immer angelogen habe?“ Pax presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. „Es gibt nichts über mich, das du nicht weißt.“

„Ich weiß nicht alles über dich!“

Er winkte ab. „Dann stell doch mal Nachforschungen an! Cornelia behauptet, dass du so gut darin bist.“

Wie oft hatte Shea gegen die Versuchung angekämpft, ihre Quellen zu nutzen, um mehr über ihn zu erfahren? „Deine Privatsphäre zu verletzen – das wäre nicht richtig. Ich arbeite für Cornelia. Weil Menschen nun mal lügen. Sie übertreiben, sie verschweigen Details, und sie verdrehen Tatsachen.“ Sie war ja selbst so. Schließlich verschwieg sie Pax ihre Schwangerschaft.

„Ich bin nicht so“, wiederholte er mit ausdrucksloser Stimme.

Shea war ganz außer Atem. Außerdem war ihr schwindlig. Sie wollte ihm so gern glauben. „Es tut mir leid, okay? Ich hätte keine voreiligen Schlüsse ziehen sollen.“ Sie holte Luft. Egal ob das jetzt feige war oder nicht, sie konnte ihm nicht die Wahrheit sagen, während nur ein paar Meter entfernt Fremde in Abendgarderobe ihre Gebote für alles Mögliche abgaben – von Friseurterminen bis zur Nutzung eines Segelboots von Merrick & Sullivan für eine Saison.

Sie versuchte, die Fassung wiederzugewinnen. „Ich muss meinem Redakteur ein paar Zitate von dir und einige Fotos vorlegen. Sonst wird er sehr unzufrieden mit mir sein.“

Pax verzog die Lippen und zerrte an seiner Krawatte, als würde sie ihm plötzlich den Hals zuschnüren. „Heute Abend geht es nicht um mich oder Erik. Sondern um Fresh Grounds.“

Er hatte noch nie seine Zusammenarbeit verweigert, wenn es um einen Artikel ging. Auf einmal hatte Shea panische Angst, dass er ausgerechnet jetzt damit anfangen würde. „Wenn du willst, dass mehr Leute von der Arbeit dieser Wohnungsvermittlung lesen, dann wird das deswegen passieren, weil dein Name und der von deinem Partner in diesem Zusammenhang fallen. Und …“ Mit heiserer Stimme fügte sie hinzu: „Ich würde gern meinen Job behalten. Schließlich muss ich meine Miete zahlen.“

Pax fuhr sich durchs Haar. „Ich muss völlig verrückt sein“, knurrte er. „Na schön. Du willst Zitate? Die kannst du haben.“

Hastig schlug sie ihren Block auf.

„Morgen“, fügte er hinzu.

Sie zögerte misstrauisch, als er sonst nichts sagte. „Morgen?“

„Ich werde dir morgen ein paar Zitate zukommen lassen.“ Seine Lippen zuckten.

„Ja, aber …“

„Du willst etwas von mir, und ich will etwas von dir.“

Ihr Magen schlug Kapriolen. Übelkeit stieg in ihr auf. „Ich … ich werde nicht mit dir schlafen.“

Sein Gesichtsausdruck wurde noch eisiger. „Du solltest vielleicht abwarten, bis ich sage, was ich will.“

Sie öffnete den Mund, brachte aber keinen Laut heraus. Pax hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er mit ihr schlafen wollte.

Bis er es getan hatte.

Seit dem Sturm hatte er nicht mehr versucht, Shea zum Ausgehen zu überreden. Er hatte sie zur Weihnachtsfeier bei seinen Eltern eingeladen. Er hatte mit ihr gesprochen, wenn sie sich in Cornelias Büro über den Weg gelaufen waren. Und er hatte ihrer Katze einen Strauß zum Valentinstag geschenkt.

Aber er hatte sie nie zu einer Verabredung eingeladen. Und er hatte sie nicht ein einziges Mal wieder so angesehen, als ob er sich nach ihr verzehrte.

Ihr Magen verkrampfte sich. Nun ja, sie hatte ihm auch nicht unbedingt viele Gelegenheiten dazu gegeben.

„Ich hole dich morgen um elf Uhr ab“, sagte er kurz angebunden.

„Aber …“

„Das ist mein letztes Angebot, Shea. Es geht nicht immer alles nach deiner Nase.“

„Das erwarte ich auch gar nicht!“

Pax verzog keine Miene. „Um elf.“ Dann kehrte er ihr den Rücken zu und entfernte sich.

4. KAPITEL

Der erste Hinweis waren die vielen Autos. Der Torbogen aus goldenen, silbernen und weißen Luftballons bestätigte Sheas Vermutung.

Sie packte Pax am Arm. „Kannst du mir das bitte mal erklären?“

„Es handelt sich um eine Party.“

„Das ist mir auch klar.“

Das Lächeln, das ihm am Vorabend auf einmal abhandengekommen war, leuchtete wieder in seinen Augen auf. „Irgendwie hatte ich ja schon so einen Verdacht, aber mir wird erst jetzt klar, was für ein Kontrollfreak du eigentlich bist.“

Sie konnte sich nicht mal über diesen Kommentar ärgern. Denn sie wusste ganz genau, dass er recht hatte. „Was für eine Party?“

„Wir feiern den Hochzeitstag meiner Großeltern.“

Sie stöhnte. „Pax! Da kann ich nicht mitkommen.“

„Weil du aus moralischen Gründen etwas gegen Hochzeitstage einzuwenden hast?“

Sie verzog das Gesicht. „Weil es eine Familienfeier ist.“

„Jawohl.“ Er nahm sie beim Arm und setzte sich wieder in Bewegung. „Tu einfach so, als ob es ein Job ist. Immer lächeln.“

„Aber es ist kein Job.“

„Nur ein paar Stunden. Das war unsere Abmachung, weißt du noch?“ Er stieß die Tür auf und zog sie ins Haus.

Im Vergleich zur museumsartigen Villa ihrer Mutter hatte das Haus von Pax’ Großeltern eher bescheidene Ausmaße. Und im Augenblick platzte es aus allen Nähten. Kinder spielten Fangen und warfen mit Luftballons. Musik ertönte, und durch eine Glastür konnte Shea Erwachsene erkennen, die auf der Terrasse standen.

„Pax!“ Beatrice tauchte auf. „Hallo, Shea!“ In dem weißen Shirt und dem bunten Batikrock wirkte Pax’ Schwester so atemberaubend wie am Vorabend. „Beeilt euch.“ Beatrice öffnete die Schiebetür. „Grammy und Granddad tanzen.“

Pax ließ Shea nicht los. Vielleicht befürchtete er, dass sie flüchten würde.

Sie machte einen Bogen um ein kleines Mädchen mit schiefen blonden Zöpfen und wäre dann gern auf der Türschwelle hinter Pax stehen geblieben. Aber Pax zog sie nach draußen, bis sie vor ihm auf der hölzernen Terrasse stand und einen freien Blick auf das alte Ehepaar hatte, das dort einen lebhaften Tanz zum Besten gab.

Alle lachten und jubelten. Aber es dauerte nicht lange, bis die Frau – offensichtlich die Großmutter von Pax – sich entschuldigte.

Ihr Ehemann konnte jedoch nicht stillstehen. „Komm her, Baby“, forderte er eine schlanke Frau mit grau meliertem, braunem Haar auf, die ein Kleinkind auf dem Arm hatte. „Tanz mit deinem alten Pop.“

„Ruh dich erst mal aus, bevor du einen Herzanfall bekommst“, sagte Pax’ Großmutter trocken. Dann ging sie auf Shea zu und lächelte freundlich. „Hallo, meine Liebe“, begrüßte sie Shea. „Du musst die Freundin von Pax sein.“

Shea wurden die Knie weich. Ganz offensichtlich hatte Pax sie angekündigt. Aus irgendeinem Grund machte sie das unglaublich nervös. „Shea Weatherby“, sagte sie. „Herzlichen Glückwunsch zum Hochzeitstag, Mrs …“ Ihr wurde klar, dass sie nicht mal wusste, ob diese Großmutter mit Nachnamen Merrick hieß oder nicht.

„Sag einfach Grammy“, befahl die weißhaarige Frau. „Wie alle anderen.“ Sie schlug die Hände über ihrem üppigen Busen zusammen. „Ganz egal, wie alt ich werde, es geht mir immer zu Herzen, wenn ich sehe, wie Daddy mit seiner Tochter tanzt.“

Shea lächelte, obwohl ihr Magen plötzlich einen Satz machte. „Die beiden geben wirklich ein wunderbares Bild ab“, brachte sie heraus. Sie machte einen Schritt rückwärts und stieß mit Pax zusammen. „Entschuldige mich bitte.“ So schnell sie konnte, ging sie an ihm vorbei ins Wohnzimmer. Dort herrschte immer noch das Chaos.

Das kleine Mädchen mit den Zöpfen stand ihr am nächsten.

„Weißt du, wo hier die Toilette ist?“

Das Mädchen deutete in die entsprechende Richtung.

Shea hastete den Gang hinunter. Die zweite Tür gehörte zu einer glücklicherweise unbesetzten Toilette. Sie rannte hinein und verriegelte die Tür hinter sich.

Ihr Herz raste, als sie ihre Jacke auszog. Hastig drehte sie den Wasserhahn auf und ließ kaltes Wasser über ihre Hände laufen, während sie gegen die Übelkeit ankämpfte. Tränen traten ihr in die Augen, als sie in den Spiegel schaute.

Sie fing mit beiden Händen Wasser auf und spritzte es sich ins Gesicht. Langsam ließ die Übelkeit nach. Ihr Herzschlag verlangsamte sich.

Als es leise an die Tür klopfte, fuhr sie zusammen.

„Shea?“ Das war nicht Pax. Die Stimme hörte sich eher nach seiner Schwester an. „Pax glaubt, dass es dir nicht gut geht. Kann ich dir irgendetwas bringen?“

„Mir geht’s prima“, log sie. Sie trocknete sich das Gesicht ab. Dann hob sie ihre Jacke auf. Als sie die Tür öffnete, stand Beatrice vor ihr und sah sie besorgt an. „Mir geht’s wirklich gut“, bekräftigte sie.

Die andere Frau zog die Augenbrauen hoch. „So siehst du aber nicht aus. Wenn Pax sieht, wie blass du bist, flippt er aus.“ Sie drängte Shea durch die nächste Tür in ein Schlafzimmer. „Setz dich.“

Shea setzte sich. Sie kam sich dumm und hilflos vor. „Beatrice …“

„Hier habe ich immer geschlafen, als ich ein kleines Mädchen war“, sagte Beatrice. „Grammy hat hier seither nichts geändert, und jetzt wohne ich vorübergehend wieder hier.“ Sie holte etwas aus der Kommode und drehte sich zu Shea um.

Rouge, wurde Shea klar, als die andere Frau ihr sanft mit einem Pinsel über die Wangen fuhr.

„Hier zu leben ist wie eine Zeitreise“, fuhr Beatrice fort, als ob an der ganzen Situation nichts Ungewöhnliches war. „Und es ist natürlich praktisch. Aber ich freue mich darauf, wieder eine eigene Wohnung zu haben. Ich muss nur warten, bis ein paar finanzielle Fragen geregelt sind.“

Shea legte gehorsam den Kopf in den Nacken, als Beatrice ihr Kinn antippte. „Warum bist du nach Seattle zurückgekommen?“

„Das schien mir eine gute Idee zu sein.“ Beatrice richtete sich auf. „Als mein Verlobter mich wegen unserer Rezeptionistin verlassen hat, hatte ich keine Lust, unsere Event-Organisation mit ihm weiterzuführen.“ Einen Augenblick lang musterte sie Sheas Gesicht. Dann nickte sie und setzte sich neben sie aufs Bett. „Schon viel besser.“

Mitleidig sah Shea sie an. „Das habe ich auch schon durchgemacht. Bruce hat mich zwei Tage vor der Hochzeit verlassen.“

„So ein Dreckskerl!“, sagte Beatrice.

Shea wusste nicht, warum sie das so komisch fand, aber das tat sie. „Ja, das war er wirklich.“

Draußen im Flur ballte Pax die Hände zu Fäusten, als er Sheas leiser Stimme lauschte. Lauschen war richtig mies, das wusste er. Aber er konnte nicht anders.

„Wie lange ist das her?“, fragte seine Schwester.

„Nicht lange genug.“ Sheas Stimme war ganz leise. „Fast drei Jahre. Die Hochzeit sollte im Juni sein.“

Pax stieß den Atem aus. Er hatte Shea vor fast drei Jahren kennengelernt, als sie einen Artikel über eine Regatta für die Washtub geschrieben hatte. Der Mistkerl hatte sie damals gerade verlassen.

„Wir hatten ein Datum im November ausgesucht“, erzählte Beatrice. „Es war viel leichter, die Hochzeit abzusagen, als die geschäftliche Zusammenarbeit zu beenden.“

„Das sind dann wohl die finanziellen Fragen“, meinte Shea.

„Ja. Wie lange warst du verlobt?“

Pax hörte Schritte auf dem Flur. Die Störung reichte, um sein Gewissen auf den Plan zu rufen. Er trat die Flucht nach vorn an und öffnete die Türe zum Zimmer.

Shea sah ihn schuldbewusst an.

Er konnte ihr keine Vorwürfe machen, dass sie seiner Schwester etwas anvertraute, das sie ihm nie erzählt hatte. Aber es ärgerte ihn trotzdem. „Also, wie lange warst du verlobt?“

Sie kniff die Augen zusammen. „Weißt du nicht, dass es unhöflich ist, heimlich zu lauschen?“

Betont legte er die Hand an die geöffnete Tür. „Mach nächstes Mal die Tür zu, Bea.“ Er wandte den Blick nicht von Shea ab. „Mom sucht dich.“

Beatrice zögerte nur kurz. „Klar.“ Sie eilte hinaus.

Pax schloss die Tür hinter sich. Er wollte nicht, dass noch jemand etwas von ihrer Unterhaltung mitbekam. „Das hättest du mir ruhig sagen können.“

Eine Minute lang presste Shea die Lippen zusammen. „Wenn wir miteinander zu tun haben, geht es immer darum, über dich zu sprechen.“

„Während des Sturms hast du mich aber nicht interviewt.“

Sie schaute weg und stand auf. Dann rieb sie sich mit den Händen über die Oberschenkel. „Ach, das eine Mal.“

„Und seitdem glaubst du nicht mehr, dass Beziehungen halten können?“

„Seit ich mit dir geschlafen habe, oder seit ich vor dem Altar stehen gelassen worden bin?“ Pax sah sie forschend an.

Sie schüttelte den Kopf. „Das habe ich schon als Kind gelernt“, sagte sie plötzlich. „Bruce war nur eine unglaublich dumme Ausnahme.“

„Er war ein Idiot.“

Sie warf ihm einen Blick zu. „Ja“, stimmte sie einen Augenblick später zu. „Das war er vermutlich. Aber mein Fehler war, dass ich vergessen habe, was ich schon wusste. Beziehungen, und vor allem Ehen, sind nicht von Dauer.“

„Wirklich?“ Pax deutete mit dem Kopf zur Tür. „Die feiern da draußen gerade einen fünfundsiebzigsten Hochzeitstag. Meine Eltern sind seit vierzig Jahren verheiratet. Mein Cousin Donny bald zwanzig Jahre.“

„Herzlichen Glückwunsch.“ Sie hob die Hände. „Meine Mutter ist das siebte Mal verheiratet!“ Sie sah ihn an. „Du bist achtunddreißig. Seit ich dich kenne, hattest du keine ernsthafte Beziehung! Wenn du so felsenfest von dem Konzept überzeugt bist, warum bist du dann nicht verheiratet?“

„Weil ich nur einmal im Leben heiraten werde. Für mich gibt es keinen Rückzieher.“

Shea runzelte die Stirn. „Also, du bist einfach nicht normal, weißt du das eigentlich?“

Er bemühte sich, nicht die Geduld zu verlieren. „Weil ich an das glaube, was meine Eltern haben? Was meine Großeltern haben? Weil ich warten kann, bis ich eine Frau gefunden habe, die das auch will?“

Tränen stiegen ihr in die Augen. „Na, dann hoffe ich mal, dass sie sehr verständnisvoll ist“, sagte sie heiser.

Auf einmal bekam er eine Gänsehaut. „Warum?“

„Weil ich schwanger bin!“ Die Worte platzten aus ihr heraus.

Nur vage nahm Pax noch die Musik und den Lärm wahr, der von draußen hereinkam. Im Augenblick hörte er nur seinen Herzschlag, der in seinen Schläfen pochte.

Sie sank aufs Bett, als ob ihre Beine sie nicht mehr tragen konnten.

„Du bist … schwanger“, wiederholte er langsam. „Schwanger. Im Sinne von … schwanger.“

Sie nickte und zupfte an der Bettdecke. „Ich hab’s gerade erst herausgefunden.“

„Wann? Heute?“

„Freitag“, flüsterte sie. „Ich habe einen Schwangerschaftstest gemacht.“ Sie biss die Zähne zusammen. „Und dann noch zwei weitere, um ganz sicher zu sein.“ Sie sah zu ihm auf. „Aber bevor du mir Vorwürfe machst, weil ich es dir nicht sofort gesagt habe“, verteidigte sie sich, „das habe ich versucht.“ Sie hob hilflos die Hände. „Und jetzt ruiniere ich die Party deiner Großeltern.“

„Wir bekommen ein Baby.“ Langsam wurde ihm die Bedeutung ihrer Neuigkeit bewusst.

Shea hatte immer noch feuchte Augen. Aber sie schaffte es, ihm einen bösen Blick zuzuwerfen. „Das habe ich doch gerade gesagt, oder? Mach dir keine Sorgen. Ich erwarte nichts von dir.“

Es war einfacher, seine Wut zu unterdrücken, als den Schmerz, den er bei ihren Worten verspürte. „Dann bist du eine dumme Nuss.“ Er kniete sich vor sie hin. „Der Sturm ist noch nicht mal zwei Monate her. Bist du wirklich sicher?“

„Acht Wochen und drei Schwangerschaftstests sicher.“ Sie schniefte. „Es tut mir leid, Pax. Ich hätte nie gedacht …“ Sie verstummte und starrte schockiert seine Hände an, die er auf ihren flachen Bauch legte.

„Hallo, Kleiner.“ Er räusperte sich. „Sag deiner Mom, wenn sie sich noch mal entschuldigt, lege ich sie übers Knie.“ Er sah zu ihr auf. „Wir waren beide daran beteiligt, Shea.“

Die Tränen liefen ihr über die Wangen. „Willst du mich denn nicht mal fragen, ob es wirklich von dir ist?“

Pax unterdrückte einen Fluch. „Wenn er das nicht wäre, würdest du dich nicht so aufregen.“ Er wollte ihre Tränen abwischen und ihr klarmachen, dass es alles gut werden würde. Aber er wusste, dass er sie nicht zwingen konnte, daran zu glauben, wenn sie nicht bereit dazu war.

Und es gab keine Garantie, dass sie jemals so weit sein würde.

Also begnügte er sich damit, wieder mit ihrem Bauch zu sprechen. „Deine Mommy hat noch einiges über deinen alten Herrn zu lernen“, murmelte er.

„Du redest, als ob es ein Junge ist. Das weißt du doch gar nicht.“

„Sechs Generationen der Familie Merrick.“ Pax ignorierte, wie heftig sein Herz klopfte, und half Shea auf die Füße. Er konnte ihre Taille mit den Händen umschließen. Ihr Kopf reichte ihm nicht mal bis zu den Schultern. Er stellte sich vor, wie sie aussehen würde, wenn ihr Bauch ganz dick war. Würde ihr Sohn seine dunklen Haare haben? Und ihre blaue Augen? „Das erste Kind ist immer ein Junge. Das zweite ist immer ein Mädchen.“

Schockiert sah sie ihn an. „Das zweite! Wir bekommen kein zweites Baby. Wir sollten nicht mal das hier kriegen!“

Wenn Shea wirklich abtreiben wollte, dann hätte sie es schon getan. Und sie hätte Pax nie etwas davon gesagt. So gut kannte er sie inzwischen. „Aber wir bekommen dieses Baby“, sagte er ruhig. „Hast du es schon jemandem erzählt?“

Als draußen einige Gäste laut lachten, fuhr sie zusammen. Ihre Brüste berührten seinen Körper. Hastig trat sie zurück und schlang die Arme um ihren Oberkörper. „Wem denn …? Harvey vielleicht? Der muss nicht wissen, dass ich schwanger bin. Jedenfalls noch nicht.“ Sie verzog die weichen Lippen. „Wenn er das erfährt, darf ich nur noch Kaffee kochen.“

„Ich hatte eigentlich an deine Familie gedacht.“

Shea schob sich an ihm vorbei. Dabei hielt sie so weit wie möglich Abstand zu Pax. Auf der anderen Seite des Bettes ging sie auf und ab. „Es ist dein Baby. Du hast das Recht, als Erster davon zu erfahren.“ Sie rieb sich die Oberschenkel. „Danke, dass du nicht vorgeschlagen hast, dass wir heiraten sollen. Oder … oder irgendetwas Albernes in der Art.“

Für den Augenblick ließ Pax das so stehen. Denn natürlich schmiedete er bereits Pläne. Pläne, die ihm überhaupt nicht albern erschienen. „Drei Schwangerschaftstests? Aber beim Arzt warst du noch nicht.“

„Nein. Ich habe es dir doch gesagt. Ich habe es gerade erst …“

„… herausgefunden. Richtig.“

Es klopfte an die Tür. „Pax?“ Die Stimme seiner Mutter war leise, aber bestimmt. „Deine Großeltern machen jetzt ihre Geschenke auf.“

Er wandte den Blick nicht von Shea ab. „Wir sind gleich da.“

Shea stöhnte leise. „Ich platze in eine Hochzeitstagsfeier hinein und habe noch nicht mal ein Geschenk dabei.“

„Soll das ein Witz sein? Du bist das Geschenk.“

Ihr blieb der Mund offen stehen, als ihr klar wurde, was er vorhatte. „Was? Nein.“ Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass ihr eine widerspenstige Haarsträhne ins Gesicht fiel. „Oh nein. Wir sagen ihnen nicht, dass ich schwanger bin.“

„Früher oder später sagen wir es ihnen sowieso. Ich kann mir keine bessere Gelegenheit vorstellen. Es sei denn, du willst damit bis nach der Geburt warten.“ Ihre Augen leuchteten auf. „Nein“, fügte er hinzu. „Das kommt nicht infrage. Kann ja sein, dass du es deiner Mutter nicht sagen willst. Aber meine ganze Familie ist hier.“

„Und dann wissen alle genau, was passiert ist!“ So blass sie vorher war, so rot wurde sie jetzt.

„Ich hatte jetzt nicht vor, da ins Detail zu gehen“, sagte er langsam.

„Du weißt genau, was ich meine“, sagte sie. „Sie wissen, dass wir nicht …“ Sie schwenkte die Hände. „… dass wir keine Beziehung haben.“

Das wussten sie nicht. Aber wenn er Shea das erzählte, würde sie nur noch mehr außer sich geraten. „Wäre es dir lieber, wenn sie das glauben würden?“

„Nein!“ Sie ließ die Hände sinken und schüttelte den Kopf. „Ich weiß auch nicht“, murmelte sie. „Ich habe ein einziges Mal in meinem Leben einen One-Night-Stand, und sieh dir nur an, was dabei herauskommt.“

„Wir kennen uns jetzt schon über zwei Jahre, Shea. In meinen Augen ist das kein One-Night-Stand.“

„Ja, aber wir … wir sind nie miteinander ausgegangen.“

„Und wessen Schuld ist das?“ Pax wartete ihre Antwort gar nicht erst ab. „Was denkst du, hätte ein Date … oder zwei denn geändert?“ Er ging zur Tür. „Ich habe ihnen gesagt, dass du meine Freundin bist. Das ist alles, was sie wissen müssen. Jetzt komm schon.“

„Pax …“

Sie sah wirklich unglücklich aus, und das tat ihm in der Seele weh. Verdammt! „Ich habe einen Geschenkgutschein im Auto“, sagte er mürrisch. „Für eine Fahrt in einem Heißluftballon. Darüber reden meine Großeltern schon ewig und drei Tage. Aber gemacht haben sie das noch nie.“

„Das … das ist richtig süß.“ Sie biss sich auf die Lippe. Langsam ging sie auf ihn zu. Als sie ihn erreicht hatte, schaute sie zu ihm auf. „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll“, flüsterte sie.

„Schon okay.“ Er strich ihr die losen Haarsträhnen hinters Ohr zurück. „Menschen bekommen schon seit sehr langer Zeit Babys“, murmelte er. „Wir kriegen das auch hin.“

Sie hörten, wie jemand vernehmbar nach Luft schnappte. Als sie sich umdrehten, stand seine Mutter vor ihnen.

„Ist das wahr?“, fragte sie. „Du bist schwanger?“

„Ja“, sagte er. „Wir bekommen ein Baby.“

Das war einfach zu viel. Schon wieder traten ihr Tränen in die Augen.

„Ach du meine Güte!“ Seine Mutter umarmte Pax. „Ich habe schon gedacht, dass ich nie ein Enkelkind haben werde!“ Sie ließ ihn los, nur um ihm einen Kuss zu geben. Dann drehte sie sich zu Shea um. „Und Shea. Wir sind uns noch gar nicht richtig vorgestellt worden!“, rief sie. Sie umarmte Shea. „Ich bin Linda Merrick. Typisch mein Sohn, so ein Geheimnis darum zu machen.“ Sie trat weit genug zurück, um zu Pax aufzusehen. „Dürfen wir uns auch auf eine Hochzeit freuen?“

Shea verschluckte sich beinahe.

„Mom“, sagte Pax warnend. Sein Tonfall vermittelte Shea den Eindruck, dass das Thema nicht neu war. „Hör auf.“

„Na schön“, sagte Linda, legte Shea einen Arm um die Schultern und drückte sie fest. „Das hat man als Mutter davon, wenn man seine Kinder zur Unabhängigkeit erzieht.“

„Darling“, fiel ihr jemand ins Wort, „deine Mutter weigert sich, weiterzumachen, bis du wieder da bist.“

„Daniel.“ Die Mutter von Pax drehte sich um und sah einen Mann an, bei dem es sich nur um seinen Vater handeln konnte. „Du wirst es nicht glauben: Pax und Shea bekommen ein Baby!“

Pax sah Shea an. „Siehst du? Wir müssen uns um nichts kümmern. Meine Mutter übernimmt das.“

Shea lächelte schwach.

Der Vater von Pax war nicht ganz so enthusiastisch wie seine Frau. Aber er klopfte Pax auf die Schulter und lächelte Shea an. „Wir haben ja gewusst, dass er eine besondere Frau kennengelernt hat. Aber wir hatten keine Ahnung, wie ernst es ist.“

„Egal, ob ihr nun heiratet oder nicht, deine Großeltern werden überglücklich sein, Pax.“ Linda strahlte Shea an. „Auf der Seite meines Mannes gibt es jede Menge Enkelkinder. Aber dein Baby wird das erste Urenkelchen für die Mahoneys.“

Shea rang sich ein Lächeln ab. „Das ist ja wundervoll.“

„Wie sieht das in deiner Familie aus, Liebes? Gibt es da schon viele Enkelkinder?“

Shea konnte sich ehrlich nicht daran erinnern, ob irgendwelche ehemaligen Stiefgeschwister inzwischen Kinder hatten. Sie schüttelte den Kopf. „Das hier ist das Erste.“ Und sie konnte sich nicht mal ansatzweise vorstellen, was ihre Mutter dazu sagen würde.

„Hört mal alle her.“ Linda erhob ihre Stimme, als sie wieder im Wohnzimmer waren. „Pax und Shea bekommen ein Baby!“

Shea wurde umarmt, ihr wurde auf die Schulter geklopft, sie wurde gedrückt und geküsst. Auch wenn das noch so gut gemeint war, es war überwältigend.

Pax war auch keine Hilfe; die Männer hatten ihn zur Seite genommen und klopften ihm auf den Rücken, als ob er bei den Olympischen Spielen gewonnen hatte.

„Jetzt lasst das arme Mädchen mal durchatmen.“ Die Großmutter von Pax zog Shea in die Ecke zu ihrem Sessel. „Wie weit bist du denn?“

Shea schluckte schwer. „In der achten Woche.“

Mrs Mahoney nickte erfreut. „Du und Paxton, ihr werdet wunderschöne Babys bekommen.“

Babys? Shea war schon mit dem Gedanken an ein Baby völlig überfordert. „Ich hatte wirklich nicht vor, mit diesen Neuigkeiten in Ihre Feier zu platzen, Mrs Mahoney.“

„Ich habe es dir doch schon gesagt, Liebes: Du sollst mich Grammy nennen.“ Sie tätschelte Sheas Knie. „Also, ich weiß ja, dass man das heute nicht mehr fragen darf, aber was habt ihr beiden vor? Plant ihr schon die Hochzeit?“

„Mom, lass sie bitte damit in Ruhe“, unterbrach Linda sie, bevor Shea eine Antwort stammeln konnte. „Pax und Shea sind erwachsene Menschen. Ich bin sicher, sie wissen, was sie tun.“

Shea lächelte schwach. Sie wünschte sich, das wäre tatsächlich so. Ihr Magen drehte sich wieder, und sie spürte, wie ihr der Schweiß das Rückgrat hinunterlief. Sie schluckte schwer und rutschte unbehaglich hin und her.

„Wer ist dein Frauenarzt?“, fragte eine junge Frau.

Obwohl sich inzwischen alle vorgestellt hatten, kam Shea im Augenblick nicht auf ihren Namen. „Ich …“ Sie schluckte noch mal heftig und fuhr sich mit dem Handrücken über die verschwitzte Stirn. „Ehrlich gesagt habe ich noch keinen.“

„Du musst zu Sara Montgomery gehen“, sagte die Frau. Ein paar andere nickten zustimmend. „Sie hat die Geburt von meinen drei Kindern begleitet …“

„Von meinen auch“, warf eine weitere Frau ein.

„… und ich denke, sie ist die beste Gynäkologin in der Stadt“, beendete die erste Frau ihren Satz. Jennifer. Das war ihr Name. Sie war eine Cousine von Pax, und das kleine Mädchen mit den Zöpfchen war ihre Tochter.

„Aber es wird nicht leicht, einen Termin zu bekommen“, sagte eine andere Mutter. „Soweit ich weiß, nimmt Dr. Montgomery im Augenblick keine neuen Patientinnen auf.“

Jennifer warf Pax einen Blick zu. „Du kannst ihr doch bestimmt einen Termin besorgen, Pax, oder nicht?“

Grammy legte Shea die Hand aufs Knie. „Mach dir keine Sorgen, Liebes. Vielleicht solltest du etwas essen. Du bist ganz bleich.“

Von ihrem Platz aus konnte Shea das üppige Büfett sehen, das im Esszimmer aufgebaut war. „Ich glaube, das ist im Augenblick keine so gute Idee, Mrs … Grammy.“

Sofort fingen die Frauen an, sich über Morgenübelkeit zu unterhalten und die besten Behandlungsmethoden zu erörtern. Alles von eingelegten Gurken bis zu Akupunktur wurde vorgeschlagen.

Shea wäre am liebsten im Erdboden versunken.

Sie hasste es, im Mittelpunkt zu stehen.

Pax ging neben ihr in die Hocke. „Du bist ganz verschwitzt.“

„Wie schön, dass dir das auffällt!“, murmelte sie.

Er legte ihr die Hand auf die Stirn und zog die Augenbrauen zusammen. „Himmel, du glühst ja.“ Sofort stand er auf und zog sie hoch. „Komm mit.“

„Pax …“

Er beugte sich vor und gab seiner Großmutter einen Kuss auf die Wange. „Shea fühlt sich nicht wohl. Hab dich lieb.“ Dann schob er Shea auf die Haustür zu.

„Pax, wir können doch nicht einfach gehen“, murmelte Shea leise.

„Klar können wir.“ Er winkte allen zu und drängte sie zur Tür hinaus.

Die kalte Luft fühlte sich wunderbar auf ihrer erhitzten Haut an.

„Das ist unhöflich!“

„Du wolltest doch gar nicht herkommen“, erinnerte er sie.

„Gib mir jetzt nicht die Schuld daran, dass wir so überstürzt aufgebrochen sind!“

„Du hast Fieber“, sagte er ungerührt. „Ich bringe dich nach Hause, und dann rufen wir einen Arzt.“

Sie war sich nicht sicher, ob sie ihn noch wiedererkannte. Der Pax, den sie kannte, kommandierte die Leute nicht herum. „Ich habe keinen Arzt.“

„Dann bringen wir dich zu dieser Ärztin, dieser Montgomery.“

„Du hast es doch gehört. Sie nimmt keine neuen Patienten an. Außerdem brauche ich keinen Arzt. Nur Kopfschmerztabletten und ein Schläfchen.“ Vorzugsweise ohne von ihm und seinem verdammten Hemd zu träumen.

Pax antwortete nicht, sondern führte sie zu der niedrigen Ziegelsteinmauer am Rand des Bürgersteigs. „Setz dich. Ich hole den Truck.“

Es half schon, einfach nur draußen an der frischen Luft zu sein. „Ich kann laufen.“

Er legte die Hand auf ihre Schulter. „Setz dich.“

„Na schön.“ Sie hob die Hände. „Zufrieden?“

„Sobald du kein Fieber mehr hast.“ Er ging los. Weil die Straße so zugeparkt war, hatten sie das Auto ein paar Häuserblocks entfernt abgestellt.

Shea warf einen Blick zurück zum Haus, als sie Schritte hörte. Bea kam auf sie zugerannt. Sie hatte Sheas Jacke in der Hand.

„Oh, danke.“

Beatrice setzte sich neben sie. „Mein Bruder ist verrückt nach dir, weißt du.“

Shea hatte keine Ahnung, was sie dazu sagen sollte.

„Und er ist ein guter Mann.“

„Das weiß ich.“

„Er ist nicht der Typ, der so etwas abziehen würde wie dein Mistkerl oder mein Exverlobter.“

Shea öffnete den Mund. Aber sie brachte kein Wort heraus.

Beatrice seufzte. „Vermutlich möchte ich nur sagen, dass ich nicht will, dass er verletzt wird.“

Shea runzelte die Stirn. „Ich werde Pax nicht wehtun.“

Autor

Victoria Pade
Victoria Pade ist Autorin zahlreicher zeitgenössischer Romane aber auch historische und Krimi-Geschichten entflossen ihrer Feder. Dabei lief ihre Karriere zunächst gar nicht so gut an. Als sie das College verließ und ihre erste Tochter bekam, machte sie auch die ersten schriftstellerischen Gehversuche, doch es sollte sieben Jahre dauern, bis ihr...
Mehr erfahren
Cindy Kirk
<p>Solange sie denken kann, liebt Cindy Kirk das Lesen. Schon als kleines Mädchen in der ersten Klasse hat sie einen Preis dafür gewonnen, hundert Bücher gelesen zu haben! 1999 war es so weit: Ihr erster eigener Roman erschien bei Harlequin. Seitdem muss die Autorin ihr Lieblingshobby Lesen damit unter einen...
Mehr erfahren
Allison Leigh
<p>Allison Leigh war schon immer eine begeisterte Leserin und wollte bereits als kleines Mädchen Autorin werden. Sie verfasste ein Halloween-Stück, das ihre Abschlussklasse aufführte. Seitdem hat sich zwar ihr Geschmack etwas verändert, aber die Leidenschaft zum Schreiben verlor sie nie. Als ihr erster Roman von Silhouette Books veröffentlicht wurde, wurde...
Mehr erfahren
Joanna Sims
<p>Joanna Sims brennt für moderne Romances und entwirft gerne Charaktere, die hart arbeiten, heimatverbunden und absolut treu sind. Die Autorin führt diese auf manchmal verschlungenen Pfaden verlässlich zum wohlverdienten Happy End. Besuchen Sie Joanna Sims auf ihrer Webseite www.joannasimsromance.com.</p>
Mehr erfahren