Bianca Extra Band 149

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GLAUB WIEDER AN DIE LIEBE, COWBOY! von STELLA BAGWELL

Die neue Nanny der Ranchbesitzer ist wirklich unglaublich hübsch! Obwohl Vormann Jim nach einer traurigen Erfahrung nichts mehr von der Liebe wissen will, schafft die temperamentvolle Tallulah es irgendwie, den schweigsamen Cowboy aus der Scheune zurück ins Leben zu locken …

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  • Erscheinungstag 31.05.2025
  • Bandnummer 149
  • ISBN / Artikelnummer 9783751531283
  • Seitenanzahl 432
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Stella Bagwell, Nancy Robards Thompson, Marie Ferrarella, Judy Duarte

BIANCA EXTRA BAND 149

Stella Bagwell

1. KAPITEL

„Oh, verdammt!“, murmelte Tallulah O’Brien vor sich hin, als sie einen lauten Knall hörte und gleichzeitig einen heftigen Ruck im Lenkrad spürte.

Sie brachte den SUV auf dem Seitenstreifen zum Stehen und nahm ihr Handy von der Konsole.

„Warum halten wir an, Nanny Tally?“, wollte Andrew Hollister wissen.

Sie blickte über die Schulter zu den vier kleinen Kindern, die gut angeschnallt in ihren Sitzen auf der Rückbank saßen. Bevor sie die Situation erläutern konnte, fragte Andrews Zwillingsschwester Abagail: „Können wir aussteigen und Wüstensalbei für Mommy pflücken?“

Ihre kleine Cousine Evelyn wandte ein: „Was willst du denn da draußen? Da ist es heiß und Daddy hat gesagt, dass da Klapperschlangen sind. Wenn dich eine beißt, wirst du krank.“

„Stimmt ja gar nicht! Man stirbt, wenn einen ’ne Klapperschlange beißt.“

„Du bist ja blöd!“, konterte Andrew. „Klapperschlangen töten keine Leute. Jedenfalls nicht immer.“

„Ich will nicht, dass mich eine Schlange beißt“, nölte Billy, Evelyns kleiner Bruder und der Jüngste der vier Kinder. „Ich will nach Hause! Ich hab Durst. Ich will was trinken.“

Unter normalen Umständen hätte Tallulah über das Geplapper gelacht. Doch mit vier kleinen Kindern in der Obhut unter der heißen Sonne von Arizona gestrandet zu sein, war alles andere als lustig. „Schluss jetzt! Kein Gerede mehr über Schlangen! Wir werden keine Blumen pflücken und ihr steigt auch nicht aus. Ich steige allein aus und ihr bleibt alle schön angeschnallt sitzen. Verstanden? Andy, erzähl eine Geschichte. Das kannst du so gut. Aber nicht so eine gruselige wie die von der Eule.“

„Okay. Ich erzähl die von Kojote Cletus.“

„Gut.“ Sie stieg aus und fand ihre Vermutung bestätigt. Der rechte Vorderreifen war geplatzt und dermaßen zerfetzt, dass eine Dose Reifendichtmittel nichts hätte ausrichten können.

Mit einem tiefen Seufzer blickte sie die verlassene Schotterstraße, die zur Three Rivers Ranch führte, hinauf und hinunter. Zu beiden Seiten, soweit das Auge reichte, war die wilde Landschaft von Felsen, Agaven, hohen Kakteen und trockenen Grasbüscheln durchsetzt. Und schon in der ersten Maiwoche brannte die Sonne erbarmungslos vom Himmel.

Vor zwanzig Minuten hatte Tallulah die Kinder an der Haltestelle des Vorschulbusses abgeholt, die etwa zehn Meilen vom Ranchhaus entfernt lag, wo die Kinder in einer Viertelstunde zu ihrem Nachmittagssnack erwartet wurden.

Sie stellte sich mit dem Rücken zur Sonne und scrollte durch die Kontakte in ihrem Handy. Gerade als sie die Nummer der Küche eingeben wollte, hörte sie ein Fahrzeug aus Richtung Highway kommen.

Sie drehte sich um, sah einen weißen Truck mit dem Logo der Ranch auf der Seite kommen und atmete erleichtert auf.

Der Truck hielt an. Das getönte Beifahrerfenster öffnete sich und enthüllte einen Fahrer mit markanten Zügen und braunem Cowboyhut auf mittelblonden Haaren. „Probleme?“

Sie strich sich die dunklen windzerzausten Haare aus dem Gesicht und trat zum Truck. „Allerdings. Der rechte Vorderreifen ist geplatzt und ich habe vier kleine Kinder an Bord. Ich bin übrigens Tallulah O’Brien, die Nanny der Hollisters.“

Er stieg aus und ging um den Truck herum zu ihr. Sie lebte erst seit Kurzem auf Three Rivers und kannte daher viele der Arbeiter noch nicht. Diesem Mann war sie definitiv noch nie über den Weg gelaufen. Er war in vielerlei Hinsicht überdurchschnittlich. Er musste weit über eins achtzig groß sein. Verwaschene Jeans und ein Westernhemd betonten seinen kräftigen Körperbau. Leuchtend blaue Augen und ein Grübchen in der linken Wange dominierten sein tief gebräuntes Gesicht.

„Ich bin Jim Garroway. Cowboy auf Three Rivers.“

„Schön, Sie kennenzulernen, Jim.“ Sie reichte ihm die Hand und spürte einen Ruck, als seine raue Handfläche ihre berührte.

„Freut mich, Ms. O’Brien. Nennen Sie mich Jim. Das tun alle.“

Seine Stimme war tief und rau und sehr männlich. Der Klang, gepaart mit seinen auffälligen Zügen, verwirrte momentan ihre Sinne.

Sie räusperte sich und versuchte, den Blick von seinem Gesicht abzuwenden, doch es gelang ihr nicht. „In Ordnung, Jim. Dann nennen Sie mich bitte Tallulah.“

„Sie müssen Tags Schwester sein“, vermutete er, während er ihre Hand losließ.

Seine lebhaften Augen, deren Farbe zum strahlend blauen Himmel passte, nahmen eine gründliche Inspektion ihres Gesichts vor, die ihr deutlich ihre zerzausten Haare und ungeschminkten Lippen bewusst machte.

Bestimmt findet er, dass du total abgekämpft aussiehst. Aber was kümmert’s dich? Er ist kein Kandidat für dich und hat bestimmt Frau und Kinder zu Hause. „Stimmt. Ich bin vor drei Wochen auf die Ranch gezogen.“

Er lächelte vage. „Willkommen auf Three Rivers“, sagte er und drehte sich zum SUV um.

Sie stieß den Atem aus, den sie unbewusst angehalten hatte. „Ich wollte gerade auf der Ranch anrufen, als ich Ihren Truck gehört habe. Falls Sie keine Zeit haben, schickt Blake bestimmt jemanden zum Reifenwechsel.“

Er ging zur Front und begutachtete den Schaden. „Nicht nötig. Ich mache das schon.“

„Ich wäre Ihnen sehr dankbar. Müssen die Kinder aussteigen?“

„Nein. Aber Sie müssen die Parkbremse anziehen.“

„Schon gemacht. Aber vielleicht sollte ich den Motor abstellen. Sicherheitshalber. Die Kinder sind zwar angeschnallt, aber bei Drei- und Vierjährigen kann man nie wissen.“

„Gute Idee.“ Er grinste. „Einer könnte beschließen, es mit Autofahren zu versuchen.“

Während er Wagenheber und Akku-Schrauber aus dem Truck holte, öffnete sie die Fenster und stellte den Motor ab.

Andrew wollte wissen: „Fahren wir mit Onkel Jim nach Hause?“

„Au ja!“, rief Evelyn. „Er fährt so schön schnell!“

Offensichtlich kannten die Kinder ihn gut, woraus Tallulah schloss, dass er schon lange für die Hollisters arbeitete. „Mr. Garroway wird den Reifen wechseln. Ich erwarte von euch, dass ihr ganz still sitzen bleibt, bis er damit fertig ist. Dann fahren wir alle nach Hause.“

Nach dieser Erklärung stieg sie aus und trat zu Jim. „Kann ich irgendwie helfen?“

Ohne in ihre Richtung zu blicken, erwiderte er: „Danke, aber ich komme zurecht.“

Sie bezweifelte nicht, dass er der Aufgabe mit Leichtigkeit gewachsen war. Seine Schultern waren breit und unter den Hemdsärmeln zeichneten sich starke Muskeln ab.

Sie fragte sich, ob man allein durch den Umgang mit Pferden eine so gute körperliche Verfassung bekam oder ob es an den Genen lag. Ihr Blick schien einen eigenen Willen zu entwickeln und wanderte über seine Gestalt zu den kräftigen Schenkeln, die den Jeansstoff dehnten.

„Nanny Tally, mir ist heiß!“, klagte Abagail. „Können wir aussteigen?“

Billy jammerte: „Ich will auch raus!“

Die klagenden Kinder setzten Tallulahs Tagtraum zum Glück ein Ende. Sie ging zum hinteren Fenster und steckte den Kopf hinein. „Geduld, Kinder! Es dauert nur noch ein paar Minuten. Und wenn wir zu Hause sind, kriegen wir alle Limonade.“

„Und Kekse. Ich will Zimtsterne“, verlangte Evelyn.

„Igitt!“, rief Andrew. „Ich will die für Cowboys. Mit Nüssen und Schokolade.“

Tallulah beschloss, sich nicht in die nachfolgende hitzige Diskussion über Kekssorten einzumischen. Sie kehrte zu Jim zurück, der gerade das Rad abzog. „Weil das Ersatzrad unter dem Chassis hängt, sind die Halterungen womöglich festgerostet.“

Er richtete sich zu voller Größe auf. „Sie kennen sich damit aus?“

„Leider hatte ich im Laufe der Jahre einige Reifenpannen und musste die Räder meistens selbst wechseln.“

„Waren keine Guten Samariter in der Nähe?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nicht auf der einsamen Landstraße dort, an der ich gelebt habe.“ Sie spürte ein seltsames Prickeln zwischen den Brüsten, als er ihrem Blick begegnete. Was zum Teufel ist mit dir los? Zu viel Sonne?

„Aha. Tja, ich werde etwas tricksen. Ich habe einen Ersatzreifen im Truck, der so weit passt, dass Sie damit vorsichtig nach Hause fahren können. Dadurch sparen wir beide Zeit. Und den Geräuschen von den Kindern nach zu urteilen, werden sie langsam ungeduldig.“

Sie lachte leise über das laute Geplapper aus dem SUV. „Andy soll den anderen eine Geschichte erzählen. Aber es klingt ganz so, als ob sie versuchen, ihn zu übertönen.“

Jims Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Der Arme! Ich beeile mich lieber, damit die Horde schnell nach Hause kommt.“

Tallulah nickte und beobachtete, wie er das Ersatzrad anbrachte und dann das Werkzeug sowie den geplatzten Reifen im Truck verstaute.

„So, das wars. Ich sage Blake Bescheid, dass der SUV einen neuen Reifen braucht, bevor er wieder gefahren werden kann.“

Impulsiv griff sie nach seiner Hand und drückte sie. „Danke für Ihre Hilfe, Jim. Sie sind mein Retter.“

Überraschung spiegelte sich auf seinem Gesicht. Anscheinend war er es nicht gewohnt, von einer Frau angefasst zu werden.

Schnell entzog er ihr die Hand und trat zurück. „Das war doch nichts Besonderes. Fahren Sie vorsichtig.“

„Immer.“

Er winkte den Kindern zu und stieg in den Truck. Erst als er den Motor startete, wurde Tallulah bewusst, dass sie mitten auf der Straße stand und zu ihm starrte. In der Hoffnung, dass er ihren tranceartigen Zustand nicht bemerkt hatte, stieg sie hastig ein und schnallte sich an. „Okay, ihr könnt jetzt alle Yippie rufen. Es geht ab nach Hause.“

Während die Kinder johlten und in die Hände klatschten, startete sie den Motor und schloss alle Fenster. Dann blickte sie automatisch in den Rückspiegel. Der Truck hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Verunsichert öffnete sie das Fahrerfenster, beugte sich hinaus und warf Jim einen fragenden Blick zu. Er bedeutete ihr durch Gesten, dass er ihr zur Ranch folgen wollte. Sie nickte und fuhr vorsichtig an.

Auf der Fahrt zur Ranch versuchte sie zu ignorieren, dass Jim sich dicht hinter ihr hielt, doch das war unmöglich, da sie ihn immer wieder im Rückspiegel sah. Die Staubwolke, die der SUV aufwirbelte, verschleierte zwar seinen Truck, aber sie brauchte keine klare Sicht, um den Cowboy vor Augen zu haben. Sein Abbild hatte sich ihr längst ins Gedächtnis eingebrannt. Ihr wurde bewusst, dass ihre Reaktion auf sein markantes attraktives Äußeres sehr unreif war. Er mochte zwar ein Traumtyp sein, aber womöglich war er in festen Händen oder sogar Ehemann mit einem Haus voller Kinder.

Tallulah war nach Arizona gezogen, um eine desaströse Ehe hinter sich zu lassen. Mehr als alles andere wollte sie sich ein neues Leben aufbauen. Sich nach einem anderen Mann zu verzehren, war kaum der richtige Weg, um dieses Ziel zu erreichen.

Jim fuhr an dem dreistöckigen Ranchhaus vorbei, hielt neben dem riesigen Rinderstall und eilte zu dem kürzlich angebauten modernen Büro. Er klopfte flüchtig an und betrat den behaglich eingerichteten Raum.

Blake Hollister, groß und muskulös, mit vollem dunklem Haarschopf und mit einundvierzig Jahren der jüngste Hollister-Spross, saß an seinem Schreibtisch. Seit dem Tod seines Vaters managte er die megagroße Ranch nun schon seit über zehn Jahren. Er war ein Typ, der lieber draußen mit den Pferden gearbeitet hätte, doch aus Pflichtgefühl und Verantwortungsbewusstsein beschäftigte er sich überwiegend mit Verwaltungsaufgaben.

Nun lehnte er sich lässig in seinem schwarzen Chefsessel zurück und deutete zu dem Stuhl vor dem großen Schreibtisch aus Kirschholz. „Ich werd nicht mehr! Es ist eine Ewigkeit her, seit du hier drinnen warst. Ich dachte schon, du hättest den Weg zum Kuhstall vergessen.“

Jim grinste und setzte sich. „Ach, ich weiß sehr gut, wie man herkommt. Aber dein Bruder hält mich immer zu sehr mit den Pferden beschäftigt.“

„Ja, ja, Holt hat nie genug Pferde für seinen Geschmack. Was geht drüben im Pferdestall vor? Gibt es etwas, das ich wissen sollte?“

„Seit Colt und Luke mitarbeiten, läuft alles wie am Schnürchen. Die beiden sind einfach die Besten.“

„Ja, die Crawford-Brüder sind ein großer Gewinn für die Ranch. Und was ist mit dir? Alles okay?“

Okay? Ja, das war vermutlich die beste Beschreibung für Jims Leben. Es war gut, aber ereignislos. Er arbeitete jeden Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang und kehrte jeden Abend in ein stilles leeres Haus zurück. Und weil er es so wollte, konnte er sich nicht beklagen. „Sicher. Null Probleme.“

„Das höre ich gern.“ Blake stand auf und ging zu einem kleinen Tisch mit einer Kaffeemaschine. „Möchtest du eine Tasse? Sophia hat gerade frische Kekse vorbeigebracht.“

„Nein, danke. Wenn ich nicht bald im Pferdestall auftauche, gibt Holt eine Suchmeldung raus. Ich wurde unterwegs aufgehalten. Deswegen bin ich hier.“

Blake füllte einen Becher mit Kaffee und trug ihn zum Schreibtisch. „Aufgehalten? Etwa von der Polizei wegen Geschwindigkeitsüberschreitung?“

„Sehr witzig! Nein. Deine neue Nanny und die Kinder waren ein paar Meilen vor der Ranch mit dem SUV liegen geblieben. Ein geplatzter Reifen. Ich hab ein altes Ersatzrad aus meinem Truck montiert, aber das muss ausgetauscht werden, bevor der SUV wieder gefahren werden kann.“

„Verdammt! Ist jemandem was passiert?“

„Nein, nein, alles in Ordnung. Ms. O’Brien hat das Fahrzeug sicher an den Straßenrand gelenkt und die Kinder sind brav sitzen geblieben.“

„Gott sei Dank!“

„Ich bin ihnen zum Haus nachgefahren, um sicherzugehen, dass es kein Problem mit dem Ersatzrad gibt.“

Blake sank in seinen Sessel. „Danke, Jim. Tallulah war bestimmt sehr dankbar für deine Hilfe.“

„Scheint so.“ Jim dachte daran, wie sie überraschend seine Hand genommen und gedrückt hatte. Eigentlich war so ziemlich alles an ihr überraschend für ihn. Vor allem der umwerfende Anblick, als sie reglos mitten auf der Straße gestanden hatte, während ihr die dunklen Haare um das hübsche Gesicht geweht waren. Und das aufrichtige Lächeln, das sie ihm geschenkt hatte, war unvergesslich. „Andererseits hatte ich das Gefühl, dass sie den Reifen sehr gut selbst hätte wechseln können.“

„Das wundert mich nicht. Sie ist eine tatkräftige Frau. Manchmal kümmert sie sich um sechs oder sieben Kinder gleichzeitig, und zwar mit links. Kat nennt sie ihren ‚rettenden Engel‘ und ich muss ihr recht geben. Sie macht das Leben für uns alle leichter. Und da noch mehr Kinder unterwegs sind, bin ich besonders froh, dass Tallulah hier ist.“

Blake war bereits Vater eines halbwüchsigen Sohnes namens Nick und der vierjährigen Zwillinge Abagail und Andrew. Ihr zweites Zwillingspaar sollte Ende August kommen, während Holt und Isabelle ihr drittes Kind bereits im Juni erwarten.

Jim freute sich für die Familie Hollister, doch manchmal überkamen ihn schmerzliche Erinnerungen und Sehnsucht nach dem, was hätte sein können. Doch eigentlich hatte er sich damit abgefunden, dass es ihm nicht bestimmt war, Familienvater zu sein.

Er holte seine abschweifenden Gedanken in die Gegenwart zurück und sagte: „Tallulah wird Kat sicherlich eine große Last abnehmen. Aber ich frage mich …“

Nach einer langen Pause warf Blake ein: „Lass mich raten. Du fragst dich, warum eine hübsche junge Frau wie sie keine eigene Familie hat. Stimmts?“

„So ähnlich. Sie ist nicht das, was ich erwartet hatte.“ Als er erfahren hatte, dass Taggarts Schwester aus Texas kommen sollte, um sich um die Hollister-Kinder zu kümmern, hatte er sich eine unscheinbare vertrocknete Frau mittleren Alters vorgestellt. Wie seine Tante, die ihm in seiner Kindheit den Kopf getätschelt und Bonbons geschenkt hatte.

Weit gefehlt, dachte er, als er Tallulah in hautengen Jeans und leuchtend gelbem Tanktop im Geist vor sich sah. Sie war keine fade spindeldürre Frau, sondern auffallend hübsch und an all den richtigen Stellen wohl gerundet.

Blake schmunzelte. „Was hast du denn erwartet? Eine stereotypische strenge alte Jungfer? Tag würde sich kaputtlachen.“

„Zweifellos.“

„Er ist sehr froh, dass sie auf die Ranch gekommen ist. Drüben in Texas lief es nicht so gut für sie. Angeblich hat sie für einen herzlosen Schuft gearbeitet, und ihr Vater Buck hat immer versucht, sie auszunehmen. Aber das steht auf einem ganz anderen Blatt und ich sollte keine persönlichen Dinge über die O’Briens verbreiten.“

Und ich sollte sie mir nicht anhören. Tallulah O’Brien geht mich nichts an. Trotz dieser Einsicht war Jim neugierig auf sie geworden. „Ich hab lange genug hier rumgetrödelt.“ Er stand auf und ging zur Tür. „Ich muss in den Pferdestall.“

Blake wollte wissen: „Du hast dich doch nicht von meinem Bruder oder den anderen Jungs überreden lassen, auf ein Wildpferd zu steigen, oder?“

„So verrückt bin ich auch wieder nicht. Das Zureiten überlasse ich Holt und den Crawfords.“

„Gut so. Man sieht sich. Und danke, dass du Tallulah geholfen hast.“

„Jederzeit, Blake“, sagte Jim und winkte zum Abschied.

Als er zu seinem Truck ging, hoffte er jedoch inbrünstig, in absehbarer Zeit nicht auf Tallulah O’Brien zu stoßen. Weil sie eine Frau war, die den Seelenfrieden eines Mannes empfindlich stören konnte.

Nachdem Tallulah die Kinder zum Dinner in das Esszimmer gebracht hatte, ging sie in die Küche, wo sie für gewöhnlich nach Feierabend mit den Köchinnen Reeva und deren Enkeltochter Sophia zu Abend aß. Meistens gesellte sich auch Sophias Verlobter Colt zu ihnen.

„Sag bloß nicht, dass du heute ganz allein bist“, staunte Tallulah.

Sophia, eine zierliche Brünette, füllte gerade einen Teller mit Brathähnchen und Gemüse. „Doch, leider. Colt hilft Holt mit einer Stute und Gran hat besonders müde gewirkt. Ich habe sie überredet, früher nach Hause zu gehen.“

„Mich wundert sowieso, dass sie jeden Tag schon vor Tagesanbruch hier auftaucht und drei Mahlzeiten kocht. Ich kann nur hoffen, dass ich mit Anfang siebzig auch nur die Hälfte von ihrem Pensum schaffe. Eigentlich bin ich nicht mal sicher, ob ich es jetzt könnte.“

Sophia lachte. „Du bist doch gerade mal dreißig!“ Sie seufzte. „Ich wünschte, Gran würde sich zur Ruhe setzen oder zumindest die Arbeitszeit halbieren. Aber ich schlage es ihr lieber nicht vor. Sie wäre entsetzt von der Idee und muss selbst merken, wann sie kürzertreten sollte. Diese Küche ist ihr ganzer Lebensinhalt. Nimmt man ihr den, verliert sie ihre Bestimmung.“

Tallulah holte sich einen Teller, trat an den riesigen Herd und bediente sich. „Wir alle brauchen etwas, durch das wir uns nützlich und gebraucht fühlen. Bevor ich hergekommen bin, hat mir eine vermeintliche Freundin drüben in Muleshoe gesagt, dass ich mehr aus meinem Leben machen muss, als mich um fremde Kinder zu kümmern. Obwohl ich mich als Nanny nützlich fühle, habe ich meine Entscheidung prompt angezweifelt. Dann hat mein großer Bruder mir zum Glück klargemacht, dass ich tun muss, was ich selbst für das Beste halte. Nicht, was andere glauben, dass ich tun sollte.“

„Als ich hergekommen bin, haben meine Freunde in Kalifornien mich für verrückt erklärt, weil ich eine gut bezahlte Stellung als Innenarchitektin aufgegeben habe, um ‚für Tabak spuckende Cowboys den ganzen Tag an einem heißen Herd zu stehen‘.“

„Ich habe hier noch niemand Tabak spucken gesehen.“

Sophias Entscheidung, ihr Leben umzukrempeln, hatte sich ausgezahlt. Sie liebte ihre Arbeit. Ein attraktiver Cowboy hatte ihr einen wundervollen Verlobungsring an den Finger gesteckt, und im Juni war die Hochzeit geplant.

„Ich hatte in Muleshoe keinen imponierenden Job. Aber für manche Leute ist Büroarbeit einfach respektabler als Kinderpflege.“

Die beiden setzten sich mit ihren Tellern in die Essecke.

„Manche Leute sind Idioten“, meinte Sophia. „Du bist der Familie sehr wichtig – eigentlich uns allen.“

„Es ist sehr nett, dass du das sagst. Als ich hergekommen bin und die Hollister-Kinder kennengelernt habe, wusste ich, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe – auch wenn ich mich manchmal wie eine Dompteuse im Zirkus fühle.“

Sophia lachte. „Die Kinder waren heute ganz aus dem Häuschen, als sie nach Hause gekommen sind. Der Reifenplatzer scheint ihnen Spaß gemacht zu haben.“

„Für sie war es ein Abenteuer. Zum Glück. Sie haben keine Probleme gemacht.“

„Und was hältst du von Jim?“

Die Frage traf Tallulah unvorbereitet. Nachdenklich rührte sie Zucker in ihren Eistee. „Inwiefern?“

„Tu nicht so naiv! Findest du ihn niedlich?“

„Ist er nicht ein bisschen zu alt, um niedlich genannt zu werden?“

Alt? Du brauchst wohl eine Brille. Ich denke, er ist noch nicht mal vierzig.“

„So habe ich es nicht gemeint. Das Wort ‚niedlich‘ trifft auf Teenager oder Twens zu. Jim ist eher …“ Tallulah verstummte verlegen.

„Los, raus damit!“

„Ein heißer knackiger Kerl.“

Sophia legte ihre Gabel nieder und klatschte in die Hände. „Yippie! Du denkst endlich wie eine Frau.“

„Ich frage lieber nicht, was das heißen soll.“

„Als ob du das nicht wüsstest! Zum ersten Mal, seit ich dich kenne, zeigst du einen Funken Interesse an einem Single von der Ranch.“

„Er ist Single?“

„Allerdings.“

„Kennst du ihn persönlich?“

„Ich hab bloß ein paarmal im Pferdestall mit ihm gesprochen. Colt meint, dass Jim jemanden braucht, mit dem er sein Leben teilen kann.“ Ein verträumter Ausdruck trat auf Sophias Gesicht. „Seit wir verlobt sind, meint er, dass jeder Mann eine Frau haben sollte.“

„Hm. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass nicht jeder Mann eine Frau im Leben braucht. Manch einer ist lieber frei und ungebunden. Ich kann mir vorstellen, dass Jim auch so ein Typ ist.“

„Anstatt unbegründete Vermutungen anzustellen, wäre es besser, ihn näher kennenzulernen und herauszufinden, was für ein Typ er wirklich ist.“

„Mag sein.“ Seit Jim aus dem Truck gestiegen war, bekam Tallulah sein Bild nicht mehr aus dem Kopf. Es wirkte beängstigend, dass ein Fremder, mit dem sie kaum fünfzehn Minuten verbracht hatte, eine so starke Wirkung auf sie ausübte. „Aber ich will mir keine Probleme einhandeln.“

Sophia verdrehte die Augen. „Warum sollte Jim dir Probleme machen? Er ist ein guter Kerl. Ich bin überzeugt, dass er ein perfekter Gentleman ist.“

„Ich bezweifle, dass die Hollisters jemanden beschäftigen, der kein Gentleman ist.“

„Was hält dich also ab?“

„Ich bin hierhergezogen, um neu anzufangen. Nicht, um die Fehler zu wiederholen, die ich mit Shane gemacht habe. Das bedeutet, einen kühlen Kopf zu bewahren.“

„Mit anderen Worten: sichere Distanz zu allen Männern zu halten.“ Sophia schüttelte den Kopf. „Ich habe mir dasselbe geschworen, als ich auf die Ranch gekommen bin. Ich hatte mit Tristan die Hölle durchgemacht und war überzeugt, dass ich nie wieder lieben oder vertrauen könnte. Aber ich habe schnell gelernt, dass sich alles ändert, wenn der Richtige vorbeikommt.“

Tallulah musste sich eingestehen, dass sie bei Jims Anblick ein Fünkchen körperliche Zuneigung verspürte. Wie es jeder normalen lebendigen Frau ergehen würde. Aber sie war nicht bereit, ihr Herz zu öffnen. Nicht einmal einem Mann mit himmelblauen Augen und einem charmanten Lächeln, das ihr Schauer über den Rücken jagte. „Du hast eben deinen Seelenverwandten gefunden. Du bist ein Glückskind. Aber was Jim angeht, vergisst du ein wichtiges Detail.“

„Ach? Und das wäre?“

„Selbst wenn ich an ihm interessiert wäre, findet er mich nicht im Mindesten attraktiv.“

Sophia brach in Gelächter aus. „Das ist das Witzigste, was ich seit einer Ewigkeit gehört habe. Ich wette, dass er in diesem Augenblick an dich denkt und sich furchtbar ärgert, dass er dich nicht nach deiner Telefonnummer gefragt hat.“

„Red keinen Unsinn und iss auf! Dann helfe ich dir beim Aufräumen.“

„Ich will doch bloß, dass du glücklich bist.“

„Das bin ich doch. Ich lebe hier in dem großen Haus in einer hübschen eigenen Suite. Ich komme gut mit den Kindern und allen anderen auf der Ranch aus. Ich bin glücklicher als seit vielen Jahren. Warum sollte ich mir das durch einen Mann verderben?“

„Wenn du schließlich den Richtigen findest, musst du das nicht mehr fragen.“

Tallulah sagte nichts dazu. Das Thema Liebe und sexy Cowboy war ihr sehr unangenehm. Zum Glück ritt Sophia nicht länger darauf herum, sondern berichtete von zwei Katzen aus dem Tierasyl, die in den Heuschober eingezogen waren.

Doch insgeheim dachte Tallulah an Jim und fragte sich, wann sie ihn wohl wiedersehen würde.

2. KAPITEL

Am nächsten Nachmittag saß Tallulah mit den Kindern in der Küche beim üblichen Snack nach der Schule, als das Wandtelefon klingelte.

Reeva, eine große schlanke Frau mit langem grauem Haarzopf, nahm den Hörer ab, meldete sich und sagte nach einer kleinen Pause: „Ja, sie ist hier. Wollen Sie mit ihr sprechen?“ Eine weitere Pause folgte. „Aber es wird ein paar Minuten dauern. Die Kinder haben noch nicht aufgegessen.“ Sie legte den Hörer auf und ging zum Tisch.

„Wer war das?“, fragte Tallulah.

„Jemand, der noch nie einen Haufen Kinder bändigen musste“, murrte Reeva kopfschüttelnd. „Holt will, dass Sie diese Horde in den Pferdestall bringen.“

„Alle?“

„Ihm ist egal, ob Sie vier oder zehn Kinder bringen. Sie wissen doch, wo der Stall ist, oder? Es ist das große weiße Gebäude mit dem roten Blechdach.“

„Ja, ich weiß. Maureen hat mich ganz am Anfang mal über die Ranch geführt. Haben Sie eine Ahnung, was wir da sollen?“

Reeva zuckte die Schultern. „Holt hat irgendeine Überraschung für die Kids. Mehr weiß ich auch nicht.“

Die Kinder hatten das Gespräch verfolgt, zappelten aufgeregt auf ihren Stühlen herum und plapperten wild drauflos.

Billy war der Lauteste. „Ich hab aufgegessen, Nanny Tally. Kann ich meine Cowboystiefel holen?“

„Ich will meine auch“, verkündete Andrew.

Madison, die zweijährige Tochter der Haushälterin Jazelle, hämmerte mit ihrem Löffel auf das Tablett des Hochstuhls und schrie: „Ich gehen!“

Evelyn rief: „Ich will meine Jeans!“

„Genau! Wir können nicht in Kleidern in den Stall“, meinte Abagail.

„Okay, alle ab nach oben zum Umziehen. Aber beeilt euch“, drängte Tallulah. „Euer Onkel Holt hat viel zu tun und wir wollen ihn nicht warten lassen.“

Die vier größeren Kinder sprangen auf und rannten aus der Küche. Sie hob sich Madison auf die Hüfte und folgte ihnen die Treppe hinauf.

Fünf Minuten später verfrachtete sie die Kinder in den SUV, der inzwischen ein neues Rad bekommen hatte.

„Warum können wir nicht laufen, Nanny Tally?“, wollte Andrew wissen.

„Genau“, pflichtete Abagail ihm bei. „Mommy geht immer mit uns zu Fuß.“

„Nächstes Mal machen wir das auch. Versprochen. Aber jetzt wollen wir euren Onkel nicht warten lassen. Und je schneller wir da sind, umso schneller kriegt ihr die Überraschung zu sehen.“

Billy rief vom Rücksitz: „Ich weiß, was es ist! Daddy hat uns eine Ziege geholt. Er hat nämlich gesagt, dass wir Ziegenmilch trinken müssen, damit wir groß und stark werden. Aber ich bin schon echt stark. Guck mal!“

Tallulah beobachtete im Rückspiegel, wie er seinen Bizeps anzuspannen versuchte. Seine Schwester kicherte über seine Anstrengung, und dann lachten alle Kinder und spekulierten lautstark über die Überraschung.

Währenddessen dachte Tallulah an Jim und die Möglichkeit, ihm im Pferdestall zu begegnen. Sie war sich nicht sicher, wie sie dazu stand. Mach dir nichts vor. Du weißt genau, dass du darauf brennst, den Cowboy wiederzusehen. Du hast beim Einschlafen an ihn gedacht und beim Aufwachen schon wieder.

Entschieden verdrängte sie die innere Stimme, als sie den Pferdestall erreichte. Sie parkte neben der offenen Doppeltür und half den Kindern vom Rücksitz.

„Brauchen Sie Hilfe?“

Die tiefe Stimme klang vage vertraut in ihren Ohren und ließ ihr Herz hämmern. Sie spähte über die Schulter und sah Jim einige Schritte hinter sich stehen.

Er trug ein gestreiftes Hemd in verschiedenen Grüntönen, abgewetzte hellbraune Chaps mit verziertem Gürtel über Bluejeans und einen tief in die Stirn gezogenen dunkelbraunen Cowboyhut.

Sehr Wildwest und ganz Mann, dachte sie unwillkürlich. „Hallo, Jim.“

„Hallo.“ Er trat näher. „Ich habe Sie vorfahren sehen und mir gedacht, dass Sie alle Hände voll haben könnten.“

Sie lächelte ihn dankbar an. „Da haben Sie richtig gedacht. Ich habe den Kindern aufgetragen, mir nicht von der Seite zu weichen. Aber sie neigen dazu, vor lauter Aufregung Anordnungen zu vergessen.“

„Holt ist ganz hinten im Stall. Ich begleite Sie und passe auf, dass die Kids keinen Unfug machen.“

„Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Jungs übernehmen“, sagte sie, bevor sie Madison aus dem Kindersitz hob.

Jim musterte die Kleine. „Ist das Ihre Tochter?“

„Oh nein! Ich habe keine Kinder. Das ist Madison, die Tochter von Jazelle und Connor. Ich dachte, Sie kennen die Murphys.“

„Das stimmt. Aber ihre Tochter habe ich noch nie gesehen.“

Anscheinend ist er nicht oft im Ranchhaus zu Besuch, dachte sie und trat näher zu ihm. „Maddie, sag Hallo zu Jim.“

Mit großen blauen Augen musterte die Kleine ihn. Dann kicherte sie und deutete mit dem Zeigefinger auf ihn. „Jim Ziege reiten!“

Er schmunzelte verhalten, während die älteren Kinder laut lachten.

„Vielleicht könnte ich mit Ziegen besser umgehen als mit Pferden.“ Er nahm Andrew und Billy bei den Händen. „Kommt, Jungs, wir gehen schon mal vor.“

Tallulah folgte ihnen mit Abagail, Evelyn und Madison in das riesige Gebäude.

Nach dem strahlenden Sonnenschein draußen wirkte es drinnen schummrig, trotz mehrerer Oberlichter in der hohen Decke und Leuchtstoffröhren an den Dachsparren. Die Gerüche nach Heu, Pferd und Stroh stiegen ihr in die Nase, während das Wiehern von Pferden, das Surren von Ventilatoren, die Stimmen von Arbeitern und die leisen Klänge aus einem Radio zu einer Geräuschkulisse verschmolzen, die beinahe die aufgeregten Rufe der Kinder übertönte.

„Ich war noch nie in diesem Stall“, teilte sie Jim mit, während sie durch die breite Boxengasse gingen. „Er ist ja riesig! Und so viele wundervolle Pferde.“

„Three Rivers macht keine halben Sachen. Hier ist alles erstklassig. Aber Sie haben vermutlich einen hochmodernen Betrieb mit Beton statt Schotter und schicken Boxen erwartet.“

„Ehrlich gesagt, wusste ich nicht, was ich erwarten sollte“, gestand Tallulah ein. „Hier wirkt es eher traditionell.“

„Stimmt. Die Hollisters sind Verfechter der schlichten ursprünglichen Westernart. Aber Ihr Bruder hat Ihnen bestimmt schon erzählt, auf welche Weise die Ranch betrieben wird.“

„Er hat mir von der Rinderzucht erzählt, aber nicht von der Pferdezucht.“

„Pony! Guck mal, Nanny! Will streicheln!“ Madison patschte Tallulah mit einer Hand auf die Wange, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, und deutete zu einem Palomino, der den Kopf über die Boxentür streckte.

„Das geht nicht, Maddie. Das Pony könnte beißen.“

„Er würde sehr wahrscheinlich beißen“, bestätigte Jim. „Er ist ein Hengst. Beißen liegt in seiner Natur.“

Sie blickte zu ihm hinüber und fragte sich, was er an sich hatte, das ihr Herz schneller schlagen ließ. Sie war schon ihr ganzes Leben lang von Cowboys umgeben. Sie war daran gewöhnt, raue Männer in Jeans und Stiefeln und mit tief ins Gesicht gezogenen Hüten zu sehen. Doch keiner von denen hatte sie so fasziniert wie Jim. Seine markanten Züge und sein kräftiger, hoch aufgeschossener Körper erinnerten sie an Gemälde aus dem frühen Wilden Westen. Er wirkte wie ein Mann, der hart ums Überleben kämpfte.

„Onkel Jim, hat Daddy uns eine Ziege geholt?“, fragte Evelyn.

Billy wollte wissen: „Hat sie Hörner und Milch?“

Madison schrie Tallulah ins Ohr: „Ziege! Reiten!“

„Wir kriegen Milch von der Ziege. Wir reiten sie nicht“, korrigierte Andrew.

Jim zog verwundert die Augenbrauen hoch und fragte Tallulah: „Die Kids denken, dass es um eine Ziege geht?“

Sie nickte. „Aber ich weiß nicht, ob Holt in Ziegen macht.“

Zum ersten Mal, seit sie Jim kannte, lachte er. Es klang tief und sonor und wirkte auf ihre Sinne wie eine streichelnde warme Hand auf nackter Haut.

„Bisher jedenfalls nicht“, murmelte er.

Am Ende der Boxengasse kamen sie zu einem großen runden Pferch mit Betonboden und Dusche.

„Hier werden die Pferde gebadet, Nanny Tally“, erklärte Abagail. „Ihre Haare werden eingeseift – genau wie meine.“

„Bestimmt werden ihre Haare dadurch genauso hübsch wie deine.“

„Ich mag nicht baden.“ Andrew verzog das Gesicht. „Nass werden ist eklig. Außer beim Schwimmen im See.“

Während Evelyn ihm erklärte, dass baden besser war als stinken, blickte Tallulah verstohlen zu Jim. Angeblich war er ungebunden. Was vermutlich bedeutete, dass er keine Kinder hatte. Wünschte er sich eine Familie? Oder war er zufrieden mit seinem Singledasein? Wie auch immer, seine Einstellung zu diesem Thema ging sie nichts an.

Sie kamen zu einer Metalltür. „Dahinter ist die Abfohlstation.“ Jim ließ Andrews Hand los, um die Tür zu öffnen. „Aber keine Sorge. Die Kids werden nichts Unangemessenes sehen. Heute wird nichts geboren.“

„Danke für Ihre Rücksicht“, sagte Tallulah.

„Wenn man auf einer Ranch aufwächst, kriegt man früh genug Geburten zu sehen.“

Sie nickte und schob die Mädchen zur Tür hinein. Jim folgte ihr mit den beiden Jungen.

„Da ist Onkel Holt!“, rief Abagail.

Kurz nach der Ankunft auf Three Rivers hatte Tallulah die Hollister-Brüder kennengelernt. Blake managte die gesamte Ranch, während Holt für die Pferdezucht verantwortlich war. Chandler, der Zweitälteste, betrieb eine sehr erfolgreiche Tierarztpraxis am Stadtrand von Wickenburg. Joseph, der Jüngste, war Deputy im Yavapai County. Alle vier waren erfolgreiche, familienorientierte Männer.

„Hey, Kids!“ Holt schenkte allen ein Lächeln. „Bereit für eure Überraschung?“

„Ja!“, schrien alle gleichzeitig.

Er wandte sich an Tallulah. „Danke, dass Sie die ganze Horde hergebracht haben.“

„Gern. Jim hat mir geholfen, sie sicher durch den Stall zu führen.“

Er wandte sich an Jim. „Guck nicht so belämmert aus der Wäsche. Die Jungs werden dich nicht beißen. Zumindest glaube ich das nicht.“

„Ich bin eher daran gewöhnt, mit Fohlen umzugehen.“

„Soweit ich weiß, sind Pferde so ziemlich das Einzige, mit dem du umgehst“, scherzte Holt. „Maddie, komm zu mir.“ Er nahm sie Tallulah ab. „Alle anderen mir nach!“

Überraschenderweise liefen die Kinder nicht voraus, sondern hielten sich dicht bei ihm, bis sie ein Gehege aus weiß gestrichenem Eisenrohr erreichten. Darin stand ein braunes Shetlandpony mit zotteliger goldener Mähne.

Die Kinder kreischten laut und bombardierten Holt mit Fragen.

„Seid still und hört zu!“, verlangte er. „Das ist Ranger Red. Er gehört jetzt euch allen zusammen.“

„Aber der ist ja gar nicht rot“, wandte Abagail ein.

„Stimmt, aber er heißt trotzdem so.“

„Können wir ihn jetzt reiten?“, drängte Andrew.

„Heute noch nicht. Ranger Red war sehr lange hierher unterwegs und er kennt sein neues Zuhause und euch Kinder noch nicht. In ein paar Tagen, wenn er sich eingelebt hat, werden wir ihn satteln und ihr könnt alle reiten.“

Madison tätschelte seine Wange. „Ziege reiten! Ich reiten!“

Lachend erklärte er ihr, dass Ranger Red ein Pony und keine Ziege war. Dann wandte er sich an Tallulah und Jim: „Ich habe Isabelle gesagt, dass ich mit einem Mädchen nichts anzufangen wüsste, aber inzwischen denke ich, dass ich doch klarkommen würde.“

„Wie geht es Isabelle denn?“, erkundigte sich Tallulah.

„Davon abgesehen, dass sie zu viel auf der Ranch arbeitet, geht es ihr sehr gut.“

Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Jims Miene plötzlich sehr angespannt wirkte. Hing diese seltsame Reaktion mit Isabelle zusammen? Oder brannte er darauf, dass sie und die Kids ihren Besuch im Stall beendeten und ihn wieder an die Arbeit gehen ließen? Was kümmert es dich, was er für ein Gesicht zieht? Du bist doch nicht an ihm interessiert. Also hör auf, dir Gedanken über den Mann zu machen!

Sie verdrängte die nervige Stimme in ihrem Kopf und trat zu ihm. „Das Pony scheint ein Volltreffer bei den Kids zu sein.“

Er blickte sie an. Das Stirnrunzeln verschwand. „Maureen ist der Meinung, dass ihre Enkel alt genug sind, um ein eigenes Tier zu haben, und Holt hat genug Geduld, um ihnen beizubringen, ein Pferd zu reiten und zu versorgen.“

„Ich bin überzeugt, dass Sie auch genügend Geduld hätten.“

Er wandte den Blick ab. „Nicht wirklich. Ich habe viel Erfahrung mit Pferden, aber nicht mit Kindern.“

Seine Stimme klang ein wenig gereizt in ihren Ohren. Deshalb sagte sie schmunzelnd: „Ich weiß eine Menge über Kinder, aber sehr wenig über Pferde. Vielleicht sollten wir uns austauschen.“

„Ich habe nicht vor, Kinder zu bekommen.“

„Das macht ja nichts. Ich habe auch nicht vor, Pferde zu bekommen.“

Einen Moment lang starrte Jim sie an. Dann breitete sich ein ausgewachsenes Lächeln auf seinem Gesicht aus und enthüllte strahlend weiße Zähne. „Ich schätze, das habe ich verdient.“

Tallulah wurde bewusst, dass sie mehr Zeit mit ihm verbringen wollte. Sie räusperte sich. „Ich schätze, Sie verdienen eine Belohnung dafür, dass Sie mir zwei Tage hintereinander zur Hilfe gekommen sind.“

„Nicht wirklich.“

„Doch, wirklich. Ich möchte gern etwas für Sie tun. Mögen Sie mexikanisches Essen?“

„Wer mag das nicht?“

„Gut. Wollen Sie heute Abend vorbeikommen und mit mir essen? Sie werden niemandem etwas wegnehmen. Reeva und Sophia kochen immer Unmengen.“

Überraschung spiegelte sich in seinen Augen. Dann sagte er: „Das ist sehr nett von Ihnen, aber ich möchte nicht stören.“

Ihr fiel auf, dass sein Blick zu Holt und den Kindern glitt. Anscheinend dachte er, dass sie die Mahlzeiten mit den Hollisters einnahm. „Aber Sie stören überhaupt nicht. Ich esse immer in der Küche mit Sophia und Reeva. Und Colt kommt dazu, wenn er Zeit hat. Aber wenn es Ihnen lieber ist, können wir beide auch auf dem Patio essen. Was sagen Sie dazu?“

Eine feine Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen, als würde er eine lebensverändernde Entscheidung abwägen.

Was glaubt er, was ein Abendessen mit mir bewirken würde? Seinen Verstand umnebeln? Ihn zu Tode langweilen? „Tut mir leid. Ich hätte zuerst fragen sollen, ob Sie schon etwas anderes vorhaben.“

Seine Augenbrauen schossen in die Höhe. „Bei mir gibt es nie mehr als zwei Möglichkeiten zum Dinner. Entweder esse ich mit den Jungs in der Baracke oder zu Hause mit meiner Katze.“

Das Ausmaß der Erleichterung, die in ihr aufstieg, ließ sie an ihrem Verstand zweifeln. „Und welche Möglichkeit haben Sie für heute Abend auserwählt?“

„Meine Katze hat gewonnen.“

Sie lächelte ihn an. „Vielleicht macht es Ihrer Katze ja nichts aus, heute Abend auf das Essen mit Ihnen zu verzichten.“

Jim zuckte die Schultern. „Sie wirds vermutlich überleben. Also danke. Wann soll ich kommen?“

„Kurz nach sieben. Ich muss vorher noch die Kinder fürs Abendessen fertig machen.“

„Das ist mir recht.“

Vor lauter Freude drängte es sie, ihn zu umarmen. Doch es gelang ihr, ihren Enthusiasmus zu zügeln und sich auf ein Lächeln zu beschränken. „Gut.“

„Hey, Jim!“, rief Holt. „Wenn du Ranger Red auf die Koppel führst, helfe ich Tallulah, die Kinder durch den Stall zu bringen.“

„Geht klar.“ Jim warf ihr einen Blick zu. „Bis später.“

„Ich freue mich darauf“, versicherte sie.

Doch kurz darauf, als sie mit den Kindern zum Ranchhaus zurückfuhr, fragte sie sich, was sie sich dabei gedacht hatte. Noch am Vorabend hatte sie im Brustton der Überzeugung erklärt, dass sie sich mit keinem Mann einlassen wollte und überhaupt nicht an Jim interessiert war.

Nun prickelte ihr ganzer Körper vor Aufregung bei der Vorstellung, mit ihm allein zu sein. Hatte sie den Verstand verloren? Oder wollte ihr Herz ihr mitteilen, dass es an der Zeit war, wieder eine Vollblutfrau zu sein?

3. KAPITEL

Während Jim nach dem Duschen in ein sauberes Hemd schlüpfte und sich sorgfältig die Haare föhnte, fragte er sich, warum er sich solche Mühe mit seinem Äußeren machte. Es bestand kein Grund, sich für Tallulah aufzubrezeln. Es war schließlich kein Date.

Auf dem Weg zum Haupthaus sagte er sich, dass ihre spontane Einladung nicht romantisch, ja nicht einmal persönlich gemeint war. Es war nur ihre Art, sich zu bedanken. Also kein Grund, mehr hineinzuinterpretieren.

Trotzdem war er ein wenig nervös, als er die hintere Veranda betrat. Bevor er an die Küchentür klopfen konnte, ging sie auch schon auf.

Tallulah erschien mit einem Tablett in den Händen und einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht. „Hi, Jim! Ihr Timing ist perfekt.“

Verstohlen musterte er sie in ihrem gelb geblümten Sommerkleid und den braunen Cowboystiefeln. Er deutete zu dem Tablett. „Kann ich Ihnen das abnehmen?“

„Gern.“ Sie überreichte es ihm und schloss die Tür. „Kommen Sie mit.“

Er folgte ihr durch den riesigen überdachten Patio, auf dem die Hollisters sich oft zu einem Aperitif vor dem Dinner versammelten. Er diente außerdem als Partylocation, wenn es etwas zu feiern gab, was auf Three Rivers recht häufig vorkam.

Sie führte Jim zu einem kleinen, hübsch eingedeckten Tisch aus Schmiedeeisen. In der Mitte stand eine dicke Kerze. Der Docht war bereits angezündet und die Flamme flackerte sanft im Wind.

Der Anblick löste einen Anflug von Panik in ihm aus. Ein Dinner bei Kerzenschein. Zu zweit. Das war nicht sein Ding.

Sei nicht albern, redete er sich ein. Sie hat die Kerze bloß angezündet, um Mücken zu vertreiben. Sie will dich bestimmt nicht verführen! Er stellte das Tablett ab und rückte einen Stuhl für Tallulah zurecht. Während er sich setzte, schenkte sie Tee ein.

„Wir sind ja die Einzigen hier draußen“, wunderte er sich.

„Sophia und Colt wollten eigentlich dazustoßen. Aber weil er sich gestern das Schlüsselbein angeknackst hat, verwöhnt sie ihn lieber zu Hause. In einem Polstersessel mit einem Kissen im Rücken hat er es bequemer als hier draußen.“

Jim stieß ein drolliges Knurren aus.

Überrascht fragte sie: „Sie finden es komisch, dass Colt sich verletzt hat?“

„An einem angeknacksten Schlüsselbein ist nichts komisch. Ich war dabei, als es passiert ist. Ein zweijähriges Pferd hat ihn abgeworfen.“

Fassungslos starrte sie ihn an. „Und Sie haben darüber gelacht?“

„Nein. Einen Moment lang habe ich befürchtet, dass er sich das Genick gebrochen hat. Ich habe ihn in die Klinik gefahren. Lustig finde ich, dass Sophia ihn bemuttert. Weiß sie nicht, dass er heute den ganzen Tag im Sattel gesessen hat? Er ist zäh wie Leder. Er braucht keinen bequemen Sessel. Aber er genießt es bestimmt, verhätschelt zu werden.“

Sie runzelte die Stirn. „Der Arzt hat ihm sicherlich nicht geraten zu reiten.“

„Ich glaube nicht, dass es auf dieser Ranch auch nur einen einzigen Mann gibt, der den Rat eines Arztes befolgt. Das ist nicht die Cowboy-Art.“

Tallulah schmunzelte. „Sie klingen wie mein Bruder. Selbst im Fieberwahn oder mit zwei gebrochenen Beinen würde er versuchen, sich zu seinem Pferd zu schleppen. Ich hätte wissen müssen, dass Colt genauso ist.“ Sie zog das Leinentuch vom Tablett. „Bedienen Sie sich. In der Küche ist noch reichlich. Also brauchen Sie sich nicht zurückzuhalten.“

„Meine Mom hat mir beigebracht, Damen den Vortritt zu lassen. Also, Sie zuerst.“

„Okay. Ehrlich gesagt habe ich riesigen Hunger. Es war ein anstrengender Tag. Ich glaube, mein Lunch hat aus drei Crackern bestanden. Es ist zu lange her, um mich genau zu erinnern.“

Jim beobachtete, wie sie zwei Enchiladas und einige Tacos auf ihren Teller häufte. Ihm fiel auf, dass sie hübsche glatte Hände mit perlmuttrosa lackierten kurzen Fingernägeln hatte und keinen einzigen Ring trug.

„Ich habe auch Pico de Gallo und Guacamole mitgebracht.“ Sie öffnete zwei kleine Plastikbehälter und löffelte aus beiden etwas auf ihren Teller. „Ich bin fertig. Bedienen Sie sich.“

„Gern.“ Köstliche Gerüche stiegen ihm in die Nase, als er seinen Teller füllte. „In der Arbeiterbaracke gibt es heute Gulasch mit Maisbrot. Das schmeckt gut, aber nicht so gut wie das hier.“

Sie griff zu einem Taco. „Wo essen Sie öfter? In der Baracke mit den Cowboys oder zu Hause mit Ihrer Katze?“

„Wahrscheinlich zu gleichen Teilen. Ich kann nicht gut kochen. Ich neige dazu, alles anbrennen zu lassen.“

Schmunzelnd aß Tallulah einen Bissen, bevor sie fragte: „Haben Sie ein eigenes Haus hier auf der Ranch?“

„Nein, aber mein Haus ist nicht weit von hier. Kennen Sie die Bar X?“

Sie nickte.

„Gleich dahinter zweigt eine kurze Straße ab. Da steht mein Haus. Direkt an einem Steilufer bei einem Pinienwäldchen.“

„Das klingt gut. Wohnen Sie schon lange dort?“

Jim löffelte etwas Pico auf seine Enchiladas. „Fast zehn Jahre. Seit ich für die Hollisters arbeite. Vorher habe ich auf einer Rennbahn in Prescott Valley gearbeitet.“

Ihre Augenbrauen schossen in die Höhe. „Was haben Sie da gemacht?“

„Ich war Pferdewirt. Das bedeutet, die Pferde zu pflegen und zu trainieren und allgemein dafür zu sorgen, dass sie glücklich und zufrieden sind und gesund bleiben.“

„Das klingt sehr komplex.“

„Das ist es auch. Man wird der engste Vertraute der Pferde.“

„Und warum haben Sie einen Pferdeberuf gegen einen anderen getauscht?“

„Mir hat der Job sehr gut gefallen. Es war aufregend. Besonders, wenn eines der Pferde in meiner Obhut ein Rennen gewonnen hat. Aber …“ Er musste tief Luft holen, bevor er weitersprechen konnte. „Meine Frau ist bei einem Unfall gestorben und danach … Na ja, ich habe eine Veränderung gebraucht. Ich musste mir ein neues Leben aufbauen. Das Jobangebot hier kam wie gerufen. Die Hollisters kennenzulernen und auf Three Rivers zu arbeiten, hat mir geholfen, mich über Wasser zu halten. Mental wie finanziell.“

Während sie mit ihren sanften braunen Augen eindringlich sein Gesicht musterte, fürchtete er, dass sie ihn mit Fragen über den Tod seiner Frau bombardieren könnte. Momentan wollte er nicht tiefer in diese finstere Phase seines Lebens eintauchen. Nicht, weil es ein Geheimnis war, sondern weil er die Zeit mit Tallulah nicht in eine Trauerfeier ausarten lassen wollte.

„Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Ich hätte nicht gedacht, dass wir beide so viel gemeinsam haben. Das soll nicht heißen, dass ich Witwe bin. Aber ich war drei Jahre verheiratet und die Ehe ist in die Brüche gegangen.“ Sie lächelte matt und schüttelte den Kopf. „Ich bin in Muleshoe geblieben, weil ich lange in der Gegend gelebt hatte und meine Freunde und meine Arbeitsstelle dort waren. Aber schließlich hat Tag mich zu einem Neuanfang überredet.“

Mit seltsam gemischten Gedanken und Gefühlen starrte Jim sie an. Anstatt ihn wie befürchtet auszufragen, hatte sie ihm Informationen über sich selbst geliefert und damit sein Interesse am Grund für das Scheitern ihrer Ehe geweckt. „Es ist schön, dass Sie hierher auf die Ranch ziehen konnten. Wohnen Sie bei Ihrem Bruder und seiner Frau?“

„Oh nein. Tag und Emily-Ann haben mir zwar angeboten, bei ihnen einzuziehen, aber ich will sie nicht stören. Sie sind ja praktisch Frischvermählte mit einem Baby.“ Sie spießte einen Happen Enchilada auf. „Ich wohne in einer kleinen Suite im Haupthaus. Ich habe dort alles, was ich brauche, und ich bin in der Nähe der Kinder, falls sie mich mitten in der Nacht brauchen.“

„Und wie gefällt Ihnen die Gegend hier?“

Tallulah lächelte ihn an und er staunte über das strahlende Funkeln in ihren Augen. Was immer sie in Texas hinter sich gelassen hatte, schien sie nicht zu verfolgen. Zumindest nicht an diesem Abend. Sie wirkte glücklich und lebensfroh, und das hob unwillkürlich seine Stimmung.

„Ich liebe die krassen Gegensätze zwischen den Bergen und den Wüsten. Aber vor allem das Weideland in den Tälern überrascht mich. Ich hatte nicht so viel Grün erwartet.“

„Damit das so bleibt, müssen wir achtsam mit den Wasservorräten umgehen. Stachlige Vegetation haben wir mehr als genug. Die macht bei den Viehtrieben Rindern wie Cowboys das Leben schwer.“

Sie schmunzelte. „Als ich Tag von der Schönheit der Kakteen vorgeschwärmt habe, hat er mich vor den fiesen Stacheln gewarnt. Alles hat wohl eine gute und eine schlechte Seite. Ich bin gespannt, wie es hier im Winter wird. Ich mag keine Kälte und hoffe, dass ich mich nicht zu sehr einmummeln muss.“

„Unsere Winter sind normalerweise mild. Es schneit hier nicht so wie im Norden.“

„In Texas habe ich einige Blizzards erlebt. Sie sind furchtbar für die Tiere – und alles andere natürlich. Arbeiten Sie auch mit den Rindern?“

„Gelegentlich nehme ich am Zusammentrieb im Herbst teil. Nur weil es mir Spaß macht. Die Hollisters tun es auf die altmodische Weise. Wir schlafen am Lagerfeuer und essen aus dem Proviantwagen. Aber von dieser einen Woche abgesehen hält Holt mich mit den Pferden so beschäftigt, dass ich kaum Zeit für etwas anderes habe. Von Jahr zu Jahr wird der Bestand größer.“

Sie nippte ihren Tee und zog damit Jims Blick auf ihren Mund. Unwillkürlich malte er sich aus, wie ihre rosigen Lippen nach heißen Küssen in einem kräftigen Pink leuchteten.

Wie kannst du an Küsse denken? Noch dazu mit einer Frau wie ihr? Tallulah wirkte auf ihn wie ein Familienmensch. Eine Frau, die sich einen standhaften loyalen Mann wünschte, der ihr alles geben konnte, was sie wollte und brauchte.

„Ich habe das Gefühl, dass Sie genauso stolz auf diese Tatsache sind wie Holt und seine Familie.“

Dass sie seine Einstellung zu seinem Job und der Ranch nachempfinden konnte, überraschte ihn. „Ich bin wahrscheinlich noch stolzer als er. Man könnte sagen, dass die Arbeit mein Leben ist. Und das finden Sie vermutlich schlecht.“

„Im Gegenteil. Das sagt mir, dass Sie schlau genug waren, sich einen Beruf auszusuchen, den Sie lieben. Ich wünschte, ich hätte das auch schon viel früher getan. Ich bin viel zu lange in einem Job geblieben, der mich nicht ausgefüllt hat.“

Ihn wunderte, wie neugierig sie ihn machte. Seit Lyndsey gestorben war, verschwendete er eigentlich keinen Gedanken mehr an Frauen. In den ersten Jahren hatte er sich zwar zu Dates gezwungen, aber für keine der Kandidatinnen echtes Interesse entwickelt. Warum also faszinierte Tallulah ihn so sehr? Warum wollte er ihr eine Frage nach der anderen stellen? „Haben Sie direkt in Muleshoe gearbeitet? Oder sind Sie zu einer größeren Stadt gependelt?“

Sie kaute einen Bissen Taco und betupfte sich die Lippen mit ihrer Serviette. „Pendeln kam für mich nicht infrage. Die nächsten größeren Städte liegen über eine Stunde Fahrt entfernt. Ich habe in einem Immobilienbüro in Muleshoe gearbeitet und mich dort um sämtlichen Papierkram wie Verträge, Grundbucheintragungen und so weiter gekümmert.“

„Oh. Das klingt anstrengend.“

Sie verdrehte die Augen. „Zum Glück kann ich jetzt darüber lachen. Aber damals verging kein Tag, an dem ich meinen Boss nicht am liebsten zur Hölle geschickt hätte. Er konnte nicht in normaler Lautstärke sprechen. Wenn er wütend wurde, was sehr oft passierte, hat er dermaßen gebrüllt, dass förmlich die Wände gewackelt haben.“

Jim konnte sich nicht vorstellen, unter solchen Bedingungen zu arbeiten. „Waren Sie die einzige Angestellte?“

„Nein. Wir waren zu viert. Im Laufe der Zeit haben wir gelernt, seine Wutanfälle zu ignorieren.“

„Und wie sind Sie von der Immobilienbranche zur Kinderbetreuung gekommen? Das eine hat doch nichts mit dem anderen zu tun.“

„Rein gar nichts. Aber ich habe lange Zeit an den Wochenenden in einem K...

Autor

Nancy Robards Thompson
<p>Nancy Robards Thompson, die bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde, lebt in Florida. Aber ihre Fantasie lässt sie Reisen in alle Welt unternehmen – z. B. nach Frankreich, wo einige ihrer Romane spielen. Bevor sie anfing zu schreiben, hatte sie verschiedene Jobs beim Fernsehen, in der Modebranche und in der...
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<p>Marie Ferrarella zählt zu produktivsten US-amerikanischen Schriftstellerinnen, ihren ersten Roman veröffentlichte sie im Jahr 1981. Bisher hat sie bereits 300 Liebesromane verfasst, viele davon wurden in sieben Sprachen übersetzt. Auch unter den Pseudonymen Marie Nicole, Marie Charles sowie Marie Michael erschienen Werke von Marie Ferrarella. Zu den zahlreichen Preisen, die...
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<p>Judy liebte es schon immer Liebesromane zu lesen, dachte aber nie daran selbst welche zu verfassen. „Englisch war das Fach in der Schule, was ich am wenigsten mochte, eine Geschichtenerzählerin war ich trotzdem immer gewesen,“ gesteht sie. Als alleinerziehende Mutter mit vier Kindern, wagte Judy den Schritt zurück auf die...
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