Bianca Weekend Band 20

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HOCHZEITSNACHT UNTER TAUSEND STERNEN von CHRISTINE RIMMER

 Eine Zweckehe? Nathan findet Meggies Bitte abwegig. Andererseits: Seiner besten Freundin dadurch ihre Ranch zu sichern, ist ja nur ein Freundschaftsdienst. Doch die Hochzeitsnacht fühlt sich nach viel mehr an! Meggie ist sexy, emotional, wundervoll – die Frau seines Lebens? 

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  • Erscheinungstag 13.04.2024
  • Bandnummer 20
  • ISBN / Artikelnummer 9783751527576
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Christine Rimmer, Vivienne Wallington, Christine Flynn

BIANCA WEEKEND BAND 20

1. KAPITEL

Palmwedel wiegten sich sanft in der lauen Sommerbrise am Swimmingpool des Hollywood Paradise Hotel. Touristen lachten und planschten im Wasser. Attraktive Männer und Frauen sonnten sich in knappen Badeoutfits. Nicht weit vom Pool, an der schattigen Tropicana Bar, saßen Geschäftsleute in Anzügen und tranken ihren Whisky oder Wodka auf Eis. An einem Tisch verweilten mehrere grauhaarige Damen in bunten Kleidern, tranken Erdbeerflip und diskutierten, ob ihnen noch Zeit blieb, die Universal Studios an diesem Tag zu besuchen.

Vier Stockwerke über dem Getümmel stand eine Glastür zu einem kleinen Balkon offen. In dem Zimmer hinter der Tür lag Meggie Kane auf dem Bett und starrte zum Ventilator auf, der sich langsam an der Decke drehte. Sie seufzte. Sie hörte kaum das fröhliche Lachen von unten. Ihre Lippen bewegten sich. Sie betete stumm, dass das Telefon klingeln möge.

Als ihr Gebet erhört wurde, setzte sie sich auf und legte sich eine Hand auf das Herz. Sie zwang sich, ein paar Mal tief Luft zu holen, und redete sich ein, dass sie ruhig war. Doch ihre Hand zitterte, als sie zum Hörer griff.

„Hallo?“

„Meggie?“ Die tiefe Stimme kam aus ihrer Vergangenheit, aus ihren Träumen.

Ihr Herz klopfte höher. Er hatte die Nachricht auf seinem Anrufbeantworter erhalten und rief tatsächlich zurück.

„Meggie, bist du da?“

„Ähm, ja.“ Sie schluckte und atmete langsam ein und aus. „Ja, Nate. Ich bin hier.“

„Was zum Teufel tust du in L.A.?“

„Ich …“ Wie sollte sie es ihm erklären?

„Meggie, ist alles in Ordnung?“

„Ja. Aber ich muss dich dringend sehen. Sofort.“

Es folgte eine Pause, die eine reine Qual für Meggie darstellte. Dann fragte er schließlich argwöhnisch: „Weswegen denn?“

Sie spürte, dass ihr Gesicht glühte. Sie legte sich eine Hand auf die Wange und versuchte, sie zu kühlen. Über zehn Jahre waren vergangen seit jener Nacht, in der Meggie sich ihm an den Hals geworfen hatte. Seitdem hatte sie kaum mit ihm gesprochen. Doch sie wusste, dass er sich fragte, ob sie es erneut versuchen wollte … was in gewisser Weise sogar zutraf.

„Ich würde es dir lieber erklären, wenn wir uns sehen.“

Erneut folgte ein nervenaufreibendes Schweigen.

„Nate?“, fragte sie leise, aus Angst, er könnte aufgelegt haben.

Schließlich sagte er: „In Ordnung. In einer Stunde.“

Sie rang nach Atem. „Wo?“

„In der Halle.“

„In welcher Halle?“

„Deines Hotels.“

Das klang vernünftig. „Gut. Brauchst du die Adresse?“

„Ich glaube, ich kann es auch so finden“, entgegnete er trocken.

„In Ordnung. Also in einer Stunde?“, hakte sie nach. Doch sie bekam keine Antwort. Er hatte bereits aufgehängt.

Nate erblickte Meggie in einem Ledersessel an der rückwärtigen Wand des Foyers. Sie trug ein luftiges Sommerkleid und Sandaletten. Abgesehen von den sehnigen Händen, die auf den Armlehnen ruhten, deutete nichts darauf hin, dass sie harte Arbeit auf einer Ranch leistete. Mit großen, unschuldigen Augen blickte sie ihn an.

„Danke. Dafür, dass du gekommen bist.“ Meggie stand auf und reichte ihm eine dieser starken Hände. Er nahm sie und schüttelte sie verlegen und formell.

Nervös blickte sie sich in der Halle mit den Torbögen, den roten Fliesen und persischen Teppichen um. Zur Linken saß eine Familie in einer Polstergruppe, wie die meisten Touristen in Shorts gekleidet und beladen mit Kameras und Ferngläsern. Zur Rechten saß ein Mann allein und las die Times. Nicht weit entfernt, auf einem Ledersofa, hockten vier Punker mit Sicherheitsnadeln in den Ohren und leuchtenden roten und grünen Haaren. Niemand wirkte auch nur im Mindesten interessiert an der hübschen Frau im Sommerkleid und dem Mann, der ihr gerade die Hand geschüttelt hatte.

Dennoch schlug Meggie vor: „Könnten wir hinauf in mein Zimmer gehen? Damit wir in Ruhe reden können?“

Beinahe hätte Nate das abgelehnt. Doch dann rief er sich zur Räson. Was konnte sie ihm schon anhaben?

Sie fuhren mit dem Lift hinauf. In dem engen Raum wurde Nate sich ihrer Nähe allzu deutlich bewusst. Der leicht waldige Duft, die unverwandt blickenden Augen, die hohen Brüste unter dem hübschen Kleid faszinierten ihn. Sie hatte ihn körperlich immer gereizt. Deshalb war er ihr von der Zeit an, als sie zur Frau herangereift war, möglichst aus dem Weg gegangen. Eine Frau wie sie, die so fest verwurzelt war, konnte für einen Mann wie ihn nichts als Probleme bedeuten.

Eigentlich hätte sie seinen Seelenfrieden gar nicht mehr bedrohen dürfen. Jede Logik sagte, dass körperliche Anziehungskraft mit der Zeit verblasste. Dennoch zog sie ihn irgendwie an. Nun, mit Anfang dreißig, wirkte sie noch attraktiver als zehn Jahre zuvor.

Der Fahrstuhl hielt an. Die Tür öffnete sich. Meggie ging den Flur entlang voraus zu ihrem Zimmer.

Nachdem sie eingetreten waren, stellte sie ihre kleine Handtasche auf den runden Tisch in der Ecke. „Setz dich.“ Er ging am Bett vorbei zu einem Sessel. Sie deutete auf einen kleinen Kühlschrank. „Möchtest du etwas trinken?“

„Warum nicht? Jack Daniels. Mit Eis.“

Sie öffnete den Schrank und nahm eine Miniflasche heraus. Der Eiskübel war leer. „Ich bin gleich zurück.“

Er ließ sie bis zur Tür gehen, bevor er sie zurückhielt. „Schon gut. Ich trinke ihn pur.“

„Bist du sicher? Es dauert nicht mal eine Minute, Eis zu holen.“

„Pur ist mir recht.“

Sie kehrte zur Bar zurück und schenkte ihm den Drink ein. Er dankte ihr mit einem Nicken, als sie ihm das Glas reichte, nippte daran und beobachtete sie dabei über den Rand hinweg.

Einen Moment lang stand sie reglos da und brachte es irgendwie fertig, nervös und völlig beherrscht zugleich zu wirken. Sie blickte zu dem anderen Sessel, entschied sich dann jedoch dagegen und wich zurück, bis ihre Kniekehlen an die Bettkante stießen. Sie zog sich das Kleid glatt und setzte sich.

Sie musterten einander. In der Stille wurden ihm die Geräusche von draußen bewusst. Lachende und redende Leute am Pool unterhalb des Balkons, ein Hubschrauber irgendwo in der Ferne, das Heulen einer Sirene.

Er blickte zur Balkontür hinüber. „Du solltest sie nicht offen lassen. Wir sind hier nicht in Medicine Creek.“ Medicine Creek war die Kleinstadt in Wyoming, in der sie beide die Schule besucht hatten. Meggie wohnte immer noch auf einer Ranch in der Nähe. „In L. A. sind die Einbrecher schnell und agil.“

„Ich werde sie das nächste Mal schließen, wenn ich das Zimmer verlasse.“

„Und nachts auch.“

Sie zuckte die Achseln. „Wie du meinst.“

Er ärgerte sich über sich selbst, weil es ihn überhaupt interessierte, ob sie die Balkontür offen ließ oder nicht. Und über sie, weil sie so gut roch und so gut aussah. Und über die Anziehungskraft, die trotz aller Logik noch immer zwischen ihnen bestand.

Er nippte erneut an seinem Glas, stellte es dann auf den Tisch und starrte in die bernsteinfarbene Flüssigkeit. „Was willst du von mir, Meggie?“

„Mein Vater ist gestorben. Heute vor einer Woche. Wusstest du das?“

Nate schüttelte den Kopf. Er hatte zwar noch Familie in Medicine Creek, aber es war etwa zwei Monate her, seit er mit ihnen gesprochen hatte.

Meggie umfasste die Bettkante zu beiden Seiten ihrer Schenkel und starrte hinab auf ihre Knie. „Es war Krebs. Aber er wollte sich nie untersuchen lassen. Er wurde einfach immer dünner. Und dann, ein paar Wochen lang, war er sehr krank. Und dann ist er gestorben.“

Nate griff erneut nach seinem Glas. „Es tut mir leid.“ Er wusste nicht, was er sonst noch sagen sollte. Er trank. Dann stellte er endgültig das Glas ab und blickte sie abwartend an.

Sie hüstelte. „Es fällt mir schwer …“

„Ich höre.“

„Na ja, alle hatten einfach angenommen, dass er mir die Double-K hinterlassen würde.“

Nate richtete sich auf. „Soll das heißen, dass er es nicht getan hat?“

„Doch, gewissermaßen schon. Unter einigen Bedingungen.“

„Welchen Bedingungen?“

Seufzend stand sie auf. Sie ging zum Kleiderschrank und nahm ein Dokument aus ihrem Koffer, der auf dem Bord unter den Kleiderbügeln stand. Mit ernster Miene trat sie zu ihm und reichte es ihm. „Das ist das Testament meines Vaters.“ Sie beugte sich zu ihm herüber. Der waldige Duft stieg ihm aufreizend in die Nase, als sie auf einen Absatz deutete. „Lies von da an.“

Er starrte auf die legalen Fachausdrücke und legte die Papiere auf den Tisch neben sein leeres Glas. „Warum erklärst du es mir nicht einfach?“

Sie seufzte erneut. „In Ordnung.“ Sie kehrte zum Bett zurück und setzte sich wieder auf die Kante.

Es erleichterte ihn, dass er den Duft aus der Entfernung weniger deutlich wahrnahm. Doch diese Erleichterung hielt nicht lange an.

„Mein Vater hat mich jahrelang gedrängt, endlich zu heiraten und ihm Enkelkinder zu schenken. Aber ich habe einfach nie den Richtigen getroffen.“ Sie hielt inne, wandte den Blick ab, begegnete seinem dann trotzig erneut. „Ich habe keinen von den Männern geliebt, die mich gefragt haben, und daher alle abgelehnt. Na ja, und mein Vater wollte dafür sorgen, dass ich einen Ehemann und Kinder bekomme … von jenseits des Grabes, wenn du weißt, was ich meine.“

Nate wusste, was sie meinte. Und das erweckte in ihm den Drang, aus dem Sessel zu springen und zur Tür hinauszustürmen. Aber er hatte sie noch nicht zu Ende angehört. So viel schuldete er ihr.

Meggie schloss die Augen und rieb sich die Schläfen. Dann legte sie die Hände auf die Knie. „Das ist die Situation. Nach dem Testament meines Vaters wird die Ranch zwei Jahre lang treuhänderisch verwaltet, mit mir als Geschäftsführerin. Während dieser Zeit muss ich als Resultat einer rechtmäßigen Ehe ein Kind gebären.“

Sein Drang zur Flucht verstärkte sich. „Und wenn nicht?“

„Dann wird die Double-K öffentlicher Besitz.“

„Du bekommst gar nichts?“

„Doch. Mein Vater hat bestimmt, dass die Herde bei einer Auktion versteigert und der Erlös mir gehören wird. Ich bekomme außerdem das Geld vom Verkauf der Wohngebäude. Dazu gehören das Haupthaus, die alte Baracke, in der jetzt mein Cousin mit seiner Familie lebt, und die Nebengebäude einschließlich der vierzig Morgen, auf denen diese Gebäude stehen. Mein Vater meinte, dass ich damit genug für einen neuen Anfang hätte.“

Nate fiel das Atmen etwas leichter. „Also wirst du nicht völlig mittellos sein.“

„Nein. Aber ich werde die Double-K verlieren.“

„Ich meine, dass du letztendlich trotzdem eine anständige Summe Geld bekommst.“

Sie verzog die vollen Lippen zu einer schmalen Linie. „Was interessiert mich das ohne die Double-K?“

Tonlos bemerkte er: „Du hast mich also hergebeten, um mich zu bitten, dich zu heiraten und zu schwängern.“

Sie starrte ihn nur mit diesen großen, seelenvollen Augen an.

„Habe ich das richtig verstanden?“, hakte er nach.

Sehr bedächtig nickte sie.

„Nein.“ Nate stand auf und ging zur Tür.

Sie sprang auf, lief um ihn herum und versperrte ihm den Ausgang. „Nate, hör mir zu. Gib mir nur …“

„Geh von der Tür weg.“

Doch sie wich keinen Zentimeter von der Stelle. „Nate, bitte, du musst mir zuhören.“

Jeden anderen hätte er beiseitegeschoben. Doch irgendwie konnte er sich nicht dazu bringen, Hand an sie zu legen.

Mit rauer Stimme erklärte sie: „Ich habe dir schon einmal gesagt, wie ich für dich empfinde. Damals hast du mich weggeschickt. Und ich wollte dich nie wieder belästigen. Das schwöre ich dir. Aber ich hatte zwei Träume, Nate. Meine Ranch. Und du. Wie kannst du von mir verlangen, dass ich beides aufgebe?“

„Ich verlange gar nichts von dir.“

Sie lachte nervös auf. „Ich weiß. Das hast du nie getan. Und du wirst es auch nie tun.“

„Such dir einen anderen.“

„Genau das habe ich vor. Wenn du mich abweist.“

Das gab ihm zu denken. Doch er wollte nicht über den Grund nachgrübeln.

Sie sprudelte hervor: „Ich mache dir ein Angebot. Ich bitte dich nicht um eine lebenslange Ehe. Ich will dich nicht einsperren, und ich verlange nicht, dass du dich häuslich niederlässt. Ich will nur einen Ring an meinem Finger und ein Baby. Sobald es geboren ist, können wir uns scheiden lassen.“

„Das ist doch verrückt.“

„Nicht für mich. Für mich würde es bedeuten, dass der Vater meines Babys zumindest der Mann ist, den ich liebe.“ Sie sah die Panik in seinem Blick und hob beschwichtigend eine Hand. „Es ist nur eine Tatsache, Nate. Ich erwarte nicht, dass es dir etwas bedeutet. Das schwöre ich. Ich habe dich immer geliebt, und das wird auch immer so bleiben. Und wenn ich ein Baby bekomme, dann soll es von dir sein. Ich werde dich nicht anbinden. Nur ein Ring und ein Baby, und dann bist du wieder frei.“

Er schüttelte den Kopf. Ihre Bitte sah ihr sehr ähnlich in ihrer Widersprüchlichkeit. Sanft entgegnete er: „Meggie, das wird nicht …“

„Ich habe 20000 Dollar von meiner Großmutter Kane geerbt“, fiel sie ihm ins Wort. „Die gebe ich dir. Als Entlohnung für das, was du durchstehen musst.“

Entschieden schüttelte er den Kopf.

„Ich würde vor dir auf die Knie fallen, Nathan Bravo. Ich würde alles tun.“

„Hör auf.“

Sie gehorchte, lehnte stumm an der Tür, flehte ihn mit ihren großen Augen an.

„Lass uns die Sache doch mal logisch betrachten.“

„Okay“, stimmte sie eifrig zu.

„Wie genau hast du dir das gedacht? Sprichst du von künstlicher Befruchtung?“

Ihr Gesicht erglühte. „Na ja, eigentlich nicht. Ich meine, wir wären schließlich verheiratet. Und verheiratete Paare …“

„Du hast also vor, mit mir zu schlafen?“

„Hm, ja.“

„Je mehr Sex, umso besser? Um die Chancen zu erhöhen, dass du tatsächlich empfängst.“

Sie runzelte die Stirn. „Ja … und?“

„Denk doch mal nach. Wie sollen wir das bewerkstelligen, Meggie? Ich habe hier in L. A. ein Leben und ein Geschäft zu führen. Ich kann nicht auf die Double-K ziehen, bis du schwanger wirst. Und du kannst sie nicht von meiner Wohnung aus führen.“

„Es könnte klappen. Ich habe es gut durchdacht. Du könntest den Herbst auf der Double-K verbringen. Ja, ich weiß, dass du manchmal wegmüsstest, aber das wäre kein Problem. Du bleibst schließlich mehr oder weniger ein freier Mensch. Und wir könnten dafür sorgen, dass wir in den entscheidenden Momenten zusammenkommen, wenn ich gerade … einen Eisprung habe.“

„Meggie, jetzt hör mir mal zu.“

Doch sie wollte nicht zuhören. „Wirklich, es könnte klappen. Und das Geld, das ich dir zahle, wäre ein Ausgleich für die Geschäfte, die dir entgehen könnten.“

Zorn stieg in ihm auf. „Vergiss das verdammte Geld.“

„Nein, wirklich. Ich würde dich bezahlen wollen. Ich möchte, dass du auch etwas davon hast.“

„Ich habe doch gesagt, dass du das verdammte Geld vergessen sollst.“

Abwehrend hob sie beide Hände. „In Ordnung. Wie du willst. Aber hör zu. Du könntest so oft wie möglich bei mir sein, bis der Schnee kommt. Und dann, wenn es auf der Ranch ruhig wird, könnten Sonny und Farrah sich um alles kümmern.“

„Sonny und Farrah?“

„Mein Cousin und seine Frau. Sie arbeiten seit etwa drei Jahren für mich. Jedenfalls würde ich den Winter über hier bei dir bleiben, bis die Kühe kalben. Mit einem bisschen Glück wäre ich bis dahin schwanger. Du könntest wieder dein altes Leben führen und ich meines. Und wenn das Baby kommt, schickte ich dir die Scheidungspapiere per Post. Okay?“

Kopfschüttelnd blickte er sie an. „Nein, Meggie. Dabei kann ich dir nicht helfen. Und jetzt geh mir aus dem Weg.“

Die Hoffnung schwand aus ihrem Blick. „Ist das deine endgültige Entscheidung?“

Er nickte. „Geh beiseite.“

Sie straffte die Schultern. „Na gut. Aber es ist mir ernst. Wenn du es nicht tust, suche ich mir einen anderen.“

Er musterte sie von Kopf bis Fuß. „Soll das etwa meine Ansicht ändern? Mach dich nicht lächerlich.“

Genau diese Worte hatte er ihr vor vielen Jahren gesagt, als sie ihm ihre Liebe eingestanden hatte. Sie hatte es ebenso wenig vergessen wie er.

Nun verspürte er Gewissensbisse. Weil er ihr erneut wehtat. Weil er das Leuchten aus diesen wundervollen Augen verbannt hatte. Er streckte eine Hand nach ihr aus.

Sie tauchte unter seinem Arm hindurch, bevor er sie berühren konnte. Und dann richtete sie sich noch einmal auf. Sie wandte sich ab, öffnete die Tür und trat zurück. „Leb wohl, Nate.“

Er verspürte den törichten Drang, noch etwas zu sagen. Doch er unterdrückte ihn. Mit einem knappen Nicken verließ er sie.

2. KAPITEL

In den folgenden Tagen gelang es Nate leider nicht, Meggie zu vergessen. Drei Tage nach dem Treffen in ihrem Hotelzimmer rief er seinen Cousin Zach an. Zach Bravo führte die Familienranch namens Rising Sun, welche an die Double-K grenzte. Zach und Meggie waren gute Freunde und halfen sich gegenseitig aus, wenn es einem von beiden an Arbeitskräften mangelte.

Eine fremde Frau meldete sich am Telefon. „Ja bitte?“

Nate fragte sich, ob er sich verwählt hatte. „Ist das die Rising Sun?“

„Ja.“

„Hier ist Nate Bravo.“

„Ja, ich habe von Ihnen gehört.“

„Ich möchte gern mit Zach sprechen.“

„Moment, bitte.“

Nach einer scheinbaren Ewigkeit kam Zach an den Apparat. „Hallo, Nate. Wie geht es dir?“

„Gut. Wer zum Teufel war das eben?“

„Mable. Sie und ihr Mann Charlie arbeiten seit etwa einem Monat für mich.“

„Sie führt den Haushalt und kocht?“

„Du hast es erfasst.“ Zach klang grimmig. „Und sie ist nicht mit Edna zu vergleichen.“

Vor einem Jahr war Edna, die langjährige Haushälterin, erkrankt und in den Ruhestand getreten. Sie hatte sich stets um den Haushalt und die Bravos gekümmert wie um eine eigene Familie. Und die Mahlzeiten, die sie auf den Tisch gebracht hatte, waren unvergleichlich köstlich gewesen. Zach bereitete es große Mühe, sie zu ersetzen. Und es klang, als ob Mable nicht viel länger bleiben würde als ihre Vorgängerinnen.

Zach fragte: „Kommst du nach Hause?“

„Nicht, wenn du mich nicht brauchst.“

„Nein, ich komme ganz gut zurecht.“

„Ich habe gehört, dass Meggies Vater gestorben ist.“

„Ja. Vor etwa anderthalb Wochen.“

„Wie hat sie es verkraftet?“

Zach zögerte lange, bevor er erwiderte: „Einigermaßen, nehme ich an.“

„Hast du sie seit der Beerdigung viel gesehen?“

„Gelegentlich.“ Erneut zögerte Zach, bevor er hinzufügte: „Meggie ist eine gute Frau, Nate.“

Verdammt, dachte Nate. Das war das Problem mit seiner Familie. Sie wusste immer zu viel. „Du brauchst dir über sie und mich keine Gedanken zu machen. Zwischen uns war nie etwas, das der Rede wert wäre. Und das hat sich bis heute nicht geändert.“

„Hat sie dich nicht besucht?“

„Woher weißt du das?“

„Sie hat mich neulich gefragt, ob du im Telefonbuch stehst.“

„Und was hast du ihr gesagt?“

„Detektei Bravo in den Gelben Seiten, habe ich ihr gesagt. Also, hat sie dich aufgesucht?“

„Ja.“

Erneut folgte ein angespanntes Schweigen. Dann fragte Zach: „Willst du mir nicht sagen, was das alles soll?“

„Nein.“

„Das gefällt mir gar nicht.“

„Keine Sorge. Es ist nicht weiter wichtig“, behauptete Nate. „Ich wollte nur wissen, wie es ihr geht.“

„Ganz gut, soweit ich weiß. Du erinnerst dich doch an ihren Cousin, Sonny? Er war im Sommer manchmal auf der Double-K.“

„Ja.“

„Na ja, Meggie und er führen die Double-K nun zusammen.“

„Das habe ich gehört.“

„Er war gestern hier und hat erzählt, dass sie am Montag einen neuen Arbeiter eingestellt haben. Nur vorübergehend, sagt Sonny, bis sie wieder auf dem Laufenden sind. Ich nehme an, dass sie durch Jasons Tod ins Hintertreffen geraten sind.“

Was hatte das zu bedeuten? Wollte sie etwa einen hergelaufenen Cowboy zum Vater ihres Kindes machen? „Was weißt du über ihn?“

„Wen?“

„Den neuen Arbeiter.“

„Nichts.“

„Hör mal …“

„Was denn, Nate?“

Nate wurde bewusst, dass er nichts Wesentliches zu sagen hatte. Also murrte er: „Ach, vergiss es.“

„Warum kommst du nicht für eine Weile her?“, schlug Zach vor. „Mir fehlt es nicht unbedingt an Arbeitern, aber ich kann immer Hilfe gebrauchen. Es gibt viel zu tun.“

Nate spürte die Versuchung. Es war immer so. Wenn er die Augen schloss, sah er im Geiste die Big Horns, die so erhaben die endlose, weite Prärie überragten. Er sah den klaren, blauen Himmel mit weißen Wolken, die wie Luftschlösser aussahen …

„Nate? Was sagst du dazu?“

Er dachte an seine Freiheit. „Nein, momentan nicht.“

„Es ist schließlich auch deine Ranch“, rief Zach ihm in Erinnerung. Auf dem Papier gehörte die Rising Sun zu gleichen Teilen Nate, Zach und ihrem dritten Cousin, Cash. Doch Zach war die treibende Kraft. Er liebte das Leben auf der Ranch und sorgte für Profit.

„Ein andermal“, versprach Nate.

„Ich weiß, ich weiß. Thanksgiving. Oder Weihnachten. Lass dir von all dem Smog in L. A. nicht das Gehirn umnebeln.“

Es gelang Nate, sich noch zwei Tage lang zurückzuhalten, bevor er Edna Heller anrief. Sie war nicht nur die ehemalige Haushälterin der Rising Sun, sondern auch die Schwiegermutter von Cash. Sie konnte einen Mann zum Wahnsinn treiben, indem sie ihm ständig sagte, was er essen und dass er auf sich Acht geben sollte. Doch Nate liebte sie dennoch. Sie hatte sich gut um ihn gekümmert – vor all den Jahren, als seine Mutter ihn nach dem Tod seines Vaters an seinen Großvater Ross abgeschoben hatte und verschwunden war.

Edna hatte ihn wie die anderen Bravos bemuttert. Nun war sie seit zwei Jahren verwitwet und lebte in einem hübschen, zweistöckigen Haus in Medicine Creek, das Cash für sie gekauft hatte. Und sie wusste stets, was alle anderen taten.

„Seltsam, dass du dich nach Meggie erkundigst“, erklärte sie in wissendem Ton. „Denn erst am vergangenen Freitag ist sie in Arlington mit Barnaby Cotes gesehen worden. War eine Überraschung für jeden, da wir alle dachten, sie hätte ihm schon vor Jahren den Laufpass gegeben …“

Edna plauderte weiter, aber Nate hörte nicht mehr zu. Barnaby Cotes war der Sohn eines Ladenbesitzers in Medicine Creek und ein eingebildeter, selbstgefälliger Typ. Der Gedanke, dass er Meggie anfasste, ließ Nates Puls rasen. Sie hatte einen besseren verdient.

„Nathan, hörst du mir überhaupt zu?“

„Das weißt du doch, Edna.“

„Also, was willst du wegen Meggie tun?“

„Nichts.“

„Warum hast du dich dann nach ihr erkundigt?“

Er seufzte. „Vergiss es.“

„Wann kommst du denn nach Hause? Wir vermissen dich. Wir haben dich monatelang nicht gesehen. Das ist zu lange. Und ich mache mir Sorgen, dass du nicht richtig isst, und außerdem muss es doch gefährlich sein, Kriminelle und zwielichtige Gestalten zu verfolgen, wie du es tust.“

„Ich habe momentan nicht vor, nach Hause zu kommen.“

„Wann denn dann?“

„Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen.“

Sie redete noch etwa zehn Minuten lang auf ihn ein. Dann endlich gelang es ihm, sich zu verabschieden und den Hörer aufzulegen.

Nate schwor sich, keine weiteren Versuche mehr zu unternehmen, um über Meggie etwas in Erfahrung zu bringen. Er sagte sich, dass ihre Suche nach einem Ehemann und Vater für ihr Kind nicht seine Angelegenheit war. Und er versprach sich, sie völlig zu vergessen.

Doch dann, am Montag, eine gute Woche nach der Begegnung mit Meggie in ihrem Hotelzimmer, wurde ihm der Auftrag angeboten, einen Veruntreuer in Mexiko aufzuspüren. Das Honorar war angemessen und der Spesensatz großzügig. Dennoch lehnte er den Auftrag ab.

Der neue Landarbeiter, Lev Jarvis, sprang von der Ladefläche und öffnete das Gatter. Sonny fuhr den Pick-up hindurch. Lev schloss das Tor wieder und lief zum Wagen hinüber.

Meggie beugte sich aus dem Fenster auf der Beifahrerseite und blickte zum strahlend blauen Himmel empor. Die wenigen Wolken, die in Sicht waren, sahen aus wie weiße Wattebäusche. Es war heiß.

Sie lächelte vor sich hin. Es freute sie, draußen zu sein und nützliche Arbeit zu leisten. Tagsüber ging es ihr recht gut. Doch die Nächte waren in letzter Zeit furchtbar für sie. Denn dann dachte sie an die Ranch und ihre einzige Chance, sie zu retten.

Sie blickte hinaus über die Weide. Es war ein gutes, relativ regenreiches Jahr. Das Gras war immer noch etwas grün. Und sogar jetzt noch, im Juli, blühte der Flachs.

Lev zog sich das Hemd aus und warf es auf die Ladefläche.

Meggie grinste ihn an und deutete in eine Richtung. „Dort drüben liegt ein Teich. Da müssten etwa fünfzehn Kühe mit ihren ersten Kälbern grasen. Wir werden jetzt die Salzlecksteine und die Mineralien prüfen. Steig auf.“

Lev sprang zu seinem Hemd auf die Ladefläche. Sonny fuhr los, aber er kam nicht weit. Eine Hupe ertönte, laut und lange, hinter ihnen am Gatter. Er trat auf die Bremse. Meggie beugte sich weiter aus dem Fenster und blickte zurück.

Es war der große, alte Pick-up, den Nates Großvater Ross in den letzten Jahren vor seinem Tod bevorzugt benutzt hatte. Meggie blinzelte und versuchte vergeblich, den Fahrer durch die reflektierende Windschutzscheibe zu erkennen.

„Ich bin gleich zurück.“ Sie öffnete ihre Tür, lief zum Tor und schlüpfte hindurch. Sobald sie den Mann am Steuer durch das geöffnete Fenster der Fahrerseite erkannte, pochte ihr Herz. Sie blieb einige Schritte entfernt stehen und fragte benommen: „Was gibt’s?“

Nate streckte einen Ellbogen zum Fenster hinaus. Er wirkte völlig gelassen, so als führe er jeden Tag im alten Pick-up seines Großvaters auf ihre Ranch hinaus. „Die Frau deines Cousins hat mir gesagt, dass ich dich hier finden könnte.“

Meggie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte. Nervös nahm sie sich den Hut vom Kopf, drehte ihn einen Moment zwischen den Händen, setzte ihn dann wieder auf.

Nate blickte an ihr vorbei. „Wer ist das denn?“

Sie folgte seinem Blick. „Wer?“

„Der Dummkopf ohne Hemd.“

„Das ist Lev. Er hilft eine Weile hier aus.“

„Wobei?“, hakte er in anzüglichem Ton nach.

Meggie sah keinen Sinn darin, darauf zu antworten. Also unterließ sie es.

„Steig ein.“

„Warum?“

„Wir müssen reden.“

„Jetzt sofort?“

„Ja.“

Sie dachte darüber nach. Es war nicht gerade ein günstiger Augenblick für ein Gespräch. Am Abend, nach Verrichtung des Tagewerks, hätte es ihr besser gepasst. Doch so lange hielt sie es nicht aus vor Neugier und Ungeduld. „Warte einen Moment.“ Sie wandte sich ab und schlüpfte zurück durch das Tor.

„Was ist los?“, wollte Sonny wissen, als sie die Fahrerseite erreichte.

„Es ist Nate Bravo“, erwiderte sie verdächtig atemlos, aber immerhin war sie ein Stück gelaufen.

Sonny, der groß, dünn, blond und wie ein Bruder zu ihr war, blickte sie missbilligend an. „Was zum Teufel will der denn hier?“

Schuldgefühle stiegen in Meggie auf. Sie hatte Sonny noch nichts von dem Testament verraten. Soweit er wusste, konnte er mit Farrah und den beiden Kindern auf der Ranch leben und arbeiten, solange sie wollten. Meggie hasste es, mit der Wahrheit hinter dem Berg zu halten, aber sie wollte eine Lösung für das Problem finden, bevor sie ihm davon berichtete. Daher entgegnete sie ausweichend: „Ich möchte mit ihm reden. Fahrt ihr beide schon mal vor zum Teich, okay?“

„Du fährst mit Nate Bravo weg?“ Sonny klang äußerst missbilligend. Sogar er, der erst seit wenigen Jahren in dieser Gegend lebte, hatte von dem schlechten Ruf gehört, in dem Nate schon seit seiner Jugend stand.

„Wie gesagt, ich muss mit ihm reden. Und ich weiß nicht, wie lange es dauern wird.“

„Ist da etwas im Gange, von dem ich wissen sollte?“

Meggie zwang sich zu einem zuversichtlichen Lächeln. „Nein, nichts.“ Erneut fühlte sie sich schuldig. Doch nun war nicht der geeignete Augenblick, um die ganze Geschichte zu erzählen. „Also fahr los.“

Sonny musterte sie nachdenklich, bevor er schließlich nickte und weiterfuhr.

3. KAPITEL

Der Wagen holperte über den Feldweg. Nate fuhr zu schnell – so als hätte einer der bösen Buben, mit deren Jagd er sich den Lebensunterhalt verdiente, den Spieß umgedreht und würde zur Abwechslung ihn verfolgen. Meggie klammerte sich an den Griff über der Tür und sagte kein Wort.

Schließlich riss er das Steuer herum und brachte den Wagen auf einem Flecken Salbei und Büffelgras zum Stehen. Er schaltete den Motor ab und legte einen Arm auf das Lenkrad. Dann starrte er aus dem Fenster auf die Prärie hinaus, die sich endlos vor ihnen ausdehnte. „Hast du dein Angebot schon einem anderen Mann unterbreitet?“

Auch sie blickte stur geradeaus. „Nein.“

Eigentlich hatte sie sich vorgenommen, Barnaby Cotes zu fragen. In der vergangenen Woche hatte sie ihn in der Stadt getroffen und seine Einladung zum Dinner angenommen. Doch durch den Abend mit ihm war ihr allzu deutlich bewusst geworden, wie sehr er sich von Nate unterschied. Und obwohl sie wusste, dass sie unbedingt einen Ehemann finden musste, hatte sie es nicht über sich bringen können, Barnaby einen Antrag zu machen.

„Was ist mit Barnaby?“, wollte Nate wissen.

Meggie blinzelte und blickte ihn erstaunt an. Hatte er etwa ihre Gedanken erraten? „Wer hat dir was über Barnaby und mich gesagt?“

Er schaute immer noch aus dem Fenster, aber es zuckte um seine Mundwinkel. „Ich bin Detektiv. Hast du das vergessen?“

„Du hast Edna angerufen.“

Er blickte weiterhin aus dem Fenster. „Ja, ich habe Edna angerufen. Also, hast du Barnaby davon erzählt? Von dem Testament? Von deinem Anliegen?“

„Nein.“ Sie musterte Nates Profil und seine glatten, schwarzen Haare, die er immer gerade so lang trug, dass sie ihm ein anrüchiges Aussehen verliehen. Seine Mutter war zur Hälfte eine Sioux, und diese Abstammung hatte deutliche Spuren auf seinem Gesicht hinterlassen: ausgeprägt hohe Wangenknochen, eine Adlernase, die einem Indianerhäuptling alle Ehre gemacht hätte, und volle Lippen, die zum Küssen wie geschaffen waren.

„Wer weiß alles davon, Meggie?“, fragte Nate.

„Du, ich und G. Vernon Bannister.“

„Wer ist das?“

„Der Testamentsvollstrecker meines Vaters.“

„Sonst niemand?“

„Warum ist das wichtig?“

Nate starrte weiterhin durch die Windschutzscheibe. Schließlich sagte er: „Ich nehme an, es ist nicht wichtig. Ich wollte es nur wissen.“

„Und jetzt möchte ich etwas wissen. Warum bist du gekommen?“

Nun drehte er sich zu ihr um. Seine dunklen Augen wirkten hart und bodenlos tief. „Ich habe es mir anders überlegt. Ich werde dich heiraten.“

Meggie brachte keinen Ton heraus.

Doch das fiel nicht weiter auf, denn Nate hatte noch mehr zu sagen. „Wenn dein Angebot noch gilt, akzeptiere ich es mehr oder weniger so, wie du es letzte Woche dargelegt hast – unter einigen Bedingungen.“

„Welche?“, brachte sie krächzend hervor.

„Wenn ich dir das Kind gebe, das du brauchst, darf ich es jederzeit sehen. Und das Kind darf ebenso mich besuchen, sofern ich in der Lage bin, mich angemessen um es zu kümmern.“

Meggie fand nichts daran auszusetzen. „Einverstanden.“

„Und ich werde kein Geld von dir nehmen.“

„Es ist dumm von dir, so störrisch …“

„Kein Geld.“

„Aber für dich sollte auch etwas dabei …“

Er starrte sie finster an. „Kein Geld.“

Es war heiß im Wagen. Meggie nahm sich den Hut ab und fächelte sich damit Luft zu. „Ich bin nicht unbedingt in einer Position, in der ich dir widersprechen kann.“ Sie warf den Hut auf den Sitz zwischen ihnen. „Also nur zu, schlage dir selbst ein Schnippchen.“

Er lächelte. „Danke. Das werde ich.“

Sie fühlte sich schuldig, weil sie in diesem Punkt nachgab. Doch in Wirklichkeit brauchte sie das Geld. Wenn alles so lief, wie sie es sich erhoffte, dann musste sie in zwei Jahren eine saftige Erbschaftssteuer zahlen. „Okay. Dann ist es also abgemacht. Du bekommst kein Geld.“

„Einverstanden.“

„Sind damit all deine Bedingungen erfüllt?“, hakte sie nach.

„Das sind sie.“

Sie blickten sich an. Nur der Hut lag zwischen ihnen auf dem Sitz. Sie hätten sich einander nähern können, um dieses seltsame Eheabkommen mit einem Kuss zu besiegeln. Doch sie taten es nicht.

Während Meggie in Nates dunkle Augen blickte, kam ihr eine Erinnerung. An die allererste Begegnung mit ihm in dem ersten Sommer, den Nate bei seinem Großvater auf der Rising Sun verbracht hatte … als sie beide vierzehn Jahre alt gewesen waren …

Nate hatte seinem Großvater in jenem ersten Jahr nichts als Probleme bereitet. Und der Tag, an dem Meggie ihm begegnete, bildete keine Ausnahme. An jenem Tag hatte er einen Pick-up von der Rising Sun zu einer Spritztour über die holprigen Feldwege entwendet, die kreuz und quer über die Farm seines Großvaters verliefen.

Vermutlich ohne es zu merken, war er über die Grenze auf das Land der Double-K gefahren. Anscheinend hatte der Auspuff des Pick-ups auf dem steinigen Weg Funken geschlagen, die auf trockenes Gras gestoben waren.

Hinter dem nächsten Hügel sonnte Meggie sich nach einem erfrischenden Bad im Bach nackt am Ufer. Ihr Lieblingspferd, ein rotbrauner Wallach namens Renegade, graste in der Nähe. Plötzlich hob er den Kopf, schnupperte und stieß ein langes, nervöses Wiehern aus. Meggie richtete sich auf und sah Rauch – nur eine schmale Fahne. Doch in der Prärie konnte sich eine winzige Flamme in kürzester Zeit in ein Inferno verwandeln.

Hastig zog sie sich die Unterwäsche und die Stiefel an, sprang in den Sattel und galoppierte davon. Hinter dem Hügel erblickte sie einen schwarzhaarigen Jungen. Es war ihm soeben gelungen, die Flammen mit einer alten Decke, die er im Truck gefunden haben musste, zu löschen.

Er blickte zu ihr auf, mit von Rauch geschwärztem Gesicht und einem wilden Ausdruck in den Augen, und dann brach er in Gelächter aus. „Verdammt, du bist ja fast nackt!“

Sie nannte ihn einen Dummkopf, einen Idioten, einen Schuft. Und dann begann auch sie zu lachen. Es war schön, sich so ausgelassen mit jemandem zu freuen. Sie und ihr Vater lebten allein auf der Ranch, abgesehen von den Hilfsarbeitern, die kamen und gingen. Jason Kane war nicht sehr gesprächig, und daher war auch Meggie manchmal wortkarg in fremder Gesellschaft.

Doch bei diesem Jungen hatte sie keine Hemmungen. Sie spürte eine Verbindung zu ihm. Sie wusste einfach, dass er ein Freund war. Und sie vermutete, dass er es ebenfalls wusste.

„Komm mit“, sagte sie zu ihm, als das Gelächter schließlich verklang. „Ich habe meine Kleider am Bach.“ Sie half ihm auf das Pferd, und er ritt hinter ihr zurück zum Bach.

Dort angekommen, hockte er sich am Ufer nieder, um sich den Rauch aus dem Gesicht zu waschen und lange zu trinken. Sie saß ebenfalls ab und gesellte sich zu ihm. Schließlich bespritzten sie sich gegenseitig und lachten noch mehr.

Und dann, mindestens eine Stunde lang, saßen sie dort am Ufer, im Schatten der Pappeln. Er erzählte ihr, wer er war. Und dass sein Dad ein paar Monate zuvor an Blutvergiftung gestorben war. Und dass seine Mutter ihn gleich nach der Beerdigung bei seinem Großvater abgeladen hatte.

Nate behauptete, dass er seinen Großvater hasste, der ihn immer schief anblickte und den Kopf über ihn schüttelte. Er hasste außerdem Edna Heller, die beschlossen hatte, ihn zu zivilisieren. Und er konnte seinen Cousin Cash nicht ausstehen, der so perfekt war. Außerdem verachtete er seinen Cousin Zach, der immer alles richtig machte.

Meggie lauschte und nickte. Sie sah in Nates Augen, dass er die Bravos und Edna in Wirklichkeit gar nicht hasste. Mit der Zeit würde er merken, dass er zu ihnen gehörte.

Als sie sich trennten, versprach er, Meggie am nächsten Tag zum Schwimmen zu treffen. Doch er tauchte nicht auf. Sein Großvater hatte ihm Stubenarrest verpasst, weil er den Pick-up gestohlen hatte. Meggie sah ihn wochenlang nicht. Aber das machte nichts. Sie waren Freunde.

Ihre Freundschaft hielt zwei Jahre lang. Bis sie beide erwachsen zu werden begannen. Nates Schultern verbreiterten sich, und er bekam Muskeln. Auch Meggies Körper veränderte sich. Und die Jungen fingen an, sie anzusehen, wie Männer Frauen ansahen. Doch sie hatte kein Interesse an irgendeinem Jungen. Sie hatte nur Augen für Nate, und sie sah in ihm mehr als nur einen guten Freund. Gleichzeitig fing Nate an, sich mit Mädchen zu treffen, mit denen ein Junge sich nur aus einem einzigen Grund traf. Und er mied Meggie, wann immer sie einander begegneten, so als würde er sie nicht mehr kennen.

Zu dieser Zeit hatte Nate ihr zum ersten Mal das Herz gebrochen. Das zweite Mal hatte sich einige Jahre später ereignet, am Abend des vierten Juli, als sie schließlich den Mut aufgebracht hatte, ihm ihre Liebe zu gestehen … und er sie verschmäht hatte.

Nun, in der glühenden Hitze in Ross Bravos altem Pick-up, konnte Meggie nicht umhin, sich zu fragen, ob sie sich nun zum dritten Mal ein gebrochenes Herz einhandelte.

Nate begann, die verschiedenen Möglichkeiten für die Hochzeit durchzugehen. „Wir könnten sofort nach Reno fliegen. Oder wir könnten morgen in die Stadt fahren, das Aufgebot bestellen und uns so bald wie möglich im Standesamt trauen lassen.“

Plötzlich kam ihr ein anderes Problem in den Sinn. Ein sehr heikles Problem. „Da gibt es noch etwas, das wir berücksichtigen sollten.“

„Was denn?“

„Was ist eigentlich, wenn einer von uns beiden keine Kinder kriegen kann?“

Nate atmete tief durch, nahm ihren Hut vom Sitz zwischen ihnen und strich gedankenverloren über die Krempe. „Ich habe einen Vorschlag.“

„Ich höre.“

„Wir können doch nur das Offensichtliche tun. Und dann lassen wir eben der Natur ihren Lauf.“ Er reichte ihr den Hut.

„In gewisser Weise hast du recht. Aber ich finde, wir sollten realistisch sein. Ich brauche ein Baby. Und ich will so sicher wie möglich sein, dass es auch klappt.“

„Komm zur Sache, Meggie.“

Sie zwang sich, es auszusprechen. „Wärst du bereit, dich einem Test zu unterziehen?“

Einen Moment lang starrte er sie sprachlos an. Dann fluchte er. „Du verlangst nicht gerade viel, oder, Meggie?“

Sie drehte sich zu ihm um, legte ein Bein auf den Sitz und ließ die Hand auf dem Knöchel ruhen. „Lass uns ganz offen sein, okay? Besteht die Möglichkeit, dass du mit mir verheiratet bleiben möchtest, nachdem diese Sache erledigt ist?“

Erneut starrte er durch die Windschutzscheibe. „Keine.“

Sie redete sich ein, dass es nicht wehtat. „Okay. Dann hat es wirklich keinen Sinn, diese Ehe einzugehen, falls ich unfruchtbar bin oder du kein Kind zeugen kannst. Es ist besser, vorher zu erfahren, was Sache ist.“

Er schüttelte den Kopf. „Du willst also auch noch einen Test von mir …“

Zwei Tage später fuhren sie zusammen in einem Leihwagen nach Billings, wo Meggie einen Termin bei einem Arzt vereinbart hatte. Er warnte sie, dass selbst ein positives Resultat eine Schwangerschaft nicht garantiere, da verschiedene andere Faktoren eine Empfängnis verhindern konnten. Nate erwies sich dennoch als sehr kooperativ und ließ die Untersuchungen ebenso geduldig wie Meggie über sich ergehen.

Der nächste Tag war ein Freitag. Nate verbrachte ihn wie das folgende Wochenende auf der Rising Sun. Er half Zach bei der Arbeit und mied dessen forschende, argwöhnische Blicke. Anscheinend spürte Zach, dass etwas vor sich ging. Aber er war nicht der Typ, der sich einmischte. Er wartete auf einen günstigen Moment, um Fragen zu stellen. Nate sorgte dafür, dass sich keine Gelegenheit ergab.

Edna hingegen brauchte nie günstige Gelegenheiten. Sie betrachtete das Privatleben der Bravos als ihren persönlichen Bereich. Sobald sie erfuhr, dass Nate auf der Rising Sun aufgetaucht war, lud sie ihn und Zach für Sonntagabend zu sich zum Dinner ein. Ihre Hausgenossin Tess sollte kochen.

Als Nate das letzte Mal zu Weihnachten nach Hause gekommen war, hatte Tess sämtliche Mahlzeiten draußen auf der Ranch zubereitet. Jede einzelne hatte ausgezeichnet geschmeckt. Er freute sich darauf, ihre Gerichte wieder zu kosten.

Allerdings freute er sich nicht auf Ednas Fragen, die begannen, sobald er mit Zach das Haus betrat. Sie umarmte ihn und küsste ihn. „Nathan, komm rein. Setz dich. Und erzähl mir alles. Was führt dich nach Hause, obwohl nicht mal ein Feiertag ist?“

„Mir war einfach nach einem Besuch zu Mute.“

„Bist du sicher, dass das alles ist? Du bist am Donnerstag in der Stadt gesehen worden. Mit Meggie Kane.“

„Wirklich?“, hakte Zach eifrig nach.

„Wer hat mich gesehen?“, wollte Nate wissen.

Edna tätschelte seinen Arm. „Es tut mir leid, Nathan. Aber das kann ich dir nicht sagen. Jeder kennt dein ungezügeltes Temperament. Wenn jemand verletzt würde, weil ich meinen Mund nicht gehalten habe, könnte ich mir einfach nie verzeihen.“

„Ich werde niemandem etwas tun, Edna.“

„Ich finde es einfach unklug, mehr zu sagen.“

„Nun, dein Informant irrt sich“, behauptete Nate – überzeugend, wie er hoffte.

Edna lächelte nachsichtig. „Mein Informant irrt sich nicht. Aber da kommt Tess mit dem ersten Gang. Bedient euch, Jungs.“

Nate fiel es schwer, dem köstlichen Essen die verdiente Aufmerksamkeit zu schenken, da Zach ihn finster anstarrte und Edna ihn beobachtete wie ein Habicht.

Die Rückfahrt zur Ranch verlief in grimmigem Schweigen. Doch sobald sie das Haus betreten hatten, fragte Zach: „Hast du mir irgendetwas zu sagen?“

Nate wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Er zuckte die Achseln und verneinte.

Zach blickte ihn missbilligend und gekränkt an. Dann wandte er sich ab und ging die Treppe hinauf.

Nate blickte ihm nach und fragte sich immer noch, was er ihm hätte sagen sollen. Es war verfrüht, von der geplanten Hochzeit zu sprechen. Meggie wollte zunächst die Testergebnisse abwarten, bevor sie es irgendjemandem erzählten. Außerdem stellte ihre Vereinbarung eine Art von Ehe dar, die Zach missbilligen würde. Nate erkannte, dass er und Meggie einiges zu besprechen hatten. Sie mussten entscheiden, wie viel sie über ihre Pläne verlauten lassen wollten.

Wie vereinbart fuhren Meggie und Nate am Montag früh nach Billings. Dort erfuhren sie, dass Nate durchaus fähig war, ein Kind zu zeugen, und dass auch bei Meggie alles in Ordnung war.

Auf der Rückfahrt teilte sie ihm mit, dass sie Sonny als Nächstes die Situation erläutern sollten. „Er versteht nicht, warum ich mich mit dir treffe.“

„Er hat wohl gehört, wie schlecht ich bin, wie?“, murrte Nate.

Sie seufzte. „Ach, Nate …“

„Schon gut. Ich bin schlecht. Und du solltest dich nicht mit mir abgeben.“

„Du bist nicht schlecht.“

„Oh doch.“

Sie tauschten einen Blick. Dann richtete Nate seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße. Meggie sagte: „Im Ernst. In letzter Zeit sieht Sonny mich immer so besorgt an. Und er hat ein Recht zu erfahren, was vor sich geht.“

„Prima. Dann sag es ihm.“

Sie rutschte auf dem Sitz hin und her, und Nate wusste, dass sie ihm etwas Neues unterbreiten wollte.

„Nur zu, spuck es aus“, forderte er sie auf.

Einen Moment lang sagte sie gar nichts. Sie blickte aus dem Fenster zu einer Schar Raben hinüber, die in Reih und Glied auf einem Zaun saßen. Schließlich verkündete sie: „Also, ich habe nachgedacht.“

„Das klingt gefährlich.“

„Mach dich nicht über mich lustig.“

„Entschuldigung. Du hast also nachgedacht …“

„Na ja, ich finde, wir sollten Sonny und alle anderen glauben lassen, dass es eine richtige Ehe ist, nicht eine mit einer vorprogrammierten Scheidung. Ich glaube, dass es für alle einfacher ist, wenn wir so tun, als sollte sie für immer dauern.“

„Und wenn die Zeit kommt, dass wir uns trennen?“

„Dann sagen wir einfach, dass es nicht geklappt hat.“

Nate dachte an Edna und ihre strengen, missbilligenden Blicke. Er dachte an Zach, der so moralisch und rechtschaffen war. Und an Cash, der ihm selbst bis vor kurzem so ähnlich gewesen war – fest entschlossen, sich von keiner Frau einfangen zu lassen. Doch nun waren Cash und Abby unzertrennlich, und er hatte plötzlich viel Respekt vor dem Ehestand entwickelt.

Nate wusste, dass niemand aus seiner Familie ihn in Ruhe lassen würde, wenn bekannt wurde, dass er nur vorübergehend Ehemann und Samenspender für Meggie Kane spielte.

„Was sagst du dazu?“, fragte sie nervös.

„Dass ich selbst dasselbe denke.“

„Wirklich?“ Sie klang äußerst erleichtert. „Wundervoll. Und was meinst du zu dem Testament?“

„Was soll ich dazu meinen?“

„Meinst du, dass ich Sonny und Farrah davon erzählen soll?“

„Wozu?“

„Ich finde, sie haben ein Recht zu wissen, dass ich die Double-K verlieren könnte. Immerhin stellt sie auch ihren Lebensunterhalt dar.“

„Das stimmt.“

„Dann ist es ja gut.“ Sie beugte sich ein bisschen näher zu ihm herüber. Er fing ihren Duft auf und wusste, dass ihm eine weitere Forderung von ihr bevorstand.

„Was gibt’s sonst noch?“, hakte er tonlos nach.

„Ich finde, du solltest dabei sein, wenn ich es ihnen sage. Du weißt schon. Es ist nur logisch, dass du mir als mein Verlobter in einer solchen Situation zur Seite stehst.“

„Richtig.“

„Du solltest also heute zum Dinner kommen. Ach ja, übrigens möchte ich ihnen einen Teil der Double-K übergeben – später, meine ich, wenn alles geklappt hat. Das wollte ich ihnen heute Abend auch gleich sagen.“

„Es ist deine Ranch.“

„Du kommst also?“

Finster blickte Nate auf die Straße und murrte widerstrebend: „In Ordnung.“

Nach dem Dinner in der großen, altmodischen Küche der Double-K brachte Farrah ihre beiden Kinder in die alte Baracke, die Sonny in ein Wohnhaus für seine Familie umgebaut hatte. Zwanzig Minuten später kehrte sie allein zurück und setzte sich gegenüber von Meggie und Nate an den Tisch.

„Okay“, eröffnete Sonny. „Ich schlage vor, dass du uns jetzt erzählst, was hier vor sich geht.“

Meggie legte das Testament auf den Tisch. „Lest diesen Absatz da.“

Sonny und Farrah beugten sich über das Dokument. Dann, nach einer Weile, blickte Sonny auf. „Ist das eine Bedingung, die du erfüllen musst, um die Double-K zu behalten?“

Meggie nickte. „Ich muss heiraten und innerhalb von zwei Jahren ein Baby bekommen. Sonst verlieren wir die Ranch.“

„Bist du sicher?“

„Ganz sicher.“

„Warum zum Teufel hat er so etwas getan?“, murrte Sonny. „Er kann froh sein, dass er tot ist. Sonst hätte ich ihn selbst umgebracht.“

Farrah legte beschwichtigend ihre Hand auf seine. „Bitte, sprich nicht schlecht von einem Toten.“

„Es tut mir leid, Sonny“, sagte Meggie. „Ich weiß, dass ich es dir früher hätte sagen sollen. Ich wusste nur nicht, wie ich es dir beibringen sollte.“

Er begegnete ihrem Blick. „Wie konnte er dir das antun? Du hast ihm alles bedeutet.“

„Er wollte, dass ich heirate und eine Familie gründe.“

„Das ist aber eine verdammt verrückte Art, es zu erzwingen. Wir müssen zu einem Anwalt gehen.“

Meggie schüttelte den Kopf. „Ich habe es schon geprüft. Das Testament ist nicht anfechtbar. Dad war bei Verstand. Und er hatte das Recht, über seinen Besitz zu verfügen, wie er es wollte. Dieses Testament ist von einem Anwalt aufgesetzt und ordnungsgemäß von Zeugen unterschrieben worden.“

„Das bedeutet also …“

„Dass ich die Bedingungen erfüllen muss, oder wir verlieren die Ranch.“

Sonny stöhnte. „Was soll also jetzt geschehen?“ Und dann wanderte sein Blick zu Nate. Die Wahrheit dämmerte ihm. Er wandte sich wieder an Meggie und flüsterte ungläubig: „Der? Du willst Nate Bravo heiraten?“

Nate, der Sonnys abfällige Blicke den ganzen Abend lang bewusst ignoriert hatte, ermahnte sich, cool zu bleiben. Er war fest entschlossen, nicht die Beherrschung zu verlieren, nur weil Meggies verklemmter Cousin ihn für einen ungeeigneten Ehekandidaten hielt. Schließlich war er ja auch ein ungeeigneter Ehekandidat. Also bestand kein Grund, beleidigt zu sein.

Meggie griff nach seiner Hand und drückte sie. „Die Wahrheit ist, dass ich Nate immer geliebt habe.“

Sonny stieß ein ungläubiges Schnauben aus und heftete den Blick auf Nate. „Du bist irgendein Detektiv in L. A., oder?“

„Ja.“

„Du lebst also in L. A. Meggie lebt hier. Wie soll es funktionieren, dass ihr …“ Sein Gesicht wurde so rot wie seine Haare.

Hastig erklärte Meggie: „Nate bleibt bis zum Herbst auf der Double-K. Und ich verbringe den Winter in L.A. Ich muss euch also bitten, euch währenddessen hier um alles zu kümmern.“

Sonny wirkte keineswegs überzeugt. „Und was wird dann? Wollt ihr beide etwa jedes Jahr nach L. A. verschwinden? Willst du damit sagen, dass du Teilzeitrancherin sein willst? Das ist unmöglich.“

„Nein, natürlich will ich das damit nicht sagen.“

„Was willst du denn dann sagen?“

„Na ja, dass wir nächstes Jahr die Situation besser im Griff haben und dann entscheiden werden, wie es weitergehen soll.“

„Aha, ich verstehe“, murmelte Sonny. „Du hast ein Abkommen mit ihm getroffen. Er heiratet dich und versucht, dir zu geben … was du brauchst. Und danach ist es egal, wer wo lebt, weil ihr sowieso nicht mehr zusammen seid.“

Meggie blickte niedergeschlagen drein. „Nein, Sonny, du verstehst das nicht.“

„Was bezahlst du ihm dafür? Deine 20000 von Grandma Kane?“

Nate entschied, dass es an der Zeit war einzugreifen. „Sie bezahlt mir überhaupt nichts.“

Sonny blinzelte. „Ich rede nicht mit dir.“

„Aber ich rede mit dir. Und ich sage dir, dass es eine richtige Ehe ist.“ Es gelang ihm, seine Stimme aufgebracht und äußerst überzeugend klingen zu lassen. „Meggie und ich beabsichtigen, für den Rest unseres Lebens zusammenzubleiben.“

Sonny verschlug es den Atem, aber er blieb weiterhin zynisch. „Ja, ja. Sicher.“

„Du kannst darauf wetten. Im nächsten Frühling kommen wir zurück und bleiben für immer hier.“ Woher kommen all diese Lügen? wunderte Nate sich vage, und er log weiter. „In diesem Winter, während wir in L. A. sind, werde ich mein Geschäft dort für immer aufgeben.“ Als ob es etwas aufzugeben gäbe, abgesehen von einer gemieteten Zweizimmerwohnung. Herausfordernd fügte er hinzu: „Was sagst du dazu?“

„Na ja, das klingt …“

„Das klingt wirklich gut“, warf Farrah ein, da Sonny offensichtlich die Worte fehlten. „Wenn Meggie dich liebt und du sie liebst, dann freuen wir uns beide für euch.“

„Und da ist noch etwas“, eröffnete Meggie. „Sobald die Bedingungen des Testaments erfüllt sind, wollen Nate und ich eine richtige Partnerschaft mit euch beiden eingehen. Ich beabsichtige, euch fünfundzwanzig Prozent der Ranch zu überschreiben.“

Sonny blickte verblüfft drein. „Aber Meggie …“

„Widersprich mir nicht. Ihr arbeitet seit drei Jahren sehr hart auf der Double-K. Und ihr müsst sie in diesem Winter allein führen. Ihr habt es verdient, für etwas zu arbeiten, das euch gehört.“ Sie lächelte Farrah und Sonny an. „Also, was sagt ihr dazu?“

„Ich … bist du dir sicher?“

„Das bin ich. Und jetzt schließ bitte Frieden mit Nate, denn ihr beide werdet von jetzt an zusammen arbeiten.“

Sonny nickte und begegnete Nates Blick. „In Ordnung. Ich habe wohl … etwas voreilig geurteilt.“

Nate zuckte die Achseln. „Vergiss es.“

„Nein. Ehrlich gesagt habe ich einige Dinge über dich gehört. Dass du ein wildes Kind warst. Dass du ein Mann bist, der sich niemals häuslich niederlassen wird. Ich habe dich auf Grund von Gerüchten beurteilt. Jetzt sehe ich ein, dass ich mich geirrt habe.“

Nate fühlte sich sehr schäbig. Einfache, hart arbeitende Menschen waren immer so verdammt leicht zu täuschen. Doch die Vereinbarung zwischen Meggie und ihm ging niemanden sonst etwas an. Er war fest entschlossen, sich an seine Rolle zu halten. Also streckte er seine Hand aus. „Lass uns einfach von vorne anfangen.“

Sie schüttelten sich über den Tisch hinweg die Hände.

„Kümmere dich gut um sie“, warnte Sonny.

„Das werde ich tun“, versprach Nate. Es war nicht einmal völlig gelogen. Er hatte die Absicht, sich gut um Meggie zu kümmern. Er wollte ihr geben, was sie brauchte, damit sie behalten konnte, was sie liebte. Dann erst würden sie getrennter Wege gehen.

4. KAPITEL

Am Samstag gaben Nate und Meggie sich das Jawort im Standesamt von Buffalo, mit Sonny und Farrah als Trauzeugen. Sie beabsichtigten, ins Steakhaus in Medicine Creek einzukehren und dann nach Hause auf die Ranch zu fahren.

Am Arm ihres frisch gebackenen Ehemannes verließ Meggie das Standesamt. Sie war glücklich und voller Hoffnung – beinahe, als hätten sie soeben richtig und auf ewig geheiratet. Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel herab.

Sie waren noch keine fünf Schritte gegangen, als Cash, der blonde, blauäugige Charmeur in der Familie Bravo, seinen Cadillac neben ihnen anhielt. Er rutschte über den Sitz und öffnete die Hintertür. „Steigt ein.“

„Was zum Teufel soll das?“, fragte Nate.

„Das ist eine Entführung. Was hast du denn gedacht?“ Cash hielt Nates Blick mit ernster Miene stand. „Also tu einfach, was ich dir sage … ausnahmsweise. Oder du wirst es schwer büßen müssen.“

„Wer sagt das?“

„Edna.“

Mit einem Grinsen wandte Nate sich an Meggie. „Wenn Edna uns will, dann sollten wir uns wohl lieber fügen.“

Sie lachte. „Ich habe nichts dagegen.“

Er half ihr auf den Rücksitz. Doch dann hielt er inne und blickte sich um. „Was ist mit Sonny und Farrah und den Kindern?“

„Sie sind schon auf dem Weg dorthin, wohin wir fahren“, erklärte Cash. „Und jetzt steigt ein. Wir hätten schon vor zehn Minuten eintreffen sollen.“

Cash fuhr mit ihnen nach Medicine Creek – aber nicht zum Steakhaus. Stattdessen brachte er sie zu dem großen Haus, in dem er mit Abby und ihrem Sohn lebte.

Edna Heller öffnete ihnen die Tür. In einem blauen Seidenkleid sah sie sehr zerbrechlich und feminin aus. Es war kaum zu glauben, dass sie einen eisernen Willen und eine schonungslose Entschlossenheit besaß.

„Oh, da seid ihr ja endlich.“ Edna küsste Meggie auf die Wangen. „Meine Liebe, ich bin ja so entzückt.“ Sie breitete die Arme für Nate aus, der sich gehorsam drücken ließ. „Meinen Glückwunsch, Nathan. Du bist ein Glückspilz.“ Sie wich zurück und führte sie strahlend in das Wohnzimmer.

Freunde und Familienangehörige warteten dort. Alle riefen gleichzeitig: „Überraschung!“

Abby trat vor. Ihr hübsches Gesicht leuchtete, und das blonde Haar fiel ihr wie immer in die Augen. Sie umarmte Meggie und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich habe vorausgesagt, dass es passieren würde.“

„Wirklich?“

„Ja. Letztes Jahr. An meinem eigenen Hochzeitstag.“

Meggie blieb keine Gelegenheit, darauf zu antworten. Denn Zach griff nach ihr, hob sie hoch und drückte sie an sich. Sie wurde von einem zum anderen gereicht und herzlich umarmt. Es war wundervoll.

Nachdem alle sie beglückwünscht hatten, blickte sie sich erfreut um. Cash und Abby hatten keine Kosten gescheut. Sie hatten einen Lieferanten für Speisen und Getränke aus Sheridan beauftragt – denselben, der ein Jahr zuvor ihre eigene Hochzeit in diesem Haus ausgerichtet hatte. Zahlreiche verlockende Speisen standen auf festlich geschmückten Tischen bereit, und die Bar war gut gefüllt.

Meggie seufzte. „Das hättet ihr wirklich nicht tun sollen.“

„Oh doch, wir hätten“, konterte Abby. „Und jetzt geh auf das Parkett und tanze.“

Meggie zögerte nicht. Sie tanzte mit Zach und Cash und Sonny. Sie wirbelte von einem Partner zum anderen und amüsierte sich großartig. Alle Anwesenden schienen aufrichtig glücklich für sie und Nate zu sein. Und auch sie selbst war glücklich.

Und als sie schließlich mit Nate tanzte, schloss sie mit einem verklärten Lächeln die Augen und wünschte, der Abend möge niemals enden.

Lange nach Einbruch der Dunkelheit fuhren sie zur Double-K zurück. Der Mond war fast voll und leuchtete ihnen den Weg. Meggie lehnte den Kopf an Nates Schulter und blickte hinaus in die sternenklare Nacht.

Schließlich fuhr Nate vor dem Haupthaus vor. Er schaltete den Motor und die Lichter ab. Einen Moment lang saßen sie still da, lauschten dem Seufzen des Windes und betrachteten den Mond.

Dann hob Meggie den Kopf von Nates Schulter. Sie tauschten einen langen Blick.

Und er sagte sanft: „Es sollte nicht in einem Zimmer passieren.“

Sie wusste genau, was er meinte. „Dann lass uns aufbrechen.“

Eine halbe Stunde später ritt Meggie neben Nate auf die Big Horns zu, die dunkel und zerklüftet im Westen aufragten. Sie ritt Patriot, eine kleine, flinke Stute. Nate hatte einen großen, schwarzen Wallach namens Indigo gewählt.

Nate trug ein Gewehr in der Satteltasche, für alle Fälle. Und beide hatten Jacken und Schlafsäcke mitgenommen. Als sie den ersten Hügel erklommen hatten, zügelten sie ihre Pferde. Sie saßen still im Sattel und blickten über das Land. Meggie hob das Gesicht in den Wind. Es roch nach Salbei und Pinien aus den nahen Bergen. Irgendwo schrie ein Käuzchen, und ein Kojote stieß ein langes, einsames Heulen aus.

Sie ritten weiter. Es bedurfte keiner Worte. Sie wussten beide, wohin sie wollten: zu jener Stelle am Bach, an der sie so oft gesessen und stundenlang geredet hatten in jenen ersten zwei Jahren, als sie beinahe noch Kinder und die besten Freunde gewesen waren.

Als sie den Feldweg erreichten, den Nate mit vierzehn Jahren für die Spritztour im Pick-up seines Großvaters benutzt hatte, gab Meggie Patriot die Sporen. Mit einem leisen Lachen folgte Nate ihr.

Sie galoppierten den Hügel hinauf und zum Bach hinab, mit dem kühlen Wind auf dem Gesicht und dem Mond als Wegweiser. Im Laufe der Jahre hatte die Schneeschmelze den Flusslauf etwas verändert. Die alte Stelle, die sie bevorzugt hatten, existierte nicht mehr. Sie mussten die Pferde zügeln und am Ufer entlangreiten, in die Schatten von Weiden und Pappeln spähen, auf der Suche nach einem geeigneten Platz.

„Hier“, sagte Nate schließlich.

Sie sattelten ab und banden die Pferde ein Stück vom Ufer entfernt an. Dann trugen sie die Sättel und Schlafsäcke unter die Bäume in der Nähe des Wassers. In einer windgeschützten Senke breitete Nate seinen Schlafsack auf dem Gras aus, während Meggies als Decke dienen sollte.

Schließlich setzten sie sich Seite an Seite auf ihr improvisiertes Ehebett und zogen sich Stiefel und Strümpfe aus. Schüchternheit überfiel Meggie, als sie ihre Bluse aufzuknöpfen begann. Ihr Herz pochte zu schnell, und ihre Finger wurden ungeschickt. Sie verharrte, befeuchtete sich die trockenen Lippen und starrte hinaus auf das dunkle Wasser, das nicht weit entfernt vorüberfloss.

„Brauchst du Hilfe?“ Nate kniete sich vor sie.

Ein Gefühl der Unwirklichkeit beschlich sie beim Anblick seiner Silhouette im silbrigen Mondschein. Er stellte ihren kostbarsten, hoffnungslosesten Traum dar. Und doch war er in dieser Nacht bei ihr, weil er ihre Bitte um Hilfe nicht hatte ablehnen können.

Stumm starrte sie ihn an. Seine dunklen Augen, die so oft mit kaltem Zynismus in die Welt blickten, wirkten nun weniger kalt, aber nicht weniger wachsam.

Um sich diesen wachsamen Augen zu entziehen, senkte sie den Blick. Nate hatte sich bereits das Hemd ausgezogen. Unwillkürlich starrte sie auf die harten Muskeln seiner Schultern und Arme. Dann musterte sie die seidigen, schwarzen Härchen, die sich auf seiner Brust lockten, in einer schmalen Linie über seinen harten Bauch verliefen und dann unter dem Bund seiner Jeans verschwanden.

„Meggie?“

Sie zwang sich, ihm wieder in die Augen zu blicken. „Ich habe plötzlich solche Angst“, flüsterte sie erstickt.

Ein schiefes Lächeln spielte um seine Lippen. „Du hast dich doch wohl nicht aufgehoben, oder?“

Ihr Gesicht glühte. ...

Autor

Christine Rimmer
Christine Rimmers Romances sind für ihre liebenswerten, manchmal recht unkonventionellen Hauptfiguren und die spannungsgeladene Atmosphäre bekannt, die dafür sorgen, dass man ihre Bücher nicht aus der Hand legen kann. Ihr erster Liebesroman wurde 1987 veröffentlicht, und seitdem sind 35 weitere zeitgenössische Romances erschienen, die regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten landen....
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