Brennendheiße Sehnsucht

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An Liebe hat Amber wirklich nicht gedacht, als sie uneingeladen auf der Hochzeit ihres Exverlobten erscheint. Aber dann begegnet sie auf dem Fest Cal McFarlane, einem wahren Bild von Mann. Der schwerreiche Landbesitzer sieht nicht nur blendend aus, sondern ist auch sehr charmant. Vom ersten Moment an fühlt Amber sich zu ihm hingezogen. Schon bald zu Besuch auf seinem prächtigen Anwesen, träumt sie schnell vom Glück an seiner Seite. Jedoch gibt es noch eine Frau, die ihr Herz an Cal verloren hat - und die ist keinesfalls bereit, ihn Amber kampflos zu überlassen …


  • Erscheinungstag 25.04.2010
  • Bandnummer 1841
  • ISBN / Artikelnummer 9783862951253
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ein Samstagnachmittag im späten Frühling. Oktober in der südlichen Hemisphäre. Strahlender Sonnenschein. Tiefblauer Himmel. Liebliches Gezwitscher unzähliger Vögel, versteckt im kühlen Laubdickicht der Bäume.

Vor der schönen alten St.-Cecilia-Kathedrale hielt eine weiße Limousine – eine von vielen, in denen die Gäste zur „Hochzeit des Jahres“ vorfuhren. Als Überschrift war „Hochzeit des Jahres“ ziemlich abgenutzt, aber Zara Fraser, Kolumnistin für Gesellschaftsklatsch bei der Weekend Mail, benutzte sie auf Befehl ihres Chefs, eines Golfpartners von Sir Clive Erskine, des Großvaters der Braut. Und nicht nur deshalb. Sie wusste auch, dass es mühsam gewesen wäre, eine bessere Schlagzeile zu finden, denn die Hochzeit war zweifellos ein bedeutendes gesellschaftliches Ereignis.

Fast jeder, der auf der Gästeliste der Braut stand, war schwerreich. Auf der des Bräutigams dagegen fanden sich die üblichen jungen Staranwälte mit ihren herausgeputzten Partnerinnen – Normalbürger, die sich mit Kindern und Hypothekenzinsen herumschlugen und um ihr Auskommen kämpften.

Die Eltern des Bräutigams befanden sich auf einer Kreuzfahrt durch die Antarktis und konnten nicht teilnehmen. Man munkelte, dass sie die Reise absichtlich zu diesem Zeitpunkt angetreten hatten, weil ihr einziger Sohn sich nicht an die gesellschaftlichen Spielregeln hielt, die sie ihm beigebracht hatten. Nur wer diese Regeln beachtete, kam unbeschadet durchs Leben. Was Sean Sinclair sich am heutigen Tag erlaubte, konnte niemand gutheißen. Man verurteilte ihn allgemein und unterstellte ihm die niedersten Beweggründe.

Zweihundert Personen waren zu der Trauung eingeladen worden, und zweihundert und eine waren erschienen. Fast noch einmal so viele hatten eine Einladung für den anschließenden großen Empfang erhalten.

Der äußere Rahmen glich einer Idylle. Jacarandas, Goldregen und Kassien blühten, und der Anblick ihrer verschwenderischen Farbenpracht ließ das Herz höher schlagen. Eine besonders schöne, von Rasen eingefasste Jacaranda mit lavendelblauen Blüten beherrschte den Vorplatz der im gotischen Stil erbauten Kirche, die wegen ihrer hohen Bögen, schlanken Säulen und mittelalterlich anmutenden Marmorkanzel viel bewundert wurde. Die großen Rondelle auf beiden Seiten des Hauptschiffs, das nur scheinbar von Strebepfeilern gestützt wurde, quollen über von duftenden hellroten Rosen. Ein Bilderbuchrahmen für eine Bilderbuchhochzeit, doch mindestens eine Person – die nicht eingeladene – empfand alles wie einen fürchterlichen Albtraum.

Sie stieg so anmutig aus der weißen Limousine, dass sie zu schweben schien. Dabei ergriff sie flüchtig die Hand des livrierten Chauffeurs, der ihr die Wagentür aufhielt und dessen Miene verriet, wie glücklich er sich schätzte, für diesen besonderen Auftrag ausgewählt worden zu sein. Die junge Frau sah hinreißend aus. Sie war groß und überaus schlank, eine Vision weiblicher Grazie und vollkommener Schönheit. Ohne nach rechts oder links zu blicken, schritt sie in ihren eleganten Stilettos die wenigen Stufen zum Kirchenportal hinauf.

Die Gäste, die aus den nachfolgenden Luxuslimousinen stiegen, blieben wie angewurzelt stehen und starrten ihr nach. Einige erstaunt, andere voller Neugier.

„Das ist doch nicht etwa …“

„Nein, unmöglich.“ Es klang schockiert und verriet zugleich erwartungsvolle Spannung.

„Doch, es stimmt. Sie ist es.“

„Gütiger Himmel!“ Rosemary Erskine – eine üppige Matrone und Mutter der Braut – schnappte hörbar nach Luft. Sie trug ein changierendes Seidenkleid und dazu einen leuchtend blauen Hut mit Straußenfedern. „Cal!“ Sie wandte sich an den jungen Mann, der in imponierender Größe neben ihr stand, als könnte nur er die Situation retten. „Du musst unbedingt etwas unternehmen.“

„Wo liegt das Problem, Rosemary?“ Callum MacFarlane, Rinderbaron aus dem Outback und Cousin der Braut, hatte nur Augen für das lebende Kunstwerk, das eben vorübergeschwebt war. Er kannte die Göttin nicht, der alle so entgeistert nachstarrten. Nicht zu Unrecht, denn sie sah wirklich fabelhaft aus. Bei ihrem Anblick musste jedem Mann der Atem stocken. Er selbst bildete zum Glück eine Ausnahme. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, vorsichtig zu sein, aber sollte er darum wegsehen?

Vielleicht war Rosemary nur so empört, weil der Auftritt ganz danach angetan war, Georgette die Schau zu stehlen. Das Erscheinen der Exverlobten des Bräutigams musste für Aufregung sorgen, auch wenn sie sich untadelig verhielt. Die Nachricht, sie habe die öffentliche Demütigung nicht verwunden und halte sich im Dschungel Neuguineas versteckt, war nur ein Gerücht gewesen. Sie trat frei und unbefangen auf – in einem eleganten zart pinkfarbenen Designerkostüm. Ein extravaganter Hut, dessen breite Krempe auf einer Seite von mehreren Blüten blassgelber Seidenrosen beschwert wurde, schützte ihr Gesicht vor der glühenden Sonne und ließ seine Schönheit nur ahnen. Allein die klassisch geschnittene Nase trat etwas hervor. Der Versuch, sie in ihrer Vollkommenheit nachzubilden, hätte jedem Schönheitschirurgen ein Vermögen eingebracht.

Die meisten Menschen kannten dieses Gesicht, aber Callum MacFarlane, dessen Ranch Jingala weit weg im fernen Channel Country lag, war es fremd. Es erschien jeden Abend im Fernsehen, wenn Miss Wyatt die Sechsuhrnachrichten vortrug – zusammen mit Jack Matthews, der hinter den Kulissen gegen sie intrigierte.

„Es ist diese schreckliche Amber Wyatt“, zischte Rosemary mit verzerrtem Gesicht, was keinen guten Eindruck machte. Normalerweise flößte sie ihrer Umgebung gewaltigen Respekt ein.

Callum blieb nichts anderes übrig, als sich von den Bildern zu trennen, die ihm seine Fantasie über eine so außergewöhnliche Frau vorgaukelte. Trotz aller aufgebauten Abwehrmechanismen verspürte er plötzlich ein heftiges Verlangen, das er schleunigst unterdrückte. Mehr als ein paar Minuten Ekstase kamen sowieso nie dabei heraus.

„Herrgott, Cal!“ Ein Verwandter, der in der Nähe stand, kam Rosemary zu Hilfe. „Jeder weiß, wer sie ist. Sie …“

„Schon gut, schon gut. Ich habe verstanden.“

Diese berückende Person mit den schönsten Beinen von ganz Australien war also die Frau, der Sean Sinclair wegen Georgette den Laufpass gegeben hatte. Wunder über Wunder! Dahinter konnte nur reine Geldgier stecken. Miss Amber Wyatt sitzenzulassen! Callum wusste, was das bedeutete. Man musste es nur einmal erlebt haben, um es nie wieder zu vergessen. Brooke Rowlands hatte ihn mindestens so schlecht behandelt, aber er hatte es ihr durchgehen lassen und nur die Verlobung gelöst. Während er mit einer Wirtschaftsdelegation in Japan Gespräche führte, war sie mit einem Polofreund zu einem Kurzurlaub nach Bangkok abgedüst. Ade, Verlobte, ade, Polofreund! Inzwischen war er aus dem Tief heraus, aber über Frauen machte er sich keine Illusionen mehr.

Über Sean Sinclair allerdings auch nicht. Er war ein typischer Mitgiftjäger. Callum hatte Georgette gern, doch ihr Charme reichte bei Weitem nicht aus, um einen Mann von Amber Wyatt wegzulocken. Seine Cousine war nicht der Typ, der es sich hätte leisten können, einen Antrag von George Clooney abzulehnen!

Beim Familiendinner am Vorabend hatte Callum gehört, dass Miss Wyatt kürzlich für eine Sendung über Straßenkinder ausgezeichnet worden war. Das hatte ihr Selbstbewusstsein zweifellos gestärkt, aber mit ihrem heutigen Erscheinen verletzte sie alle Regeln der Hochzeitsetikette. War das Absicht? Immerhin hatte sie seine lieben Verwandten aus ihrer eitlen Selbstgefälligkeit aufgeschreckt. Alles war so angenehm glatt verlaufen – und jetzt das!

Wie konnte er mir das antun?Im ersten Augenblick wollte Amber am liebsten kehrtmachen und weglaufen. Die neidischen Götter, die mit den Menschen spielten, hätten das zweifellos gern gesehen, aber sie würde ihnen den Gefallen nicht tun. Sie würde sich beherrschen, obwohl sie nie etwas Dümmeres und – ehrlich zugegeben – Unmöglicheres getan hatte. In eine Hochzeit hineinzuplatzen war unverzeihlich, selbst für eine verlassene Verlobte. Am besten schob sie alles auf ein verspätetes Trauma. Das kam heutzutage gut an. Sogar die Richter nahmen solche Fälle ernst.

Ohne sich etwas anmerken zu lassen, stieg Amber die letzten Stufen hinauf. In dieser Kirche hatten Sean und sie heiraten wollen. Welche Gefühllosigkeit! Er durfte einfach nicht ungestraft davonkommen. Jedes Verbrechen musste gesühnt werden. Und die Braut? Georgette Erskine wurde offensichtlich nicht von Gewissensbissen geplagt, weil sie einer anderen Frau den Mann wegnahm. Das machte sie ebenso strafwürdig.

Amber trug keinen Ring mehr. Sie hatte Sean den Verlobungsring mit Kurier zurückgeschickt. Hätte sie den Stein prüfen lassen, wäre der Diamant vermutlich als Zirkon entlarvt worden. Halt suchend griff sie nach dem Träger ihrer Chanel-Umhängetasche. Vor allem durfte sie jetzt keine Unsicherheit zeigen. Sie musste kühl und souverän erscheinen. Seans Verlegenheit versprach amüsant zu werden. Es sollte Frauen geben, die ihren treulosen Exfreund oder Exverlobten mit dem Auto überfuhren und sogar noch den Rückwärtsgang einlegten. So viel Gewalttätigkeit lag ihr nicht. Den verachtenswerten Sean und seine skrupellose Braut gründlich zu erschrecken war etwas anderes und passte in ihre Rachepläne.

Zeit der Vergeltung! Für einen Moment stellte sich Amber die perfekte Szene vor. Sie war gerade zur rechten Zeit gekommen. Der Bischof, der für seine würdevollen Auftritte bekannt war, sprach die entscheidenden Worte: „Wenn jemand von den hier Anwesenden einen Grund kennt, warum dieses Paar nicht rechtmäßig zusammengegeben werden darf, so möge er jetzt sprechen.“

Das war ihr Stichwort, um aufzustehen. Mit Stilettos war sie fast ein Meter achtzig groß und daher nicht zu übersehen. Sobald sich alle umgedreht hatten und sie ungläubig ansahen, würde sie kehrtmachen und langsam die Kirche verlassen – zur Enttäuschung der einen, weil nicht mehr passiert war, und zur Empörung der anderen, weil sie die Hochzeitsetikette derartig verletzt hatte.

Damit es dazu kommen konnte, musste sie ungehindert in die Kirche gelangen. Obwohl sie, fernsehgeschult, immer geradeaus blickte, bemerkte sie die Unruhe, die ihr Erscheinen verursachte. Sogar einige geflüsterte Worte drangen an ihr Ohr.

„Oh, mein Gott … das ist Amber Wyatt!“ „Sie hat Mut, das muss man ihr lassen.“ Die bewundernde Bemerkung kam von einer Sanitäterin. „Die Ärmste! Ich würde mich an ihrer Stelle umbringen.“

Warum sollte ich mich umbringen?, überlegte Amber. Ich habe nichts Unrechtes getan. Mir ist Unrecht geschehen … gerade, als mein Leben so rosig aussah. Nimm dich zusammen, Amber. Es dauert nicht mehr lange. Amber sprach oft mit sich selbst … in letzter Zeit noch öfter als sonst. Und sie war umwerfend angezogen, das stärkte ihr Selbstvertrauen. Wer sie bewunderte, konnte sie nicht bedauern. Der Farbton des Kostüms passte genau zu ihrem Haar, das weder rot noch golden, noch kupferfarben, sondern alles zugleich war. Im Moment wurde die schimmernde Pracht fast ganz von dem sensationellen Hut verborgen. Er tarnte sie ein bisschen. Auch die übrigen Accessoires waren farblich perfekt auf das Kostüm abgestimmt. Alles zusammen hatte viel zu viel Geld gekostet, aber ihr Stolz verlangte diesen Superauftritt. Etwas anderes hätte sie nicht befriedigt. Jono, der das Penthouse über ihr bewohnte, Unsummen für Computerprogramme kassierte und ein todsicheres modisches Urteil besaß, hatte nur „Donnerwetter!“ gesagt und ihr sein Okay gegeben.

Ironischerweise war es ausgerechnet ihre Freundin Zara Fraser gewesen, die ihr die Neuigkeit wenig schonend beigebracht hatte …

Amber setzte sich im Bett auf und griff nach dem Telefonhörer. Was, zum Teufel, fällt Ihnen ein?, hätte sie fast geschrien, aber in letzter Sekunde kam sie zur Besinnung. Immerhin bestand die entfernte Möglichkeit, dass es ihr Chef war.

Die Leuchtziffern auf ihrer Nachttischuhr zeigten fünf Uhr fünfunddreißig. Zu allem Ärger war es auch noch Sonntag – der einzige Tag, an dem sie ausschlafen konnte. Sean rief kaum so früh an, obwohl sie sich seit Tagen nicht gesprochen hatten. Er war geschäftlich in London und genoss die Weltstadt, soweit das heute noch möglich war, ohne sich zu gefährden. Bei dem Gedanken ergriff sie panische Angst.

„Hallo, Amby!“

„Bist du es, Zee?“

„Ich und keine andere, Darling. Ich weiß, wie früh es ist, aber du musst die Neuigkeit erfahren.“

„Wenn du wieder mal den Richtigen gefunden hast, lege ich sofort auf. Dafür bin ich nicht in Stimmung.“

Das ansteckende Lachen, das sie von Zara kannte, blieb aus. „Hör mir zu, Amby. Die Sache ist ernst.“

„Bei allen Männern wird es ernst“, stöhnte Amber. „Hast du vergessen, dass man ihnen nicht trauen darf?“

„Wie wahr … wie wahr.“ Zaras Stimme klang eigentümlich belegt. „Allerdings geht es nicht um mich, Amby, sondern um dich. Liegst du noch?“

„Jetzt nicht mehr.“ Amber setzte die Füße auf den Boden. „Sei barmherzig und mach es kurz.“

„Dass ausgerechnet ich es dir beibringen muss! Aber meinetwegen, mir bleibt nichts anderes übrig. Dein Verlobter, Sean Sinclair …“

Amber stockte der Atem. „Hat es etwa wieder einen Terroranschlag gegeben, Zee?“ Alles Schreckliche ereignete sich plötzlich und unerwartet. „Sag bitte Nein.“

„Nichts derartig Schlimmes“, versicherte Zara hastig, „wenn auch auf seine Art schlimm genug. Ich weiß es von Trish McGowan. Du kennst Trish. Sie ist gerade in London. Dein Verlobter hat gestern Nachmittag, um drei Uhr Londoner Zeit, Georgette Erskine, die Enkelin von Sir Clive Erskine, standesamtlich geheiratet.“

„Du machst Witze!“ Amber nahm ihre Freundin keinen Augenblick ernst. „Ich kenne deine kleinen Spielchen, aber diesmal übertreibst du.“

„Nein, Amby. Es ist kein Witz, sondern der Beweis dafür, was wirklich in dem miesen Kerl steckt. Ich weiß, es ist ein Schock für dich, doch denk bitte daran, dass du gerade noch mit heiler Haut davongekommen bist.“

Amber ließ sich auf das Bett fallen. Es kam ihr vor, als stürzte sie von einer Klippe in einen tiefen Abgrund. „Besteht die Möglichkeit, dass Trish sich einen Spaß erlaubt hat?“, fragte sie stockend. „Das Ganze klingt nach einem Aprilscherz.“

„Ausgeschlossen, Schatz“, erklärte Zara unglücklich. „Wir haben Oktober. Ich hatte keine Ahnung, dass der Schuft Georgette überhaupt kennt. Wusstest du es?“

Bruchstücke von Erinnerungen kehrten zurück. „Er hat sie einige Male gesehen, wenn sie ihren Großvater in die Kanzlei begleitete. Angeblich sah sie nicht mal gut aus. Alles, was für sie sprach, war das Familienvermögen.“

„Alles?“, schrie Zara auf. „Sean muss schon länger darauf spekuliert haben. Hör mal … ich bin in zwanzig Minuten bei dir. Du darfst jetzt nicht allein sein.“

Zara war mit frischen Croissants und echtem Hochlandkaffee erschienen und hatte sich großartig verhalten. Amber kannte viele Menschen, aber einige – zum Beispiel ihr Kollege Jack Matthews – fanden an diesem Schicksalsschlag heimliches Vergnügen. Die kirchliche Zeremonie, die heute nachträglich stattfand, sollte dem glücklichen Paar auch den göttlichen Segen bringen. Falls Gott ihn großzügig spendete, würde er bei Amber gewaltig an Ansehen verlieren. Noch mehr, wenn er sich zusätzlich auf die Seite von Sir Clive Erskine stellte.

Die Erskines gaben vor, eine fromme Familie zu sein. Sir Clive, ein mehrfacher Milliardär, besaß Kohlengruben, Goldminen, exklusive Strandhotels, Einkaufspassagen, ein gewinnverdächtiges Renngestüt und verschiedene Provinzzeitungen. Außerdem hatte er für die Restaurierung der St.-Cecilia-Kathedrale die bedeutendste Geldsumme gestiftet.

Sean Sinclair, der Bräutigam, war Teilhaber der renommierten Anwaltskanzlei „Langley, Lynch & Pullman“, deren Klienten aus allen Ländern kamen und mindestens zu den Millionären zählten. Er war begabt, ehrgeizig und äußerst attraktiv, falls einem der jungenhafte Typ gefiel. Bei den meisten Frauen war das der Fall. Er hatte dichtes dunkelblondes Haar, blaue Augen und ein einnehmendes Lächeln. Seine Größe war mit ein Meter fünfundsiebzig nicht sonderlich beeindruckend, aber ausreichend.

Die Braut hätte niemand als hübsch bezeichnet, nicht einmal ihre Mutter. Wie hatte sie dann einer anderen Frau den Verlobten wegschnappen können? Verbarg sich hinter der biederen Fassade etwa ein männermordender Vamp? In jedem Fall kam sie aus einer reichen Familie und brachte mehr Geld mit, als die erfolgreichste Karrierefrau jemals verdienen konnte. In diesem Sinn war sie dem Mann, der sie am Altar erwartete, sogar überlegen.

Amber musste mit einiger Verwunderung feststellen, dass sich ihr Hass gegen Braut und Bräutigam in Grenzen hielt. Was stimmte nicht mit ihr? Was hatte sie falsch gemacht? War sie zu anspruchsvoll? Zu schnell bereit, Tagesprobleme ernst zu nehmen, anstatt sich Seans etwas simplen Meinungen anzuschließen? Er übernahm gern gängige Auffassungen, während sie den Dingen selbstständig nachforschte. Sie galt als eine Frau, die sich für die zu kurz Gekommenen, die kleinen Leute einsetzte. Für den Bericht über Straßenkinder war ihr sogar ein Preis verliehen worden.

Aber wie auch immer – Sean hätte ihr wenigstens einen Hinweis geben können. Er hätte die Verlobung lösen und mit dem Heiratsantrag einige Wochen warten können. Seine Ehrbarkeit war nur äußerer Schein gewesen. Undenkbar, dass sie ihm dasselbe angetan hätte!

Die letzten Hochzeitsgäste trafen ein. Sie kamen absichtlich spät, um mehr aufzufallen. Am Kirchenportal warteten Ordner im Smoking. Sie trugen weiße Rosen am Revers und achteten darauf, dass kein Unbefugter die Kirche betrat. Irgendwie musste Amber an ihnen vorbeikommen. Das war nicht ganz leicht, denn ihre Energie war inzwischen ziemlich erschöpft. Wie bei einer mechanischen Puppe, die wieder aufgezogen werden muss, dachte sie.

Zum Glück waren die Ordner keine stämmigen Rausschmeißer, sondern gut aussehende junge Männer – vermutlich Schulabgänger oder Studenten. Keiner von ihnen hielt eine Gästeliste in der Hand. Vielleicht kamen sie erst nach dem Gottesdienst zum Einsatz, wenn sich die Gesellschaft im besten Hotel der Stadt zum Empfang versammelte.

Das alles musste Amber gleichgültig sein, denn sie war fest entschlossen, in die Kirche hineinzukommen.

2. KAPITEL

Callum MacFarlane überlegte, wie er die brisante Situation entschärfen sollte. Er konnte Miss Wyatt nicht auf die Arme heben und forttragen, denn sie würde garantiert anfangen, lauthals zu protestieren. Er konnte sie auch nicht verhaften und ihr Handschellen anlegen, aber irgendwie musste es ihm gelingen, einen Skandal zu vermeiden.

Schade, dass er ihr Gesicht nicht genauer erkennen konnte. Sie hatte eine traumhafte Figur, groß und gertenschlank. Ihre beherrschte Körperhaltung erinnerte an die einer Tänzerin. Neben ihr wirkten alle weiblichen Gäste durchschnittlich, so sorgfältig sie sich auch zurechtgemacht hatten. Vielleicht war die Hutkrempe etwas zu breit. Callums Mutter hatte so auffällige Hüte getragen, bevor sie mit dem Mann durchgebrannt war, den er als Kind immer Onkel Jeff genannt hatte. Cals Blick trübte sich bei der Erinnerung, die trotz aller Selbstkontrolle auf ihn einstürmte.

Einer der Ordner hatte sie angehalten. Wollte er der Göttin den Eintritt verwehren oder sich nur etwas länger an ihrem Anblick erfreuen? Rosemary musste die Stockung auch bemerkt haben, denn sie stieß Callum so hart in den Rücken, dass er das Gesicht verzog.

„Ich flehe dich an, Cal. Tu etwas!“

Rosemary war zum Glück keine Blutsverwandte, aber sie wollte immer ihren Kopf durchsetzen. War er wirklich über tausend Meilen gereist, um das alles mitzuerleben? Gestern Abend hatte er den Bräutigam kennengelernt und seine Verachtung kaum verbergen können. Was Georgie an dem Mann fand, würde er nie begreifen. Für Sean zählte nur das Geld. Es war ihm Ansporn und Selbstbestätigung zugleich. Mit Geld konnte ein ehrgeiziger Mann wie er es weit bringen.

„Es war bei uns beiden Liebe auf den ersten Blick“, hatte Georgie ihrem Cousin mit strahlenden Augen versichert. In Wahrheit war sie betört gewesen von dem Gefühl, umworben zu werden, und hatte die erstbeste Gelegenheit ergriffen, sich von ihrer Mutter abzunabeln. „Ich bin untröstlich, dass wir Seans ehemalige Verlobte so kränken mussten, aber nachdem er mir begegnet war, blieb ihm einfach keine andere Wahl.“

„Wie schade, dass keiner von euch es für nötig befand, ihr reinen Wein einzuschenken“, hatte Callum unverblümt erwidert und Georgie damit zum Schweigen gebracht. Dass wahrscheinlich ihr Erbe die entscheidende Rolle spielte, wollte er nicht erwähnen. Irgendwann würde sie sicher von selbst dahinterkommen.

Callum stieg die letzten Stufen hinauf und begrüßte im Vorbeigehen einen jüngeren Cousin, der seine Ferien wiederholt auf Jingala verbracht hatte und ihm sympathisch war.

„Hallo, Tim. Wie geht’s?“

„Großartig, Cal.“ Tim freute sich, seinen dynamischen Cousin wiederzusehen, den er sehr bewunderte. „Ich wollte diese junge Dame gerade fragen …“

Callum wartete nicht ab, was Tim ihm mitzuteilen hatte, sondern wandte sich selbst an die junge Dame. Das, MacFarlane, ist die richtige Frau für dich, hörte er im gleichen Moment eine innere Stimme überdeutlich sagen. Sofort geriet er unter Hochspannung. Was für eine Sensation, wenn er sich mit der verlassenen Miss Wyatt einließe! Und dennoch – irgendein Funke war zwischen ihnen übergesprungen, darauf hätte er schwören können. Ein Funke, der mehr verhieß als bloße sinnliche Anziehung. Vielleicht ein tieferes Erkennen? So etwas kam bisweilen vor. Ein kluger Mann ging darüber hinweg. Eine kluge Frau auch, aber das Phänomen war damit nicht aus der Welt. Wie hatte Sean diese Göttin für Georgie aufgeben können, selbst wenn Georgie über und über mit Diamanten, Rubinen und Perlen behangen daherkam?

Callum wechselte einen langen, tiefen Blick mit der Göttin. Er war bezaubert – mehr, als ihm lieb sein konnte. Sogar der Schutzpanzer um sein Herz fing an zu schmelzen. Das durfte er nicht zulassen. Auch eine Göttin konnte einen Mann ruinieren, so wie seine treulose Mutter seinen Vater ruiniert hatte.

„Es tut mir leid, dass ich so spät komme. Ich wurde durch einen Anruf aufgehalten.“ Er nahm Ambers Arm und stellte überrascht fest, dass sie zitterte. Ihre Geistesgegenwart verlor sie dadurch nicht.

„Oh, das macht nichts“, entgegnete sie und hatte sogar die Kühnheit, ihn flüchtig auf die Wange zu küssen. „Immerhin habe ich allein hergefunden.“

„Sie sehen hinreißend aus.“ Das Kompliment kostete Callum keine besondere Mühe.

„Vielen Dank.“ Ihr Lächeln hätte jeden Mann um den Verstand gebracht. Warum nicht auch ihn? Er hatte gelernt, schnell wieder vernünftig zu werden.

„Sie können sich ebenfalls sehen lassen“, erwiderte sie das Kompliment. „Nur wenige Männer machen in einem Cutaway eine so gute Figur.“

Das war keinesfalls übertrieben. Der Mann, der sich bisher nicht vorgestellt hatte, war äußerst attraktiv, aber nicht unbedingt nach ihrem Geschmack. Sie bevorzugte softe Männer. Wenn man Sean jungenhaft nennen konnte, so war dieser Unbekannte eher der harte Typ, von dem eine starke Spannung ausging. Das kräftige Kinn hatte eine ausgeprägte Kerbe. Er war groß, sehr schlank, dabei kräftig gebaut. Kein gewöhnlicher Macho, der sich gern in Szene setzte. Dieser Mann war wirklich stark. Vielleicht etwas zu selbstsicher – und zu direkt, wenn sein Blick etwas über ihn aussagte.

„Wollen wir hineingehen?“, fragte er gelassen.

Was für eine wunderbar zarte Haut sie hatte – und erst ihre Augen! Man konnte sie fast golden nennen. Am liebsten hätte er ihr den blöden Hut abgenommen, um ihr Haar zu sehen, das kupferrot zu sein schien – oder eher bernsteinfarben.

„Das hatte ich gerade vor“, antwortete sie betont entgegenkommend.

Callum ließ sich nicht täuschen. Diese bildschöne junge Frau führte etwas im Schilde. Sie war darauf aus, einen Skandal zu provozieren. Bisher war ihr das perfekt gelungen. Die Gäste flüsterten sich heimlich Bemerkungen zu. Sie drehten die Köpfe nach ihr und machten neugierige oder entsetzte Gesichter. Nicht dass Callum der jungen Dame den Auftritt übel genommen hätte! Sie bewies damit enormen Mut, aber es war seine Aufgabe, ihren Plan zu durchkreuzen.

„Wir sehen uns später!“, rief er Tim zu. Sein junger Cousin hatte ihn beobachtet und blickte ihm verwundert nach, als er die junge Dame an den Ordnern vorbei in die Kirche führte.

Man sah es Amber nicht an, aber sie war so ziemlich am Ende mit ihren Nerven. Wer war der Mann, der sich ihrer so überraschend annahm? Sie hatte erwartet, wie eine Verbrecherin entlarvt zu werden, doch er verhielt sich, als wären sie ein Paar. Hatte er Mitleid mit ihr, oder würde er sie mit einigen ermahnenden Worten durch eine Seitentür wieder hinausbefördern?

Sie brauchte knapp zehn Sekunden, um sich für die zweite Lösung zu entscheiden. Es würde ihm nicht schwerfallen, sie auf diese Weise loszuwerden. Er war mindestens ein Meter fünfundachtzig groß und wirkte ausgesprochen fit. Sein auffallendes Selbstbewusstsein würde ebenfalls helfen. Er strahlte Überlegenheit und Sicherheit aus, was ihr bei Männern nicht immer gefiel. Dazu dieses gefährliche Glitzern in seinen Augen … Sie würde in jedem Fall auf der Hut sein.

Er hatte bemerkenswerte Augen. Sie waren wunderschön, was er bestimmt nicht gern gehört hätte, und brachten Farbe in sein gleichmäßig gebräuntes Gesicht. Olivin, einer ihrer bevorzugten Schmucksteine, hatte ein so klares Grün, das bei Augen ungewöhnlich war und hier noch durch die Intensität des Blicks verstärkt wurde.

Eins wusste Amber ganz genau. Sie war diesem Mann nie zuvor begegnet, sonst hätte sie sich unweigerlich an ihn erinnert. Dass sie ihren Kopf leicht zurücklehnen musste, um ihn anzusehen, gefiel ihr, weil es selten vorkam. Sean hatte sie immer gebeten, Schuhe mit flachen Absätzen zu tragen. Dabei waren hochhackige Riemchensandaletten oder Stilettos eine Leidenschaft von ihr.

Nachdem sich ihre Augen an das gedämpfte Licht im Innern der Kirche gewöhnt hatten, erkannte sie, wie prachtvoll alles geschmückt war.

„Oh, wie schön!“, flüsterte sie andächtig.

„Es sind doch nur Blumen“, lautete die spöttische Antwort.

„Wie konnte ich mir einreden, ihn zu lieben?“, entfuhr es ihr gegen ihren Willen. „Warum musste ich mir unter allen Männern gerade ihn aussuchen?“

„Da Sie zweifellos auch andere Angebote hatten, dürfte es Ihnen vernünftig erschienen sein.“

„Es beweist jedenfalls, was für eine schlechte Menschenkennerin ich bin.“ Zara, die von manchen unfairerweise für oberflächlich gehalten wurde, hatte Sean von Anfang an durchschaut.

„Liebe – oder das, was man dafür hält – ist meistens blind“, sagte der Unbekannte in ihre Gedanken.

Amber schüttelte den Kopf. „Es war nicht Liebe.“

Aber was dann? Verliebtheit in die Liebe oder sogar Torschlusspanik? Sie war sechsundzwanzig und wünschte sich Kinder. Bisher hatte sie es nur zu vier Patenkindern gebracht, bei denen sie überaus beliebt war. Ihre Freunde schätzten sie und priesen ihre Fähigkeiten als Babysitterin.

Ein Meer von weißen und blassgelben Blumen breitete sich vor ihr aus. Rosen, Lilien, Päonien, Nelken, Gladiolen und Orchideen – alles in verschwenderischer Fülle und einfallsreich arrangiert. Passend dazu hatte man die Kopfseiten der Kirchenbänke mit großen Schleifen aus weißem und gelbem Taft dekoriert.

Amber war überwältigt, aber ihr Begleiter zog sie auf die Seite, da der Strom der Gäste nicht abriss. Wer ist dieser Mann, der sich so energisch um mich kümmert?, fragte sie sich verwundert. Offenbar kein Unbekannter, denn er grüßte immer wieder jemanden mit einer leichten Neigung des Kopfes. Sein dichtes schwarzes Haar war leicht gewellt und sorgfältig zurückgekämmt, und seine gebräunte Gesichtshaut ließ auf eine Tätigkeit im Freien schließen. Der hellgraue Cutaway, der nur wenigen Männern gestanden hätte, betonte seine athletische Figur und die Geschmeidigkeit seiner Bewegungen. Wahrscheinlich kam er vom Land, in der Stadt pflegte man solchen Männern nicht zu begegnen. Ein Freund von Sean konnte er auch nicht sein. Seans Freunde ähnelten durchweg ihm selbst. Der Unbekannte musste zur Familie der Braut gehören.

„Miss Wyatt, nicht wahr?“

Amber wurde abrupt aus ihren Gedanken gerissen. „Eins zu null für Sie. Über Ihre Person tappe ich leider weiter im Dunkeln.“

Autor

Margaret Way
Mit mehr als 110 Romanen, die weltweit über elf Millionen Mal verkauft wurden, ist Margaret Way eine der erfolgreichsten Liebesroman-Autorinnen überhaupt. Bevor sie 1970 ihren ersten Roman verfasste, verdiente sie ihren Unterhalt unter anderem als Konzertpianistin und Gesangslehrerin. Erst mit der Geburt ihres Sohnes kehrte Ruhe in ihr hektisches Leben...
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Margaret Way
Mit mehr als 110 Romanen, die weltweit über elf Millionen Mal verkauft wurden, ist Margaret Way eine der erfolgreichsten Liebesroman-Autorinnen überhaupt. Bevor sie 1970 ihren ersten Roman verfasste, verdiente sie ihren Unterhalt unter anderem als Konzertpianistin und Gesangslehrerin. Erst mit der Geburt ihres Sohnes kehrte Ruhe in ihr hektisches Leben...
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