Cora Collection Band 67

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MEINE LIEBE KANNST DU NICHT KAUFEN von SARA ORWIG
Glaubt Noah Brand etwa, alles sei käuflich? Ihr Unternehmen nicht! Sehr energisch macht Faith ihm das klar. Ein Fehler … denn ihr Temperament weckt Noahs Leidenschaft. Und was der Tycoon aus Dallas haben will, bekommt er auch …

SO ERREGEND RÄTSELHAFT von EMILY MCKAY
Natürlich könnte Frauenheld und Milliardär Dex der Vater des Babys sein, das man vor seiner Tür in Dallas ausgesetzt hat. Deshalb nimmt er das Findelkind auf – und bald darauf auch die vermeintliche Mutter: die bildhübsche und rätselhafte Lucy, an die er sich vage zu erinnern glaubt. Er ist drauf und dran, sich zu verlieben, als das Ergebnis des Vaterschaftstests eintrifft …

LIEBE MICH SO WIE DAMALS! von KATHIE DENOSKY
Arielle kann es kaum fassen: Warum ist Millionär Zach Forsythe wieder in Dallas, nachdem er lange wie vom Erdboden verschluckt war? Auch trug er damals einen anderen Namen. Offensichtlich hat er sie belogen. Soll sie ihm trotzdem sagen, dass sie schwanger ist?


  • Erscheinungstag 07.07.2023
  • Bandnummer 67
  • ISBN / Artikelnummer 9783751517133
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sara Orwig, Emily McKay, Kathie DeNosky

CORA COLLECTION BAND 67

PROLOG

„Auf dein Wohl, Dad.“ Noah Brand hob feierlich sein Glas Dom Pérignon und prostete seinem Vater zu.

„Alles Gute zum Geburtstag“, stimmte Jeff ein, der ebenfalls sein Glas erhob. Er und Noah waren eineiige Zwillinge, jeder das genaue Ebenbild des anderen. Sie hatten das gleiche schwarze Haar, die gleichen grauen Augen, das gleiche energische Kinn. Auch in ihrer Größe von über eins neunzig und in ihrem athletischen Körperbau waren sie sich zum Verwechseln ähnlich. Dass sie sich allerdings in ihrem Wesen gründlich unterschieden, wurde schon an ihrer Kleidung deutlich. Während Noah der typische Großstädter war, in teuren, eleganten Anzügen, ganz der erfolgreiche Geschäftsmann, bevorzugte Jeff den Westernstil und trug zu jeder Gelegenheit Cowboystiefel.

„Danke, Jungs.“ Knox Brand nahm einen Schluck von seinem Champagner. Er machte es wie immer spannend. „Bevor wir wieder zu den anderen hinübergehen, habe ich noch etwas mit euch zu besprechen.“

Noah horchte auf. In letzter Zeit machte er sich häufiger Sorgen um die Gesundheit seines Vaters. Es ging ihm nicht wirklich schlecht, aber er war erkennbar nicht mehr so fit wie früher.

„Ihr seid jetzt vierunddreißig“, fuhr Knox Brand fort. „Da wundert es mich, dass keiner von euch eine feste Beziehung zu einer Frau hat.“

Noah entspannte sich ein wenig. Das Übliche. Daddy wollte sich mal wieder in ihr Leben einmischen. Er wusste, dass seinem Bruder Jeff die Unterhaltung jetzt schon auf die Nerven ging.

„Ihr seid in der Blüte eurer Jahre. Hingegen läuft meine Zeit – und auch die eurer Mutter – langsam ab. Wir würden euch gerne in festen Händen sehen und noch erleben, dass ihr euch etabliert.“

„Ach, Daddy …“ Jeff wollte etwas einwenden, aber Knox winkte ab.

„Lass mich ausreden. Ich weiß selbst, dass ich euch nicht vorschreiben kann, wann ihr euch entschließt zu heiraten. Es ist ja nicht so, dass ihr die Frauen nicht mögt. Ihr habt beide Freundinnen gehabt, aber nie war es etwas von Dauer. Auch heute hat keiner von euch sein Mädchen mit hierher gebracht.“

„Das ist doch hier eine Familienfeier, oder nicht?“, protestierte Jeff.

Noah seufzte. Jeff legte sich immer mit ihrem Vater an. Er würde nie lernen, dass man es mit ein bisschen Diplomatie leichter hatte.

„Ich will nichts weiter, als dass ihr mal darüber nachdenkt“, sagte Knox. „Und wisst ihr was? Ich biete jedem fünf Millionen Dollar, der von heute an gerechnet in einem Jahr verheiratet ist.“

Noah musste schmunzeln, während Jeff laut auflachte.

„Sei ruhig, Jeff. Ich bin noch nicht fertig. Der Erste von euch, der in diesem Jahr verheiratet ist, bekommt sogar noch zwei Millionen obendrauf.“

„Mit anderen Worten, du hetzt uns wieder einmal gegeneinander auf“, bemerkte Jeff grimmig, während sich Noah mit seinem Kommentar zurückhielt.

„Es ist nur ein kleiner Ansporn“, erklärte Knox. „Ihr habt beide euer Geld gemacht, und ich weiß, dass diese zwei Millionen keinen von euch reicher machen, aber immerhin …“

„Vielen Dank, Dad“, sagte Jeff mit ironischem Unterton. „Ich gehe jetzt zu den anderen und feiere weiter.“

Er drehte sich um und war mit ein paar langen Schritten durch die Tür verschwunden. Knox und Noah sahen sich an.

„Ich weiß, dass du denkst, ich werde derjenige sein, der die zwei Millionen extra bekommt“, sagte Noah.

„Du bist ehrgeizig, aber du bist auch kooperativ. Jeff war schon immer ein Rebell.“

Noah drehte das Sektglas zwischen den Fingern. „Dad, natürlich möchte ich dich und Mom glücklich sehen, aber ehrlich, zu heiraten – daran ist auf absehbare Zeit für mich nicht einmal zu denken.“

„Ich schätze es sehr, wie du dich in das Geschäft einbringst, Noah. Ich weiß, was du leistest. Vielleicht erscheint dir so etwas wie eine Heirat im Augenblick ganz unbedeutend, aber glaube mir, du hast alles, was eine Frau glücklich macht. Und du kannst eine Familie anständig ernähren. Du wirst eines Tages feststellen, dass es ein unaussprechliches Glück bedeutet, Kinder zu haben. Eine Familie ist wichtig im Leben eines Mannes. Sieh dich unter deinen Freundinnen um. Finde eine, mit der du gut auskommst, und gründe eine Familie. Du wirst sehen, dass du es niemals bereuen wirst.“

„Ich werde darüber nachdenken, Dad“, lenkte Noah ein. „Aber nun lass uns zu den anderen gehen. Sie werden dich schon vermissen.“

Gemeinsam gingen sie in den Salon, in dem alle großen Feste der Brands gefeiert wurden und in dem auch an diesem Tag die Gäste versammelt waren. Noah entdeckte Jeff, der allein in der Menge stand, und ging zu ihm.

„Immer versucht er, uns gegeneinander aufzustacheln“, murrte Jeff, als er neben ihm stand. „Pass mal auf, Bruderherz. Dieses eine Mal habe ich absolut nichts dagegen, wenn du gewinnst. In diesem Wettbewerb räume ich dir freiwillig das Feld.“

Noah lachte. „Eigentlich wollte ich dir den Vortritt lassen. Sieben Millionen – meinetwegen, aber so leicht bin ich nicht zu haben, auch wenn einem sieben Millionen nicht jeden Tag in den Schoß fallen. Ich habe es schon immer gesagt, und ich bleibe dabei: Bevor ich vierzig bin, werde ich bestimmt nicht heiraten. Eine tolle Argumentation übrigens: ‚Du hast alles, um eine Frau glücklich zu machen und eine Familie zu ernähren, mein Junge‘.“

Jeff wollte sich ausschütten vor Lachen. „Mein lieber Mann! Das sind ja feine Aussichten. Er will dich nach seinem Bilde formen: Daddy macht das Geld, und Mommy macht ihre Shoppingtouren. Inzwischen kümmert sich eine Nanny um die Kinder. Genau wie damals bei uns, was? Nein, das ist nicht mein Leben. Ich werde auch nicht heiraten, weil Dad dafür eine Prämie aussetzt. Ich versteh gar nicht, wie du es aushältst, Tag für Tag mit ihm zusammenzuarbeiten. Da bin ich doch heilfroh, dass ich auf meiner Ranch sitze.“

„So schlimm ist es auch wieder nicht. Im Geschäft ist genug zu tun. Da sehen wir uns manchmal tagelang nicht.“ Noah stellte sein Glas auf einem Tisch ab. „Komm, mischen wir uns unter die Gäste. Wir sollten demnächst mal miteinander essen gehen, Jeff.“

„Sicher, wenn du bei Brand Enterprises mal freimachen kannst. Ich bin wegen des Viehmarkts noch drei, vier Tage in Dallas. Wie wäre es mit Montagmittag?“

Noah war einverstanden und sah sich unter den Gästen um. An solche Dinge wie an eine Heirat verschwendete er keinen Gedanken. Es war noch nicht einmal eine Frau in Sicht, die auch nur entfernt dafür infrage käme.

1. KAPITEL

Ein glückliches Lächeln erschien auf Emilio Cabreras Gesicht, als er am Montagmorgen das Büro seines Unternehmens betrat und seine Enkeltochter begrüßte, die über ihrer Arbeit am Schreibtisch saß. Faith Cabrera umarmte ihren Großvater. Sie liebte den alten Herren sehr und wünschte sich jedes Mal, wenn sie ihn sah, dass sie mehr für ihn tun und etwas von der Zuneigung und Fürsorge zurückgeben könnte, die sie im Laufe ihres Lebens von ihm empfangen hatte.

„Guten Morgen“, sagte sie.

„Guten Morgen, mein Kind. Ich frage mich immer wieder, womit ich so eine wunderschöne Enkeltochter verdient habe.“

Faith lächelte. „Kann es sein, dass du da ein wenig voreingenommen bist?“ Sie strich sich eine widerspenstige Locke ihres blonden Haars aus dem Gesicht.

„Und? Was tut sich in der Welt an einem so schönen Morgen?“, fragte Emilio.

Faith deutete auf eine Notiz, die ihr ihre Sekretärin Angie Nelson gerade hingelegt hatte. „Brand Enterprises haben sich mal wieder gemeldet und um Rückruf gebeten. Ich habe aber nicht vor, mich mit diesen Leuten länger abzugeben.“

Emilio nickte zustimmend. „Diese Holzköpfe werden nie begreifen, dass ich unser Familienunternehmen nicht an sie verkaufe. Sie bilden sich ein, sie hätten leichtes Spiel mit mir, weil ich nicht mehr der Jüngste bin.“

„Das ist es nicht.“ Faith schüttelte energisch den Kopf. Sie hörte es gar nicht gern, wenn ihr Großvater von seinem Alter anfing. „Sie wollten uns schon immer schlucken. Ich habe nie begriffen, ob das der Ursprung unserer Familienfehde mit den Brands ist, oder ob umgekehrt eine Fehde der Grund dafür war, dass sie uns aufkaufen wollen.“

„Ach, diese Fehde.“ Emilio seufzte. „Sie geht schon so weit zurück, dass nicht einmal ich dir diese Frage beantworten kann. Schon mein Großvater hat mit den Brands über Kreuz gelegen. Es ist viel passiert damals. Lastwagen verunglückten auf unerklärliche Weise, Gebäude wurden beschädigt. An der rückwärtigen Außenmauer dieses Hauses kannst du noch die Einschusslöcher sehen, die von einem Überfall stammen, den die Brands auf uns verübt haben. Man kann von Glück sagen, dass all das keine Menschenleben gefordert hat, aber es war auch so schon schlimm genug. Mit der Generation meines Vaters haben die Gewalttaten dann aufgehört, aber der bittere Hass hat sich erhalten. Bis heute gibt einer dem anderen die Schuld. Doch darüber solltest du dir nicht deinen hübschen Kopf zerbrechen. Wenn du nicht mit ihnen reden willst, mir macht es nichts aus, ihnen zum tausendsten Mal zu erklären, dass wir nicht verkaufen.“

„Nein, nein“, widersprach Faith, „ich regele das schon. Am besten ein für alle Mal. Wir haben schon genug Zeit mit diesem Unsinn vergeudet.“

„Wie ich sehe, bist du gerade bei der Buchführung. Wie haben wir uns denn im letzten Monat gemacht?“

„Ich habe den Abschluss noch nicht fertig“, wich Faith einer konkreten Antwort aus. Tatsächlich fehlten in der Monatsbilanz noch ein paar Kleinigkeiten, aber es war schon abzusehen, dass der Verkauf weiterhin langsam, aber stetig zurückging.

„Du sagst das nur, um deinen alten Großvater nicht zu beunruhigen, stimmt’s?“

Er zwinkerte ihr wissend zu. Gemessen an seinen neunundsiebzig Jahren wirkte Emilio Cabrera noch äußerst rüstig. Sein dunkler Haarschopf war voll und noch nicht vollständig ergraut. Emilio war ein unübertrefflicher Meister in jeder Disziplin der Lederverarbeitung, ob es maßgefertigte Stiefel oder aufwändige Reitsättel waren. Faith bedauerte sehr, dass er der Letzte in der langen Reihe war, der die Familientradition dieses Handwerks ausübte, und es niemanden gab, an den er sein Können und Wissen weitergeben konnte.

„Ich will dir nichts vormachen. Du kennst die Zahlen von Cabrera Custom Leathers besser als ich. Die gute Nachricht ist: Wir sind noch immer in den schwarzen Zahlen.“

Emilio wandte sich zum Gehen. „Ach, Faith, ich weiß nicht, was ich ohne dich täte. Andererseits gefällt es mir gar nicht, dass du deinen traumhaften Job aufgegeben hast, um hier das Geschäft zu führen.“

„Großvater, darüber haben wir doch längst gesprochen. Hör endlich auf damit“, mahnte sie ihn freundlich.

Emilio winkte kurz und verließ den Raum.

Nachdenklich strich Faith über die polierte Platte des alten Mahagonischreibtischs. Sie kannte jeden Kratzer, jede Narbe, die der jahrzehntelange Gebrauch auf diesem alten Möbel hinterlassen hatte. In der Ecke des Büros stand auf einem Holzbock ein kunstvoll gearbeiteter, uralter Sattel. Ihr Ururgroßvater hatte ihn in seinen jungen Jahren als sein Meisterstück von eigener Hand gefertigt. Das Büro, in dem sie saß, hatte ihr Großvater eingerichtet und jahrelang von hier aus die Geschäfte des Unternehmens geführt. Es war praktisch ein Teil von ihm. Für sie war Emilio Cabrera der wichtigste Mensch in ihrem Leben. Sie würde ihn mit Klauen und Zähnen gegen die Brands verteidigen.

Faith ging zurück an ihren Platz und nahm ihre Arbeit wieder auf, wurde aber bald darauf wieder herausgerissen. Angie, ihre Sekretärin, stand in der Tür. Sie sah ein wenig verstört aus.

„Komm herein, Angie. Was gibt es denn?“

„Ich wollte gerade die Post holen, da sehe ich vor unserem Haus eine Limousine stehen. Ein riesiger Schlitten. Die Tür geht auf, und ein großer Mann in einem eleganten Anzug steigt aus.“

„Limousine? Anzug? Alles ziemlich selten in unserem Industriegebiet hier.“

„Genau das habe ich auch gedacht.“

„Das kann nur jemand von Brand Enterprises sein. Danke, dass du mich gewarnt hast, Angie. Ich verschwinde durch den Hinterausgang. Ich muss sowieso noch ein paar Besorgungen machen. Ich habe überhaupt keine Lust, jetzt mit irgendeinem Menschen von der Firma Brand zu sprechen. Selbst dann nicht, wenn es Noah Brand persönlich ist.“

In der Woche zuvor hatte sie mehrmals mit dem stellvertretenden Direktor bei Brand Enterprises telefoniert, dann kam auch noch ein Anruf von Noah Brand, der seit dem Rückzug von Knox Brand aus dem Geschäft die Leitung des Unternehmens innehatte. Sicherheitshalber hatte sie den Anruf gar nicht erst angenommen.

„Versuch, ihn einen Augenblick hinzuhalten“, bat sie. „Sag ihm, ich sei gerade außer Haus gegangen. Du erreichst mich auf dem Handy. Ich nehme nicht an, dass sie mit Großvater sprechen wollen. Das haben sie vor einer ganzen Zeit schon aufgegeben.“ Faith griff sich ihre Handtasche und lief zur Tür. „Tausend Dank“, rief sie Angie im Gehen noch zu.

Als Faith auf dem Fußweg hinter dem Haus zum Parkplatz eilte, hörte sie Schritte hinter sich. Sie blieb stehen und drehte sich um. Vor ihr stand wie aus dem Erdboden gewachsen der Mann, den Angie ihr beschrieben hatte. Sie musste den Kopf heben, um ihm ins Gesicht zu sehen, und blickte in ein paar lebhafte, sehr schöne graue Augen mit dichten, langen Wimpern, die amüsiert auf sie herabsahen. Zwei scharfe Falten von den Nasenflügeln zu den Mundwinkeln gaben dem attraktiven Gesicht eine markante Note. Sie wusste sofort, wer da vor ihr stand.

„Hallo, Miss Cabrera. Ich bin Noah Brand.“ Er streckte ihr zur Begrüßung eine Hand entgegen.

Richtig geraten, dachte Faith und schüttelte die dargebotene Hand, obwohl es ihr widerstrebte, aber sie wollte nicht unhöflich erscheinen. Bei seinem festen, warmen Händedruck durchrieselte sie ein eigenartiges Gefühl, das sie nicht einordnen konnte.

„Oh … Mr. Brand“, sagte sie etwas verwirrt und merkte, dass ihr die Röte ins Gesicht stieg. Schnell zog sie die Hand zurück.

„Es tut mir leid, wenn ich Sie aufhalte. Sie scheinen sehr in Eile zu sein.“

„Ich … äh …“ Faith ärgerte sich, dass sie offenbar nicht imstande war, einen vollständigen Satz zusammenzubringen.

„Ich hatte versucht, Sie telefonisch zu erreichen. Hätte ich gewusst, dass die Cabreras jetzt eine so schöne Geschäftsführerin haben, hätte ich mich natürlich schon viel früher persönlich blicken lassen.“

„Mr. Band, ich bin …“, setzte Faith erneut an.

„Sagen Sie doch bitte Noah zu mir, Faith“, unterbrach er sie freundlich.

Wieder spürte sie dieses merkwürdige Kribbeln, als sie hörte, wie er mit seiner angenehm tiefen Stimme ihren Namen aussprach. Sie wandte den Blick ab und versuchte sich zu sammeln.

„Jetzt leben unsere Familien schon seit Generationen in derselben Stadt, und noch nie haben sich unsere Wege gekreuzt. Schon seltsam.“

„Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass die Familie Brand schon seit Generationen versucht, der Familie Cabrera das Wasser abzugraben“, erwiderte Faith spitz, vergaß dabei aber nicht, ein verbindliches Lächeln aufzusetzen. Sie hatte sich inzwischen gefangen. „Nur schade, dass es nie geklappt hat“, setzte sie keck hinzu. Noah quittierte die letzte Bemerkung mit einem gutmütigen Lachen, das sie ziemlich ärgerte.

„Wenn ich es recht verstanden habe“, sagte er, „führen Sie jetzt die Geschäfte Ihres Großvaters. Ich würde mich gern mit Ihnen über die Zukunft Ihres Unternehmens unterhalten. Ich hätte Ihnen ein Angebot zu machen, das Sie sich wenigstens einmal anhören sollten.“

„Ja, natürlich“, stimmte sie ohne zu überlegen zu und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Wie hatte ihr das herausrutschen können? Er sah so blendend aus, dass er es ihr schwer machte, ihre Gedanken beisammen zu halten. Sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug. „Nur nicht gerade in diesem Moment“, fügte sie hastig hinzu. Noch nie hatte die bloße Anwesenheit eines Mannes sie so durcheinandergebracht.

„Schön. Wie wäre es, wenn wir heute Abend essen gingen?“, fragte er und trat einen Schritt näher, sodass sie einen Hauch seines dezenten Aftershaves wahrnahm. „Sie werden von dem, was ich Ihnen zu sagen habe, angenehm überrascht sein. Und es ist bestimmt nicht zum Schaden Ihres Großvaters, das verspreche ich Ihnen.“

Dieser Mann ist aalglatt und gerissen, das muss man ihm lassen, dachte Faith. Er hatte damit, dass er ihren Großvater ins Spiel brachte, genau auf den Punkt abgezielt, auf den es ihr vor allem ankam. Sie beschloss, dass sie sich sein Angebot einmal anhören sollte. „Abgesehen davon, dass ich eine Einladung zum Abendessen für eine kurze geschäftliche Besprechung ein bisschen übertrieben finde, versprechen Sie sich nicht zu viel davon. Ihre Familie und Ihr Konzern versuchen schon seit Generationen uns zu vereinnahmen, und die Antwort auf Ihre einschlägigen Angebote lautete immer nein. Daran hat sich auch jetzt nichts geändert.“

„Sie wissen doch noch gar nicht, was ich Ihnen vorschlagen möchte. Sind Sie gar nicht neugierig?“

„Ich kann mir schon denken, was es ist. Es wird im Prinzip dasselbe sein, was Sie letztes Mal versucht haben, meinem Großvater schmackhaft zu machen.“

„Ich will wirklich nur Ihr Bestes“, wiegelte er ab. „Denken Sie doch nur daran, dass Ihr Großvater nun schon ein langes Arbeitsleben hinter sich hat. Er hätte es verdient, sich demnächst zur Ruhe setzen zu können.“

„Da kennen Sie meinen Großvater schlecht. Er denkt gar nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen. Er hat Freude an seiner Arbeit.“ Faith wurde allmählich wütend, und ihr Ton wurde schärfer. Sie wandte sich zum Gehen. „Besten Dank für die Einladung. Mich müssen Sie jetzt entschuldigen. Ich habe einen Termin.“ Sie hatte keinen Termin, aber sie hatte auch keine Lust mehr, Noah Brands Überredungskünsten weiter ausgeliefert zu sein.

Noah begleitete sie zu ihrem Wagen und öffnete ihr galant die Tür auf der Fahrerseite. Faith blickte zu ihm auf, während sie einstieg. In seinem Gesicht sah sie ein Lächeln, das ihr die Knie weich werden ließ.

„Sollte mein Großvater bereit sein, mit Ihnen zu sprechen, lasse ich es Sie wissen, Mr. …“

„Oh nein“, unterbrach er sie kopfschüttelnd. „Nennen Sie mich Noah, Faith – bitte.“

Wieder hatte sie dieses eigenartige Kribbeln im Bauch, als er ihren Namen aussprach. „War nett, Sie kennenzulernen“, sagte sie schnell und dachte sich dabei ihren Teil. Sie war alles andere als erfreut über die mehr als irritierende Wirkung, die diese geballte Ladung männlichen Sexappeals auf sie hatte.

Faith schlug die Tür zu und startete den Motor. Als sie losgefahren war, blickte sie noch einmal in den Rückspiegel und sah, wie Noah auf dem Parkplatz stand und ihr nachblickte. Entspannt und selbstsicher, fast in Siegerpose, stand er da, eine Hand in der Hosentasche seines dunkelblauen Anzugs, und sah nicht im Geringsten nach einem Mann aus, der gerade eine Abfuhr bekommen hatte.

Sie wusste genau, dass das nicht ihre letzte Begegnung mit diesem Mann war und haderte mit sich, weil sie Noah Brand so viel Beachtung schenkte. Entnervt schlug sie den Weg zu ihrem Apartment ein, das nicht weit von dem Viertel lag, in dem ihr Großvater schon seit seiner Jugend wohnte. An den Bäumen zeigte sich das erste Grün, und überall streckten Frühlingsblumen ihre Köpfe aus den Beeten. Wie gut gelaunt hatte sie das Haus am Morgen verlassen, um ins Büro zu fahren. Jetzt musste sie die Arbeit von ihrer Wohnung aus erledigen. Einem weiteren Zusammentreffen mit Noah Brand wollte sie auf jeden Fall aus dem Weg gehen.

Wieder sah sie seine unglaublichen grauen Augen vor sich. Sie versuchte, den Gedanken daran abzuschütteln, indem sie sich darauf konzentrierte, was er im Schilde führte. Der übermächtige Brand-Konzern wollte – und das war nichts Neues – sich die kleine, aber edle Marke Cabrera einverleiben. Warum die Brands so scharf darauf waren, mit aller Gewalt ausgerechnet die Ledermanufaktur ihres Großvaters zu schlucken, war ihr nicht recht erklärlich.

Cabrera Custom Leathers war für die Brands keine echte Konkurrenz. Ein Familienunternehmen wie ihres konnte auf dem Radarschirm eines Wirtschaftsriesen höchstens ein kaum wahrnehmbares Signal sein. Wenn man allerdings vom rein wirtschaftlichen Potenzial absah, konnte es tatsächlich einen guten Grund für das Interesse geben. Der Name Cabrera hatte unter Kennern und in einem sehr prominenten Kundenkreis einen ausgezeichneten Klang. Er stand für handwerkliche Perfektion. Für ein Paar Cabrera-Stiefel, die auch von Staatsmännern, Wirtschaftsbossen, berühmten Schauspielern und Rock- und Countrystars getragen wurden, konnte man ohne Weiteres fünfundsiebzigtausend Dollar loswerden. Faith wusste, dass auch der Name Brand in ihrer Kundenliste auftauchte. Auch ein Unternehmen der Größenordnung von Brand Enterprises dürfte sich einen beträchtlichen Imagegewinn versprechen, wenn es mit der Marke Cabrera Werbung machen könnte.

Faith dachte nicht daran, Noahs Einladung zum Essen anzunehmen. Schade eigentlich, ging es ihr durch den Kopf. Wäre er nicht ausgerechnet ein Spross dieser Sippe, hätte sie ohne mit der Wimper zu zucken zugesagt.

Noah sah Faith davonfahren, kratzte sich nachdenklich im Nacken und bedauerte, dass sie seine Einladung nicht angenommen hatte. Er wusste, dass sie achtundzwanzig Jahre alt und Single war, dass sie die Geschäftsführung bei Cabrera übernommen hatte und genauso wenig wie ihr Großvater willens war zu verkaufen. Er hatte sich über sie erkundigt, Allerdings hatte ihm niemand erzählt, dass sie eine so atemberaubende Frau war. Kommt Zeit, kommt Rat, dachte er, während er sich auf den Weg zu seinem Wagen machte. Er würde Cabrera Custom Leathers schon noch bekommen, so wie er bisher alle Firmen bekommen hatte, auf die er ein Auge warf.

Auf seinem Weg zurück ins Büro dachte er immer noch an Faiths wundervolle, blaue Augen und an ihren hübschen, roten Mund. Sie war eine Schönheit. Er fragte sich, ob sie auch gemerkt hatte, wie es zwischen ihnen knisterte. Es hatte eine aufgeladene Atmosphäre geherrscht, und die kam nicht nur daher, dass sie ihn als Bedrohung für ihr Unternehmen ansah. Ihre unterdrückte Feindseligkeit war ihm aufgefallen, auch wenn sie sich große Mühe gegeben hatte, die Form zu wahren. Es hatte aber noch eine andere Art von Spannung bestanden. Er war sich sicher, dass Faith sie auch wahrgenommen hatte.

Was für eine Frau! Bisher hatte es noch keine gegeben, die ihm auf Dauer etwas abschlagen konnte. Faith Cabrera stellte eine besondere Herausforderung dar, das ahnte er jetzt schon.

Noah war inzwischen am Stammsitz von Brand Enterprises angekommen, der drei zwanzigstöckige Bürotürme aus rotem Backstein umfasste. In der obersten Etage des einen befand sich sein Büro. Nachdem er sich an seinen Schreibtisch gesetzt hatte, ging er die Anrufe durch, die inzwischen für ihn eingegangen waren. Holly Lombard, seine Sekretärin, klopfte bald darauf an den Rahmen der Tür, die zum Vorzimmer hin offen stand, und trat ein.

Holly war eine perfekte Sekretärin. Immer korrekt, immer freundlich, immer auf dem Laufenden. Er schätzte ihre Tüchtigkeit sehr. Sie war ebenso ehrgeizig wie er selbst, wenn es um die Belange des Unternehmens ging. Sie setzte sich ihm gegenüber an den Schreibtisch und legte ihre Unterlagen auf den Schoß.

„Wie war es mit den Cabreras? Mit wem von ihnen haben Sie gesprochen?“, fragte sie lächelnd. „Moment, lassen Sie mich raten. Mit der Enkeltochter vom alten Cabrera?“

„Guten Morgen erst einmal“, antwortete Noah liebenswürdig. „Ja, Sie haben recht. Ich habe mit Faith Cabrera gesprochen, aber nichts erreicht. Das macht aber nichts. Wir werden uns sicher noch einmal treffen.“ Hoffentlich bald, fügte er in Gedanken hinzu.

„Faith Cabrera hat schon eine ziemlich steile Karriere hinter sich. Sie ist bis zur Chefeinkäuferin der Einzelhandelskette aufgestiegen, bei der sie beschäftigt war. Sie muss wirklich etwas können.“

„Das glaube ich auch. Wenn wir es schaffen, Cabrera Leathers aufzukaufen, könnte ich sicherlich auch mit ihr etwas anfangen.“

Holly Lombard musste lächeln, dann legte sie ihm die Mappe auf den Schreibtisch.

„Hier sind noch ein paar Kaufverträge, die unterschrieben werden müssen.“

Er nahm die Mappe an sich. „Okay, her damit. Und dann machen Sie mir bitte einen Termin mit unserem Marketingleiter. Ich möchte wissen, wie er mit der Übernahme in El Paso vorankommt.“

„Wird gemacht“, antwortete Holly und stand auf.

Sie wartete einen Moment, bis er die Verträge unterschrieben hatte, dann nahm sie die Papiere wieder an sich und verließ sein Büro, wobei sie die Tür leise hinter sich zuzog.

Noah hatte für den Rest des Vormittags an seinem Schreibtisch zu tun, aber immer wieder kehrten seine Gedanken zu Faith zurück, und er überlegte, wie er es anstellen könnte, sie wiederzusehen. Gegen Mittag verließ er das Büro, um sich mit seinem Bruder Jeff zum Essen zu treffen.

Als er das Restaurant betrat, winkte ihm Jeff schon von Weitem zu. Die Kellnerin, die ihm gerade sagen wollte, dass er erwartet wurde, meinte lachend: „Er hat mich schon wieder hereingelegt und mich glauben lassen, er wäre Sie.“

Noah schüttelte lächelnd den Kopf. „Lassen Sie sich doch nicht ins Bockshorn jagen. Schauen Sie einfach auf die Füße. Wenn unten Cowboystiefel aus den Hosenbeinen gucken, ist es mein Bruder. Mich werden Sie bestimmt nie in Cowboystiefeln sehen.“ Es amüsierte ihn immer wieder, wenn er und Jeff verwechselt wurden, denn trotz ihrer Ähnlichkeit konnte der Unterschied im Wesen zweier Männer eigentlich kaum größer sein.

Er ging zu Jeff an den Tisch, und sie schüttelten sich die Hand. „Wir hätten uns doch auch in der Firma zum Essen treffen können“, meinte er.

„Lieber nicht. Ich habe keine Lust, Dad über den Weg zu laufen. Und? Hast du schon eine Frau zum Heiraten gefunden?“, sagte Jeff grinsend.

Noah schüttelte den Kopf. „Du wirst ihn nicht mehr ändern. Er wird immer derselbe Sturkopf bleiben – ob im Geschäft oder zu Hause.“

„Das kannst du wohl sagen. Gestern hat er wieder eine Stunde lang auf mich eingeredet, dass ich in die Firma eintreten soll.“

„Ich würde das sehr begrüßen.“ Das meinte er ehrlich. Er wusste zwar, dass es zwischen ihm und Jeff immer Konkurrenzkämpfe gab, wenn sie, was in letzter Zeit selten geworden war, einmal an derselben Aufgabe arbeiteten, aber ihm gefiel diese Herausforderung.

„Nein danke.“ Jeff winkte ab. „Ich weiß sowieso nicht, wie du es aushältst, den ganzen Tag im Büro zu sitzen. Dazu hast du pausenlos Dad im Nacken und musst es ihm recht machen, aber das konntest du ja schon immer.“

„In allem mache ich es ihm bestimmt nicht recht. Speziell in einer ganz bestimmten Sache nicht.“

„Du meinst, die Übernahme von Cabrera? Er lässt nicht locker, was? Auch wenn er sich selbst daran schon die Zähne ausgebissen hat.“ Jeff verstummte, da die Kellnerin mit einer Karaffe Wasser kam und ihre Bestellung aufnehmen wollte.

Als sie wieder unter sich waren, sagte Noah: „Es hat sich nichts geändert, auch nicht nachdem jetzt die Enkeltochter des alten Cabrera die Geschäfte übernommen hat. Sie will nicht einmal mit mir reden.“

Jeff, der gerade zum Trinken angesetzt hatte, musste lachen und hätte sich dabei fast verschluckt. Er stellte das Glas Wasser wieder ab. „Eine Frau, die nicht mit dir reden will? Das ist ja etwas ganz Neues. Ist sie verheiratet?“

„Nein, aber sie sieht nicht schlecht aus.“

„Wie alt?“

„Achtundzwanzig.“

„Eine attraktive, junge Frau, die nichts mit dir zu tun haben will?“, fragte Jeff feixend. „Ich muss schon sagen, du lässt nach, Bruderherz. Soll ich mich mal in einen Anzug werfen und versuchen, mit ihr ein Date für dich zu machen?“

„Gib nicht so an. Das schaffe ich schon alleine.“

Noah machte sich nichts aus dem gutmütigen Spott seines Bruders. Er kannte das. Die Kellnerin kam an den Tisch und servierte ihnen Sandwiches und Salat. Eine Weile aßen sie schweigend, dann legte Jeff seine Gabel beiseite und betrachtete sein Gegenüber.

„Was grinst du denn so?“, wollte Noah wissen.

„Mir ist gerade etwas eingefallen. Ich hätte einen todsicheren Tipp, wie du zu einer Verabredung mit ihr kommen kannst, ob sie will oder nicht. Natürlich nur, wenn du willst. Wenn das Mädchen wirklich so umwerfend ist, wie du sagst, übernehme ich das sonst natürlich gerne für dich.“

„Ach, lass doch die Kindereien, Jeff. Diese Verwechslungsspielchen haben wir gespielt, als wir beide zwölf waren. Was ist das für ein Tipp?“

„Erinnerst du dich noch an Millie Waters? Ich sehe sie ab und zu noch, und ich weiß zufällig, dass sie eine gute Freundin von Faith Cabrera ist. An diesem Freitag ist eine Wohltätigkeitsveranstaltung, und dort steht unter anderem eine Junggesellinnenversteigerung auf dem Programm. Millie hat mir erzählt, dass Faith sich bereit erklärt hat, sich dafür zur Verfügung zu stellen.“

„Eine Junggesellinnenversteigerung“, wiederholte Noah halblaut. Das war die Chance. „Ich hätte zwar nie gedacht, dass sie so etwas mitmacht, andererseits ist das natürlich kostenlose Publicity. Bei den begrenzten Mitteln, die so ein Unternehmen mit seinem antiquierten Marketing nur zur Verfügung hat, nimmt man das natürlich mit.“

„Lass das Marketing sein, wie es ist“, meinte Jeff. „Die Stiefel, die sie machen, sind die besten. Ich muss zu meiner Schande gestehen, ich habe selbst acht Paar davon im Schrank.“

„Du bist mir ja ein schöner Repräsentant deiner Familie. Läufst für die Konkurrenz Reklame. Du solltest dich schämen.“

„Und du wirst Dad von Tag zu Tag ähnlicher, so wie du dich anhörst. Egal. Der alte Cabrera versteht jedenfalls sein Handwerk.“ Nach einer Pause sagte Jeff: „Wie es der Zufall will, habe ich eine Eintrittskarte für die Veranstaltung dabei, die ich Millie abgekauft habe.“ Er holte seine Brieftasche heraus und legte ein rotes Ticket auf den Tisch. „Du kannst sie haben. Das könnte ein interessanter Abend für dich werden. Wenn du es schaffst, Faith zu ersteigern, wird ihr gar nichts anderes übrig bleiben, als für die nächsten Stunden nett zu dir zu sein.“

„Danke.“ Noah steckte die Eintrittskarte ein. „Was bekommst du dafür.“

Jeff winkte ab. „Lass es gut sein. Die Einnahmen sind für einen guten Zweck, Krebsforschung. Ich habe gern gegeben. Spar dir dein Geld, um diese Lady zu ergattern und dann amüsier dich mit ihr.“

Noah strahlte. „Genau das habe ich vor.“

„Freu dich nicht zu früh. Vielleicht lässt sie dich ja trotzdem abblitzen.“

„Werden wir ja sehen. Danke noch einmal für das Ticket.“

„Ich will mich heute noch nach einem neuen Pick-up umsehen“, berichtete Jeff. „Heute Abend bin ich mit Onkel Shelby zum Essen verabredet.“

„Er war ganze zwanzig Minuten auf Dads Feier und ist dann verschwunden.“

„Onkel Shelby wird Dad nie verzeihen, dass er ihn als Generalvertreter nach Europa versetzt hat. Sosehr Onkel Shelby Europa auch liebt, fühlte er sich doch ziemlich aufs Abstellgleis geschoben.“

„Ich fand das immer schon ein bisschen überempfindlich von ihm“, meinte Noah.

„Letztlich ist es ihre Sache und geht uns nichts an. Sollen die beiden das untereinander ausmachen.“ Jeff erhob sich. „Ich muss jetzt los. Vielen Dank für das Essen.“

„Danke für die Eintrittskarte“, erwiderte Noah.

„Viel Spaß damit.“

Gut gelaunt verabschiedeten sie sich voneinander.

Nachdem Noah bezahlt hatte, fuhr er zurück ins Büro. Er wünschte sich, es wäre schon Freitag. Er würde Faith an dem Abend bekommen, das stand für ihn fest. Damit wäre er seinem Ziel, Cabrera Custom Leathers zu übernehmen, einen entscheidenden Schritt näher. Faith wäre eine attraktive Dreingabe. Er dachte an ihre schönen, blauen Augen, die langen, geschwungenen Wimpern und das volle blonde Haar. Der Versuch, das Eis bei ihr zu brechen, würde sich auf jeden Fall lohnen.

2. KAPITEL

Nervös strich Faith ihren Wildlederrock glatt und betrachtete sich von allen Seiten kritisch im Spiegel. Sie trug eine dazu passende kurze Wildlederweste und eine Seidenbluse. Der Rock endete knapp über dem Knie. Es kam ihr darauf an, dass ihre eleganten Cabrera-Stiefel richtig zur Geltung kamen. Sie rückte den handgefertigten Ledergürtel zurecht, der natürlich auch aus der eigenen Werkstatt kam.

„Du siehst toll aus“, meinte Angie, die der Anprobe beiwohnte. „Jeder wird dich bewundern. Die Stiefel machen sich hervorragend.“

„Danke, Angie. Sind wir dann so weit?“

„Ich habe mich noch einmal vergewissert. Alle Teilnehmerinnen tragen unsere Stiefel. Wir haben unser Bestes gegeben.“ Angie trat einen Schritt zurück, um Faith noch einmal zu begutachten. „Großartig. Hoffentlich bekommst du einen knackigen Typen als Bieter und hast eine schöne Zeit mit ihm.“

„Mein Freund Hank hat mir versprochen, für mich zu bieten. Für den Fall, dass er sich nicht traut, habe ich noch Rafe in Reserve, einen Freund meines Cousins.“ Sie schüttelte ihr langes Haar, das ihr offen über die Schultern fiel. „Sieht es gut aus?“, vergewisserte sie sich noch einmal.

„Super. Perfekt.“

„Ich bin dir für deine Unterstützung so dankbar, Angie.“

„Ist doch selbstverständlich. Ich drück die Daumen. Du machst das schon.“

Faith lächelte und zog die Nase kraus. Ganz hatte sie ihre Nervosität noch nicht abgelegt. Die Versteigerung erinnerte sie an die Blind Dates während ihrer Collegezeit, denen sie schon damals lieber aus dem Weg gegangen war. Sie besann sich auf den eigentlichen Zweck der Veranstaltung und auf die Publicity, die dieser Abend für das Cabrera-Unternehmen bedeutete. Das half ein wenig.

Sie verließ die Garderobe und gesellte sich zu den anderen Teilnehmerinnen, die hinter der Bühne darauf warteten, dass sie an die Reihe kamen. Die Scheinwerfer blendeten sie so sehr, dass sie niemanden im Publikum erkennen konnte.

Gegenwärtig bewarben sich drei Bieter um Emma Grayson, eine gertenschlanke Brünette, die in ihrem eng anliegenden grünen Kleid ziemlich sexy aussah. Nachdem der Zuschlag für Emma erteilt war, war sie schon an der Reihe. Noch während sie vortrat, schickte sie ein stilles Stoßgebet gen Himmel und bat darum, dass Hank der Meistbietende sein möge. Hank war Börsenmakler. Sie kannten sich schon lange und waren gute Freunde. Mit ihm würde es einfach nur ein netter Abend werden.

Faith unternahm einen letzten Versuch, ein bekanntes Gesicht im Publikum zu entdecken, aber schon ab der zweiten Reihe war wegen des grellen Lichts niemand mehr zu erkennen.

„Und hier haben wir die reizende Junggesellin Nummer fünf“, kündigte Andrew LaCrosse, der die Versteigerung leitete, ihren Auftritt an. „Es ist Faith Cabrera.“

Faith machte eine leichte Verbeugung, während das Publikum artig applaudierte. LaCrosse stellte sie den Anwesenden kurz vor und vergaß dabei auch nicht, sich bei Cabrera Custom Leathers als Sponsor der Veranstaltung zu bedanken und die bis ins Jahr 1892 zurückreichende Tradition der Cabrera-Stiefel zu erwähnen. Darauf eröffnete er die Versteigerung bei einem Mindestgebot von zweitausend Dollar.

„Für einen Sonnabend bis Mitternacht mit der zauberhaften Miss Cabrera ist das doch geschenkt, meine Herren“, ermunterte er die Männer im Saal.

„Dreitausend.“

Faith erkannte Hanks Stimme und war erleichtert, dass er den Mut gefunden hatte, sein Versprechen einzulösen. Das bisher höchste Gebot lag bei achttausendfünfhundert Dollar, aber in der Gewissheit, die Veranstaltung allein schon durch ihre Teilnahme zu unterstützen, hatte sie nicht den Ehrgeiz, diese Marke zu übertreffen. Noch ein, zwei Minuten, dachte sie, dann ist es vorbei.

Einen Augenblick lang herrschte Stille im Zuschauerraum.

„Dreitausend sind geboten“, rief LaCrosse aus. „Höre ich mehr als dreitausend Dollar?“

„Fünfundzwanzigtausend“, kam plötzlich eine tiefe Stimme aus dem Dunkel des Saals.

Bis auf die Bühne hinauf war das Raunen zu hören, das durch die Reihen ging. Faith gefror das Lächeln auf den Lippen, und sie hielt die Luft an. Wem konnte es einfallen, eine solch absurde Summe für sie zu bieten? Während sie sich noch fragte, ob das Gebot ernst gemeint war, triumphierte LaCrosse über den warmen Regen, der dem Spendentopf in Aussicht stand. Plötzlich stockte ihr das Blut in den Adern. Ihr dämmerte, dass der Bieter niemand anderes sein konnte als Noah Brand.

„Nein, bitte nicht“, flüsterte sie unhörbar. Sie überlegte, ob es eine Möglichkeit gab, das Gebot zu annullieren, aber es lag auf der Hand, dass das aussichtslos war. Tapfer versuchte sie, weiter zu lächeln, vermutete jedoch, dass nur eine gequälte Grimasse dabei herauskam. Nicht im Traum wäre ihr eingefallen, dass Noah Brand diese Möglichkeit nutzen würde.

Dass die Fünfundzwanzigtausend noch überboten würden, brauchte sie gar nicht erst zu hoffen. LaCrosse hob den Hammer und rief die Summe zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten aus. Der Hammer fiel, und stürmischer Applaus erhob sich im Publikum.

„Ich möchte den großzügigen Spender, der diese außergewöhnliche Summe geboten hat, hier zu uns nach vorne bitten“, sagte LaCrosse und strahlte dabei über das ganze Gesicht.

Jeder im Saal reckte den Hals, um denjenigen zu sehen, der es sich ein kleines Vermögen kosten ließ, einen Tag mit Faith Cabrera zu verbringen, während sie gerne das Doppelte geboten hätte, um sich aus dieser Verpflichtung freizukaufen. Sie fühlte sich vollkommen übertölpelt und hatte keine Lust, einen Tag mit Noah Brand zu verbringen.

Noah stieg mit elastischen Schritten die Stufen zur Bühne hinauf und trat ins Scheinwerferlicht. Mit einem siegessicheren Lächeln schüttelte er erst Andrew LaCrosse die Hand, dann streckte er sie ihr entgegen. Ihre Blicke trafen sich, und als sie seinen festen, warmen Händedruck spürte, tat ihr Herz einen kleinen Hüpfer.

„Unser edler Spender ist niemand anderes als Noah Brand“, verkündete LaCrosse mit großer Geste. „Ich danke Ihnen beiden, Ihnen, Mr. Band, für die überaus großzügige Spende und Ihnen, Miss Cabrera, dafür, dass Sie sich freundlicherweise für diese Versteigerung zur Verfügung gestellt haben.“

Wieder brandete der Applaus zu ihnen herauf. Faith drehte sich alles im Kopf. „Das darf doch nicht wahr sein“, flüsterte sie vor sich hin, ohne dass es jemand hören konnte.

Zusammen mit Noah verließ sie die Bühne.

„Ich freue mich“, sagte er. „Sie sehen aber nicht gerade glücklich aus. Lächeln Sie doch wenigstens mal ein bisschen.“

„Sie wissen genau, was ich davon halte“, erwiderte sie. „Na schön, Sie haben gewonnen, und wir könnten die Gelegenheit nutzen, das Geschäftliche zu besprechen.“

„Auf keinen Fall“, entgegnete er mit einem nonchalanten Lächeln und sah sie aus grauen Augen an. „Ich habe an diesem Wochenende nicht vor, auch nur ein einziges Wort über das Geschäft zu verlieren.“

Faith sah ihn ungläubig von der Seite an. Vor einem kleinen Tisch, an dem die Organisatoren der Veranstaltung saßen, blieben sie stehen, und Noah zückte sein Scheckbuch. Hier nahmen sie weitere Glückwünsche entgegen.

„Sie haben heute mit dieser unglaublichen Summe wirklich ein gutes Werk getan“, meinte Terry Whipple, einer der Offiziellen, zu Noah.

„Ich glaube, den größten Gefallen habe ich mir damit selbst getan“, erwiderte Noah mit einem vielsagenden Seitenblick auf sie, dann füllte er den Scheck aus.

Faith beobachtete ihn verstohlen aus den Augenwinkeln. Sein dichtes schwarzes Haar war leicht gewellt. Die Wangen waren glatt rasiert. Er hatte ein energisches Kinn und eine gerade Nase sowie auffallend lange, gebogene Wimpern, die seinen ohnehin hinreißenden grauen Augen einen besonderen Appeal verliehen. Wie schon das letzte Mal, als sie auf dem Parkplatz vor ihm stand, spürte sie ein leichtes Flattern in der Magengrube. Es ärgerte sie maßlos, dass dieses irritierende Gefühl nicht zu unterdrücken war, und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als Noah Brand durch irgendeinen Zaubertrick verschwinden lassen zu können.

Whipple trug Namen, Summe und Schecknummer in ein großes Kassenbuch ein und legte Noahs Scheck zu den anderen Einnahmen in eine Schatulle. Dann füllte er eine Spendenbescheinigung aus, die er Noah überreichte, wobei er sich noch einmal wortreich bei ihnen beiden bedankte. Bevor er sie entließ, erläuterte er die Regeln.

„Was Sie heute Abend machen, bleibt Ihnen überlassen. Die meisten nutzen diesen ersten Abend zum Kennenlernen. Offiziell steht Ihnen Miss Cabreras Zeit erst ab morgen Nachmittag drei Uhr zu, Mr. Brand, und geht bis Mitternacht. Dann ist die Junggesellin wieder frei. Viele Paare gehen zusammen essen und zum Tanzen, aber das muss jeder selbst wissen. Ich wünsche Ihnen jedenfalls eine wunderbare Zeit miteinander.“

„Ich schlage vor, wir genehmigen uns einen Drink und beraten dabei, was wir tun wollen“, schlug Noah vor und nahm ihren Arm.

Sie wusste, dass jeder Widerstand zwecklos war, verabschiedete sich von Terry Whipple und ließ sich von Noah in die Lounge führen. Sie fanden ein ruhiges Plätzchen, und sie bestellte sich einen Martini.

„Ich könnte Sie morgen um drei Uhr abholen, und wir fliegen an die mexikanische Küste im Golf. Dort liegt mein Boot. Was halten Sie davon? Wir könnten segeln und schwimmen, und für das Essen und zum Tanzen, wovon Terry gesprochen hat, bliebe immer noch Zeit.“

„Auch wenn Sie eine stattliche Summe geopfert haben, Noah, können Sie sich wohl denken, dass ich von dieser ganzen Aktion nicht gerade begeistert bin, nicht wahr?“

Noah lachte gutmütig. „Ich werde mein Bestes tun, um Sie umzustimmen. Es wird Ihnen bestimmt gefallen.“

Der Kellner brachte die Drinks, und Faith nippte an ihrem Cocktail.

„Erzählen Sie doch ein wenig von sich“, forderte er sie auf. „Das Wenige, was der Showmaster auf der Bühne über Sie gesagt hat, war nicht besonders hilfreich. Alte Familie, spanische Wurzeln. Sie waren doch eine sehr erfolgreiche Geschäftsfrau. Trotzdem haben Sie Ihre Karriere geopfert, um in das Familienunternehmen zurückzukehren.“

„Seit ich meine Eltern verloren habe, ist mein Großvater derjenige, der mir am nächsten steht. Deshalb versuche ich die Stelle auszufüllen, die zuvor mein Dad eingenommen hat. Mein Vater kommt zwar ursprünglich auch aus dem Handwerk, hat sich aber schon frühzeitig um den kaufmännischen Part gekümmert.“

„Oh, es tut mir leid, das von Ihren Eltern zu hören. Es war ein Unfall, nicht wahr? Jetzt erinnere ich mich, dass wir ein Beileidsschreiben an Sie geschickt haben. Leben Sie bei Ihrem Großvater?“

Faith sah ihn von der Seite an und lächelte. „Sie haben eine raffinierte Art, einen auszufragen. Nein, ich lebe nicht bei ihm. Mein Großvater hat sein Personal, das ihm den Haushalt führt, und jetzt sind Sie einmal dran. Über Sie weiß ich noch weniger. Sie sind geschäftsführender Direktor bei Brand Enterprises, ebenfalls ein Familienunternehmen, zugegeben etwas größer als unseres. Die Brands versuchen seit ewigen Zeiten, unseren Betrieb in die Hände zu bekommen. Glücklicherweise vergeblich.“

„Das klingt aus Ihrem Munde ja sehr zurückhaltend. Sind Sie sicher, dass Sie nicht etwas anderes sagen wollten?“ Noah schien amüsiert.

Faith merkte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Sie fühlte sich ertappt. Tatsächlich hätte sie gern drastischere Worte gewählt. Wieder nahm sie einen Schluck von ihrem Martini und versuchte, seinem durchdringenden Blick auszuweichen. Ihr wurde bewusst, dass sie es mit einem gefährlichen Gegner zu tun hatte.

„Einen Penny für Ihre Gedanken.“

„Lieber nicht. Ich glaube, ich muss ein bisschen besser aufpassen. Sie haben mich schon einmal aufs Glatteis geführt.“ Wieder sah sie das listige Zwinkern in seinen Augen.

„Mir ist fast jedes Mittel recht, um zu bekommen, was ich möchte.“

„Das ist wenigstens eine ehrliche Aussage. Und? Bekommen Sie immer, was Sie möchten?“ Faith war gespannt, was er antworten würde. Sie war fest davon überzeugt, dass Noah sich für unwiderstehlich hielt.

„Natürlich nicht, aber das wissen Sie doch selbst. Als wir uns am Montag trafen und ich mit Ihnen essen gehen wollte, haben Sie abgelehnt.“

„Na ja, kleine Panne. Dafür haben Sie mich jetzt den ganzen Sonnabend. Also bekommen Sie doch, was Sie möchten.“

Sein Lächeln war so umwerfend, dass sie gar nicht anders konnte, als es zu erwidern.

„Nun gut, zugegeben, diese Scharte habe ich ausgewetzt, aber Sie als Einzelkind? Sie haben doch bestimmt immer alles bekommen, oder?“

„Ach, reden wir doch nicht darum herum. Wir wissen beide, was wir jetzt wollen, aber ich sage Ihnen …“

Er beugte sich vor und legte ihr sacht einen Zeigefinger auf die Lippen. „Nein, sagen Sie es nicht. Wir haben beschlossen, dieses Wochenende nicht über Geschäfte zu sprechen.“

Seine Berührung hinterließ auf ihren Lippen ein eigenartiges Gefühl. Es war wie ein Summen. Unwillkürlich musste sie daran denken, wie es wohl wäre, ihn zu küssen, und ihr Blick fiel auf seine festen, schön geschwungenen Lippen. Einen Moment später wurde ihr klar, was sie da tat, und sie sah ihm rasch wieder in die Augen. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass ihr ein weiteres Mal Hitze in die Wangen stieg.

„Die leichte Röte auf Ihren Wangen verrät Sie immer wieder“, meinte er leichthin. „Ich dachte übrigens genau dasselbe wie Sie. Wir werden es bald herausfinden.“ Er rückte sich im Sessel zurecht und wurde mit einem Mal sachlich. „Sagen Sie, was spielt in Ihrem Leben die wichtigste Rolle, Faith? Was möchten Sie in, sagen wir, zwölf Jahren haben?“

„Erfolg natürlich, aber ich hoffe auch, dass ich dann meinen Großvater noch habe. Er ist der wichtigste Teil meines Lebens. Ich hoffe, ich habe dann eine eigene Familie, aber wenn nicht, wäre das auch nicht so schlimm. Wie ist das bei Ihnen?“

„In zwölf Jahren? Vielleicht möchte ich dann heiraten. Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, das Geschäft weiter auszuweiten und meinen Wohlstand zu mehren, dass ich noch mehr Erfahrung gesammelt habe. Solche Sachen.“

„Mit anderen Worten: noch eine Million und noch eine Million. Ihr Leben dreht sich nur um Sie selbst.“

„Mein Gott! Jetzt denken Sie sicher, dass ich der totale Egoist bin.“

„Ich habe nur mit meinen Worten wiederholt, was Sie selbst gesagt haben.“

„Immerhin habe ich gerade fünfundzwanzigtausend Dollar gespendet. Das ist ja nun nicht gerade ein Zeichen für puren Egoismus.“

„Erzählen Sie mir doch nichts. Sie haben jeden einzelnen Dollar dafür eingesetzt, um mich zu bekommen“, widersprach Faith. „Wann haben Sie zuletzt Geld für einen ganz und gar uneigennützigen Zweck ausgegeben?“

„Ich sehe schon. Ich habe morgen ein hartes Stück Arbeit vor mir, um mein Image bei Ihnen aufzupolieren.“ Er blickte auf. „Schauen Sie mal, wie schön die Paare da hinten tanzen. Wie wär’s? Wollen wir nicht auch einmal?“

Ohne eine Antwort abzuwarten stand er auf, reichte ihr eine Hand und zog sie aus ihrem Sessel. Faith amüsierte sich über sein männliches Imponiergehabe und folgte ihm. Sie sah sich in ihrer Meinung über ihn nur bestätigt. Sorgsam achtete sie auf einen Sicherheitsabstand, als er den Arm um sie legte, dennoch war sie wie elektrisiert von dem Gefühl, ihm so nahe zu sein. Warum musste von allen Männern dieser Erde ausgerechnet Noah Brand eine solche Wirkung auf sie haben? Er war arrogant, selbstgefällig und dickköpfig – mit einem Wort: unmöglich. Obendrein war es sein erklärtes Ziel, ihr Leben und das ihres geliebten Großvaters zu ruinieren.

„Wie haben Sie überhaupt von dieser Veranstaltung erfahren?“, fragte sie, um sich auf andere Gedanken zu bringen.

„Mein Bruder hat mir seine Karte angeboten.“

„Sie wollen mir doch wohl nicht erzählen, dass Ihr Bruder Ihnen rein zufällig die Karte angeboten hat und dass Sie rein zufällig nichts anderes an diesem Abend vorhatten?“

„Nein, natürlich nicht. Das war schon geplant, und ich bin froh, dass alles so schön geklappt hat.“

Noah machte eine schnelle Drehung und zog sie dabei ein Stück näher an sich heran, um sie festzuhalten. Faith blickte in seine rätselhaften grauen Augen und sah für eine Sekunde Leidenschaft in seinem Blick aufflackern. Sie dachte, dass es einer der seltenen Momente gewesen sein musste, in denen er nicht an das Geschäft dachte. Für die Dauer des Tanzes sprachen sie nicht viel und wenn, dann nur über Belangloses.

Sie kehrten an ihren Tisch zurück und plauderten eine Weile, wobei sie feststellte, dass Noah ein guter Unterhalter war. Schließlich blickte sie um sich und stellte zu ihrem Erstaunen fest, dass sie mit wenigen anderen die letzten Gäste waren. Sie schaute auf ihre Uhr und rief aus: „Gütiger Himmel! Es ist ein Uhr morgens. Ich muss schnellstens nach Hause.“

„Warum? Werden Sie erwartet?“

„Nein, das nicht, aber ich bin seit sechs heute früh auf den Beinen. Ich stehe jeden Morgen so früh auf.“

„Sechs Uhr?“ Noah erhob sich und bot ihr den Arm. „Dann wird es wirklich Zeit für Sie. Warum haben Sie das nicht früher gesagt?“

„Was wollen Sie hören? Dass Sie mich dermaßen gefesselt haben, dass ich Zeit und Stunde vergessen habe?“

„Ja, so ungefähr.“ Er lächelte verschmitzt.

„Meinetwegen.“ Faith sah ihn von der Seite an, während sie auf den Ausgang zugingen. „Also: Ich habe derart an Ihren Lippen gehangen, dass mir die Stunden hier wie Minuten vorgekommen sind. Zufrieden?“

„Ich wollte, Sie meinten es wirklich so.“

Als sie jemanden am Empfang bitten wollte, ihren Wagen vorfahren zu lassen, hielt Noah sie zurück. „Es ist spät. Lassen Sie mich Sie nach Hause fahren. Ich setze Sie morgen früh wieder hier ab, damit Sie Ihren Wagen holen können.“

Sie überlegte einen Moment, dann nahm sie das Angebot an. Sie hatte keine Lust, noch eine Diskussion mit ihm anzufangen. Wenig später fuhr eine schwarze Limousine vor. Noah musste dem Fahrer mit dem Handy Bescheid gegeben haben, ohne dass sie es bemerkt hatte. Der Chauffeur stieg aus und hielt ihnen die hintere Tür auf.

Unterwegs wandte sie sich mit einem Lächeln an Noah und sagte: „Ich will ehrlich sein. Den größten Teil des Abends habe ich unsere Meinungsverschiedenheiten vergessen. Es war wirklich nett mit Ihnen, aber machen Sie nicht den Fehler zu denken, dass ich deshalb aufgegeben habe.“

Noah schüttelte den Kopf. „Keine geschäftlichen Themen dieses Wochenende. Darüber waren wir uns doch einig. Wir sind einfach zwei ganz normale Menschen, ein Mann und eine Frau, die dabei sind, sich ein bisschen näher kennenzulernen.“

Faith zuckte die Achseln und schaute durchs Seitenfenster nach draußen. Sie glaubte ihm kein Wort. Noah Brand hatte nicht fünfundzwanzigtausend Dollar auf den Markt geworfen, um einfach nur ein Date zu bekommen. Er war hinter ihrem Familienunternehmen her, und früher oder später würde er darauf zurückkommen.

Sie passierten die Sicherheitsschranke ihres bewachten Wohnviertels, und die Limousine hielt vor dem Haus, in dem sich ihr Apartment befand.

„Wäre neun Uhr morgen früh recht?“, erkundigte sich Noah, als sie mit ihm vor der Haustür stand. „Sie können ausschlafen. Ich lade Sie zum Frühstück ein.“

„Neun ist okay, aber sparen Sie sich das Frühstück.“

„Dieser Abend ist auch für mich wie im Fluge vergangen“, sagte er, trat einen Schritt näher und legte ihr einen Arm um die Taille.

Ihr Herz begann heftiger zu klopfen. Sie spürte deutlich die Glut, die er den ganzen Abend schon in ihr angefacht hatte – mit seinen flüchtigen Berührungen, durch seine Nähe beim Tanzen, mit dem Geflirte während des Abends. Sie wollte, dass er sie küsste, obwohl sie nur zu gut wusste, dass es falsch war. Er war ihr Gegner, ihr Feind. Sie hatten höchstens eine kleine Feuerpause eingelegt.

„Faith“, sagte er mit ruhiger Stimme, „meinen Sie nicht, dass das Positive zwischen uns all das Negative überwiegen könnte?“

Sie standen im Schatten der Veranda, und die Welt draußen schien nicht mehr zu existieren. Er zog sie enger an sich. Sie wusste, dass sie ihn zurückweisen sollte, aber sie tat es nicht. Stattdessen legte sie ihm die Hände auf die Arme und wandte ihm ihr Gesicht zu. Sie öffnete die Lippen ein wenig, und schon im nächsten Augenblick brannten seine Lippen auf ihren. Behutsam drang er mit der Zunge in ihren Mund vor, und aus der Glut, die sie die ganze Zeit schon in sich gespürt hatte, schlugen helle Flammen.

Sie schlang die Arme um seinen Nacken und erwiderte den Kuss mit aller Leidenschaft. Ihr war, als würden ihr die Sinne schwinden. Wildes Verlangen loderte in ihr auf. Sie wusste, sie würde bereuen was sie tat, aber sie konnte einfach nicht anders. Sie wollte, dass er sie die ganze Nacht lang so küsste wie jetzt. Ohne nachzudenken griff sie in sein volles Haar und hielt ihn fest. Leise stöhnte sie auf. Etwas drückte gegen ihren Bauch und verriet ihr, dass er genauso erregt war wie sie.

Er lehnte sich zurück, streichelte ihr den Rücken und ließ seine Hände über ihre Hüfte gleiten. Ihr Herz klopfte wie wild, und ihr Atem ging schwer und stoßweise. Endlich legte sie ihm eine Hand auf die Brust und schob ihn leicht zurück. Noah hob den Kopf. Auch er atmete schwerer, und sie glaubte zu spüren, wie sein Herz schlug. Lange sahen sie sich in die Augen. Sie wusste, sie hatte einen nicht wiedergutzumachenden Fehler begangen, denn sie würde diesen Kuss so schnell nicht vergessen können. Wie sollte sie sich damit abfinden, dass es bei diesem einen bleiben musste?

„Faith“, hörte sie seine raue Stimme. Sie war gespannt, was er sagen würde. „Wir sehen uns dann morgen um neun“, meinte er schließlich. Sie wusste, dass es nicht das war, was er ursprünglich sagen wollte. „Es war ein sehr schöner Abend.“

„Ja. Das finde ich auch“, erwiderte sie. „Danke dafür. Bis morgen. Gute Nacht, Noah.“ Ihr drehte sich noch alles im Kopf, als sie ins Haus verschwand und die Tür hinter sich schloss. Verstohlen drehte sie sich um, spähte durch das kleine Fenster und sah, wie Noah wegging.

Gedankenverloren schlang sie die Arme um ihren Oberkörper. Ihre Lippen brannten noch von seinem Kuss. Sie sehnte sich danach, wieder in seinen Armen zu liegen. Nach einer Weile strich sie sich durchs Haar und schüttelte den Kopf. Glücklicherweise war ihr Großvater übers Wochenende zum Angeln gefahren. Sie erwartete ihn vor Montag nicht zurück, aber dann würde sie ihm von der Auktion und von ihrem Wochenende erzählen müssen, und sie sorgte sich jetzt schon um seinen Blutdruck.

Wer hätte aber auch mit diesem Handstreich rechnen können?

Sie machte sich fertig für die Nacht, doch als sie dann im Bett lag, war an Schlaf nicht zu denken. Sie starrte im Dunkeln an die Decke und dachte an Noahs Kuss. Im nächsten Augenblick verfluchte sie sich dafür, dass sie es so weit hatte kommen lassen. Sie hatte keine Ahnung, wie spät es war, als sie endlich einschlief.

3. KAPITEL

Faith ließ alles stehen und liegen und hastete durch die Wohnung, als es an ihrer Tür klingelte. Im Schlafzimmer lagen die Sachen wild durcheinander. Sie griff nach ihrer Handtasche und öffnete die Tür.

„Guten Morgen“, begrüßte Noah sie freundlich.

Er wirkte ausgeruht und topfit. Sein Polohemd spannte sich über seiner breiten Brust, und die kurzen Ärmel ließen einen gut entwickelten Bizeps erkennen. Er musterte sie von Kopf bis Fuß.

„Du siehst fabelhaft aus“, meinte er.

Faith konnte nichts Besonderes an sich finden. Sie trug eine hellgrüne Leinenbluse und Khakihosen, aber allein sein forschender Blick ließ ihr Herz schneller schlagen. „Danke“, erwiderte sie rasch. „Ich schalte nur noch den Alarm ein. Dann können wir gehen.“ Sie gab sich alle Mühe, den Anschein zu erwecken, sein Kompliment ließe sie unbeeindruckt.

Als sie zu seinem Wagen gingen, nahm er ihren Arm. „Hast du gut geschlafen heute Nacht?“

„Ich schlafe immer gut“, antwortete sie knapp. Sie merkte, dass er sie provozieren wollte. Deshalb fragte sie nach einer Pause: „Habt ihr schon einmal die Rollen getauscht, dein Bruder und du?“

„Aber natürlich. Besonders früher haben wir uns einen Spaß daraus gemacht. Eine derartige Möglichkeit, anderen einen Streich zu spielen, lässt man sich als Junge doch nicht entgehen.“

„Und woher soll ich jetzt wissen, dass ich den Tag mit Noah verbringe und nicht mit Jeff?“

„Willst du meine Blinddarmnarbe sehen?“, fragte er amüsiert, während er ihr die Beifahrertür eines schwarzglänzenden Jaguars aufhielt. „Jeff hat keine.“

„Nein danke. Vergiss es.“

„Wir sehen uns zwar ähnlich, aber wir sind total verschieden. Das wirst du feststellen, wenn du Jeff einmal kennenlernst.“

Faith warf ihm einen Blick von der Seite zu. Warum sollte sie Jeff kennenlernen? Sie hatte nicht vor, nach diesem Tag weiter mit der Familie Brand zu verkehren. „Mich wundert, dass dein Bruder nicht für Brand Enterprises arbeitet.“

„Jeff hasst Büroarbeit jeglicher Art.“

Noah hatte den Wagen gestartet, und sie fuhren los. Nach einer Weile fragte er: „Worüber denkst du gerade nach?“

Faith suchte nach einer unverfänglichen Antwort. Sie hatte nicht die Absicht, ihm ihre Gedanken zu offenbaren. „Ich dachte, dass es merkwürdig ist, dass wir dieser uralten Familienfehde nicht entrinnen können. Ich habe keine Ahnung, wie sie entstanden ist. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob mein Großvater das so genau weiß.“

„Ich kann nur vermuten, dass es eine Art Konkurrenzneid gewesen sein muss. Wahrscheinlich standen die beiden Unternehmen in ihren Anfängen in direktem Wettbewerb zueinander. Gerade in alteingesessenen Handwerksbetrieben erlebt man so etwas öfter.“

Faith setzte jedes Mal das Herz für einen Schlag aus, wenn er ihr kurz einen Blick zuwarf. „Kann sein, aber der Zwist hat sich über Generationen erhalten. Ich habe jedenfalls, solange ich zurückdenken kann, in meiner Familie kein gutes Wort über die Brands gehört. Bei dir war das vermutlich umgekehrt genauso. Dass es einen solchen Hass geben kann.“

„Hass ist ein zu starkes Wort. Außerdem muss uns das doch nicht beeinflussen. Ich sehe es jedenfalls ganz nüchtern. Ich möchte Cabrera Custom Leathers gerne kaufen, mehr nicht.“

„Ich glaube trotzdem, dass auch du uns Cabreras nicht magst.“

„Das kann man so nicht sagen.“ Seine Stimme klang warm und freundlich. „Wir beide könnten diese Fehde endgültig begraben. Ich kann dir versichern, dass ich dir gegenüber nicht den geringsten Groll hege – im Gegenteil.“

Faith konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.

„Außerdem haben wir eine Vereinbarung: Keine Gespräche über das Geschäft an diesem Wochenende, und die Familienfehde gehört dazu.“

„Ich fürchte nur, dass man über solche Gefühle nicht einfach hinweggehen kann. Die sitzen tiefer, aber gut, ich will es versuchen.“ Sie schaute eine Weile aus dem Fenster und überlegte, ob sie wirklich bereit war, über diese Ressentiments hinwegzusehen. „Du sagtest, du wärst lange nicht auf deinem Boot gewesen. Was tust du denn, wenn du dich mal entspannen willst?“

„Ich arbeite.“ Er lachte. „Na schön. Letztes Jahr war ich für zwei Wochen in der Schweiz. Ich schwimme viel und spiele Squash. Und du?“

„Ich verbringe viel Zeit mit meinem Großvater.“

„Klingt so, als könntest du genau wie ich ein bisschen Abwechslung vertragen. Denk einfach nicht an die alte Geschichte. Ich bin irgendein Mann, und wir beide unternehmen heute etwas zusammen. Dir wird es draußen auf dem Wasser gefallen. Die Küstenlandschaft ist großartig. Es gibt auch gute Plätze zum Schnorcheln.“

Jetzt war sie es, die lachte. „Okay. Du kannst deinen Werbefeldzug beenden.“

Was ist los mit mir, dachte sie gleichzeitig. Sie wünschte sich, sie hätte Noah unter anderen Vorzeichen kennengelernt, aber es war Unsinn, sich auf Gedankenspiele einzulassen, die zu nichts führten.

Noah bog zum Country Club ab, und Faith dirigierte ihn zum Parkplatz, auf dem ihr Wagen abgestellt war. Bevor sie in ihr eigenes Auto umstieg, sagte er: „Ich hole dich in zwei Stunden bei dir zu Hause ab. Lass mich nicht warten.“

Sein Blick fiel auf ihren Mund, und sofort musste sie an den Kuss denken. Sie war sich sicher, dass es bis zum Abend nicht bei diesem einen Kuss bleiben würde. Was sie aber noch mehr beunruhigte war, dass sie sich eine Wiederholung trotz besserer Einsicht herbeiwünschte.

Faith wurde zeitig genug fertig, um rasch noch Millie anzurufen, bevor Noah kam, um sie abzuholen. Nachdem sie ihrer Freundin kurz geschildert hatte, was geschehen war, fragte sie: „Hat Jeff dich nach einer Eintrittskarte zu der Veranstaltung für Noah gefragt?“

„Nein. Jeff hat mir fünf Karten abgekauft. Von seinem Bruder war dabei keine Rede. Hast du dich denn amüsiert letzte Nacht?“

„Das tut hier nichts zur Sache. Ich weiß, worauf Noah aus ist, und bin deshalb auf der Hut.“

„Ach, vergiss doch mal das Geschäft“, ermunterte Millie sie. „Genieß lieber den Tag so gut du kannst.“

„Das sagst du so. Ich weiß doch, warum er fünfundzwanzigtausend Dollar auf den Tisch gelegt hat. Er lässt sein Ziel bestimmt nicht aus den Augen.“

„Dann mach, dass er es vergisst.“

„Millie, ich muss jetzt los.“

„Okay. Hab Spaß! Und ruf mich an, wenn du wieder da bist. Ic...

Autor

Sara Orwig

Sara’s lebenslange Leidenschaft des Lesens zeigt schon ihre Garage, die nicht mit Autos sondern mit Büchern gefüllt ist. Diese Leidenschaft ging über in die Liebe zum Schreiben und mit 75 veröffentlichten Büchern die in 23 Sprachen übersetzt wurden, einem Master in Englisch, einer Tätigkeit als Lehrerin, Mutter von drei Kindern...

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