Das Westmoreland-Erbe - Teil 1-4 der Serie

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SO VERBOTEN SEXY!
Gavin Blake traut seinen Augen nicht: Diese umwerfende Frau soll die Professorin sein, die auf seinem Grundstück nach einem verborgenen Schatz suchen will? Er glaubt zwar nicht an die Geschichte, aber er ist hingerissen von der schönen Wissenschaftlerin und erlaubt ihr, auf seinem Land zu graben. Dabei stößt sie auf ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit und gerät deshalb in große Gefahr. Gavin ist entschlossen, sie zu beschützen - obwohl ihre Entdeckung seine Welt aus den Angeln hebt …

DIE STUNDEN MIT DIR VERGESS ICH NIE
Er senkte seinen Mund auf ihren. In dem Moment, als ihre Lippen sich berührten, wurde ihr Innerstes von einem überwältigenden Verlangen erfüllt. Coop lebt! Der Mann in der Galerie ist ganz sicher Laramie Cooper. Aber wie kann das sein? Man hatte Bristol gesagt, er wäre tot. Und diese Nachricht hat ihr das Herz gebrochen. Drei leidenschaftliche Nächte verbrachte Bristol mit Coop in Paris, dann musste er zu seinem nächsten Einsatz. Bevor sie ihm sagen konnte, dass sie ein Kind von ihm erwartet - und dass er die Liebe ihres Lebens ist. Bristol muss ihn nur ansehen und weiß: Sie will ihn noch immer. Aber wie kann sie einen Mann lieben, der immer wieder sein Leben riskiert?

ZWISCHEN EHRE UND VERSUCHUNG
Eine geheime Mission bringt Navy-SEAL David "Flipper" Holloway nach Key West. Hier sollen Top-Secret-Informationen aus Regierungskreisen weitergegeben werden. Die Spur führt zu einer gewissen Swan Jamison, die auf der Insel einen Schmuckladen betreibt. Flippers Auftrag: mit Swan flirten, ihr Vertrauen gewinnen, herausfinden, was sie treibt. Doch als die atemberaubende Schönheit ihn mit ihrem sexy Lächeln bezaubert, ist die Mission in Gefahr! Sein Verlangen für die Verdächtige brennt lichterloh …

LEIDENSCHAFT ? UND SO VIEL MEHR
So hat er sich das Wiedersehen nicht vorgestellt! Als Navy SEAL "Mac" McRoy aus dem Einsatz zu seiner Frau Teri nach Hause zurückkehrt, muss er feststellen, dass sie nicht da ist. Ohne zu zögern, reist er ihr hinterher auf die Ranch, von der sie immer geträumt hat. Bei einem Ausritt wollen sie sich aussprechen, doch ein Tornado zwingt sie, in einer Mine Schutz zu suchen. Die Zeit zu zweit entflammt neue Leidenschaft zwischen ihnen, aber Mac fühlt: Wenn er Teri behalten will, muss er eine schwere Entscheidung treffen …


  • Erscheinungstag 11.06.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733717629
  • Seitenanzahl 576
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Brenda Jackson

Das Westmoreland-Erbe - Teil 1-4 der Serie

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2016 by Brenda Streater Jackson
Originaltitel: „The Rancher Returns“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 1986 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Peter Müller

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733723828

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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PROLOG

„He, Viper, dein Handy hat oben geklingelt.“

Gavin Blake, den seine Kameraden bei den Navy SEALs nur Viper nannten, nickte und stellte seinen Kaffeebecher ab. Er verließ den Gemeinschaftsraum und machte sich auf den Weg zu seiner Stube. Noch immer taten ihm alle Knochen weh. Der letzte Geheimeinsatz war anstrengend und gefährlich gewesen.

Zwei Tage noch, dann hatten sie erst einmal dienstfrei. Die meisten seiner Kameraden würden direkt nach Hause fliegen, aber er hatte zunächst einmal andere Pläne. Ihm stand der Sinn nach etwas Zärtlichkeit. Es war schon viel zu lange her, dass er das Bett mit einer Frau geteilt hatte, und er hatte vereinbart, dass er sich mit einer wunderhübschen Barkeeperin treffen würde, die er in Mississippi kennengelernt hatte. Damals hatte er seinem Mannschaftskameraden Bane aus einer Klemme geholfen. Der Vorfall lag nun schon einige Monate zurück.

Oben in der Stube angekommen, wühlte er das Handy aus seinen Sachen hervor. Er stellte fest, dass der entgangene Anruf von Sherman Lott stammte, dem die Ranch neben dem Familienbesitz der Blakes gehörte. Das beunruhigte ihn. Er konnte nur hoffen, dass seiner Großmutter nichts zugestoßen war!

Die alte Dame lebte so gut wie allein, wenn Gavin nicht da war. Deshalb hatte er den Nachbarranchern für Notfälle seine Handynummer gegeben. Natürlich gab es auch noch den Vormann Caldwell, der die Ranch in Gavins Abwesenheit führte, aber er hatte sich manchmal auswärts um geschäftliche Dinge zu kümmern …

Schnell drückte Gavin die Rückruftaste. Schon beim zweiten Klingeln nahm Mr. Lott ab. „Hallo?“

„Hier ist Gavin, Mr. Lott. Ich hoffe, Grandma Mel ist nichts zugestoßen …?“

„Nein, keine Sorge, Gavin, es hat keinen Unfall oder so was gegeben. Allerdings befürchte ich, dass sie gerade ein bisschen durch den Wind ist.“

Gavin runzelte die Stirn. Seine Großmutter war zwar schon fast fünfundsiebzig, aber noch topfit, auch geistig. Noch vor zwei Wochen hatte er mit Melody Blake telefoniert, und damals hatte sie völlig normal geklungen. „Wie meinen Sie das? Wirkt sie verwirrt oder …“

„Nein, ich habe nur leider den Eindruck, dass sie auf ihre alten Tage ein bisschen zu vertrauensselig geworden ist. Sie hat sich von so einer smarten Universitätsprofessorin einwickeln lassen. Diese komische Wissenschaftlerin ist davon überzeugt, dass der legendäre Wildwest-Bandit Jesse James einen Teil seiner Beute auf dem Land der Silver Spurs Ranch vergraben hat. Und jetzt will sie hier Ausgrabungen starten, schon nächste Woche. Auf dem Land Ihrer Großmutter!“

Das Ranchland in der Größe von achthundert Morgen gehörte Gavins Großmutter zwar nicht allein, sondern ihr und ihm gemeinsam, aber das war in diesem Zusammenhang unwichtig, deshalb korrigierte er den Mann nicht. „Und Grandma Mel hat eingewilligt? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, Mr. Lott.“

„So ist es aber. Diese Professorin, Dr. Harris, kann sehr überzeugend reden. Deshalb habe ich Sie ja auch angerufen. Ich behellige Sie nur ungern damit, weil ich weiß, dass Sie wichtige Dinge für unser Land tun, aber ich war der Meinung, Sie müssten es wissen.“

„Das war auch richtig so, vielen Dank. Jetzt machen Sie sich keine Gedanken mehr. In ein paar Tagen bin ich wieder zu Hause und kümmere mich um alles. Auf Wiederhören.“

Gavin fluchte leise vor sich hin. Das Date mit der Barkeeperin konnte er vergessen! So ein Mist!

Er wählte die Nummer des Vormanns Caldwell Andrews.

„Caldwell? Sag mal, was ist denn auf der Silver Spurs Ranch los? Sherman Lott hat mich gerade angerufen wegen dieser Professorin und ihrem archäologischen Vorhaben …“

„Ja, ich weiß, dass er sich deswegen Gedanken macht, aber das ist meiner Meinung nach völlig unnötig. Deiner Großmutter geht es gut. Sie hat sich von der Professorin Unterlagen zeigen lassen und lange mit ihr geredet. Erst dann hat sie zugestimmt. Sie mag die Frau.“

Viper verdrehte die Augen. „Caldwell, du weißt so gut wie ich, dass es auf der Silver Spurs Ranch keinen vergrabenen Schatz gibt. Kannst du dich an diese Typen erinnern, die aufgekreuzt sind, als ich noch ein Teenager war? Sie haben Dad davon überzeugt, dass es Ölvorkommen auf unserem Land gibt. Deshalb hat er der Firma Grabungen und Bohrungen gestattet. Und was war das Ergebnis? Kein einziges Tröpfchen Öl!“

„Ja, das weiß ich noch. Aber Miss Mel meint wohl, das bisschen Graben schadet niemandem. Es betrifft ja nur einen kleinen Flecken Land, weit weg vom Ranchhaus. Nicht mal Kühe grasen dort. Es ist die Südweide.“

„Die Südweide?“

„Ja. Der Teil des Ranchlandes, den nie jemand betritt.“

Außer mir, dachte Gavin. Das Land war ausgelaugt und so gut wie nutzlos. Aber er zog sich gelegentlich dorthin zurück, um Ruhe und Frieden zu finden, wenn er für sich allein sein wollte. Dorthin war er schon als Kind gegangen, wenn er seine Mutter vermisste. Später hatte er dort Ruhe gesucht, nachdem sein Vater bei einem Militäreinsatz ums Leben gekommen war. Und erst im vergangenen Jahr hatte er nach der Rückkehr von einem Einsatz dort einige Tage campiert, als er davon ausgehen musste, dass sein Kamerad Coop tot war. Dort, in der völligen Einsamkeit, hatte er den Verlust seines guten Freundes verarbeiten wollen.

„Mach dir keine Sorgen mehr, Gavin. Deine Großmutter hat alles im Griff.“

Gerade das konnte Gavin nicht so recht glauben. „Ich werde trotzdem sicherheitshalber in ein paar Tagen nach dem Rechten schauen. Aber sag Grandma Mel noch nichts davon. Ich möchte sie überraschen.“

Er legte auf und fuhr sich entnervt mit der Hand übers Gesicht.

„Hey, Mann, Viper, was ist los? Irgendwas nicht in Ordnung?“

Gavin wandte sich um. Vier Augenpaare musterten ihn besorgt. Es handelte sich um seine SEAL-Teamkameraden: Brisbane Westmoreland, Teamname Bane, Thurston McRoy, Teamname Mac, Laramie Cooper, Teamname Coop, und David Holloway, Teamname Flipper. Er und diese vier Männer waren wie Brüder. Gemeinsam hatten sie unzähligen Gefahren getrotzt, sich stets gegenseitig beschützt. Sie würden alles füreinander tun, und das nicht nur im Dienst.

„Es geht um meine Großmutter“, murmelte Gavin.

„Was ist denn mit Grandma Mel?“, fragte Flipper. Jeder der vier hatte Viper schon einmal zu Hause besucht und kannte die alte Dame.

„Ist sie krank?“, fragte Bane.

Viper schüttelte den Kopf. „Nein, zum Glück nicht. Ich habe nur gerade erfahren, dass sie einer Universitätsprofessorin erlaubt hat, auf unserem Land Grabungen vorzunehmen. Die Frau glaubt, dass Jesse James dort einen Teil seiner Beute vergraben hat.“

Die Mienen seiner Freunde entspannten sich. „Ist das alles?“, fragte Coop grinsend.

„Mir reicht das schon. Niemand darf einfach so auf der Silver Spurs Ranch herumbuddeln.“

„Doch, weil deine Großmutter es erlaubt hat“, warf Bane ein.

„Dann werde ich die Erlaubnis eben widerrufen. Das ist mein gutes Recht als Mitbesitzer. Das Dumme ist nur, dass ich dafür direkt nach Hause fliegen muss. Meinen geplanten Zwischenstopp in Mississippi kann ich vergessen. Dabei hätte ich dort gute Chancen auf jede Menge Matratzensport gehabt …“

Mac grinste. „Aber vielleicht hat Jesse James auf eurem Land ja wirklich etwas vergraben? Soweit ich weiß, hat er mit seiner Bande in der Gegend tatsächlich etliche Banken ausgeraubt.“

Gavin machte eine wegwerfende Handbewegung. „Auf unserer Ranch gibt es keine vergrabenen Schätze. Das lasse ich mir auch von niemandem einreden. Schon gar nicht von so einer Universitätstante.“

1. KAPITEL

Layla Harris lächelte, als ihr die alte Dame einen Teller Kekse auftischte. „Oh, Miss Melody, jetzt haben Sie sich extra für mich so viel Mühe gemacht …“

„Kein Problem“, erwiderte Melody Blake schmunzelnd. „Davon abgesehen freue ich mich, wenn ich mal Besuch habe. Ist manchmal doch ganz schön einsam hier draußen …“

Layla fühlte sich auf der Silver Spurs Ranch schon fast wie zu Hause, so liebevoll wurde sie von Miss Melody umsorgt. Die alte Dame, eine pensionierte Bibliothekarin, wusste sich zwar selbst zu beschäftigen – sie las viel, kochte und backte –, aber sie lebte richtig auf, wenn sie sich mit ihrem Gast unterhielt.

Sogar ein Gästezimmer im Hauptgebäude hatte sie Layla angeboten, doch Layla war lieber aufs nahe gelegene Gästehaus der Ranch ausgewichen. Dort konnte sie kommen und gehen, ohne ihre Gastgeberin zu stören.

Miss Melody hatte Layla schon viel über die Ranch erzählt. Das Anwesen war schon seit Generationen in Familienbesitz, und im Moment führte Miss Melody den Betrieb mithilfe eines Vormanns und einiger Angestellter. Ihr Enkel Gavin diente seinem Land als Navy SEAL an vielen Krisenschauplätzen in der Welt, aber wenn er Heimaturlaub hatte, führte er zumindest zeitweise das Kommando auf der Ranch.

„Diesmal sind es Schokoladenkekse, wie Sie sehen“, sagte Miss Melody freundlich. „Die mag mein Enkel übrigens am liebsten.“

Layla hatte Gavin Blake noch nicht persönlich kennengelernt, aber von der alten Dame schon viel über ihn gehört. Den zahlreichen Fotos, die die stolze Großmutter überall aufgehängt hatte, konnte sie entnehmen, wie gut er aussah: Hochgewachsen, muskulös, dunkelhaarig, mit einem Gesicht wie aus Stein gemeißelt. Als Frau musste man sich unwillkürlich zu ihm hingezogen fühlen. Wenigstens erging ihr das so.

Weitere Informationen hatte sie auf dem Weg hierher in einem kleinen Restaurant erhalten, wo sie der Kellnerin gegenüber erwähnt hatte, dass sie Grabungen auf der Ranch durchführen wollte. Die junge Frau schien selbst total begeistert von Gavin zu sein. Sie hatte erzählt, dass er mit seinen Leistungen das lokale Highschool-Footballteam berühmt gemacht hatte. Niemand war überrascht gewesen, dass er anschließend auf die Marineakademie gegangen war, denn die Militärlaufbahn hatte Tradition in der Familie. Sein Vater war im Golfkrieg gefallen, und über seine Mutter war nur wenig bekannt. Wie es hieß, war sie eine sehr hübsche Frau und ein paar Jahre jünger als ihr Mann gewesen. Die beiden hatten sich in New York kennengelernt und schon nach einer Woche geheiratet. Offenbar hatte sie sich jedoch nie daran gewöhnen können, die Frau eines Berufssoldaten zu sein, der häufig durch Abwesenheit glänzte. Auch das Leben auf der Ranch hatte ihr nicht behagt. Eines Tages hatte sie dann ihre Sachen gepackt und war einfach verschwunden. Bis zum heutigen Tage fehlte jede Spur von ihr.

„Ihr Enkel und ich haben etwas gemeinsam“, sagte Layla zu Miss Melody. „Schokokekse sind auch meine Lieblingskekse.“

Während sie in das süße Gebäck biss, dachte sie, dass das wohl so ziemlich die einzige Gemeinsamkeit wäre. Denn Gavin, das hatte sie auch gehört, schien beim anderen Geschlecht die allerbesten Chancen zu haben, was er auch zu nutzen verstand. Sie hingegen hatte sich immer sehr stark aufs Lernen konzentriert, sodass ihr kaum Zeit blieb, Kontakte zu Männern zu pflegen. Immerhin war das ihrer Berufslaufbahn zugutegekommen: Sie hatte einen Doktortitel in Geschichte und Archäologie und war mit ihren sechsundzwanzig Jahren die jüngste Professorin an der Flintwood University in Seattle.

Ihre Eltern waren über ihre Berufswahl nicht wirklich glücklich gewesen. Beide waren Neurochirurgen und hätten sich für ihre Tochter ebenfalls eine Karriere als Ärztin gewünscht. Außerdem ersehnten sie sich für Layla einen netten Ehemann und hätten liebend gern Enkelkinder gehabt …

„Und, Layla, was steht heute auf dem Programm?“

Layla lächelte. Ihr gefiel Miss Melodys freundliche, offene Art. Als sie vor über einer Woche auf der Ranch aufgetaucht war, hatte sie nicht wissen können, wie man sie empfangen würde. Die alte Dame hatte durchaus kritische Fragen gestellt und ihre Unterlagen gründlich studiert; erst dann hatte sie dem Forschungsvorhaben mit den Grabungen zugestimmt. Zusätzlich hatte sie sich ausbedungen, ständig darüber auf dem Laufenden gehalten zu werden.

Miss Melody hatte Layla auch darauf vorbereitet, dass ihr Enkel Gavin – der Mitbesitzer der Ranch – mit den Grabungen möglicherweise nicht einverstanden sein würde. Aber sie hatte ihr versprochen, die Angelegenheit mit ihm zu regeln, wenn der Zeitpunkt gekommen war. Wahrscheinlich würde er erst in ein paar Monaten wieder nach Hause kommen, und bis dahin war der Schatz bestimmt längst gefunden. Das hoffte Layla zumindest. Sehr sogar. Denn ihr Ruf an der Universität stand auf dem Spiel. Sie hatte sich für dieses Projekt weit aus dem Fenster gelehnt, und von Erfolg oder Misserfolg hing es ab, ob sie auf eine dauerhafte Anstellung als Professorin hoffen durfte.

Sie hatte schon an mehreren Ausgrabungen teilgenommen, aber dies war die erste, die sie selbst leitete. Die Universität hatte ihr zwar weniger Gelder bewilligt als erhofft, aber sie war fest entschlossen, das Beste daraus zu machen. Der Fachbereichsleiter Dr. Clayburn war nicht unbedingt auf ihrer Seite; er hätte lieber ein anderes Projekt finanziert. Zum Glück war er gerade außer Landes gewesen, als das Gremium über die Verwendung der Gelder entschieden hatte.

Mit diesem Projekt würde sie endlich beweisen können, dass sie eine erstklassige Archäologin war. Wenn ihre Vermutungen stimmten – und davon war sie fest überzeugt –, würde sie die erste Wissenschaftlerin sein, die einen von Jesse James’ Schätzen hob.

„Ich habe jetzt alle Bewilligungen beisammen“, sagte Layla stolz. „Die Teammitglieder sind informiert und werden in einer Woche eintreffen.“ Es handelte sich um Studenten von der Universität, die meisten aus ihren Kursen, einige aber auch aus den Kursen von Dr. Clayburn. Sie hatte mit jedem Einzelnen von ihnen gesprochen, und genau wie sie konnten sie den Beginn der Grabungen kaum noch erwarten.

„Sie sind bestimmt schon mächtig aufgeregt.“

„Oh ja, und wie. Die Ausrüstung sollte am Montag eintreffen. Ich kann mich nur nochmals bedanken, dass Sie den Grabungen zugestimmt haben.“

„Ihre Voruntersuchungen haben mich überzeugt. Es ist ja historisch belegt, dass Jesse James und seine Bande in Tinsel eine Bank ausgeraubt haben und in Richtung Ost-Missouri ritten, bevor sie dann vor dem Sheriff und seinen Männern in Richtung Süden geflohen sind. Und ich glaube, Sie haben mit Ihrer Theorie recht. Wenn man bedenkt, dass die Pferde durch die Last der schweren Goldbarren nicht so schnell laufen konnten, ergibt es durchaus Sinn, dass die Bande sich irgendwo hier in der Gegend zur Rast versteckt hat, bevor sie dann gewagt haben, weiter nach Osten zu reiten. Und es ist durchaus naheliegend, dass die Banditen einen Teil ihrer schweren Beute hier versteckt haben, bevor sie sich der Staatsgrenze näherten. Das alles erscheint mir völlig folgerichtig.“

Layla lächelte stolz und dankbar. Längst nicht alle folgten ihren Theorien; etliche Skeptiker unterstellten ihr, sie, die junge und noch recht unerfahrene Wissenschaftlerin, würde einem Phantom nachjagen. Man hatte ihr sogar vorgeworfen, sie würde mit diesem Projekt Universitätsgelder verschwenden.

In diesem Moment hörte man, wie draußen ein Auto hielt.

Miss Melody blickte zur Küchenuhr hoch. „Es ist noch nicht mal Mittag. Wer kann das wohl sein?“

Die alte Dame erhob sich vom Tisch, ging zum Fenster und blickte hinaus. Als sie sich wieder umwandte, strahlte sie übers ganze Gesicht. „Es ist Gavin“, sagte sie überglücklich. „Er wollte mich bestimmt mit seinem Besuch überraschen.“

Gavin griff nach seiner Reisetasche und schlug die Autotür zu. Als er sich dem Haupthaus zuwandte, sah er, dass vor dem Gästehaus ein Wagen geparkt war. Hatte seine Großmutter dieser komischen Professorin vielleicht sogar angeboten, auf der Ranch zu wohnen? Das war eindeutig zu viel des Guten! Wenn es nach ihm ging – und das tat es! –, würde diese Universitätstante ganz schnell wieder ihre Sachen packen!

Voller Wehmut dachte er an die hübsche Barkeeperin aus Mississippi, der er gezwungenermaßen abgesagt hatte. Wie gern hätte er jetzt in ihren Armen gelegen! Immerhin hatte sie die Absage gefasst aufgenommen, weil er ihr versprochen hatte, das Date so schnell wie möglich nachzuholen.

Genießerisch sog er die reine Landluft ein. Die Ranch war sein Zuhause, und er liebte sie so sehr! Sein Nebenjob als Rancher bedeutete ihm fast genauso viel wie sein Hauptberuf als Navy SEAL.

Nur gut, dass Caldwell sich während meiner Abwesenheit so kompetent um alles kümmert, dachte Gavin. Auch der Vormann war gewissermaßen mit der Ranch verwachsen. Schon sein Vater hatte hier gearbeitet.

Gavin würde die Zeit seiner Anwesenheit nutzen und sich um die Ranch kümmern. Er würde wieder auf seinem treuen Pferd Acer sitzen und Caldwell und den anderen Männern mit der Viehherde helfen. Außerdem würde er mit Phil Vinson, der für die Buchhaltung zuständig war, die Abrechnungen durchgehen.

Zuallererst aber musste er mit seiner Großmutter über diese Grabungen reden! Er hoffte, die ganze Angelegenheit innerhalb einer Woche klären zu können. Denn anschließend würde es ihn nach Mississippi ziehen, in die Arme einer gewissen verführerischen Barkeeperin …

Kaum hatte er die vordere Terrasse des Haupthauses betreten, sprang die Haustür auf, und seine Großmutter lief ihm entgegen und nahm ihn stürmisch in die Arme. Obwohl sie klein und zierlich war, presste sie ihn so fest an sich, dass es ihm fast den Atem raubte. Wie er diese Frau liebte! Sie war für ihn dagewesen, als seine Mutter urplötzlich verschwunden war. Sie hatte ihm Halt gegeben, als er vor sechzehn Jahren seinen Vater zu Grabe hatte tragen müssen. Ja, für ihn war sie wie ein Fels in der Brandung, die einzige wirkliche Konstante in seinem Leben. Gerade deshalb wollte er immer dafür sorgen, dass niemand ihr etwas Böses antat, niemand sie ausnutzte.

„Das nenne ich eine Überraschung, Junge“, sagte Melody überglücklich und strahlte ihn an. „Ich hatte überhaupt nicht mit dir gerechnet. Ist bei deinem letzten Auftrag alles gut gelaufen?“

Gavin musste lächeln. Sie fragte ihn das jedes Mal, wenn er nach Hause kam, obwohl sie ganz genau wusste, dass seine Missionen der Geheimhaltung unterlagen und er ihr nichts darüber berichten durfte. „Ja, war alles bestens, Grandma Mel. Ich bin so überraschend nach Hause gekommen, weil wir beide dringend …“

In diesem Moment sah er, wie im Türrahmen eine junge Frau auftauchte. Nicht irgendeine junge Frau – sondern die verführerischste, faszinierendste Frau, die er je gesehen hatte! War sie echt – oder war sie nur eine Erscheinung aus seinen schönsten Träumen?

Seine Großmutter bemerkte, dass er plötzlich völlig abgelenkt war, wandte sich um und lächelte die junge Frau an. „Kommen Sie doch näher, Layla. Ich möchte Ihnen meinen Enkel vorstellen.“

Wer mag diese Layla sein, schoss es ihm durch den Kopf. Vielleicht war sie ja die Enkelin einer von Grandmas Freundinnen aus dem Kirchenkreis, die hier zu Besuch ist?

Die junge Frau lächelte ihn an. Er lächelte zurück und reichte ihr die Hand. „Hallo. Ich bin Gavin.“

Als sich ihre Hände berührten, durchzuckte es ihn wie ein Blitzschlag. Ja, zwischen ihnen knisterte es eindeutig! Auch sie spürte es, wie ihm ein Blick in ihre Augen verriet.

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Gavin“, erwiderte sie. „Wie Sie ja schon gehört haben, ist mein Name Layla. Layla Harris.“

Harris? Hatte Nachbar Lott ihm nicht gesagt, die Professorin hieße Harris? War dieses bezaubernde Geschöpf vielleicht die Tochter der Wissenschaftlerin und half bei den Grabungsarbeiten? Er würde seine Großmutter ganz genau über sie ausquetschen …

Behutsam löste sie ihre Hand aus seiner. Er war wie erstarrt und hätte sie wahrscheinlich noch minutenlang so festgehalten. Sie wandte sich an seine Großmutter: „Vielen Dank für die Kekse, Miss Melody. Ich muss jetzt noch mal kurz in die Stadt fahren und ein paar Sachen besorgen. Soll ich Ihnen etwas mitbringen?“

„Nicht nötig, vielen Dank. Ich habe noch alles, was ich brauche.“

Layla nickte. „Okay. In ein paar Stunden bin ich zurück.“

„Lassen Sie sich ruhig Zeit!“

Sie lächelte Gavin noch einmal zu, dann ging sie zu ihrem Wagen hinüber, stieg ein und fuhr ab. Er sah ihr wortlos nach. Selbst als der Wagen schon am Horizont verschwunden war, blickte er immer noch in ihre Richtung.

„Hey, Junge, was ist los?“, fragte seine Großmutter. „Träumst du?“

„Was? Ach, so. Nein, nein, ich war nur kurz in Gedanken.“

„In dem Moment, als Layla auftauchte, war ich für dich Luft. Das enttäuscht mich ein bisschen, mein Junge.“

Miss Mel lächelte verschmitzt. Sie hatte die Ermahnung nicht ernst gemeint.

Gavin grinste. „Was soll ich sagen, Grandma? Die junge Lady sieht verflixt gut aus.“

„Ja, das lässt sich nicht leugnen. Jetzt komm mit rein. Gerade heute Morgen habe ich frische Schokoladenkekse gebacken.“

Sie betraten die Küche. „Geht es deinen Kameraden gut?“, fragte Miss Mel. „Eure Mission hat über zwei Monate gedauert …“

„Ja, alle sind heil herausgekommen und haben jetzt Heimaturlaub. Bane und seine Frau wollen in ein paar Wochen ihr Ehegelübde erneuern, und ich bin auf die Hochzeitsfeier eingeladen. Auch Coop geht es wieder gut. Es war seine erste Mission nach seiner Rettung, und er ist wieder wie neugeboren.“

Das war eigentlich schon mehr, als Gavin verraten durfte. Aber seine Großmutter kannte ja auch die ganze Vorgeschichte. Im vergangenen Jahr hatten alle annehmen müssen, dass Coop im Einsatz gefallen war. Das gesamte Team war schwer betroffen gewesen. Dann, kurz vor Weihnachten, hatte sich herausgestellt, dass Coop noch am Leben war und in der Bergwelt Syriens als Geisel gefangen gehalten wurde. Gavin und sein Team waren losgeschickt worden, um Coop und einige andere Geiseln zu befreien.

„Bane war auch zum ersten Mal wieder mit dabei, nicht wahr?“

Vergaß seine Großmutter denn nie etwas? Bane, der Meister-Scharfschütze, war für ein halbes Jahr nach Washington abbestellt worden, um Navy-SEAL-Anwärter zu trainieren. „Ja, stimmt. Wir waren alle froh, dass er zurück war. Ach so, bevor ich’s vergesse: Nächste Woche muss ich nach Mississippi. Ich habe dort etwas Wichtiges zu erledigen.“ Dass es sich dabei um ein Date – und hoffentlich mehr – mit einer Frau handelte, brauchte seine Großmutter nicht zu wissen.

Nachdem er sich ein paar Kekse hatte schmecken lassen, rückte Gavin endlich mit dem wahren Grund für seinen Besuch heraus. „Sag mal, Grandma, diese Sache mit den Ausgrabungen auf unserem Land …“

Grandma Mel zog eine Augenbraue in die Höhe. „Woher weißt du denn davon?“

„Sherman Lott hat mich angerufen. Er war der Meinung, ich sollte es wissen.“

„Und ich bin der Meinung, er sollte sich um seinen eigenen Kram kümmern.“

Nachdenklich blickte Gavin seine Großmutter an. „Eigentlich hätte Caldwell mich informieren müssen, finde ich. Es gehört zu seinem Job, mich über alles, was die Ranch betrifft, auf dem Laufenden zu halten. Er hat es nicht getan, weil er offenbar glaubt, damit wäre er dir gegenüber illoyal. Und wir wissen ja beide, wie viel du ihm bedeutest.“

Seine Großmutter schwieg betreten und blickte in ihre Kaffeetasse, als ob dort ein Geheimnis verborgen wäre. Dabei wusste Gavin schon seit Jahren, dass Miss Mel und der alte Vormann ein überaus enges Verhältnis hatten. Sie waren viel mehr als Chefin und Angestellter. Nicht, dass er etwas dagegen gehabt hätte. Er wollte, dass die beiden Menschen, die ihm am meisten auf der Welt bedeuteten, glücklich waren. Eines Tages würden sie sich vielleicht zu ihrer engen Beziehung bekennen. Doch bis dahin war es ihre Sache, was sie taten oder ließen.

„Caldwell hätte es dir gesagt, wenn er es für wichtig gehalten hätte“, murmelte seine Großmutter schließlich.

„Na schön.“ Er nippte an seinem Kaffee. „Und, wie sieht es jetzt aus? Hast du dieser Frau die Genehmigung für die Ausgrabungen erteilt?“

Sie lehnte sich in ihren Stuhl zurück. „Ja, habe ich. Und ich denke, das ist völlig in Ordnung.“

„Genau das finde ich nicht. Du hast dieser Professorin doch nicht wirklich diese Fantastereien über den Schatz von Jesse James abgekauft?“

„Ich habe ihr Thesenpapier gelesen, und es hat mich überzeugt. Willst du es auch lesen?“

„Brauche ich nicht. Das Ganze ist Unsinn. Es gibt auf unserem Land keinen vergrabenen Schatz, und ich will nicht, dass hier ohne Grund herumgebuddelt wird.“

Seine Großmutter beugte sich vor. „Das spielt keine Rolle mehr. Ich habe Layla schon die Erlaubnis gegeben. Sie sagt, die Ausrüstung wird in ein paar Tagen eintreffen.“

„Moment, langsam“, sagte er verwirrt. „Warum hast du Layla die Erlaubnis gegeben? Das Projekt wird doch von ihrer Mutter geleitet, oder?“

„Ihre Mutter? Die kenne ich nicht. Layla ist die Projektleiterin. Dr. Layla Harris.“

Gavin machte große Augen. „Layla ist die Professorin?“

„Ja, und eine sehr gute, soweit ich das beurteilen kann.“

Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Dieses Küken? Professorin?“

„Sie ist sechsundzwanzig. Aber du hast schon recht, sie wirkt jünger.“

Sechsundzwanzig? Sie sah wirklich jünger aus. Und superheiß obendrein! Aber dass sie sich so bei seiner Großmutter eingeschmeichelt hatte …

„Gut, vielleicht hast du ihr die Erlaubnis gegeben. Aber ich nicht. Und bei einer so wichtigen Sache müssen wir beide zustimmen.“

„Müssen wir nicht. Du weißt doch, was wir abgemacht haben. Wenn du auf einer militärischen Mission bist, habe ich das Recht zu entscheiden. So, wie es für die Silver Spurs Ranch am besten ist.“

„Genau. Wie es für die Ranch am besten ist. Hässliche Löcher auf unserem schönen Land schließt das bestimmt nicht mit ein.“

„Löcher kann man wieder zuschaufeln. Ich bin gespannt, was Layla ausgraben wird. Und damit du’s gleich weißt: Ich habe ihr auch erlaubt, im Gästehaus zu wohnen.“

Gavin mahlte mit den Zähnen. Das hatte er sich doch schon fast gedacht. Diese Layla hatte seine Großmutter wirklich völlig eingewickelt. Und jetzt beharrte die alte Dame starrsinnig auf ihrer Meinung. Aber auch er konnte stur sein.

Er trank seinen Kaffee aus und erhob sich. „Ich brauche jetzt erst mal ein bisschen Schlaf. Die Reise war lang, und die Tage davor waren auch kein Picknick. Aber die Sache ist noch nicht abgehakt, Grandma. Ich schlage vor, du sagst dieser Layla Harris, sie soll ihre Ausrüstung lieber noch nicht auf die Ranch bringen lassen.“

Ohne ein weiteres Wort verließ er die Küche.

2. KAPITEL

Irritiert steuerte Layla ihren Wagen an den Straßenrand. Sie musste eine kleine Pause einlegen, denn sie konnte sich einfach nicht aufs Fahren konzentrieren.

Was hatte dieser Gavin Blake nur mit ihr gemacht? Sie hatte ihn ja schon auf Fotos gesehen und war beeindruckt von diesem gutaussehenden Mann gewesen. Aber jetzt, nachdem sie ihn persönlich getroffen hatte, war sie wie verzaubert. Oder wie verhext? Fest stand: Ihre Gedanken kreisten nur noch um ihn.

So kannte sie sich gar nicht. Sie war ein rationaler Mensch, eine Wissenschaftlerin, sachlich, kühl, rational. Auf Männer, auf Sex, hatte sie bisher verzichten können. Aber jetzt war sie wie elektrisiert. Ihre Hormone spielten verrückt, und sie wollte nur noch eines: Diesem Mann näherkommen, ihn nackt sehen, über seinen Brustkorb streichen, mit ihm …

Reiß dich zusammen, Layla, ermahnte sie sich. Du hast hier einen Job zu erledigen. Einen Job, von dem deine berufliche Zukunft abhängt. Sicher, Gavin Blake hatte sie durchaus wohlwollend gemustert und sie angelächelt. Aber das tat er mit anderen Frauen garantiert auch. Schließlich hatte sie gehört, dass er bei der Damenwelt sehr beliebt war.

Nein, sich auf Gavin Blake einzulassen wäre sehr töricht. Auch wenn ihr Körper ihr etwas anderes signalisierte.

Plötzlich erinnerte sie sich daran, dass Miss Melody einmal erwähnt hatte, ihr Enkel könnte möglicherweise gegen die Ausgrabungen auf der Ranch sein. Zwar hatte Layla bereits die Erlaubnis der alten Dame – aber was war, wenn Gavin sich jetzt querstellte? Das ganze Projekt könnte scheitern, und das wäre eine Katastrophe für sie!

Vielleicht sollte sie die Angelegenheit mit Gavin Blake besprechen. Sie würde ihm alles genau darlegen, wie sie es auch schon bei seiner Großmutter getan hatte. Als vernünftiger Mensch würde er dann keine Einwände mehr haben. Es ging ja nur um ein eng begrenztes Gebiet. Sie wollte schließlich nicht seine gesamte Ranch umgraben!

Ja, sie würde mit ihm reden – aber erst nachdem sie noch einmal mit Miss Melody Rücksprache gehalten hatte. Sie konnte nur hoffen, dass sie in seiner Gegenwart nicht völlig dahinschmolz …

Gavin öffnete die Augen und war sofort hellwach, im Kampfmodus. Erst nach einigen Sekunden dämmerte ihm, dass er ja zurück in Amerika war – und nicht auf Einsatz in einem fremden Land, wo man vierundzwanzig Stunden am Tag wachsam sein musste. Er kannte das schon; es dauerte immer einige Tage, bis er sich wieder an das Leben als Rancher gewöhnt hatte.

Ein Blick auf die Wanduhr verriet ihm, dass es zehn Uhr abends war. Er hatte tatsächlich fast neun Stunden durchgeschlafen! Noch immer vernahm er das Geräusch, das ihn geweckt hatte. Spielte da jemand Mundharmonika? Es war sehr leise, aber sein scharfes Gehör nahm es deutlich wahr. Seine Kameraden zogen ihn oft damit auf, dass er Ohren wie ein Luchs hatte.

Nicht immer war er froh über diese Gabe. Denn nicht alles, was er mitbekam, wollte er auch tatsächlich hören. Er erinnerte sich zum Beispiel lebhaft an einen Vorfall im Kriegsgebiet, als sein Freund Mac nachts außerhalb des Kasernengebäudes heimlich mit seiner Frau telefoniert hatte – und ihr in deutlichen Worten verriet, wie er sie nach seiner Rückkehr im Bett zu verwöhnen gedachte. Das war heißer Telefonsex gewesen, und Gavin hatte ihn unfreiwillig mit anhören müssen. Es hatte ihn ganz schön scharf gemacht! In diesem Moment hatte er sich gewünscht, auch eine Ehefrau oder eine feste Partnerin zu haben. Stattdessen besaß er ein kleines schwarzes Notizbuch mit den Namen und Telefonnummern vieler williger junger Frauen …

Noch immer hörte Gavin die Mundharmonika-Melodie. Klingt gar nicht schlecht, dachte er. Er stand auf, ging zum Fenster und zog die Gardine beiseite. Im Gästehaus brannte Licht. Wahrscheinlich kamen die Töne von dort. Wenn die junge Professorin sich dort immer noch so wohlfühlte, dass sie sogar Hausmusik machte, hatte seine Großmutter offenbar noch nicht mit ihr über seine Sicht der Dinge gesprochen.

Wahrscheinlich war es das Beste, wenn er das selbst in die Hand nahm. Und warum damit warten? Trotz der späten Stunde zog er sich an und ging zur Tür.

Layla legte die Mundharmonika beiseite. Es entspannte sie immer, darauf zu spielen. Ihr Großvater hatte es ihr beigebracht. Lebhaft erinnerte sie sich noch an die Sommerabende, an denen sie mit ihm zusammen auf der Veranda des Hauses in New Orleans gesessen und er ihr etwas vorgespielt hatte. Sie war eine gelehrige Schülerin gewesen, und vor zehn Jahren auf dem Sterbebett hatte er sie gebeten, auf seiner Beerdigung etwas auf der Mundharmonika zu spielen. Das hatte sie auch gemacht, mit Tränen in den Augen.

Versonnen sah sie sich im Wohnzimmer des Gästehauses um. Nach Ranchermaßstäben war der Holzbau nicht besonders groß – für sie als Städterin hingegen schon. Viel größer als ihr Apartment in Seattle. Und vor allem konnte sie hier auf der Mundharmonika spielen, ohne befürchten zu müssen, dass sie die Nachbarn störte.

Sie wollte gerade ins Schlafzimmer gehen, als es plötzlich an der Tür klopfte. Wer konnte das so spät noch sein? Miss Melody ging doch immer früh zu Bett, das wusste sie.

Layla ging zur Haustür und fragte unsicher: „Wer ist da?“

„Gavin. Gavin Blake.“

Einerseits war sie erschrocken, andererseits freudig erregt. Doch ihr war bewusst, dass dieser späte Besuch eigentlich nichts Gutes zu bedeuten haben konnte.

Zögernd öffnete sie die Tür. Er stand da, beeindruckend groß, gekleidet wie heute Vormittag: Jeans, T-Shirt, Westernstiefel. Obwohl es draußen schon kalt war, trug er nicht einmal eine Jacke. Er sah verboten gut aus, besser als jedes männliche Model, und sie konnte nur dastehen und ihn ansehen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.

„Oh, das ist eine Überraschung. Ich hoffe, mit Miss Melody ist alles in Ordnung …?“

„Ja, natürlich. Warum denn nicht?“

Layla seufzte auf. „Ich wüsste sonst keinen Grund, warum Sie so spät abends plötzlich hier auftauchen sollten …“

Plötzlich wusste er selbst keinen Grund mehr. Die Aussprache wegen der Grabungen hätte doch wirklich bis morgen früh Zeit gehabt! War er nur gekommen, weil er sie ansehen, weil er sie unbedingt wiedersehen wollte?

Verunsichert blickte er zu Boden. „Ich … ich habe gehört, wie Sie Mundharmonika gespielt haben.“

„Oh, tut mir furchtbar leid, wenn ich Sie aus dem Schlaf gerissen habe. Ich dachte nicht, dass man es im Haupthaus hören würde.“

„Es ist nicht Ihre Schuld. Sie spielen übrigens sehr gut.“

„Und Sie sind gekommen, um mir das zu sagen?“

„Nein, natürlich nicht. Ich habe etwas mit Ihnen zu besprechen. Darf ich kurz reinkommen?“

Komisch, dass er fragte. Es war ja sein Haus, und sie war nur eine Besucherin. Miss Melody hatte ihr erzählt, dass Gavin und einige seiner Kameraden von den Navy SEALs das Gästehaus vor ein paar Jahren auf dem Gelände der Ranch erbaut hatten, um auf Heimaturlaub kräftig feiern zu können, ohne sie zu stören.

„Ob Sie reinkommen dürfen? Natürlich. Es ist doch Ihr Haus!“

„Schon. Aber Sie sind Gast meiner Großmutter.“

Wollte er damit ausdrücken, dass sie nicht sein Gast war? Dass sie ihm herzlich unwillkommen war?

Sie betraten das Wohnzimmer. „Möchten Sie etwas trinken?“, fragte Layla. „Im Kühlschrank ist jede Menge Bier.“

Gavin schmunzelte. „Ich weiß. Ja, ich nehme ein Bier.“

„Kommt sofort.“

Sekunden später war sie mit einer geöffneten Flasche zurück. „Hier, bitte schön!“ Sie lachte nervös auf. „Das ist irgendwie komisch.“

„Was denn?“

„Na, dass ich Ihnen Ihr eigenes Bier anbiete.“

„Schon in Ordnung. Im Moment ist es ja Ihr Heim. Schließlich sind Sie Gast meiner Großmutter.“

Jetzt betonte er das schon zum zweiten Mal!

Er setzte die Flasche an die Lippen und trank. Anschließend sah er sie durchdringend an. „Wollen Sie auch einen Schluck?“

Sie holte tief Luft. Bot er ihr tatsächlich an, aus seiner Flasche zu trinken? Das kam ihr viel zu, nun ja, intim vor. Aber ihm offenbar nicht. Irgendwie erregte sie der Gedanke …

Vielleicht sollte sie es darauf ankommen lassen und einen Schluck nehmen. Andererseits würde sie ihn dadurch möglicherweise zu weiteren Vertraulichkeiten ermutigen. Und eine Affäre kam für sie im Moment wirklich nicht infrage. Sie musste sich auf ihr Projekt konzentrieren. „Nein danke. Ich habe vorhin schon ein Bier getrunken, und das genügt mir.“

Er kommentierte ihre Ablehnung nicht weiter, sondern nickte nur und trank dann den restlichen Inhalt der Flasche in einem Zug aus. Eine normale, alltägliche Handlung, aber sie sah ihm fasziniert dabei zu. Was erregte sie nur so an einem Mann, der Bier trank?

„Möchten Sie noch eins?“, fragte sie unsicher.

Er lächelte sie an. „Nein, danke, eines reicht.“

„Eigentlich sehen Sie aus, als könnten Sie eine Menge vertragen. Bei Ihrer Statur …“

„Stimmt schon, aber deshalb bin ich nicht hier.“

Sie spürte, jetzt wurde es ernst. Es hatte keinen Zweck, weiter um den heißen Brei herumzureden. „Ja, Sie wollten etwas mit mir besprechen. Gibt es irgendwelche Probleme?“

„Wer hat Ihnen beigebracht, so gut Mundharmonika zu spielen?“

Die Frage verwirrte Layla. Sie hatte gedacht, er würde sofort zur Sache kommen! „Oh, das habe ich von meinem Großvater gelernt. Er war einer der besten Mundharmonikaspieler überhaupt. Jedenfalls nach Meinung der meisten Experten.“

„Und wer war Ihr Großvater?“

„Chip Harris.“

Überrascht sah Gavin sie an. „Tatsächlich? Der Chip Harris?“

Sie nickte. „Ja“, erwiderte sie bescheiden. Nicht viele Menschen wussten, dass sie einen so berühmten Großvater hatte. Sie prahlte nicht damit, obwohl sie stolz auf seinen Erfolg war. Er war ein begnadeter Musiker gewesen. Doch vor allem war er ihr ein wunderbarer Großvater gewesen. Ihre Großeltern hatten ihr so etwas wie eine heile Welt beschert, was man von ihren Eltern nicht behaupten konnte.

„Ach so“, sagte Gavin kalt. „Das erklärt einiges.“

„Ich verstehe nicht …“

„So haben Sie meine Großmutter herumgekriegt. Sie haben herausbekommen, dass sie ein Fan von Chip Harris ist, und haben Ihre Verwandtschaft mit ihm benutzt, um sich bei ihr einzuschleimen. So konnte sie Ihnen nichts abschlagen. Sehr clever, wirklich!“

„Was fällt Ihnen ein?“, schrie sie ihn empört an. „So eine Unverschämtheit! Wie können Sie mir etwas so Unmoralisches unterstellen? Na schön, Sie kennen mich nicht, aber Sie kennen Ihre Großmutter. Glauben Sie wirklich, sie ist so dumm, dass man sie so leicht einwickeln könnte?“

Mit großen Augen verfolgte Gavin ihren Wutausbruch.

„Nur damit Sie es wissen“, fuhr Lalyla wütend fort, „ich habe meine Verwandtschaft zu Chip Harris mit keinem Wort erwähnt! Ganz abgesehen davon, dass ich doch überhaupt nicht wissen konnte, dass sie ein Fan meines Großvaters ist. Nein, Ihre Großmutter hat sich in das Ausgrabungsprojekt eingearbeitet, lange darüber nachgedacht – und erst dann ihre Zustimmung gegeben. Rein auf Basis der Fakten!“

Es erstaunte ihn, wie schnell die junge Frau vor Wut an die Decke gehen konnte. Doch er musste ihr sogar recht geben. Er hatte ihr unterstellt, seine Großmutter auf charakterlose Art und Weise manipuliert zu haben. Das war unfair gewesen. „Tut mir leid. Ich hätte das nicht sagen dürfen.“

„Haben Sie aber. Aber entschuldigen Sie sich lieber bei Ihrer Großmutter. Sie ist eine hochintelligente Frau, und Sie tun so, als würde sie sich von jedem dahergelaufenen Betrüger einwickeln lassen. Als wäre sie dumm und übermäßig vertrauensselig. Damit tun Sie ihr bitter unrecht.“

Gavin sah sie beschämt an. „Ich hätte heute Abend nicht herkommen sollen“, sagte er leise.

„Nein, das hätten Sie wirklich nicht. Jedenfalls nicht, wenn Sie nur so einen haarsträubenden Quatsch daherreden. Für so etwas habe ich keine Zeit.“

Das ging ihm nun doch ein bisschen zu weit. „Ganz langsam, junge Lady. Finden Sie nicht, dass ich das Recht habe, Ihr Projekt ein wenig kritisch zu betrachten?“

Herausfordernd trat sie auf ihn zu. „Doch, natürlich. Aber Sie haben nicht das Recht, meine Integrität infrage zu stellen. Mir zu unterstellen, ich sei ein schlechter Mensch, der andere manipuliert und ausnutzt, ist einfach eine Frechheit. Das nehme ich Ihnen übel.“

Er hielt ihrem Blick stand. „Na schön, aber Sie müssen wenigstens zugeben, dass diese Theorie vom vergrabenen Schatz ziemlich weit hergeholt ist.“

„Hören Sie, ich habe fünf Jahre über das Leben von Jesse James geforscht. Nicht zuletzt über diesen Bankraub in Tinsel. Deshalb bin ich hier. Weil ich überzeugt bin von meiner Theorie. Erweisen Sie mir den gleichen Respekt wie Ihre Großmutter und lesen Sie meine Ausführungen. Das sollte Sie überzeugen.“

„Das brauche ich nicht zu lesen. Ich weiß auch so, dass es Unsinn ist.“

Verärgert stampfte Layla mit dem Fuß auf. „Verflixt, warum sind Sie nur so halsstarrig?“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich bin nicht halsstarrig. Ich bin nur Realist.“

„Na schön, Gavin, was wollen Sie? Sie glauben ja offenbar, ich hätte Ihre Großmutter hinters Licht geführt. Und obendrein bin ich eine Irre auf der Suche nach einem nicht existenten Schatz. Wollen Sie, dass ich gehe, ist es das? Wollen Sie die Erlaubnis Ihrer Großmutter widerrufen?“

Schweigend sah er sie an. Und sie erkannte, dass er genau das wollte.

„Also gut“, sagte sie resigniert. „Ich reise gleich morgen früh ab.“

Sie wandte sich ab, aber plötzlich ergriff er sie am Arm. Bei seiner Berührung durchrieselte es sie heiß. Sie brachte es nicht über sich, sich aus seinem Griff zu lösen. Doch er ließ sie los und strich ihr dann sanft über den Arm.

„Was … was machen Sie da?“, fragte sie angespannt. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.

Ihre Blicke trafen sich. Sosehr sie es auch versuchte, sie konnte den Blickkontakt nicht lösen. Wie konnte ein Mann nur eine so magische Anziehungskraft auf sie ausüben? Sie war nicht mehr die kühle, überlegte Wissenschaftlerin, sie verspürte ihm gegenüber eine geradezu archaische Anziehungskraft.

Eigentlich war sie wütend auf diesen Mann. Und auch wütend auf sich, weil sie so auf ihn reagierte. Er hatte ihre Pläne zunichte gemacht. Seinetwegen würde sie das Projekt abbrechen und sich vor der Universitätsleitung rechtfertigen müssen. Dennoch – trotz alldem fühlte sie sich unwiderstehlich zu ihm hingezogen.

„Was ich mache?“, fragte er. „Ich berühre Sie.“

Das sollte er nicht, das war falsch. Aber warum wehrte sie ihn dann nicht ab? Und warum verspürte sie so ein leichtes, schwebendes Gefühl im Bauch? So ein Ziehen und Kribbeln zwischen den Beinen? Und warum stand sie immer noch einfach nur da, auch jetzt, wo er mit seinen Lippen ihre berührte?

Lalyla wehrte ihn immer noch nicht ab. Nein, sie schmiegte sich an ihn.

Der Kuss ließ sie alles vergessen. Selbst die Tatsache, dass er sie von seiner Ranch vertreiben wollte. Sie spürte seine Zunge in ihrem Mund und stöhnte leise auf.

Doch auch das warme, berauschende Wohlgefühl konnte ihren wachen Verstand nicht vollständig unterdrücken. Was sich hier zwischen ihnen einen Weg bahnte, war die pure Lust. Und sie führte normalerweise zu Sex. Wenn das sein Plan war, konnte er ihn vergessen. Sie würde sich nicht mit einem Mann einlassen, der ihre wissenschaftliche Arbeit nicht ernst nahm!

Entschlossen löste sie ihre Lippen von seinen und trat einen Schritt zurück. „Wie gesagt, morgen früh reise ich ab.“ Sie schob ihn in Richtung Tür.

Bevor sie die Tür öffnete, sah sie ihn noch einmal an. Gavin betrachtete sie, als ob er krampfhaft versuchte, aus ihrem Verhalten schlau zu werden.

Dabei war eigentlich er das große Rätsel! Sie war ja kein Teenager mehr, doch so etwas wie ihn hatte sie noch nie erlebt. Er löste ein Begehren in ihr aus, wie sie es noch nie gekannt hatte. Und ein Blick auf die unübersehbare Wölbung in seiner Hose verriet ihr, dass es ihm genauso ging.

„Bei dieser Angelegenheit muss Sex aus dem Spiel bleiben“, sagte sie.

Schweigend sah er sie an. Dann ergriff er ihre Hand, und unwillkürlich durchströmte sie ein warmes Glücksgefühl. Sie versuchte dagegen anzukämpfen.

„Ich weiß nicht, wie es bei dir ist“, murmelte er, „aber ich kann bei dieser Sache den Sex nicht aus dem Spiel lassen. Und du weißt, warum. Ob es uns gefällt oder nicht – zwischen uns gibt es eine gewaltige sexuelle Anziehungskraft. Ich habe es gleich heute Morgen gespürt, und wenn du sagst, bei dir war es nicht so, lügst du. Du kannst tausendmal so tun, als wäre da nichts – in Wahrheit begehrst du mich genauso sehr wie ich dich.“

Würde sie es zugeben? Nein, auf keinen Fall. Obwohl er körperliche Bedürfnisse in ihr geweckt hatte, die sie viel zu lange unterdrückt hatte. Aber sie würde nicht mit ihm schlafen, unter keinen Umständen. Außerdem – hatte er sie nicht gerade von seiner Ranch geworfen?

„Eigentlich möchte ich nur mein Projekt durchführen, Gavin“, sagte sie leise. „Das ist ungeheuer wichtig für mich.“

„Warum? Damit du mir beweisen kannst, dass ich unrecht habe?“

„Nein. Weil ich mir – und auch meinen Wissenschaftskollegen – beweisen muss, dass ich recht habe. Das ist ein Unterschied, aber ich erwarte nicht, dass du das verstehst.“

Oh doch, er verstand es. Auch er hatte früher das Bedürfnis verspürt, sich zu beweisen. Zu zeigen, dass er etwas wert war. Schon sein Vater und sein Großvater waren Elitesoldaten gewesen, sein Vater war sogar bei einer Rettungsaktion gefallen. Ein Kriegsheld.

Beide hatten wie er den Namen Gavin Blake getragen, und am Anfang hatte er den Ruhm von Vater und Großvater als schwere Bürde empfunden, als Verpflichtung. Es hatte lange gedauert, bis er sich davon gelöst und begriffen hatte: Er war er selbst. Und er musste anderen nichts beweisen. Er musste sich höchstens selbst etwas beweisen.

Layla durchlebte zurzeit offenbar Ähnliches. Natürlich war das ihr Problem, nicht seines. Dennoch sagte er: „Verlass die Ranch noch nicht, Layla.“

Überrascht blickte sie ihn an. „Ich soll bleiben? Warum? Du hast dich über meine jahrelangen Forschungsarbeiten lustig gemacht, hast mich beschuldigt, deine Großmutter manipuliert zu haben, und hast mir verboten, auf deinem Land Grabungen durchzuführen. Was hält mich denn noch hier?“

„Du sollst mir beweisen, dass du doch recht hast.“

„Aber das kann ich nur, wenn du mir die Grabungsgenehmigung erteilst, Gavin.“

Layla Harris hatte ihn verzaubert, und er wusste selbst nicht genau, warum. Sicher, sie war wunderschön, aber er hatte schon andere schöne Frauen gekannt. Und sie war intelligent, aber auch in dieser Hinsicht war sie nicht die Einzige. Nein, da gab es noch etwas, etwas in ihrem tiefsten Inneren, das sie verborgen hielt. Und genau das wollte er entdecken.

Natürlich hatte sie recht: Warum sollte sie bleiben, wenn er ihr nicht die Grabungen erlaubte? Grabungen ausgerechnet auf der Südweide, seinem geheimen Rückzugsort, seiner Ruheoase.

Er räusperte sich. „Es ist schon spät. Ich glaube, wir reden lieber morgen weiter.“

„Wird das denn irgendetwas ändern?“

Er war dieser verführerischen Frau so nahe, dass es ihm schwerfiel, einen klaren Gedanken zu fassen. Nur eines wusste er: Er wollte nicht, dass sie morgen abreiste. „Ich kann dir noch nichts versprechen“, sagte er. „Aber heute Abend kann ich keine endgültige Entscheidung mehr treffen. Dafür bin ich noch zu erschöpft.“ Er schob es auf die Anstrengungen der langen Reise, obwohl es in Wirklichkeit das Begehren nach ihr war, das ihn so verwirrte.

„Wirst du dir meine Forschungsunterlagen durchlesen?“

„Wie viele Seiten sind denn das, tausend? Dazu habe ich, ehrlich gesagt, keine Lust. Aber du kannst mir ja die Kurzfassung vortragen, wenn wir uns morgen treffen.“

Sie dachte einen Moment nach. „Okay, einverstanden. Ich bleibe, bis wir unser Gespräch geführt haben.“

„Dann sehen wir uns morgen.“

„Genau. Gute Nacht, Gavin.“

„Gute Nacht, Layla.“

Er öffnete die Tür und trat ins Freie. Inzwischen war es noch kälter geworden.

3. KAPITEL

Als Layla am nächsten Morgen erwachte, stiegen Zweifel in ihr auf. Würde sie in diesem einen Gespräch mit Gavin wirklich das Ruder herumreißen können?

Die Möglichkeit bestand immerhin. Schließlich war sie eine Kämpferin. Sie gab nicht so leicht auf. Über ein Jahr hatte sie gebraucht, bis sie die Universität davon überzeugt hatte, ihr die Grabungen zu finanzieren.

Jetzt konnte wegen Gavin noch alles scheitern. Das würde ihrem Ruf als Historikerin schaden und ihr vermutlich auch die Chancen auf eine dauerhafte Festanstellung an der Universität verbauen. Sie atmete tief durch. Nein, sie musste alles, wirklich alles versuchen, damit er ihr die Grabungen erlaubte. Außer mit ihm zu schlafen, natürlich.

Sie setzte sich im Bett auf und blickte aus dem Fenster. Die saftigen Weiden, die majestätischen Berge – es war einfach wunderschön hier. Gerade weil sie sonst im Zentrum von Seattle wohnte, war es fast wie Urlaub für sie.

Nur dass es eben kein Urlaub war. Sie hatte ein Projekt, das sie unbedingt realisieren wollte. Und sie konnte nur hoffen, dass Gavin es nicht verhinderte.

Gavin.

Er hatte ihr schlimme Dinge unterstellt. Manipulation. Sicher, er hatte sich entschuldigt, aber trotzdem ärgerte es sie immer noch. Dennoch hatte sie es zugelassen, dass er sie küsste. Und dieser Kuss hatte einen bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen!

Eigentlich hatte sie immer gedacht, Küssen sei überbewertet. Doch vielleicht hatte sie – wenn es denn mal vorgekommen war – immer die falschen Männer geküsst. Denn mit Gavin war es geradezu eine Explosion gewesen! Sie hatte vor Erregung am ganzen Körper gezittert. Wenn sie es so Revue passieren ließ, bekam sie schon wieder Lust …

Layla verscheuchte die sehnsüchtigen Gedanken. Nein, die Arbeit hatte in ihrem Leben immer an erster Stelle gestanden, und das sollte auch so bleiben. Deswegen würde sie jetzt auch aufstehen. Und sich innerlich auf das alles entscheidende Gespräch vorbereiten …

Es war schon Nachmittag, als Gavin endlich erwachte. Sein erster Gedanke galt Layla. Der Frau, die er gestern Abend geküsst hatte.

Er hatte gar nicht damit gerechnet, dass sie den Kuss erwidern würde, aber die spröde Wissenschaftlerin hatte überraschend viel Leidenschaft gezeigt. Wie sie wohl im Bett wäre? Wahrscheinlich viel weniger zurückhaltend, als man vermuten würde. Der Gedanke erregte ihn …

Gavin blickte zur Uhr. Er hatte fast den ganzen Tag verschlafen, aber er hatte den Schlaf wirklich gebraucht. Geträumt hatte er auch. Von Layla.

Er wollte sie. Er begehrte sie.

Die Barkeeperin aus Mississippi interessierte ihn schlagartig überhaupt nicht mehr, für ihn gab es nur noch Layla. Er wollte, dass sie auf der Ranch blieb, aber dafür hatte sie keinen Grund, wenn er ihr nicht die Grabungserlaubnis erteilte. Das hieß, er musste sich etwas einfallen lassen.

Sie war zwar faszinierend, doch so ganz wurde er nicht schlau aus ihr. Irgendwie kam sie ihm ziemlich verunsichert vor. Daher auch dieses krampfhafte Bedürfnis, sich zu beweisen. Was mochte dahinterstecken? Wollte er das überhaupt wissen?

Ja, das wollte er, weil diese Frau ihn so sehr interessierte. Die schöne Lady war ganz schön energisch, und das imponierte ihm. Man musste schon viel Kompetenz und Durchsetzungsvermögen haben, um in so jungen Jahren bereits Professorin zu sein. Nein, sie ließ sich eindeutig nicht in die Ecke drängen. Lächelnd dachte er daran, wie sie gesagt hatte, Sex müsse aus dem Spiel bleiben. Das sah er anders. Die sexuelle Anziehungskraft zwischen ihnen war nicht zu leugnen, und diesen Umstand wollte er für sich nutzen.

Er stand auf, um ins Badezimmer zu gehen. Auf dem Weg über den Flur hörte er Stimmen. Offenbar unterhielten Layla und seine Großmutter sich in der Küche. Es schien ein angeregtes Gespräch zu sein, und er hörte Melody unbeschwert lachen.

Gavin konnte verstehen, dass Grandma Mel von Layla so angetan war. Er hatte nie viel darüber nachgedacht, doch wahrscheinlich fühlte sie sich oft einsam hier auf der Ranch, wenn er fort war. Sicher, sie hatte Caldwell, aber eine andere Frau war schon lange nicht mehr auf der Ranch gewesen, seit seine Mutter die Familie verlassen hatte.

Er versuchte den Gedanken an seine Mutter Jamie zu verdrängen, wie er es immer tat. Warum sollte er Gedanken an eine Frau verschwenden, die überhaupt nicht an ihn gedacht hatte? Eines Tages war sie einfach verschwunden gewesen. Nur einen Abschiedsbrief hatte sie hinterlassen, in dem stand, dass sie etwas Abstand brauchte, aber dass sie zurückkehren würde.

Doch sie war nie zurückgekehrt. Gavin hatte das nie verstanden. Wie konnte eine Ehefrau und Mutter einfach ihren Mann und ihren achtjährigen Sohn verlassen, auf Nimmerwiedersehen?

Nein, er wollte nicht mehr über diese Frau nachgrübeln. Er betrat das Badezimmer, um zu duschen. Hoffentlich blieb Layla noch bei seiner Großmutter in der Küche, bis er fertig war. Er musste unbedingt mit ihr reden.

Layla brauchte sich nicht einmal umzudrehen; sie spürte es, als Gavin die Küche betrat, so stark war seine Präsenz. Ihr Herz schlug schneller. Eigentlich hatte sie gehofft, sie würde heute nicht mehr so heftig auf ihn reagieren wie gestern …

„Ich hatte mir schon gedacht, dass der Essensgeruch dich früher oder später aufwecken würde“, sagte Melody Blake und lächelte ihren Enkel an.

„Genau so war’s“, gab er zurück und wandte sich dann an Layla. „Hallo, wie geht’s dir heute?“

Sie konnte den Blick nicht von ihm wenden. Warum musste er nur so verboten gut aussehen? „Oh, mir geht’s gut“, antwortete sie. „Ich hoffe, dir auch.“

„Ich habe dein Essen im Herd warm gestellt“, sagte Miss Melody.

„Danke, Grandma Mel. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich mich nach dem Armeefraß auf dein hausgemachtes Essen gefreut habe.“ Gavin öffnete die Herdklappe.

Mit dem Teller in der Hand setzte er sich an den Küchentisch direkt neben Layla. Wie unabsichtlich berührte sein Oberschenkel ihren.

Das hat er absichtlich gemacht, dachte sie. Hundertprozentig!

Mit dem unschuldigsten Lächeln der Welt fragte er: „Und, wie war dein Tag so?“

Layla biss die Zähne zusammen. Diese Frage war eine einzige Unverschämtheit! Schließlich hatte sie den ganzen Tag auf das verabredete Gespräch mit ihm gewartet! Doch das konnte sie jetzt nicht sagen. Denn sie hatte Miss Melody nichts von Gavins abendlichem Besuch und ihrer Vereinbarung verraten. Also lächelte sie freundlich und antwortete: „Mein Tag war sehr schön, danke der Nachfrage.“

Miss Melody erhob sich. „Ich muss jetzt los, Gavin. Schön, dass wir uns vorher noch gesehen haben.“

Erstaunt sah er sie an. „Wo willst du denn hin, Grandma?“

„Ins Gemeindezentrum. Heute ist doch Bingo-Abend. Viola holt mich ab. Sie müsste jede Minute hier sein.“

Layla erkannte, dass sie gleich mit Gavin allein sein würde. Sie hatten zwar noch einiges zu besprechen, aber es machte sie trotzdem nervös …

„Wir kümmern uns um das Geschirr“, sagte Gavin. „Layla und ich wollten sowieso noch reden.“

Miss Melody blickte erst Layla an, dann ihren Enkel. „Gute Idee!“ Draußen ertönte eine Hupe. Die alte Dame lächelte. „Das ist Viola.“

Melody Blake griff nach ihrer Handtasche und war schon verschwunden.

Gavin widmete seine Aufmerksamkeit nun wieder Layla, die sich inzwischen erhoben hatte und die benutzten Teller in der Spüle aufeinanderstapelte. Er konnte den Blick nicht von ihr lassen, selbst jetzt nicht, als sie ihm den Rücken zuwandte. Wunderbare Kurven hatte sie. Auch ihr Po war sehr sehenswert …

„Ach, übrigens, deine Großmutter hat auch noch Nachtisch vorbereitet“, sagte sie und wandte sich um.

„Was für Nachtisch?“

„Pfirsichauflauf mit Teigkruste. Möchtest du welchen?“

Gavin stand der Sinn nach etwas ganz anderem. Aber solange er das nicht bekam, war eine süße Nachspeise auch nicht schlecht. „Ja, gern. Dann können wir gleichzeitig unser Gespräch führen.“

Layla schien erleichtert zu sein, dass es jetzt endlich stattfinden sollte. Mit zwei gefüllten Tellern setzte sie sich zu ihm an den Tisch. „Wo fangen wir an?“

„Am besten reden wir erst einmal über uns“, sagte er lächelnd.

Sie runzelte die Stirn. „Wir wollten doch über die Ausgrabungen sprechen. Und nicht über dieses – diese Sache zwischen uns.“

„Ich würde sagen, erst klären wir die Sache mit uns. Und dann kommen die Ausgrabungen an die Reihe.“

„Warum?“, fragte sie entnervt. „Ich habe dir doch schon gestern Abend gesagt, dass Sex aus dem Spiel bleiben muss.“

Natürlich hatte sie das gesagt. Aber wie sollte das funktionieren, wenn sie beide doch ganz offensichtlich wild aufeinander waren? „Du bist doch eine intelligente Frau, Layla. Zwar bist du keine Biologin, aber du weißt mit Sicherheit, wie der menschliche Körper funktioniert. Wir alle haben Triebe, Bedürfnisse …“

„Du vielleicht.“

Amüsiert registrierte er, wie sie sich nervös auf die Unterlippe biss. Das Thema war ihr sichtlich peinlich. Wollte oder konnte sie sich nicht eingestehen, dass auch sie sexuelle Bedürfnisse hatte? Ihre Reaktion auf seinen Kuss von gestern Abend hatte doch Bände gesprochen! Er fragte sich, wie viel Erfahrung mit Männern sie überhaupt schon hatte …

„Du willst also sagen, du willst nicht mit mir schlafen?“

Die Frage war taktisch unklug gewesen. Viel zu direkt. Sie stützte sich mit den Händen auf den Tisch und funkelte ihn zornig an. „Lies es von meinen Lippen ab, Gavin Blake. Ich will nicht mit dir schlafen. Ich will überhaupt mit niemandem schlafen, ich will nur mein Projekt durchziehen. Und du hinderst mich daran!“

So kamen sie nicht weiter. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und versuchte einen neuen Ansatz. „Erzähl mir doch ein bisschen über dich, Layla.“

Sie zog eine Augenbraue in die Höhe. Das gefiel ihr gar nicht. Andererseits wollte sie ihn wenigstens ein bisschen bei Laune halten, weil sie immer noch auf seine Erlaubnis zum Graben angewiesen war …

„Also schön. Mit sechzehn war ich mit der Highschool fertig und bin dann sofort aufs College gegangen. Mein erster Abschluss war ein Bachelor in Geschichte, dann kam ein Master-Abschluss in Archäologie. Schließlich dann der Doktortitel sowohl für Geschichte als auch für Archäologie. Doppelt hält besser.“ Sie lächelte zaghaft.

„Und das alles mit sechsundzwanzig Jahren?“

„Ich bin ziemlich fleißig, wenn ich das selbst so sagen darf. Zwischendurch, im Rahmen meines Studiums, habe ich immer wieder an Ausgrabungen teilgenommen. Dies hier ist also nicht mein erstes Projekt.“

„Aber das erste, das du selbst leitest?“

„Ja, stimmt.“

Sein Kalkül war: Je mehr sie über ihre Arbeit erzählte, desto mehr würde sie auftauen, desto lockerer würde sie werden. „Du bist eher noch unerfahren, könnte man das so sagen?“

Layla blickte ihn verunsichert an. Eher noch unerfahren? Meinte er damit die Ausgrabung, oder wollte er ihr unterstellen, dass sie auf sexuellem Gebiet …?

„Ich glaube nicht, dass ich unerfahren bin, Gavin. Und du solltest das auch nicht denken.“

„Was denn sonst?“

Sie überlegte einen Moment lang. „Du solltest endlich kapieren, dass meinem Projekt jahrelange Forschungen und Recherchen vorausgegangen sind. Ich bin nicht eines Morgens einfach aufgewacht und habe mir gesagt, jetzt grabe ich mal kurz die Ranch von Familie Blake um. Nein, ich habe Monate in Zeitungsarchiven und Bibliotheken verbracht. Jeden einzelnen Bankraub von Jesse James in dieser Gegend habe ich studiert. Ich habe versucht nachzuvollziehen, welche Fluchtwege er und seine Bande genommen und wo sie Unterschlupf gefunden haben könnten. Ich habe die Landbesitzverhältnisse von damals überprüft und zusammen mit meinem Team digital nachgestellt, wie diese Gegend damals ausgesehen haben muss.“

Triumphierend verschränkte sie die Arme vor der Brust. Das musste ihn doch wohl beeindrucken!

„Die Silver Spurs Ranch wäre wegen des damals dichten Baumbestands ideal für einen Zwischenstopp gewesen. Und der kleine See zwischen diesem Ranchland und dem Land der Familie Lott hätte ihnen geholfen, ihre Spuren zu verwischen. Vielleicht waren die Banditen sogar so schlau, einen Mann als Lockvogel in eine andere Richtung zu schicken, dem der Sheriff und seine Leute dann folgen würden. Dadurch hätten sie auch genug Zeit gewonnen, um ihre Beute hier zu vergraben. Unbelastet von dem Gold wären sie schneller vorangekommen. Und das war in diesem Moment ja das Wichtigste für sie.“

Ihre Stimme verzauberte ihn, lenkte ihn ab, trotzdem versuchte er, dem Sinn ihrer Worte zu folgen. Während ihrer Ausführungen war sie förmlich aufgetaut. Ihre Begeisterung war fast mit Händen zu greifen. Das imponierte Gavin. Trotzdem hatte er immer noch Zweifel an der Theorie von der vergrabenen Beute …

„Ich nehme an, du hast im Vorfeld schon Messungen mithilfe des Bodenradars durchgeführt?“

Sie nickte. „Das und noch mehr. Ich habe sogar ein Infrarotspektrogramm erstellen lassen. Einer meiner Studenten ist ein absolutes Technologie-Ass. Er hat eine neue, erschwingliche Methode entwickelt. Das ist mein großer Vorteil bei diesem Projekt: Ich bringe die Ausgrabungstechnik ins digitale Zeitalter.“

Er sah sie anerkennend an. „Das Thema ist mir nicht ganz fremd. Das Militär muss ja auch ständig fremdes Terrain sondieren. Aber mehr darf ich darüber nicht sagen. Geheimhaltung, du verstehst.“

Sie lächelte. Offenbar freute es sie, dass er ihr gedanklich folgte. „Mein Team hat das allerneueste Equipment. Einiges davon ist sogar speziell für dieses Projekt von meinen Studenten entwickelt worden.“

Laylas Team schien wie ein Mann hinter ihr zu stehen. Das zeigte, dass sie Führungsqualitäten hatte. Ein Gebiet, auf dem er sich ebenfalls auskannte.

„Heute ist es schon zu spät, aber morgen würde ich gern das Zielgebiet unter die Lupe nehmen, das du errechnet hast.“ Sie wusste es noch nicht, aber er besaß auch eine spezielle Hightechkamera, die sein Kamerad Flipper entwickelt hatte, ursprünglich für Einsätze auf See. Mit ihr konnte man ebenfalls Objekte unter der Erdoberfläche aufspüren.

„Ja, prima, das machen wir.“

Hörte er einen leisen Triumph in ihrer Stimme? Wahrscheinlich glaubte sie, er wäre so gut wie überzeugt. Das war allerdings nicht der Fall. Aber das würde er ihr jetzt noch nicht sagen.

Er schwieg eine Zeit lang. Layla schien sehr zufrieden mit dem Verlauf der Unterredung zu sein. Schließlich fragte sie: „Hast du sonst noch Fragen, Gavin?“

„Ja, etwas gäbe es da noch. Etwas, was ich zu gerne wüsste.“

„Schieß los!“

Er sah ihr durchdringend in die Augen. „Wann hast du das letzte Mal mit einem Mann geschlafen?“

4. KAPITEL

Fassungslos blickte Layla ihn an. Das hatte er doch nicht wirklich gefragt …? Welcher Mann würde eine Frau so etwas fragen, vor allem wenn er sie noch gar nicht lange kannte? Prüfend musterte sie sein Gesicht. Er schien die Frage wirklich ernst gemeint zu haben. Und jetzt saß er da und wartete auf eine Antwort.

„Du glaubst doch wohl nicht, dass ich dir darauf antworte?“, fragte sie wütend.

Er zuckte mit den Schultern. „Warum denn nicht? Wir fühlen uns stark zueinander hingezogen, das wirst du ja wohl nicht leugnen. Und da will ich halt wissen, was ich zu erwarten habe, wenn wir zur Sache kommen.“

Zur Sache kommen? Sie hatte sich wohl verhört! Sie war auf die Ranch gekommen, um ihr Projekt durchzuführen, um zu arbeiten, und nicht, um seine sexuellen Fantasien zu erfüllen. Oder ihre …

„Was soll das? Worauf willst du hinaus? Wir waren uns doch einig, dass wir Sex aus dem Spiel lassen.“

„Das war dein Vorschlag. Aber ich habe nie zugestimmt. Warum sollte ich?“

„Warum solltest du nicht?“

Betont lässig lehnte Gavin sich in seinem Stuhl zurück. Sie beobachtete scharf jede seiner Bewegungen. Jetzt griff er zum Teeglas, und sie fokussierte sich auf seine kräftigen Hände. Die Hände, die er gestern, bei seinem Kuss, um sie gelegt hatte. Die sie vor Erregung hatten erzittern lassen …

Er führte das Glas mit dem Eistee zum Mund, und sie konzentrierte sich auf seine Lippen. Die Lippen, die gestern ihre Lippen berührt hatten, sanft und leidenschaftlich zugleich …

„Vielleicht möchtest du mal probieren …?“

„Nein danke, ich habe meinen eigenen Eistee.“

Er sah ihr tief in die Augen. „Ich habe nicht vom Eistee geredet, Layla.“

Schlagartig wurde sie knallrot. Es war ganz eindeutig, was er meinte. Er wurde immer mehr zu einem Problem.

„Du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet. Wann hast du das letzte Mal mit einem Mann geschlafen?“

„Und du hast meine Frage auch noch nicht beantwortet. Warum solltest du meinem Vorschlag nicht zustimmen, dass wir Sex außen vor lassen?“ Sie räusperte sich. „Gavin, wir müssen uns unterhalten.“

„Tun wir doch schon die ganze Zeit“, erwiderte er lächelnd.

Sie durchschaute sein Spiel: Er wollte sie verunsichern. Aber wenn er wirklich glaubte, er könnte sie durch sein arrogantes Verhalten in die Flucht schlagen, hatte er sich getäuscht. So leicht war sie nicht kleinzukriegen. „Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor.“

„Ach, tatsächlich?“

„Ja, allerdings. Ich bin hier, um ein Projekt durchzuführen – das heißt, wenn ich deine Genehmigung dafür bekomme, die ich nun einmal brauche. Aber ich bin nicht zu deiner sexuellen Belustigung hier. Solche Spielchen spiele ich nicht. Ja, wir haben uns gestern Abend geküsst, und dadurch hast du offenbar einen falschen Eindruck von mir bekommen. Deshalb muss ich jetzt etwas klarstellen, ein für alle Mal. Also hör mir gut zu!“ Sie stützte sich an der Tischkante ab und beugte sich vor.

„Ich bin nicht hier, um mit dir eine Affäre anzufangen. Und auch nicht, um dir Rechenschaft über mein Sexualleben abzulegen.“ Eigentlich hatte sie gar kein Sexualleben. Aber das brauchte er ja nicht zu wissen.

Gavin sah sie schweigend an. Wahrscheinlich dachte sie jetzt, er würde über ihre Worte nachdenken. Doch in Wirklichkeit hatte er die ganze Zeit über ihre Lippen fixiert, ihre Lippen, die er gestern geküsst hatte. Nie würde er genug von ihnen bekommen!

Auch Layla saß schweigend da. Schließlich ergriff er das Wort. „Bist du fertig?“

Seine Frage schien sie zu überraschen, dennoch nickte sie und sagte: „Ja, ich bin fertig.“ Sie hatte gesagt, was zu sagen war, und fühlte sich jetzt schon wesentlich entspannter.

„Ganz offensichtlich verstehst du vieles nicht richtig, was Sex betrifft.“

Schlagartig spannte ihr Körper sich wieder an. „Was gibt es da zu verstehen?“

Gavin musterte sie prüfend. Ihre Frage zeigte ihm, dass sie einem Aspekt des menschlichen Daseins, den er für lebenswichtig hielt, bisher nur wenig Beachtung geschenkt hatte. Offenbar hatte sie ihre gesamte Energie in ihre Karriere gesteckt.

„Ich will dich, und du willst mich“, stellte er noch einmal klar.

„Und?“

Tat sie so ahnungslos, oder war sie es tatsächlich? Für ihn war die Sache klar. „Das heißt“, antwortete er gedehnt, „dass wir über kurz oder lang zusammen schlafen werden.“

Sie kniff die Augen zusammen. „Werden wir nicht!“

Er lächelte. „Oh doch. Das ist vorprogrammiert.“

Verärgert runzelte sie die Stirn. „Das ist doch völliger Unsinn! Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“

Wieder lächelte er. „Ein Mann, der dich über alles begehrt. Ein Mann, der dir zeigen wird, was du bisher versäumt hast, Layla Harris.“

Ihr Herz schlug schneller, eine merkwürdige Hitze durchströmte sie. „So, und was soll das sein? Was habe ich deiner unmaßgeblichen Meinung nach bisher versäumt?“

„Sex. Heißen, überwältigend guten Sex. Offenbar hast du dir bisher immer eingeredet, du hättest keine Zeit dafür. Aber es ist gar nicht gesund, körperliche Bedürfnisse zu unterdrücken.“

„Ich habe überhaupt nichts unterdrückt.“

„Ach, nein? Warum fühlst du dich dann so extrem zu mir hingezogen?“

Das war eine dumme Frage. Er sah nun einmal umwerfend gut aus, das war eine Tatsache. Jede Frau, wirklich jede, würde sich zu ihm hingezogen fühlen. Aber natürlich würde Layla allem, was er gesagt hatte, widersprechen, notfalls bis zu ihrem letzten Atemzug.

„Also, so sehr fühle ich mich gar nicht zu dir hingezogen.“

„Soll ich dir das Gegenteil beweisen?“

„Nein danke. Das ist nicht nötig.“

„Ich glaube doch.“

Dieses pikante Gespräch ließ sie nicht kalt. Aber sie riss sich zusammen. „Willst du mich auf diese Weise vertreiben, Gavin?“

„Dich vertreiben?“, fragte er überrascht.

„Ja. Vielleicht willst du mich nur so sehr reizen, dass ich aus Empörung die Ranch verlasse. Das würde dir die Entscheidung ersparen, ob du mich auf deinen Gelände graben lässt oder nicht.“

„Glaubst du das wirklich?“

Allmählich wusste sie nicht mehr, was sie glauben sollte. Sie brauchte seine Erlaubnis für die Grabungen, und er dachte nur an Sex. Hm, oder sollte das etwa heißen …? „Willst du etwa andeuten, dass ich mit dir schlafen muss, damit du mir die Grabungserlaubnis erteilst?“

Gavin schüttelte energisch den Kopf. „Um Himmels willen, nein. Ich würde dich nie im Leben zu etwas nötigen, Layla. Aber sei gewarnt. Wenn du wegen der Ausgrabungen hier auf der Ranch bleibst, werden wir zusammen schlafen, das ist unausweichlich. Die Bedürfnisse deines Körpers werden dich dazu bringen. Und wenn es so weit ist, werde ich bereitstehen.“ Er lächelte anzüglich.

Nun lächelte auch sie. Er kannte sie doch gar nicht richtig! Er wusste nicht, wie eisern sie sein konnte, wenn es darauf ankam. Wenn es um ihren Beruf ging, ihre einzige wahre Leidenschaft. Da konnte ihr kein Mann in die Quere kommen. Nicht einmal Gavin.

Er strahlte eine ungeheure Selbstsicherheit aus, was seine Wirkung auf Frauen anging. Wahrscheinlich brauchte er nur mit dem Finger zu schnippsen, um jede – fast jede – zu bekommen. Abgewiesen zu werden kannte er wahrscheinlich gar nicht.

„Du kannst glauben, was du willst, Gavin, aber ich gehe mal davon aus, dass du es sonst mit einem anderen Schlag Frauen zu tun hast. Ich bin nicht so. Mich kannst du nicht herumkriegen.“

Er rieb sich das Kinn und musterte sie eingehend. „Würdest du darauf wetten?“

„Was soll der Unsinn? Bist du jetzt völlig durchgedreht?“

Er lächelte, und sein Lächeln verunsicherte Layla nicht nur, sondern es erregte sie auch.

„Nein, im Ernst. Wir könnten eine Wette abschließen. Und dann hättest du deine Grabungserlaubnis.“

Interessiert zog sie eine Augenbraue in die Höhe. „Das müsstest du mir schon näher erklären.“

Am liebsten hätte Gavin triumphierend gelächelt, aber er verkniff es sich. Es wäre ein verräterisches Zeichen, und das wäre riskant. Schließlich hatte er sie schon fast da, wo er sie haben wollte.

„Wir würden eine kleine Abmachung treffen, Layla.“

„Was für eine Abmachung?“

Er begehrte sie so sehr, dass es kaum zu ertragen war. Dennoch gab er sich cool. Gavin zuckte mit den Schultern, als wäre es ihm egal, ob sie seinen Vorschlag annahm oder nicht.

„Im Gegensatz zu meiner Großmutter glaube ich nicht so recht an die Geschichte von der vergrabenen Gangsterbeute“, führte er aus. „Das würde sich höchstwahrscheinlich auch nicht ändern, wenn ich deine seitenlangen Abhandlungen lese. Kurz: An den Grabungen bin ich nicht interessiert. Aber an dir umso mehr.“

„Komm endlich zur Sache!“

„Mein Vorschlag ist folgender“, fuhr er fort. „Ich erlaube dir die Grabungen, unabhängig davon, was ich davon halte. Wenn du tatsächlich etwas findest: Wunderbar, dann hast du mir bewiesen, dass ich unrecht hatte. Dann werde ich mich für dich freuen und der Erste sein, der dir zu deiner Leistung gratuliert. Aber wenn du nichts findest, musst du endlich zugeben, was wir sowieso schon beide wissen: Dass du mich genauso willst wie ich dich. Und dann schlafen wir miteinander.“

„Du baust also darauf, dass ich versage? Und willst das zu deinem Vorteil nutzen?“

Er hatte sie am Haken! Das spürte er!

„Ich dachte, du wärst dir deiner Sache völlig sicher“, sagte er. „Deshalb brauchst du dir ja keine Sorgen zu machen. Es sei denn, du hättest doch Zweifel. Wenn du glaubst, dass du mit deinen Theorien falschliegen könntest …“

„Meine Theorien stimmen hundertprozentig“, unterbrach sie ihn. „Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel.“

Er lächelte triumphierend. „Soll das heißen, die Wette gilt?“

5. KAPITEL

In diesem Moment begriff Layla, was hier ablief. Wahrscheinlich war es nicht einmal seine Absicht, aber Gavin brachte sie dazu, hundertprozentig auf sich selbst zu vertrauen. Es gab den Schatz des Jesse James, und sie würde es beweisen!

„Also? Haben wir einen Deal?“

Sie konnte in seinen Augen lesen wie in einem offenen Buch. Er wollte mit ihr schlafen. Und sie würde alles tun, damit es nicht dazu kam. Nein, sein Vorschlag gefiel ihr überhaupt nicht. Sie fand ihn ziemlich geschmacklos. Aber sie würde den Schatz des Jesse James finden, da war sie sich sicher, und deshalb ging sie ja eigentlich kein Risiko ein …

Sie würde ihre Grabungen durchführen dürfen und den Fund ihres Lebens machen. Und sie würde nicht auf ihre innere Stimme hören, die ihr verräterischerweise zuflüsterte, dass es auch ganz nett wäre, die Wette zu verlieren und den Trostpreis zu kassieren.

„Okay.“

Er zog eine Augenbraue in die Höhe. „Das heißt, du bist einverstanden?“

„Ja. Unter der Bedingung, dass du mir versprichst, meinem Team und mir keine Steine in den Weg zu legen.“

„So etwas würde ich doch nie tun.“

„Nein, natürlich nicht“, erwiderte sie ironisch. „Nur weil du unbedingt willst, dass ich die Wette verliere, würdest du meine Arbeiten doch nicht sabotieren.“

„Du musst mir eben vertrauen.“

Layla verdrehte die Augen. „Wie sollte ich dir vertrauen? So gut kenne ich dich doch noch gar nicht.“

„Das ließe sich ändern.“

Sie lachte auf. „Ja, das könnte dir so passen. Nein, ich habe eine andere Idee. Gib mir dein Wort als Navy SEAL, das würde mir genügen.“

„Ach, ja?“

„Ja. Die Navy SEALs sind eine Eliteeinheit. Sie haben einen strengen Ehrenkodex.“

Gavin nickte. „Stimmt. Und woher weißt du das so genau?“

„Der Cousin meines Vaters war ein Navy SEAL. Er ist schon seit ein paar Jahren im Ruhestand, aber er hat uns so einiges erzählt. Wenigstens das, was er erzählen durfte. Das meiste unterlag der Geheimhaltung.“

„Ja, das betrifft die allermeisten Missionen“, bestätigte Gavin.

„Gibst du mir also dein Ehrenwort als Navy SEAL, dass du mich nicht behindern wirst?“

„Ja. Du hast mein Wort.“

„Gut“, sagte sie und blickte auf die Uhr. „Es ist schon ganz schön spät geworden. Du brauchst sicher noch etwas mehr Schlaf. Wenn ich dir allerdings noch mit dem Geschirr helfen soll …“

„Nicht nötig. Wozu gibt es Geschirrspülmaschinen?“

„Willst du immer noch sehen, wo genau die Ausgrabungen geplant sind?“

„Unbedingt. Es ist ja schließlich mein Land.“

„Kein Problem.“

„Dann hole ich dich morgen früh im Gästehaus ab“, sagte er und erhob sich. „Ich bringe dich noch kurz hin.“

„Solange ihr keine Kojoten auf dem Gelände habt, ist das nicht nötig.“

„Doch, ich finde, es ist nötig, Layla.“

„Na schön, wie du willst.“

Als sie die Tür öffnete, wehte ihr die kühle Abendluft entgegen.

„Ein schöner Abend, nicht wahr?“, fragte er und ging neben ihr her.

„Ja, schön und idyllisch. Freust du dich, wieder daheim zu sein?“

Er lächelte. „Und wie. Zu Hause ist es doch am schönsten. Jetzt muss ich mich wieder umgewöhnen – vom Navy SEAL zum Rancher.“

„Fällt dir das leicht?“

„Ich habe mich allmählich an den Wechsel gewöhnt. Meine Mitarbeiter hier auf der Ranch sind gute Leute, das macht es mir einfacher.“

Sie nickte. „Bist du gern Navy SEAL?“

„Oh, ja.“

„Ich habe gehört, dein Vater und dein Großvater waren auch schon bei dieser Eliteeinheit?“

„Hat meine Großmutter dir das erzählt? Ja, es stimmt. Es liegt mir also gewissermaßen im Blut. Wie sieht es bei dir aus? Sind deine Eltern auch Universitätsprofessoren, so wie du?“

„Nein, die sind beide Neurochirurgen. Ich bin nicht in ihre Fußstapfen getreten, weil Medizin mich nicht besonders interessiert.“

Offenbar hatte sie das Gefühl, sich für ihre Berufswahl rechtfertigen zu müssen. Waren ihre Eltern vielleicht von dieser Wahl enttäuscht? „Du bist erwachsen und kannst für dich selbst entscheiden, Layla. Familientraditionen sind ja nicht in Stein gemeißelt.“

Sie dachte einen Moment nach. „Ja, meine Eltern hätten es am liebsten gesehen, dass ich auch Medizin studiere. Aber das war einfach nichts für mich. Ich habe kein Talent zur Ärztin, ich bin eben Historikerin.“

„Ich finde es richtig, wenn man seinem Herzen folgt, auch bei der Berufswahl. Wann hast du dich denn für die Archäologie entschieden?“

„Oh, schon früh in der Highschool. Meine Geschichtslehrerin hat einmal an Ausgrabungen in Ägypten mitgewirkt und uns davon erzählt. Ich fand es ungeheuer faszinierend. Zeugnisse längst vergangener Zeiten zu entdecken, sie den Menschen der Gegenwart wieder zugänglich zu machen …“

„Aber warum ausgerechnet Jesse James?“

„Warum nicht?“ Sie lachte, und es klang wie Musik in seinen Ohren. Wie eine sehr, sehr erotische Melodie. „Wenn ich meinen Opa in New Orleans besucht habe, haben wir uns im Fernsehen immer Western angesehen. Irgendwie hat Jesse James ihn besonders fasziniert, er hat auch viele Bücher über ihn gelesen. Der Legende nach hat er ja auch etwas von Robin Hood gehabt – von den Reichen nehmen, den Armen geben –, auch wenn die Wissenschaft heute nicht mehr an Großherzigkeit glaubt. Auf jeden Fall hat sich die Begeisterung meines Großvaters auf mich übertragen.“

Ja, die Leidenschaft für dieses Thema war Layla deutlich anzumerken. Und sie glaubte so sehr an ihre Theorie von der vergrabenen Beute, dass sie sich sogar auf seine verrückte Wette eingelassen hatte.

Dabei war Gavin immer noch so gut wie sicher, dass sie nichts finden würde. Vor vielen Jahren, als er noch in der Highschool gewesen war, hatte sein Vater einer Firma die Erlaubnis gegeben, auf dem Land zu graben und zu bohren, weil es einen Verdacht auf Erdölvorkommen gegeben hatte. Natürlich hatten sie nichts gefunden, und auch Layla und ihr Team würden am Ende mit leeren Händen dastehen.

„Dann müssen wir uns jetzt wohl gute Nacht sagen.“

Sie hatten das Gästehaus erreicht, und ihre Worte machten ihm deutlich, dass sie ihn nicht hereinbitten würde. Vielleicht war es auch besser so; es würde ihm schwerfallen, sich zurückzuhalten, wenn er mit ihr allein in diesem Haus war. Aber früher oder später würde sie dem Verlangen ihres Körpers nachgeben müssen, da war er sich sicher. Er musste nur Geduld haben.

„Wann wollen wir uns morgen treffen?“, fragte sie.

„Frühmorgens muss ich mit Caldwell und den Männern das Gebiet abreiten, um einige Dinge zu checken. Ich weiß nicht, wann ich zurück bin, aber allerspätestens gegen zehn, denke ich. Wäre zehn Uhr für dich in Ordnung?“

„Absolut.“

„Gut. Wir können in meinem Truck fahren.“

„Alles klar. Dann gute Nacht.“

Bevor sie im Gästehaus verschwinden konnte, nahm er sie in die Arme und zog sie an sich.

„Was soll das, Gavin? Was hast du vor?“

„Das.“

Er neigte den Kopf und küsste sie voller Leidenschaft. Sie stieß ihn nicht von sich, nein, im Gegenteil, sie zog ihn noch enger an sich. Er legte alles in diesen Kuss.

Der Kuss von gestern war ein Vorbote gewesen. Doch dieser Kuss besiegelte ihr beider Schicksal.

Natürlich wollte Gavin viel mehr als einen Kuss. Aber er wusste, er musste Geduld haben. Layla sollte selbst darauf kommen, wie sehr sie ihn begehrte, das war ihm wichtig. Aber eines wusste er ganz genau: Sie würde die Silver Spurs Ranch nicht verlassen, bevor sie miteinander geschlafen hatten.

Als er den Kuss schließlich beendete, atmete er schwer, und ihr erging es nicht anders.

„Warum hast du mich geküsst?“, fragte sie und sah ihn mit großen Augen an.

„Aus demselben Grund, aus dem du den Kuss zugelassen hast“, erwiderte er lächelnd. „Weil ich dich will – und du mich.“

„Ich … ich gehe jetzt rein.“ Sie schien den Vorfall nicht weiter diskutieren zu wollen.

„Gut, wir sehen uns dann morgen gegen zehn.“

Sie nickte ihm noch kurz zu, öffnete die Tür und war verschwunden. Gavin vergrub die Hände in den Hosentaschen und machte sich auf den Rückweg zum Hauptgebäude. Er wusste, Layla war verwirrt. So erging es einem, wenn man seine Gefühle verleugnete. Aber sie war ja nicht dumm. Sie würde schon noch dahinterkommen. Über kurz oder lang würde sie die Angelegenheit auch mit seinen Augen sehen.

Dafür würde er schon sorgen.

6. KAPITEL

Layla hatte schlecht geschlafen. Mit einem Becher Kaffee in der Hand stellte sie sich vor die Tür und blickte in die Ferne.

Ein kräftiger Schuss Koffein war jetzt genau das Richtige. Der Kuss vom Vorabend hatte sie mächtig durcheinandergebracht …

Welcher Teufel hatte sie nur geritten, diese blöde Wette anzunehmen? Sex als Wetteinsatz, wie krank war das denn? Sie beruhigte sich damit, dass sie ja gar nicht verlieren konnte. Schließlich waren ihre Forschungsergebnisse eindeutig.

Aber – was, wenn sie doch nicht stimmten?

Unsicher nippte sie an ihrem Kaffee. Nein, nein, sie würde den Schatz finden, sie würde Gavin beweisen, wie falsch er mit seinen Zweifeln lag. Sie würde die Silver Spurs Ranch mit der Beute von Jesse James verlassen. Und zum Abschied würde sie ihm die Zunge herausstrecken und ihm triumphierend zurufen: „Jetzt hast du mich doch nicht gekriegt!“

Miss Melodys Einladung zum Frühstück hatte sie dankend abgelehnt. Sie hatte ihr gesagt, sie müsse noch einige Dokumente durcharbeiten, was auch stimmte. Aber der Hauptgrund für die Ablehnung war gewesen, dass sie Angst hatte, vorzeitig Gavin zu begegnen, diesem Mann, der sie so verwirrte und faszinierte. Sie würde ihn ja um zehn Uhr sehen, das war früh genug.

Sie blickte auf ihre Armbanduhr. Eine Stunde noch. Eine Stunde Seelenfrieden. Dann würde er sich mit ihr treffen – und sie wahrscheinlich komplett durcheinanderbringen!

„Wirst du die Ausgrabungen jetzt genehmigen?“

Gavin, der seinen Inspektionsritt mit den Männern frühzeitig beendet hatte, blickte von seinem Frühstücksteller auf und sah seiner Großmutter in die Augen. Als sie gestern zurückgekommen war, hatte er schon im Bett gelegen, aber jetzt hatte er keine Chance, ihren Fragen zu entkommen. Na, auf jeden Fall würde er ihr nichts über seine pikante Abmachung mit Layla erzählen!

„Layla zeigt mir heute Morgen, wo genau sie graben will. Danach treffe ich dann meine Entscheidung.“ Er widmete sich wieder seinem Frühstück und hoffte, die Unterhaltung wäre damit beendet.

„Und wann reist du nach Mississippi ab?“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Wer sagt denn, dass ich nach Mississippi fahre?“

„Du“, erwiderte seine Großmutter. „Du hast doch selbst gesagt, dass du dort etwas Wichtiges zu erledigen hättest.“

Ach richtig, das hatte er ja erwähnt! „Ich, äh, ich habe meine Pläne geändert. Ich bleibe noch eine ganze Weile hier.“

Er begann wieder zu essen, aber er wusste, dass Melody ihn misstrauisch beäugte.

„Warum?“

Er blickte hoch. „Was warum?“

„Warum du hierbleibst.“

„Stört es dich, Grandma Mel? Falle ich dir auf den Wecker? Soll ich lieber abreisen?“

„Unsinn, mein Junge. Du weißt doch, wie gern ich dich hier habe. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass du irgendwelche komischen Sachen planst.“

Wenn du wüsstest, dachte er. Er schob den Teller beiseite. „Das Frühstück war superlecker. Mich wundert nur, dass du Layla nicht dazu eingeladen hast.“

„Habe ich. Aber sie meinte, sie müsste noch irgendwelche Dokumente durcharbeiten. Kam mir allerdings wie eine Ausflucht vor.“

Gavin erhob sich. Seine Großmutter wollte ihn aushorchen. Dem wollte er lieber einen Riegel vorschieben. „Ich muss mit Phil noch einmal die Bücher durchgehen. Das heißt, die nächste Stunde oder so bin ich im Arbeitszimmer.“

„Gut, dann weiß ich Bescheid. Ach so, auch wenn du jetzt nicht nach Mississippi fährst: Ich werde für eine Woche weg sein. Ich habe mich für die Bibliothekarskonferenz in Cincinnati angemeldet. Das war schon vor Wochen, bevor ich wusste, dass du kommen würdest.“

„Da solltest du auf jeden Fall hinfahren“, kommentierte er. „Du kommst so selten hier weg, und ich weiß doch, wie sehr du deinen Beruf geliebt hast.“

Sie musterte ihn skeptisch.

„Stimmt was nicht?“, fragte er.

„Ob etwas nicht stimmt? Das solltest du besser wissen als ich. Du magst ein hochdekorierter Elitesoldat sein, aber für mich bist du immer noch mein Enkel. Du kannst mich nicht für dumm verkaufen. Ich spüre genau, du hast irgendwas vor. Aber pass nur auf, dass du nicht in deine eigene Falle tappst.“

„Welche Falle?“

„Du weißt schon, was ich meine. Eines solltest du nicht vergessen.“

„Was denn?“

„Layla ist nicht Jamie.“

Er runzelte die Stirn. „Was soll denn das nun schon wieder heißen?“

„Das soll heißen, dass sich zwischen dir und ihr etwas Wunderschönes entwickeln könnte, wenn du es zulässt. Aber du bist nicht bereit, es zuzulassen. Weil du nämlich Angst hast, dass sie wie Jamie sein könnte. Ich weiß, du wirst es mir nicht glauben, doch deine Mutter hat dich und deinen Dad geliebt. Ich habe sie nachts oft weinen gehört, wenn dein Vater in geheimem Militäreinsatz war.“

„Aber wenn sie uns geliebt hat – warum hat sie uns dann verlassen?“

„Aus Einsamkeit. Die Einsamkeit hat sie fortgetrieben, Gavin. Unsere Ranch, sosehr wir sie auch lieben, ist nicht für jeden das Richtige. Jamie war kreuzunglücklich hier. Manche Leute sind für so ein isoliertes Leben einfach nicht geschaffen.“

„Trotzdem. Das war kein Grund, Dad und mich einfach im Stich zu lassen.“

Ohne ein weiteres Wort verließ er die Küche.

Als es an der Tür klopfte, spürte Layla einen Kloß im Hals. Sie wusste, wer es war. Gavin hatte gesagt, er würde gegen zehn kommen, und jetzt war es Punkt zehn. Auf die Minute. Unsicher blickte sie an sich hinunter. Warum eigentlich? Sollte es ihr nicht egal sein, wie sie aussah, wie sie auf ihn wirkte? Schließlich ging es doch um die Arbeit, und zwar nur um die Arbeit.

Sie öffnete die Tür, und er stand vor ihr, attraktiv wie immer. Verboten attraktiv! Warum musste er ein so schöner Mann sein? Warum konnte sie die Augen nicht von ihm lassen?

Und warum hätte sie ihn am liebsten gepackt, aufs Bett gezerrt und es heftig mit ihm getrieben?

Layla scheuchte die verbotenen Gedanken beiseite. Es ging um die Arbeit. Die Arbeit, verflixt!

„Guten Morgen, Gavin“, sagte sie so lässig wie möglich. „Ich bin fertig.“ Sie schnappte sich ihre Jacke, trat nach draußen und schloss die Tür.

„Guten Morgen, Layla“, erwiderte er. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen.“

Er ergriff ihren Arm, und sie wünschte, er hätte es nicht getan. Jede Berührung verstärkte ihr Begehren noch.

„Schöner Tag heute, nicht?“

„Ja, wirklich schön“, sagte sie. Noch immer hielt er sie am Arm, während sie zum Truck gingen.

Galant öffnete er ihr die Wagentür. „Und passend zum Tag siehst du heute auch wieder ganz besonders hübsch aus.“

„Vielen Dank.“

Nachdem sie auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, ging er um den Wagen herum und stieg dann selbst ein. Die ganze Zeit über behielt sie ihn im Blick, konnte sie die Augen nicht von ihm lassen. Er trug Jeans, einen Pullover und eine Fliegerjacke.

„Bist du in dieser Montur auf der Ranch herumgeritten?“

„Nein. Wir waren schon früh fertig, deshalb habe ich mich noch umgezogen, bevor ich zusammen mit Grandma gefrühstückt habe. Sie hat dich dabei übrigens vermisst.“

„Äh, ja, ich hatte leider keine Zeit. Musste noch dringend ein paar Unterlagen durcharbeiten.“

Er schwieg dazu, und sie wusste nicht recht, ob er ihr wirklich glaubte.

Schließlich fragte er: „Alles in Ordnung mit dir?“

Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie ihn die ganze Zeit über voller Begehren angeblickt hatte. „Ja, ja, mir geht es gut.“

„Das beruhigt mich“, sagte er lächelnd, während er den Gurt anlegte. „Ich will ja nicht, dass du zu schnell zugibst, wie sehr du mich willst.“

„Mach dir deswegen mal gar keine Sorgen“, gab sie gereizt zurück. „Das wird garantiert nicht passieren.“ Sie versuchte selbstsicher zu klingen, doch insgeheim hatte sie Angst davor, dass ihre Vorsätze ins Wanken gerieten.

Um sich von seiner Nähe abzulenken, schaute sie während der Fahrt aus dem Wagenfenster. Die Ranch war wirklich wunderschön, die Natur überwältigend. Es war zwar noch frisch, doch sie war sicher, es würde ein wunderschöner Tag werden.

„Hast du gut geschlafen?“

Gavins Frage verwunderte sie. Warum sollte sie nicht gut geschlafen haben? Weil sie sich die ganze Nacht über voller Begehren nach ihm im Bett herumgewälzt hatte? „Ja, ich habe sehr gut geschlafen. Wie ein Baby.“

„Das freut mich. Ich auch. Hätte heute Morgen sogar fast verschlafen.“ Schweigend fuhr er weiter, dann fragte er plötzlich: „Wo entlang?“

„Wie bitte?“

„Ich habe gefragt, in welche Richtung wir müssen. Grandma Mel hat gesagt, das Grabungsgelände ist irgendwo hinter der alten Scheune. Wo muss ich jetzt entlangfahren?“

Die Scheune war ein großes rotes Holzgebäude, das offensichtlich leer stand. Nach Miss Melodys Aussagen war sie schon seit Jahren nicht mehr in Benutzung, wirkte aber noch sehr stabil. Layla war schon mehrfach versucht gewesen, einen Blick hineinzuwerfen, aber die Tür war verriegelt gewesen. Eigentlich wäre das Gebäude ideal, um die Grabungsgerätschaften dort zu verstauen. Da Gavin heute Morgen gute Laune zu haben schien, fragte sie ihn einfach.

„Du, sag mal, was die Scheune angeht, ich müsste den Baggerlager und den Traktor und die sonstigen Geräte irgendwo unterstellen. Dürfte ich sie dafür benutzen?“

Kaum hatte sie die Frage ausgesprochen, kam sie sich dumm vor. Warum sollte er sie in irgendeiner Form unterstützen? Er wollte doch, dass sie scheiterte!

Doch zu ihrer Überraschung entgegnete er lächelnd: „Ja, klar, kein Problem.“

Das war ja wider Erwarten völlig glatt gelaufen! Deshalb schob sie gleich noch eine Frage nach. „Und das kleine Gebäude daneben, das früher wohl eine Schlafbaracke war?“

„Ja, was ist damit?“

„Dürfte ich das auch benutzen? Ich bräuchte ein ruhiges Plätzchen, wo ich Bodenproben untersuchen kann.“

„Willst du meine Großzügigkeit ausnutzen, Layla?“

„Hm, na ja, irgendwie schon.“

Er lachte. „Na, wenigstens versuchst du gar nicht erst, es zu leugnen. Ja, du kannst die alte Schlafbaracke auch benutzen.“

„Vielen Dank.“

„Keine Ursache.“

„Siehst du den großen Baum dort?“, fragte sie. „Dahinter bitte links abbiegen und dann noch eine Zeit lang geradeaus. Nachher siehst du dann schon das Grabungsgelände neben dem Bereich, wo früher mal ein kleines Wäldchen gestanden haben muss. Ich habe den Platz bereits markiert.“

„Okay.“

Den Rest der Fahrt über schwiegen sie. Layla war froh, als sie endlich das Gelände erreichten und er den Truck anhielt.

Nachdem Gavin den Motor abgestellt hatte, blieb er regungslos sitzen, die Hände um das Lenkrad gelegt. Er versuchte sich zusammenzureißen, seine Gedanken zu ordnen. Es machte ihn vor Begehren fast verrückt, Layla in seiner Nähe zu haben.

„Man merkt dir an, dass du diesen Teil des Landes liebst“, sagte sie. „Deine Großmutter hat erzählt, dass es für dich eine ganz besondere Bedeutung hat.“

„Ja, das stimmt. Schon als Kind bin ich oft hierhergekommen. Hier in der Nähe gibt es einen großen See. Er trennt unser Land vom dem der Lotts und gehört ausschließlich ihnen. Aber als Kind war mir das völlig egal. Sherman Lott hatte ein großes ‚Schwimmen-Verboten-Schild‘ aufgestellt, doch das hat mich nie gekümmert. Als Teenager bin ich dort bei jeder passenden Gelegenheit schwimmen gegangen. Wenn alles gut lief, konnte ich mich stundenlang im Wasser vergnügen, ohne dass mich jemand erwischte.“

„Und wenn es nicht gut lief?“

Er schmunzelte. „Wenn Sherman Lott zufällig in der Gegend war und mich erwischte, hat er meine Großmutter angerufen und sich beschwert, dass ich mich widerrechtlich auf seinem Gebiet aufhalten würde.“

Layla runzelte die Stirn. „Wirklich? Er hat so ein Trara daraus gemacht?“

„Oh ja, jedes Mal aufs Neue. Er hat es gehasst, wenn jemand in seinem See schwamm oder – Gott behüte – sogar angelte. Aber im Laufe der Jahre habe ich da jede Menge guter Fische rausgezogen.“

Es schien Gavin eine diebische Freude zu bereiten, dass er seinen Nachbarn Sherman Lott so oft hinters Licht geführt hatte. Versonnen lächelte er in sich hinein. Doch dann sagte er plötzlich: „So, dann wollen wir uns hier mal umschauen. Aber vorher sollten wir noch etwas tun.“

„Was denn?“, fragte sie misstrauisch.

„Ein Kuss. Ich möchte dich jetzt unbedingt küssen, Layla.“

Layla hoffte, sie hätte sich verhört. Aber das war natürlich nicht der Fall. „Du willst mich küssen?“, fragte sie unsicher und konnte nur hoffen, dass er nicht das heimliche Begehren aus ihrer Stimme heraushörte.

„Ja, wenigstens ein Kuss. Falls du das ablehnst, werde ich dich überreden, dich stattdessen mit mir auf dem Rücksitz des Trucks zu vergnügen.“

Sie biss sich auf die Unterlippe. „Und du glaubst, das schaffst du so einfach?“

„Ich sage nicht, dass es einfach wird. Aber ich bin mir sicher, es wird jede Mühe wert sein. Jetzt komm schon, Layla. Schnall den Sicherheitsgurt ab und beug dich zu mir rüber. Es tut auch bestimmt nicht weh.“

Nein, wehtun würde es sicher nicht. Aber es wäre mit Sicherheit gefährlich.

„Wir haben uns doch schon zweimal geküsst. Genügt dir das nicht?“

„Nein, das genügt mir nicht. Also komm, lehn dich zu mir rüber. Ein bisschen Spaß muss sein!“

Layla spürte sein Verlangen, und wie sehr sie den Kuss insgeheim ersehnte, wusste sie ja sowieso. Natürlich war es riskant und obendrein ein gewisses Nachgeben, ein Eingeständnis ihrer Schwäche. Aufseufzend schnallte sie sich ab und beugte sich zu ihm hinüber. Ja, sollte er den Kuss bekommen, den er sich wünschte. Weil sie ihn sich ebenso sehr wünschte.

Ihre Lippen berührten sich, und schon spürte sie seine fordernde Zunge in ihrem Mund. Layla war wie elektrisiert.

Sie schlang Gavin die Arme um den Hals, er umfasste ihre Hüften. Alles kam ihr so unwirklich vor. Da saßen sie, zwei erwachsene Menschen in seinem Truck, und küssten sich wie zwei Teenager mit Hormonstau. Als ob sie nichts Besseres zu tun hätten, als ob sie alle Zeit der Welt hätten! Wie verrückt war das denn?

Verrückt – und gleichzeitig wundervoll. Sie spürte seine Erregung, erwiderte seinen Kuss voller Verlangen. Leise stöhnte sie auf.

In diesem Moment wusste sie: Sie war verloren.

7. KAPITEL

Gavin bekam einfach nicht genug von diesem Kuss. Noch nie hatte er eine Frau so sehr begehrt. Gerade er, der Elitesoldat, hätte doch eine enorme Selbstbeherrschung aufbringen müssen, aber gegenüber dieser faszinierenden Frau fühlte er sich machtlos. Er wollte mehr, viel mehr als nur einen Kuss.

Krampfhaft versuchte er sich zusammenzureißen. Er musste seinen Körper, musste die Situation wieder unter Kontrolle bekommen. Und zwar jetzt. Jetzt sofort.

Es fiel ihm unendlich schwer, doch mit enormer Selbstbeherrschung löste er seine Lippen von ihren. In ihren Augen sah er Enttäuschung, unerfülltes Verlangen. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Ganz offensichtlich hatte das, was eben geschehen war, sie ebenso überwältigt wie ihn.

Das war nicht nur ein Kuss gewesen, sondern sehr viel mehr. Von Anfang an hatten beide gespürt, dass es zwischen ihnen knisterte, doch jetzt, nach diesem Kuss, konnte es keinen Zweifel mehr geben, wie tief ihr gegenseitiges Verlangen war.

Fasziniert blickte Gavin Layla an. Er wollte sie so sehr. Und Schließlich sagte er: „Du müsstest mir schon noch mal erklären, warum wir nicht miteinander schlafen können.“

Layla hörte seine Worte, aber sie war nicht in der Lage zu antworten. Und sie wollte auch ihre Augen nicht öffnen. Sie wusste ja, was sie dann sehen würde: Einen Mann, der sie über alle Maßen begehrte. Und dieser Anblick würde sie wieder an ihr eigenes Verlangen erinnern, das er in ihr erweckt hatte und das kaum noch zu bändigen war.

„Auch wenn du die Augen vor mir verschließt, werde ich nicht einfach so verschwinden, Layla.“

Nein, heute nicht. Aber hoffentlich bald. Hatte Miss Melody nicht erwähnt, dass er in Mississippi etwas zu erledigen hatte? Sie öffnete die Augen und fragte: „Wann reist du ab?“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Abreisen? Wohin?“

„Nach Mississippi. Deine Großmutter hat gesagt, du hättest da etwas Wichtiges zu erledigen.“

„Willst du mich loswerden?“

„Ganz so hart würde ich es nicht ausdrücken. Aber wann fährst du weg?“

Er sah ihr in die Augen. „Die Sache mit Mississippi habe ich abgesagt. Auf absehbare Zeit bleibe ich erst mal hier.“

Die Enttäuschung war ihr anzumerken. „Aber ich dachte, es wäre wichtig für dich.“

„Ich habe meine Pläne eben geändert. Ist das ein Problem für dich?“

„Nein, solange du mir keine Steine in den Weg legst.“

„Das habe ich nicht vor. Jetzt zeig mir die genaue Stelle, an der du graben willst.“

Gavin stieg aus und half ihr aus dem Truck. So galant und hilfsbereit er sich auch gab – seinen Beteuerungen glaubte sie nicht. Er würde ihr mit Sicherheit Steine in den Weg legen wollen.

Gavin trat zum Wagen und zog eine merkwürdig aussehende Kamera vom Rücksitz. Layla runzelte die Stirn. „Was ist das denn?“

„Eine Vericon 12D“, antwortete er lächelnd. „Eine spezielle Hightechkamera, eigentlich für Unterwassermissionen. Aber Flipper hat sie etwas umgebaut, sodass man sie auch an Land benutzen kann.“

„Flipper?“

„Ach so, du kannst ihn ja nicht kennen. Er ist einer meiner Teamkameraden. Ein Spezialist für alles, was Technik und Hightech angeht.“

„Aber er heißt doch nicht wirklich Flipper? Er ist doch kein Delphin, oder?“

Gavin musste lachen. „Nein, er heißt David Holloway. Flipper ist sein Codename.“

„Ah, verstehe. Hast du auch einen Codenamen?“

„Ja.“

Autor

Brenda Jackson

Brenda ist eine eingefleischte Romantikerin, die vor 30 Jahren ihre Sandkastenliebe geheiratet hat und immer noch stolz den Ring trägt, den ihr Freund ihr ansteckte, als sie 15 Jahre alt war. Weil sie sehr früh begann, an die Kraft von Liebe und Romantik zu glauben, verwendet sie ihre ganze Energie...

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