Deine blauen Augen …

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Warum verhält sich die schöne Dawn so abweisend? Dr. Jonathan Clifton versucht alles, um seiner neuen Kollegin näherzukommen. Natürlich nur, um das Arbeitsklima zu verbessern. Nicht weil Dawn mit ihren kornblumenblauen Augen die süßeste Versuchung ist. Denn Liebe im Job ist tabu!


  • Erscheinungstag 25.04.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733739829
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Dr. Jonathan Clifton betrat die Arztpraxis in Rust Creek Falls in Montana und blieb wie angewurzelt stehen, als er die Frau entdeckte, die hinter dem Empfangspult telefonierte. Bei ihrem Anblick überlief es ihn heiß und kalt – mit ihren langen blonden Haaren, den kornblumenblauen Augen und vollen Lippen verkörperte sie die süßeste Versuchung für das männliche Geschlecht. Da er nicht beabsichtigte, sich verführen zu lassen, tat er es als schlichte Feststellung über die ausnehmend attraktive Person ab.

Er trat an den Empfangstresen, der sie von dem überfüllten Warteraum trennte, und wartete geduldig darauf, dass sie zu telefonieren aufhörte. Dabei fiel ihm auf, wie erschöpft sie wirkte und dass sie aus der Nähe noch hübscher aussah als von Weitem. Weil sie einen blauen OP-Kittel trug und ein Stethoskop um ihren Hals baumelte, hielt er sie nicht für die Rezeptionistin.

Als die Frau den Telefonhörer auflegte, lächelte er sie an. „Hi. Ist es hier immer so voll?“

„Mehr oder weniger. Heute geht es hektischer als gewöhnlich zu.“

Ich muss mir jetzt etwas Geistreiches einfallen lassen! „Dabei haben wir immer noch Sommer. Die Grippesaison hat noch gar nicht angefangen.“

„Wem sagen Sie das? In ein paar Monaten wird es hier richtig rundgehen.“

„Grippeimpfungen würden helfen. Man könnte vielleicht eine Art Gesundheitsmesse mit dem Fokus auf Prävention veranstalten.“

Sie lächelte ihn an und ließ ihn beinahe seinen Schwur vergessen, sich nie wieder von einer Frau aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. „Eine richtig gute Idee. In Rust Creek Falls sind öffentliche Versammlungen äußerst beliebt.“

„Ja, hier kommen die Leute gern zusammen.“

„Sie kennen also unser kleines Stück vom Paradies.“ Sie neigte den Kopf und musterte ihn. „Sind wir uns schon mal begegnet? Sie kommen mir bekannt vor.“

„Ich war schon öfter hier. Mein Bruder lebt ganz in der Nähe.“

„Aha, ein Besucher. Und Sie möchten zum Doktor. Tut mir leid, dass Sie sich nicht wohlfühlen.“

„Ich bin kein Patient.“

„Oh! Haben Sie etwas zu verkaufen?“

Jon versuchte sozusagen, sich selbst zu verkaufen – zumindest seine Persönlichkeit –, weil er mit dieser Frau zukünftig nämlich eng zusammenarbeiten würde. Doch Schlagfertigkeit zählte nicht zu seinen Stärken.

Schon spürte er, wie er sich verwandelte – in die Person, der seine Brüder den Spitznamen Professor zugedacht hatten. Sie ließ ihn förmlich, steif und distanziert erscheinen – einfach zu analytisch. Sich dagegen zu wehren, machte ihn immer sprachlos. „Ich bin hier, weil … Die Kinder …“

„Sie haben einen Termin für sie?“ Sie schaute sich an ihm vorbei nach seinem Nachwuchs um.

„Nein. Ich habe keine Kinder.“ Er grinste. „Zumindest nicht, dass ich wüsste.“

„Als Tourist wissen Sie es vielleicht nicht, aber dank Homer Gilmores Streich am Nationalfeiertag sind hier kürzlich einige Männer unverhofft Vater geworden. Darüber scherzt man nicht!“

„Es war ein dummer Witz, zugegeben.“

„Schon gut. Wir sind wohl immer noch ein bisschen sensibel, was den Vorfall angeht.“

„Das verstehe ich. Mein Bruder ist der mit gebranntem Schnaps gepanschten Bowle auch zum Opfer gefallen. Er hatte gerade auf seiner Ranch …“

Interessiert warf sie ein: „Sie sind also ein Cowboy!?“

„Nein, bin ich nicht“, widersprach er widerstrebend.

„Oh.“ Sie klang enttäuscht. „Die Druckknöpfe an Ihrem Hemd und die abgewetzten Jeans haben mich in die Irre geleitet. Entschuldigung.“

„Kein Problem.“

„Ich muss jetzt wieder an die Arbeit.“

Jon wollte ihre Gesellschaft noch ein bisschen länger genießen und redete daher einfach drauflos. „Viele Leute kleiden sich so, ohne dass sie Kühe hüten. Obwohl Sie OP-Kleidung tragen, habe ich daraus nicht geschlossen, dass Sie Ärztin sind. Doch ich bin überzeugt, dass Sie nicht die Rezeptionistin sind.“

Ihre Mundwinkel hoben sich. „Wieso sind Sie sich da so sicher?“

„Weil Sie ein Stethoskop tragen. Das braucht man wohl eher selten zum Telefonieren.“ Er grinste und stützte die Ellbogen auf den Empfangstresen. „Nach dem Ausschlussverfahren tippe ich darauf, dass Sie Krankenschwester sind. Wenn das zutrifft, und Sie schieben Telefondienst, dann bedeutet das eine Verschwendung Ihrer Ausbildung und Erfahrung.“

„Wir haben eine Rezeptionistin – irgendwo. Weil sie momentan nicht hier ist, hat sich mein Berufsbild spontan erweitert. Wenn Sie nicht krank sind und auch keinen Patienten begleiten … Haben Sie geschäftlich hier zu tun?“

„Streng genommen ist diese Praxis mein Geschäft.“ Oh Gott, ich klinge wie ein aufgeblasener Idiot! Es geschah nicht zum ersten Mal, dass er sich mit einer hübschen Frau unterhielt, also wo lag das Problem? Er legte ein Lächeln auf und streckte die Hand aus. „Ich bin Dr. Jonathan Clifton. Ich habe mit Emmet DePaulo …“

„Sie sind der neue Doktor!“ Plötzlich mangelte es ihrer Stimme an jeglicher Wärme, als hätte er Jack the Ripper als sein Alter Ego enthüllt. „Emmet hat uns gesagt, dass Sie erst in ein paar Tagen eintreffen.“ Ihre Wangen röteten sich. „Und ich habe Sie glatt für einen Cowboy gehalten.“

„Das sollten Sie öfter tun.“

„Was? Mich durch ein Versehen in Verlegenheit bringen?“

„Das natürlich nicht, aber rot werden. Das steht Ihnen ausgezeichnet.“

Ihre Augen verdunkelten sich argwöhnisch. „Ach so?“

Ups! Da bin ich wohl in ein Fettnäpfchen getreten. Kein Wunder! Sie kennt ja meinen Sinn für Humor noch nicht. Er beschloss, sie etwas näher über seine Person zu informieren, um den Kennenlernprozess zu beschleunigen. „Ich komme aus Thunder Canyon und habe dort mit Dr. Marshall Cates im Resort gearbeitet.“

„Ist dem so?“

„Ja. Als mir zu Ohren gekommen ist, dass hier Bedarf in meinem Fachgebiet herrscht, habe ich mich für ein Jahr verpflichtet.“

„Oh?“

Jon war sich nicht sicher, ob die einsilbige Bemerkung als Aufforderung gedacht war, weitere Details zu liefern. Als Arzt hatte er gelernt, dass es ratsam war, möglichst viele Fakten zu sammeln, um eine präzise Diagnose zu stellen. „Bestimmt kennen Sie meinen Bruder. Will Clifton. Wie gesagt, ihm gehört eine Ranch ganz in der Nähe, und ich bin in seinem Gästehaus untergekommen. Jedenfalls war ich im letzten Sommer dabei, als er versehentlich Jordyn Leigh geheiratet hat.“

Einen Moment lang presste sie die vollen Lippen zusammen. „Sie sagen das, als ob es auf Jordyns Seite Berechnung gewesen wäre!?“

„Verstehen Sie mich nicht falsch. Mir ist klar, dass Alkohol die Hemmschwelle senkt. Aber es erscheint mir unwahrscheinlich, dass Bowle – wie viel Alkohol auch immer hineingemixt wird – jemanden dazu verleitet, etwas zu tun, was er nicht wirklich will.“ Irgendwo im Hinterkopf registrierte er, dass ihre Augen Funken sprühten, doch er fuhr fort: „Demnach war bei der Zeugung der vielen Babys viel verantwortungsloses Handeln im Spiel.“ Er zuckte die Achseln. „Hätten die Leute es besser wissen sollen?“

„Haben Sie noch nie die Redewendung gehört, dass man niemanden verurteilen soll, in dessen Schuhen man nicht steckt?“

„Wollen Sie damit sagen, dass ich die Bowle hätte probieren müssen?“

„Wem der Schuh passt … Nebenbei bemerkt: Hineingemixt bedeutet, dass etwas ohne das Wissen desjenigen beigemischt wird, der es verzehrt.“

„Trotzdem …“

„Manchmal sind die Dinge komplizierter, als sie scheinen.“

Ich klinge nicht nur wie ein aufgeblasener Idiot, ich bin wohl auch einer. „Lassen Sie mich erklären …“

„Nicht nötig. Ich muss wieder an die Arbeit. Ich lasse Emmet wissen, dass Sie hier sind“, sagte sie in unterkühltem Ton und wandte sich ab.

Offensichtlich hatte er etwas geäußert, das ihr gegen den Strich ging. So gesehen war es gut, dass sie seine Gedanken nicht lesen konnte, denn ihm ging gerade durch den Kopf, dass sie den unförmigen OP-Kittel auf spektakuläre Weise ausfüllte. Gleichzeitig fiel ihm auf, dass sie ihm ihren Namen nicht genannt und er versäumt hatte, sich danach zu erkundigen.

Die Tür neben dem Empfang öffnete sich. Emmet DePaulo erschien. Der Vietnamveteran war in den Sechzigern, hochgewachsen und schlank, gelassen und großherzig. Er trug einen ordentlich gestutzten grauen Bart im verwitterten Gesicht und lächelte warmherzig.

Der ehemalige Sanitäter hatte eine Sonderausbildung zum Krankenpfleger absolviert, sodass er selbst ohne Doktortitel Patienten untersuchen und behandeln durfte. Nach diesem Berufsstand herrschte starke Nachfrage in ländlichen Gegenden mit Ärztemangel wie in Rust Creek Falls. Vor einigen Jahren hatte Emmet diese Praxis gegründet und mit fundiertem Fachwissen und viel Mut aufgebaut. Das verdiente Respekt. Die Leute in der Gegend vertrauten ihm.

Er begrüßte Jon mit einem kräftigen Händedruck. „Willkommen in Rust Creek Falls. Lassen Sie uns in meinem Büro reden.“

Gemeinsam gingen sie durch einen langen Korridor. Zu beiden Seiten zweigten Untersuchungsräume ab. Hinter einer der Türen hielt sich die hübsche Krankenschwester auf, die sich von Jon aus irgendeinem Grund gekränkt fühlte.

Emmet öffnete die letzte Tür, die in sein Arbeitszimmer führte. „Setzen Sie sich.“ Emmet nahm hinter dem Schreibtisch Platz und Jon davor. „Ich habe Sie erst nächste Woche erwartet.“

„Ich bin gestern angekommen und wollte mal reinschauen, um mich vorab zu orientieren.“

„Ist Ihnen langweilig?“

„Mag sein.“

„Sie haben ja gesehen, wie voll das Wartezimmer ist. Wir könnten Ihre Hilfe gut gebrauchen, falls Sie bereit sind, früher als geplant anzufangen.“

„Ich helfe Ihnen gern. Überbelastung würde erklären, warum die junge Frau am Empfang so … so …“

Mit funkelnden Augen warf Emmet ein: „Angespannt war?“

„So wollte ich es nicht ausdrücken. Allerdings wirkt sie ziemlich angestrengt.“

„Dawn …“

„Ist das ihr Name?“

„Ja. Dawn Laramie.“

„Ah.“ Hinter dieser einen Silbe verbarg Jon, dass der Name in seinen Augen bestens zu der Frau passte. Dawn wie die Morgendämmerung – sie ist genauso lieblich wie die Sonne, die über den Bergen aufgeht. Sein Gedanke verblüffte ihn. Schließlich war er Wissenschaftler und Mediziner, kein Dichter.

„Wir können uns sehr glücklich schätzen, sie im Team zu haben. Sie ist Kinderkrankenschwester und von der Intensivstation im Mountain’s Edge Hospital zu uns gewechselt.“

Jon stieß einen Pfiff aus. „Das ist eine beachtliche Strecke, von hier nach da zu pendeln.“

„Über eine Stunde, genau. Deshalb ist es mir auch gelungen, sie abzuwerben. In jedem Fall ist sie überarbeitet. Genau wie Callie Crawford, unsere Krankenpflegerin, und Brandy Walters, die Rezeptionistin.“

„Ich verstehe.“

„Rust Creek Falls erlebt gerade einen gewaltigen Bevölkerungszuwachs, und das bekommen wir hier in der Praxis deutlich zu spüren.“

„Versuchen Sie, mich abzuschrecken?“

„Gott bewahre! Ich will Ihnen nur klarmachen, worauf Sie sich einlassen.“

„Ich bin auf alles gefasst.“

„Gut. Zu Ihrer Beruhigung kann ich Ihnen sagen, dass Unterstützung unterwegs ist. Ein weiterer Arzt und eine Krankenschwester werden demnächst eintreffen.“

„Okay.“

Emmet stand auf. „Ich führe Sie herum und stelle Sie dem Personal vor. Dawn haben Sie ja bereits kennengelernt.“

Insgeheim wünschte Jon sich eine zweite Chance, um einen guten ersten Eindruck bei Dawn zu erwecken. Allerdings war er sich sicher, dass sie ihm den kleinen Wortwechsel verzeihen würde, sobald sie ihn erst einmal besser kannte.

Der neue Doktor.

Diese Formulierung rief höchst unangenehme Erinnerungen bei Dawn hervor. Mit einem neuen Doktor ist es mit meinem Leben den Bach runtergegangen.

Als Dr. Clifton an diesem Morgen aufgetaucht war, hatte sie geglaubt, dass der Tag nicht schlimmer werden konnte. Doch sie täuschte sich. Seiner Nähe auch nur geringfügig ausgesetzt zu sein, deaktivierte offensichtlich ihre Gehirnfunktion. Ihr war nämlich total entfallen, dass Jamie Stockton mit seinen Drillingen zur monatlichen Kontrolluntersuchung angemeldet war. Da sie die einzige Sprechstundenhilfe in der Praxis war, musste sie bei dem Check-up anwesend sein.

Ein Termin der sechs Monate alten Frühchen warf den neuen Doktor gleich an seinem ersten Arbeitstag ins kalte Wasser. Beinahe könnte er mir leidtun – wenn ich mich nicht selbst bemitleiden müsste.

Die meisten Arzthelferinnen wären in Entzückung geraten über die Gelegenheit, auf engstem Raum mit dem attraktiven Arzt zu arbeiten. Die meisten sind ja auch nicht von einem neuen Stationsarzt belogen und betrogen worden. Doch genau das war Dawn passiert. Deshalb hatten in ihrem Kopf alle Alarmglocken geläutet, als Dr. Clifton ihr geraten hatte, öfter zu erröten.

Doch er war nun mal Emmets Joker, und die Praxis brauchte seine Unterstützung. Ihre Aufgabe bestand darin, ihm zu assistieren, und sie legte Wert darauf, gute Arbeit zu leisten.

Sobald sie Jamie Stockton auf dem Parkplatz aus seinem Auto steigen sah, lief sie durch die Hintertür zu ihm. Er war groß und muskulös, blond und blauäugig und von Schwermut umgeben, seit seine Frau im Februar bei der Entbindung gestorben war und er allein seine Ranch bewirtschaften und die Drillinge aufziehen musste.

„Hi, Jamie, wie geht’s?“

Er seufzte. „Bin müde.“

„Das kann ich mir denken.“ Sie nahm sich vor, nie wieder über Erschöpfung zu klagen. Dieser alleinerziehende berufstätige Vater konnte seit Monaten keine Nacht durchschlafen und hatte wenig Aussicht, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern würde. Er reichte ihr eine der Babyschalen, während er die beiden anderen zur Praxis trug.

„Wir gehen wie immer in Nummer vier, aber diesmal wird unser neuer Doc die Kleinen untersuchen.“

„Okay.“

Der neue Doktor erwartete sie bereits. „Mr. Stockton, ich bin Jonathan Clifton.“

„Freut mich, Doc.“ Jamie stellte die Babyschalen ab und schüttelte dem Doktor die Hand. „Ich bin Jamie, und das sind Henry, Jared und Kate.“

„Okay. Bitte nennen Sie mich Jon.“ Er musterte die Babys, die tief und fest schliefen. „Da haben Sie ja einen hübschen Haufen. Niedliche Kinder.“

„Warten Sie ab, bis alle gleichzeitig anfangen zu schreien.“

„Das schreckt mich nicht ab. Es bedeutet ja auch, dass sie gesund sind.“ Dr. Clifton wirkte zuversichtlich und kompetent, freundlich und nahbar. „Trotzdem ist es schade, sie zu wecken. Die Untersuchung wird ihnen nicht gefallen, aber wir machen es im Fließbandstil und legen sie gleichzeitig auf den Untersuchungstisch. Jamie, Sie haben die Aufsicht und passen auf, dass keiner runterfällt. Dawn, Sie ziehen sie bis auf die Windel aus und reichen sie mir nacheinander zum Wiegen und Messen.“

Bisher war immer ein Kind nach dem anderen vollständig untersucht worden. Sie musste zugeben, dass die Prozedur auf die neue Weise effektiver und schneller vonstattenging. Dann kam der heikelste Teil: das Abhören. Doch Dr. Clifton wärmte das kalte Kopfstück des Stethoskops zwischen den Händen, bevor er die winzigen Brustkörbe damit berührte.

Dawn war stets bemüht, professionell Gesundheitsfürsorge zu leisten, wobei die Betonung auf professionell lag. Deshalb alarmierte es sie, dass ihr Herz höherschlug, während sie seine großen Hände so sanft mit den winzigen Wesen umgehen sah. Dazu kam, dass der neue Doktor aufreizend maskulin roch und umwerfend attraktiv war. Verflixt! Warum kann er nicht wie ein Hobbit aussehen?

Nachdem er das letzte Baby untersucht hatte, verkündete er zufrieden: „Henry, Jared und Kate sind kerngesund.“

Jamie entspannte sich sichtlich. „Schön, das zu hören.“

„Bestimmt hat Ihnen jemand bei der Geburt erklärt, dass Frühchen im Vergleich zu reif geborenen Babys ein bisschen unterentwickelt ins Leben treten. Die meisten holen diesen Rückstand in ein bis zwei Jahren auf.“

„Ja, das wurde mir gesagt.“

„Demnach sind sie in ihrer körperlichen Entwicklung momentan auf dem Stand von vier Monate alten Säuglingen, obwohl sie fast sechs Monate alt sind.“

Ein Anflug von Panik trat in Jamies Augen. „Ist das ein Problem?“

„Keineswegs. Ich erwähne es nur, weil ab sechs Monaten eine Grippeimpfung empfohlen wird.“ Dr. Clifton warf Dawn einen bedeutungsvollen Blick zu – offensichtlich, weil er sich an das charmante Gespräch über Grippe erinnerte.

Hätte sie zu dem Zeitpunkt schon geahnt, wer er war, dann hätte sie sich nicht von seiner erfrischenden Art faszinieren lassen. Sie hatte schließlich auf die harte Tour gelernt, dass man neuen Ärzten in einem Team nicht vertrauen sollte.

„Ich verstehe nicht ganz“, sagte Jamie.

„Es bedeutet, dass wir noch zwei Monate mit der Impfung warten müssen, bis ihre Entwicklung weiter fortgeschritten ist. Das ist aber nicht weiter schlimm.“

„Wie Sie meinen, Doc.“

„Da ist noch etwas, das Sie wissen sollten. Bei manchen Frühchen sind die Lungen nicht voll entwickelt, und ein Virusinfekt könnte problematisch werden, falls das Immunsystem geschwächt ist.“

„Muss ich mir Sorgen machen?“, fragte Jamie alarmiert.

Ein Baby begann zu weinen. Das rosa Armbändchen verriet, dass es Kate war. Dr. Clifton hob sie hoch und wiegte sie auf dem Arm. „Es ist alles gut, Kleines. Du und deine Brüder, ihr seid ganz gesund.“

Beim Klang seiner sanften tiefen Stimme verstummte das Mädchen und blickte ihn mit großen blauen Augen an.

Dawn fragte sich, ob alle weiblichen Wesen so reagierten – wie Wachs in seinen Händen, weil sie empfänglich waren für sein attraktives Gesicht, hinter dem sich womöglich eine ausschweifende narzisstische Natur verbarg.

„Nein, nein, kein Grund zur Sorge. Ihre Lungen klingen völlig normal. Ich möchte Ihnen nur vorbeugende Maßnahmen empfehlen. Sie sollten die Drillinge von Kranken fernhalten und alle Orte meiden, an denen Menschen und Krankheitserreger gehäuft auftreten. Wie zum Beispiel in Kirchen oder Shoppingcentern.“

Jamie lächelte flüchtig. „Kein Problem. Shopping steht nicht besonders weit oben auf meinem Programm.“

„Das dachte ich mir schon.“ Dr. Clifton schmunzelte. „Das gilt auch für Kindertagesstätten.“

„Dank der Familienpaten brauche ich keine.“

„Dank was?“

„Die Familienpaten – das sind freiwillige Helfer, die abwechselnd zu mir nach Hause kommen und sich um die Drillinge kümmern, während ich auf der Ranch arbeite.“ In Jamies Augen trat ein entrückter Blick. „Ich habe mir immer eine große Familie gewünscht, aber so hatte ich es mir nie vorgestellt.“

„Ihre Frau zu verlieren, muss hart für Sie gewesen sein“, sagte Dr. Clifton in mitfühlendem Ton.

„Ja, das war es. Und jetzt sind diese drei Kleinen von mir abhängig. Es war nicht leicht, mich auf die Situation einzustellen.“ Jamie begann, Jared anzuziehen. „Die Familienpaten sind meine Rettung. Ich weiß wirklich nicht, was ich ohne sie anfangen würde.“

„Das werden Sie nie herausfinden müssen.“ Dawn zog Henry an. „Hier in Rust Creek Falls kümmern sich die Leute umeinander.“

„Momentan machen die Kleinen viel Arbeit, aber es wird leichter“, prophezeite Dr. Clifton. „Später kommen allerdings neue Herausforderungen auf Sie zu. Wenn sie anfangen zu krabbeln, ist es wie Kälber einfangen.“

Jamie grinste. „Damit habe ich Erfahrung.“

Dawn war total verblüfft. Sie hatte Jamie noch nie belustigt erlebt, doch der neue Doktor hatte ihm gleich drei Mal ein Lächeln entlockt. Er schien jeden um sich herum zu bezirzen, und die kleine Kate ruhte völlig zufrieden in seinen starken Armen.

Der Anblick hätte Dawn beinahe dahinschmelzen lassen. Doch für sie war es wie ein Déjà-vu-Erlebnis. Sie war schon einmal auf einen attraktiven Arzt hereingefallen, nur um herauszufinden, dass er es mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Sie wusste es besser, als jetzt für Dr. Traummann ins Schwärmen zu geraten.

Der fragliche Traummann übergab Kate ihrem Vater. „Und ich kann nicht genug betonen, wie wichtig es ist, sich häufig und gründlich die Hände zu waschen.“

„Verstanden, Doc.“ Jamie zog seine Tochter an und verstaute die Drillinge in den Babyschalen.

Dr. Clifton nahm einen Zettel vom Schreibtisch und notierte etwas darauf. „Meine Handynummer. Sie können mich jederzeit anrufen, bei Tag und Nacht. Wegen der Babys oder wenn Sie einfach nur reden wollen.“

Jamie steckte den Zettel ein. „Danke, Doc. Bis zum nächsten Mal.“

„Ich freue mich darauf!“, erwiderte Dr. Clifton, und es klang aufrichtig.

Dawn ging mit Jamie zum Parkplatz und half ihm, die Babyschalen im Auto zu befestigen. Als er davonfuhr, blickte sie ihm gedankenverloren nach.

Der Anblick des neuen Doktors mit dem winzigen Baby auf dem Arm spukte ihr im Kopf herum. Die Szene hätte das Herz jeder durchschnittlichen Frau höherschlagen lassen, und Dawn bildete keine Ausnahme.

Doch sie hatte sich geschworen, nie wieder auf einen Mann hereinzufallen und sich von ihm ausnutzen zu lassen. Im Gegensatz zu der damaligen Episode wusste sie inzwischen, was sie zu tun hatte.

Ich gebe mich bei der Arbeit vollkommen professionell. Ich ignoriere seinen Charme. Und vor allem treffe ich mich niemals außerhalb der Praxis in meiner Freizeit mit ihm.

2. KAPITEL

Jon sank in den Sessel hinter seinem Schreibtisch und seufzte tief. Es tat gut, eine Atempause einzulegen. Er liebte seinen Beruf und konnte sich nicht vorstellen, jemals etwas anderes zu tun. Aber er war trotzdem heilfroh, dass dieser zweite Tag zu Ende ging. Zu Mittag war ihm kaum Zeit geblieben, ein Sandwich zu verschlingen. Wie war das Personal mit dem Patientenandrang zurechtgekommen, bevor er als Kinderarzt übernommen hatte? Emmet, Callie und Dawn waren trotz seiner tatkräftigen Mithilfe den ganzen Tag unermüdlich auf den Beinen gewesen.

Dawn …

Ohne sie wäre er nicht zurechtgekommen. Sie dagegen kam offensichtlich bestens ohne ihn aus. Und das ärgerte ihn. Nach seinem eher negativen ersten Eindruck auf sie hatte er sich ihr gegenüber bewusst liebenswürdig und charmant gegeben und hatte sie damit anscheinend nur noch mehr gegen sich aufgebracht.

Er hielt sich gewiss nicht für einen Frauenversteher, besaß jedoch durch seine Schwestern einige Erfahrung, wie er mit dem weiblichen Geschlecht umzugehen hatte. Dawn gab ihm allerdings übermäßig schwierige Rätsel auf. Zunächst war sie ihm freundlich begegnet, bis sie herausgefunden hatte, dass er der neue Doktor im Team war. Ab diesem Moment war sie zurückgeschreckt, als würde er radioaktiv strahlen, und er konnte sich den Grund partout nicht erklären.

Womöglich war seine Fähigkeit zum Umgang mit Kollegen etwas eingerostet, nachdem er so lange im abgeschieden gelegenen Thunder Canyon Resort gearbeitet hatte. Allerdings schien niemand sonst in der Praxis Probleme mit ihm zu haben. Außerdem suchte er ja nicht nach einer Lebensgefährtin, sondern nur nach einer freundlichen, netten Arbeitskollegin. Ist das denn zu viel verlangt?

Er seufzte erneut und startete sein Laptop. Bevor er sich an die Arbeit machen konnte, klopfte es an die Tür. „Herein!“

Dawn trat mit einem Notepad in der Hand ein. Da er jeden anderen, nur nicht sie erwartet hatte, stockte ihm der Atem – angesichts ihrer natürlichen Schönheit fühlte er sich plötzlich unbeholfen wie ein Teenager. Jedoch ärgerte ihn ihre frostige Miene. Eigentlich verlangte es die Höflichkeit, dass er sich nach ihrem Anliegen erkundigte. Da sie ihn jedoch den ganzen Tag mit Missachtung gestraft hatte, wollte er nun sie zwingen, das Gespräch zu eröffnen.

„Es tut mir leid, dass ich Sie unterbreche“, verkündete sie schließlich.

„Ich habe noch nicht angefangen, also unterbrechen Sie mich eigentlich nicht.“ Jon deutete zu den Stühlen vor dem Schreibtisch. „Setzen Sie sich.“

„Nicht nötig.“

Autor

Teresa Southwick
<p>Teresa Southwick hat mehr als 40 Liebesromane geschrieben. Wie beliebt ihre Bücher sind, lässt sich an der Liste ihrer Auszeichnungen ablesen. So war sie z.B. zwei Mal für den Romantic Times Reviewer’s Choice Award nominiert, bevor sie ihn 2006 mit ihrem Titel „In Good Company“ gewann. 2003 war die Autorin...
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