Der Prinz, den ich heiraten musste

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Prinzessin Lili heiratet Prinz Alex einzig und allein, um der Pflicht gegenüber ihrem Land zu gehorchen. Als sie mit ihm zur Hochzeitsreise auf der Fürstenjacht aufbricht, hat sie all ihre romantischen Träume bereits begraben. Zu Unrecht? Schon bald erlebt sie eine Überraschung …


  • Erscheinungstag 15.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754808
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Welcher deiner Söhne hat meine unschuldige Tochter geschwängert?“, fragte König Leo von Alagonien aufgebracht, nachdem die Tür zum Speisezimmer der Fürstin von Montedoro hinter ihm und seiner Tochter ins Schloss gefallen war.

Er ließ den Blick über die Familie Bravo-Calabretti schweifen, die gerade beim gemeinsamen Frühstück saß. Da waren Ihre Hoheit Adrienne und Prinzgemahl Evan, die vier Söhne und fünf Töchter sowie die zwei Kinder des Thronfolgers Maximilian und die junge Frau des Zweitgeborenen Rule.

„Wer ist der Schuldige? Wer hat mein einziges Kind entehrt?“

Kronprinzessin Liliana, die nahe der Tür stehen geblieben war, wäre am liebsten im Boden versunken. Konnte es noch schlimmer kommen? Vermutlich schon. Sie hatte mit allen Mitteln versucht zu verhindern, dass ihr Vater von ihrer Schwangerschaft erfuhr. Zumindest so lange, bis sie mit dem Prinzen sprechen konnte, mit dem sie geschlafen hatte. Was zweifellos ein schrecklicher Fehler gewesen war.

Aber er hatte weder auf ihren Brief geantwortet noch auf die beiden heimlichen Telefonanrufe reagiert. Und bevor sie entschieden hatte, wie sie weiter vorgehen wollte, hatte ihr Vater herausgefunden, dass sie in anderen Umständen war.

Seit Wochen hatte er sie bedrängt, ihm zu erzählen, was mit ihr los sei, da sie blass war und kaum noch lächelte. Sie hatte ihm immer wieder versichert, dass alles in Ordnung sei. Doch beim gestrigen Abendessen war es dann passiert. Ihr war übel geworden, als sie das Lammfleisch gerochen hatte. Sie hatte eilig ihr Apartment aufgesucht, und ihr Vater war ihr bis ins Bad gefolgt. Dort hatte er ihren Kopf gehalten, während sie sich übergeben hatte.

Er war außer sich vor Sorge um sie gewesen und davon überzeugt, dass sie schwer krank sein musste. Sie hatte ihm erklärt, es wäre nur eine kleine Magenverstimmung, aber er hatte sich nicht beruhigen lassen.

Daher hatte er das Personal ausgefragt. Die Bediensteten liebten Liliana und hatten versucht, sie zu beschützen. Sie hatten behauptet, sie hätten keine Ahnung. Aber Angestellte wussten immer, was los war. Und Lilis Vater konnte mit seiner energischen, polternden Art und den wilden Drohungen, die er zuweilen ausstieß, Angst und Schrecken verbreiten. Schließlich war eine junge Kammerzofe in Tränen ausgebrochen und hatte ihm alles erzählt.

Zunächst hatte er getobt und seiner Tochter zugesetzt, ihm den Namen des Mistkerls zu nennen, der sie ausgenutzt hatte. Sie war standhaft geblieben und hatte nichts verraten. Aber ihr Vater war sicher gewesen, dass es einer der Prinzen aus der Familie Bravo-Calabretti sein musste, mit der das Königshaus schon jahrzehntelang befreundet war.

Und leider hatte er mit seiner Vermutung recht gehabt.

In den frühen Morgenstunden hatte er dafür gesorgt, dass sie mit ihm im königlichen Jet nach Nizza flog. Alagonien war ein Inselstaat vor der spanischen Küste und Montedoro ein kleines Fürstentum an der Côte d’Azur.

Fünf Stunden später standen Lili und ihr Vater im Palast der Familie Bravo-Calabretti.

„Der Schuldige soll sich erheben und mir in die Augen sehen.“

Alle Bravo-Calabrettis sahen zu ihnen hin. Aus Angst, den Betreffenden zu verraten, vermied Lili es, jemanden direkt anzublicken, und hoffte, er würde sich nicht melden. Irgendwann würde ihr Vater sich schon wieder abregen. Danach könnten sie und der Prinz die Situation unter vier Augen besprechen, wie sie es schon lange hätten tun sollen.

„Ich fordere Genugtuung. Und zwar sofort!“

Wieder herrschte Stille. Im nächsten Moment wandten alle Bravo-Calabrettis – bis auf die Kinder – langsam den Kopf in Richtung Damien. Lili wunderte sich nicht, denn er war ein Frauenheld.

Sie allein wusste, dass weder er noch sein Bruder Rule die Schuldigen waren.

„Ich habe mir bereits gedacht, dass du es bist, Damien.“ König Leo zog das Zeremonienschwert, das er sich vorm Verlassen des Fliegers umgegürtet hatte und nahm eine Kampfhaltung ein. „Steh auf und stell dich mir, du elender Mistkerl.“

Lili fühlte sich entsetzlich. Ihr Vater war ein fairer Mann und guter König – außer wenn er wütend war. „Papa, bitte. Es geht dich nichts an. Das ist eine Sache zwischen mir und dem Vater meines Kindes. Hör auf, und zwar sofort!“

Ihr Vater ignorierte sie und machte mehrere Ausfallschritte, als Damien sich erheben wollte. Bevor Lili noch erklären konnte, dass er es nicht gewesen war, stand sein Zwillingsbruder Alex auf.

„Ich bin der Schuldige.“

Lili schlug die Hand vor den Mund und schluckte. Ja, Alex hatte keine andere Wahl, als nun Farbe zu bekennen. Er konnte nicht einfach zusehen, wie ihr Vater sich auf Damien stürzte.

Schockiert sahen alle zu Alex herüber. Was sie nicht überraschte. Sie konnte ja selbst kaum glauben, dass sie mit ihm geschlafen hatte. Es war schließlich kein Geheimnis, dass sie sich nicht mochten. Außerdem schien er sich nach der Rückkehr aus seiner vierjährigen Gefangenschaft in Afghanistan von Frauen fernzuhalten.

Trotzdem hatten sie in der zweiten Aprilwoche miteinander geschlafen. Es war nur ein einziges Mal gewesen. Doch hatte es genügt, um ihr Leben für immer zu verändern.

„Alexander?“

Ihr Vater wirkte einen Moment lang fassungslos. Aber dann wurde er wieder wütend. Er hob das Schwert, das er zuvor hatte sinken lassen und näherte sich Alex. Dieser stand reglos da und war offenbar bereit, jede Bestrafung zu akzeptieren.

„Halt!“, befahl Lili, doch König Leo ignorierte sie erneut.

Sie eilte herbei, um ihm den Weg abzuschneiden, als Adrienne aufstand und sich zwischen den König und Alex stellte. Sie sah zufrieden aus. Als würde sie sich freuen, dass ihr finsterer, verschlossener Sohn zumindest kurzzeitig wieder zum Leben erwacht war. Selbst wenn er Lili, die für sie wie eine Tochter war, geschwängert hatte.

„Leo“, sagte sie mit sanfter Stimme und lächelte ihn an. „Ich finde es schön, dass du gekommen bist. Das ist doch die perfekte Gelegenheit, um die Hochzeit zu besprechen, meinst du nicht auch?“

2. KAPITEL

Den ganzen Tag über gab es geheime Meetings. Niemand stellte die Eheschließung infrage. Sie sollte in den nächsten zwei Tagen stattfinden. Darin waren sich alle einig. Bis auf Lili. Aber niemand hörte ihr zu, selbst wenn sie pausenlos redete. Über die Liebe. Über Beziehungen. Über ihre Rechte als Frau im einundzwanzigsten Jahrhundert.

„Es geht nur Alexander und mich etwas an“, betonte sie immer wieder. Oder: „Ich werde keinen Mann heiraten, der mich nicht liebt.“ Oder: „Wie könnt ihr einfach weiter planen, wenn ich schon wiederholt gesagt habe, dass Alex und ich zuerst allein miteinander sprechen müssen. Wir müssen eine gemeinsame Basis finden, bevor wir überhaupt so etwas Monumentales wie eine Hochzeit erwägen können.“

Jeder ließ sie reden, denn alle wussten, dass man sie nicht „abschalten“ konnte. Und Alex war ihr keine Hilfe. „Wir müssen uns allein unterhalten“, sagte sie mehrfach eindringlich zu ihm. Doch er blickte sie bei diesen Gelegenheiten nur stumm und ausdruckslos an, bis sie schließlich wegschaute.

Während der endlosen Meetings tätschelte Adrienne ihr zuweilen die Hand oder umarmte sie kurz. Danach berieten alle anderen weiter, was zu tun war. Alex machte zweifelsfrei klar, dass er Lili selbstverständlich heiraten würde und schwieg sich ansonsten aus.

Was sollte er auch sagen? Er stand immer noch unter Schock, dass die dumme Lili oder Silly Lili, wie er sie früher immer genannt hatte, schwanger von ihm war. Hätte er bloß ihren Brief gelesen oder auf ihre Anrufe reagiert! Aber er hatte angenommen, dass sie lediglich ihren Hang zum Dramatischen ausleben wollte, den sie von ihrem Vater geerbt hatte. Er war sicher gewesen, dass sie ihm etwas vorweinen und ihn beschimpfen würde, ein Schuft und Verführer unschuldiger Frauen zu sein.

Wie hatte er sich nur mit ihr einlassen können? Sein Verhalten widerte ihn selbst an. Er war kein Verführer unschuldiger Frauen! Jedenfalls nicht bis zu dem Tag vor zwei Monaten, als er jemanden vor der Tür seines Apartments im Palast hatte schluchzen hören. Noch immer wusste er nicht, was ihn bewogen hatte, nachzuschauen.

Er hatte die Tür ein wenig geöffnet und Lili entdeckt, die im Flur auf dem Boden kniete. Die langen goldblonden Haare hatten ihr hübsches Gesicht verborgen, und ihre schmalen Schultern hatten in einem fort gezuckt. Sie musste etwas gehört haben, denn sie hatte aufgesehen und ihn angeschaut.

„Oh, Alex!“, hatte sie gerufen und war aufgestanden. „Etwas Schreckliches ist geschehen! Dein Bruder Rule hat eine andere Frau geheiratet.“

Anstatt sich schnell in sein Apartment zurückzuziehen, hatte er die Tür weiter geöffnet. Was Lili wohl als Aufforderung verstanden hatte. Sie hatte sich schluchzend in seine Arme gestürzt, bis sein Hemd von ihren Tränen ganz durchnässt war.

Statt sie abzuwimmeln, hatte er sie mit in sein Wohnzimmer genommen, wo sie ihm auf dem Sofa weinend ihr Leid geklagt hatte. Dass Rule sie nicht heiraten würde. Dass er sie nicht liebte und nie geliebt hatte. Dass sie für ihn immer nur eine kleine Schwester gewesen wäre.

Als sie irgendwann Atem geholt hatte, hatte er ihr ein Taschentuch gereicht und ihr erklärt, dass es auf der Welt so viel wirkliches Leid gab. „Siehst du nicht, wie unwichtig deine Probleme im Vergleich dazu sind?“, hatte er sie gefragt. Da hatte sie empört aufgeschrien und mit der Hand ausgeholt, um ihn zu ohrfeigen.

Ach, hätte er sie nur machen lassen! Dann hätte sie ihren Frust wenigstens abreagieren können. Stattdessen hatte er sie daran gehindert und ihr Handgelenk ergriffen. Und genau da war es passiert. Er wusste noch immer nicht, wie und warum.

Plötzlich hatte sie in seinen Armen gelegen und so bezaubernd geduftet wie die gleichnamige Blume. Ja, Silly Lili hatte ihn … überwältigt. Sie in den Armen zu halten hatte sich angefühlt, als würde es wieder Hoffnung, Licht und all die guten Dinge des Lebens geben, die für ihn verloren gewesen waren.

Ihre Haut hatte sich samtweich angefühlt, und ihre Augen waren so faszinierend blau wie ein Lapislazuli. Ihre Lippen waren ganz nah an seinem Mund gewesen. Sie hatte sie geöffnet und geseufzt – da hatte irgendetwas bei ihm ausgehakt.

Dann war es passiert, und es war perfekt und sehr schön gewesen.

Mit Lili – ausgerechnet mit Lili.

Danach hatte sie ihn zärtlich und zufrieden angelächelt und ihre Hand auf seine Wange gelegt.

„Alex“, hatte sie geflüstert, als wäre sein Name etwas Wunderbares.

Er hatte es genauso wenig ertragen können wie ihren Blick. Sie sollte ihn nie wieder so ansehen! Also hatte er sie aufgefordert, zu gehen. Was sie gemacht hatte. Sie hatte sich stumm angezogen und das Apartment verlassen, ohne ihn noch einmal anzuschauen.

Als er wieder allein gewesen war, hatte er geflucht und sich zu Recht einen Narren gescholten. Anschließend hatte er sich gesagt, es sei für Lili das Beste, wenn sie diese unglückselige Begegnung einfach vergessen würden. Wenn sie weiter ihr Leben führen würden, als wäre nichts passiert.

Das hatte er jedenfalls versucht. Doch dann war der Brief eingetroffen, den zu öffnen er sich verboten hatte. Danach hatte sie ihn zweimal telefonisch zu erreichen versucht und ihn um Rückruf gebeten. Da sie keinen Grund genannt hatte, war er der Bitte nicht nachgekommen.

Inzwischen war ihm klar, warum sie ihn kontaktiert hatte. Jetzt ergab das alles einen Sinn.

Natürlich konnten sie nicht mehr so tun, als wäre zwischen ihnen nichts geschehen. Nun galt es, die Situation auf die bestmögliche Art und Weise zu retten. Was hieß, dass er und Lili schnellstens heiraten sollten. Nicht zuletzt, damit das ungeborene Kind seinen Namen erhielt.

Jahrelang hatte alle Welt geglaubt, dass aus Rule und Lili irgendwann einmal ein Paar werden würde. Aber sein Bruder hatte sich in eine andere verliebt. In politischer Hinsicht machte es keinen Unterschied, ob Lili mit ihm oder Rule den Bund fürs Leben schloss. Die Beziehungen zwischen Montedoro und Alagonien würden in beiden Fällen gestärkt.

„Warum sollte ich Alex heiraten?“, fing Lili am Nachmittag wieder mit dem alten Thema an. „Wir lieben uns nicht und mögen uns nicht einmal. Wenn wir überstürzt vor den Altar treten, steuern wir geradeswegs in eine Katastrophe herein.“

Böse sah Leo sie an, aber wenigstens brüllte er nicht. „Er ist der Vater deines Kindes, Liliana. Du bist schon im zweiten Monat. Wir dürfen keine Zeit mehr verschwenden, und du hast keine andere Wahl.“

„Wie bitte? Natürlich habe ich eine Wahl. Wir leben nicht mehr im Mittelalter. Heutzutage hat selbst eine Prinzessin das Recht …“

„Pst, Lili, beruhige dich.“ Die Fürstin tätschelte ihr die Hand. „Alles wird gut. Du wirst sehen.“

„Aber Adrienne …“

„Denk doch mal nach.“ Alex’ Mutter strich ihr über die Wange. „Das Ganze könnte eine Monarchiekrise in Gang bringen. Was natürlich niemand will. Selbstverständlich ist das in vieler Hinsicht engstirnig und rückständig, aber für uns gelten nun einmal andere Regeln. Man legt bei uns höhere Maßstäbe an. Weder dein noch Alex’ Vater oder ich möchten, dass unsere Namen durch den Schmutz gezogen werden oder das Ansehen unserer Familien verunglimpft wird. Du willst doch nicht, dass dein Baby unehelich zur Welt kommt, oder? Dieses Kind wird laut Erbfolge einmal Alagonien regieren. Niemand darf dieses Recht infrage stellen.“

„Ich … ich …“ Lilis Lippen begannen, verdächtig zu zittern.

Adrienne breitete die Arme aus, und Lili flüchtete sich in sie hinein. Zärtlich streichelte die Fürstin ihr über den Rücken. „Dann ist es also beschlossen. Für die Öffentlichkeit seid ihr beide bereits seit einer Weile heimlich verliebt und habt schon geheiratet. So dürfte es keine Spekulationen geben, was die rechtmäßige Stellung des Kindes betrifft“, sagte sie in die Runde. Lili schluchzte kurz auf, hielt aber ausnahmsweise einmal den Mund.

Offiziell würde es heißen, dass Alex und Lili ihren Familien erst jetzt von der Hochzeit erzählt hätten, die vor über zwei Monaten stattgefunden hatte. Und dass Alex nach seinen schrecklichen Erlebnissen in Afghanistan keine große Feier ertragen hätte, weshalb sie den Treueschwur vor einem mitfühlenden Priester in aller Stille abgelegt hatten. Die beiden Familien waren darüber zwar sehr überrascht, freuten sich jetzt aber sehr über die Verbindung.

Stunden später waren die nötigen Verträge endlich unterschrieben, sodass die tatsächliche Trauung morgen heimlich stattfinden konnte. Nach einem informellen Abendessen in Adriennes Räumen war Alex dann froh, sich für heute verabschieden zu dürfen.

Er würde für immer an Lili gebunden sein. Wenn er in ihrem Tränenstrom nicht ertrank, würde er höchstwahrscheinlich in ihrem Redefluss untergehen. Aber irgendwann würde sie es leid sein, gegen eine Tür zu trommeln, die er nie aufmachen würde. Sie würde ihn in Ruhe lassen und sich um ihr gemeinsames Kind kümmern. Um ihr Kind und um ihre Pflichten als zukünftige Königin von Alagonien.

An diesem Abend konnte er einfach keine Ruhe finden. Also zog er Sportsachen an und ging zu den Männern der neuen montedorischen Spezialeinheit, die maßgeblich auf seine Initiative hin aufgebaut wurde. Über ein Tunnelsystem unterhalb des Palasts konnte er die Unterkünfte und Trainingseinrichtungen dieser geheimen Kommandotruppe jederzeit unbehelligt erreichen.

Lili blickte auf den Wecker auf ihrem Nachttisch. Es war jetzt kurz nach eins. Seit Stunden wälzte sie sich im Bett hin und her. Sie sollte einen Mann heiraten, den sie nicht mochte und der sie für eine nichtsnutzige, dumme Person hielt, die zu viel redete.

Was hätte sie nicht alles darum gegeben, dieser unseligen Hochzeit morgen entgehen zu können! Aber es gab keinen Ausweg. Adrienne hatte recht. Für sie als Kronprinzessin galten andere Regeln. Sie hatte die Pflicht, ihre Gefühle und Wünsche zu ignorieren und Alex zu heiraten.

Was ich um des Kindes und um Alagoniens willen auch tun werde, dachte Lili resigniert. Mit Alex würde sie den Traum von der ewigen Liebe nicht verwirklichen können.

Sie kannte ihn bereits ihr Leben lang, da sie schon als Kind oft in Montedoro gewesen war. Er hatte immer eine eher kühle, distanzierte Art gehabt. Seit seiner Rückkehr aus Afghanistan wirkte er jedoch eisig und hielt seine Mitmenschen normalerweise weit auf Abstand.

Ein kalter Schauer überlief Lili bei dem Gedanken, dass sie für immer an ihn gefesselt sein würde. An einen Mann, der nie lächelte und der durch sie hindurchsah. Das einzig Gute an dieser Ehe würden die Momente sein, wenn sie sich liebten. Denn mit ihm zu schlafen, war einfach wunderbar gewesen.

Beim Gedanken daran seufzte sie sehnsüchtig. Es war fantastisch gewesen, in seinen Armen zu liegen. An jenem Tag im April hatte er ihr den Himmel auf Erden geschenkt – und sie danach herzlos zum Gehen aufgefordert.

Wie wird es für unser Kind werden, überlegte sie dann. Es würde mit einem kühlen, distanzierten Vater aufwachsen müssen. Ihr eigener Vater war sicher nicht perfekt. Aber seine bedingungslose Liebe war immer ein Grundpfeiler von Lilis Leben gewesen. Ohne ihn hätte sie nicht gewusst, wie sie die schwere Zeit nach dem Tod der Mutter vor fünf Jahren hätte überstehen sollen.

Nein, ich darf nicht zulassen, dass mein Kind mit einem solchen Vater groß wird, dachte Lili und setzte sich im Bett auf. Sie konnte Alex morgen nicht heiraten. Es sei denn, sie einigten sich vorher auf eine akzeptable Basis für ein gemeinsames Leben.

Schon stand sie auf, streifte den Morgenmantel über und schlüpfte in ihre Pantoletten. Bevor sie der Mut verließ, eilte sie aus der Suite, die sie immer bewohnte, wenn sie im Fürstentum zu Besuch war.

Glücklicherweise begegnete ihr niemand, als sie die Flure entlang zu Alex’ Apartment huschte. Sie klopfte einmal an die Tür, dann ein zweites Mal. Als keine Reaktion erfolgte, betrat sie die Wohnung und schloss die Tür wieder hinter sich. In der Diele brannte Licht.

„Alex? Bist du da?“ Sie erhielt keine Antwort. „Alex, wir müssen reden“, sagte sie laut und ging in den Wohnraum, der ebenfalls erleuchtet war. Aber dort war niemand. Also lag er vermutlich im Bett.

Ein paar Minuten später klopfte sie an die Schlafzimmertür. Energisch schob sie jeden Gedanken an den sonnigen Aprilvormittag beiseite, an dem er sie über genau diese Schwelle getragen hatte. „Alex … Alex?“

Als sich wieder nichts tat, öffnete sie die Tür, und es empfing sie Dunkelheit. Von der Diele aus fiel etwas Licht in den Raum. Sie meinte, ein leeres Bett zu erkennen und knipste das Licht an. Das Bett war völlig unberührt. Wo, in aller Welt, war Alex? Vielleicht im angrenzenden Bad?

Nein, auch dort war er nicht. Plötzlich verließ Lili all ihre Kraft. Sie kehrte ins Schlafzimmer zurück und ließ sich ermattet aufs Bett sinken.

Was sollte sie jetzt machen? Während sie noch überlegte, erblickte sie auf dem Nachttisch ein Foto. Es zeigte zwei lächelnde junge Männer in einem offenen Jeep in der Wüste. Alex und seinen amerikanischen Freund. Jenen Freund, der mit ihm in Gefangenschaft geraten war und diese nicht überlebt hatte. Lili kannte keine Einzelheiten. Sie wusste nur, dass es ihm nach vier schrecklichen Jahren vor sechs Monaten irgendwie gelungen war, zu fliehen.

Eigentlich ist es nicht verwunderlich, dass er sich noch kühler und distanzierter als früher verhält, dachte sie beschämt. Sie sollte wirklich versuchen, netter und verständnisvoller zu sein. Ja, ab jetzt würde sie sich darum bemühen, ihr Temperament zu zügeln und nicht immer sofort in Tränen auszubrechen.

„Was, in aller Welt, machst du hier?“

Lili zuckte zusammen. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie Alex nicht hatte kommen hören. „Du hast mich total erschreckt!“

In durchgeschwitztem T-Shirt und einer Trainingshose stand er auf der Türschwelle. Lili bemerkte die rötlich weißen Narben auf seinen von der Sonne gebräunten Armen, und ihr Mitgefühl erwachte.

„Ich werde noch etwas ganz anderes tun, wenn du mir nicht sofort sagst, warum du hier in meiner Wohnung bist.“

„Du wolltest gestern ja nicht mit mir sprechen“, erinnerte sie ihn.

„Weil es nichts zu sagen gab.“

Nein, sie würde ihn nicht anbrüllen, sondern nett zu ihm sein. „Ich habe mich mitten in der Nacht zu dir geschlichen, weil ich keine andere Möglichkeit gesehen habe.“

„Ich nenne dir eine: Geh zurück in deine Suite. Und zwar jetzt.“

Nein, du wirst ihn nicht anfahren, ermahnte sie sich und reckte das Kinn. „Alex, wir müssen uns wirklich unterhalten.“

„Verlass mein Apartment. Wir haben nichts miteinander zu bereden.“ Er ging auf sie zu, um sie nach draußen zu begleiten.

„Das haben wir sehr wohl. Und wenn du mich anfasst, werde ich schreien. Ich werde schreiend die Palastflure entlanglaufen und alle Angestellten und Gäste wecken. Jeder wird denken, dass du eine unschuldige Prinzessin missbraucht hast. Und natürlich wird irgendjemand die Geschichte an die Boulevardpresse durchsickern lassen. Was all eure schönen Pläne zunichtemachen wird, dass wir beide unsterblich ineinander verliebt sind.“

Alex war stehen geblieben. „Es sind nicht meine Pläne.“

„Du hast ihnen aber zugestimmt.“ Lili verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich hatte angesichts der Situation keine Wahl. Wenn du jetzt bitte zurück in deine Suite …“

„Man hat immer eine Wahl.“

„Du bist nicht nur hoffnungslos naiv, sondern auch rücksichtslos und egozentrisch. Außerdem irrst du dich.“

„Beleidige mich ruhig, so viel du willst. Es wird nicht funktionieren. Ich gehe erst, wenn wir miteinander geredet haben.“

„Lili.“ Er machte einen Schritt auf sie zu.

Warnend hob sie die Hand. „Ich werde schreien.“

„Das wagst du nicht.“

„Wetten?“

Wahrscheinlich wird sie genau das tun, dachte Alex. Verflixt, sie hatte ihn in der Hand! Stumm wandte er sich ab, verschwand ins Bad und verriegelte die Tür. Nach einer ausgiebigen Dusche zog er schließlich seinen Bademantel an und kehrte wieder ins Schlafzimmer zurück. Lili saß noch immer auf dem Bett.

„Ich hoffe, nach der Dusche bist du jetzt besser gelaunt.“

Alex ignorierte sie, ging in den Wohnraum und schenkte sich einen Drink ein. Kaum hatte er den ersten Schluck getrunken, hörte er sie hinter sich und drehte sich um. Sie sah einfach bezaubernd aus, mit ihren großen Augen, den vollen Lippen und dem seidigen Goldhaar.

„Es geht hier um mehr als nur um unsere beiden Länder, Alex. Das Baby ist am Wichtigsten.“ Unwillkürlich legte Lili eine Hand auf ihren noch flachen Bauch.

„Dann lass nicht zu, dass es außerehelich geboren wird.“

„Es gibt Schlimmeres für ein Kind, als außerehelich geboren zu werden.“

„Womit du recht hast. Aber toll ist es auch nicht, oder? Das Kind hat einen Anspruch auf den Thron, den es verlieren könnte, weil seine Mutter seinen Vater nicht heiraten will.“

„Mein Baby soll einen Vater haben, der es liebt. Wenn du es nicht lieben kannst, ist es ohne dich besser dran.“

„Na gut, ich werde es lieben. Bist du jetzt zufrieden?“ Erneut trank er einen Schluck.

„Nicht wirklich. Wenn du nicht zumindest versuchst, eine richtige Ehe mit mir zu führen, werde ich dich nicht heiraten.“ Ihre Stimme klang plötzlich weicher. Es war, als sähe sie in weite Ferne. „Mein Leben lang habe ich mir vor allem eins gewünscht. Wahre Liebe. Wie es sie zwischen deinen Eltern gibt. Oder wie es sie zwischen Max und seiner verstorbenen Frau oder zwischen meinen Eltern gegeben hat.“

Eindringlich sah Alex sie an. Er wollte, dass sie heirateten, damit das Kind seinen Namen erhielt. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte er ihr erzählen, was immer sie hören wollte. Momentan schien es eine Liebeserklärung zu sein. Aber eine solche Lüge wollte ihm nicht über die Lippen kommen.

„Es ist mir unmöglich, dir diesen Wunsch zu erfüllen.“ Er machte sich auf einen ihrer Gefühlsausbrüche gefasst, der jedoch ausblieb.

„Ja, das verstehe ich. Ich kann es akzeptieren.“

Glaubte er ihr? Wohl kaum. Lili war die emotionalste Frau, die er kannte. Aber sie besaß einen eisernen Willen. Wenn sie etwas stark genug wollte, würde sie nicht ruhen, bis sie es endlich hatte. Oder sie trieb denjenigen, der es ihr verwehrte, in den Wahnsinn.

Sie war eine Quasseltante, gleichzeitig jedoch auch ziemlich intelligent. Und gerade arbeitete ihr Verstand auf Hochtouren. Sie war zweifellos dabei, sich irgendwelche Bedingungen auszudenken.

Es würden Bedingungen sein, die ihm mehr abverlangten, als er geben konnte. Vor fünf Jahren wäre ihm das vielleicht noch möglich gewesen. Aber jetzt war er innerlich tot.

„Ich möchte, dass du versuchst, ein richtiger Ehemann zu sein. Ich möchte, dass du Zeit mit mir verbringst. Dass wir täglich gemeinsam frühstücken und zu Abend essen. Dass wir die Abende zusammen verbringen. Nur du und ich. Dass du mir von deinem Tag erzählst und ich dir von meinem. Ich möchte, dass einer am Leben des anderen teilhat.“

Du lieber Gott! Konnte es noch schlimmer werden? Alex trank das Glas aus und schenkte sich nach.

Autor

Christine Rimmer
Christine Rimmers Romances sind für ihre liebenswerten, manchmal recht unkonventionellen Hauptfiguren und die spannungsgeladene Atmosphäre bekannt, die dafür sorgen, dass man ihre Bücher nicht aus der Hand legen kann. Ihr erster Liebesroman wurde 1987 veröffentlicht, und seitdem sind 35 weitere zeitgenössische Romances erschienen, die regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten landen....
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