Der stolze Wüstenprinz und das Model

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Obwohl die Sonne heiß vom Wüstenhimmel brennt, überfällt Model Jemma Copeland ein eisiger Schauer! Meint dieser arrogante Scheich es wirklich ernst? Er will sie ins Gefängnis sperren? Sicher, es war nicht gerade sittsam, halbnackt vor der Kamera zu posieren, aber sie hat sich doch entschuldigt! Trotzdem will der faszinierend attraktive Karim sie nicht gehen lassen und entscheidet: Entweder sie wird seine Gefangene … oder seine Frau! Für Jemma eine absurde Option! Aber warum fühlt sich der überraschende Kuss des gefährlich-sinnlichen Scheichs plötzlich so richtig an?


  • Erscheinungstag 06.12.2016
  • Bandnummer 2260
  • ISBN / Artikelnummer 9783733709662
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Jemma Copeland hatte gelernt, Unangenehmes zu ignorieren. Nur so konnte sie ihren Job erledigen.

Seit zwei Stunden blendete sie die sengende Hitze der Sahara einfach aus. Ebenso ihren grummelnden Magen. Und die Tatsache, dass sie eine Copeland war und was das zu Hause in den USA für sie bedeutete.

Hitze, Hunger und Scham – nichts konnte ihr etwas anhaben. Eines jedoch konnte sie nicht ignorieren. Und das war der groß gewachsene etwas unheimlich wirkende Mann in dem weißen, bodenlangen Gewand, der nur einen knappen Meter hinter dem Fotografen stand und sie nicht aus den Augen ließ. Seine dunklen Augen funkelten gefährlich. Er verzog keine Miene. Hinter ihm standen weitere Männer in weißen Gewändern.

Jemma wusste, wer der Mann war. Er war Gast auf der Hochzeit ihrer Schwester gewesen. Damals, vor fünf Jahren in Greenwich. Es war unmöglich, ihn zu übersehen. Gerade unter den Frauen hatte Karim Ibrahim für Aufsehen gesorgt. Denn er war unglaublich attraktiv und hatte eine Ausstrahlung, der man sich nur schwer entziehen konnte. Außerdem war er Milliardär und der neue König von Saidia.

Die Frage war nur, was der Scheich hier am Set machte. Er sollte diese Woche in Buenos Aires sein. Man hatte es der gesamten Crew angemerkt, wie unwohl sich jeder fühlte, als ohne Vorwarnung eine Reihe glänzender schwarzer Geländewagen mit getönten Scheiben auftauchte.

Und es war nicht zu übersehen, dass der Scheich ganz und gar nicht glücklich war.

Jemmas Magen krampfte sich zusammen. Hoffentlich passierte gleich nicht das, was sie befürchtete. Hoffentlich irrte sie sich. Sie wollte nur noch dieses Fotoshooting hinter sich bringen und dann morgen früh wie geplant nach Hause fliegen. Es war ein anstrengender Tag gewesen, aber sie hatte sich nicht beschwert. Sie brauchte das Geld ganz dringend.

Wie sehr sich ihr Leben verändert hatte. Noch vor einem Jahr war sie eines der privilegiertesten Mädchen Amerikas gewesen. Reich und schön. Alle Welt schien sie um ihre Schönheit und ihren Status als It-Girl zu beneiden. Schließlich stammte sie aus einer berühmten und einflussreichen Familie. Die Copelands besaßen Anwesen auf der ganzen Welt. Jemma und ihre hübschen Schwestern wurden ständig fotografiert. Die Hochglanzmagazine waren voll von Geschichten über sie. Aber selbst die Reichen und Schönen waren vor Schicksalsschlägen nicht gefeit. Nachdem aufgeflogen war, dass Daniel Copeland, ihr Vater, einer der wichtigsten Drahtzieher eines berüchtigten Betrugsfalles in Amerika war, hatte sich Jemmas Leben komplett geändert und war von heute auf morgen nicht mehr das, was es mal war.

Über Nacht waren die Copelands zur meistgehassten Familie Amerikas geworden.

Mittlerweile kam Jemma finanziell kaum noch über die Runden. Die Tatsache, dass sie die Tochter von Daniel Copeland war, hatte ihre Karriere zerstört. Der Öffentlichkeit war es egal, dass sie immer ihr eigenes Einkommen gehabt hatte. Dass sie arbeitete, seit sie achtzehn war. Sie war noch immer die Tochter ihres Vaters. Und deswegen verachtete man sie.

Heute konnte sie sich glücklich schätzen, wenn sie überhaupt an Jobs kam. Ihre einst so erfolgreiche Modelkarriere reichte mittlerweile kaum noch aus, um ihre Miete zu bezahlen. Als die Agentur ihr dann das 3-tägige Fotoshooting anbot, inklusive zwei Reisetagen, sodass fünf Arbeitstage angerechnet würden, nahm sie ohne zu überlegen an. Leider lehnte das unabhängige Wüstenkönigreich Saidia, das südlich von Marokko zwischen Atlantik und Sahara lag, es ab, ihr ein Visum zu gewähren.

Und so griff sie zu einer verzweifelten Maßnahme und nutzte den Reisepass ihrer Schwester Morgan, die mittlerweile den Namen ihres Ehemannes trug, um ein neues Visum zu beantragen. Dieses Mal klappte es.

Jemma war bewusst, dass sie ein großes Risiko einging, unter falschem Namen hierherzukommen. Aber sie brauchte das Geld dringend.

Und nun stand sie hier in ihrem langen Fuchspelzmantel und kniehohen Stiefeln und schwitzte in der gleißenden Sonne.

Sie war nackt unter dem Mantel, aber das gehörte nun einmal zu ihrem Job. Sie würde überleben. Und irgendwann würde sie sich die Jobs wieder aussuchen können. Also sollten sie doch gaffen. Damit meinte sie den missbilligend dreinblickenden Scheich und seine Reisebegleiter. So leicht würde sie sich nicht unterkriegen lassen. Das Leben war aufregend, sie war jung, und es ging ihr gut.

Trotz ihrer kämpferischen Entschlossenheit perlte ihr der Schweiß über die vollen Brüste und den flachen Bauch. Und das lag nicht nur an der Hitze. Sie sah sexy aus, erinnerte sie sich. Man merkte ihr nicht an, wie unwohl sie sich fühlte.

Mit diesem Gedanken warf sie sich in eine neue stolze Pose.

Keith, der australische Fotograf, stieß einen begeisterten Pfiff aus. „Das ist super, Baby. Weiter so!“

Das kurze Hochgefühl verflog schnell wieder, als sie sah, wie Scheich Ibrahim auf Keith zutrat.

Der Scheich war so groß, dass er Keith um einen guten Kopf überragte. Mit seinen breiten Schultern ließ er den Australier wie einen Zwerg aussehen.

Sie hatte völlig vergessen, wie attraktiv der Scheich war. Mit seinen markanten Gesichtszügen, den schwarzen Augenbrauen und stechenden dunklen Augen war es unmöglich, ihn zu übersehen. Er sah sie direkt an. Und sie schaffte es kaum, den Blick abzuwenden. Er schien ihr etwas sagen zu wollen, schien sie zu warnen.

Ihr wurde heiß und kalt zugleich. Sämtliche Alarmglocken läuteten in ihrem Kopf. Dieser Mann war gefährlich.

Hastig zog sie an ihrem Mantel, zog ihn enger um ihren Körper und versuchte, ihre Nacktheit zu verbergen.

Stirnrunzelnd ließ Keith die Kamera sinken. „Was ist los? Wo bleibt deine Körperspannung? Gib es mir sexy, Baby!“

Verstohlen beobachtete Jemma den Scheich unter ihren gesenkten Lidern hindurch, und ihre Knie wurden weich. Irgendetwas stimmte hier nicht. Er schien furchtbar wütend zu sein. Doch sie konnte es sich jetzt nicht erlauben, einzuknicken, schließlich musste sie eine gute Leistung abliefern.

Also holte sie tief Luft, richtete sich auf und hob ihr Kinn der Sonne entgegen. Sie spürte, wie ihr das lange Haar über ihren blanken Rücken fiel, als sie den Pelzmantel über ihre Schultern gleiten ließ und noch mehr Haut entblößte.

„Sehr schön!“ Keith hantierte mit seiner Kamera und bedeutete seinem Assistenten, mit dem Reflexschirm noch näher heranzutreten. „Weiter so!“, forderte er sie auf.

Jemma schüttelte den Kopf, sodass ihr Haar sich zu einer Löwenmähne bauschte, und ließ den Pelz noch tiefer über die Wölbung ihrer Brüste sinken.

„Perfekt!“ Keith schien begeistert. „Du bist gerade richtig heiß! Hör nicht auf.“

Ja, jetzt wird es heiß, dachte sie, während sie die Schultern zurückwarf und ihre Brustspitzen von der Sonne geküsst wurden. In Scheich Ibrahims Welt würde sie jetzt wahrscheinlich in der Hölle schmoren. Aber ihr blieb keine Wahl. Das hier war ihr Job. Sie musste abliefern. Und darum verdrängte sie alle Gedanken und konzentrierte sich einzig und allein darauf, ein gutes Motiv abzugeben.

„Weiter so, Baby“, spornte Keith sie an. „Du bist eine Göttin. Der Traum aller Männer.“

Sie war weder eine Göttin noch ein Traum, aber sie konnte zumindest so tun, als sei sie es. Für kurze Zeit konnte sie in jede Rolle schlüpfen, die von ihr verlangt wurde. Diese Art von Schauspielerei verschaffte ihr Distanz und erlaubte es ihr, für einige Momente der traurigen Realität zu entfliehen. Der albtraumhaften Realität, die sie zu Hause wieder erwartete.

Nur mit Mühe schaffte sie es, ihre Traurigkeit zu unterdrücken, hob ihr Kinn an und ließ das weiche Fell des Pelzmantels an ihrem Körper hinabgleiten bis zur Hüfte.

Keith stieß einen bewundernden Pfiff aus. „Ja, mehr davon!“

„Nein!“ Es war nur ein einziges Wort. Doch es dröhnte wie ein Donnerschlag über das Set und ließ das Gemurmel der Stylisten, Visagisten und Beleuchter schlagartig verstummen.

Alle Blicke richteten sich auf den Scheich.

Jemmas Magen krampfte sich zusammen, während sie ihn anstarrte.

Der Ausdruck im Gesicht des Scheichs war unbeschreiblich. Die Lippen fest zusammengepresst, die Augen wild funkelnd legte er die Hand auf Keiths Kamera und zwang ihn, den Arm zu senken. „Das reicht“, stieß er hervor. „Ich habe genug von euch allen!“ Sein Blick glitt über die Zelte und die Crew hinweg. „Packen Sie Ihren Kram und verschwinden Sie von hier.“

Dann wandte er den Kopf und sah Jemma direkt an. „Und Sie, Miss Copeland … Ziehen Sie sich schleunigst etwas über. Ich werde mich gleich im Zelt mit Ihnen unterhalten.“ Er deutete auf das große Zelt hinter ihm.

Der Scheich hatte sie Miss Copeland genannt. Nicht Mrs. Xanthis, dem Namen, der auf ihrem Visum stand. Woher kannte er ihren richtigen Namen?

Panik machte sich in ihr breit. Ihr Herz begann, wild zu pochen. Scheich Ibrahim wusste, wer sie war. Er hatte sie nach all den Jahren erkannt. Die Erkenntnis versetzte sie in großes Erstaunen. Ausgerechnet er, der mit so vielen Menschen zu tun hatte, konnte sich an sie erinnern?

Mit zitternden Händen zog sie den Mantel wieder über ihre Schultern. Mit einem Mal war ihr trotz der sengenden Hitze eiskalt. „Was ist hier los?“, murmelte sie, obwohl sie es längst wusste.

Sie war aufgeflogen. Ihre wahre Identität war ans Licht gekommen. Und das bedeutete eine Menge Ärger für sie.

„Ich denke, Sie wissen, worum es geht“, fügte der Scheich knapp hinzu. „Und jetzt gehen Sie, und ziehen Sie sich an.“

Jemma brachte kaum ein Wort hervor, so trocken war ihr Mund plötzlich. „Und … und dann?“

„Dann werde ich Sie über die Dinge aufklären, die Ihnen vorgeworfen werden, ebenso wie über die entsprechenden Strafen, die Sie erwarten.“

„Ich habe nichts falsch gemacht!“, versuchte sie, sich zu verteidigen.

Seine dunklen Augenbrauen zogen sich zusammen. Mit kritischem Blick betrachtete er sie von oben bis unten. „Sie haben so ungefähr alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann, Miss Copeland.“

Während Jemma zum Zelt lief, versuchte sie, sich zu beruhigen. Sie konzentrierte sich nur auf ihren Atem, denn sie wusste, sie musste jetzt Ruhe bewahren. Es war ihr bewusst, dass sie illegal ins Land eingereist war. Dass sie bereitwillig zugestimmt hatte, an einem Fotoshooting mitzuarbeiten, das von der Regierung nicht genehmigt worden war. Und dann hatte sie noch in der Öffentlichkeit ihre Brüste gezeigt, was ebenfalls in Saidia gegen das Gesetz verstieß.

Im Zelt beeilte Jemma sich, den Mantel abzustreifen und ihren pinken Kimono überzuziehen. Hastig zog sie den Gürtel um ihre Taille fest, als sie Stimmen vor dem Zelt hörte. Eine davon gehörte Mary Leed, der Chefredakteurin von Catwalk. Normalerweise war sie bekannt dafür, sich durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen. Jetzt jedoch klang sie ungewohnt aufgebracht.

Jemma wurde immer mulmiger. Das war kein gutes Zeichen. Sie schluckte hart.

Es war ein Fehler gewesen, hierherzukommen. Aber was hätte sie tun sollen?

Es würde ihr nicht im Traum einfallen, ihre Familie um Geld anzubetteln. Sie hatte immer ihr eigenes Geld verdient. Und nach der Sache mit ihrem Vater war sie entschlossener denn je, allen zu zeigen, was in ihr steckte. Damit die Welt erkannte, dass es unter den Copelands auch gute Menschen gab.

Während sie aus ihren sexy Stiefeln stieg, überlegte sie, dass es klüger gewesen wäre, dieses Fotoshooting in Palm Springs zu machen statt in Saidia mit seinen strengen moralischen Vorschriften. Saidia mochte ein stabiles und einigermaßen tolerantes Land sein, aber es war keine Demokratie. Es war ein konservatives Land, und bis vor wenigen Jahren hatte es hier nicht nur arrangierte Ehen gegeben, sondern erzwungene.

Es war bekannt, dass die Stammesführer ihre Bräute aus benachbarten Stämmen entführten.

Was für moderne Menschen aus dem Westen undenkbar war, wurde hier weithin akzeptiert.

Als sie gerade am Reißverschluss des zweiten Stiefels nestelte, schwang die Zeltklappe zur Seite, und Mary betrat gemeinsam mit Scheich Ibrahim das Zelt. Zwei der Begleiter des Scheichs blieben am Eingang stehen.

Langsam setzte Jemma sich auf und blickte von Mary zum Scheich und zurück.

Marys Gesicht war kreidebleich, sie presste die Lippen aufeinander. „Wir haben ein Problem“, erklärte sie.

In der darauffolgenden Stille wagte Jemma es kaum, zu atmen. Ihr entging nicht, wie Mary es vermied, sie direkt anzusehen. „Wir sind gerade dabei, alles einzupacken und werden so schnell wie möglich in die Hauptstadt zurückfahren. Es erwartet uns wohl eine Geldstrafe, die wir hoffentlich sofort begleichen können, damit wir gleich morgen nach England zurückfliegen können.“ Dann sprach sie etwas leiser weiter. „Zumindest werden die meisten von uns nach England zurückfliegen. Du, Jemma, wirst wohl leider nicht mit uns kommen können.“

Jemma riss die Augen weit auf. Sie wollte aufspringen, doch sie erinnerte sich, dass sie noch immer einen der hochhackigen Stiefel anhatte. „Warum nicht?“

„Dich erwartet eine andere Strafe“, murmelte Mary sichtlich betroffen und wich Jemmas Blick erneut aus.

Mary musste gar nicht weitersprechen, denn Jemma wusste Bescheid. Was sie jedoch nicht wusste, war, wie ihre Strafe aussehen würde. „Es tut mir leid“, presste sie atemlos hervor und sah Scheich Ibrahim entschuldigend an. „Wirklich, es tut mir sehr …“

„Das interessiert mich nicht“, unterbrach er sie scharf.

Jemma hatte das Gefühl, ihr drehte sich der Magen um. „Ich habe einen Fehler gemacht“, fuhr sie fort.

„Miss Copeland, das war nicht nur ein Fehler, das war eine vorsätzliche Straftat, die Sie begangen haben. Sie sind illegal ins Land eingereist. Ohne Arbeitserlaubnis. Ohne Visum.“ Scheich Ibrahim klang furchtbar wütend.

Erschrocken legte Jemma die Hand auf ihren Bauch, sie hoffte, sich nicht übergeben zu müssen. Sie hatte den ganzen Tag nichts gegessen. Das machte sie immer so an den Tagen, an denen sie arbeitete, damit sie einen flachen Bauch hatte. „Kann ich irgendetwas tun, um es wiedergutzumachen?“, erkundigte sie sich kleinlaut.

Mary warf Scheich Ibrahim von der Seite einen besorgten Blick zu.

Er schüttelte den Kopf. „Nein. Die Leute vom Magazin müssen ihr Strafgeld bezahlen, Sie hingegen werden vor den Richter geführt und Ihres Vergehens entsprechend bestraft.“

Regungslos blieb Jemma sitzen. „Also werde ich von den anderen getrennt?“

„Ja.“ Der Scheich nickte und gestikulierte in Marys Richtung. „Sie und der Rest der Crew verlassen diesen Ort bitte sofort. Meine Männer werden Sie begleiten, um Ihre Sicherheit zu gewährleisten.“ Er wandte sich Jemma zu. „Und Sie kommen mit mir mit.“

Mary nickte und verließ ohne ein weiteres Wort das Zelt.

Mit pochendem Herz sah Jemma ihr nach und schluckte. Vor nicht allzu langer Zeit wäre sie jetzt hysterisch in Tränen ausgebrochen. Aber das war die alte Jemma. Das Mädchen, das in einer heilen Welt aufgewachsen war. Das von ihren Eltern verwöhnt worden war und von ihrem großen Bruder und den drei vorlauten, aber fürsorglichen Schwestern immer in Schutz genommen worden war.

Dieses kleine Mädchen war sie nicht mehr. Sie war durch die Hölle gegangen und hatte es überlebt. Es hatte sie sogar stärker gemacht. Und darum würde sie sich auch jetzt nicht unterkriegen lassen.

„Wo kommen Verbrecher in Saidia denn hin, Scheich Ibrahim, wenn ich fragen darf?“, erkundigte sie sich vorsichtig und begegnete dem harten Blick des Scheichs.

„Ins Gefängnis.“

„Ich komme also ins Gefängnis?“

„Das hängt von dem Urteil des Ältesten meines Stammes ab. Er wird Ihr Richter sein.“

„Warum bekomme ich nicht einfach eine Geldstrafe, so wie Mary und der Rest der Crew?“

„Weil Sie ein Verbrechen an meiner Familie begangen haben, an den Ibrahims, Saidias Königsfamilie. Darum werden Sie unserem ältesten Stammesmitglied vorgeführt, und er wird sich anhören, was Sie getan haben und dann bestimmen, welche Strafe Sie erwartet.“

Jemma wusste nicht, was sie sagen sollte. Verständnislos kniff sie die Augenbrauen zusammen und sah den Scheich fragend an. „Ich verstehe das nicht. Was habe ich Ihrer Familie getan?“

„Sie haben meine Familie beraubt und beschämt.“

„Aber das habe ich doch gar nicht. Ich kenne Ihre Familie nicht einmal.“

„Ihr Vater kennt sie aber.“

Seine Worte ließen Jemma verstummen. In ihrem Kopf schien sich plötzlich alles zu drehen. Würde das Verbrechen ihres Vaters sie ein Leben lang verfolgen? Würde es womöglich nie aufhören? Angsterfüllt sah sie den Scheich an. Sie wollte seine nächsten Worte gar nicht hören.

„Aber ich bin nicht mein Vater.“

„Nein, das nicht. Aber Sie repräsentieren ihn, denn Sie sind seine Tochter.“

„Das tue ich nicht!“, protestierte sie heftig.

„Natürlich tun Sie das.“ Sein Gesichtsausdruck war unerbittlich. „In der arabischen Gesellschaft ist man sein Leben lang mit seiner Familie verbunden. Darum ist es so wichtig, seine Familie immer zu ehren. Aber Ihr Vater hat die Ibrahims bestohlen und ihre Ehre verletzt. Und damit hat er die Ehre von ganz Saidia verletzt.“

Jemma schüttelte den Kopf. „Aber ich bin nicht wie mein Vater.“

„Sie sind seine Tochter, und Sie sind hier in meinem Land, ohne überhaupt das Recht dafür zu haben. Darum müssen Sie dafür geradestehen. Sie werden Sühne begehen, das Verbrechen Ihres Vaters wiedergutmachen und für Ihre eigene Respektlosigkeit bezahlen.“

„Aber ich habe mit meinem Vater überhaupt keinen Kontakt mehr …“

„Für Ihre Entschuldigungen haben wir jetzt keine Zeit. Wir haben eine lange Reise vor uns. Ich würde sagen, Sie beeilen sich jetzt und packen Ihre Sachen, damit wir uns auf den Weg machen können.“

Verzweifelt ballte Jemma die Hände zu Fäusten. Der grimmige Sicherheitsbeamte am internationalen Flughafen von Tagadir hatte sie gewarnt. Er hatte gesagt, dass seine Hoheit Scheich Ibrahim in Saidia sehr viel Macht hatte. Als König gehörte ihm hier jedes Wüstenkorn, jede der beeindruckenden Sanddünen, die sich in allen Richtungen um sie herum erhoben. Beim Verlassen des Flughafens hatte der Übersetzer ihnen zugeflüstert: „Scheich Ibrahim ist mehr als der mächtigste Mann im ganzen Land, er ist das Land.“

Langsam stieß Jemma die Luft aus. Sie hatte einen Fehler gemacht. Wenn man verzweifelt ist, vergisst man oft sämtliche Risiken. Irgendwie musste sie den Mann überzeugen, dass sie nichts Schlimmes getan hatte.

„Ich würde es wirklich gern wiedergutmachen“, sagte sie leise und sah Scheich Ibrahim durch ihre gesenkten Wimpern hindurch an. Und war erneut beeindruckt von seiner Größe, seinen breiten Schultern und den harten markanten Gesichtszügen. Er sah aus wie ein Filmstar. Doch sein Ausdruck ließ in keiner Weise darauf schließen, dass er ihr entgegenkommen würde. Der Blick aus seinen dunklen Augen war hart und unnachgiebig.

Er war ein kaltherziger Mann. Und sie wusste nur zu gut, dass kaltherzige Männer gefährlich waren. Sie zerstörten das Leben anderer. Wenn sie jetzt nicht unheimlich aufpasste, würde er ihr Leben ruinieren.

„Und wenn ich dafür bezahle?“, schlug sie zaghaft vor. „Eine Geldstrafe?“

„Haben Sie etwa schon vergessen, dass Ihre Familie bankrott ist, Miss Copeland?“, erinnerte er sie spöttisch.

„Ich könnte Drakon anrufen und fragen, ob er mir Geld leiht …“

„Sie rufen niemanden an“, unterbrach er sie scharf. „Ich würde es auch gar nicht zulassen, dass Drakon da mit reingezogen wird. Er mag zwar der Ehemann Ihrer Schwester sein, aber er war mein bester Freund zu Studienzeiten, und soweit ich weiß, hat er dank Ihres Vaters praktisch sein gesamtes Vermögen verloren.“

„Das mag sein, aber Drakon würde mir helfen. Er würde es nicht zulassen, dass Sie … dass Sie …“ Ihre Stimme brach, als sie Scheich Ibrahims verärgertem Blick begegnete. Sofort wurde sie unsicher.

„Was würde er nicht zulassen, Miss Copeland?“, fragte er betont sanft, wenngleich ihr der drohende Unterton in seiner Stimme nicht entging.

Jemma brachte keinen Ton mehr heraus. Das Herz klopfte ihr fast bis zum Hals. Wenn sie jetzt nicht aufpasste, dann brachte sie den Scheich noch mehr gegen sich auf. Das durfte auf keinen Fall passieren, wer weiß, was ihr dann blühen würde? Sie musste ihn auf ihre Seite bringen, damit er sie schützte. Irgendwie musste sie es schaffen, dass er ihr wahres Ich sah. Die echte Jemma. Nicht die Tochter von Daniel Copeland.

Und darum durfte sie ihn sich nicht zum Feind machen. Er könnte sie mit einem einzigen Fingerschnipsen zerstören.

Ihre Lippen zitterten, und sie musste sich fest auf die Unterlippe beißen, um nicht in ein lautes Schluchzen auszubrechen. Ihre Angst lähmte sie fast völlig. Aber sie musste jetzt stark sein.

„Er würde es nicht zulassen, dass ich gegen Ihre Gesetze verstoße“, brachte sie schließlich mühsam hervor. „Und er würde es auch nicht gutheißen, dass ich den Pass meiner Schwester benutzt habe. Er würde sich wahrscheinlich sehr über mich ärgern“, fügte sie betont betroffen hinzu und hob ihr Kinn, um dem Scheich direkt in die Augen zu sehen. „Und er wäre enttäuscht von mir.“

Scheich Ibrahim zog überrascht die Augenbrauen hoch.

Mit dem letzten Rest an Stolz, der ihr geblieben war, setzte sie sich auf, wickelte ihren Kimono noch fester um den Körper, schlüpfte aus dem Stiefel und wandte sich zum Schminktisch, um ihr Make-up zu entfernen.

2. KAPITEL

Karim entging nicht, wie Jemmas Unterlippe zitterte, als sie in den Spiegel sah. Es verblüffte ihn, wie ruhig sie blieb. Er hatte Tränen, Wut und hysterisches Geschrei erwartet. Stattdessen schwieg sie bloß und schien ganz in Gedanken versunken zu sein.

Ihre Reaktion beeindruckte ihn irgendwie. Vielleicht war sie gar nicht so dumm, wie er zunächst gedacht hatte. Schönheit und Klugheit zugleich traf man nicht alle Tage.

Dennoch war er aufgebracht und sehr verärgert darüber, dass sie mit falscher Identität in sein Land eingereist war, und das auch noch mit voller Absicht, und sich obendrein auch noch in der Öffentlichkeit ausgezogen hatte.

So etwas machte man einfach nicht. Es war absolut inakzeptabel. Nicht einmal in San Francisco oder New York dürfte man sich das erlauben. Warum also glaubte sie, hier einfach so damit davonzukommen?

Er runzelte die Stirn, als er seinen Blick verstohlen über ihren Körper gleiten ließ. Sie wirkte so zerbrechlich. Der Ausdruck in ihrem Gesicht war schuldbewusst. Spielte sie ihm etwas vor? Oder war es echt? Er könnte schwören, dass sie ihm etwas vormachte. So wie ihr Vater seiner Mutter etwas vorgemacht hatte. Bevor er ihr das ganze Geld abgenommen und damit ihr Leben zerstört hatte.

Seine Mutter würde heute noch leben, hätte Daniel Copeland sie nicht angelogen und bestohlen. Er hatte ihr nicht nur ihre finanzielle Sicherheit genommen, sondern auch ihre Selbstachtung.

Zum Glück war Karim nicht so leicht beeinflussbar wie seine Mutter. Er würde sich nicht von einer weiteren Copeland-Betrügerin manipulieren lassen. Und er würde auch kein Mitleid mit Jemma haben. Daniel Copeland hatte Karims Mutter gegenüber auch kein Erbarmen gekannt. Keinem seiner Kunden gegenüber. Mitgefühl hatten sie von ihm nicht erwarten können. Warum also sollte Daniel Copelands Tochter dann eine Sonderbehandlung bekommen?

„Werde ich einen Anwalt haben?“, erkundigte sie sich und durchbrach damit ihr Schweigen.

„Nein“, antwortete er knapp.

Irritiert zog sie die Augenbrauen zusammen. Ihr entrüsteter Gesichtsausdruck ließ sie fast noch liebenswerter erscheinen als beim Shooting. Als sie in Pelzmantel und Stiefeln im tiefen Wüstensand posiert hatte.

Ja, sie war hübsch, musste er sich eingestehen. Sie hatte den zierlichen Knochenbau ihrer Mutter geerbt. Und selbst in dem schlecht beleuchteten Zelt strahlte sie wie ein Juwel mit ihrer glatten frischen Haut, dem glänzenden dunklen Haar und den leuchtend grünen Augen. Doch das sollte ihn nicht von der Tatsache ablenken, dass sie eine Kriminelle war.

„Keiner von uns beiden wird durch einen Anwalt vertreten“, erklärte er und hasste es, wie sehr er sich ihrer Schönheit bewusst war. Sie sollte ihm eigentlich egal sein. Es war nicht richtig, sich zu ihr hingezogen zu fühlen. „Der Fall wird von mir erläutert, und der Richter fällt dann das Urteil.“

„Sie repräsentieren sich selbst?“

„Ich repräsentiere meinen Stamm, die Ibrahims und die Gesetze dieses Landes.“

Langsam drehte sie sich auf ihrem Stuhl zu ihm herum, um ihn anzusehen. Ihr pinkfarbener Kimono schob sich durch die Bewegung ein wenig zur Seite und entblößte den Ansatz ihrer üppigen Brüste. „Das heißt also, Sie sagen gegen mich aus.“

Es war unangemessen, dass er ausgerechnet jetzt an ihre kleinen rosa Nippel und den flachen Bauch über ihren weiblich geformten Hüften denken musste.

Warum hatte sich ihr Anblick beim Fotoshooting vorhin so bei ihm eingebrannt? „Ich werde lediglich die Fakten darlegen. Völlig wertfrei.“

„Werden die Fakten wenigstens in Englisch dargelegt?“

„Nein, der Richter spricht kein Englisch.“

„Also könnten Sie ihm alles Mögliche erzählen!“

„Warum sollte ich das tun?“ Seine Stimme klang gereizt. „Sie haben gleich gegen mehrere wichtige Gesetze verstoßen. Gesetze zum Schutz unserer Grenzen und der Sicherheit meines Volks. Es ist gar nicht nötig, etwas dazuzudichten. Was Sie getan haben, ist schwerwiegend genug. Entsprechend hart wird die Strafe ausfallen.“

In ihren Augen blitzte es für einen kurzen Moment auf. Er war sich nicht sicher, ob es Wut oder Angst war , denn sie schwieg. Er sah ihr an, dass sie eine impulsive Reaktion auf seine Worte unterdrückte.

„Wie hart wird die Strafe sein?“, fragte sie schließlich.

„Es wird wohl auf eine Gefängnisstrafe hinauslaufen.“

„Wie lange?“

Jemma sah dem Scheich an, dass ihm ihre Fragen unangenehm waren. „Wollen Sie das wirklich jetzt schon wissen?“

„Natürlich! Ich will wissen, was mich erwartet und nicht völlig unvorbereitet da reingehen.“

Autor

Jane Porter

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