Die Serenghetti-Brüder - 4-teilige Miniserie

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Vier ehrgeizige Brüde, Alpha-Männer durch und durch, haben im Leben stets nach dem Besten gestrebt und sich nie wirklich auf die Liebe eingelassen ... Doch jetzt begegnen ihnen die Frauen, für die sie alles verändern!

Miniserie von ANNA DEPALO

EIN GEFÄHRLICH SINNLICHER KUSS

DIE SCHAUSPIELERIN UND DER MILLIONÄR

KÜSSE, DIE DU NIE VERGISST!

HEISSES DATE MIT MR. WRONG


  • Erscheinungstag 26.06.2025
  • ISBN / Artikelnummer 9783751537735
  • Seitenanzahl 576
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

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Redaktionsleitung: Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)
Produktion: Jennifer Galka
Grafik: Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn,
Marina Grothues (Foto)

© 2016 by Anna DePalo
Originaltitel: „Second Chance with the CEO“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA
Band 2014 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Peter Müller

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

ISBN 9783733720223

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
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1. KAPITEL

„Cole Serenghetti“, murmelte Marisa vor sich hin, „bitte zeig dich. Du musst sofort auftauchen, denn ich brauche dich.“

Fast kam es ihr so vor, als ob sie den Geist aus einem Märchen heraufbeschwöre. Natürlich glaubte sie nicht an so etwas. Allerdings war in letzter Zeit so viel schiefgelaufen, dass es nur ausgleichende Gerechtigkeit wäre, wenn endlich wieder etwas klappen würde.

Andererseits war sie sich nicht so sicher, ob es wirklich gut für sie wäre, wenn ihr Wunsch in Erfüllung ginge …

Dann – als hätte sie ihn tatsächlich hergezaubert – entdeckte sie plötzlich einen hochgewachsenen, breitschultrigen Mann auf der Baustelle, die sie von ihrem geparkten Auto aus beobachtete. War er es? Es konnte durchaus sein.

Cole Serenghetti. Ihr Magen krampfte sich zusammen. In Gedanken hatte sie die Situation wieder und wieder durchgespielt, und es war ihr gar nicht so schwierig vorgekommen. In Gedanken. Aber die Realität war eine andere Sache.

Doch da musste sie nun durch. Die Schüler auf der Pershing School bauten darauf, dass sie Cole Serenghetti für ihre Zwecke einspannte. Möglicherweise hing sogar ihre Karriere davon ab.

Marisa Danieli griff mit zitternden Händen nach dem Fernglas und hielt es sich vor die Augen. Der Mann trug einen gelben Bauarbeiterhelm, sein Gesicht war nicht zu erkennen. Er bewegte sich auf den Ausgang der umzäunten Baustelle zu, auf der ein mehrstöckiges Ärztehaus entstand. In Jeans, einem karierten Hemd und Arbeitsschuhen sah er wie ein ganz normaler Bauarbeiter aus. Doch der selbstsichere Gang und die energischen Bewegungen verrieten, dass er es gewohnt war, Anweisungen zu erteilen, und nicht, sie zu erhalten.

Himmel, er war wirklich fantastisch gut gebaut! Besser als so manches Männermodel. Marisas Herz pochte wild.

Cole Serenghetti. Auf der Highschool war er ein Unruhestifter gewesen, ein Querulant, ein Bad Boy. Dann hatte er als Profi-Eishockeyspieler eine Riesenkarriere hingelegt. Später war er in den Schoß der Familie zurückgekehrt, um die familieneigene Baufirma Serenghetti Construction zu leiten. Hatte sie noch etwas vergessen? Ach ja. Auf der Highschool war sie in ihn verknallt gewesen. Aber das war nicht gut ausgegangen.

Marisa legte das Fernglas beiseite. Wenn sie jemand sah, würde er glatt denken, dass sie den millionenschweren Bauunternehmer stalkte. Dabei führte sie nichts Böses im Schilde. Sie war keine Stalkerin, sie war die nette Lehrerin Miss Danieli, die ihren Schülern helfen wollte.

Der Mann hatte die Baustelle inzwischen verlassen. Marisa stieg aus dem Wagen und ging auf ihn zu.

„Cole Serenghetti?“

Er drehte den Kopf und nahm seinen Bauarbeiterhelm ab.

Eigentlich hatte sie ohnehin keinen Zweifel gehabt, aber jetzt war sie sich hundertprozentig sicher. Er war es. Dunkles, zerzaustes Haar, haselnussbraune Augen. Auf der linken Wange hatte er eine nicht besonders auffällige Narbe, zusätzlich eine kleine am Kinn, die er schon auf der Highschool gehabt hatte.

Irgendwie störten Marisa diese Narben kein bisschen. Im Gegenteil, sie verliehen ihm ein geradezu verwegenes Aussehen. Kein Mann war ihr je so sexy vorgekommen.

Er war kräftiger, muskulöser als zu Schulzeiten, und seine Gesichtszüge hatten an Härte gewonnen. Vor allem strahlte er mehr Reife aus. Sie konnte nur erahnen, was er in der Zwischenzeit erlebt hatte. Als landesweit bekannter Eishockeyspieler, als Sportler, Sexsymbol und Traum unzähliger Frauen, als millionenschwerer Bauunternehmer. Von der Verletzung, die seine Sportlerkarriere beendet hatte, war ihm nichts anzumerken. Er bewegte sich immer noch mit raubtierartiger Eleganz.

Die Pershing School, an der Marisa unterrichtete, lag am Rande von Welsdale in Massachusetts, wo die Serenghettis wohnten. Trotz der räumlichen Nähe war sie Cole seit der Highschool nie wieder über den Weg gelaufen.

Er musterte sie interessiert. Dann lächelte er.

Sie atmete erleichtert auf. Seit der Highschool hatte sie sich vor diesem Wiedersehen gefürchtet, aber er schien bereit zu sein, Vergangenes ruhen zu lassen.

„Ja, ich bin Cole Serenghetti, junge Lady. Und egal, warum Sie das wissen wollen – ich stehe gern zu Ihrer Verfügung. In jeder Hinsicht.“ Er grinste breit.

Wie bitte? Das durfte ja wohl nicht wahr sein! Er erkannte sie nicht einmal.

Fünfzehn Jahre war das Ganze nun her. Sie beide hatten sich damals falsch verhalten. Doch Marisa hatte es nie vergessen können, hatte es die ganze Zeit mit sich herumgetragen. Und er? Ihn schien es nicht im Geringsten zu kümmern. Sorglos hatte er weitergelebt, als ob nichts geschehen wäre.

Sicher, sie hatte sich verändert. Sie hatte weiblichere Rundungen, ihre Frisur war anders, sie trug nicht mehr diese Riesenbrille. Dennoch hätte er sie wiedererkennen müssen.

Na schön, so oder so, sie hatte eine Mission zu erfüllen. „Ich bin es, Marisa Danieli. Wie geht es dir, Cole?“

Sein Lächeln erlosch.

Unsicher räusperte sie sich. „Du hast gerade gesagt, du stehst gerne zu meiner Verfügung …“

„Das nehme ich zurück.“

Autsch! Sie hatte schon befürchtet, dass es nicht gut laufen würde, aber da musste sie jetzt durch. Schließlich ging es um eine wichtige Sache. „Es ist lange her“, murmelte sie.

„Nicht lange genug.“ Er musterte sie von Kopf bis Fuß. „Ich schätze mal, du bist nicht zufällig hier. Oder ist es dein Hobby, dich in der Nähe von Baustellen herumzutreiben?“

Sie atmete tief durch. „Cole, die Pershing School braucht deine Hilfe. Wir sprechen die bekanntesten ehemaligen Schüler an, um …“

„Wir?“

Sie nickte. „Ich unterrichte dort. Englisch. In der zehnten Klasse.“

„Und die Schule hat dich auf Betteltour geschickt?“

„Ich leite das Projekt Spendensammlung.“

Er kniff die Augen zusammen. „Na, dann herzlichen Glückwunsch. Und viel Erfolg.“

Er ging weiter, und sie folgte ihm.

„Wenn du mir nur kurz zuhören würdest …“

„Kein Interesse. Vor fünfzehn Jahren habe ich mich noch von deinen Rehaugen bezaubern lassen. Heute nicht mehr.“

Sie hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. „Pershing braucht unbedingt eine neue Turnhalle, die alte ist in erbärmlichem Zustand. Du als professioneller Eishockeyspieler wirst doch verstehen, dass …“

„Ich bin ein Ex-Profi. Die Betonung liegt auf ‚Ex‘. Wenn du die alten Schülerverzeichnisse durchgehst, stößt du bestimmt noch auf andere Ehemalige, die infrage kommen.“

„Aber du stehst ganz oben auf meiner Liste.“

Plötzlich hielt er inne und blickte ihr ins Gesicht. „Oh, ich stehe ganz oben auf deiner Liste?“, fragte er sarkastisch. „Da fühle ich mich aber geschmeichelt.“

Marisa spürte, wie sie rot anlief. Es schien ihm ein teuflisches Vergnügen zu bereiten, sie so zappeln zu lassen.

Bei Männern war sie nicht besonders erfolgreich. Eigentlich hatte ihr Pech mit ihm auf der Highschool angefangen …

„Die Pershing School braucht deine Hilfe“, setzte sie noch einmal an. „Du weißt doch, wie es mit Spendenaktionen ist. Sie laufen besser, wenn ein großer Name dabei ist.“

Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Die Sache geht mich nichts an. Such dir jemand anderen.“

„Aber die Spendenaktion hätte auch für Serenghetti Construction ihr Gutes, wenn du mitmachst“, beteuerte sie. Dieses Argument hatte sie sich vorher zurechtgelegt. „Euer Unternehmen stünde als Wohltäter da, dem am Wohlergehen der Schule gelegen ist.“

Er ging weiter. Sie hielt ihn am Arm fest.

Schlagartig erkannte sie, dass das ein Fehler gewesen war. Rasch zog sie die Hand zurück, aber es war zu spät. Die Berührung hatte eine Kaskade von Erinnerungen in ihr ausgelöst, Erinnerungen an Zärtlichkeiten, Liebkosungen …

Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen, während sie ihm in die Augen sah. Seine Miene war ausdruckslos. Hart wie Stein.

„Du willst also meine Hilfe“, stellte er fest.

Sie nickte. Ihr war ganz heiß geworden.

„Schade für dich, dass ich nicht so leicht vergebe und vergesse. Du kannst es ruhig als Charakterfehler ansehen, aber ich bin ziemlich nachtragend.“

Sie errötete. Natürlich war ihr klar, worauf er anspielte. Sie hatte sich schon immer gefragt, ob er es wusste oder nur vermutete. Ob er das große Geheimnis aufgedeckt hatte: wer ihn als Urheber eines Streichs an die Schulleitung verraten hatte.

Er war für eine Weile von der Schule suspendiert worden und hatte nicht in der Eishockey-Schulmannschaft mitspielen dürfen. Vermutlich hatte es die Mannschaft den Sieg in der Schulmeisterschaft gekostet, dass der Topspieler gefehlt hatte.

Damals hatte Marisa durchaus ihre Gründe für ihr Verhalten gehabt. Gründe, die er sicher nicht hätte nachvollziehen können – früher ebenso wenig wie heute.

„Diese Highschool-Geschichten sind lange her, Cole“, sagte sie mit schwacher Stimme.

„Genau. Darum will ich sie auch nicht mehr aufwärmen. Und unsere Beziehung schon gar nicht.“

Seine kategorische Ablehnung schmerzte sie. Sie spürte, dass sie schlecht Luft bekam, ihr wurde schwindelig. Vermutlich, weil sie das Mittagessen hatte ausfallen lassen.

Mit einer Kopfbewegung deutete er auf ihr Auto. „Dein Wagen?“

Ihr war gar nicht aufgefallen, dass sie schon so weit gegangen waren. „Ja, das ist meiner.“

„Dann fahr vorsichtig. Ciao.“

Das Schwindelgefühl verstärkte sich. Ihr wurde schwarz vor Augen. Hätte ich nur heute Mittag eine Kleinigkeit gegessen, konnte sie gerade noch denken …

Da spürte sie, wie kräftige Arme sie auffingen, und sie verlor vollends das Bewusstsein.

Vermutlich waren nur Sekunden vergangen, bis sie wieder erwachte, aber genau konnte sie es nicht wissen. Auf jeden Fall befanden sie sich noch an derselben Stelle vor ihrem Auto.

Cole hielt sie in seinen Armen und blickte sie besorgt an. „Was ist mit dir, Marisa?“

„Ein kleiner Schwächeanfall, sonst nichts. Ich habe heute noch nichts Vernünftiges gegessen. Du kannst mich jetzt loslassen.“

„Bist du sicher? Du wirkst noch etwas benommen.“

„Mir geht’s gut, wirklich.“

Er setzte sie ab, hielt sich aber bereit, um sie im Notfall erneut auffangen zu können. „Wie in alten Zeiten“, bemerkte er sarkastisch.

Musste er sie daran erinnern? In der Highschool war ihr das auch einmal passiert. Genau wie heute war er damals zur Stelle gewesen, um sie festzuhalten. So hatte sie zum ersten Mal in seinen Armen gelegen.

„Wie lange war ich bewusstlos?“, fragte sie und vermied es, ihn anzusehen.

„Nicht mal eine Minute. Geht es wirklich wieder?“

„Ja, alles bestens.“

„Komisch, du scheinst zu Ohnmachtsanfällen zu neigen.“

„Das ist mir seit Jahren nicht passiert. Das Ganze nennt sich vasovagale Synkope, sagt der Arzt. Aber es kommt bei mir wirklich selten vor.“

Es sei denn, er war in der Nähe. Dazu kam der leeren Magen, weil sie in banger Erwartung des Wiedersehens keinen Bissen herunterbekommen hatte. Wobei er wahrscheinlich etwas anderes dachte. Sicher hielt er sie für eine begnadete Schauspielerin.

„Auf jeden Fall kam dieser kleine Schwächeanfall genau zur rechten Zeit“, merkte er trocken an. „Sonst hätten sich unsere Wege längst getrennt.“

„Ich hoffe wirklich, du glaubst nicht, ich hätte dir das nur vorgespielt.“

„So etwas würde ich dir nie unterstellen“, erwiderte er, und sie wusste nicht, ob er es ernst oder ironisch meinte. „Auf jeden Fall bleibe ich bei meinem Nein.“

Mit gesenktem Kopf zog sie die Autoschlüssel aus der Tasche und öffnete die Fahrertür.

„Bist du sicher, dass du schon wieder fahren kannst?“, fragte er.

„Ja, es geht mir bestens.“ Sie war bei ihm abgeblitzt, fühlte sich erschöpft und gedemütigt, aber es ging ihr gut. Wenigstens halbwegs.

„Dann leb wohl, Marisa.“

Es war wie ein Déjà-vu und klang endgültig. Damals in der Highschool hatte er sie auch nicht wiedersehen wollen – und jetzt wiederholte sich die Situation.

Es schmerzte sie, es schmerzte sie sogar sehr. Marisa stieg in ihren Wagen, ließ den Motor an und fuhr los. Im Rückspiegel sah sie, dass er immer noch dastand und ihr nachblickte.

Das war mächtig schiefgegangen! Normalerweise hätte sie nach dieser Niederlage aufgegeben. Aber sie brauchte Coles Hilfe für das Spendenprojekt so dringend, dass sie sich etwas einfallen lassen musste.

„Du siehst aus, als müsstest du dich dringend am Sandsack abreagieren“, begrüßte Jordan Serenghetti seinen Bruder Cole im Boxstudio. Er schlug seine Boxhandschuhe gegeneinander. „Oder du riskierst mit mir ein paar Runden im Ring. Aber ich kann nicht garantieren, dass du heil wieder rauskommst.“

Cole lachte auf. „Dir geht es wenigstens besser als mir, Bruderherz. Du kannst dich auch noch beim Eishockey abreagieren.“

Jordan spielte bei den New England Razors und war einer der großen Stars in der National Hockey League. Coles Hockeykarriere war ja leider durch die Verletzung beendet worden.

Wann immer Jordan in der Stadt war, trafen sie sich zum Boxtraining. Das machte Cole mehr Spaß, als im Fitnessstudio zu trainieren.

„Mein nächstes Spiel ist erst in drei Tagen“, sagte Jordan. „Wir haben also noch reichlich Zeit, um die Fäuste zu schwingen. Und du brauchst Ablenkung, das sehe ich dir an. Was ist denn los? Probleme mit der Damenwelt?“

Sofort musste Cole an Marisa denken. Komisch, seit sie ihm am vergangenen Freitag in die Arme gefallen war, ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf.

Jordan begab sich in Boxpositur und tänzelte vor Cole herum. „Ach, stimmt ja, was Frauen angeht, ist zurzeit Leerlauf bei dir. Vicki hat dich für diesen Sportmanager verlassen. Wie hieß er noch gleich?“

„Sal Piazza“, antwortete Cole und wich Jordans erstem Boxhieb aus.

„Ach ja, Salami Pizza.“

„Außerdem hat sie mich nicht verlassen“, stellte Cole schnaufend richtig.

„Sie war es nur leid, dass du dich nicht binden wolltest.“

Cole landete einen ersten Treffer. „Unsinn, sie wollte gar keine feste Beziehung. Es war eine nette, unverbindliche Affäre, genau richtig.“

„Bis sie dann gehört hat, welchen Ruf du hast. Da wusste sie, dass es an der Zeit war weiterzuziehen.“

„Es war für uns beide okay.“ Behände bewegten sich die Brüder im Ring und nahmen nichts um sich herum mehr wahr.

Obwohl Mittwoch war, brummte Jimmy’s Boxing Gym vor Aktivität. Schweißgeruch lag in der Luft, die Neonröhren summten.

Jordan wich einem Punch aus. „Du weißt schon, dass du Mom glücklich machen würdest, wenn du endlich eine feste Beziehung eingingst.“

Cole lächelte. „Und du würdest sie glücklich machen, wenn du nicht mehr deine Kauleiste beim Eishockey aufs Spiel setzen würdest. Aber trotzdem machst du weiter.“

„Dann muss sie eben ihre Hoffnungen auf Rick setzen“, kommentierte Jordan. Rick war der mittlere der drei Brüder. „Wo steckt er eigentlich gerade?“

„Ich habe gehört, er dreht einen Film an der Riviera.“

Rick war Stuntman und hatte daher den gefährlichsten Beruf der drei. Zum Leidwesen ihrer Mutter hatten aber all ihre Söhne im Laufe der Zeit schon Verletzungen davongetragen.

„Gut für Mom, dass wenigstens Mia so ein sanftes Reh ist“, sagte Jordan. „Das ist ihr hoffentlich ein Trost.“ Mia, die jüngste der Geschwister, arbeitete als Modedesignerin in New York. Cole war also der Einzige, der in ihrer Heimatstadt Welsdale wohnte.

„Immerhin lebst du jetzt nicht mehr so gefährlich“, fuhr Jordan fort. „Ich glaube, du bist von uns vieren auch am besten geeignet, um Serenghetti Construction zu leiten.“

Kurz nachdem Cole seine Eishockeykarriere verletzungsbedingt beenden musste, hatte sein Vater Serg einen schweren Schlaganfall erlitten. Acht Monate war das nun her. Seitdem führte Cole das Bauunternehmen.

„Ich tue eben meine Pflicht als guter Sohn“, sagte er und versetzte Jordan einen Boxhieb. Er liebte seinen Bruder, aber ein wenig neidisch war er schon auf ihn. Auf seine Freiheit.

Cole hatte früher in den Sommerferien immer im Unternehmen ausgeholfen, deshalb war er einigermaßen auf den Job vorbereitet gewesen. Trotzdem hoffte er, dass sein Vater bald gesund genug sein würde, um die Leitung wieder zu übernehmen. Coles Sportlerkarriere war zwar ein für alle Mal Geschichte, trotzdem faszinierte der Sport ihn noch immer. Er konnte sich gut vorstellen, Trainer zu werden.

Jordans Faust wirbelte durch die Luft, knapp an Coles Kopf vorbei. „Jetzt hast du mir immer noch nicht verraten, warum du heute so schlechte Laune hast.“

„Na schön, wenn du es unbedingt wissen willst: Marisa Danieli ist bei mir aufgetaucht. Sie hat mich auf der Baustelle abgefangen.“

Jordan blickte ihn fragend an.

„Das Mädchen von der Highschool“, erklärte Cole.

„Ach, jetzt weiß ich. Marisa. Das Mädchen, das dich beim Schuldirektor verpfiffen hat. Das kleine Miststück, das immer so unscheinbar daherkam.“

„Genau die. Die Verräterin.“ Seine Geschwister kannten die Geschichte. Allerdings wussten sie nicht, dass er und Marisa auch eine Liebesbeziehung gehabt hatten. Er hatte es damals geheim gehalten, weil er den Spott seiner Brüder fürchtete. Der Topsportler und die kleine Streberin – wie hätte das denn gewirkt?

Nie würde er den Moment vergessen, als der Schulleiter ihm versehentlich verraten hatte, dass es Marisa gewesen war, die ihn verpetzt hatte. Von diesem Tag an hatte er sich nie wieder einen Streich in der Schule erlaubt.

Es wurmte ihn, dass Marisa bei ihm aufgetaucht war. Ihr Verrat hätte beinahe seine Hockeykarriere beendet, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Und jetzt war diese Karriere tatsächlich vorbei, wegen der Verletzung. Stattdessen spielte er den Firmenchef, hatte aber in dieser Position – trotz eines respektablen Starts – noch viel zu lernen.

Ein Boxhieb seines Bruders erwischte ihn an der Schulter. Verdammt, er musste sich konzentrieren, während er im Ring stand!

„Was wollte Marisa denn von dir?“, fragte Jordan, während er um ihn herumtänzelte.

„Sie möchte, dass ich das prominente Aushängeschild für die Spendenaktion der Pershing School werde. Sie unterrichtet da, und die Schule braucht dringend eine neue Turnhalle.“ Er holte zu einem Hieb aus, verfehlte Jordan aber.

„Etwas mehr Konzentration bitte“, spottete Jordan.

„Sie meinte, wenn ich mitmache, wäre das auch gute PR für Serenghetti Construction. Wir würden als Wohltäter dastehen, die sich ums Gemeinwohl kümmern.“

„Das ist gar nicht so dumm. In dieser Sache muss ich ihr recht geben.“

Selbst Cole musste ihr recht geben, aber das hätte er niemals laut gesagt. Für ein Bauunternehmen war ein guter Ruf wirklich wichtig.

An Marisas Intelligenz hatte Cole auch damals auf der Highschool keine Zweifel gehabt. Sie war ein schüchterner Bücherwurm mit Brille gewesen, von den Jungen kaum beachtet. Er musste zugeben, dass sie sich äußerlich gemacht hatte: ein schönes Gesicht, eine gute Figur. Es hatte ihn nicht kaltgelassen, als er sie nach ihrem Ohnmachtsanfall in den Armen gehalten hatte.

Um ehrlich zu sein, hatte es ihn ziemlich erregt.

Dennoch hatte sie ihn schon einmal in große Schwierigkeiten gebracht. Und er würde dafür sorgen, dass das kein zweites Mal geschah.

2. KAPITEL

„Brauche meinen Squashschläger zurück. Hole ihn später ab.“

Marisa schaltete ihr Handy aus. Die SMS von Sal war schon ein paar Stunden alt. Aber das Wiedersehen mit Cole hatte sie so durcheinandergebracht, dass sie die Nachricht erst jetzt, zurück in ihrem Apartment, entdeckt hatte.

Der Text ärgerte sie ein wenig. Natürlich, in einer SMS fasste man sich kurz. Das klang manchmal ein bisschen unhöflich. Aber die Nachricht kam ja nicht von irgendwem – sie kam von ihrem ehemaligen Verlobten, der vor einem Vierteljahr mit ihr Schluss gemacht hatte.

Während der relativ kurzen Beziehung mit Sal war sie schnell in die Rolle des Hausmütterchens hineingerutscht. Dies erkannte sie allerdings erst rückblickend. Bereitwillig hatte sie für ihn die Wäsche aus der Reinigung geholt und andere Botengänge erledigt. Wahrscheinlich brauchte er den Schläger jetzt so dringend, weil er sich mit einem potenziellen neuen Kunden im Squashcenter treffen wollte. Als Sportmanager tat man gut daran, einen fitten Eindruck zu machen.

Vielleicht sollte sie den Schläger einfach aus dem Fenster auf den Rasen werfen. Da konnte Sal ihn dann suchen.

Plötzlich hörte sie, wie jemand von außen den Schlüssel ins Schloss ihrer Wohnungstür steckte. Komisch, sie hatte Sal den Wohnungsschlüssel doch abgenommen?

Marisa riss die Tür auf. Ihre Cousine Serafina stand vor ihr. „Ach, du bist’s“, stieß Marisa erleichtert hervor.

„Natürlich bin ich es“, gab Serafina zurück. „Du hast mir doch den Schlüssel gegeben. Oder hast du noch mehr davon verteilt?“

„Nein, natürlich nicht. Ich war nur gerade in Gedanken.“ Marisa hatte tatsächlich schon befürchtet, Sal hätte sich heimlich einen Nachschlüssel machen lassen. Sie hätte es ihm zugetraut.

Sie war froh, dass sie ihr kleines Apartment behalten hatte, obwohl Sal und sie schon geplant hatten zusammenzuziehen. Das Apartment hatte sie vor fünf Jahren gekauft; damals war es für sie ein großer Schritt in die Unabhängigkeit gewesen.

Wo Cole wohl wohnte? Sicher in einem luxuriösen Penthouse. Auf jeden Fall war er immer noch außergewöhnlich attraktiv, das konnte sie nicht leugnen.

„Es gibt übrigens Neuigkeiten“, sagte Serafina. „Ich werde demnächst ausziehen!“

Die beiden Cousinen hatten einen Großteil ihrer Kindheit und Jugend zusammen verbracht, und vor ein paar Monaten war Serafina zeitweilig zu Marisa gezogen, weil sie in der Stadt einen neuen Job suchte.

„Du willst hier ausziehen? Heißt das, du hast einen Job gefunden?“

„Ja, und auch ein Apartment ganz in der Nähe. Fast gleichzeitig, stell dir das vor! Ich hoffe, es ist okay für dich, wenn ich den ganzen Umzugskram erst nach meinem Besuch bei Tante Filo in Seattle organisiere.“

„Das ist überhaupt kein Problem. Du hättest auch gerne noch länger hier wohnen können.“

„Vielen Dank! Du bist wirklich meine Lieblingscousine. Und, was gibt’s bei dir Neues?“

„Heute habe ich Cole Serenghetti gefragt, ob er das Aushängeschild für die Spendenaktion an meiner Schule spielt. Als Werbegesicht.“

„Und? Was hat er gesagt?“

„Oh, er war begeistert. Kommst du mit in die Küche, Kuchen essen?“

„Ja, klar. Er hat also sofort zugestimmt?“

Marisa lachte bitter auf. „Nein, das war ein Scherz. Er hat mich abblitzen lassen.“

„Immer noch wegen der alten Geschichte aus der Highschool?“

„So ist es. Er ist nachtragend, das hat er selbst zugegeben.“ Marisa holte die Torte aus dem Kühlschrank und schnitt für sich und ihre Cousine je ein Stück ab. „Ach, warte mal, ich koche uns noch einen Kaffee dazu.“

Während sie das Kaffeepulver aus dem Schrank holte, kam sie ins Grübeln. Warum nur hatte sie sich überhaupt dazu überreden lassen, Cole Serenghetti um Hilfe zu bitten? Na ja, sie wusste schon, warum. Es hatte mit ihrem Ehrgeiz zu tun. Sie wollte stellvertretende Schulleiterin werden. Ein bisschen Karriere machen, nachdem sie sich aus bitterer Armut herausgekämpft hatte.

Aus diesem Grund hatte sie sich freiwillig bereit erklärt, die Spendenaktion zu leiten. Da hatte sie jedoch noch nicht ahnen können, dass der Schulleiter unbedingt Cole Serenghetti als Aushängeschild für die Aktion haben wollte. Er hatte im alten Schuljahrbuch gesehen, dass Cole und Marisa im selben Jahrgang gewesen waren. Daraus hatte er gefolgert, dass es ihr ein Leichtes sein müsste, ihn für die Sache zu gewinnen. Er kannte ja nicht die ganze Geschichte.

„Und was wirst du jetzt tun?“, fragte Serafina, während Marisa zwei Kaffeetassen auf den Tisch stellte.

„Keine Ahnung.“

„Du gibst doch sonst nicht so schnell auf.“

„Du kennst mich gut.“

„Natürlich. Wir sind doch zusammen aufgewachsen.“

Nein, normalerweise gab Marisa wirklich nicht so schnell auf. Als Tochter einer alleinerziehenden Mutter war sie in einfachen Verhältnissen aufgewachsen und hatte ihr Leben lang kämpfen müssen.

„Auf jeden Fall werde ich noch einen Versuch starten. Nach nur einem Anlauf kann ich nicht zum Rektor gehen und ihm gestehen, dass ich versagt habe. Aber ich weiß noch nicht, wie ich es angehen soll. Ich kann Cole nicht noch mal bei der Baustelle auflauern. Sonst lässt er mich noch als Stalkerin verhaften.“

Serafina nippte an ihrem Kaffee. „Du könntest es in Jimmy’s Boxing Gym versuchen.“

„Wo bitte?“

Serafina lächelte. „In Jimmy’s Boxing Gym. Da gehen viele heiße Sportler hin. Unter anderem auch Cole Serenghetti.“

„Und woher weißt du das?“

„Ich kellnere doch im Puck & Shoot. Da verkehren viele Hockeyspieler. Und gelegentlich schaut auch Jordan Serenghetti vorbei, Coles Bruder.“ Serafina verzog das Gesicht. Sie schien Jordan nicht besonders zu mögen. „Da habe ich es aufgeschnappt. Als Kellnerin bekommt man so einiges mit.“

Marisa lächelte versonnen. Sie konnte sich schon vorstellen, dass Cole Serenghetti in einen Boxclub ging. Sicherlich ein Ort ohne viel Schnickschnack. Er war eben ganz anders als Sal, der das edle, hochklassige Squashcenter besuchte, um anzugeben. Ihm zuliebe war sie auch dort hingegangen, hatte aber sofort gekündigt, nachdem Sal ihr den Laufpass gegeben hatte.

„Danke für den Tipp. Aber was ziehe ich an, wenn ich in einen Boxclub gehe?“

„So wenig wie möglich“, antwortete Serafina grinsend. „Bereite dich auf muskulöse, verschwitzte Männerkörper vor …“

Eine Woche später …

Einige Sekunden lang war Jordan unaufmerksam. Cole nutzte seine Chance und schlug blitzschnell zu. Jordan wankte.

Lächelnd wischte Cole sich den Schweiß von der Stirn, trat einen Schritt zurück und gab Jordan die Gelegenheit, sich zu sammeln. Sie wollten ja nur ein bisschen trainieren; er hatte kein Interesse daran, seinen Bruder auf die Bretter zu schicken. „Ich möchte dir nicht dein hübsches Gesicht verbeulen. Das überlasse ich lieber den Typen auf dem Eishockeyfeld.“

„Danke für deine Rücksichtnahme“, erwiderte Jordan und lächelte gezwungen. „Aber auf dem Eis …“ Plötzlich hielt er inne. „Oh Mann. Ich sehe wohl nicht richtig.“

„Was ist denn los?“

Mit einem Kopfnicken wies Jordan zur Tür.

Cole wandte sich um und stieß einen leisen Fluch aus. Marisa. Sie trug ein sexy Kleid, das ihre aufregenden Kurven betonte. Kein Wunder, dass sofort alle Blicke auf ihr ruhten.

Die Luft war voller Testosteron.

„Donnerwetter, was für ein Anblick“, murmelte Jordan. „Das nenne ich mal eine nette Überraschung.“

Cole verzog das Gesicht. Für ihn war es alles andere als eine nette Überraschung. Er stieg aus dem Ring.

„He, wo willst du hin?“, fragte Jordan.

„Ich brauche erst mal eine Auszeit.“

„Aber denk dran, ich hab sie zuerst gesehen“, scherzte Jordan. Seit ihrer Jugend hatten die Serenghetti-Brüder eine feste Regel: Wer eine Frau zuerst gesehen hatte, durfte auch als Erster sein Glück bei ihr versuchen.

Cole blickte seinen Bruder böse an. „Erkennst du sie nicht? Das ist Marisa Danieli.“

Jordan machte große Augen. „Mann, die hat sich aber verändert.“

„Weniger, als du glaubst. Lass die Finger von ihr.“

„Schon gut, schon gut.“

Cole streifte die Boxhandschuhe ab. Schon stand Marisa vor ihm.

In den vergangenen Tagen hatte er oft an sie denken müssen, und er ärgerte sich darüber.

„Wie hast du mich gefunden?“, herrschte er sie an.

Marisa zögerte. Die Selbstsicherheit, die sie eben noch zur Schau gestellt hatte, schien sich in Luft aufzulösen. „Im Puck & Shoot erzählt man sich, dass du öfter hier bist.“

Aha, dachte Cole. Da treibt sie sich also herum. Vielleicht auf der Suche nach neuen Opfern.

Sie lächelte ihn an, aber ihre Augen blickten ernst. „Lass uns noch mal von vorne anfangen. Danke der Nachfrage, mir geht es gut. Und dir so, Cole?“

„Fängst du so den Unterricht in der Schule an? Indem du das Benehmen deiner Schüler korrigierst?“

„Manchmal schon.“

Jordan gesellte sich zu ihnen. „Sie dürfen Cole seine Ruppigkeit nicht übel nehmen. Unsere Mutter hat uns zwar auf die Benimmschule geschickt, aber nur einer von uns hat den Abschluss geschafft.“ Er lächelte gewinnend. „Ich bin Jordan Serenghetti, Coles Bruder. Ich würde Ihnen ja die Hand reichen, aber wie Sie sehen …“, er hielt die Hände hoch, die noch in den Boxhandschuhen steckten, „… war ich bis eben damit beschäftigt, Cole fertigzumachen.“

Marisa musterte Cole. „Er sieht aber noch recht unbeschädigt aus.“

„Nur, weil ich gnädig zu ihm war. Außerdem haben wir verabredet, dass wir uns möglichst nicht direkt ins Gesicht boxen.“

„Jordan Serenghetti“, murmelte Marisa. „Natürlich, den Namen kenne ich aus den Sportnachrichten.“

„Du bist bestimmt nicht hierhergekommen, um Small Talk zu machen“, warf Cole ein.

Marisa sah ihn aus ihren Rehaugen an. „Ich habe mir gedacht, wenn du dir anhörst, was ich zu sagen habe, überlegst du es dir vielleicht noch mal.“

„Zur Not könnte ich meinen Bruder vertreten“, schlug Jordan grinsend vor. „Was halten Sie davon? Wir könnten alles bei einem Gläschen Wein besprechen. Heute Abend zum Beispiel. Bei mir.“

„Sie wissen schon, worum es geht?“, fragte Marisa. „Die Pershing School braucht ein bekanntes Gesicht für ihre Spendenaktion.“

„Ja, und ich stelle mich freiwillig zur Verfügung“, erwiderte Jordan.

„Das ist wirklich nett von Ihnen, aber offenbar haben Sie Ihren Abschluss an einer anderen Schule gemacht. Sonst hätte ich Sie auf meiner Liste gehabt.“

„Stimmt, aber ich bin auch mal kurz auf die Pershing gegangen.“

Marisa lächelte. „Ich weiß Ihre Hilfsbereitschaft zu schätzen, aber unsere Werbefigur müsste schon bei uns ihren Abschluss gemacht haben. Deshalb sind wir ja auf Cole gekommen.“ Marisa blickte Cole tief in die Augen. „Du kannst mir nicht erzählen, dass dir deine ehemalige Schule nichts bedeutet. Du hast dort mit großem Erfolg Hockey gespielt …“

„Bis Miss Plappermaul uns die Meisterschaft versaut hat.“

Marisa lief rot an. „Das hat nichts mit der Schule zu tun. Und der Schulleiter ist mittlerweile auch ein anderer.“

„Mag sein, aber vielleicht bist du ja immer noch dieselbe? Und du fungierst als Botschafterin der Schule.“

„Eine sehr hübsche Botschafterin“, warf Jordan ein.

Cole warf seinem Bruder einen bösen Blick zu. Er und Marisa hatten einmal etwas miteinander gehabt, damit wäre sie eigentlich für Jordan tabu gewesen. Allerdings wusste Jordan nichts von der heimlichen Beziehung zu Highschoolzeiten, und Cole wollte es ihm auch nicht verraten. Eine dumme Situation …

„Vielleicht konnte Marisa ja damals gar nichts dafür, dass du zeitweilig suspendiert wurdest“, sagte Jordan.

„Ich war damals tatsächlich im Büro des Schulleiters“, räumte sie ein.

„Aber heute tut es Ihnen leid, oder?“, versuchte Jordan ihr zu helfen.

„Sagen wir, es tut mir leid, welche Rolle ich in der Geschichte gespielt habe, ja“, murmelte sie.

Cole entspannte sich etwas. Immerhin, das klang ja fast wie eine Entschuldigung. Trotzdem – sie war nicht gekommen, um sich zu entschuldigen. Sie wollte etwas von ihm. Von wirklicher Reue wegen des Verrats konnte keine Rede sein. Und deshalb würde er ihr noch lange nicht verzeihen.

„Na, seht ihr“, sagte Jordan zufrieden. „Und Cole entschuldigt sich jetzt auch. Dafür, dass er eben Cole ist.“

„Ganz bestimmt nicht“, zischte Cole.

Es ehrte Jordan, dass er so auf eine Versöhnung der beiden aus war. Aber er wusste ja nicht alles, was zwischen ihnen vorgefallen war.

Jordan lächelte säuerlich. „Na schön, versuchen wir’s noch mal anders. Vielleicht können wir uns darauf einigen, dass Cole mit dem Schulstreich damals übers Ziel hinausgeschossen ist.“

„So weit kann ich dir zustimmen“, sagte Cole missmutig. „Aber im Ernst, Jordan, ich glaube, du solltest nicht versuchen, Fernsehmoderator zu werden. Das liegt dir nicht.“

„Aber vielleicht wenigstens Sportreporter?“, fragte Jordan etwas zerknirscht.

„Wenn heute schon der Tag der großen Beichten ist“, fuhr Cole fort und warf Marisa einen forschenden Blick zu, „kannst du uns auch gleich verraten, welchen Nutzen du aus der ganzen Sache ziehst.“

Sie räusperte sich verunsichert. „Das habe ich dir ja schon gesagt. Ich will der Pershing School zu einer neuen Turnhalle verhelfen.“

„Sehr großmütig. Könnte es sein, dass du möglicherweise auch selbst ein bisschen von der Sache profitierst?“

Marisa biss sich auf die Unterlippe. „Na ja, ich hoffe, dass ich irgendwann als stellvertretende Schulleiterin in Erwägung gezogen werde.“

„Aha, jetzt kommen wir der Sache näher“, sagte Cole. Genau das hatte er von Marisa erwartet: Eigennutz, Raffinesse und Hinterlist. „Komisch, eigentlich dachte ich, du wärst längst verheiratet, hättest Kinder und würdest nur noch ein paar Stunden nebenher unterrichten.“

Marisa wurde blass. Innerlich triumphierte Cole. Da hatte er ganz offensichtlich einen wunden Punkt getroffen.

„Ich … ich war bis vor ein paar Monaten verlobt“, sagte sie leise.

„Das ist ja interessant. Kenne ich den Herrn vielleicht?“

„Wäre schon möglich. Er ist Sportmanager. Sein Name ist Sal Piazza.“

Cole pfiff durch die Zähne.

„Du könntest ihn kennen“, fuhr Marisa fort. „Er ist jetzt mit deiner Exfreundin zusammen. Jedenfalls vermute ich, dass sie deine Exfreundin ist, weil ich ein paarmal ein Foto von euch in der Zeitung gesehen habe. Vicki Salazar.“

Verdammt, dachte Cole. Er sah sich um. Inzwischen hatte sich ein Halbkreis von neugierigen Zuschauern um sie herum gebildet, und das gefiel ihm überhaupt nicht. „Wir bieten den Leuten hier eine tolle Gratis-Show, und darauf habe ich im Moment keine Lust.“ Er nahm sie sanft beim Arm – obwohl er wusste, dass jede Berührung zwischen ihnen gefährlich werden konnte – und zog sie mit sich. „Wir setzen das Gespräch lieber woanders fort.“

Marisa warf Jordan einen Hilfe suchenden Blick zu. „Jordan bleibt hier“, stellte Cole klar.

Während sie auf den Hinterausgang zusteuerten, murmelte er: „Soso, du bist also mit Sal Piazza zusammen.“

„Ich war es. Das ist Vergangenheit.“

„Männer, die mit Sport zu tun haben, scheinen dich immer noch anzuziehen.“

„Du weißt doch, wie das ist. Man macht immer wieder dieselben Fehler.“

Er lächelte. Schlagfertig war sie noch immer! Ja, er wusste schon noch, warum sie ihm damals so gut gefallen hatte. Obendrein war sie im Laufe der Jahre noch schöner geworden. Ihr Mund – so verführerisch …

Sie runzelte die Stirn. „Ist alles in Ordnung mit dir?“

„Sicher. Langsam gewöhne ich mich daran, von Lehrerinnen gestalkt zu werden.“

Sie errötete leicht.

„Auf jeden Fall hat dein Auftritt hier Aufmerksamkeit erregt. Bei allen anwesenden Männern.“

„Was kann ich dafür, wenn sie auf überarbeitete, unterbezahlte Pädagoginnen stehen?“

Er lachte laut. „Überarbeitet und unterbezahlt. Du brichst mir das Herz.“

Sie blickte ihn verärgert an.

„Wenn du schon mit einem Sportmanager zusammen warst – hat er dir keine Tipps gegeben, wie man Sportler anwirbt?“ Er kniff die Augen zusammen. „Komisch, ich hätte nicht gedacht, dass du Sal Piazzas Typ bist.“

„Bin ich offenbar auch nicht“, gab sie gereizt zurück. „Sonst hätte er mich ja nicht für Vicki verlassen.“

„Hat er dich betrogen?“

„Er hat behauptet, dass er vor unserer Trennung nicht mit ihr im Bett war. Aber natürlich kann er mir viel erzählen. Auf jeden Fall sagte er eines Tages, er hätte jemand anderen kennengelernt und fühlte sich zu dieser Frau mehr hingezogen als zu mir.“

„Sal Piazza hat also mit dir Schluss gemacht, um Vicki ins Bett zu bekommen“, sinnierte er. „Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich ihn vorwarnen können, dass Vicki an Matratzensport nicht sonderlich interessiert ist.“

„Sei nicht so gemein.“

Nein, wirklich, er verstand den Mann nicht. Mit Vicki hatte er, was Zärtlichkeiten anging, nichts wirklich Interessantes erlebt. Zwischen ihm und Marisa dagegen … Es war ja mittlerweile fünfzehn Jahre her, aber er konnte sich immer noch lebhaft daran erinnern.

Zudem wunderte er sich, dass Sal und Marisa überhaupt zusammengekommen waren. Sal war verrückt nach Sport, während Marisa sich zumindest in der Highschool kein bisschen für Sport interessiert hatte. Von ihrer Affäre mit dem Captain des Hockeyteams einmal abgesehen.

Andererseits war Sal ein ziemlich durchschnittlicher Typ, soweit Cole es beurteilen konnte. Recht umgänglich, mittelgroß, mittelprächtig aussehend. Vielleicht hatte gerade diese Durchschnittlichkeit Marisa angezogen, vielleicht hatte sie gedacht, diesen Mittelmaß-Typen würde ihr keine andere Frau ausspannen. Aber der Plan war anscheinend nicht aufgegangen.

„Wann habt ihr euch denn getrennt?“, fragte er.

„Im Januar.“

Er und Vicki hatten sich zuletzt im November gesehen, überlegte er.

„Warum interessiert dich das so?“, fragte Marisa spitzbübisch. „Würde es dich verletzen, wenn Vicki dich mit einem kleinen Sportagenten betrogen hätte?“

„Nein.“ Sicher, er war mit Vicki zusammen gewesen, aber nicht besonders eng. Es war eher eine lockere Beziehung gewesen. „Auf jeden Fall stehen Hockeyspieler – sogar Ex-Hockeyspieler – in der Rangordnung tatsächlich wesentlich höher als Sportmanager.“

Verdutzt sah sie ihn an. „Willst du damit andeuten, dass ich mich seit der Highschool in der Partnerwahl verschlechtert habe?“

„Die Frage musst du dir schon selbst beantworten.“ Es machte ihm Spaß, sie ein wenig zu reizen. Irgendwann musste ihre Fassade doch bröckeln …

„Du bist ganz schön von dir selbst überzeugt, was?“

Er zuckte mit den Schultern. „Na ja, ich komme bei Frauen ganz gut an. Vor allem natürlich wegen meines enorm großen …“

„Hör auf! Ich will das nicht hören!“

„Ich wollte sagen: wegen meines enorm großen Ansehens in der Sportwelt. Was hast du denn gedacht?“

„Du bist unmöglich.“

Er lachte. „Und so einen unmöglichen Menschen willst du als Aushängeschild für eure Spendenaktion haben?“

„Eigentlich schon. Trotz allem, ja.“

„Und wenn du ihn nicht bekommst?“

Verärgert funkelte sie ihn an. „Dann tritt Plan B in Kraft. Zum Glück hat mir ja dein Bruder Jordan seine Unterstützung angeboten. Jetzt muss ich nur noch den Schulleiter davon überzeugen, dass er ein passabler Ersatz für dich wäre.“

Sie wandte sich ab, aber Cole hielt sie am Arm fest.

„Halt dich von Jordan fern“, zischte er. „Du hast schon einem Serenghetti jede Menge Ärger gemacht. Versuch’s jetzt nicht beim nächsten.“

Auch wenn Jordan nicht wusste, dass Cole etwas mit Marisa gehabt hatte – sie sollte für ihn tabu sein!

„Sehr schmeichelhaft, dass du mich für die Ausgeburt des Bösen hältst. Aber ich glaube, Jordan ist alt genug, um auf sich selbst aufzupassen.“

„Ich warne dich. Ich mache keine Witze.“

„Ich auch nicht. Die Zeit wird knapp, ich muss endlich meinen Werbeträger finden.“

„Aber nicht Jordan!“

Sie entwand sich seinem Griff. „Das wird sich zeigen. Wiedersehen, Cole.“

Zähneknirschend blickte Cole ihr nach. Zwar hatte sie ihr Ziel nicht erreicht, aber sie hatte ihn in eine Zwickmühle gebracht. Verdammt!

Er musste sie unbedingt von Jordan fernhalten. Andererseits wollte er seinem Bruder auf keinen Fall enthüllen, dass er mit ihr geschlafen hatte.

3. KAPITEL

Weil Jordan zu Auswärtsspielen unterwegs war, musste Cole über eine Woche bis zu ihrem nächsten Zusammentreffen warten. Sie hatten sich im Haus ihrer Eltern verabredet.

Als Cole mit seinem Range Rover bei der prächtigen Villa ankam, stellte er fest, dass der Wagen seines Bruders noch nicht davor stand. Aber Jordan würde sicher in Kürze eintreffen.

Ob Marisa inzwischen Kontakt zu ihm aufgenommen hatte? Dann würde Cole seinen Bruder warnen müssen. Dieser Frau war nicht zu trauen! Gut, es war nicht auszuschließen, dass sie sich seit der Highschool verändert hatte – aber Cole war nicht bereit, ein Risiko einzugehen. Möglicherweise hatte Marisa bei ihrem letzten Zusammentreffen ja auch nur geblufft; vielleicht hatte sie überhaupt nicht vor, Jordan als Ersatzmann anzuheuern. Das wäre natürlich noch besser. Aber so oder so – Cole wollte absolut sichergehen, dass da nichts lief!

Seit Marisa wieder in sein Leben getreten war, hatte er oft an die Highschool zurückdenken müssen. Eigentlich hatte er damals viel zu viel für selbstverständlich gehalten – seinen Status als Spitzensportler, seine Beliebtheit bei den Mädchen, die finanzielle Sicherheit, die seine Eltern ihm garantierten. Ein beneidenswerter Zustand, aber dennoch hatte er auch unter Druck gestanden. Dem Druck, sich immer wieder selbst übertreffen zu müssen. Jedes Eishockeyspiel zu gewinnen, immer wieder neue Mädchen zu erobern, seinen jeweils letzten Schulstreich noch zu toppen …

Marisa hatte trotz ihrer zeitweiligen Beziehung nie wirklich zu seinem engsten Freundeskreis gehört. Dennoch schien sie ihn und seine anderen rebellischen Freunde, die so ganz anders waren als sie, zu akzeptieren und nicht zu verurteilen. Das hatte er jedenfalls angenommen. Bis sie dann ihren Verrat beging.

Es wurmte ihn, dass Jordan sich im Boxclub so an Marisa herangemacht hatte. Natürlich nicht aus Eifersucht. Er wollte nur nicht, dass sein Bruder in dieselbe Falle tappt wie Cole seinerzeit. Er wusste ja nur zu gut, dass nichts Gutes dabei herauskam, wenn man zu sehr seinen Wünschen und Trieben folgte.

Als Profi-Hockeyspieler hatte er bei Frauen schon immer leichtes Spiel gehabt. Doch nach einer gewissen Zeit bedeuteten ihm schale Bettgeschichten nichts mehr. Als Jordan dann ebenfalls Profispieler wurde, hatte Cole seinen jüngeren Bruder über die Fallstricke und Versuchungen, die viel Geld und Ruhm mit sich brachten, aufgeklärt. Natürlich war Jordan mittlerweile selbst lange genug im Geschäft, ein erfahrener Profi.

Aber Marisa stellte nun mal eine ganz besondere Versuchung dar. Wer wüsste das besser als er?

Jordan schien durchaus anfällig für Marisas Reize zu sein. Insgeheim hoffte Cole, dass Marisa ihn noch nicht kontaktiert hatte.

Cole betrat die Villa. Im hinteren Teil des Gebäudes, in der großen Küche, traf er auf seine Mutter.

„Oh, Cole“, rief Camilla freudig überrascht aus. „Wie schön, dass du da bist, caro .“

Obwohl seine Mutter in relativ jungen Jahren Englisch gelernt hatte, war ihr Akzent unüberhörbar, und immer wieder ließ sie italienische Worte einfließen. Sie hatte Coles Vater Serg in ihrem Job als Hotelangestellte kennengelernt, als er in der Toskana Urlaub machte. Schlagartig hatten die beiden sich ineinander verliebt.

„Hallo, Mom.“ Cole griff nach einem Apfel, der in der Obstschale lag. „Wo ist denn Dad?“

„Er ruht sich aus. Die Krankenpflegerin und die Physiotherapeutin waren schon hier. Das hat ihn doch etwas angestrengt.“

Coles Mutter hatte eine späte Karriere gemacht; sie präsentierte auf einem Lokalsender ihre eigene Kochshow. Ganz offensichtlich mochten die Zuschauer ihren Akzent, und die Fernsehproduzenten fanden, es mache die Sendung authentischer.

„Hallo, ihr beiden“, ertönte plötzlich Jordans Stimme. Er musste gleich nach Cole in der Villa eingetroffen sein. „Ich hoffe, ihr habt die Gnocchi noch nicht ohne mich gegessen.“

„Woher weißt du denn, dass es Gnocchi gibt?“

„Ich habe vorhin schon mit Mom gesimst. Sie plant das Gericht für ihre nächste Kochsendung, und wir dürfen die Vorkoster spielen. Gnocchi mit Prosciutto, Endivien und Tomaten.“

Camilla strahlte. „Habe ich es euch schon erzählt, bambini ? Sie wollen den Namen der Sendung ändern. In Zukunft heißt sie: Camilla Serenghetti präsentiert italienische Genüsse.“

„Das ist ja großartig, Mom!“ Jordan gab seiner Mutter einen Kuss auf die Wange.

Cole nickte. „Gratuliere, Mom. Bald machst du noch den großen Fernsehköchen Konkurrenz.“

„Mein Name im titolo “, sagte Camilla stolz. „Toll, oder?“

„Der erste Schritt zum Weltruhm“, scherzte Cole.

„Aber ich muss in Zukunft öfter Gäste in die Sendung einladen“, sinnierte Camilla. „Damit es interessant bleibt.“

„Muss sich darum nicht der Produzent kümmern?“

„Nein. Schließlich ist es meine Sendung.“

Jordan machte eine abwehrende Handbewegung. „Ich hoffe, du hast nicht an Cole oder mich gedacht. Wir waren ja beide schon mal in der Kochshow und haben uns mit unserer Ungeschicklichkeit eher lächerlich gemacht. Wir sind nun mal keine Köche. Nicht mal Hobbyköche.“

„Mach dir keine Sorgen, caro “, beruhigte seine Mutter ihn. „Ich bin auf der Suche nach neuen Gesichtern.“

„Ich könnte ja mal in der Mannschaft nachfragen“, schlug Jordan vor. „Von Marc Bellitti weiß ich, dass er gerne kocht. Und vielleicht kennt ja einer der Kollegen noch jemanden.“

„Wo wir gerade bei deiner Mannschaft sind“, wandte Cole sich an seinen Bruder, „du hast mir im Spiel gestern Abend gut gefallen. Du hättest sogar noch ein Tor mehr machen können, wenn dieser blöde Peltier nicht dazwischengefunkt hätte.“

Jordan verzog den Mund. „Der nervt mich schon die ganze Saison über.“ Leise, damit ihre Mutter es nicht hörte, raunte er Cole zu: „Der Typ braucht mal wieder ein bisschen Sex, damit er von seiner Aggressivität runterkommt.“

Bei der Erwähnung von Sex musste Cole an Marisa denken. „Hat Marisa Danieli schon Kontakt zu dir aufgenommen?“

„Warum fragst du?“

„Weil sie doch immer noch ein prominentes Gesicht für ihre Spendenaktion sucht.“

„Sie wollte doch dich.“

„Ja, aber ich wollte nicht.“

„Dann wäre der Weg für mich noch frei. Vielleicht könnte ich damit sogar die Kollegen aus der Mannschaft neidisch machen …“

„Ich würde dich wirklich bitten, es nicht zu tun.“

„Bisher hat sie mich ja nicht mal gefragt. Und ich wäre auch nicht besonders gut geeignet. Aber davon abgesehen habe ich ganz andere Neuigkeiten für dich, was die Pershing School angeht.“

Camilla setzte einen großen Topf voll Gnocchi auf dem Küchentisch ab und sagte: „Ich will mal kurz nach eurem Vater sehen. Bin gleich zurück.“

„Lass dir nur Zeit, Mom.“ Cole wusste, dass seine Mutter sich große Sorgen um seinen Vater machte. Der Schlaganfall war nun schon einige Monate her, und Serg erholte sich nur sehr langsam. Es war noch völlig offen, ob er je wieder vollständig genesen würde.

Kaum war die Mutter aus der Tür, wandte Cole sich neugierig an seinen Bruder. „Jetzt erzähl schon. Was gibt es für Neuigkeiten?“

„Ich habe gehört, dass der Auftrag für die neue Turnhalle – wenn das Projekt denn zustande kommt – an JM Construction gehen soll.“

Cole mahlte mit den Zähnen. Das war also Marisas neueste Gemeinheit. Noch schlimmer, als wenn sie Jordan für ihre Spendenaktion eingespannt hätte!

Sowohl Serenghetti Construction als auch JM Construction waren mittelständische Bauunternehmen. Die Errichtung einer Turnhalle wäre nur ein kleiner Fisch, nichts Bedeutendes. JM Construction würde für dieses Projekt aber eine gute Presse bekommen, weil die Firma damit etwas für das Gemeinwohl tat, und das wurmte ihm. Zudem schnappte ihnen die Konkurrenz in letzter Zeit immer öfter die Aufträge weg.

„Woher weißt du das mit der Turnhalle?“, fragte Cole seinen Bruder.

„Ich habe es im Puck & Shoot gehört. Da erfährt man so einiges. Vielleicht solltest du auch öfter mal hingehen.“

„Scheint wirklich der Nachrichtenumschlagplatz Nummer eins zu sein“, murmelte Cole. Angeblich hatte doch Marisa dort auch herausbekommen, wo sie ihn finden konnte.

„Sie haben gute Drinks und die heißesten weiblichen Gäste.“

„Aber Marisa hast du da noch nicht gesehen, oder?“

Jordan schnappte sich ein paar kalte Gnocchi und steckte sie sich in den Mund. „Irgendwie wirkt sie auf mich nicht wie eine Frau, die oft in Sportbars rumhängt.“

„Oh, sie ist für so manche Überraschung gut.“

Jordan grinste. „Darauf bin ich gespannt.“

„Jordan! Du weißt doch, worum ich dich gebeten habe!“

„Schon gut. Aber um auf die Sache mit der Turnhalle zurückzukommen: Ich habe mit ein paar Jungs über die geplante Spendenaktion der Pershing School geredet. Dass sie noch ein prominentes Aushängeschild suchen und es um eine neue Turnhalle geht. Und da hat Jenkins erzählt, er hätte gehört, dass der Auftrag mit ziemlicher Sicherheit an JM Construction ginge.“

„Unglaublich, wie dreist diese Frau ist“, ereiferte Cole sich. „Will mich als Werbegesicht einspannen – aber den lukrativen Auftrag an meinen direkten Konkurrenten vergeben!“

Jordan machte eine abwehrende Handbewegung. „Sachte, sachte. Du weißt doch nicht, ob sie mit der Auftragsvergabe überhaupt etwas zu tun hat.“

„Und das werde ich herausbekommen.“

Etwas verunsichert betrat Marisa das Gebäude, in dem Serenghetti Construction seine Büroräume hatte. Nach der problematischen Vorgeschichte hätte sie sich nie träumen lassen, einmal hierher eingeladen zu werden. Und jetzt war die Einladung von Cole Serenghetti selbst gekommen. Na gut, genau genommen von seiner Sekretärin.

Ob er ihr jetzt doch helfen wollte? Sie konnte es nur hoffen. Denn sie hatte geblufft, sie hatte gar keinen wirklichen Plan B. Coles Bruder Jordan als Werbegesicht wäre allerhöchstens eine schlechte Notlösung, weil er seinen Abschluss nicht auf der Pershing School gemacht hatte.

Die Büroräume waren modern und sachlich eingerichtet. Eine überaus hübsche Sekretärin führte Marisa in Coles Chefbüro. Dort saß er hinter einem beeindruckend großen Schreibtisch.

„Guten Morgen, Marisa“, sagte Cole. Er klang weder besonders freundlich noch besonders unfreundlich. „Du wirkst ein bisschen misstrauisch. Hast du Angst, ich will dir etwas Böses?“

„Du hättest mich ja kaum extra persönlich hergebeten, um mir noch mal eine Absage zu erteilen.“

„Vielleicht ja gerade doch. Vielleicht bin ich ein sadistischer Dreckskerl, dem es ein diebisches Vergnügen bereitet, dich immer und immer wieder für deine Jugendsünden büßen zu lassen.“

Verärgert kniff sie die Lippen zusammen und schwieg.

Cole lächelte, aber kein freundliches Lächeln. „Hier ist mein Vorschlag, Kleines. Er ist nicht verhandelbar. Serenghetti Construction baut die neue Turnhalle. Auf keinen Fall wird der Auftrag unter der Hand an JM Construction vergeben, nur weil die vielleicht gut Freund mit jemandem vom Schulausschuss sind.“

„Wie bitte?“

„Na, überrascht?“, fragte er und kam auf sie zu. „Ich muss gestehen, ich war es auch. Als ich nämlich herausbekommen habe, dass ich für dich Spenden sammeln sollte, damit ihr mit dem Geld jemand anderem den Bauauftrag zuschustert. Und nicht irgendjemandem, sondern auch noch unserem schärfsten Konkurrenten. Die haben uns in letzter Zeit mit miesen Methoden schon zwei Aufträge vor der Nase weggeschnappt. Und das schätze ich gar nicht.“

„Ich gehe davon aus, dass so ein Bauauftrag öffentlich ausgeschrieben werden muss“, erwiderte sie.

„Ich glaube eigentlich nicht, dass das die Beteiligten besonders kümmern würde.“

„Was soll das Ganze, Cole? Ich habe keine Ahnung, worauf du hinauswillst.“

Cole musterte sie skeptisch. „Du hast als Lehrerin also noch nicht an solchen Schulausschusssitzungen teilgenommen?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Die Sitzungen sind zwar öffentlich, aber im Hintergrund wird jede Menge gekungelt. Eine Hand wäscht die andere, verstehst du? Mein Vorschlag ist daher: Ich spiele für dich die Werbefigur bei der Spendenaktion, aber im Gegenzug setzt du dich dafür ein, dass wir den Bauauftrag bekommen.“

Marisa war schockiert. Sie selbst war immer voller Idealismus gewesen, aber offenbar waren im Schulausschuss auch handfeste Eigeninteressen im Spiel. „Du meinst, solche Kungeleien sind üblich?“, fragte sie entsetzt. „Das … das grenzt ja an Korruption!“

„So ist das Leben. Das Schlimme ist: Wenn alle es so machen, ist man gezwungen mitzuspielen, ob es einem gefällt oder nicht. Oder man kann gleich Konkurs anmelden.“

„Ich habe nichts davon gewusst.“

„Nein, natürlich nicht.“

...

Autor

Anna De Palo
<p>Die USA Today-Bestsellerautorin Anna DePalo ist Harvard-Absolventin, ehemalige Anwältin und lebt mit ihrem Mann, ihrem Sohn und ihrer Tochter in ihrer Heimatstadt New York. Sie schreibt sexy und humorvolle Bücher, die in mehr als zwanzig Ländern veröffentlicht wurden. Ihre Romane wurden mit dem RT Book Reviews Reviewers' Choice Award, dem...
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