Die unschuldige Braut des leidenschaftlichen Spaniers

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Völlig aufgelöst ergreift Suzy am Tag ihrer Hochzeit die Flucht. Auf keinen Fall kann sie eine arrangierte Ehe eingehen! Noch im Brautkleid stolpert sie auf das Anwesen von Ruy Valiente, jenem geheimnisvollen Künstler, der ihr ein paar Tage zuvor unanständig viel Geld dafür geboten hat, wenn sie ihm Model steht. Bei ihm findet die rothaarige Schöne Schutz – und der feurigen Anziehungskraft des attraktiven Spaniers kann sie nicht lange widerstehen! Doch kann Suzy auch sein kaltes Herz erwärmen und für sich gewinnen?


  • Erscheinungstag 10.08.2021
  • Bandnummer 2505
  • ISBN / Artikelnummer 9783733718923
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ruy Valiente – Milliardär, der die Einsamkeit liebt, und Besitzer von Valiente Capital, einer der größten und erfolgreichsten Hedgefonds der Welt – ging nicht gleich an sein Telefon, als es in seiner Tasche klingelte.

Wozu auch? Er war in großartiger Stimmung und hatte vor, sich ein paar Wochen freizunehmen und sich seiner geheimen Leidenschaft hinzugeben. Diese Pausen waren sowohl selten als auch kostbar in seinem Leben, weil er dazu erzogen worden war, enorm diszipliniert zu sein und stets seine Pflicht zu erfüllen. Doch im Augenblick befand er sich auf dem Weg zu seinem englischen Landsitz, den er zu seinem ganz privaten Rückzugsort machen wollte.

Als er schließlich widerwillig das Handy hervorholte, stellte er fest, dass es sich bei dem Anrufer um seine Halbschwester Cecile handelte. Sie war fast die Einzige, deren Stimme er jetzt ertragen konnte, ihr verdankte er auch die Entdeckung seines neuen Domizils, in dem er sich hoffentlich bald wie zu Hause fühlen würde. Also nahm er das Gespräch bereitwillig an.

„Ich brauche deine Hilfe“, kam Cecile ohne Umschweife zur Sache. „Und ich weiß, dass du mit dem Umzug in dein neues Haus, das nur ein paar Meilen von Charles und mir entfernt ist, bestimmt befürchtest, dass wir dir in Zukunft nur zur Last fallen werden, und …“

Ruy lächelte. „Dieser Gedanke würde mir nie in den Sinn kommen.“

„Wo bist du gerade?“, fragte sie.

„Zehn Minuten von meinem neuen Haus entfernt.“

„Oh, gut. Charles und ich stehen auf der Autobahn im Stau. Wir waren extra früh auf dem Heimweg, um die Mädchen bei ihrem Frühlingskonzert zu sehen“, erklärte sie aufgeregt. „Aber wir werden es nicht rechtzeitig schaffen.“

„Das ist ärgerlich.“ Sein Mitgefühl war ernst gemeint, weil er wusste, dass seine Schwester und ihr Ehemann als Ärzte oft Schwierigkeiten hatten, berufliche und familiäre Verpflichtungen miteinander zu verbinden. „Wie kann ich euch helfen?“

„Lola und Lucia werden am Boden zerstört sein, wenn wir nicht auftauchen. Sie proben für diese Aufführung schon seit Wochen.“ Cecile seufzte. „Ich weiß, es ist sehr viel verlangt, Ruy, und auch gar nicht dein Ding … aber wenn du uns dort vertreten könntest, würde es den Mädchen alles bedeuten. Sie lieben ihren Onkel Ruy! Das Konzert findet im Gemeindehaus statt und hat bereits begonnen. Zum Glück spielen die Mädchen erst im letzten Akt. Würdest du das machen?“

Er schluckte jede Ausrede hinunter, die ihm spontan einfiel, und murmelte: „Natürlich fahre ich hin.“ Schließlich war es das erste Mal, dass seine Halbschwester ihn um etwas gebeten hatte.

Der Rest seiner Verwandten fragte ihn ständig nach Geld, Jobs oder Hilfe bei rechtlichen und familiären Problemen. Natürlich hatte sein verstorbener Vater Armando als Oberhaupt der Familie Valiente diese Abhängigkeiten gefördert, weil es seinem Ego geschmeichelt hatte und weil er die Macht über ein unterwürfiges Publikum liebte.

Aber Ruy fand diesen stetigen Strom von Forderungen einfach bloß lästig und versuchte schon seit Längerem, sich seine Verwandten vom Leib zu halten.

„Das würdest du tun?“ Cecile konnte weder die Erleichterung noch die Überraschung in ihrer Antwort verbergen. „Du musst die Mädchen auch nicht mit nach Hause nehmen oder so. Ihre Nanny ist bei ihnen. Alles was du tun musst, ist, sie danach zu umarmen und zu lügen, wenn Lola dich fragt, ob sie auf der Bühne wie ein echter Pilz ausgesehen hat! Es sollte nicht länger als eine Stunde dauern.“

„Schon in Ordnung, Cecile.“

„Aber dies ist dein erster Besuch in deinem neuen Zuhause, und ich mach dir deine Ankunft kaputt“, protestierte sie schuldbewusst.

„Für wie unflexibel hältst du mich?“, gab er belustigt zurück. In seinen dreißig Lebensjahren hatte er gelernt, sich aus seinem straffen Tagesplan im Reich der Investitionen rigoros Zeit für seine Kunst abzuzweigen, weil er ansonsten wohl niemals Gelegenheit für die schönen Dinge des Lebens haben würde. „Ich freue mich darauf, die Mädchen wiederzusehen.“

„Du könntest uns öfter besuchen … Entschuldigung, das war unangebracht“, murmelte Cecile verlegen. „Unsere Laune ist gerade im Keller.“

Ruy war ein Einzelgänger, der seine Privatsphäre sehr schätzte, denn in der Geschäftswelt war er rund um die Uhr von Mitarbeitern oder Klienten umgeben. Ihm war bewusst, dass man seinen Lebensstil nur schwer als normal bezeichnen konnte.

Alle Verantwortung lastete auf ihm, was seinen Zwillingsbruder Rodrigo – der nur wenige Minuten später als er geboren worden war – mit Neid und Bitterkeit erfüllte. Die Hoffnungen und hohen Erwartungen von Armando Valiente beruhten allein auf seinem Erstgeborenen. Ironischerweise hätte Ruy die weitaus weniger anspruchsvolle Rolle des jüngeren Sohnes und Bruders bevorzugt.

Rodrigo hatte ihn zu seiner Hochzeit eingeladen, die in vierzehn Tagen stattfinden sollte, und Ruy ging davon aus, dass diese Einladung ein Friedensangebot war. Vielleicht konnten sie die Kluft zwischen ihnen überwinden …

Der Gemeindesaal neben der Kirche war ein altes, schäbiges Gebäude, das dringend einer Renovierung bedurfte, fand Ruy. Er konnte nicht anders, als eine anonyme Spende in Betracht zu ziehen.

Philanthropische Gesten fielen natürlich leicht, wenn man nicht aufs Geld achten musste. Es war auch das erste Mal, dass er tatsächlich das Dorf besuchte, in dessen Nähe er sich ein Grundstück gekauft hatte. Der Ort hatte eigentlich nicht viel zu bieten: eine Autowerkstatt, einen kleinen Supermarkt und gegenüber der Kirche einen Pub. Bei seinem letzten Besuch war er ohne anzuhalten durch das Dorf gefahren, weil es ihn schlicht nicht interessierte. Er hatte auch nicht vor, jemanden aus der Nachbarschaft kennenzulernen, und plante, in absoluter Anonymität zu leben.

Im voll besetzten Saal waren keine freien Plätze mehr, was Ruy sehr gut passte. Er stellte sich an die Rückwand, von wo aus er – dank seiner beeindruckenden Körpergröße – einen hervorragenden Blick auf die Bühne hatte, die momentan noch unbeleuchtet war.

Seltsame Musik wurde von irgendwo eingespielt, die verdächtig nach New-Age-Melodien klang und ganz und gar nicht seinem Geschmack entsprach. Er mochte Rockballaden wesentlich lieber.

Hinter der Silhouette einer Frau, die mit gesenktem Kopf auf der Bühne kniete, leuchtete plötzlich ein Schweinwerfer auf. Unerwartetes Interesse überfiel Ruy, als die Musik lauter wurde und die Frau sich passend dazu langsam aufrichtete. Wie eine Blume, die unter der Sonne ihre Blütenpracht entfaltete, zumindest kam es ihm so vor.

Gelenkig bog sie sich nach hinten, scheinbar so flexibel wie Gummi, und ihr langes Haar reichte bis über den runden Po … auch ihre wohlgeformten Brüste waren gut zu erkennen. Ruy war wie hypnotisiert und vergaß völlig die Kinder, die zu beiden Seiten neben ihr auf dem Boden hockten. Normalerweise hatte er nicht viel für modernen Tanz übrig, doch die unschuldige Sinnlichkeit ihrer Bewegungen berührte ihn einerseits als Mann, aber auch als Künstler.

Sie erhob sich langsam und bewegte dabei die Hände wie durch eine innere Poesie gesteuert. Ihre Anmut war phänomenal und spontan beschloss er, dass er herausfinden musste, wer sie war … und er wusste, dass er sie malen musste.

„Sie ist ein echter Knaller“, kommentierte eine männliche Stimme neben ihm. „Eine wahre Schönheit.“

„Wer ist sie?“ Ruy wusste nicht, ob sie hübsch war, weil die gesamte Aufführung als Schattentheater stattgefunden hatte. Offenbar hatte die Frau nur Teil der Kulisse sein wollen, aber das war gründlich nach hinten losgegangen! Sie war der Star der Show, dachte er mit ironischer Belustigung.

„Suzy Madderton, aber sie ist nicht zu haben, falls Sie interessiert sein sollten.“

„Bin ich nicht“, behauptete Ruy und wurde tatsächlich ein bisschen rot im Gesicht.

„Ich habe gehört, dass sie schon einem älteren Kerl versprochen ist“, erklärte der andere Mann. „Ein erfolgreicher Geschäftsmann aus der Gegend, er besitzt das halbe Dorf. Eine Schande, dass sie bei ihm gelandet ist!“

Dazu sagte Ruy nichts. Als Zyniker wunderte es ihn kaum, wenn eine junge und anscheinend sehr schöne Frau einen älteren Mann wegen seines Geldes heiratete. Seine einzige Sorge war, ob er sie dazu bringen könnte, für ihn Modell zu stehen.

Von einer echten Goldgräberin ließ er lieber die Finger. Das gerade eben war einfach eine natürliche männliche Reaktion auf eine sinnliche Tanzeinlage gewesen und kein Beweis für echte Anziehung, versicherte er sich. Schließlich war Sex für ihn keine große Sache – schon lange nicht mehr.

Gelegentlich war Sex ganz nett und für ihn leicht verfügbar, aber er hatte lange kein Date mehr gehabt. Liebe kam für ihn dagegen nicht infrage, weil er gesehen und erlebt hatte, wie zerstörerisch sie sein konnte.

Seine frühere Schwägerin Liliana hatte sich seinerzeit an diesem scheinbar wünschenswerten Gefühl der Liebe, das so viele dumme Wesen herbeisehnten, gehörig die Finger verbrannt. Alte, unvergessene Schuldgefühle suchten Ruy heim, während er seine Nichten als süße kleine Pilze verkleidet über die Bühne tanzen sah. Lucia war im Vergleich zu der armen kleinen Lola, die sich eher wie ein Wasserbüffel bewegte, eine richtige Elfe.

Ruy ließ sich zu einem schwachen Lächeln hinreißen und dachte darüber nach, wie sehr er es genossen hätte, ein eigenes Kind zu bekommen … wenn man dafür nicht heiraten müsste.

„Ich wette, du hast da draußen bei ein oder zwei Vätern die Körpertemperatur in die Höhe getrieben“, sagte Flora, die Konzertveranstalterin, lachend zu Suzy. „Die Kerle haben Stielaugen bekommen.“

„Unsinn, sie wollten nur ihre Kinder sehen“, protestierte Suzy. Es gefiel ihr nicht, eventuell als Lustobjekt betrachtet zu werden. War es nicht schlimm genug, was sie kürzlich erst privat erlebt hatte?

Sie unterdrückte das aufkeimende Selbstmitleid, denn schließlich war sie an ihrem Schicksal selbst schuld. Hatte sie nicht beschlossen, ihrem Vater die höchste Priorität einzuräumen? Ihr Vater, der sie genug für zwei Eltern geliebt hatte, nachdem ihre Mutter sehr früh bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Roger Madderton war ein großartiger Mann, nur leider nicht weitsichtig genug, um eine Falle zu erkennen, wenn sie sich vor ihm auftat.

Und so hatte Percy Brenton sie und ihren Vater in höllische Finanzprobleme gestürzt, daran ließ sich nicht rütteln. Entweder ließ sie ihren Vater – ohne eigenes Verschulden – bankrottgehen und sah tatenlos zu, wie er sein Zuhause und seine Firma verlor … oder sie heiratete Percy.

Das sollte schon in weniger als achtundvierzig Stunden passieren, also konnte sie das Unvermeidliche genauso gut akzeptieren. Am Wochenende würden sie schon für die Flitterwochen auf Barbados sein, was Suzy allerdings nicht gerade mit Vorfreude erfüllte.

Das Konzert war vorbei. Die Leute verließen allmählich den Saal, während Suzy die Bühnenstufen hinunterstieg. Lola und Lucia kamen gerade aufgeregt auf sie zugerannt, um sich von ihr zu verabschieden. Sie waren sichtlich stolz nach ihrem Auftritt. Die süßen kleinen Mädchen gehörten zu der Tanzklasse, die Suzy jede Woche unterrichtete.

Bereitwillig ließ sie sich von den beiden an der Hand zur hinteren Ecke des Raumes ziehen und stand kurz darauf nicht vor den Eltern der Mädchen, wie sie erwartet hatte, sondern vor deren Kindermädchen und einem großen, fremden Mann.

Er hatte dunkle Augen und schwarzes Haar und sah wirklich unverschämt gut aus. Ihr blieb regelrecht die Spucke weg! Die tief gebräunte Haut betonte seine maskulinen Gesichtszüge: den energisch geformten Kiefer mit einem Hauch von Bartstoppeln, die klassische Nase und breite, sinnliche Lippen. Sein schlanker und gleichzeitig kraftvoller Körperbau ließ ihn wie einen Athleten wirken. Einem Traumtyp wie ihm hatte Suzy jedenfalls noch nie gegenübergestanden.

Schön beschrieb nicht ansatzweise das spektakuläre Aussehen von Suzy Madderton, fand Ruy. Sie strahlte wie ein einzigartiger Sonnenuntergang mit ihren leuchtenden kupferroten Locken, der porzellanblassen Haut, den Sommersprossen auf dem Nasenrücken und den grünen Augen, die heller waren als polierte Smaragde. Von ihr ging eine positive Energie aus, und er merkte, wie sich seine Sinne schärften, um diese überraschend ungewöhnliche Frau wahrzunehmen. Auch wenn ihn seine Reaktion ziemlich irritierte.

„Tio Ruy!“, verkündete Lola in wichtigem Tonfall. „Unser Tio Ruy!“

„Der Bruder ihrer Mutter, also ihr Onkel“, erklärte Ruy schnell.

Suzy starrte ihn wie gebannt an, doch ihre grünen Augen funkelten vor Feindseligkeit. „Danke für die Übersetzung, aber ich spreche ein bisschen Spanisch. Meine Mutter war Spanierin.“

Ihm gefiel dieser unerwartet herausfordernde Tonfall, der ein stürmisches Temperament erahnen ließ. Obwohl er es bei der Wahl seiner Bettgefährtinnen eigentlich eher auf sanftmütige und anpassungsfähige Frauen abgesehen hatte, nicht auf Kratzbürsten. Malen wollte er sie trotzdem. Sein letztes Modell, mit dem er während der Arbeit kaum ein Wort gewechselt hatte, war mittlerweile dank seiner Ausstellung im Vorjahr weltberühmt. Seine Porträts von schönen Frauen wurden weltweit für Millionen Dollar gehandelt.

Der dunkelhaarige Fremde stellte sich ihr nochmals als Ruy vor, sprach aber zu schnell auf Spanisch, sodass Suzy nicht gleich alles verstand, was er sagte. Er bot ihr einen Job als Modell an? Für ein Bild? Ausgerechnet ihr?

Suzy traute ihren Ohren nicht und wunderte sich, dass Cecile, die freundliche, aufgeschlossene Mutter der beiden Mädchen, nie erwähnt hatte, dass ihr Bruder ein offenbar erfolgreicher Künstler war.

„Nennen Sie Ihren Preis“, sagte er auf Englisch, wahrscheinlich um sicherzugehen, dass sie ihn wirklich verstand. „Es würde nur ein paar Wochen Ihrer Zeit in Anspruch nehmen.“

Ein schwerer Arm fiel auf Suzys Schultern, und ihr Herz setzte vor Schreck einen Schlag aus: Percy war da! „Preis für was?“, fragte er ohne ein Wort der Begrüßung.

„Ich habe Miss Madderton gefragt, ob sie in Betracht ziehen würde, für mich Modell zu stehen.“ Ruy streckte Percy höflich die Hand entgegen. „Ruy Rivera“, murmelte er.

Niemand konnte ahnen, dass er sich den Mädchennamen seiner unehelichen Halbschwester ausborgte, um seine Anonymität zu wahren. Auf diese Weise verwischte er gern seine Spuren als Künstler.

„Das kommt überhaupt nicht infrage, Mr. Rivera“, zischte Percy mit vernichtender Verachtung in der Stimme und ignorierte die ausgestreckte Hand. „Suzy und ich heiraten übermorgen. Sie ist viel zu beschäftigt!“ Mit herrischer Geste zog er sie weg.

„Du hättest netter zu ihm sein können. Es war schließlich keine Beleidigung“, flüsterte Suzy verlegen, während Percy sie ungeduldig zum Ausgang schob.

Wütend bohrte er seine Finger in ihren Oberarm. „Sag mir nicht, wie ich mich zu verhalten habe!“, knurrte ihr Verlobter und ging draußen auf seinen Wagen zu. „Und mit diesem ganzen Tanzquatsch ist jetzt auch Schluss! Ich lasse doch nicht zu, dass meine Frau auf einer Bühne steht und sich vor aller Welt wie eine Stripperin gebärdet!“ Er spuckte sie beim Sprechen fast an.

Blass und erschüttert von seinem Wutausbruch rieb Suzy sich fröstelnd den schmerzenden Arm. „Du hast mir wehgetan“, murmelte sie. „Ich habe nichts falsch gemacht. Warum bist du so sauer?“

„Hör auf, mit mir zu diskutieren und steig ins Auto!“, verlangte Percy. „Du kommst mit mir nach Hause, und da essen wir zusammen.“

„Es tut mir leid, aber nach dieser … Aufführung bin ich wirklich müde“, log Suzy und täuschte mit vorgehaltener Hand ein Gähnen vor. Ihr vorsichtiger Blick war auf das gerötete Gesicht des älteren Mannes gerichtet.

Auf keinen Fall wollte sie sich mit ihm zum Abendessen treffen! Das war sowieso nur ein Versuch von ihm, ihr näherzukommen. Dabei hatte sie seiner Forderung nach einer Hochzeit nur unter der Bedingung zugestimmt, dass diese Ehe ausschließlich auf dem Papier bestand. Ob er dachte, sie würde ihre Meinung in dieser Hinsicht ändern?

„Suzy!“ Die wunderbar vertraute Stimme ihres Vaters erklang hinter ihr, und sie drehte sich erleichtert zu ihm um.

Percy trat einen Schritt zurück und ein gezwungenes Lächeln breitete sich auf seinem fleischigen Gesicht aus. „Roger“, sagte er leise und nickte zum Gruß. „Wo kommst du denn her?“

„Ich habe am Ausgang gestanden und zugesehen“, erklärte der alte Mann mit einem Augenzwinkern. „Suzys Auftritt wollte ich um keinen Preis der Welt verpassen.“

„Und wer steht bei dir in der Bar hinter dem Tresen?“, wollte sie wissen.

Old Man Morgan ist eingesprungen.“

„Oh. Nun, als Stammgast kennt er sich wenigstens gut aus.“ Sie winkte ihrem Zukünftigen zu und hakte sich bei ihrem Vater ein. „Ich bringe Dad in den Pub, und dann gehe ich ins Bett. Ich bin wirklich todmüde. Gute Nacht, Percy!“

„Alles in Ordnung zwischen euch beiden?“, wollte er wissen, und Suzy versteifte sich.

„Ja, warum fragst du?“

„Aus der Ferne sah es so aus, als hättet ihr Streit“, gab der ältere Mann besorgt zu. „Wahrscheinlich irre ich mich, aber für einen Moment dachte ich ehrlich, er würde dich gleich schlagen.“

Sie wurde bleich und erholte sich erst von diesem schrecklichen Gedanken, als sie in die vertraute Hitze der Kneipe trat, wo ein knisterndes Feuer im offenen Kamin brannte. „Percy würde so etwas nicht tun“, antwortete sie etwas zu spät.

„Er sah aus, als hätte er zu viel getrunken. Bist du dir wirklich sicher mit dieser Ehe?“

„Ja, und ich kann es kaum erwarten, endlich Barbados zu entdecken“, versuchte sie ihn aufzumuntern.

Doch so leicht ließ sich Roger Madderton nicht überzeugen. Seufzend strich er ihr eine einzelne rote Haarsträhne aus der blassen Stirn. „Es fühlt sich für mich nicht richtig an. Ich schulde ihm Geld, du heiratest ihn, und er sagt, ich muss es jetzt nicht mehr zurückzahlen. Einfach so, als wäre es nichts, obwohl er bekanntermaßen extrem geizig ist.“

„Nun, Percy hat recht damit, dass es zwischen Familienmitgliedern keine finanziellen Verbindlichkeiten geben sollte. Nach der Hochzeit wird es dir sicherlich ganz normal vorkommen“, versicherte sie ihrem Vater.

„Ich finde trotzdem, dass er zu alt für dich ist“, gab Roger zu. „Er ist fast so alt wie ich, um Himmels willen! Und ich würde niemals auf die Idee kommen, mir eine so junge Frau zu suchen.“

„Jeder Mensch ist anders, und Percy wird mir ein gutes Leben ermöglichen.“

Er verzog das Gesicht. „Wenn du im Leben nur darauf aus bist, versorgt zu sein und in einem großen Haus zu wohnen, habe ich irgendwo auf der Strecke mit meiner Erziehung versagt.“

„Dad …“ Suzy wollte ihm keine weiteren Lügen mehr auftischen und umarmte den älteren Mann. „Hör auf, solchen Blödsinn zu reden! Du bist der beste Vater, den sich ein Mädchen wünschen kann.“

„Ich möchte dich doch bloß glücklich sehen, und ich bin nicht davon überzeugt, dass Percy dafür der Richtige ist.“

„Du wirst bestimmt irgendwann überzeugt sein“, sagte Suzy auf dem Weg zur Hintertür, die in ihre gemeinsame Wohnung führte. Sie sorgte sich nur um das Glück und die Sicherheit ihres Vaters, und die Heirat mit Percy war die einzige Möglichkeit, alle finanziellen Probleme aus dem Weg zu schaffen.

Später im Bett dachte sie an all die Opfer, die ihr Vater als alleinerziehendes Elternteil hatte bringen müssen. Er hatte immer sehr lange und hart gearbeitet, damit sein Pub erfolgreich läuft, und es war tatsächlich nicht seine Schuld, dass er hoch verschuldet war.

Seine Probleme hatten vor einigen Jahren mit einem Bankkredit für eine gründliche Renovierung des Pubs und den dazugehörigen Räumen begonnen. Nachdem er die Raten nicht mehr pünktlich zahlen konnte, hatte die Bank mit Zwangsversteigerung gedroht. In diesem Moment war Percy aufgetaucht … Damals war sie erst achtzehn gewesen und hatte nicht erkannt, dass er zweifellos immer beabsichtigt hatte, ihrem Vater den Pub abzujagen. Percy war damals Rogers Held gewesen, weil er die Schulden übernommen und niedrigere Rückzahlungsraten angeboten hatte.

Und vor sechs Monaten, kurz vor Suzys einundzwanzigstem Geburtstag, hatte Percy ihr gegenüber schamlos die Karten auf den Tisch gelegt. Er hatte gedroht, die Kneipe zu verkaufen, wenn sie seinen Heiratsantrag nicht annahm. Als sie ihn der Erpressung beschuldigte, bot er ihr eine repräsentative Zweckehe an, die ihr ein unbeschwertes Leben ermöglichte. Und sie hatte schließlich darauf bestanden, ein eigenes Schlafzimmer zu bekommen – und das Versprechen, dass es in ihrer Verbindung nie zu Sex kommen würde.

Damals war Percy einverstanden gewesen. Angeblich wollte er nur eine Gefährtin an seiner Seite haben, die ihn in der Öffentlichkeit gut dastehen ließ. Aber in letzter Zeit hatte sie den Verdacht, dass er diesen Entschluss bereute. Er schien verärgert zu sein, weil sie sich weigerte, ein Bett mit ihm zu teilen.

Heiße Tränen traten ihr in die Augen. Sie hatte definitiv unterschätzt, wie schwierig es sein würde, einen Mann zu heiraten, zu dem sie sich nicht im Entferntesten hingezogen fühlte. Und jetzt war es zu spät. Sie war gefangen in einer Zwickmühle. Entweder sagte sie ihrem Vater die Wahrheit, und sie wurden beide obdachlos. Oder sie riss sich zusammen und heiratete Percy. Den Mann, der ihr inzwischen mehr Angst machte, als sie zugeben wollte.

Nachdem Ruy sich von seinen Nichten verabschiedet hatte, stieg er wieder in seinen schlichten Wagen, den er extra ausgesucht hatte, um keine unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Er wunderte sich immer noch, dass eine junge Frau, die so auffällig schön und interessant war wie Suzy Madderton, einen großmäuligen Tyrannen heiraten wollte. Der Kerl, den er getroffen hatte, passte nie und nimmer zu ihr.

Aber das ging ihn nichts an, und hätte er sie nicht immer noch malen wollen, würde er keinen weiteren Gedanken an sie verschwenden. Er war nicht daran gewöhnt, mit dem Wort Nein abgespeist zu werden. Hindernisse ließen ihn nur umso entschlossener sein Ziel verfolgen, und auch in diesem Fall würde er das bekommen, was er wollte. Sobald er sich in seinem neuen Anwesen eingerichtet hatte, würde er in dieser Dorfkneipe anrufen und allein mit Suzy sprechen.

Zufrieden mit seiner Entscheidung startete er den Motor.

Die Hochzeitsvorbereitungen verliefen für Suzy relativ unspektakulär. Sie hatte sich ein Kleid nach Percys Wünschen ausgesucht, das relativ aufwendig ausgefallen war, Brautjungfern gab es keine. Je weniger Menschen in diese Scharade mit hineingezogen wurden, desto besser. Ihre Schulfreunde waren längst verschwunden, um aufs College zu gehen oder Jobs in der Stadt anzunehmen – Optionen, die es für Suzy nie wirklich gegeben hatte. Der Empfang sollte in Percys Landhaushotel stattfinden, das mehrere Meilen außerhalb des Dorfes lag.

Als sie am Abend in die Kneipe zurückkehrte, stellte sie überrascht fest, dass Ruy Rivera dort mit einem Whisky und einer Zeitung am Kaminfeuer saß.

Bei ihrer ersten Begegnung hatte er einen schick geschnittenen Anzug getragen, und sie hatte sich schon gefragt, ob er vorher auf einer wichtigen Veranstaltung gewesen war. Doch heute trug er eine lässige Jeans und einen hellgrauen Strickpullover. Sein Haar, blauschwarz wie ein Rabenflügel und ebenso glänzend und dick, war ganz leicht gekräuselt und etwas zu lang, um als konservativ durchzugehen.

Auf den ersten Blick registrierte sie erneut, wie gut aussehend er war. So attraktiv, dass er ihr buchstäblich den Atem raubte und sie einen trockenen Mund bekam. Verlegen blickte sie auf ihren Verlobungsring hinunter. Sie glaubte fest daran, dass sie Percy zumindest ihre Loyalität und ihren Respekt schuldete, und einen anderen Mann anzuhimmeln – ganz egal, wie heiß er war – fühlte sich völlig falsch an.

Ihre helle Haut färbte sich auf den Wangen rosa, und sie trat schnell hinter die Bar, um ihren Vater dort abzulösen.

„Ich dachte, du wärst in der Kirche und arrangierst dort die Blumen“, sagte Roger Madderton überrascht.

„Die Floristin hat den Termin verschoben. Sie hat noch eine weitere Buchung heute“, erklärte Suzy. „Geh ruhig und hol dir einen Tee.“

„Ja, zu Befehl“, scherzte der ältere Mann und verschwand durch die hintere Tür in den Wohnbereich des Hauses.

Ruy faltete seine Zeitung zusammen, stand von seinem Ledersessel auf und ging selbstbewusst auf den Tresen zu. „Ich hatte gehofft, Sie hier zu treffen“, begann er ohne Umschweife.

Ihre grünen Augen schimmerten misstrauisch. „Was kann ich Ihnen bringen? Noch einen Whisky?“

„Nein, danke. Ich muss fahren“, murmelte Ruy auf Englisch. Sein spanischer Akzent schnurrte dabei wie Samt und Seide über die Silben. „Wäre es sehr unhöflich, wenn ich mich nach Ihrer spanischen Mutter erkundige?“

Suzy horchte auf. „Nein, überhaupt nicht. Ich erinnere mich nicht an sie, weil sie bei einem Autounfall gestorben ist, als ich erst zwei Jahre alt war. Sie kam als Au Pair aus Madrid und hat selbst ihre Eltern verloren, als sie noch ziemlich jung war. Hier in Großbritannien hat sie dann meinen Vater kennengelernt, und innerhalb weniger Monate waren die beiden verheiratet. Ich habe später Spanischunterricht genommen, weil ich mich ihr näher fühlen wollte, aber es hat nicht richtig funktioniert. Man muss eine Sprache eben auch öfter sprechen, wenn man sie lernen möchte.“

„Sie könnten mit mir üben“, schlug Ruy vor und lächelte. „Wie lange geben Sie den einheimischen Kindern schon Tanzstunden?“

„Seit ein paar Jahren. Zuerst bloß als Assistentin, bis meine Vorgängerin wegen ihrer Arthritis in den Ruhestand gegangen ist. Tanzen war als Kind mein einziges Hobby“, gab Suzy leise zu.

„Ich hoffe immer noch, dass Sie mir Modell stehen. Ich würde Sie wirklich gern malen.“

„Es tut mir leid, aber das ist unmöglich. Ich werde morgen heiraten und bin dann für ein paar Wochen auf Hochzeitsreise. Außerdem ist es Percy nicht recht.“

„Sie kommen mir gar nicht vor wie eine Frau, die immer tut, was man ihr sagt. Ich bin auch bereit, ein paar Wochen zu warten, um Sie zu malen“, fügte er bereitwillig hinzu.

„Ich kann einfach nicht, und dabei bleibt es“, erwiderte sie nun leicht verärgert. „Oder haben Sie Schwierigkeiten damit, ein Nein als Antwort zu akzeptieren?“

Diese Frage ließ sein Lächeln breiter werden. „Um ehrlich zu sein: ja.“

Frustriert biss sie die Zähne zusammen. „Nun, das ist dann allein Ihr Problem.“ Damit wandte sie sich an einen anderen Gast, der gerade auf sie zukam und bedient werden wollte. „Sir, was kann ich Ihnen bringen?“

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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