Ein Traum von einem Cowboy

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„Gib vor, meine Freundin zu sein, dann bekommst du die Exklusivstory.“ Mit diesem Deal ist die Beförderung für Journalistin Adeline gesichert! Was ist schon dabei, wenn sie für eine Weile die Freundin des begehrtesten Junggesellen von Texas spielt, damit er seine lästigen Verehrerinnen loswird? Schließlich ist Colter Ward ein Traum von einem Cowboy: harte Muskeln, markantes Gesicht, sexy Lippen und dichtes, dunkelbraunes Haar. Doch je länger das Spiel dauert, desto echter werden Adelines Gefühle für Colter…


  • Erscheinungstag 09.05.2023
  • Bandnummer 2289
  • ISBN / Artikelnummer 9783751515603
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Hey, Süßer.“

Colter Ward saß auf einem hölzernen Barhocker und stöhnte innerlich auf, als das penetrante Parfüm die Luft um ihn herum erfüllte und in seiner Nase juckte. Er war davon ausgegangen, dass der Dreck, der sich nach einem langen Arbeitstag auf der Rinderfarm unter seinen Fingernägeln angesammelt hatte, sein ungewaschenes Haar und seine schmutzigen Klamotten, die nach Schweiß und Gott weiß, was sonst noch rochen, heute Abend jede vernünftige Frau fernhalten würden, selbst hier im Black Horse, der legendären Cowboy-Bar in Devil’s Bluffs, Texas.

Genervt, weil er sich geirrt hatte, kippte er sein eiskaltes Bier runter, um die angespannten Muskeln in seinen Schultern zu lockern. Der bittere Geschmack rauschte seine Kehle hinunter, während er in die verführerischen braunen Augen einer Frau blickte, die an jedem anderen Abend seine Aufmerksamkeit erregt hätte.

„Kein Interesse.“ Er richtete er seinen Blick wieder auf den Fernsehbildschirm, auf dem die aktuelle Bullenreiten-Meisterschaft gezeigt wurde.

In ihrer rauen Stimme kochte die Lust. „Dann gebe ich dir ein paar Minuten Zeit, um darüber nachzudenken, warum du interessiert sein solltest.“ Sie ging zu ihrem Tisch auf der anderen Seite der Bar zurück, wo eine Freundin wartete.

Doch Colter war wie jeden Freitagabend in die Bar gekommen, um sich nach der Arbeit zu entspannen, nicht um eine Frau abzuschleppen.

„Sind die Ladys wieder hinter dir her?“, fragte Riggs Evans. Seine grünen Augen funkelten belustigt. Der Besitzer des Black Horse war seit vielen Jahren mit Colter befreundet. Nach der Highschool war er Polizist geworden, später Detective, hatte aber nach einem schwierigen Fall Abschied genommen.

Colter schnaubte abfällig. „Das sind keine Ladys, das sind Haie.“

Bis vor einen Monat war Colters Leben nach der Scheidung zwar eine Katastrophe gewesen, aber zumindest eine stille Katastrophe. Das änderte sich schlagartig, als ein New Yorker Blog ihn in einem Beitrag über ledige Männer aus fünfzig Bundesstaaten zum sexysten Junggesellen in Texas kürte. Das Foto, auf dem er ein Kalb vor einer Stromschnelle rettete, ging viral. Seitdem wurde er nicht nur von der lokalen Weiblichkeit umworben – auch Frauen von außerhalb, die auf heiße Cowboys standen, waren scharenweise hinter Colter her – und hinter den Millionen seiner Familie.

Diese Aufmerksamkeit zerrte an seinen Nerven. Nach seiner Scheidung hatte Colter sich auf die Familienranch konzentriert, um das Erbe der Wards zu sichern, die seit sechs Generationen Viehzucht betrieben und American Quarter Horses züchteten. Im Laufe der Jahre hatten schon viele in den vermögenden Clan einheiraten wollen, doch seit diesem albernen Blog-Artikel waren seine potenziellen Verehrerinnen gnadenlos. Sie verfolgten Colter regelrecht. Dabei wollte er nichts anderes als ein kaltes Bier und etwas Ruhe nach einer langen, harten Woche. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, waren gierige Frauen, die es auf sein kaputtes Herz abgesehen hatten.

Er musste sich diese Hyänen vom Hals schaffen. Endgültig.

Colter nahm noch einen Schluck aus seinem Glas, als er eine weibliche Stimme neben sich hörte. „Ich nehme ein Bier vom Fass.“

„Kommt sofort“, versicherte Riggs mit einem Lächeln, das Colter schon tausendmal gesehen hatte.

Die Stimme klang vertraut, aber Colter weigerte sich, sie zu beachten und starrte weiter gebannt auf den Bildschirm. Er war es so verdammt leid, irgendwelche Frauen abzuweisen.

„Colter Ward, stimmt’s?“

Konnte er mal zwanzig Minuten für sich haben? Er wandte sich der Frau mit der sanften Stimme zu, bereit, seinem Frust freien Lauf zu lassen – und hielt abrupt inne.

Lange Wellen von rotblondem Haar umrahmten ein rundes Gesicht mit einer von Sommersprossen betupften kleinen Nase und rosigen Schmolllippen. Da die Frau nur eine Bluse und einen langen Rock trug, waren seiner Fantasie keine Grenzen gesetzt. Sie hatte einen Körper, der wie für Männerhände gemacht war – einladende Kurven an den richtigen Stellen. Verdammt! Er begann die Gründe zu überdenken, warum er heute Nacht keine Frau in seinem Bett haben wollte.

„Oder irre ich mich?“, fragte sie, und ihr Lächeln erstickte seine lüsternen Gedanken im Keim.

Denn ihm fiel wieder ein, dass sie – wie jede andere Frau – derzeit der Feind war. „Hör zu, ich bin sicher, dass du eine wunderbare Person bist, aber lass mich dir das unmissverständlich klar machen: Ich bin nicht auf der Suche nach einer Beziehung. Ich bin seit Kurzem geschieden, zahle Unterhalt an meine Ex und könnte mit meinem emotionalen Ballast eine Scheune füllen. Glaub mir, ich habe vielleicht Millionen, aber die Hölle, durch die du mit mir gehen würdest, ist das Geld nicht wert.“

Sie hob eine Augenbraue und ließ sich auf den Hocker neben ihm gleiten. „Wow. Nach dieser ungefragten Auskunft kann ich dir versichern, dass ich mich ganz bestimmt nicht um den Job bewerben werde.“ Sie streckte ihre rechte Hand aus. „Ich bin Adeline Harlow.“

Unfähig, die Manieren zu ignorieren, die ihm seine Eltern beigebracht hatten, schloss Colter seine schwielige Hand um ihre zarten Finger und erwiderte den Händedruck. „Colter Ward.“

Sie lachte leise. „Ja, ich sagte ja schon, dass ich weiß, wer du bist. Erinnerst du dich nicht an mich?“

Erneut musterte er sie prüfend. „Ich fürchte nicht. Sollte ich?“

Sie zog ihre Hand weg, was ein Prickeln auf seiner Haut hinterließ. „Ich finde schon. Ich habe einen ganzen Sommer lang auf deinen kleinen Bruder aufgepasst.“

Er kämpfte sich durch seine verschwommenen Erinnerungen, und plötzlich erinnerte er sich an ihren Namen. Und an zwei Zöpfe, schiefe Zähne, ein pausbäckiges Gesicht und formlose Klamotten. „Nicht die Adeline, die auf der Couch meiner Eltern saß und immer Tagebuch geschrieben hat?“

„Doch, genau die.“ Sie lächelte.

Er traute seinen Augen kaum. Er hatte schon viele schöne Frauen gesehen, aber Adeline war etwas ganz Besonderes. Etwas … Verlockendes. „Meine Güte, du machst mich echt sprachlos.“

Sie grinste verschmitzt. „Es ist also doch möglich, den unerschütterlichen Colter Ward zu überraschen.“

Er lachte trocken. „Glaub mir, Adeline, ich bin sehr erschütterlich.“ Er hasste, wie düster und pathetisch er klang, und nahm einen weiteren Schluck von seinem Bier.

„Du bist also doch nur ein Mensch, hm?“

Der Blick, mit dem sie ihre neckenden Worte begleitete, war schelmisch. Doch dahinter erkannte er klar, was er wissen musste. Damals in der Highschool hatte Colter, im Gegensatz zu Adeline, zur Clique mit den beliebten Kids gehört. Sie dachte damals – und vermutlich auch heute noch –, er hätte alles. Aber da lag sie völlig falsch. „Wie kommst du darauf, dass ich kein Mensch bin?“

Ihr Grinsen wurde breiter. „Immerhin bist du der sexyste Junggeselle von Texas.“

Verdammt, dieser Artikel. „Wo bist du noch mal hingezogen?“

„New York“, antwortete sie und bedankte sich mit einem Nicken bei Riggs, der ihr das Bier brachte.

„Und spricht man dort etwa noch immer von mir? Der Beitrag in diesem Blog ist schon vor Wochen erschienen.“

Sie trank einen Schluck und stellte ihr Bier ab. „Na ja, die Leute lieben nun mal heiße, heldenhafte Cowboys.“

Dass sie ihn heiß fand, gefiel ihm – wahrscheinlich mehr, als es sollte. „Bist du wieder zurückgekommen?“, fragte er, um das Thema zu wechseln. Soweit er sich erinnerte, war ihre Mutter nach dem Sommer, in dem Adeline auf seinen Bruder Beau aufgepasst hatte, mit ihr weggezogen, um näher bei der Familie zu sein.

„Nein, bin nur zu Besuch. Wie geht’s deinen Leuten?“

„Beau und meiner Mutter geht es großartig.“

„Und deinem Vater?“

Die Kälte sank Colter in die Knochen. „Vor fünf Jahren wurde bei ihm Parkinson diagnostiziert. Er schreitet schnell voran.“ Etwas, das Colter sich nie verzeihen würde. Er hätte seinem Vater beistehen sollen, als der immer schwächer wurde. Stattdessen hatte er sich nur auf seine scheiternde Ehe konzentriert. Er würde seine Familie nicht noch einmal im Stich lassen.

„Oh, tut mir leid, das zu hören.“ Sie legte eine Hand auf seinen Unterarm, ihr warmer Blick spendete ihm Trost.

„Danke. Für meine Mutter ist es am schlimmsten.“

Die Wärme ihrer Finger auf seinem Arm ließ das Eis in seinen Adern schmelzen. „Dad sitzt seit ein paar Monaten im Rollstuhl. Er ist jetzt in einem Pflegeheim, aber er kommt mithilfe einer Krankenschwester oft nach Hause.“

„Das klingt hart.“ Sie zog ihre Hand langsam zurück und griff wieder nach ihrem Bier. „Deine Eltern waren immer so verliebt, deshalb ist es schön, dass er ab und zu nach Hause kommen kann.“

Ja, seine Eltern waren wahnsinnig verliebt. So etwas hatte er sich auch für sich selbst gewünscht. Bis ihm klar wurde, dass diese Art von Liebe nicht für jeden möglich war. Er ertappte sich dabei, wie er ihr in die Augen schaute und ein seltsames Gefühl der Nostalgie verspürte. Adeline hatte den jungen Mann gekannt, der er einmal gewesen war, bevor man ihm das Herz herausgerissen hatte. Sie schaute ihn nicht an, als sei er ein gebrochener Mensch, so wie seine Familie es tat. Zum Teufel, sogar Riggs tat es manchmal. „Also, Adeline, wenn du nicht zurück in die Stadt gezogen bist, warum bist du dann hier?“

„Um dich zu treffen.“

„Mich?“

Sie zögerte. „Ich bin Journalistin. Ich arbeite für den Blog, der dich zum sexysten Junggesellen von Texas gekürt hat.“

Er hob eine Augenbraue. „Du hast den Artikel geschrieben?“

„Nein“, erwiderte sie hastig. „Aber meine Redakteurin will eine Fortsetzung, weil du bei unseren Followern so gut ankommst.“

„Verstehe“, sagte er und spürte, wie die unsichtbaren Mauern um ihn herum in die Höhe schossen. Er wollte mit niemandem etwas zu tun haben, der an dem Blog beteiligt war, der sein Leben in einen Zirkus verwandelt hatte, und trank sein Bier aus. „Es war schön, dich wiederzusehen, aber ich muss jetzt los.“

„Warte“, rief sie und umfasste erneut seinen Unterarm.

Er blickte auf die Berührung, die seinen Arm förmlich verbrannte, dann in ihre sich weitenden Augen, in denen er sich fast zu verlieren schien. Noch nie in seinem Leben hatte er sich gewünscht, einen Ort schleunigst zu verlassen und gleichzeitig das Bedürfnis verspürt, unbedingt dort bleiben zu wollen.

„Ein Interview, das ist alles, worum ich bitte.“ Sie schaute ihn flehend an. „Dann kannst du in dein Leben zurückkehren und ich in meins.“

„Dieser Artikel hat mein Leben in einen Affenzirkus verwandelt. Warum sollte ich zulassen, dass du noch einen über mich schreibst?“

Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Weil ich so charmant bin?“

„Nein.“

Ihr Lächeln wurde breiter. „Weil ich eine Freundin der Familie bin?“

„Nein.“

Die Fröhlichkeit wich aus ihrem Gesicht und wurde durch etwas Leidenschaftliches ersetzt. „Weil das, was zwischen mir und der Beförderung steht, für die ich mir seit Jahren den Hintern aufreiße, ein exklusives Interview mit dir ist. Nichts, gar nichts wird mich davon abhalten, mein Interview und diese Beförderung zu bekommen. Also, entweder du stimmst jetzt zu und machst es mir leicht, oder wir verbringen die nächsten Tage damit, ein Spiel zu spielen, das keiner von uns spielen will. Aber am Ende wirst du mir das Interview geben.“

Zwischen ihnen herrschte eine Chemie, wie er sie schon lange nicht mehr gespürt hatte, und sie fühlte sich gut an, wild und greifbar. „Warum glaubst du, dass du ein Spiel, das wir spielen, gewinnen würdest?“

Sie grinste. „Weil ich nie verliere.“

„Ist das so?“ Er verringerte den Abstand zwischen ihnen, beugte sich zu ihr, angezogen von etwas, das sich warm und vertraut anfühlte und doch ganz neu war.

„Ja, so ist das. Ich weiß, du bist es gewohnt, deinen Willen zu bekommen.“ Weil du ein Ward bist, hallte in der Luft zwischen ihnen wider. „Aber ich konkurriere mit drei Kollegen um die Beförderung und muss mich mit diesem Artikel beweisen. Ich brauche dieses Interview, und du wirst es mir geben.“

Colter musste lachen, sowohl über ihre Unverfrorenheit als auch darüber, wie sehr ihm das gefiel, als Riggs sich räusperte. „Ich soll dir das bringen“, sagte er.

Er stellte ein Bier vor Colter, doch dieser wandte den Blick nicht von Adelines rosigen Wangen ab. Verdammt, er wollte diese Wangen noch dunkler brennen lassen. „Schick es zurück“, bat er, und Riggs nahm das Bier weg.

Alle Antworten, nach denen Colter gesucht hatte, fielen ihm plötzlich in den Schoß. Niemand würde ihn in Ruhe lassen. Nicht diese Frauen. Nicht Adeline. Nicht der Blog. Plötzlich wurde ihm klar, wie er die Kontrolle über sein Leben zurückgewinnen konnte. „Du willst deine Geschichte? Nun, ich will diese Frauen loswerden. Bleib in der Stadt und gib vor, meine Freundin zu sein, bis sich der Wirbel um den Blog-Beitrag gelegt hat, und ich gebe dir die Exklusivstory, die du willst.“

Ihre Augen weiteten sich. „Ist das dein Ernst?“

„Todernst“, bestätigte er. „Ich will mein Leben zurück, damit ich mich auf die Ranch konzentrieren kann. Du willst deine Beförderung. So gewinnen wir beide.“

„Ich glaube, du überschätzt mich. Warum sollten es die Frauen interessieren, ob ich deine Freundin bin?“

„Und ich glaube, du unterschätzt dich.“ Er starrte auf ihre geöffneten Lippen, ihre leuchtenden Augen, ihr leichtes Lächeln und lehnte sich noch näher zu ihr, um zu sehen, ob sie sich zurückzog. Sie tat es nicht, kam ihm stattdessen sogar ein Stück entgegen. „Glaub mir, es wird sie interessieren“, versicherte er, umfasste ihr warmes Gesicht, presste seinen Mund auf ihren und sagte sich die ganze Zeit, dass das hier eine schreckliche Idee war.

Und doch … und doch, als er ihre süßen, weichen Lippen spürte, löste sich ein Knoten in ihm. Sie schmeckte nach der Vergangenheit, nach leichteren, glücklicheren Zeiten und nach unkontrollierter Leidenschaft. Seine Bartstoppeln blieben an den weichen Strähnen ihrer Haare hängen, und Hitze durchflutete seine Leistengegend. Er hatte nicht vor, aufzuhören, aber als sie seufzte, wurde ihm bewusst, dass sie nicht allein waren. Langsam löste er den Kuss und erfreute sich an der Glut, die in ihren halbgeschlossenen Augen loderte.

„Und das soll ihnen etwas ausmachen?“, fragte sie leise.

„Sieh doch selbst.“ Er deutete auf die Frau, die ihm das Bier geschickt hatte und nun mit ihrer Freundin im Schlepptau finster dreinblickend zur Tür marschierte. „Wie ich schon sagte, es wird sie sehr interessieren.“

Adeline beobachtete, wie sich die Tür hinter den Frauen schloss, und wandte sich ihm wieder zu. „Okay. Keine Gefühle. Keine Intimität, außer den zwingend notwendigen Küssen, um die Show aufrechtzuerhalten. Und sag die Wahrheit nur Leuten, denen du vertraust.“

Zustimmend neigte er den Kopf. „Mit diesen Regeln kann ich umgehen. Du auch?“

„Glaub mir, ich werde nicht anhänglich“, beteuerte sie.

Er fragte sich, warum diese Beförderung ihr so wichtig war, dass sie einer derart verrückten Idee zustimmte, aber er hielt es nicht für angebracht, danach zu fragen. „Dann haben wir eine Abmachung?“

Ihre Mundwinkel zuckten amüsiert. Sie zog ihn fest an sich. „Ja, Cowboy, wir haben eine Abmachung. Du bekommst eine Freundin. Ich bekomme das Interview.“ Ihre Lippen trafen auf seine, und sie nahm seinen Mund in Besitz, offensichtlich um zu beweisen, dass sie es ihm gleichtun konnte. Dann war sie weg, auf dem Weg zur Tür.

„Ich dachte, du interessierst dich nicht für Frauen“, bemerkte Riggs.

Colter starrte auf die Tür, die sich hinter Adeline schloss, und versuchte zu begreifen, was zum Teufel gerade passiert war. Noch nie hatte er sich auf etwas so Spontanes eingelassen, aber er wollte diese ganze lästige Aufmerksamkeit loswerden. Endgültig. „Tue ich auch nicht.“

„Ah, dann ist sie also kein Hai?“ Riggs lachte.

„Nein. Sie ist … etwas ganz anderes.“

2. KAPITEL

Draußen auf der Main Street musste Adeline gegen ein flaues Gefühl in ihrem Magen ankämpfen.

Was zur Hölle war das bitte?

Früher in der Highschool war Colter der taffe, unerreichbare Kerl gewesen und sie das stille, schüchterne Mädchen, das sich in ihren Tagebüchern verlor. Damals war er ihr absoluter Schwarm.

Und als jetzt Colters Foto auf ihrem Schreibtisch landete und dann im Internet kursierte, wusste sie sofort, warum Frauen aus dem ganzen Land derartig auf ihn abfuhren. Colter war der Inbegriff eines echten Cowboys, buchstäblich ein Traumtyp. Auf dem Foto war er hemdsärmelig, sein Körper strotzte vor harten Muskeln, und sein Gesicht war umwerfend schön. Seine markante Kieferpartie mit den leichten Bartstoppeln, seine vollen, kussbereiten Lippen, sein unordentliches schokoladenbraunes Haar und seine durchdringenden blauen Augen brachten die Frauen zum Schwärmen. Sie eingeschlossen. Seit sie zwölf Jahre alt war.

Und jetzt hatte er sie geküsst. Und sie hatte ihn zurückgeküsst – was noch schockierender war. Sie würde das Ganze ja gern als Verrücktheit abtun, wusste aber, dass ihr Teenagerherz gerade vor Freude platzte.

Trotzdem.

Was zur Hölle sollte das?

Mit dem Gefühl, auf bestem Wege zu einer außerkörperlichen Erfahrung zu sein, sog sie die frische Luft ein und ging weiter die Straße hinunter. Verzweifelt versuchte sie, ihren Kopf wieder klar zu bekommen und den Kuss zu verdrängen.

Sie zog sich in eine ruhige Ecke hinter einem Geschäft zurück, kramte ihr Handy aus der Handtasche und wählte über FaceTime ihre beste Freundin Nora Keller an.

Sobald Noras sonnige, haselnussbraune Augen auf dem Bildschirm erschienen, fühlte Adeline, dass ihre Welt wieder ins Lot kam. Nora war blond und wunderschön. Sie besaß jene Art Schönheit, die von innen kam. Ihre Seele war gütig und liebevoll, und dieser Glanz leuchtete in ihrem Gesicht. Die Ruhe, die Nora ausstrahlte, färbte jedoch in diesem Moment nicht auf Adeline ab. „Ich habe Colter geküsst“, platzte sie heraus. „Oder genauer gesagt, hat er mich geküsst, und ich habe ihn zurückgeküsst.“

Nora kreischte, ließ das Telefon fallen, sodass es auf den Boden krachte. Als Noras Gesicht wieder auftauchte, starrte sie ungläubig. „Wie? Was? Warum?“

„Ich bin mir nicht sicher, was passiert ist“, gab Adeline zu.

Nora blinzelte ein paar Mal schnell, dann wich ihre überraschte Miene einem verschmitzten Lächeln. „So führt man normalerweise kein Interview.“

Unwillkürlich musste Adeline lachen. Sie hatte Nora am ersten Tag der zehnten Klasse ihrer neuen Schule in New York kennengelernt, seither waren sie unzertrennlich. Adeline hatte sich nie mehr allein gefühlt, seit Nora in ihrem Leben war. „Nein, üblicherweise mache ich nicht mit den Leuten rum, mit denen ich Interviews führe. Aber gerade es ist passiert.“

Nora kniff die Lider fest zusammen, schüttelte den Kopf, öffnete die Augen wieder und legte sich eine Hand an die Brust. „Tut mir leid, ich muss das erst mal verdauen. Ich brauche einen Moment.“

„Oh, ist es wirklich so schockierend?“, überlegte Adeline laut. „Warum eigentlich? Liegt es womöglich daran, dass ich erst vor einer Woche die Verlobung mit dem Mann gelöst habe, von dem ich dachte, er sei mein Seelenverwandter, und jetzt küsse ich bereits einen anderen?“

Nora schnaubte. „Genau.“

Adeline lehnte ihren Kopf an die Wand hinter ihr und stieß einen langen Seufzer aus, um die Verwirrung zu vertreiben, die ihre Gedanken vernebelte. „Ich weiß nicht mal wirklich, was passiert ist. Erst erinnere ich ihn daran, dass ich früher mal auf seinen jüngeren Bruder aufgepasst habe, dann lasse ich ihn wissen, dass es nichts gibt, was ich nicht tun würde, um diese Geschichte zu bekommen. Und plötzlich sagt er, er würde mir die Story geben, wenn ich vorgebe, seine Freundin zu sein, um ihm die vielen aufdringlichen Frauen vom Hals zu schaffen. Dann küsst er mich, um zu beweisen, dass es wirklich hilft, wenn ich angeblich seine Freundin bin.“

„Und, hat es?“

„Hat es was?“

„Hat es ihm geholfen?“

„Nun, es hat eine Frau, die ihn sehr penetrant anmachte, dazu gebracht, ihn in Ruhe zu lassen, also würde ich sagen, ja, es hat geholfen.“

Nora blinzelte. Zweimal.

„Oh mein Gott, sag doch was, Nora“, rief Adeline atemlos.

„Ich weiß echt nicht, was ich sagen soll. Das ist unglaublich. Und total untypisch für dich.“ Sie knabberte an ihrer Unterlippe und lächelte dann. „Ich finde, Colter ist absolut umwerfend, also kann es nicht schlimm gewesen sein, ihn zu küssen.“

„War es nicht“, sagte Adeline schnell. „Es war …“

Nora beugte sich vor, bis ihr Gesicht den ganzen Bildschirm ausfüllte. „Es war was?“

„Mein Gott, Nora, es war einfach unglaublich“, bekannte Adeline seufzend. „So einen Kuss habe ich noch nie erlebt, nicht mal mit Brock.“ Der bis vor einer Woche die Liebe ihres Lebens gewesen war. Fünf Jahre war sie mit ihm zusammen, er war der Mann, den sie heiraten wollte. Und der Mann, der sie mit seiner Sekretärin Stephanie betrogen hatte.

Als ihre Chefin ihr anbot, für eine kleine Auszeit die Stadt zu verlassen, um Colter zu interviewen, hatte sie die Chance ergriffen. Brock hatte Textnachrichten geschickt und angerufen, zuerst stündlich, jetzt dreimal am Tag, aber sie hatte keinen einzigen Anruf und keine einzige Nachricht beantwortet und ließ ihr Telefon ausgeschaltet, wenn sie es nicht gerade benutzte.

„Ganz ehrlich, es fühlt sich an, als hätte ich gerade genau das erlebt, wofür mein jugendliches Ich alles gegeben hätte. Keine Ahnung, was ich davon halten soll.“

Nora grinste. „Vielleicht solltest du keinen Hehl daraus machen. Möglicherweise ist dieser Trip bestens dazu geeignet, die Beförderung zu bekommen, für die du so hart gearbeitet hast und dein gebrochenes Herz mit dem Cowboy zu heilen.“

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Therapeutin sagen würde, dass das eine schreckliche Idee ist.“

„Dann ist sie eine miese Therapeutin und sollte sofort gefeuert werden“, sagte Nora ernst. „Unglaublicher Sex mit einem heißen Cowboy, der noch dazu mal dein größter Schwarm war, klingt für mich nach der besten Methode, ein gebrochenes Herz zu heilen.“

Adeline lachte. Nora war schon immer die Mutigere von ihnen gewesen.

„Also gut, was gehört alles dazu, seine Fake-Freundin zu sein?“, fragte Nora. „Und warum braucht er dich dafür überhaupt?“

„Der Artikel hat ihm unerwünschte Aufmerksamkeit von geldgierigen Frauen eingebracht, aber das scheint nicht alles zu sein.“

„Inwiefern?“

„Er ist seit einem Jahr geschieden.“ Das stand in dem Artikel über ihn, den sie gelesen hatte. „Es klang schmerzhaft. Ich glaube, er will einfach nur in Ruhe gelassen werden.“ Sie hielt inne und zuckte mit den Schultern. „Ich habe einfach das Gefühl, da steckt mehr dahinter, und ich grabe weiter, bis ich die Antworten habe.“

Nora grinste schief. „Na ja, er wollte in Ruhe gelassen werden – bis er dich geküsst hat.“

„Was aber kein richtiger Kuss war“, stellte Adeline klar. Obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, wie sich ein echter Kuss anfühlen würde, wenn dieser nur Show gewesen war. „Mir ist klar, dass das eine verrückte Idee ist, aber ich will seine Geschichte hören. Verdammt, ich will diese Beförderung.“ An dem Tag, an dem Brock ihr das Herz brach, hatte sie sich selbst ein Versprechen gegeben: Sie würde sich finanziell auf niemanden mehr verlassen, außer auf sich selbst. Ihr Leben würde sich nicht ändern, nur weil sie Brock daraus verbannt hatte. Sie brauchte das Geld jetzt mehr denn je, für all die Ausgaben, die sie und Brock früher gemeinsam gedeckt hatten.

Nora nickte. „Hol dir deine Geschichte, und melde dich wieder bei mir, okay? Und schick mir alle Neuigkeiten über Colter. Vor allem die sexy Sachen.“

„Wenn es irgendetwas zu berichten gibt, das sexy ist, wirst du die Erste sein, die ich anrufe, glaub mir.“ Zwei Fußgänger kamen näher. „Ich melde mich später noch mal, okay?“

„Klar. Hab dich lieb.“

„Hab dich auch lieb. Bye.“

Adeline fühlte sich viel besser als beim Verlassen der Bar und steckte ihr Handy zurück in die Tasche. Sie straffte die Schultern und hob den Kopf, bereit, sich Devil’s Bluffs erneut zu stellen. Das Dove Hill Inn, in dem sie einen zweiwöchigen Aufenthalt gebucht hatte, lag nur zwei Blocks entfernt.

Doch sie kam nur zwei Schritte voran, bevor sie wie angewurzelt auf dem Bürgersteig stehen blieb und ihr Herzschlag ihr in den Ohren dröhnte. Sie betrachtete die alte, abgetragene karierte Jacke, die Jeans mit den Ölflecken und das verwitterte Gesicht des Mannes, der aus Jackson’s Eisenwarengeschäft kam. Sein dunkles Haar wurde von einem verblichenen Stetson verdeckt, und er hatte den Kopf gesenkt, um sich vor der Welt zu verstecken, die Schultern gekrümmt und die Hände in die Taschen gestopft.

Der schwächste Teil ihres Herzens konnte diesen Mann nie vergessen. Das war ihr Vater. Eric Lowe. Ein völlig Fremder.

Sie hatte seinen Namen von ihrer Mutter erst erfahren, als sie sechzehn war. Nora hatte geholfen, ein Foto von ihm im Internet zu suchen, und sie hatten eins auf der Website der Mechanikerwerkstatt gefunden, die er besaß.

Adeline verschränkte die Arme vor der Brust, um die Wärme zurückzuhalten, die aus ihr heraussickern wollte. Eine Million Mal hatte sie sich ausgemalt, was sie tun würde, wenn sie ihm begegnete. Sie würde ihn zur Rede stellen, Antworten verlangen, warum er sich damals geweigert hatte, anzuerkennen, dass er ein Kind hatte.

Jetzt, in diesem Moment, tat sie genau das Gegenteil. Sie sprang hinter den nächstgelegenen Busch und beobachtete, wie er in seinen Wagen stieg.

Autor

Stacey Kennedy
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