Eine Braut für den König

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Amina will Beraterin des Königs werden, nicht seine Braut! Bei ihrem Vorstellungsgespräch wird die schöne Wissenschaftlerin jedoch jäh in die Palastkapelle verschleppt und mit König Zayn verheiratet. Schockiert erfährt sie, dass die Ehe von ihren Vätern im Geheimen arrangiert wurde! Trotzdem sprühen vom ersten Moment an ungeahnt erregende Funken. So sehr Mina sich dagegen wehrt, sie fühlt sich immer mehr zu Zayn hingezogen. Doch was empfindet er? Nachdem er sie zu einer Liebesnacht verführt hat, hofft sie vergebens auf die magischen drei Worte …


  • Erscheinungstag 18.05.2021
  • Bandnummer 2493
  • ISBN / Artikelnummer 9783733718749
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Mina Aldaba atmete tief ein und strich sich mit den Händen übers Haar. Nicht dass sich ihre krausen Locken dadurch auch nur ansatzweise bändigen ließen. Auf der anderen Seite der kunstvoll geschnitzten Tür saßen die Männer und Frauen des Parlaments – die Menschen, die gleich darüber entscheiden würden, ob sie ihr Versprechen ihrem Vater gegenüber endlich würde einlösen können oder nicht.

Genau wie ihr Haar war sie reichlich eigensinnig. Alles, was sie tat, tat sie mit ganzem Herzen und nach bestem Wissen und Gewissen. Das hatte sie auf diese Seite der Tür gebracht, nur Zentimeter von der Chance entfernt, alles zu erreichen, was sie sich jemals gewünscht hatte.

Der Rest lag bei den Männern und Frauen dahinter.

Bei dem Gedanken beschleunigte sich ihr Herzschlag, denn den nächsten Schritt musste sie dem Schicksal überlassen. Das Einzige, was sie tun konnte, war, sie selbst zu sein, auf ihr Wissen zu vertrauen und zu hoffen, dass es sie zum Erfolg führen würde. Leider gehörte blindes Vertrauen nicht zu ihren Stärken. Sie war nicht durch bloßes Wünschen auf diese Seite der Tür gelangt, sondern durch Willenskraft und Entschlossenheit.

Mina drückte den Rücken durch, doch das flaue Gefühl in ihrem Magen ließ sich nicht vertreiben.

Wie üblich trug sie einen schwarzen Hosenanzug und eine weiße Bluse. Der gerade Schnitt verlieh ihrer femininen Figur die nötige Seriosität. Die klaren Linien überdeckten jede Andeutung einer weiblichen Kurve, was sie angesichts ihres wohlgerundeten Pos und der üppigen Brüste sehr zu schätzen wusste. Als sie im Alter von zwölf Jahren beschlossen hatte, Wissenschaftlerin zu werden, hatte sie nicht damit gerechnet, dass sie ihren Körper für die akademische Laufbahn würde verstecken müssen.

Nie würde sie den Tag vergessen, als eine Kollegin sie deswegen beiseitegenommen hatte.

„Dagegen wirst du etwas unternehmen müssen“, hatte die andere Doktorandin fröhlich verkündet, während sie mit einem langen, rot lackierten Fingernagel auf Minas Po und Brüste gedeutet hatte. „Das ist einfach zu viel“, hatte sie hinzugefügt. „So wird man dich nie ernst nehmen.“

Damals hatten die Worte wehgetan, doch heute war Mina dankbar für den Hinweis, denn ihre Kollegin hatte recht gehabt. Das fast schon fadenscheinige alte Uni-Sweatshirt, das sie an jenem Tag getragen hatte, spannte über ihre Brüste, und ihre Jeans saß hauteng. Noch immer hatte sie ausgesehen wie eine Studentin und nicht wie die professionelle Akademikerin, zu der sie geworden war. Die Welt, die sie hatte betreten wollen, war mörderisch, altmodisch und feindselig, wenn man das Pech hatte, mit einer weiblichen Anatomie geboren worden zu sein.

Sobald sie ihren Kleidungsstil verändert hatte, erregte ihre Arbeit mehr Aufmerksamkeit. Ihre männlichen Kollegen, so schien es, konnten sich nun auf ihre Texte statt auf die Verfasserin konzentrieren.

Zum Glück hatte sie diese Fallstricke schon vor langer Zeit überwunden – und zwar so gut, dass sie heute die höchsten beruflichen Lorbeeren ernten durfte: ein Vorstellungsgespräch für einen Platz im Beraterstab des Königs von Cyrano.

Zur Vorbereitung hatte sie die dichten schokoladenbraunen Locken aus dem Gesicht gebürstet und zu einem strengen französischen Zopf geflochten. Heute konnte sie es sich nicht leisten, dass auch nur ein einziges Haar nicht an seinem Platz lag, weshalb sie fast doppelt so viel Gel wie gewöhnlich verwendet hatte, um die wilde Mähne zu bändigen.

Denn auch das hatte sie schon damals gelernt: die Haare nicht zu einem Dutt zusammenstecken! Zu viele Akademiker hegten Fantasien, die von sexy Bibliothekarinnen handelten.

Die Kombination aus Hosenanzug und Flechtfrisur schuf das perfekte Bild einer seriösen Wissenschaftlerin, und genau das wollte Mina ausstrahlen. Zumal sie die jüngste Kandidatin war, die je zu den Vorstellungsgesprächen eingeladen worden war – und insgesamt erst die zweite Frau.

Die Tür wurde geöffnet, und ein Page steckte einen vollendet frisierten Kopf durch den Spalt.

Erschrocken, weil sie zu nahe an der Tür gestanden hatte, sprang Mina mit einem leisen Aufschrei zurück.

Der Page zog eine Augenbraue hoch. „Man wird Sie gleich empfangen, Dr. Aldaba.“

Sie nickte. „Danke.“ Doch der junge Mann hatte die Tür schon wieder geschlossen.

Mina atmete tief durch. Es ist fast so weit, Papa.

Tief in ihrem Inneren spürte sie seine Antwort: „Cyrano zählt auf dich.“

Obwohl er schon vor langer Zeit gestorben war, lebten die Worte ihres Vaters in ihrem Herzen fort. Dasselbe hatte er vor jedem ihrer bedeutsamen Meilensteine gesagt, die er hatte miterleben dürfen. Dreizehn Jahre lang hatte er sie auf dem Weg zu ersten Plätzen, goldenen Sternen und schulischen Erfolgen begleitet. Und auf einmal nicht mehr.

Mina schüttelte den Kopf, um einen klaren Kopf zu bekommen. Später würde sie Zeit finden, um in bittersüßer Melancholie zu schwelgen. Dreizehn Jahre waren ihnen vergönnt gewesen – nicht lange genug für einen Vater, aber genug Zeit, um einen gemeinsamen Traum zu verfolgen, den sie heute verwirklichen wollte.

Nur unterbrochen durch kurze Essenspausen, hatte sie gestern zehn Stunden am Stück alte Fragebögen durchforstet, um heute die passenden Antworten parat zu haben. Sie war zu einer vernünftigen Zeit ins Bett gegangen, früh aufgewacht, hatte ein ausgewogenes Frühstück genossen und sich eine weitere Stunde vorbereitet.

Abermals wurde die Tür geöffnet, diesmal vollständig. Der Page trat in den Flur und bedeutete ihr, einzutreten. „Man erwartet Sie, Dr. Aldaba.“

Sie nickte dem Mann mit einer Zuversicht zu, die sie überhaupt nicht empfand. „Danke.“ Trotz der Schmetterlinge in ihrem Bauch klang ihre Stimme ruhig und fest.

Sie trat über die Schwelle.

„Mitglieder des Parlaments“, begann sie, als sie neben ihrem Stuhl angelangt war. Nach der entsprechenden formellen Verbeugung fügte sie hinzu: „Ich fühle mich geehrt, heute hier vor Ihnen zu stehen.“

Sie setzte sich auf den Stuhl. Links neben ihr stand ein kleiner Tisch, auf dem ein Mikrofon und eine Flasche Wasser platziert waren.

Sie dachte an all die Jahre, in denen sie wegen ihres Studiums Einladungen abgelehnt und Freunde verloren hatte. An alles, was sie geopfert hatte, um hierher zu gelangen. All ihre Kraft, all ihre Leidenschaft hatte sie diesem Ziel gewidmet. Für diesen einen Moment hatte sie gelebt und den Rest der Welt ausgeblendet.

Und dann begann die Befragung.

Zwei Stunden später war es vorüber. Vor der endgültigen Abstimmung würde es eine fünfminütige Pause geben.

Schweigend und erschöpft wartete Mina, der Gnade von Fremden ausgeliefert.

Fünf Minuten später, die sich wie ein ganzes Leben anfühlten, kehrten die Mitglieder des Parlaments zur Abstimmung zurück. Zuerst flackerte oben rechts ein grünes Licht auf, danach eines in der Mitte des Raumes. Wie von Geisterhand leuchteten kurz darauf alle Lampen grün.

Ein Kribbeln erfüllte ihren Körper. Auf einmal fühlte sie sich schwerelos. Sie schien zu fliegen und glaubte, kühlen Wind auf ihrer Haut zu spüren.

Sie hatte es geschafft! Sie war zur Beraterin des Königs von Cyrano ernannt worden!

Der Premierminister erhob sich, ebenso die anderen Mitglieder des Parlaments, Mina eingeschlossen.

„Herzlichen Glückwunsch, Dr. Aldaba“, sagte der Premier. „Ihre Ernennung wurde genehmigt. Wir wissen, dass Sie Cyrano alle Ehre machen und den König weise beraten werden.“

Mina konnte nicht verhindern, dass sich ein breites Lächeln auf ihre Lippen stahl, während sie sich verbeugte.

„Danke, werte Parlamentsabgeordnete, es ist mir eine Ehre“, sagte sie, in Gedanken jedoch rief sie: „Wir haben es geschafft, Papa!“

Und dann wurde die dicke antike Tür aufgestoßen und knallte mit ohrenbetäubendem Lärm auf den Fliesenboden.

Männer in Kampfausrüstung stürmten in den Raum und warfen Mina zu Boden, noch bevor sie aufschreien konnte. Einer von ihnen riss ihre Arme auf den Rücken, stemmte sein Knie auf ihre Wirbelsäule und fesselte ihre Hand- und Fußgelenke mit Kabelbindern.

„Was geht hier vor?“, rief der Premierminister. „Sie dürfen nicht einfach ins Parlament eindringen.“

„Das ist Sache des Königs, Sir“, antwortete einer der Männer.

Mina wurde grob hochgehoben und aus dem Albtraum getragen, in den sich ihr großer Traum verwandelt hatte.

Nach einem schwindelerregenden Marsch durch gewundene Flure und steinerne Durchgänge schienen die Entführer an ihrem Ziel angelangt zu sein. Zumindest schloss Mina es aus der Tatsache, dass man sie vor einer Tür auf den Boden legte. Diese mochte ebenso dick sein wie die Tür des Parlaments, allerdings war sie nicht annähernd so reich verziert. Ihre Fesseln wurden durchgeschnitten.

„Gehen Sie hinein“, befahl einer der Männer in Kampfausrüstung.

Ein wenig schwankend stand Mina auf und streckte zitternd eine Hand nach der Tür aus. Kaum hatten ihre Finger das Holz berührt, war es ihr, als ob die ganze Welt aus den Angeln gehoben würde. Auf der anderen Seite, da war sie sich plötzlich absolut sicher, verbarg sich eine andere Realität.

Sie atmete tief ein, um das Schwindelgefühl zu vertreiben, und drückte gegen die Tür. Lautlos glitt sie auf und gab den Blick auf ein kleines Zimmer frei. Der Duft von Weihrauch stieg in ihre Nase, während ihre Augen sich an das schummrige Licht gewöhnten.

Vor ihr erstreckte sich ein mit rotem Teppich ausgelegter Gang, der von Bänken gesäumt war und auf einen reich verzierten Altar zulief. Auf einmal setzten sich die Details in ihrem Kopf zu einem Bild zusammen: flackernde Kerzen, dicker Samt, Kirchenbänke … Sie befand sich in einer der vielen Kapellen des Schlosses.

Eine Gruppe von Menschen stand vor und neben dem Altar. Alle starrten sie an.

„Gehen Sie weiter“, befahl der Mann hinter ihr und gab ihr einen Schubs.

Mit stockenden Schritten betrat Mina die Kapelle, dann straffte sie die Schultern.

Niemand sagte ein Wort. Selbst das Klackern ihrer hohen Absätze wurde durch den Teppich gedämpft.

Als sie näher kam, erkannte sie die einzelnen Personen deutlicher. Zwei Männer standen neben dem Altar. Ein größerer, von Kopf bis Fuß in Nachtschwarz gekleidet, und ein kleinerer Mann, älter, der weiße Gewänder trug – der Erzbischof von Cyrano. Unterhalb des Altars, halbkreisförmig angeordnet, sah sie zwei Männer und zwei Frauen; sie trugen die indigoblaue Uniform der Königlichen Garde. Das bedeutete, der Mann in Schwarz war der …

Mina schaute den Mann an, der ihren Blick sofort erwiderte.

Seine Augen schimmerten veilchenblau und schienen zu glühen. Beides bestätigte alle Beschreibungen, die sie in Zeitschriften über ihn gelesen und als Unsinn abgetan hatte. Sein Kinn war glattrasiert, und seine karamellfarbene Haut wirkte so weich, dass sie am liebsten mit dem Finger darübergestrichen hätte. Der Gedanke war so untypisch für sie, dass sie zusammenzuckte.

Unverwandt starrte er sie an, als wolle er sie mit seinem Blick durchbohren. Seine Lippen waren zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Leicht heruntergezogene Mundwinkel deuteten auf Abneigung hin; zwischen seinen geraden, schwarzen Brauen hatte sich eine steile Falte gebildet. Von dem Feuer, das in seinen Augen glühte, ging keinerlei Wärme aus.

Seit vielen Jahren hatte sie sich unzählige Male ihre erste Begegnung mit dem König ausgemalt. Für den Traum ihres Lebens war es ein zentraler Moment gewesen. In ihrer Vorstellung hatte sie eine perfekte Verbeugung ausgeführt und war als seine neue Beraterin akzeptiert worden.

In der Wirklichkeit fühlte sie sich absolut grauenhaft, weil Cyranos Version eines SWAT-Teams sie unsanft hierher befördert und vor der Kapelle abgesetzt hatte. Es machte nicht den Eindruck, als sei sie herzlich willkommen.

Gut, manchmal waren die Umstände eben nicht ideal. Also sammelte Mina die Scherben ihrer Würde ein, straffte noch einmal die Schultern, stählte ihre Wirbelsäule und verbeugte sich in dem makellosen Halbkreis eines offiziellen Beraters vor dem König.

Während sie sich aufrichtete, atmete sie den Duft ein, der vom König ausging – eine faszinierende Mischung aus Leder und Eiche. Weich und zudem teuer wie Seide streifte er ihre Sinne.

Ein kurzer Blick auf das Gesicht des Monarchen verriet ihr jedoch, dass etwas an ihrer Reaktion auf seine Gegenwart nicht stimmte. Statt der kühlen, aber herzlichen Distanz, die sie sich immer ausgemalt hatte, ging von ihm eine intensive Verärgerung aus, die sie nicht einordnen konnte. Er wirkte richtiggehend wütend auf sie.

„Euer Gnaden …“, setzte sie an.

„Es heißt ‚Eure Hoheit‘“, unterbrach er sie ohne ein Lächeln, seine Stimme ein geschmeidiger Bariton, der etwas tief in ihrem Inneren zum Schwingen brachte – vermutlich war das der Grund, warum sie länger als normal für eine Antwort brauchte.

„Wie bitte?“ Mina neigte den Kopf ein wenig zur Seite.

Der König hingegen wirkte gelangweilt. „Die korrekte Ansprache lautet ‚Eure Hoheit‘. Außerdem ist für eine Frau ein Knicks üblich, keine Verbeugung.“

Er hatte recht. Die Ausnahme von dieser Regel jedoch stellten weibliche Parlamentsmitglieder oder eben königliche Beraterinnen dar.

Aus Gründen, die sie selbst nicht ganz begriff, beschloss sie, die Sache nicht auf sich beruhen zu lassen, sondern ihr Verhalten zu erklären. „Verzeihung, Eure Hoheit. Als neu ernanntes Mitglied des Rates habe ich mich für die gültige Begrüßung der Berater entschieden.“

„Sie sind gefeuert“, gab er nur zurück. „Mit sofortiger Wirkung. Sie werden als die Person mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichte eingehen.“

Seine gemeinen Worte trafen sie wie ein Fausthieb. Tränen brannten in ihren Augen, aber sie hielt sie zurück. Das Schicksal, wurde ihr klar, würde erst dann zufrieden sein, wenn jeder einzelne ihrer Träume zertreten war.

Eigentlich hätte sie erst in einigen Monaten mit dem König zusammentreffen sollen – und zwar im großen Ratssaal, nicht in einer engen Kapelle, nur wenige Schritte von dem Erzbischof entfernt, der ihr Gespräch höflich ignorierte.

„Natürlich wäre ein Knicks in diesem Aufzug lächerlich gewesen“, fuhr er fort.

Mina keuchte leise auf. Sie öffnete den Mund und zog die Augenbrauen zusammen. Vor ihrem inneren Auge zogen all die Jahre der Anstrengung und Aufopferung vorbei, die sie nur zu gerne für ihr Ziel gegeben hatte, diesen arroganten Mann zu beraten.

Wieder hallten die Worte ihres Vaters in ihren Ohren: „Cyrano zählt auf dich.“

Bei so einem König konnte sie nicht viel für Cyrano tun.

Vielleicht war es naiv gewesen, sich den Monarchen als Vorbild vorzustellen. Sie hätte es besser wissen müssen. Reichtum und Privilegien waren nicht unbedingt bekannt dafür, einem Menschen auch Integrität und Charakter zu verleihen. Doch aus irgendeinem Grund hatte sie immer angenommen, der König sei ein Mann, der gut zuhören konnte.

Dann hatte sie sich eben geirrt. Mina hatte in ihrem Leben genug üble Typen getroffen, um zu wissen, wann es an der Zeit war, für sich selbst einzutreten.

„Nun, wenn Sie mich nur hergeholt haben, um mich zu feuern, dann haben Sie Ihr Ziel ja erreicht“, sagte sie. „Und wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich mich jetzt verabschieden, Eure Majestät.“ Insgeheim war sie stolz auf die Verachtung, die sie in ihre Worte gelegt hatte.

Der König blieb jedoch unbeeindruckt. „Eigentlich ist das – leider – nicht der Fall. Wäre es so einfach gewesen, hätte ich eine Nachricht geschickt. Sie sind hier, weil wir seit Wochen vergeblich nach Ihnen gesucht haben.“

„Das ist doch absurd. Mein Vorstellungsgespräch ist vor sechs Monaten geplant worden. Außerdem habe ich mich nicht versteckt.“

Ein Teil von ihr nahm die Tatsache zur Kenntnis, dass sie gerade mit dem König stritt – und das auch noch vor Zeugen!

„Dieser Fehler ist korrigiert worden. Wir können jetzt weitermachen.“

„Weitermachen womit?“, fragte Mina. Dabei war sie sich keineswegs sicher, ob sie die Antwort hören wollte.

„Mit unserer Hochzeit.“

Zum ersten Mal, seit sie vor ihm stand, wandte er den Blick ab, um auf seine Uhr zu schauen. Nicht mehr im Fokus seiner Aufmerksamkeit zu stehen, empfand sie plötzlich als Verlust.

„Unsere Hochzeit?“, brachte sie krächzend heraus.

Der König schnaubte unwillig. „Die Berichte über Ihre Intelligenz scheinen mir stark übertrieben zu sein. Schauen Sie sich um. Sicherlich treffe ich mich nicht in einer Kapelle mit den Mitgliedern des Rates.“

Wieder öffnete sie den Mund, was ihn das Gesicht verziehen ließ. „Ihr Anzug ist schlimm genug. Wie ein Fisch dreinzublicken, macht es nicht besser.“

Mina schloss den Mund und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen.

„Sind Sie kurzsichtig?“, fragte er. „Das können wir beheben lassen. Die Brille lässt Sie alt aussehen.“

Verwirrt runzelte sie die Stirn. Ja, sie wusste, wie sie aussah – allerdings war sie nicht so eitel oder naiv, es auf die Brille zu schieben. Mit sechsunddreißig war sie nicht mehr jung. Sie hatte ihr Jungsein übersprungen, um sich ihr Vorstellungsgespräch vor dem Parlament zu sichern.

Seufzend schloss Mina die Augen und rieb sich die Schläfen. Nichts an dieser Situation ergab einen Sinn.

„Ich glaube, hier muss es sich um einen Irrtum handeln. Mein Name ist Dr. Mina Aldaba. Vor sechs Monaten habe ich mich um eine Stelle als Beraterin beworben und bin eingeladen worden …“

Der König machte einen Schritt auf sie zu und schnitt ihr mit erhobener Hand das Wort ab. „Wir wissen, wer Sie sind. Dr. Amina Aldaba, einzige Tochter von Ajit und Elke Aldaba. Und obwohl es einen Irrtum gab, sind nicht wir dafür verantwortlich.“

Für einen Moment kühlte der Ausdruck in seinen Augen deutlich ab. Mina wurde klar, dass sie das Feuer in den unergründlichen Tiefen lieber mochte als das Eis.

Als habe er ihre Gedanken gelesen, flackerte wieder Wärme in ihnen auf.

Sie konnte den Blick nicht abwenden. Verloren in einem Meer aus Veilchenblau, spürte sie ein elektrisches Kribbeln ihre Wirbelsäule entlanglaufen. Auf einmal war sie sich der Nähe seines Körpers überaus bewusst.

Unverwandt schaute er sie an. Neue Emotionen stiegen in ihr empor.

„Alles hat seine Richtigkeit“, versicherte er. „Allerdings sind Sie spät dran. Machen wir weiter.“

Er wandte sich dem Erzbischof zu, dessen Gegenwart Mina fast vergessen hatte.

Das Blut schoss ihr in die Wangen, weil sie sich vor dem geweihten Mann wie ein dummer Teenager benahm, aber den Erzbischof umgab eine Aura der Freundlichkeit und Gelassenheit. Wenigstens hier waren die Dinge so, wie man es erwarten durfte.

„Erzbischof“, wandte der König sich mit kalter, harter Stimme dem älteren Mann zu. „Können wir anfangen?“

„Anfangen?“, warf Mina ein.

Der Bischof bedachte sie mit einem entschuldigenden Blick, nickte dann jedoch dem König zu. „Ja. Eure Hoheit.

Mina verspürte ein kleines Triumphgefühl wegen des tadelnden Untertons. Wenigstens war nicht nur sie entsetzt über das Verhalten des Königs.

„Ich, Erzbischof Samuel, segne feierlich die von König Alden von Cyrano und Ajit Aldaba vereinbarte Verbindung der beiden Familien durch das heilige Band der Ehe.“ Er wandte sich an den König. „Zayn Darius d’Argonia, König von Cyrano …“

Der König sagte nichts.

„… heiße Amina Elin Aldaba als deine Ehefrau und Königin willkommen. Sorge für sie, behandle sie in jeder Hinsicht als deine gleichberechtigte Gemahlin, und eure Verbindung wird aufblühen und Glück und Freude über Cyrano bringen.“

Kalter Schweiß breitete sich auf ihrem gesamten Körper aus.

Gemahlin? Königin? Ehefrau?

Er hatte von Hochzeit gesprochen, aber das war ja absurd. Sie waren einander noch nie begegnet.

Der Bischof sprach unterdessen weiter. Seine Worte wirbelten in ihrem Kopf herum, doch sie verstand kein einziges. Sie hatte die Beraterin des Königs werden wollen, nicht seine Ehefrau!

In diesem Moment wandte sich der Bischof an Mina. Alles schien sich zu drehen. König Zayn hielt ihren Ellenbogen mit seiner großen, starken Hand fest. Die Hitze, die von ihm ausging, brannte sich durch den Stoff ihres Anzugs, und sein Blick hielt sie gefangen. Sein Griff fühlte sich sanft an, auch wenn seine Miene spöttisch wirkte.

„Amina Elin Aldaba. Das Licht des Himmels leuchtet auf die Frau, die ihren Mann als ihren König ansieht. Mögest du deinen Mann als deinen König ansehen. Wenn du ihn ehrst und unterstützt, ehrst und unterstützt du auch Cyrano. Vor Gott feiern wir die Erfüllung des Versprechens, das eure Väter einst gegeben haben, indem sie eure Familien für immer durch den heiligen Stand der Ehe miteinander verbunden haben. Möge eure Vereinigung von Liebe und Freude geprägt sein. Möge eure Ehe mit Kindern gesegnet und eure Herrschaft lange und fruchtbar sein.“

Fassungslos schüttelte Mina den Kopf. Den Bischof den Namen ihres Vaters nennen zu hören, hatte eine Flut an Erinnerungen freigesetzt. Sie sah ihren Vater, wie er immer wieder sagte: „Zum Wohle von Cyrano …“

Auf einmal ergab alles einen Sinn.

Es war nicht ihr gemeinsamer Traum gewesen, dass sie Beraterin des Königs wurde. Sie hatte alles falsch verstanden. Ihr Vater hatte gewollt, dass sie Königin wurde!

Dass er auf ihr Studium beharrt hatte, seine absolute Ablehnung, wenn es ums Thema Verabredungen ging, seine unaufhörlichen Wiederholungen von „Cyrano braucht dich“ … Er hatte es wörtlich gemeint.

Neben ihr sank der König auf die Knie, und alle anderen Anwesenden taten es ihm gleich. Alle außer dem Erzbischof und Mina.

Wie erstarrt stand sie da.

„Knien Sie nieder!“, wisperte der Bischof ihr zu, und sie ließ sich auf die Knie fallen. „Wenn Ihr euch erhebt“, fuhr der Mann fort, „erhebt Ihr euch als König und Königin von Cyrano, vereint im heiligen Stand der Ehe zum Wohle der Nation.“

Und wenn wir einfach unten bleiben?

Der Gedanke wirbelte in ihrem Kopf umher. Es war ein Witz der Verzweiflung, weil ihre Welt in Trümmern versank.

Während der König sich erhob, fasste er nach Minas Ellenbogen und zog sie mit sich hoch.

So viel dazu, dachte sie wehmütig.

Der Bischof verbeugte sich vor ihnen und erkannte sie als die neuen Monarchen an. Der König ließ sie los, umarmte den Bischof und geleitete den älteren Mann aus der Kapelle.

Mina blickte ihnen nach. Absurde Gedanken rasten wie die Kugeln in einem Flipperautomaten durch ihren Kopf. Der Erzbischof von Cyrano hat mich getraut … Papa wäre so stolz auf mich … Papa …

Ihr Vater hatte sie verheiratet, erkannte sie mit plötzlicher Klarheit. Mit dem König.

Eine arrangierte Ehe. Das gab es doch heutzutage gar nicht mehr.

Sie war Wissenschaftlerin, keine Königin!

Ihre Knie wurden weich. Doch auch diesmal gelang es dem zurückgekehrten König, sie rechtzeitig zu stützen, wobei er sie mit einem frostigen Blick bedachte.

Hastig wandte sie sich ab und suchte nach etwas, worauf sie sich konzentrieren konnte. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass es kein Entkommen gab, trotzdem durfte sie nicht aufgeben.

„Es gibt keinen Ausweg“, sagte der König, als habe er ihre Gedanken gelesen.

Mina schüttelte den Kopf. „Es muss einen geben. Eine Annullierung, eine Scheidung …“

„Der König hat es verfügt.“

„Du bist der König.“ Sie waren verheiratet, Förmlichkeiten machten keinen Sinn mehr.

„Damals war ich es nicht. Es gibt keine Alternative. Ich habe alle Möglichkeiten ausgeschöpft.“

Seine Worte versetzten ihr einen Stich, obwohl sie genauso verzweifelt nach einem Fluchtweg suchte wie er.

„Das kann unmöglich real sein“, sagte sie. „Cyrano ist ein modernes europäisches Land.“

Als würde er mit einem uneinsichtigen Kleinkind sprechen, schloss der König einen Moment die Augen und seufzte leise. „Das sind wir. Und wie in vielen modernen Nationen ist es einfacher, ein Gesetz in Kraft treten zu lassen, als es aufzuheben. Ein Bruch unserer Verlobung würde eine Verfassungsänderung erfordern.“

„Aber du bist der König.“

Seine Augen verengten sich. Einen Moment glaubte sie, Enttäuschung darin aufblitzen zu sehen. „Ein König steht nicht über dem Gesetz. Mich schaudert bei dem Gedanken an die Vorschläge, die du mir als Beraterin gemacht hättest.“

Nach allem, was passiert war, hätten seine Worte sie nicht berühren dürfen, doch sie trafen sie mitten ins Herz.

„Einen solchen Rat hätte ich niemals gegeben.“ Sie machte sich nicht die Mühe, eine gewisse Schärfe aus ihrer Stimme herauszuhalten. Sarkastisch fügte sie hinzu: „Verzeih die Andeutung, ich bin nicht gerade in Bestform. Es kommt nicht jeden Tag vor, dass ich verhaftet werde, um zu meiner eigenen Überraschungshochzeit verschleppt zu werden.“

Etwas, das Mitgefühl sein konnte, huschte über sein Gesicht, doch der Ausdruck war verschwunden, bevor sie sich sicher sein konnte. „Natürlich werden wir in den kommenden Tagen die Bedingungen besprechen müssen, aber für den Moment solltest du Folgendes wissen: Aus Respekt vor meinem Vater wirst du die Königin sein, mit allen damit verbundenen Rechten und Ansprüchen. Dazu zählt eine persönliche Wache, Zugang zu den Suiten der Königin im Palast und ein Jahresgehalt. Die Planung und Ausrichtung des Balls der Königin wird deine erste offizielle Aufgabe sein.“

„Aber der findet schon in zwei Wochen statt!“

„Wie schon gesagt … wir haben länger als erwartet gebraucht, um dich ausfindig zu machen.“

Beinahe hätte Mina aufgelacht. Bei ihm klang es so, als sei es ihre Schuld.

Nach cyranischem Brauch veranstaltete die Königin jedes Jahr einen Ball, zu dem der gesamte Adel der Insel sowie Mitglieder des Parlaments, Vertreter der Medien und andere illustre Mitglieder der Gesellschaft eingeladen wurden. Vor einem Jahrhundert war die Tradition von einer klugen Königin erdacht worden, um streitlustige Lords von gewaltsamen Auseinandersetzungen abzulenken. In den zwei Jahren seit König Aldens Tod hatte es keinen Ball gegeben. Im ersten Jahr war die Trauer der Königin noch zu groß gewesen, im zweiten war Zayn gekrönt worden, und das Land hatte keine Königin mehr gehabt.

Mina hatte noch nie in ihrem Leben eine Party geplant.

Wieder machte es sie fassungslos, wie nüchtern alles an sie herangetragen wurde.

Man wurde nicht von einem normalen Menschen innerhalb eines Augenblicks zu einer Königin. Zwar hatte der Erzbischof persönlich die Zeremonie vollzogen, doch es war kein Richter anwesend, und niemand hatte eine Unterschrift geleistet. Bestimmt brauchte doch selbst der König eine Urkunde, damit die Ehe legal war, oder?

Aber der König war längst einen Schritt weiter.

Autor

Marcella Bell
Foto: © privat
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