Eine Nacht und tausend Geheimnisse

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Er erkennt mich nicht einmal? Vor einem Jahr hatte Paige einen One-Night-Stand mit dem mächtigen Trent Hightower - jedenfalls fast. Trotzdem könnte er mich zumindest grüßen, wenn wir uns beim Kongress über den Weg laufen, findet Paige und schwört, sich zu beweisen, dass sie über die Enttäuschung hinweg ist. Doch nachdem sie ihn angesprochen hat, knistert es heiß … Heute fühlt sie sich noch viel stärker zu Trent hingezogen als damals! Fassungslos merkt Paige: Es ist völlig unmöglich, diesem rätselhaften Mann zu widerstehen, der ihr so vertraut und doch so fremd ist …


  • Erscheinungstag 11.04.2010
  • Bandnummer 1610
  • ISBN / Artikelnummer 9783862955855
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Unvermittelt blieb Paige McCauley stehen. Ihr Herz pochte wie verrückt, und ihr Gesicht glühte, als säße sie direkt vor einer Rotlichtlampe.

Das Gute an einem One-Night-Stand war doch eigentlich, dass alles aus und vorbei war, wenn man sich trennte. Und das war besonders dann von Vorteil, wenn die ganze Sache höchst peinlich war. Aber wie oft hatte sie in den letzten zwölf Monaten voller Entsetzen an den heutigen Tag gedacht und war zusammengezuckt, wann auch immer sie einen hochgewachsenen Mann mit hellem Haar auch nur von Weitem gesehen hatte? Das war absolut nicht in Ordnung, denn in ihrer Position sollte sie wissen, wie man sich auf einem Kongress verhielt und mit hochkarätigen Geschäftsleuten umging. Doch da der Mann, der jetzt auf sie zukam, mit absoluter Sicherheit derjenige war, den sie ein Jahr zuvor fürchterlich enttäuscht hatte, hätte sie sich am liebsten in ein Mauseloch verkrochen.

Wenn sie daran dachte, was damals in der Nacht passiert beziehungsweise nicht passiert war, wäre sie am liebsten sofort nach South Carolina zurückgekehrt und hätte sich hinter dem Verkaufstresen des elterlichen Geschäftes versteckt. Aber das war ausgeschlossen. Denn sie hatte nicht nur einen Job in Las Vegas, sie wollte auch auf keinen Fall, dass man sich in ihrem Heimatort über sie lustig machte. Und nie und nimmer könnte sie ihrer Familie gestehen, dass ihr Leben im sündigen Las Vegas doch nicht ganz so aufregend war, wie sie immer behauptet hatte.

Also blieb sie entschlossen stehen und hoffte, dass sie die nächsten fünf Minuten überstand, ohne sich vollkommen zum Narren zu machen. Ihr wurde heiß und kalt zugleich, während sie Trent Hightower entgegensah, dessen attraktives Gesicht sie das ganze letzte Jahr nicht hatte vergessen können. Atemlos vor Anspannung, wartete sie darauf, dass er sie wiedererkannte.

Nachdem er sie einmal kurz von oben bis unten gemustert hatte, nickte er ihr freundlich zu und setzte seinen Weg fort, ohne sie weiter zu beachten. Nur der Duft seines Aftershaves streifte Paige kurz.

Was war das? War sie plötzlich Luft für ihn, sozusagen unsichtbar, nur weil sie angezogen war? Der Mann hatte sie immerhin splitterfasernackt gesehen. Da konnte sie doch wohl erwarten, dass er sie wenigstens kurz begrüßte. Empört wandte sie sich um und blickte ihm hinterher. Er sah sich nicht um. „Trent?“

Unvermittelt blieb er stehen und drehte sich langsam um. „Ja?“

Er schien sie immer noch nicht zu erkennen. Das konnte doch nicht wahr sein! Ihr Leben lang hatte Paige darunter gelitten, als mittlere von fünf Schwestern nur wenig beachtet zu werden. Im letzten Jahr hatte sie sich bemüht, endlich etwas daran zu ändern. Dazu gehörte auch die Nacht mit Trent, der erste und einzige One-Night-Stand ihres Lebens. Und daran konnte er sich nicht mehr erinnern? Entschlossen straffte sie die Schultern und ging auf ihn zu. Auf keinen Fall durfte er merken, dass sein jetziges Verhalten die alten Wunden von damals wieder aufgerissen hatte. Nicht, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Im Gegenteil, die ganze Sache damals in seiner Suite war eher demütigend gewesen und hatte keinesfalls das gehalten, was sie sich davon versprochen hatte. Aber sie hatte schließlich auch ihren Stolz. So leicht würde sie Trent nicht davonkommen lassen. „Willst du mich nicht wenigstens begrüßen?“

Mit kaum verhüllter Ungeduld sah er sie an. Wahrscheinlich hatte er irgendwo einen wichtigen Termin. „Guten Tag.“

„Bist du auch in diesem Jahr wieder wegen der Luftfahrt-Messe hier?“ Jetzt musste bei ihm doch der Groschen fallen. Doch seine unbewegte Miene machte mehr als deutlich, dass er keine Ahnung hatte, wer sie war. Das tat weh.

„Ja. Kann ich etwas für Sie tun?“

Am liebsten wäre sie im Erdboden versunken und hätte so getan, als hätte diese Begegnung nie stattgefunden. Doch dazu war es jetzt zu spät. Außerdem hatte sie schon einmal den einfacheren Weg aus einer verzwickten Situation gewählt. Damals vor vierzehn Monaten, als sie aus ihrer Heimatstadt geflohen war, um in Las Vegas ein neues Leben anzufangen. Diese Feigheit hatte Paige sich nie verziehen, und sie litt noch immer darunter. Sie ballte die Hände zu Fäusten. „Wir sind uns im letzten Jahr begegnet.“

Kurz runzelte er die Stirn und sah Paige fragend an.

„Wir haben sogar einige Zeit zusammen verbracht, oben … in deiner Suite.“

„So? Ach so, ja …“ Er presste kurz die Lippen aufeinander und fühlte sich offensichtlich sehr unbehaglich. „Dann sind Sie … bist du …“

„Paige“, stieß sie wütend zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Es war eindeutig, dass der Mann keine Ahnung hatte, wer sie war. Andererseits, konnte sie es ihm übel nehmen, dass er eine so unangenehme Erinnerung am liebsten für immer verdrängte? Anfangs in der Bar hatten sie beide ihren Spaß gehabt. Sie hatten miteinander geflirtet, und er war witzig und charmant und sehr attraktiv gewesen. Schon seit langer Zeit hatte Paige sich nicht mehr so begehrt gefühlt. Dann hatte er sie gefragt, ob sie nicht mit ihm in seine Suite kommen wollte. Erst nach zwei Martinis war sie dazu bereit gewesen, und auch so hatte sie noch ihren ganzen Mut zusammennehmen müssen. Das Ende allerdings war dann mehr als demütigend gewesen. Sehr bitter für einen Mann. Und für sie. Denn wieder hatte sie feststellen müssen, dass ihr offenbar etwas fehlte und sie nicht das tun konnte, was von ihr erwartet wurde.

„Aber natürlich. Paige. Entschuldige. Ich hätte dich gleich erkennen müssen. Aber ich habe momentan etwas viel um die Ohren.“

Der Trent von vor einem Jahr war immer charmant und liebenswürdig gewesen, ob er ihr nun einen Drink an der Bar bestellt hatte oder sie später nach dem Desaster zum Fahrstuhl gebracht hatte. Dieser Trent hier war abweisend und schien leicht genervt zu sein. Es war deutlich, dass er nichts mit ihr zu tun haben wollte. Warum hatte sie ihn nur angesprochen? Wenn sie sich vorstellte, wie sie sich damals benommen hatte, wie dumm sie gewesen war! Noch immer konnte sie kaum glauben, wie enttäuschend ihr Versuch verlaufen war, die wilde und unabhängige Paige hervorzukehren. Alles war so schrecklich gewesen, dass sie es nie wieder versucht hatte. Was sie aber nicht davon abhielt, den Schwestern alles Mögliche vorzulügen.

Ja, leider. Irgendwann würde sie noch einmal dafür büßen müssen, dass sie zu Hause die wildesten Geschichten über ihre Zeit in Las Vegas erzählte. Aber alles war besser, als von der Familie für ein Leben bemitleidet zu werden, das ziemlich einsam und langweilig war und außer Arbeit nichts Interessantes bot.

Kommt Zeit, kommt Rat. Erst einmal musste sie diese Situation hier heil überstehen. Und dafür sollte sie gefasst, ruhig und höflich sein. Sie versuchte sich zu entspannen. Machte nicht jeder Mensch Fehler? Die Sache mit Trent Hightower war ganz sicher einer der großen Fehler in ihrem Leben. Und da er sich später nie wieder bei ihr gemeldet hatte, empfand er offenbar genauso, wenn er an sie dachte.

Jetzt sah er sie fragend an. „Es hat doch kein … Wie soll ich sagen … Nachspiel gegeben?“

Sie errötete und senkte den Kopf. Damals hatte sie vorübergehend befürchtet, dass sie einer ihrer Kollegen gesehen hätte, als sie mit Trent die Treppe hinaufgestiegen war. Das war aber glücklicherweise nicht der Fall gewesen. Denn sonst wäre ihr Ruf ziemlich ruiniert gewesen. „Nein.“

„Gut. Dann muss ich jetzt leider gehen. Auf Wiedersehen.“ Er nickte ihr kurz zu und ging. Sprachlos starrte sie ihm hinterher. Dabei fiel ihr auf, dass irgendetwas anders war, ohne dass sie wusste, was. Dies war ohne Zweifel der Mann, dem sie vor einem Jahr in seine Suite gefolgt war. So einen Mann konnte man nicht vergessen, nicht diese unglaublich hellen Augen, das kräftige Kinn und den männlich-sensiblen Mund. Sein Aussehen hatte sie gleich angezogen. Und dennoch ließ sie der Gedanke nicht los, dass ein Unterschied bestand zwischen dem Trent von damals und dem von heute. Sein Gang war entschiedener, zielstrebiger. Die Schultern wirkten breiter. Wahrscheinlich verbrachte er jetzt mehr Zeit im Fitnessstudio. Auch die Stimme klang anders, tiefer und bestimmter. Aber vielleicht war das nur der Fall, weil die Begegnung auch für ihn peinlich war und er seine Unsicherheit überspielen wollte.

Wie sehr hatte sie sich bemüht, die Nacht von vor einem Jahr zu vergessen! Aber es sah so aus, als würde sie zumindest für die Dauer dieses Kongresses immer wieder daran erinnert werden. Dennoch nahm sie sich eines fest vor: Auf keinen Fall würde sie Trent Hightower merken lassen, wie sehr sie die Begegnung damals verwirrt hatte. Und nicht nur das. Er hatte ihr die Hoffnung auf ein aufregendes Leben in der großen Stadt gründlich ausgetrieben, nach dem sie sich damals so sehr gesehnt hatte. Denn nur so meinte sie über die bittere Enttäuschung hinwegkommen zu können, dass ihr langjähriger Freund sie verlassen hatte, statt ihr den erwarteten Heiratsantrag zu machen.

Sie blickte auf die Uhr und erschrak. Wenn sie weiterhin über ihr Schicksal grübelte, würde sie zu spät zur Arbeit kommen. Aber ihr war klar, dass sie den Erinnerungen nicht entfliehen konnte. Denn dass Trent und sie sich während der Dauer des Kongresses aus dem Weg gehen konnten, darauf wagte sie nicht zu hoffen.

Verflucht sei dieser hinterhältige Lügner und Frauenverführer, der sich Zwillingsbruder schimpfte! Trent Hightower knirschte vor Wut mit den Zähnen und eilte schnellen Schrittes auf den Fahrstuhl zu. Bevor er den Tagungsraum betrat, musste er unbedingt noch mit seinem Bruder sprechen. Wer war diese Frau? Und warum hatte der Bruder seine Ehe riskiert, nur um mit ihr zusammen zu sein? Hatte er denn gar nichts begriffen? Die zahllosen Affären ihrer Mutter sollten ihm doch eigentlich Warnung genug sein. Sowie die schwere Tür zu seiner Suite hinter ihm ins Schloss gefallen war, zog Trent sein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer des Bruders. Ungeduldig lief er im Raum auf und ab. Warum nahm Brent nicht ab? Doch dann, endlich, hörte er seine Stimme.

„Hallo, Bruderherz. Wie ist es in Las Vegas? Bist du schon in deinem Hotel?“

„Brent, was, zum Teufel, hast du getan, als du letztes Jahr hier warst?“

„Sind viele Leute da?“ Sein Zwillingsbruder ging nicht auf die Frage ein. Typisch.

„Wer ist diese Frau?“, fuhr Trent ihn an.

„Ich habe keine Ahnung, wovon du redest“, sagte Brent in vorwurfsvollem, beinah beleidigtem Ton.

Das war zu viel. Trent kochte regelrecht vor Wut. „Ich bin im Hotel über eine Frau gestolpert, die behauptet, im letzten Juni bei mir in meiner Suite gewesen zu sein. Und du weißt so gut wie ich, dass ich im letzten Jahr nicht hier war. Du warst hier. Und du hast wieder meinen Namen benutzt. Bist du nicht allmählich zu alt für diese albernen Spielchen?“

„Ich habe es bei deinem Namen gelassen, weil ich sonst die Reservierung und die Akkreditierungen hätte ändern müssen. Denn du hast mich ja erst in letzter Sekunde auf diesen Kongress geschickt. Erinnerst du dich?“

„Allerdings. Weil die Firma in einer Krise gesteckt hat, die ich beheben musste. Erinnerst du dich?“ Eine Krise, die sein Zwillingsbruder verursacht hatte. Er hatte einem wichtigen Kunden Zusagen gemacht, die Hightower Aviation nicht hatte einhalten können. Trent hatte alle Hände voll zu tun gehabt, um schließlich doch noch das möglich zu machen, was der Bruder leichtsinnigerweise versprochen hatte. Denn Vertrauen und Zuverlässigkeit spielten im Geschäftsleben eine nicht zu unterschätzende Rolle.

„Wer ist sie, und was hast du da wieder angestellt?“

„Das kann ich so nicht sagen. Ist sie blond, brünett oder rothaarig?“

Trent konnte es nicht fassen. Dieser skrupellose Kerl! „Wie viele Frauen hast du denn gehabt?“

„Während der Messe? Lass mich nachdenken. Drei. Eine von jeder Haarfarbe.“

„Diese ist blond und heißt Paige.“

„Ach so. Die …“

Das klang so seltsam, dass Trent die Stirn runzelte. „Was ist mit der?“

„Nichts.“

„Hast du sie mit in deine Suite genommen?“

Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann antwortete Brent: „Ja.“

„Und?“

„Das geht dich nichts an.“

„Du bist ein Idiot, Brent.“

„Du weißt doch genau, dass Luanne und ich damals Eheprobleme hatten. Da wollte ich ausprobieren, ob ich auch woanders Chancen hätte.“

„Eure Ehe steckt doch ständig in der Krise. Dauernd verkracht ihr euch wegen irgendetwas, und alle naselang fährt deine Frau zu ihrer Mutter. Aber was hast du dir nur bei dieser Geschichte gedacht?“

„Du musst diese Paige unbedingt loswerden, bevor Luanne und ich in der nächsten Woche nach Las Vegas kommen.“

„Bleibt lieber zu Hause.“

„Nein, das geht nicht. Meine Frau hat es sich in den Kopf gesetzt, endlich die Stadt kennenzulernen.“

„Das ist viel zu riskant.“

„Du schaffst das schon. Diese Paige muss verschwinden.“ Brent lachte leise. „Und auch andere Frauen, die möglicherweise plötzlich aus der Versenkung auftauchen. Wenn Luanne davon erfährt, ist der Teufel los.“

„Das würde dir recht geschehen. Aber irgendwie muss ich immer deine Fehler ausbügeln. Eins ist jedenfalls sicher: Deine Frau würde dir die Hölle heiß machen, und auch Hightower Aviation bekäme große Schwierigkeiten. Denn es ist durchaus möglich, dass sie diesmal genug von dir hat und dich verlässt. Was bedeutet, dass sie ihre Anteile aus der Firma zieht. Warum hast du ihr damals auch fünfzig Prozent deiner Aktien überschrieben?“

„Das musste ich tun, um ihr meine Liebe zu beweisen. Nun stell dich nicht so an, Trent. Du kriegst das hin, wie du sonst auch immer alles hinkriegst.“

„Verdammt, Brent, ich habe es satt, ständig deine Fehler auszubügeln! Werd endlich erwachsen. Du bist doch schließlich schon vierunddreißig.“

„Hör auf damit, Bruder. Die Predigt kenne ich schon auswendig. Wir wissen doch beide, dass du die Firma vor allem Übel bewahren wirst. Schließlich ist dir die Hightower Aviation Management Corporation wichtiger als alles andere. Auch als das Glück deines geliebten Zwillingsbruders.“

„Versuch bloß nicht, das Ganze zu verdrehen und mir die Schuld zuzuschieben.“

„Luanne und ich kommen auf alle Fälle. Sie hat es sich in den Kopf gesetzt, unser Ehegelübde in der berühmten Elvis-Kapelle zu bekräftigen, bevor das Baby kommt. Und wir wollen die werdende Mutter doch nicht verärgern, oder? Und mir meine zweiten Flitterwochen verderben. Übrigens, ich möchte, dass du mein Trauzeuge bist.“

„Warum denn das? Damit ich dieses Mal Widerspruch einlegen kann, was ich schon das erste Mal hätte tun sollen? Du warst damals viel zu jung zum Heiraten.“

„Aber ich habe geheiratet. Also, wie ist es? Kann ich mit dir rechnen?“

„Versuch nur nicht, das Thema zu wechseln. Wir haben gerade darüber gesprochen, dass du Mist gebaut hast, und die möglichen Folgen erörtert.“

„Tatsächlich? Ich dachte, wir hätten uns über mein erneuertes Ehegelübde unterhalten.“

Trent gab es auf. Es war hoffnungslos. Die Schwangerschaft war ganz bestimmt der einzige Grund, dass diese Hexe von Schwägerin von einer sehr kostspieligen Scheidung absah, auf die sich die Medien genüsslich gestürzt hätten. Wenn sie jetzt herausfand, dass ihr Mann mit einer blonden rehäugigen Südstaatenschönheit im Bett gewesen war, würde sie sofort wieder in das superteure Anwaltsbüro stürzen und die Scheidung einreichen. Und das hätte Hightower gerade noch gefehlt. Es wäre der dritte Skandal innerhalb weniger Monate gewesen.

„Außerdem, Bruderherz“, fing Brent wieder an, „hast du ja immer noch die Möglichkeit, einfach zu verschwinden.“

Das war wieder typisch Brent. Er lebte nach dem Motto: warum sich um etwas bemühen, wenn man es auch vermeiden kann? Trent dagegen hielt sich eher an die Maxime: warum etwas vermeiden, wenn man es mit etwas Mühe auch schaffen kann? Äußerlich mochten sich die Brüder sehr ähnlich sehen, charakterlich waren sie vollkommen verschieden.

„Das kommt gar nicht infrage. Ich soll drei Vorträge halten und kann die Veranstalter nicht im Stich lassen.“

„Hm, dann musst du wohl bleiben.“

„Wer ist die Frau?“

„Irgendeine Schnecke, die ich in der Bar aufgelesen habe. Wahrscheinlich angelt sie sich auf jeder Messe einen Mann. Du musst sie loswerden, bitte. Endlich werde ich Vater und darf es mir jetzt nicht mit Luanne verscherzen.“

Trent massierte sich kurz den verspannten Nacken. Brent wusste genau, wie er ihn herumkriegen konnte. „Darüber hättest du nachdenken sollen, bevor du die Hosen runtergelassen hast.“

„Denk doch nur an die Vorstandssitzung, die du für die Woche nach deiner Rückkehr einberufen hast. Wenn es einen Skandal gibt, wirst du deine Sache nie durchbringen.“

Verdammt, leider hatte Brent recht. Trent hatte große Pläne, was das Unternehmen betraf. Und die würde der Vorstand nie absegnen, wenn die Familie sich weiterhin so idiotisch benahm und schlechte Publicity heraufbeschwor. Immer wenn einer der Hightowers in der Klatschpresse auftauchte, wurde auch Trents Ruf als geschäftsführender Direktor geschädigt. Er sei nicht fähig, seine Familie in Schach zu halten, hieß es dann. Und sofort zweifelte der Vorstand an seinem Können, ein internationales Unternehmen zu führen. Wie sollte er da mit der Unterstützung des Vorstands bei einer gewagten finanziellen Transaktion rechnen können?

Großvater Hightower hatte schlauerweise diese Kontrolle durch den Vorstand bestimmt, wenn es um große Summen ging. Denn er kannte die Spielleidenschaft seines Sohnes, Trents Vaters. Und daran hatte sich auch nach Großvater Hightowers Tod nichts geändert, da Trents Mutter, die jetzt den Vorstandsvorsitz innehatte, weiterhin auf der Kontrollfunktion bestand. Nervös ging Trent in seiner Suite auf und ab. Gerade jetzt war die Gelegenheit günstig, sich der kleinen Konkurrenten zu entledigen, sprich, sie aufzukaufen. Die Wirtschaftslage war schlecht, und er konnte die Firmen für ’n Appel und ’n Ei übernehmen, na, nicht ganz. Es war schon eine große Investition, und dafür brauchte er die Zustimmung des Vorstands. Und die bekam er nur, wenn der Skandal einer Scheidung vermieden wurde. Brent hatte ihn in der Hand, und das war diesem Herzensbrecher durchaus klar.

„Okay, Brent.“ Trent seufzte leise. „Ich werde sehen, was sich machen lässt. Aber das ist nun wirklich das letzte Mal, dass ich für dich die Kohlen aus dem Feuer hole.“

„Ja, ja, das sagst du jedes Mal … Ich wusste doch, dass ich mich auf dich verlassen kann, großer Bruder. Ich muss jetzt aufhören. Luanne kommt.“

Wütend klappte Trent das Handy zu. Leider wusste der Bruder genauso gut wie er selbst, dass er alles dafür tun würde, das Familienunternehmen zu retten. Schon nach dem College hatte er sich seinen Wunsch, als Pilot zur Airforce zu gehen, nicht erfüllt, sondern war gleich in die Firma eingetreten, die der Vater kräftig heruntergewirtschaftet hatte. Und um einen Skandal zu vermeiden, hatte er Paige nicht gleich darüber aufgeklärt, wer er war.

Als Erstes musste er diese Frau loswerden. Als Zweites musste er überlegen, wie möglicher Schaden von der Firma abgewendet werden konnte.

Also musste er erst einmal mehr über diese Frau erfahren. War es Zufall, dass sie auch in diesem Jahr wieder auf dem Kongress war? Oder arbeitete sie für eine der Firmen, die hier vertreten waren? Vielleicht sogar für die Konkurrenz? Das konnte gefährlich werden. Wirtschaftsspionage war nicht gerade selten. Schnell drückte er auf die Wahlwiederholungstaste. Sein Bruder musste doch mehr über diese Person wissen. Aber Brent hatte das Telefon ausgestellt, und Trent erreichte nur die Mailbox.

Mist! Wütend schob er das Handy in die Hosentasche. Eine hübsche Blondine in einem Riesenhotel wie diesem zu finden würde nicht einfach sein, zumal er noch nicht einmal ihren Nachnamen kannte. Aber er musste es schaffen. Und wenn er sie ausfindig gemacht hatte, würde er dafür sorgen, dass sie von der Bildfläche verschwand, bevor sein Bruder und seine Schwägerin eintrafen. Auch wenn das bedeutete, dass er sie irgendwohin in Urlaub schicken musste.

Wozu hatte er schließlich eine ganze Flotte von Jets zur Verfügung?

Der Tag konnte nur noch besser werden. Erst stolperte sie über diesen Trent, dann meldete sich ihr Audio-Video-Techniker krank, und das am ersten Tag eines bedeutenden Kongresses. Schlimmer konnte es nicht mehr kommen. Paige griff nach ihrem Terminkalender und machte sich in Richtung des großen Festsaals auf, wo ein erstes Problem zu bewältigen war. Offiziell nannte sie sich zwar Assistentin des Eventmanagers. Aber sie hatte bereits begriffen, dass darunter eher eine Art von Krisenfeuerwehr zu verstehen war, zumindest wenn es sich um das Lagoon Hotel und das Kasino handelte. Immer wenn etwas nicht klappte, rief man nach ihr. Glücklicherweise ließ sie sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Im Geschäft der Eltern hatte sie auch mit den unmöglichsten Kundenwünschen zu tun gehabt.

Sowie sie den Saal betreten hatte, fiel ihr Blick auf Trent Hightower, der ausgesprochen verärgert aussah. Auch das noch. Er stand neben dem Podium. War er etwa derjenige, der Probleme mit der Lautsprecheranlage hatte? Ausgerechnet, wo sie doch jedem anderen lieber begegnet wäre als gerade ihm. Aber was half es. Sie musste ihn eben wie jeden anderen Gast des Hotels behandeln. Auch wenn ihr das nicht ganz leicht fiel, denn schließlich hatte sie ihn schon mal nackt gesehen …

Als sie sich der Bühne näherte, hob er den Kopf und sah ihr stirnrunzelnd entgegen. Ihr Herz machte einen Sprung, als säße sie in einer Achterbahn und befände sich auf dem höchsten Punkt der Strecke, kurz vor der Schussfahrt ins scheinbare Nichts. Doch dann senkte er den Blick, und sofort richteten sich ihre Brustspitzen auf, und ihr wurde ganz komisch zumute. Seltsam, das hatte sie im letzten Juni nicht empfunden, wenn er sie musterte. Aber damals war auch alles entspannter gewesen, und sie hatten außerdem schon einige Drinks gehabt.

„Vorhin hattest du kein Namensschild, oder?“

Ach so, er blickte auf ihr Namensschild … und nicht auf ihre Brüste. Wie peinlich. Glücklicherweise war ihm ihre eindeutige Reaktion wohl nicht aufgefallen. „Nein. Vielleicht erinnerst du dich noch aus dem letzten Jahr, dass ich mich immer erst mit den Räumlichkeiten vertraut mache, bevor ich offiziell meinen Dienst antrete.“

„Hm … ja. Natürlich.“

Das kam zögernd, und auch seiner Miene war zu entnehmen, dass er keine Ahnung hatte, wovon sie sprach. „Also, was gibt es für ein Problem?“

„Mit dem Mikro stimmt was nicht. Es gibt ständig irgendwelche Rückkopplungen.“

Paige war zwar keine Tontechnikerin, aber sie hatte das eine oder andere aufgeschnappt. Als sie auf das Mikrofon zuging, bewegte sich Trent in genau dieselbe Richtung. Sie versuchte auszuweichen, er tat das Gleiche. Auch damals in seiner Suite hatten sie sich irgendwie unbeholfen bewegt. Aber diesmal empfand sie eine Spannung wie zwischen zwei gleich gepolten Magneten, die sich anzogen und gleichzeitig wieder abstießen.

Doch Trent ergriff sie schnell bei den Schultern und hielt sie fest, trat dann zur Seite und ließ ihr den Vortritt. Wieder schlug ihr Herz schneller, und noch immer spürte sie die Wärme seiner Hände, obgleich er sie schon längst losgelassen hatte. Auch das hatte sie damals nicht empfunden.

Hastig griff sie nach dem Mikrofon. „Eins, zwei, drei …“, sagte sie, und ihre Stimme hallte überlaut von den Wänden wider. „Das haben wir gleich …“ Sie stieg von der Bühne herunter und regulierte den Rückhall an der Tonanlage. Als sie den Kopf hob, blickte sie Trent direkt auf den Reißverschluss seiner Hose und wurde rot. War er immer so erregt? Dann sollte er mal zum Arzt gehen. Oder war das etwa eine Reaktion auf sie? Schnell wandte sie den Blick ab und stieg wieder die Stufen zur Bühne empor. „Versuch’s jetzt mal.“

Trent griff nach dem Mikrofon. „Eins, zwei, drei …“ Seine Stimme klang laut und klar. Paige erschauerte, als hätte er sie gerade mit seinen warmen Händen liebkost. Was war nur mit ihr los? Oder mit ihm? Als er sie damals vor einem Jahr tatsächlich gestreichelt hatte, hatte sie so gut wie nichts empfunden.

„Das hört sich sehr viel besser an. Danke, Paige.“

„Gern geschehen.“

„Du trägst ja gar keine Hoteluniform.“

„Nein, nie. Und du weißt ja auch, warum.“ Die Hoteldirektion wollte, dass sie sich unauffällig unter die illustren Gäste mischen konnte. Das hatte sie ihm im letzten Jahr in der Bar erklärt. Auch das schien er vergessen zu haben wie überhaupt wohl alles, was sie betraf. Kein gutes Zeichen. „Kann ich sonst noch was für dich tun, Trent?“

Kühl sah er sie von oben herab an. „Nein. Nur eins möchte ich noch klarstellen. Was im letzten Jahr passiert ist, wird sich auf keinen Fall wiederholen.“

Autsch, das tat weh. Doch sie fing sich schnell wieder. Lächelnd sagte sie: „Trent, ich verstehe gut, dass das damals auch für dich nicht ganz einfach war. Wir waren beide … nun ja, enttäuscht. Aber deshalb brauchst du die einfachsten Regeln der Höflichkeit nicht zu vergessen. Schließlich waren wir beide irgendwie schuld an der Situation. Ich war fürchterlich nervös. Denn das war mein erster One-Night-Stand.“

Erschreckt starrte er sie an. „Was? Du warst noch Jungfrau?“

„Nein. Aber es gehört nicht zu meinen Gewohnheiten, mit Hotelgästen auf ihr Zimmer zu gehen.“

„Nein?“

Ihr blieb vor Entrüstung der Mund offen stehen. Eine solche Meinung hatte er also von ihr? Doch sie nahm sich zusammen und schüttelte den Kopf. „Nein. Wie ich schon sagte, nicht nur ich war daran schuld, dass die ganze Sache nicht gerade erfreulich ablief, sondern auch du hast dazu beigetragen. Deshalb verstehe ich sehr gut, dass du nicht wild darauf bist, wieder mit mir ins Bett zu gehen. Aber glaub mir, ich bin auch nicht gerade scharf darauf. Dennoch würde ich vorschlagen, dass wir uns einigermaßen höflich und zivilisiert benehmen, wenn wir uns hier während der Messe begegnen. Denn das wird nicht zu vermeiden sein. Einen schönen Tag noch.“

Autor

Emilie Rose
<p>Ihre Liebe zu romantischen Geschichten hat Emilie bereits im Alter von zwölf Jahren entdeckt. Zu der Zeit las sie einen Liebesroman nach dem anderen, sodass ihre Mutter die Bücher bald unter den Sofakissen versteckte, sobald Emilie ins Wohnzimmer kam. Dabei verbrachte sie damals viel Zeit in der freien Natur, wenn...
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