Festival der Leidenschaft

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Der Skandal um ihre Familie lässt Lane Douglas keine andere Wahl, als unter falschem Namen in einer fremden Stadt zu leben. Doch kaum hat sich die millionenschwere Erbin in Kalifornien eine unauffällige Identität als Buchhändlerin zugelegt, bringt eine Begegnung mit dem einflussreichen Tyler McKay alles in Gefahr: Denn der Mann, dessen atemberaubende Männlichkeit so ! heißes Verlangen in Lane weckt, steht ständig im Licht der Öffentlichkeit - und die Affäre mit ihm ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer...


  • Erscheinungstag 01.06.2011
  • Bandnummer 1299
  • ISBN / Artikelnummer 9783864943539
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

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1. KAPITEL

In manchen Situationen war Lane Douglas besonders froh, dass sie ihren Namen geändert hatte. Eine Elaina Honora Giovanni durfte einfach nichts mit der Polizei zu tun haben. In einem solchen Fall musste man schließlich seinen Ausweis vorlegen und damit seine Identität preisgeben, und das wäre ein gefundenes Fressen für die Presse.

Besonders ein ganz bestimmter Reporter wartete nur auf eine solche Gelegenheit, um sich ihr wie ein hungriger Wolf an die Fersen zu heften. Da genügte bereits ein einfacher Autounfall mit anschließendem Polizeireport, und schon wäre sie ihm ausgeliefert.

Als Reifen quietschten, Wasser aufspritzte und Lane ein dumpfes Krachen vernahm, wusste sie sofort, dass es ihren Wagen erwischt hatte. Sie drehte sich hastig um. Ein silberfarbenes Sportcoupé hatte ihr Auto von hinten gerammt und dabei war die Kofferraumhaube aufgesprungen.

„Buona fortuna, wie immer“, murmelte sie, stellte den Karton mit Büchern vor ihrem Laden unter dem Vordach ab und rannte zur Straße. Es goss in Strömen an diesem kalten Wintertag, und sofort war sie bis auf die Haut durchnässt. Schnell warf sie einen Blick auf die Bücher im Kofferraum, dann sah sie den Mann in dem Sportwagen wütend an, der jetzt die Fahrertür öffnete und fluchend ausstieg.

„Alles in Ordnung mit Ihnen?“ fragte er, während er ein Handy aus der Tasche zog.

„Aber ja! Ich war ja schließlich nicht im Auto. Und was ist mit Ihnen?“ Sie musste schreien, um sich bei dem prasselnden Regen verständlich zu machen.

„Mir fehlt nichts. Aber das musste ja nicht passieren!“ Er trat heftig gegen den Reifen. „Au, verdammt!“

„Nicht sehr schlau“, sagte Lane lächelnd.

Er grinste kurz und machte eine leichte Verbeugung. „Tyler McKay.“

Sie wusste genau, wer er war. Wenn man in Bradford, South Carolina, lebte, kannte man die McKays. Tyler McKay war reich, attraktiv und unverheiratet. Mit seinem dunklen Haar und den hellblauen Augen fiel er in dem Städtchen auf. Außerdem war er groß und schlank, und wenn er wie jetzt zu den eng sitzenden Jeans eine lässige teure Lederjacke trug, war er einfach nicht zu übersehen.

Lane wandte schnell den Blick ab und musterte die Autos. Die Motorhaube des Sportwagens war zusammengeschoben wie ein Akkordeon. Der Regen prasselte auf die halb geöffnete Kofferraumhaube ihres Wagens und tropfte auf die Bücherkartons.

„Oh nein, meine Bücher!“

Er warf nur kurz einen Blick auf den Kofferraum, während er weiter telefonierte. Dann schob er das Handy wieder in die Jackentasche und bemerkte trocken: „Die sind hin.“

Sie starrte ihn wütend an. „Allerdings.“ Vergebens bemühte sie sich, den Kofferraum zu schließen.

Sofort zog er seine Jacke aus und breitete sie über die Bücherkartons. „Besser?“

Sie schüttelte den Kopf. „Das nützt so viel wie ein Pflaster auf einer blutenden Kopfwunde.“

„Haben Sie denn keinen Sinn für eine ritterliche Geste?“

„Doch, schon, aber nur wenn sie ehrlich gemeint ist.“ Verärgert schob sie die Jacke zur Seite und hob einen der durchnässten Kartons hoch.

Er folgte ihr mit dem zweiten Karton. „Die Polizei wird gleich hier sein.“

So schnell? Sie warf ihm über die Schulter einen überraschten Blick zu. Aber wenn der eigenen Familie quasi die halbe Stadt gehörte, bekam man wahrscheinlich immer, was man wollte. „Gut.“ Sie stieß die Ladentür auf.

„Tut mir Leid. Es war meine Schuld.“

Lane blieb in der Tür stehen und drehte sich um. Das hätte sie nicht tun sollen, denn Tyler stand direkt hinter ihr. Er musterte sie ungeniert mit seinen hellen Augen, die von winzigen Falten umgeben waren. Offensichtlich lachte er gern. Aus seinem nassen dunklen Haar rollten Regentropfen auf die Lederjacke, die er sich nachlässig über die Schultern gehängt hatte.

Lane nahm sein herbes Eau de Cologne wahr und räusperte sich verlegen. „Es lag wohl eher am Regen, der scharfen Kurve und der nassen Straße.“

Er grinste. „Heißt das, dass Sie mir verziehen haben?“

Seine leise dunkle Stimme ließ plötzlich ihr Herz schneller schlagen. Der Mund wurde ihr trocken. Wahrscheinlich kannte Tyler seine Wirkung auf Frauen genau. Schnell senkte Lane den Blick. „Ist das wichtig für Sie?“

„Nein.“ Er lachte leise. „Aber es ist angenehmer. Unter Nachbarn, meine ich.“

Sie trat schnell in den Laden und stellte den Karton auf dem Verkaufstresen ab. Erst dann wandte sie sich wieder zu Tyler um.

„Gut, dann verzeihe ich Ihnen. Aber Sie sind mir noch etwas schuldig.“ Sie strich sich das nasse Haar aus der Stirn. Die Brille war beschlagen und rutschte ihr auf die Nasenspitze. „Da ich nichts in die Parkuhr gesteckt habe, kriege ich sicher auch noch einen Strafzettel. Den müssen Sie begleichen.“

„Nein, Sie kriegen ganz sicher kein Ticket. Das verspreche ich Ihnen.“

Sie hob leicht die Augenbrauen. „Sie wollen sich für mich mit der Polizei anlegen? Das nenne ich wahre Ritterlichkeit.“

Wieder lächelte er, und wieder spürte Lane, wie ihr Körper darauf reagierte. Das gefiel ihr überhaupt nicht.

„Wie heißen Sie denn?“ fragte er.

„Lane Douglas.“ Nach zwei Jahren kam ihr der Name leicht von den Lippen. Im Grunde bedauerte sie, dass diese Lügerei ihr schon zur zweiten Natur geworden war. Tyler streckte die Hand aus, und sie schlug ein, zog dann aber schnell die Hand zurück, als habe sie sich verbrannt. Sie war überrascht, dass er so einen festen Händedruck hatte und seine Haut eher hart als weich war. Wahrscheinlich kam das vom Golfspielen, denn jemand wie er arbeitete doch sicher nicht mit den Händen.

Sie wandte sich wieder zu der durchfeuchteten Kiste um und kalkulierte den Schaden.

„Hübscher Laden“, sagte er. „Neu?“

„Nein, den gibt es schon seit 150 Jahren, Mr. McKay“, erwiderte sie spitz, obgleich sie genau wusste, dass er „erst vor kurzem renoviert“ meinte.

„Bitte, sagen Sie Tyler zu mir. Mr. McKay ist mein Vater.“

Sie vermied es, ihn anzusehen, und griff nach ihrer Handtasche. „Ich ziehe McKay vor. Eine gewisse Distanz ist mir lieber. Für den Fall, dass ich Sie verklagen muss, meine ich.“

„Ich leiste selbstverständlich Schadenersatz, Miss Douglas.“

„Gut.“ Sie legte ihren Führerschein und die Versicherungskarte auf den Tisch und wies mit dem Kopf in Richtung Fenster. „Warum haben Sie dann die Polizei geholt?“ Draußen standen zwei Polizeiwagen mit rotierendem Blaulicht.

Tyler sah sie einen Augenblick überrascht an, dann nickte er und trat in den überdachten Eingang. Lane hatte keine Angst vor der Polizei, denn sie hatte nichts zu verbergen. Während Tyler mit den Polizisten sprach, versuchte sie von den Büchern zu retten, was noch zu retten war. Aber es war ziemlich hoffnungslos. Die nassen Bücher würde sie wohl als Verlust abschreiben müssen.

So ähnlich, wie sie auch ihre Familie als Verlust hatte abschreiben müssen. Als eine Giovanni hatte sie immer wie in einem goldenen Käfig gelebt. Als Lane Douglas konnte sie wenigstens ein halbwegs normales Leben führen. Die Entscheidung, die Familie zu verlassen, war ihr dennoch nicht leicht gefallen. Schließlich gehörten den Giovannis viele Weingüter.

Jetzt kam es nur noch darauf an, Tyler McKay wieder loszuwerden, ohne seine Neugier zu erregen. Im letzten Jahr war es ihr gelungen, ihm und seiner Familie aus dem Weg zu gehen. Das war nicht ganz einfach, denn die Familie war weit verzweigt, und die Medien verfolgten sie wie die Kennedys und die Giovannis. Tyler McKay war sehr wohlhabend und seine Familie einflussreich, so dass es wahrscheinlich war, dass er in denselben gesellschaftlichen Kreisen verkehrte wie die Giovannis. Außerdem war Elaina vor nicht langer Zeit auf allen Titelseiten abgebildet gewesen, und es war durchaus möglich, dass man sie wiedererkannte.

Ihre wahre Identität musste unbedingt ein Geheimnis bleiben.

Nur ihr Vater wusste, wo sie sich aufhielt. Und dabei sollte es auch bleiben.

Die Frau ist wirklich mehr als unattraktiv, dachte Tyler und warf Lane missmutig einen Blick von der Seite her zu, während der Polizist das Protokoll aufnahm. Sie wühlte in einer Bücherkiste. Die Brille war ihr wieder auf die Nasenspitze gerutscht, Strähnen ihres rotbraunen Haars hatten sich aus dem Knoten gelöst und hingen auf den nassen Pullover, der genauso formlos war wie der knöchellange Rock, unter dem robuste Wanderschuhe hervorlugten.

Sie erinnerte ihn an eine altmodische Lehrerin, und dennoch hatte sie irgendetwas an sich, das nicht zu diesem Bild passte. Er wusste noch nicht genau, was es war, nur dass sie hinreißende bernsteinfarbene Augen mit langen dunklen Wimpern hatte.

Sie war zurückhaltend und bemühte sich um einen geschäftsmäßigen Tonfall, aber Tyler hatte den Verdacht, dass sie das eine ziemliche Anstrengung kostete. Merkwürdigerweise hatte er sie noch nie gesehen, und dabei war er sich sicher gewesen, dass er jeden hier in Bradford kannte.

„Ich muss jetzt mit Miss Douglas sprechen“, sagte der Polizist.

Tyler nickte und trat wieder in den Laden. Draußen war es grau und kalt, aber in dem zu einer Buchhandlung umgebauten Haus war es warm und gemütlich und roch nach Zimt. Lane war nicht zu sehen, und so rief er nach ihr.

„Ich komme!“ Unmittelbar danach erschien sie mit einem großen Tablett, auf dem ein paar dampfende Kaffeebecher standen. „Wir haben etwas Warmes verdient.“ Auch wenn sie weiter nichts von ihm wissen wollte, brauchte sie nicht unhöflich zu einem McKay zu sein. Er kannte viele Leute, und diese Leute lasen sicher auch Bücher. Ein bisschen Freundlichkeit war immer gut fürs Geschäft.

Tyler nahm einen Becher und hielt ihn zwischen beiden Händen. „Das ist eine gute Idee.“

Der Beamte lehnte ab, stellte Lane ein paar Fragen, gab dann jedem eine Kopie des Protokolls und ging. Tyler steckte sich die Kopie in die Jackentasche und trank seinen Kaffee. Hin und wieder warf er Lane einen neugierigen Blick zu, sagte aber nichts.

Wenn er doch bloß gehen würde! Der Mann nervte sie, obgleich sie im Grunde nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen war. Das hatte auch das FBI feststellen müssen, das sie wegen der illegalen Geschäfte ihres Bruders Angelo, den sie immer Angel nannte, in die Mangel genommen hatte.

„Wieso habe ich Sie bisher noch nie gesehen?“ fragte Tyler unvermittelt.

„Ich verkaufe Bücher. Vielleicht lesen Sie nicht?“

„Aber selbstverständlich lese ich.“

Die Andeutung erschien auf ihrem Gesicht, und sie sah ihn durch ihre runde Brille an. Was hatte sie für schöne Augen! „Offenbar nicht genug, Mr. McKay.“

Jetzt musste Tyler grinsen. „Sie ärgern sich immer noch wegen des Autos.“

„Nein, eigentlich nicht. Vielleicht gibt mir die Versicherung sogar das Geld für einen neuen.“

Süß sah sie aus, wenn sie wie jetzt versuchte, ihr Lächeln zu verbergen.

„Nur bei Totalschaden.“

„Kein Problem, ich lasse das Auto einfach da stehen, und Sie versuchen es noch einmal. Bei Ihrer Fahrweise …“

Er lachte, doch bevor er kontern konnte, ging die Ladenglocke, und ein etwa zwölfjähriger Junge trat ein.

„Mann, was für ein Mistwetter!“ schimpfte er und schüttelte sich wie ein nasser Hund. „Hallo, Mr. McKay.“

„Hallo, Davis.“

Der Junge blickte aus dem Fenster und sah dann Tyler stirnrunzelnd an. „Ist das etwa Ihr Wagen da draußen?“

„Leider ja.“

„Oh, Mann, das ist ja eine Beleidigung für so einen Flitzer.“

„Das kann repariert werden.“

Lane beugte sich leicht vor und sah den Jungen an. „Kann ich etwas für dich tun?“

Der Junge nickte und hielt einen Packen Werbezettel hoch. „Hier, das sind die Flyer für das Festival. Darf ich einen ins Fenster kleben?“

„Klar.“

Lane setzte ihren Becher ab, holte Klebeband und ein Handtuch und ging zu dem Jungen hinüber. „Hier, damit kannst du dein Gesicht abtrocknen.“ Dann nahm sie ihm einen Werbezettel ab und klebte ihn an die vordere Schaufensterscheibe, nachdem sie Davis leise gefragt hatte, wo sie ihn seiner Meinung nach anbringen sollte.

Tyler war überrascht, wie sanft ihre Stimme klang und wie freundlich sie den Jungen anblickte, sehr viel freundlicher als ihn. Wieso denn das? Normalerweise konnte kaum eine Frau dem Charme der McKays widerstehen. Das hatte zumindest seine Mutter immer behauptet.

„Auf Wiedersehen, Mr. McKay.“

„Wiedersehen, Davis.“

„Pass auf“, sagte Lane. „Die Leute fahren heute wie die Wahnsinnigen.“

„Die Rolle der großzügigen Siegerin liegt Ihnen wohl nicht“, bemerkte Tyler trocken, nachdem der Junge gegangen war.

Sie lachte. „Es passiert schließlich nicht jeden Tag, dass mein armes kleines Auto von einem stadtbekannten Playboy angefahren wird.“

„Aber Sie hatten mir doch schon vergeben. Außerdem, wer hat Ihnen erzählt, dass ich ein Playboy bin?“

Sie seufzte theatralisch und trat hinter den Verkaufstresen. „Fragen Sie mich lieber, wer mir das noch nicht gesagt hat.“ Sie versuchte, sich auf das Bestellbuch zu konzentrieren.

„Lügen, nichts als Lügen.“

Sie blickte hoch. Er strahlte sie an, und sie konnte nichts anderes denken als: Er ist gefährlich, er muss sofort verschwinden. „Sie brauchen sich nicht zu verteidigen. Ich habe zwar meine Meinung, aber mir ist es doch vollkommen egal, wie Sie Ihr Leben führen. Das geht mich nichts an und interessiert mich nicht.“

„Eine Frau, die sich nicht für Klatsch interessiert – sehr ungewöhnlich.“

Sie fixierte ihn über den Rand ihrer Brille hinweg. Was verstand er schon unter Klatsch? Ein paar Leute in Bradford, die sich über sein Liebesleben das Maul zerrissen? Das war lächerlich. Aber wenn der ganze Bezirk sich darüber unterhielt, was man zum Frühstück aß oder was man beim Schlafen trug, dann war das eine andere Art von Klatsch. Besonders wenn man sich jeden Morgen auf den Titelseiten der Regenbogenpresse wiederfand.

„Müssen Sie nicht irgendwohin?“ fragte Lane schließlich, als Tyler keinerlei Anstalten machte zu gehen. „Vielleicht zur Arbeit?“

Wieder sah Tyler ihr in die bernsteinfarbenen Augen, und irgendetwas rührte ihn an. Die Frau konnte kalt wie eine Hundeschnauze sein, und dennoch hatte er den Eindruck, tief in ihr loderte ein Feuer. Vielleicht lohnte es sich, herauszufinden, ob das zutraf. „Nein, ich habe viel Zeit.“ Er schwieg. „Es regnet“, sagte er dann. „Da werden Sie auch nicht viele Kunden haben.“

„Irrtum. Gerade an einem solchen Tag mag man sich gern auf der Couch mit einem guten Buch zusammenrollen.“

Ich hätte nichts dagegen, mich gleich hier mit dir zusammenzurollen, dachte er und war beinahe erschreckt, wie er auf diesen Gedanken hatte kommen können. Sie sah nicht gerade wie eine Traumfrau aus. Dennoch, ihre Augen hatten es ihm angetan, ob er wollte oder nicht.

„Machen Sie bei dem Festival mit?“ fragte er und wies mit dem Kopf auf das Werbeblatt, das sie dem Jungen abgenommen hatte und jetzt auf den Tresen neben die Kasse klebte.

„Nein.“

Das überraschte ihn, denn das Winterfestival wurde normalerweise von allen Geschäftsleuten Bradfords gemeinsam ausgerichtet. Eine solche Festwoche war gut für die Stadt und gut fürs Geschäft, da sie viel Besucher nach Bradford lockte. „Warum denn nicht?“

„Ich will nicht.“

„Spielverderberin.“

Sie versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken, das konnte er genau sehen.

„Alle Geschäftsleute machen mit“, sagte er.

„So?“ Sie sah ihn nachdenklich an. „Auch die Tankstelle? Die Autowaschanlage?“

„Allerdings. Dennis von der Tankstelle schenkt jedem, der voll tankt, Gutscheine für kostenlose Autowäschen. Und Mike von der Autowaschanlage schenkt jedem, der zum Waschen und Wachsen kommt, Benzingutscheine im Wert von zehn Dollar.“ Er nahm einen Schluck Kaffee. „Na, wie sieht’s aus? Immer noch keine Lust?“

„Ich verkaufe Bücher und zwar hier im Laden und nicht von einem Bücherkarren.“

„Aber Sie verkaufen offenbar auch Kaffee.“ Er wies auf eine kleine Kaffeebar, vor der ein paar gemütliche Stühle standen.

„Das schon, aber das hat doch auf einem Festival nichts zu suchen.“

„Warum nicht? An einem kalten Nachmittag? Vielleicht ist vielen Besuchern da nach einem heißen Kaffee zu Mute. Versuchen Sie es doch einfach.“

„Was soll das? Sind Sie hier der Bürgermeister, weil Sie so die Werbetrommel rühren?“ Sie schüttelte lächelnd den Kopf.

„Bürgermeister McKay – nicht schlecht. Hört sich irgendwie gut an.“

„Ach was.“ Sie nahm ihm den Kaffeebecher aus der Hand. „Gehen Sie lieber in Ihr Büro, und vermehren Sie Ihr Vermögen.“

Er sah sie verblüfft an. „Sind Sie zu allen Kunden so freundlich?“

„Nein, nur zu denen, die auch viel Geld ausgeben.“

Humor hatte sie, das musste er ihr lassen. „Wenn Sie so weitermachen, sind Sie in einem Monat pleite.“

„Von wegen. Ich habe das Geschäft schon über ein Jahr, Mr. McKay, und komme sehr gut zurecht.“

„Ist Zurechtkommen denn wirklich ausreichend?“ fragte er.

Sie warf ihm einen Blick zu, als ginge ihn das nun wirklich nichts an. „Sie sollten sich hier jetzt nicht länger aufhalten, McKay. Sie haben Ihre Bürgerpflicht erfüllt.“

„Eines noch. Bin ich es eigentlich persönlich, oder sind es die McKays ganz allgemein, die Sie nicht leiden können?“

Die McKays waren wohlhabend, privilegiert. Und er nahm an, sie sei eine Geschäftsfrau, die kurz vor dem Bankrott stand. Es lag ihr auf der Zunge, ihm zu sagen, dass sie sehr wohl wusste, wie man ein Leben führte ohne jegliche finanzielle Beschränkungen. Dass sie erfahren hatte, wie es war, nicht nur Stadtgespräch zu sein, sondern auf zwei Kontinenten die Klatschspalten zu füllen. Das Familienunternehmen „Giovanni Wines“ stand im Verdacht, Beziehungen zur Mafia zu haben und Geldwäsche zu betreiben. Das Foto ihres Bruders war überall auf den Titelseiten der Zeitungen und Klatschblätter zusammen mit äußerst zweifelhaften Geschäftsfreunden abgebildet gewesen. Kurz danach war auch Elainas Fotos in allen Zeitungen erschienen, und sie konnte ihre viel versprechende Karriere als Modedesignerin vergessen. Und das alles, weil der Reporter Dan Jacobs ihr vorgemacht hatte, sie zu lieben, obgleich er nur an Informationen über ihre Familie herankommen wollte. Sie hatte ihn geliebt, und er hatte sie ausgenutzt und betrogen.

Sie senkte den Blick, weil der Schmerz plötzlich kaum zu ertragen war. Da Menschen, die sie liebte, sie belogen hatten, hatte sie sich geschworen, sich nur noch auf sich selbst zu verlassen. Denn den anderen war es egal, ob sie ihr wehtaten, solange sie ihr Ziel erreichten.

Bücher dagegen würden einen nie verletzen, sie entführten einen in eine fremde Welt, in der …

„Miss Douglas?“

Sie fuhr zusammen und sah hoch.

Tyler hatte die Augen leicht zusammengekniffen. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“

Sie zwang sich zu einem breiten Lächeln. „Auch wenn Sie es mir nicht glauben, es geht mir gut.“

Er schüttelte nur leicht den Kopf. Sie konnte ihm nichts vormachen. Aber was ging wirklich in ihr vor? Was bedrückte sie?

„Sollten Sie nicht einen Abschleppdienst anrufen?“ fragte sie jetzt. „Oder Ihr Büro oder Ihre Freundin?“

Was für eine Freundin? dachte er, er war nicht fest liiert. Momentan machte es ihm Spaß, kurze, schnell wechselnde Beziehungen zu haben. Beinahe wäre er eine feste Bindung eingegangen, aber dann hatte er noch rechtzeitig gemerkt, dass die Frau nur hinter dem Geld der McKays her und er ihr gleichgültig war.

Das war jetzt schon zwei Jahre her, und obwohl er die Sache längst verschmerzt hatte, ärgerte er sich immer noch, dass er sich so hatte einwickeln lassen. Aber es war wohl sein Schicksal, dass er nie wissen würde, ob eine Frau sich wirklich für ihn oder nur für sein Vermögen interessierte.

„Nein, ich habe keine Freundin, die ich anrufen könnte. Und den Abschleppdienst habe ich bereits angerufen, als die Polizei noch hier war.“ Er stützte sich auf den Verkaufstresen und beugte sich leicht vor. „Sie wollen mich wohl unbedingt loswerden. Warum?“

Lane blieb stehen, wo sie stand, aber vielleicht hätte sie das lieber nicht tun sollen. Er war einfach zu dicht herangekommen – so dicht, dass sie sein Eau de Cologne riechen konnte. In dem braunen Hemd und der hellen Lederjacke sah er außerdem umwerfend aus. Sie trat schnell einen Schritt zurück. „Im Gegensatz zu den reichen Müßiggängern muss ich mich um mein Geschäft kümmern.“

Sie sprach leise, und ihre Stimme war tief und weich. Tyler versuchte herauszufinden, woher sie kam. Sie kam ganz sicher nicht aus den Südstaaten. Ihr Akzent klang eher europäisch.

„Mr. McKay?“

„Ja?“

„Ich glaube, Ihre Tasche klingelt.“

Er sah sie leicht verwirrt an, dann zog er das Handy aus der Tasche.

„Die Fans?“ Lane grinste.

Er blinzelte ihr zu und nickte. „Hallo, Mom. Ja, alles ist in Ordnung.“

Lane presste sich die Hand vor den Mund, um nicht laut loszulachen.

„Um Himmels willen, wieso weißt du das denn nun schon wieder?“ Er schwieg. „Sag Mrs. Ashbury, dass es mir gut geht“, sagte er dann. „Ja, ja, das kann ich auf dem Nachhauseweg erledigen.“ Er steckte das Telefon wieder ein. „Sie ist der Meinung, ich sei mit einer schweren Kopfverletzung ins Krankenhaus eingeliefert worden.“

„Damit kann ich durchaus dienen“, sagte sie lächelnd und hob einen großen Briefbeschwerer hoch. „Ich meine, falls es Ihnen auf das Mitleid ankommt.“

Mit gespieltem Entsetzen hob er beide Arme hoch. „Du liebe Zeit, nur das nicht! Aber ich sollte jetzt wirklich gehen. Schicken Sie mir bitte die Rechnung für die Bücher.“ Er ging zur Tür.

„Mach ich.“

„Vielleicht sollte ich lieber morgen vorbeikommen und sie abholen“, sagte er, während er sich an der Tür umdrehte.

„Nicht nötig, Mr. McKay. Die Post funktioniert ganz ausgezeichnet. Andere Menschen müssen auch damit zurechtkommen.“

„Ich bin aber nicht ‚andere Leute’, Miss Douglas.“ Er zog die Tür hinter sich zu, hielt ein Taxi an und ließ seinen verbeulten Wagen stehen.

Er war anders als „andere Leute“? Das war eine Warnung, das spürte Lane ganz genau. Sie hatte Tyler McKay nicht das letzte Mal gesehen, und dieser Gedanke behagte ihr gar nicht.

2. KAPITEL

Tyler lehnte sich an den Tresen in der Küche seiner Eltern und biss in ein saftiges Sandwich. Sein eigener Kühlschrank war voll von Lebensmitteln, die inzwischen bereits ungenießbar waren. Er musste sich endlich daran gewöhnen, nur dann etwas einzukaufen, wenn er auch lange genug zu Hause war, um die Vorräte aufzuessen.

„Ich kann es kaum glauben, dass du bisher noch nie in dieser Buchhandlung gewesen bist“, bemerkte Laura McKay und schenkte sich eine Tasse Tee ein.

„Warst du denn schon einmal da?“

„Ja, einmal mit Diana.“

Seine Mutter und Diana Ashbury kannten sich noch aus der Highschool und waren dicke Freundinnen. Tyler war zusammen mit Dianas Kindern aufgewachsen und war eng mit ihrem Sohn Jace befreundet.

„Was hältst du denn von der Besitzerin? Diana kauft dort all ihre Bücher. Sie bewundert Miss Douglas sehr.“

„Ach ja?“ Tyler verschluckte sich beinahe an seiner Limonade und musste husten. Bewundern? Was war denn bewundernswert an der Lane Douglas, die er kannte? Sicher, sie war schlagfertig, aber sie war auch kalt und abweisend.

„Allerdings. Di sagt, sie weiß sehr viel über Bücher und besorgt alles, was man haben will, ohne für die Beschaffung etwas zu berechnen.“

Das war sicher klug kalkuliert, und Tyler bewunderte Lane für ihren Geschäftssinn. Vielleicht sollte sie ihre Energie mal für die Entwicklung ihres Charmes einsetzen. Man fror ja geradezu in ihrer Gegenwart. Andererseits, vielleicht war ja nur er ihr unsympathisch. „Sie macht beim Winterfestival nicht mit.“

Mrs. McKay, die ihren Tee umrührte, blickte überrascht auf. „Was? Warum denn nicht?“ Tyler hatte sich den letzten Bissen in den Mund geschoben und griff jetzt nach einem Handtuch. Seine Mutter warf ihm eine Serviette zu. „Du hast manchmal wirklich ein fürchterliches Benehmen. Wozu sind denn Servietten da?“

„Stimmt, Mom, entschuldige.“ Er legte ihr kurz die Hand auf den Arm und tupfte sich den Mund mit der Serviette ab. „Noch einmal zu Miss Douglas. Ich weiß wirklich nicht, warum sie nicht mitmachen will. Ich hatte den Eindruck, sie will in Ruhe gelassen werden.“

„Aber gerade sie, die ziemlich neu in der Stadt ist, sollte die Gelegenheit nutzen, die anderen Geschäftsinhaber kennen zu lernen. Im Übrigen hat sie sich doch schon sehr um die Stadt verdient gemacht. Alle Welt spricht davon, wie wunderbar sie das Haus hat renovieren lassen. Und ich als Mitglied der Historischen Gesellschaft bin besonders entzückt davon. Wenn sie es nicht gekauft hätte, hätte die Stadt das hübsche alte Haus abreißen lassen.“

Tyler musste zugeben, dass das zweistöckige Haus ein echtes Schmuckstück war. Merkwürdig, dass er das bisher noch nicht bemerkt hatte. Hatte er so viel gearbeitet, dass er zu nichts anderem mehr gekommen war? Er war in den letzten Wochen meist sehr spät nach Hause gekommen. Sein Vater hatte immer davon geträumt, das Bauunternehmen so auszuweiten, dass es mit den großen Firmen landesweit konkurrieren konnte. Nach seinem Tod führte Tyler das Unternehmen und war nun kurz davor, den Traum des Vaters zu erfüllen.

„Also, ich finde, Miss Douglas sollte unbedingt mitmachen“, unterbrach Mrs. McKay den Sohn in seinen Gedanken. „Vielleicht sollte ich sie selbst einfach fragen. Diana ist schließlich die Vorsitzende des Festkomitees.“

„Das wundert mich gar nicht.“ Er musste grinsen. Seine Mutter und ihre Freundin hatten in jedem Verein der Stadt eine leitende Funktion. „Aber ich möchte nicht, dass du versuchst, Miss Douglas zu etwas zu zwingen, was sie eigentlich nicht will.“ Denn dann würde Lane glauben, er stecke dahinter.

„Aber warum denn nicht?“ Seine Mutter sah ihn prüfend an, dann strahlte sie. Bevor er noch etwas sagen konnte, sprudelte sie bereits los: „Du findest sie aufregend. Du hast dich in sie verknallt!“

„Nein, natürlich nicht. Das heißt, ich finde sie nicht unattraktiv. Obgleich …“ Verlegen rieb er sich den Nacken. Er wusste auch nicht, was mit ihm los war. Lane war ganz sicher nicht sein Typ. Aber darüber wollte er mit seiner Mutter nicht reden. „Ich kenne sie überhaupt nicht. Sie scheint sehr verschlossen zu sein.“

„Im Allgemeinen oder nur dir gegenüber?“

Tyler hatte sie bisher nur mit Davis erlebt, und zu dem Jungen war sie sehr nett gewesen. Aber ihn, Tyler, hatte sie regelrecht hinausgeworfen. „Mir gegenüber.“

„Ach, Unsinn. Das bildest du dir nur ein. Du hast sie doch gerade erst kennen gelernt, und zwar nachdem du in ihr Auto gefahren bist. Damit hast du nicht gerade den besten Eindruck gemacht. Aber wenn ich mich richtig erinnere, ist sie ganz anders als die Frauen, mit denen du bisher ausgegangen bist.“

„Das ist doch vollkommen egal. Ich suche keine Frau, also sieh mich nicht mit leuchtenden Augen an.“

Autor

Amy J. Fetzer
Amy J. Fetzer glaubt nicht an den Mythos, dass man zum Schreiben geboren wird. Sie selbst hat es sich hart erarbeitet. Erst mit 30 Jahren fing sie an zu schreiben – davor hatte sie als Kosmetikerin gearbeitet – und an ihrem ersten Buch feilte sie 3 Jahre lang. Etliche Male...
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