Frühlingsgefühle in Thunder Point

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Schon seit Langem ist Gina mit dem attraktiven Single-Dad Mac McCain befreundet. Zusammen haben sie Sorgen, Nöte und fröhliche Moment bei der Erziehung ihrer Töchter geteilt. Das vielleicht einmal mehr aus ihnen werden könnte, hat Gina selbst überrascht. Aber plötzlich tanzen Schmetterlinge in ihrem Bauch. In Macs Nähe fühlt sie sich wieder wie ein Teenager und kann einfach nicht genug von ihm bekommen. Doch ihr junges Glück wird jäh bedroht: Nachdem Macs Exfrau jahrelang verschwunden war, taucht sie nun ausgerechnet in dem Küstenstädtchen Thunder Point auf. Und wie es scheint, will sie um jeden Preis Mac zurückgewinnen!

"Mit ihrer typischen Mischung aus Humor, realistischen Konflikten und messerschafen Charakterisierungen erweckt Robyn Carr Thunder Point zum Leben."

The Library Journal

"Tauchen Sie ein in Robyn Carrs Welt: Großartig erzählte Geschichten und wunderbar gekennzeichnet Charaktere."

New York Times-Bestsellerautorin Susan Elizabeth Phillips


  • Erscheinungstag 10.05.2016
  • Bandnummer 2
  • ISBN / Artikelnummer 9783956495427
  • Seitenanzahl 304
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Robyn Carr

Frühlingsgefühle in Thunder Point

Roman

Aus dem Amerikanischen von Barbara Minden

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2016 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

The Newcomer

Copyright © 2013 by Robyn Carr

erschienen bei: Mira Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.ár.l

Leseprobe:

Titel: Zeit der Liebe in Thunder Point

Copyright: © 2013 by Robyn Carr

erschienen bei: MIRA Taschenbuch in der

HarperCollins Germany GmbH

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold & partner GmbH, Köln

Umschlaggestaltung: büro pecher, Köln

Redaktion: Mareike Müller

Titelabbildung: Thinkstock / Getty Images, München / Ron Thomas / KsushaArt

ISBN eBook 978-3-95649-542-7

www.harpercollins.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

Es war ein warmer, sonniger Nachmittag. Für Anfang April eine Seltenheit an der Küste Oregons. Dank des ergiebigen Frühjahrsregens würden die Wildblumen – die schönsten des Landes – bald erblühen. Hank Cooper saß in weißem T-Shirt und Jeans auf der Terrasse seines Strandlokals, dem Ben & Cooper’s. Er stützte die Füße am Terrassengeländer ab. Hamlet, Sarahs große dänische Dogge, saß neben ihm und schaute aufs Meer. Ein Ohr des Hundes schoss in die Höhe, sobald ein Mensch, ein Boot oder ein Vögelchen seine Aufmerksamkeit erregte. Cooper genoss seinen Kaffee, während er seine wundervolle Sarah Dupre auf ihrem Brett beim Stand-up-Paddeln über die Bucht beobachtete. Sie trug den Neoprenanzug – kurzärmlig und knielang –, den er ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Der Anzug hielt sie warm, obwohl das Wasser noch immer eiskalt war. Der Pazifik war, außer unten in der Bucht von San Diego, eigentlich immer kalt. Doch Sarah war ein Naturtalent und machte sich nicht einmal richtig die Füße nass.

Die Art, wie sie in dem Anzug aussah, erschien Cooper wie ein Kunstwerk. Sie hatte unglaublich kräftige Beine, einen perfekt geformten runden Po und Brüste, die genau in seine Hände passten. Sarah, die in einer Küstenstadt geboren war, fühlte sich auf dem Wasser vermutlich genauso wohl wie an Land oder in der Luft – Taucherin, Schwimmerin, Surferin, Hubschrauberpilotin.

Cooper und Ham hatten Sarah eine Stunde lang zugesehen. Sie war den ganzen Weg bis zum Ausgang der Bucht und wieder zurück gepaddelt. Schließlich kehrte sie kurz vor den Fischerbooten, die auf dem Rückweg zur Marina waren, zurück.

Dieses Leben war so ziemlich das abwegigste, das sich Cooper bis vor Kurzem noch für sich hätte vorstellen können. Er war letzten Oktober nach Thunder Point gekommen, um herauszufinden, wie sein bester Freund Ben Bailey gestorben war. Zu seiner Überraschung hatte Cooper alles geerbt, was Ben gehört hatte: einen halb zerfallenen Laden für Angelzubehör und eine Bar. Weil er keine bessere Idee gehabt hatte, hatte Cooper das Haus renovieren lassen und in ein erstklassiges Strandlokal verwandelt. Dabei hatte er für sich selbst ein Zuhause gefunden. Und, noch eine Überraschung, er hatte eine Frau in Thunder Point gefunden, obwohl er gar nicht auf der Suche gewesen war. Sarah entpuppte sich als diejenige, auf die er sein Leben lang gewartet hatte.

Ende Februar hatte er die Bar – ohne den Angelshop – offiziell eröffnet. Als Besitzer des Lokals hatte er jetzt mehr als genug Zeit, mit Leuten aus der Stadt an den Strand zu gehen, sich vom sanften Wogen des Meeres in der Bucht einlullen zu lassen und seine Freundin zu beobachten, die auf ihrem Brett über das ruhige Wasser zwischen den riesigen Felsen der Bucht hin- und herglitt. Inzwischen war Coopers Haut gebräunt, Außerdem hatte er breite Schultern, weil er ständig Lieferungen für die Bar hochschleppte – und eine Menge neuer Freunde, obwohl er sich selbst immer für einen Einzelgänger gehalten hatte.

Sarah lehnte Brett und Paddel gegen die Anlegestelle und stieg die Treppe hinauf. Als sie oben war, warf Cooper ihr ein Handtuch zu und sie trocknete sich die Füße ab, glücklich über die wärmenden Sonnenstrahlen.

„Was hast du vor?“, fragte sie.

„Absolut nichts. Ich sehe nur meiner Meerjungfrau zu.“

Sie lachte. „Hat sich Hamlet ordentlich benommen?“ Kaum dass er seinen Namen hörte, erhob sich der riesige Hund und trottete zu Sarah.

Cooper nickte. „Er hat gesagt, er würde lieber bei mir wohnen.“

„Ach, hat er das?“, fragte sie lachend und tätschelte Ham. „Kauf dir einen eigenen Hund.“

„Hier ist kein Platz mehr für einen weiteren Hund. Komm!“, meinte Cooper und zog sie auf seinen Schoß.

Sie griff nach seiner Kaffeetasse und trank einen Schluck.

„Soll ich dir einen heißen Kaffee bringen?“, fragte er. „Ist dir kalt?“

Sarah schüttelte den Kopf. „Da draußen ist es herrlich. Manchmal ist die Brise noch ein bisschen kühl, doch die Sonne ist so wunderbar. Hier in der Gegend fängt man nach dem verregneten und windigen Winter an, die Sonne zu vermissen.“

Ihr Handy piepte. Sie hatte es auf der Terrasse bei Cooper liegen lassen, während sie mit dem Brett hinausgepaddelt war. Sie nahm es, schaute auf die Nummer des Anrufers und sagte: „Ja, kleiner Bruder?“ Anschließend lauschte sie aufmerksam und lachte. „Ich bin bei Cooper und habe gerade mein Brett rausgeholt – die Bucht ist herrlich. Ich habe den Razor genommen und den Hund dabei. Dann viel Spaß. Bis nachher.“

„Wie oft am Tag sprichst du eigentlich mit Landon?“, wollte Cooper wissen. Sarahs Familie bestand nur aus ihr und dem sechzehnjährigen Landon. Sie bildeten eine ziemlich eingeschworene Gemeinschaft und hingen extrem aneinander. Doch da Sarah als Rettungsfliegerin in einem Hubschrauber der Coast Guard in North Bend arbeitete und keine geregelten Arbeitszeiten hatte, war ihr Alltag mitunter eine echte Herausforderung.

„So oft es nötig ist. Jetzt, wo er mit Deputy Knackarschs Tochter zusammen ist, mache ich mir nicht mehr ganz so viele Gedanken. Höchstens, dass Mac ihn erschießt, falls Landon die Finger nicht von Eve lassen kann. Ich schätze, wir halten uns so drei- bis viermal am Tag auf dem Laufenden.“

„Mindestens“, erwiderte Cooper. „Interpretiere ich diesen letzten Anruf richtig, und du hast heute Abend Zeit für ein gemeinsames Essen?“

Sie grinste ihn an. „Kocht uns der Chefkoch etwas Besonderes?“

„Es wird hier heute Abend nicht sehr voll werden, jedenfalls nicht nach sieben. Es ist mitten in der Woche, und bis Sonnenuntergang ist alles vorbei. Ich habe ein paar Steaks im Gefrierfach und Kartoffeln im Kühlschrank …“

„Hast du auch etwas Grünes?“, fragte sie.

Coopers Speisekarte im Strandlokal beschränkte sich auf Dinge, die ihm Carries Feinkostladen aus der Stadt lieferte – einfache Gerichte wie Pizza, Sandwiches und Desserts und Kleinigkeiten, die man kalt oder warm verspeisen konnte. Seine Bar war per se kein Restaurant. Cooper hatte sich zwar einen Grill für den Eigenbedarf zugelegt, nutzte ihn allerdings nicht, um den Gästen etwas darauf zuzubereiten.

Neben dem Grundstück und den Gebäuden hatte Cooper auch eine Hilfskraft geerbt: Rawley Goode, ein Vietnamveteran, der sich nicht übermäßig wohlfühlte, wenn er mit den Gästen zu tun hatte. Aber er war ein guter Koch und erledigte außerdem noch andere Jobs. Dazu gehörten Reparaturen, putzen und Einkäufe auf dem Großmarkt. Cooper musste zugeben, dass frische Lebensmittel bei ihm und Rawley häufig zu kurz kamen.

„Ich wette, dass du etwas Grünes zu Hause hast.“

„Ich lebe von Grünzeug“, entgegnete sie.

„Das weiß ich.“

„Und du ernährst dich wie ein vierzehnjähriger Junge. Ohne mich würdest du ausschließlich Steaks, Hamburger und Pommes essen. Wenn ich zum Duschen und Umziehen nach Hause fahre und danach einen Salat oder Gemüse mitbringe, isst du dann auch brav deinen Teller leer?“

Cooper liebte sie. Die Intensität seiner Leidenschaft für sie überwältigte ihn regelmäßig. Er würde seinen Teller leer essen, und danach würde er sie voller Feuer und Verlangen lieben. Er wusste, dass seine Augen funkelten, und er wusste, dass sie es richtig deuten würde. Sobald das Geschlossen-Schild an der Vordertür hing und die Türen abgeschlossen waren, würden sie vor dem Kamin Steak essen und sich dann auf die Spielwiese – sein großes Bett im oberen Stockwerk – zurückziehen.

„Ich muss morgen arbeiten“, erklärte Sarah.

„Das ist in Ordnung. Du kannst deinen Hund später mit meinem Geländewagen nach Hause bringen. Sehr viel später. Dann fahre ich morgen früh mit deinem Razor über den Strand und wir tauschen die Fahrzeuge.“

Am nächsten Morgen war Sarah schon geduscht und auf dem Weg zur Arbeit, bevor Landon sich überhaupt zum ersten Mal rührte, um zur Schule zu gehen. Sie hinterließ ihm eine Nachricht und zwanzig Dollar für Benzin oder Essen oder unvorhergesehene Ausgaben. Nach dem gestrigen Tag an der Bucht fühlte sie sich auf dem Weg zur Arbeit fit und frisch. Ein Abendessen bei Cooper, gefolgt von ein paar Stunden Erholung zwischen den Laken – etwas, wofür Cooper ein ganz besonderes Talent hatte – halfen ihr dabei, sich wie neugeboren und energiegeladen zu fühlen.

Die Coast Guard Station wurde auf eine große Inspektion vorbereitet, die in den kommenden Wochen stattfinden sollte, und es gab noch jede Menge zu erledigen. Angefangen bei Testflügen und dem Aktualisieren der Reparaturliste. Sie mussten der Leitung beweisen, dass sie eine der besten Stationen der Coast Guard waren, und sie mussten sich auf diese Kontrolle vorbereiten, während der normale Arbeitsbetrieb weiterlief. Da Sarah – Lieutenant Commander Dupre – an zweiter Stelle in der Verantwortung für den Flugbetrieb stand, spielte sie bei dieser Inspektion eine entscheidende Rolle. Es war also keine Überraschung, dass sie eine Nachricht ihres direkten Vorgesetzten Buzz Bachmann vorfand, nachdem sie den Computer hochgefahren hatte. Er bat sie, sich umgehend in seinem Büro zu melden. Sarah war sich, soweit sie den Mann überhaupt kannte, sicher, dass er ihr eine lange To-do-Liste überreichen würde.

Sie schenkte sich auf dem Weg in sein Büro einen Kaffee ein und rührte etwas Sahne und Süßstoff hinein.

„Morgen, Chef“, grüßte sie ihn, als sie sein kleines Zimmer betrat.

„Morgen, Dupre. Schließen Sie die Tür hinter sich. Okay?“

Während sie seiner Aufforderung folgte, dachte sie: Oje, da steckt jemand in Schwierigkeiten. Die Tür zum Büro des Commanders wurde selten geschlossen – und wenn, dann hatte das für gewöhnlich eine Strafpredigt für den herzitierten Mitarbeiter zur Folge.

„Wir haben diese Woche viel zu tun, und Ende des Monats kommt ein Inspektionsteam zu uns.“

„Bis dahin sind wir fertig“, erwiderte sie und nippte am Kaffee.

„Ich werde Ihnen jetzt etwas sagen, das ich eigentlich nicht wissen dürfte“, verkündete Buzz. „Wie steht’s mit Ihrem Pokerface?“

Sie zog eine Augenbraue hoch. „Wann hat mein Pokerface Sie je enttäuscht?“

„Es könnte schwierig werden. Denn es betrifft Sie.“

Überrascht sah sie ihn an. „Machen Sie es kurz“, bat sie dann. „Reißen Sie das Pflaster schnell ab.“

Buzz holte tief Luft. „Ich habe einen Maulwurf in der Personalabteilung …“, begann er. „Schon eine Weile, da ich vor meiner nächsten Versetzung so früh wie möglich vorgewarnt werden will. Ich hatte allerdings nicht erwartet, von ihm zu erfahren, dass man in Betracht zieht, einen meiner ‚Männer‘ wegen dringenden Bedarfs anzufordern. Damit sind Sie gemeint, Dupre.“

Sarah verschlug es kurz die Sprache. Dann fasste sie sich. „Ich werde automatisch abgelehnt, wenn sie nicht wissen, dass ich eine Frau bin, stimmt’s?“

„Ich wünschte, so wäre es. Und ich hätte besser nichts sagen sollen. Schließlich kann auch alles nach hinten losgehen und noch vor der offiziellen Benachrichtigung jemand anderes für diese Station einspringen, sodass wir uns umsonst die Köpfe zerbrechen. Aber ich wollte, dass Sie so viel Zeit wie möglich haben, um darüber nachzudenken. Wir haben zwei Commander, die in den Ruhestand gehen, und eine dringende Personalanforderung. Es gibt keine internen Bewerbungen, und das sind alles …“ Er hielt kurz inne, um zu husten. „Stellen an der Ostküste. Maine und Südflorida. Wie Sie vielleicht ahnen, werden Sie wahrscheinlich innerhalb des nächsten Jahrs zum Commander befördert. Ich habe den Verdacht, dass man Sie deshalb erst recht als 1-a-Bewerberin betrachtet.“

„Obwohl ich nicht einmal an der Reihe wäre“, entgegnete Sarah und rutschte ein wenig auf ihrem Stuhl nach vorn.

„Das kommt nicht überraschend, Dupre. Sie machen Ihren Job sehr gut. Ihre Karriere bei der Coast Guard ist sehr erfolgreich verlaufen. Außerdem sind Sie eine hervorragende Vorgesetzte und Gruppenleiterin.“

Ernst schaute sie ihn an. „Ich muss noch ein Jahr hierbleiben. Landon …“

„Ich kenne Ihre Situation und kann sie nachvollziehen. Darum habe ich auch gegen die Regeln verstoßen und es Ihnen jetzt schon verraten. Also, helfen Sie mir. Wenn das ans Licht kommt, haben wir ein echtes Problem …“

„Da muss es doch noch etwas Spielraum geben …“

„Den habe ich Ihnen gerade verschafft. Ich glaube, man wird Sie im Juni benachrichtigen. Danach bleiben Ihnen noch ein paar Monate, um den Schritt zu machen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Das bringt mein Familienleben total durcheinander … Landon ist ein erstklassiger Kandidat für ein Stipendium, aber nicht, wenn ich mit ihm umziehe. Und dabei spreche ich noch nicht einmal von dem Trauma, das ein Umzug vor dem Senior-Jahr in der Highschool für ihn bedeuten würde. Davon, ihn von seiner Footballmannschaft, seinen Freunden, seiner Schule, der Stadt zu trennen. Es geht ihm hier so gut, das können Sie sich gar nicht vorstellen.“

„Oh, doch! Ich kann es mir sehr gut vorstellen“, widersprach Buzz. „Ich weiß haargenau, wie Sie sich fühlen – ich habe zwei Scheidungen hinter mir, der Beweis dafür, wie sehr dieser Druck sich auf das Familienleben auswirkt. Wenigstens sind Sie nicht verheiratet.“

Doch es gibt jemanden, der mir den Gedanken ans Wegziehen unerträglich macht, dachte sie. „Mist, ich liebe meine Arbeit. Aber nicht diesen Teil davon.“

„Und die Coast Guard liebt Sie, Dupre. Ich bin der Meinung, dass Sie es verdient haben, über ihre Möglichkeiten nachzudenken. Sind Sie nicht aus Florida?“

„Das ist lange her. Ich bin in Boca aufgewachsen, also praktisch am Wasser. Seit ich allerdings bei der Coast Guard bin, war ich nur im Norden. In Florida wartet keine Familie auf mich – es gibt nur mich und Landon. Und ich habe nur noch ein Jahr, bevor er aufs College kommt, und eine neue Lebensphase für ihn beginnt.“

„Ihnen bleibt immer noch eine Möglichkeit, über die wir noch nicht gesprochen haben, auch wenn Sie noch nicht in den Ruhestand gehen können.“

„Meine Beförderung auszuschlagen und zu kündigen? Ich habe keine Ahnung, was ich außerhalb der Coast Guard tun sollte“, flüsterte sie und starrte in ihren Kaffeebecher.

„Dieses Gefühl kenne ich ebenfalls“, murmelte Buzz.

Sarah hob den Kopf und blickte ihm in die Augen. Schließlich lächelte sie schief. Es war kein Wunder, dass er zweimal verheiratet gewesen war. Er war ein attraktiver Mann. Blond, ausdrucksvolle Augen, stark, klug und mit einem Motorradfuhrpark, der Donny Osmond hätte blass aussehen lassen. Das hatte ihm den Spitznamen Buzz Blitz eingebracht. „Warum haben Sie eigentlich einen Maulwurf in der Personalabteilung?“, fragte sie.

„Ich kann in den Ruhestand gehen“, erklärte er. „Und ich möchte genügend Vorlaufzeit vor der nächsten Versetzung haben, die mich innerhalb der nächsten sechs Monate ereilen wird. Ich möchte weder an einen neuen Ort ziehen noch sehne ich mich nach einer Beförderung. Ich würde gern für immer fliegen. Ich liebe Hubschrauber, und die C-130 liebe ich noch mehr. Captain zu sein bedeutet aber, mehr am Schreibtisch zu sitzen als zu fliegen. Und ich habe Kinder in Kalifornien und Alaska. Ich ziehe weiter, Dupre. Vermutlich in einem Jahr.“

„Aber was werden Sie dann machen?“

„Das überlege ich mir gerade. Doch ich war schon einmal in dieser Situation und habe schon zwanzig Jahre Berufsleben auf dem Buckel. Meine Entscheidung steht. Sie sind die Einzige von uns beiden, die noch Entscheidungen treffen muss. Vielleicht gibt es noch jemanden aus Ihrer Familie oder Freunde, bei denen Sie Landon für ein Jahr lassen können?“

Sie schüttelte den Kopf. „Es gibt niemanden mehr.“

„Gute Freunde?“

Die Einzigen, die Sarah einfielen, waren Gina und Cooper. Ihre Freundin Gina versuchte gerade, sich ein neues Leben mit Mac – auch bekannt als Deputy Knackarsch – aufzubauen. Außerdem lebte sie in einem kleinen Haus, das schon mit ihrer Mutter und ihrer sechzehnjährigen Tochter überfüllt war. Und Cooper? So ein großartiger Kumpel er für Landon auch sein mochte, er stand nicht als spontaner Kinderbetreuer zur Verfügung. Um einen so großen Gefallen konnte sie keinen von beiden bitten. „Die Coast Guard war immer schon unbequem“, hörte sie sich selbst sagen. „Nicht viel Beständigkeit. Aber der Job an sich hat die Nachteile größtenteils wettgemacht.“

„Wo bleibt Landon, wenn Sie nachts Bereitschaftsdienst haben?“

„Er kann ziemlich gut allein bleiben, solange er sein Telefon und mich erreichen kann. Wenn ich zeitweilig einmal außerhalb der Stadt eingesetzt werde, zum Beispiel für ein Simulator-Training oder so etwas, gibt es da diesen Mann, mit dem ich mich treffe … einer von hier. Zivilist. Es macht ihm nichts aus, sich ein paar Tage oder eine Woche lang um Landon zu kümmern, doch glauben Sie mir …“

„Mann?“, echote Buzz. „Mann? Warum weiß ich nichts von diesem Mann?“

Sarah musste unwillkürlich lächeln.

„Wie lange geht das schon?“, hakte Buzz nach.

„Sechs Monate oder so.“

„Sie bringen ihn nie mit hierher. Beschützen Sie uns vor ihm, oder woran liegt es?“

„Vielleicht beschütze ich ihn vor Ihnen …“

„Hmm. Gut, bringen Sie ihn mal mit. Zur Happy Hour oder so. Ich wollte auch nur, dass Sie wegen der Versetzung auf dem Laufenden sind. Mit ein bisschen Glück beantragt jemand in den nächsten Monaten seine Versetzung. Vielleicht kommt genau die richtige Person des Weges, und Sie sind die Ostküstenversetzung los …“

„Gleich zwei davon?“, fragte sie zynisch.

„Es gibt Menschen, die würden für so eine Chance über Leichen gehen.“

„Ich weiß“, erwiderte Sarah. Sie hätte es bei der Coast Guard weit bringen können; Commander war ein angesehener Rang, und sie hätte ihn verdient. Sie war erst dreiunddreißig. „Ich könnte kündigen, doch ich kann mich nicht zur Ruhe setzen …“ Kündigen – und dann was? Da war noch die Kleinigkeit, Miete zahlen und Lebensmittel einkaufen zu müssen. Und das Auto und die Versicherungen …

Lehrtätigkeit. Sie erhob sich. „Gut, dann muss ich mich wohl bedanken, Boss.“

„Keine Panik“, meinte Buzz. „Noch nicht.“

Sarah gehörte nicht zu den Menschen, die leicht in Panik gerieten, es sei denn, ihr Job drohte das Leben derjenigen, die sie liebte, wieder einmal komplett auf den Kopf zu stellen. Sie könnte Landon von der möglichen Versetzung erzählen. Dann hätte er Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen und sich vielleicht eine eigene Lösung zu überlegen. Aber sie würde es nicht tun – jedenfalls nicht sofort. Denn sie hatte Angst davor, dass er sagen würde: „Wie auch immer du dich entscheidest, Sarah. Sag es mir einfach.“ So ein Typ war Landon. So ein Typ Bruder. Er war, vermutlich weil sein Leben schon immer eine Herausforderung gewesen war, kein typischer Sechzehnjähriger. Landon behielt seine Gefühle für sich, um seine Schwester nicht damit zu belasten.

Er war erst fünf gewesen, als ihre Eltern bei einem Unfall gestorben waren. Danach hatte er ein quälendes und traumatisches Jahr bei einer bösen, altjüngferlichen Tante verbracht, bevor Sarah alt genug gewesen war, dass sie sich um ihn kümmern konnte. Sie war bereits fünfmal mit ihm umgezogen, hatte ihm eine Scheidung von einem Mann, dem er sehr nahegestanden hatte, zugemutet, und jetzt, wo er endlich glücklich war, sollte sie … Nein, sie konnte nicht mit ihm darüber sprechen – nicht bevor sie nicht selbst genügend Zeit gehabt hatte, um gründlich über alles nachzudenken.

Natürlich könnte sie es Cooper erzählen. Er liebte sie; er war stolz auf sie. Doch er hatte gerade seine ganze Zeit und Energie in den Aufbau und die Restaurierung dieses kleinen Lokals gesteckt. Sie konnte ihn jetzt schlecht vor die Wahl stellen, sich entweder von ihr zu trennen oder alles hinter sich zu lassen, um mit ihr an die Ostküste zu ziehen. Sarah wusste, dass sein neues Leben nicht nur gut zu ihm passte, sondern dass er außerdem sehr glücklich war. Entspannt.

Als Sarah an diesem Nachmittag auf dem Weg von der Arbeit nach Hause war, rief Landon sie auf dem Handy an. „Gehst du heute Abend mit Cooper aus?“

„Heute nicht“, antwortete sie. „Ich muss noch ein paar Dinge für die Inspektion vorbereiten.“

„Würde es dich stören, wenn Eve heute Abend wegen der Hausaufgaben zu uns käme?“

„Nee. Ich nehme den Papierkram dann einfach mit ins Schlafzimmer. Was kochst du?“, wollte sie wissen.

Er lachte über den Witz. „Soll ich uns eine Pizza holen? Ich habe immer noch die zwanzig Dollar, die du mir dagelassen hast.“

„Ich mache uns ein paar Frikadellen mit Soße. Spar dir das Pizzageld – ich habe morgen Abend Bereitschaftsdienst, und du bist allein. Und bevor du fragst, nein, Eve darf nicht über Nacht bleiben.“

„Mist“, sagte er und brachte sie damit zum Lachen.

Bei Cooper verwendete sie dieselbe Ausrede, obwohl er sie nicht so schnell akzeptierte. „Kannst du den Papierkram nicht morgen Abend während deiner Bereitschaft erledigen?“

„Ich habe für beide Abende genug zu arbeiten. Wir bereiten uns auf eine große Inspektion vor. Wir sehen uns in ein paar Tagen. Aber …“

Ich muss zuerst mein Pokerface trainieren.

„… nach meiner 24-Stunden-Schicht habe ich einen Tag frei. Danach komme ich zu dir. Wenn die Sonne scheint, steige ich vielleicht aufs Brett.“

„Ich beobachte dich gern auf dem Wasser“, erwiderte er. „Das Meer ist viel schöner, wenn du da draußen bist.“

Sarah hätte mit dem Razor – einem geländegängigen Strandmobil – und Hamlet über den Strand zu Cooper fahren können, aber sie und der Hund brauchten beide etwas Auslauf. Sie hatte zwei Nachtschichten hinter sich und war nun steif und groggy, und Hamlet war ruhelos.

Bevor sie sich auf den Weg am Strand entlang machten, ging Sarah noch einmal im Diner vorbei, um Gina Hallo zu sagen. Hamlet genoss diesen Teil ihres Spaziergangs fast so sehr wie den Strand selbst. Es störte ihn nicht, an den Laternenpfahl angebunden zu werden. Denn dort bekam er eine Schüssel Wasser und jede Menge Streicheleinheiten von jedem, der vorbeikam.

Mac McCain saß im Diner am Tresen. Gina stand auf der anderen Seite hinter der Theke, und sie hielten Händchen. Sarah wurde klar, dass sie so mit sich selbst und ihrer möglichen Versetzung beschäftigt gewesen war, dass sie nicht einmal daran gedacht hatte, dass das Diner zu dieser Zeit gewöhnlich immer leer war und Mac seine Frühstückspause bei Gina verbrachte. Sie waren so aufeinander konzentriert, dass Sarah beeindruckt war, als sie die Köpfe hoben und sie anlächelten.

„Hallo“, sagte sie.

„Auch hallo. Ich hörte, du hast jede Menge Stunden abgerissen“, erwiderte Gina.

„Stimmt. Aber heute habe ich frei.“

Gina und Mac waren vermutlich die süßesten Menschen von Thunder Point. Sie waren schon seit Jahren befreundet. Beide waren alleinerziehend, und ihre sechzehnjährigen Töchter waren beste Freundinnen. Und seit einigen Wochen waren sie endlich auch ein Paar. Ein richtiges Paar und nicht einfach nur gute Freunde. Seitdem starrten sie sich gegenseitig beseelt in die Augen, wenn sie sich nicht gerade küssten. Für einen kurzen Moment wurde Sarah zynisch und hätte beinahe gesagt: „Passt bloß auf – wenn man glaubt, dass man sich für immer so glücklich in die Augen schaut, wird das Schicksal eifersüchtig und stürzt einen vom Sockel.“

„Bist du auf dem Weg zu Cooper?“, fragte Mac.

„Ja. Ich glaube, ich hole mein Brett raus. Heute scheint die Sonne, und ich könnte ein bisschen Bewegung gebrauchen.“ Und Zeit für mich allein, Bedenkzeit. Nicht, dass sie in den letzten zwei Tagen nicht genug gegrübelt hätte. „Und Cooper braucht dringend mal wieder Zeit für Ham.“ Sie lachte. „Falls wir jemals Schluss miteinander machen sollten, muss ich mir das Sorgerecht für Ham mit ihm teilen.“

„Ihr macht nie miteinander Schluss“, erklärte Gina. „Er hat dich am Haken.“

Nein, dachte Sarah. Nur fast …

2. KAPITEL

Mac und Gina genossen ihre neue Liebe, und sie genossen es, miteinander über ihre Familien zu sprechen. Gina hatte nur ein Kind, die sechzehnjährige Ashley. Mac dagegen war dreifacher Vater. Seine älteste Tochter Eve war ebenfalls sechzehn, sein Sohn Ryan zwölf und seine jüngste Tochter Dee zehn. In letzter Zeit nahmen ihre sechzehnjährigen Töchter den größten Raum ihrer Unterhaltungen über die Kinder ein. Eve war ein wenig zu sehr in Landon verliebt, was Mac manchmal beunruhigte. Ashley hatte im letzten Jahr einen festen Freund, schien aber in letzter Zeit nicht ganz auf dem Damm zu sein. Sie war mürrisch und notorisch schlecht gelaunt.

„Momentan scheint es für Ashley und Downy nicht gerade rote Rosen zu regnen“, meinte Gina, während sie den Tresen abwischte. „Ashley sagt, dass Downy zu beschäftigt sei, um ihre Anrufe anzunehmen oder sie zurückzurufen. Das ist vollkommen neu.“

„Dafür regnet es bei uns den ganzen Tag rote Rosen für Eve und Landon“, sagte Mac. „Das lässt mich nicht unbedingt besser schlafen.“

Doch da Mädchen im Teenageralter ständig zwischen wahrer Liebe und Launen hin- und herpendelten, machte sich Gina keine allzu großen Sorgen um Ashley.

Als Gina nach Hause kam, hatte sie eine Nachricht von der Highschool auf dem Anrufbeantworter. Wenn Kinder nicht in den Unterricht kamen, informierte die Schule die betroffenen Eltern telefonisch über das Fernbleiben ihrer Sprösslinge. Ashley hatte die letzten beiden Stunden verpasst und sich Ginas Jeep für das Cheerleader-Training nach der Schule ausgeliehen. Gina rief sofort bei ihrer Tochter an, aber Ashley ging nicht an ihr Handy. Also hinterließ Gina ihr eine Nachricht und rief dann Eve an.

„Sie hat das Training ausfallen lassen“, sagte Eve. „Ich habe keine Ahnung, warum. Sie hat nichts zu mir gesagt.“

„Hast du eine Idee, wo sie sein könnte? Sie geht nicht an ihr Handy.“

„Nein, tut mir leid“, antwortete Eve. „Sollte sie hier anrufen oder auftauchen, sorge ich dafür, dass sie dich umgehend zurückruft.“

Gina gehörte nicht zu den Müttern, die sich ständig Sorgen machten. Aber Ashley hatte sich in der letzten Woche wirklich merkwürdig verhalten und ihr erzählt, dass Downy sich komisch benahm – so als ob er nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Nach einer einjährigen und sehr intensiven Liebesbeziehung, in der sie sich andauernd angerufen oder SMS geschickt hatten, fragte Gina sich, was zwischen den beiden vorgefallen sein mochte. Downy hatte ein Sportstipendium in Oregon bekommen. Er war Freshman und ein echter Baseball-Star auf dem College, und die Baseball-Saison war in vollem Gange. Vielleicht hatte er einfach zu viel um die Ohren.

Ein paar Stunden später rief Gina Downy an. Er ging ebenfalls nicht ans Handy, und sie hinterließ eine weitere Nachricht. „Downy, hier ist Gina. Ich habe keine Ahnung, wo Ashley ist, und ich mache mir wirklich Sorgen. Hast du etwas von ihr gehört? Ruf mich bitte an.“

Eine halbe Stunde später verkündete Ginas Mutter Carrie, in deren Haus Gina und Ashley lebten: „Du läufst hier auf und ab wie ein Tiger im Käfig, Gina. Ruf Mac an. Vielleicht kann er dir einen Rat geben.“

Gina wählte seine Nummer und sprudelte sofort los. „Mac, ich habe ein Problem. Soweit ich weiß, hat seit heute Mittag um eins niemand mehr etwas von Ashley gehört oder gesehen. Sie hat die letzten beiden Schulstunden geschwänzt, ist nicht zum Cheerleader-Training gegangen und ruft nicht zurück. Eve hat sie weder gesehen noch etwas von ihr gehört, und Downy geht nicht ans Telefon.“ Sie spürte, wie ihre Stimme anfing zu zittern. „Ich mache mir Sorgen. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich würde ja nach ihr suchen, habe aber keine Ahnung, wo. Könnte Downy ein Spiel haben? Vielleicht geht er deshalb nicht ans Telefon?“

„Bleib ruhig und lass mich mal nachsehen“, empfahl Mac. Einen Augenblick später sagte er: „Nein, heute ist kein Spiel. Das nächste Spiel ist erst in drei Tagen, und es ist ein Heimspiel.“

„Mein Gott, wo kann sie bloß sein?“

„Hinterlass Downy noch eine Nachricht. Vielleicht rufst du außerdem noch bei ein paar Freundinnen von ihr an“, schlug Mac vor.

„Okay, ich überlege mal, was ich noch machen kann.“ Gina legte auf und rief noch einmal bei Downy an. Diesmal benutzte sie ihren mütterlich strengen Tonfall: „Crawford Downy, ich kann meine Tochter nicht finden. Falls ich in fünf Minuten nichts von dir höre, gehe ich zur Polizei.“ Dann legte sie auf.

„Du warst schon bei der Polizei“, erinnerte ihre Mutter sie und stellte ihr ein Glas Wein hin. „Beruhige dich. Wovor hast du so eine Angst?“

„Dass sie in Schwierigkeiten steckt. Das sie verloren gegangen ist. Dass sie mit Downy abgehauen ist oder so was … ich habe keine Ahnung. Das ist hier wirklich nicht wie …“ Ihr Handy zwitscherte. „Downy“, informierte sie ihre Mutter, bevor sie den Anruf annahm. „Wo ist Ashley?“, herrschte sie ihn an.

„Ganz ruhig, Gina“, sagte Downy leise. Wie Ashley war auch er in Thunder Point aufgewachsen und kannte Gina und Carrie seit seiner Kindheit. „Sie ist auf dem Nachhauseweg. Es geht ihr gut.“

„Auf dem Nachhauseweg von wo?“, fragte sie.

„Sie war hier, am State, in Corvallis.“ Er holte tief Luft. „Sie wollte mit mir über unsere … äh … Situation sprechen. Ich wollte eigentlich nach unserem Spiel am Wochenende persönlich mit ihr sprechen und dafür nach Hause fahren. Aber sie konnte es nicht abwarten und ist hergekommen.“

Gina sank erschöpft auf einen Küchenstuhl.

„Sie wird in ein paar Stunden wieder da sein“, beruhigte er sie.

„Sie ist den ganzen Weg nach Corvallis gefahren, um dich zu fragen, weshalb du nicht ans Telefon gehst und sie nicht zurückrufst, und du sagst, es sei alles in Ordnung? Downy, was zum Teufel ist los?“

„Können Sie nicht einfach Ashley danach fragen? Denn es ist …“

„Ist meine Tochter schwanger?“

Gina spürte eher, als dass sie sah, wie ihre Mutter sich alarmiert aufrichtete. Denn Gina war selbst noch ein Teenager gewesen, als sie Ashley bekommen hatte.

„Nein! Oh Gott, nein!“ Downy brüllte die Antwort fast ins Telefon. „Hören Sie, ehrlich, sprechen Sie einfach mit Ashley darüber, sobald sie nach Hause kommt …“

„Sag es mir jetzt sofort, Crawford Downy! Meine Tochter war wegen eurer Beziehung in Sorge. Sie hat mich angelogen, um meinen Wagen zu bekommen und nach Corvallis zu fahren, um mit dir zu reden. Und jetzt ist sie auf dem Nachhauseweg, und du sagst, es geht ihr gut? Erzähl mir sofort, was los ist, oder ich rufe deine Mutter an!“

Der junge Mann holte tief Luft. „Ich möchte nicht mit Ihnen darüber sprechen, Gina. Es ist etwas, das wirklich nur Ashley und mich etwas angeht, aber … ich hatte das Gefühl, dass es mit uns zu ernst wurde. Ich fand, wir sollten eine Verschnaufpause einlegen, uns vielleicht auch mal eine Zeit lang mit anderen treffen, wissen Sie?“

Gina spürte, wie sich ihr Magen verknotete. Mein armes Mädchen! Niemand wusste besser als Gina, wie sich so etwas anfühlte.

„Lass mich raten, es gibt jemanden auf der State, mit der du dich ein bisschen triffst?“, fragte sie eisig.

„Kommen Sie, hey. Ich bin so weit weg hier oben, und ich sehe Ashley nur ein paar Wochenenden pro Monat – wenn es hochkommt. Es ist mir ein bisschen langweilig geworden, sechsundzwanzig Tage im Monat allein in meinem Zimmer herumzuhocken. Sie sollte häufiger ausgehen. Das ist doch keine große Sache. Wir müssen das nur alles ein wenig leichter nehmen, wissen Sie?“

„Warum hast du ihr das nicht am Telefon gesagt, bevor sie den ganzen Weg nach Corvallis gefahren ist, um herauszufinden, was los ist?“

„Ich wollte ihr das nicht am Telefon sagen! Ich wollte mich korrekt verhalten!“

Damit beendete er das Gespräch.

Das war aber auch egal. Gina würde ihn sowieso umbringen. Downy war achtzehn. Sein Benehmen war nicht gerade außergewöhnlich für einen Jungen seines Alters. Trotzdem …

Gina sah ihre Mutter an. „Ich hätte sie nicht den ganzen Weg nach Corvallis allein fahren lassen. Und dann wieder nach Hause. Nachts.“

„Ich weiß. Aber sie wird schon heil nach Hause kommen“, sagte Carrie. „Sie ist ein kluges Mädchen. Heute Abend regnet es nicht. Sie kennt den Weg genauso gut wie du.“

„Gott, ich hoffe, dass du recht hast“, sagte Gina.

Da klopfte es an die Tür.

„Mac!“, rief Gina.

Carrie stand vom Tisch auf und ließ ihn herein. „Hallo, Mac“, begrüßte sie ihn.

„Hallo, Carrie. Was wissen wir?“

Carrie deutete mit dem Kopf auf Gina.

„Ashley ist den ganzen Weg nach Corvallis gefahren, um mit Downy zu sprechen, der, so nehme ich an, mit ihr Schluss gemacht und sie wieder nach Hause geschickt hat.“

Mac senkte den Blick und schüttelte den Kopf.

„In ein paar Stunden ist sie wieder hier. Aber wenn sie nun so aufgebracht ist, dass sie nicht gut fährt und ihr etwas zustößt?“

Mac ging in die Küche und zog Gina kurz an sich. Dann sah er ihr in die Augen. „Es ist nie gut, Auto zu fahren, wenn man aufgebracht ist. Aber versuch, es einmal realistisch zu sehen: Wenn alle Teenager, die gerade Schluss gemacht haben, Unfälle bauen würden, wäre die Unfallquote schockierend und unvorstellbar hoch. Die Straßen sind gut ausgebaut, das Wetter ist gut, sie wird heil hier ankommen. Und ich kann mir vorstellen, dass sie Trost brauchen wird.“ Er griff nach Ginas zitternden Händen. „Ich glaube, ein Glas Wein wäre jetzt eine gute Idee. Beruhige dich und bereite dich darauf vor, weise und verständnisvoll zu sein.“

„Und wenn ich losmuss, um sie irgendwo abzuholen, oder so?“

„Dann kümmere ich mich darum. Oder Carrie. Gina, Süße, solche Sachen passieren. Das ist nicht tödlich.“

„Es fühlt sich aber ganz bestimmt so an“, sagte sie mit kläglicher Stimme.

Gina und ihre Mutter saßen zusammen am Küchentisch und sprachen leise miteinander, während sie auf Ashley warteten. Beide wussten, wie schwer das Trauma einer Trennung eine Sechzehnjährige treffen konnte. Mac ging ins Wohnzimmer, um sie ungestört miteinander reden zu lassen.

Als Ashley angefangen hatte, sich mit Downy zu treffen, war Gina im Hinblick auf mögliche Konsequenzen von zu viel Liebe in zu kurzer Zeit brutal ehrlich mit ihr gewesen. Sie versuchte, ihre Tochter ein wenig zu bremsen, hatte aber nicht viele Möglichkeiten. Ash und Downy sahen sich jeden Tag in der Schule und schienen füreinander geschaffen. Gina hatte sich von Anfang an Sorgen darüber gemacht, was passieren würde, wenn Downy aufs College ging und Ashley – da sie zwei Jahre jünger war – zurückbleiben musste. Aber Downy war die meisten Wochenenden nach Thunder Point gekommen, vor allem während der Football-Saison und in den Ferien, und sie hatten jeden Tag miteinander telefoniert und sich SMS geschickt.

Und dann, mitten im Frühling und im allgemeinen Liebestaumel, hatte Ashley plötzlich und ohne Vorwarnung gesagt: „Irgendwas stimmt da nicht. Downy lässt mich gleich auf die Voicemail sprechen, und er ruft mich nicht zurück. Mom, da stimmt etwas nicht.“

Gina hatte sie beruhigt und geantwortet: „Vielleicht ist er zu beschäftigt. Er hat Baseballtraining und schulisch manchmal ein paar Probleme. Versuch, etwas geduldiger zu sein.“ Downy war ein guter Sportler, aber kein besonders guter Student.

„Aber das ist bisher noch nie passiert“, hatte Ashley geschnieft. „Er hat in einer Woche ungefähr zehn Worte mit mir gesprochen. Er sei beschäftigt, sagt er. Er studiere, sagt er. Er ruft mich nicht zurück, weil er keine Zeit habe. Er beantwortet meine SMS nicht. Er hat früher immer viel mehr geschrieben als ich – gleich nach dem Unterricht. Ich glaube, er ist mit jemand anderem zusammen.“

„Hast du ihn gefragt?“

„Natürlich! Er hat Nein gesagt! Aber er lügt. Ich weiß, dass er lügt. Er hat mich vorher noch nie belogen.“

„Ash, er ist er achtzehn. Du bist erst sechzehn. Jetzt mach dich mal nicht verrückt. Vielleicht ist das jetzt eine kleine Anpassung an …“

„Er hat gesagt, er liebt mich! Was soll ich machen?“

Der arme Schatz, dachte Gina. Total ohnmächtig und hilflos. Sie trank noch einen Schluck Wein. Mit einem Blick auf ihr Glas sagte sie zu ihrer Mutter: „Das war ein guter Vorschlag.“

„Es ist immer viel schlimmer, wenn es sich um deine Tochter handelt. Das geht tiefer“, tröstete Carrie sie.

„Ich möchte nicht, dass man ihr jemals wehtut“, flüsterte Gina.

„Ich weiß“, sagte Carrie. „Glaub mir, das weiß ich.“

Gina hatte Ashleys Schmollen wegen Downy nicht übermäßig ernst genommen. Schließlich war er der Stipendiatsstudent mit dem magischen Arm, der auf die State University ging, um dort Baseball zu spielen, und es war Frühling. Baseball war das Spiel des Tages, und Downy, ein Freshman, war erster Werfer. Er war mit dem Training beschäftigt und den Spielen. Vielleicht war er im Augenblick ein bisschen zu sehr beschäftigt, um Ashley jeden Tag zu schreiben und sie ständig anzurufen.

Jetzt aber, nach Ashleys Ausflug nach Corvallis und Downys einfacher Erklärung, dass er mit ihr durch war, war sie voller Mitgefühl für ihre Tochter und deren Kummer. Es gab keine Frau auf diesem Planeten, die nicht wusste, wie sehr es schmerzen konnte, verlassen zu werden. Und was Mütter betraf, so tat es unendlich viel mehr weh, das eigene kleine Mädchen leiden zu sehen, als selbst zu leiden.

Mac kam zurück in die Küche, schenkte sich einen Kaffee ein und setzte sich zu Gina und Carrie. „Ich habe meine Tante Lou angerufen, ihr erzählt, was los ist, und ihr gesagt, dass ich hierbleibe, bis wir ein bisschen mehr wissen. Lou kümmert sich derweil bei uns um die Kids. Und ich habe mit Eve gesprochen. Sie wusste, dass Ashley wegen Downy ein wenig neben der Spur war, aber nicht, dass Ash nach Corvallis gefahren ist. Das finde ich merkwürdig – sie wissen normalerweise alles voneinander. Eve dachte, dass Ashley einfach nur das Training geschwänzt hat. Also bleibe ich erst mal hier, bis Ashley wieder zu Hause ist.“

„Du musst zu deiner Familie gehen, Mac“, sagte Gina. Innerlich aber dachte sie, dass sie vermutlich zusammengebrochen wäre, wenn er sie in diesem Augenblick alleingelassen hätte. „Es ist nur ein gebrochenes Herz.“

„So etwas wie nur ein gebrochenes Herz gibt es nicht“, widersprach er.

Und er muss es wissen, dachte Gina. Macs junge Frau hatte ihn, als er sechsundzwanzig alt war, mit drei kleinen Kindern sitzen lassen. Und obwohl ihn Gina damals noch nicht gekannt hatte, kannte sie ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er in den seitdem vergangenen zehn Jahren keine andere Frau gehabt hatte – bis auf sie. Sie waren zwei alleinerziehende Eltern, die lange gewartet hatten, bis sie sich getraut hatten, sich aufeinander einzulassen.

Mac murmelte etwas darüber, dass er, wenn er die Möglichkeit hätte, nie wieder so jung sein wollte – nie wieder Teenager, weil diese Zeit so ernst und schmerzhaft für ihn gewesen war. Gina erwiderte ihm, dass es noch schmerzhafter sei, das eigene Kind leiden zu sehen.

„Ich werde nie vergessen, wie es war, als Ashley nicht zu der allerersten Junge-Mädchen-Party eingeladen worden ist, weil die Mutter des Gastgeber-Mädchens nicht akzeptieren konnte, dass ich eine ledige, alleinerziehende Mutter bin. Ash war verzweifelt, weil sie ausgeschlossen wurde. Ich fühlte mich mindestens sechs Monate lang schuldig, und es tat verflucht weh.“

Mac sah sie an und nickte. „Nachdem Cee Jay uns verlassen hatte, wollte Eve nicht mehr zur Schule gehen. Sie hatte Angst, dass ihre Mutter tagsüber nach Hause kommen und sie sie verpassen könnte. Da war meine Kleine sechs.“

„Als ich eine junge Mutter war, gab es nur wenige andere junge Mütter mit kleinen Kindern, die nett zu mir waren. Und schon mal auf keinen Fall eine, die sechzehn war …“, bemerkte Gina.

„Kleinstädte sind brutal“, sagte Mac. „Das Beste an Thunder Point war, dass ich aus Coquille weggezogen bin, wo ich all meine Fehler gemacht habe. Natürlich verfolgen einen die eigenen Sünden. Meine Kinder sind als die Kinder vom Deputy und der Frau, die ihn verlassen hat, bekannt.“

„Gibt es denn die Möglichkeit, dass sie nicht für unsere Fehler büßen müssen?“

„Ja. Sie machen vielleicht genug eigene Fehler, um da die Luft rauszulassen. In der Zwischenzeit müssen wir stark bleiben und wissen, dass wir das Beste tun, was wir tun können.“

Carrie erhob sich vom Tisch und fing an, im Kühlschrank herumzuwühlen. Als Inhaberin eines Feinkostladens und Cateringservices hatte sie immer etwas Besonderes da. Sie schälte und schnippelte ein bisschen herum und stellte ein paar Teller in die Mikrowelle – mit Hüftspeck, roten Kartoffeln, Brokkoliröschen, ein wenig dunkler Soße. Sie reichte Mac eine große Portion und sich und Gina jeweils eine kleinere. Dann aßen sie zu dritt, aber keiner von ihnen hatte großen Appetit. Jeder, der an diesem kleinen Küchentisch saß, hatte genügend eigene persönliche Erfahrungen mit dieser Art von Sorgen. Später räumte Carrie alles auf und stellte einen Topf mit ihrer heilenden Hühnersuppe auf den Herd. „Sie wird vermutlich nichts essen wollen, aber falls sie doch etwas essen will, sollte es wenigstens etwas Beruhigendes, Tröstendes sein“, sagte sie.

Es war halb acht, als sie das Auto hörten. Alle standen erwartungsvoll auf und fürchteten den Zustand, in dem Ashley zur Tür hereinkommen würde. Und dann betrat Ashley die Küche durch die Hintertür.

Sie sah unordentlich aus, und ihre geschwollenen Augen und die geröteten Wangen deuteten darauf hin, dass sie geweint hatte. Ihr wundervolles, rotes Haar hing glatt und formlos herunter, und ihre Kleidung wirkte zerknittert. Andererseits sah sie eigentlich ganz normal aus. Bis auf ihren Gesichtsausdruck, der sah aus, als litte sie Höllenqualen.

„Ich musste es tun. Ich musste zu ihm fahren“, sagte sie. „Ich hatte ihm zweihundert SMS geschickt und ihm ebenso oft auf die Mailbox gesprochen, und er hat weder auf das eine noch das andere reagiert. Also bin ich hingefahren, um ihn damit zu konfrontieren. Es tut mir leid, dass ich gelogen und deinen Jeep genommen habe. Ich verspreche dir, ich tue es nie wieder.“

Carrie ging einen großen Schritt auf sie zu. „Ich habe dir ein bisschen Suppe gemacht, Liebes.“

„Danke, Gran, aber ich möchte keine …“

„Ich gehe. Jetzt, wo du wieder heil da bist“, sagte Mac.

„Du musst nicht gehen, Mac“, entgegnete Ashley. „Ich gehe schlafen.“

„Wir müssen reden, Ashley“, meinte Gina sanft.

„Es gibt nichts zu sagen“, erklärte Ashley und durchquerte das Haus in Richtung ihres Zimmers. Sie ließ den Kopf hängen und zog ihren Rucksack hinter sich her.

„Ashley“, sagte Gina, die ihr folgte. „Ash, ich möchte wirklich mit dir reden. Bitte.“

Ash drehte sich abrupt um und sah Gina an. „Er will mich nicht mehr“, verkündete sie kalt, während ihr Tränen in die Augen schossen. „Ich habe ihm alles gegeben, was er wollte, und jetzt ist er mit mir fertig. Der Typ, den ich heute gesehen habe? Ich kenne diesen Kerl nicht. Das war nicht mein Downy.“ Damit ging sie in ihr Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

Gina schaute zu Mac und ihrer Mutter. „Oh Gott“, raunte sie. Und dann konnte sie nur noch eines denken: Zum Glück gab es damals, als man mir mein Herz aus dem Leib gerissen hat, noch keine Handys.

Ashley lag in ihren Kleidern auf dem Bett. Sie lag ziemlich lange dort, bevor sie sich aufrichtete und ihre Jacke auszog.

Sie war ungefähr sechs Jahre alt gewesen, als Crawford Downy Junior ihr zum ersten Mal aufgefallen war. Alle hatten ihn Downy genannt. Nur seine Mutter sagte Crawford. Ashley ging mit seinem jüngeren Bruder Frank in eine Klasse. Es gab auch noch einen dritten Bruder, der zwei Jahre jünger als Frank war – Lee.

Damals hatte Gina oder Carrie ihr das natürlich gelockte, rote Haar morgens zu Zöpfen geflochten. Downy nannte sie Pumuckl oder Karottenkopf oder Nervensäge. Sie war abwechselnd entweder in ihn verliebt oder hielt ihn für einen großen Kackfrosch. Sie mochte ihn, wenn er Dinge zu ihr sagte wie „Guter Fang, KK“, anstatt Karottenkopf zu sagen. Und sie hasste ihn, wenn er sagte „Geht zurück, sie lässt ihr Haar herunter!“ und dabei die Arme ausbreitete, als ob ihre Lockenmähne ein größeres Ausmaß hatte als ein Lastwagenreifen. Bis zur Junior High hätte sie diese lächerlichen roten Ringellocken und trug außerdem noch eine Brille mit dicken Gläsern. Frank trug ebenfalls eine Brille mit dicken Gläsern, sodass Downy sie nie wegen der Brille aufzog. Und dann, kaum dass sie herausgefunden hatte, wie sie ihre wilde Mähne bändigen konnte, musste sie auch noch eine Spange tragen. „Wann wirst du das Zink in deinem Mund wieder los, KK?“, hatte Downy sie gefragt.

Ashley und Eve McCain hatten sich in der Siebten kennengelernt und die folgenden zwei Jahre mit dem Studium von Modeklamotten, Make-up und Frisuren verbracht. Eve war schon von Natur aus wunderschön. Sie hatte dichtes, dunkles Haar, strahlend blaue Augen, musste aber ebenfalls eine Spange tragen. Das gehörte zu den ersten Dingen, die sie miteinander verbanden. Und dass sie Kinder von alleinerziehenden Eltern waren und keine von ihnen so viel Geld hatte, um es für Kleider auszugeben. Also improvisierten sie und tauschten untereinander Kleider aus.

Ab der Neunten hatte Ashley sich mit ihrer Mähne abgefunden. Sie hatte die geheimnisvolle Wirkung von Glättserum, Rundbürste und Föhn entdeckt. Ihr dickes, verrücktes Haar fiel fortan in sanften Wellen und stand ihr nicht mehr wild vom Kopf ab. Die orange Haarfarbe ihrer Kindheit war einem dunklen Kupferton gewichen. Die Zahnspange verschwand, sie bekam Kontaktlinsen, und sie schaffte es in das Juniorteam der Cheerleader-Mannschaft ihrer Schule. Und eines Tages im Frühling, während ihres Sophomore-Jahres, als sie ihren kurzen Cheerleader-Faltenrock getragen hatte, hatte Downy sie mit „Hallo, Ashley“, gegrüßt. Er hatte tatsächlich ihren Namen gesagt!

„Hallo, Downy“, hatte sie geantwortet.

Er war damals bereits Senior und Star des Thunder-Point-Sports. Er spielte Football, Hockey und Baseball. Frank war mehr der akademische Typ und Lee immer noch zu jung, um ernst genommen zu werden.

Downy sagte außerdem zu ihr: „Wir sollten einmal miteinander ausgehen.“

„Aus?“, hatte sie gefragt.

Er hatte gelacht. „Du weißt schon, eine Verabredung.“

„Oh.“

„Oh?“, hatte er wiederholt. „Ist das ein Ja oder ein Nein?“

Sie wäre beinahe gestorben. Doch bevor sie starb, sagte sie Ja. Aber sie war erst fünfzehn, und Gina hatte sie nur unter der Bedingung gehen lassen, dass noch jemand anderes mitkam. Also ging er mit ihr und zwei anderen Pärchen ins Kino nach Bandon. Aber die anderen Pärchen fuhren in einem Auto, sodass sie mit Downy allein gewesen war. Sie hatten den ganzen Weg geredet und gelacht. Nach dem Kino waren sie Pizza essen gegangen. Sie war die einzige Sophomore – die anderen waren alle schon Senior. Nach der Pizza gingen sie zu einem kleinen, abgelegenen Aussichtspunkt am Meer und knutschten. Downy versuchte, mit der Hand unter ihr Shirt zu kommen, und sie hatte sie immer wieder weggeschlagen. Irgendwann sagte er seufzend: „Ich wusste, dass ich nichts mit einer Fünfzehnjährigen anfangen soll. Du bist einfach noch zu jung.“

Sie erwiderte: „Gut. Dann gehen wir eben nicht mehr miteinander aus. Glaub ja nicht, dass du dir alles erlauben kannst und ich mich einfach ergebe, nur weil du gut in Sport und irgendwie ganz süß bist.“

Er grinste und fragte: „Du findest mich süß?“

So süß nun auch wieder nicht“, sagte sie.

Aber er brachte sie in jede Unterrichtsstunde, hielt Händchen mit ihr, beugte sich am Spind zu ihr, um sie zu küssen, und fragte sie regelmäßig, ob sie bei seinem nächsten Spiel dabei sein würde. Sie telefonierten jeden Abend miteinander, und wenn sie nicht zusammen waren, schickten sie sich den ganzen Tag SMS, bis Downys Telefon für zwei Wochen von einem Lehrer konfisziert wurde. Dann wurde bei einer Versammlung sein volles Stipendium an der State verkündet. Ab Ende des Sommers würde er ins Football-Camp fahren und dann an die Uni gehen, die drei Autostunden von Thunder Point entfernt lag.

„Ich vermute, du machst jetzt mit mir Schluss“, sagte sie.

Verzweifelt dreinschauend erwiderte er: „Ich versuche, mir zu überlegen, wie ich dich mitnehmen kann. Ich glaube, ich liebe dich.“

Also ließ sie ihn ihre Brüste berühren – und sagte: „Ich glaube, ich liebe dich auch.“

Bevor der Sommer um war, nahm Ashley die Pille. Überraschenderweise war die Uni keine Barriere für sie, wie Ashley befürchtet hatte. Sie telefonierten andauernd miteinander und schickten sich SMS. Downy kam so oft wie möglich nach Thunder Point, wenn er kein Footballspiel oder Training hatte. Und als Freshman gehörte er nicht zur ersten Mannschaft, was ihm ein wenig Freiraum ließ, obwohl er die ganze Woche über sehr viel trainierte.

„Bis ich wirklich viele Spiele habe, bist du an der State, und wir sind zusammen“, versprach er ihr.

Und dann fiel im März, fast genau ein Jahr nach ihrem ersten Date, plötzlich und ohne Vorwarnung alles auseinander. Die Anrufe verliefen im Nichts. Ihre SMS wurden nicht mehr beantwortet. Downy kam nicht mehr jedes Wochenende nach Hause, und obwohl Ashley wusste, dass es ein schrecklicher Fehler war, fuhr sie nach Corvallis.

Er saß mit einem Mädchen auf der Veranda vor dem Haus, im dem er wohnte, legte einen Arm um sie und beugte sich so weit zu ihr, dass es aussah, als würden sie sich gerade küssen oder wären kurz davor.

„Downy!“, rief Ashley.

„Ash!“, rief er zurück und stieß das Mädchen von sich, als habe er sich die Finger verbrannt.

„Wer ist das?“, fragte das Mädchen.

Er stotterte kurz, bevor er erklärte: „Das Mädchen, mit dem ich zu Hause zusammen war.“

„Nun, dann kümmere dich um das Kind und ruf mich nachher an“, meinte das Mädchen, stand auf und schlenderte davon – voller Selbstvertrauen und ohne im Geringsten von Ashley eingeschüchtert zu sein.

Auf Ashley wirkte das Mädchen wie ein weltgewandtes Laufsteg-Model mit einer tollen Haltung, Schönheit und Reife. Also mit allem, was ihr, wie sie deutlich spürte, fehlte.

Die nächsten zwei Stunden waren verschwommen. Downy wollte nicht in seinem Verbindungshaus in Hörweite seiner Mitbewohner mit ihr reden. Sie gingen zu Ginas Jeep, setzten sich hinein, und Ashley schluchzte und kämpfte und brüllte, während Downy nur mit den Schultern zuckte und den Kopf schüttelte. Er sagte, dass er sich Gedanken gemacht habe, dass es zwischen ihnen zu ernst würde und er ein wenig Freiraum brauche, ein wenig Freiheit, ein bisschen Erfahrung mit anderen Frauen.

„Hast du mit ihr geschlafen?“, fragte Ashley. „Schläfst du mit ihr, Downy?“

„Das läuft auf dem College alles anders, Ash. Die Leute auf dem College machen aus Sex keine große Sache.“

Also hatte er natürlich mit dem Mädchen geschlafen.

Am Ende hatte er darauf bestanden, dass sie nach Hause fuhr. Sie war noch nicht fertig mit ihm, aber er hatte ganz klar genug von ihr.

„Ich mag dich, Ash“, hatte er gesagt. „Aber wir müssen die Dinge jetzt erst einmal ein wenig herunterkühlen. Ich kann während der Baseball-Saison nicht jedes Wochenende nach Hause kommen. Ich spiele jedes Spiel. Es ist nicht wie beim Football, wo ich als Junior fast ausschließlich die Ersatzbank warm sitze. Ich fange gerade an. Tatsächlich will der Trainer, dass ich Football aufgebe. Wir dürfen nicht mit Verletzungen in die Saison starten. Wir sollten diese Zeit nutzen, um … du weißt schon … uns weiterzuentwickeln. Uns mit anderen treffen, vielleicht.“

„Und im Sommer? Was ist mit dem Sommer?“, hatte sie gefragt. „Planst du, dass wir im Sommer wieder zusammen sind?“

„Ich weiß es nicht. Ich denke, dass ich hier oben bleibe. Ein paar Sommerkurse mache, mir einen Job suche … Ich spiele den ganzen Sommer Baseball, wenn wir es ins Finale schaffen, und es ist noch zu früh, um zu wechseln. Dann ist im August das Footballcamp. Falls ich bis dahin noch Football spiele.“

Sie hatte den ganzen Rückweg über nach Thunder Point geweint. So sehr, dass sie kaum atmen konnte. Einmal hatte sie rechts ranfahren müssen, weil ihr die Brust so wehgetan hatte. Sie wusste, dass ihre Mutter stinksauer sein würde, weil sie den Jeep genommen hatte, aber das war Ashley egal. Es hatte auf dem Nachhauseweg Momente gegeben, in denen sie sich gefragt hatte, ob es nicht einfacher wäre, wenn sie einfach von der Straße ab und über die hohen Klippen gefahren wäre. Aber etwas hatte sie davon abgehalten.

Nachdem Ashley ihre Jacke ausgezogen hatte, rief sie auf Eves Handy an. Sie war kaum in der Lage, Eve die ganze Geschichte zu erzählen, weil sie ständig schluchzen musste.

Eve war außer sich. „Möchtest du, dass ich ihn anrufe, Ash? Ihm mal ordentlich meine Meinung sage?“

„Das spielt keine Rolle – es würde nichts bringen. Er hat wegen eines Mädchens vom College mit mir Schluss gemacht. Und sie ist schön, Eve. Sie hat ihn in der Hand. Das habe ich vom ersten Augenblick an gesehen!“

„Er ist Abschaum. Ein Scheißkerl. Das werde ich ihm nie verzeihen!“

„Aber … was mache ich jetzt ohne ihn?“, fragte Ashley weinend.

Nachdem sie aufgelegt hatte, weinte Ashley noch eine Stunde lang weiter. Dann klopfte es leise an der Tür, und sie wusste, dass es ihre Mutter war. Ashley antwortete nicht. Sagte nicht „Komm rein.“ Sie lag da, den Kopf in ihr Kissen vergraben. Tränen rannen ihr über die Wangen, und sie hielt das Handy mit festem Griff umklammert, für den Fall, dass Downy sie anrufen und ihr sagen würde, dass er einen schrecklichen Fehler gemacht hatte.

Gina kam ins Zimmer und setzte sich auf die Bettkante. „Ich habe dir einen Tee gebracht“, sagte sie und legte die Hand auf Ashleys Rücken.

„Nein danke“, wehrte Ashley mit belegter Stimme ab.

„Ash, es tut mir entsetzlich leid, was passiert ist.“

„Ganz ehrlich? Ich kann nicht mehr darüber sprechen.“

„Nur ein ganz klein wenig, bitte? Damit ich verstehe, wo du gerade stehst? Emotional.“

Ash rollte sich auf den Rücken. Ihre roten Augen waren dick und geschwollen. „Er hat ein anderes Mädchen. Ein schönes, snobistisches Mädchen vom College, mit dem er es jetzt treibt, weil er findet, dass das keine große Sache ist. Und im Moment will ich einfach nicht mehr leben.“

„Ashley, bitte, sag so etwas nicht. Sag so etwas nie wieder.“

„Ich gehe morgen nicht zur Schule. Und übermorgen vielleicht auch nicht. Vielleicht nie wieder.“

3. KAPITEL

Cooper fiel auf, dass Sarah in den letzten Tagen etwas besorgt wirkte. Ruhig und manchmal sogar ein wenig abwesend. Sie erklärte, dass die Inspektion die Hölle werden würde und sie sich keine Sorgen um ihre Mannschaft, aber – wie jeder starke Chef – um die Inspektoren mache.

Cooper konnte nur eines tun: zur Verfügung stehen und sie auf jede erdenkliche Art und Weise unterstützen. Er ertappte sich dabei, gegen die Sorge anzukämpfen, dass Sarah ihre Meinung geändert haben könnte und diese drei kleinen Worte – Ich liebe dich – zurücknehmen wollte. Doch wenn er mit ihr schlief und sie mit ihm vereint war, verscheuchte ihre Leidenschaft diese Sorge aus seinem Kopf. In diesen Augenblicken war sie hundert Prozent sein, und er gehörte ihr mit Haut und Haaren.

In der Zwischenzeit musste er sich eine Menge Geschäfts-Know-how aneignen und lernen. Die Strandbar war anders als alles, was er bisher gemacht hatte. Bens alte Hilfskraft Rawley Goode, alt im wahrsten Sinne des Wortes, mochte vielleicht ein wenig seltsam sein, hatte sich aber als verdammt gute Hilfskraft entpuppt. Rawley war in den Sechzigern, und die Zeit hatte ihm übel mitgespielt. Er erzählte Cooper, dass Ben den Laden nur vormittags und abends offen gehabt hatte. Ben hatte seine längsten Arbeitstage im Sommer gehabt, und er hatte das Arbeitspensum mithilfe einer jugendlichen Teilzeitaushilfe bewältigt. Rawley sagte: „Ich kann in der Küche oder hinter dem Tresen arbeiten, aber ich bin nicht besonders gesellschaftsfähig. Gib mir eine Liste und Geld. Ich fahre zu Costco und in die anderen Geschäfte, erledige Besorgungen. Im Sommer musst du bis spätabends geöffnet haben. Der Sonnenuntergang in der Bucht ist besser als ein Footballspiel in HD.“

In der ersten Woche nach der Neueröffnung fiel Cooper auf, dass die meisten Gäste zwischen sieben und zehn Uhr morgens und vier und sieben Uhr abends kamen. Zu anderen Zeiten kehrten hin und wieder ein paar Urlauber ein. Die Stammgäste waren beinahe ausnahmslos Einwohner Thunder Points. Doch an den Wochenenden, vor allem bei gutem Wetter, herrschte den ganzen Tag bis in die Abendstunden hinein viel Betrieb. Dann kamen Motorradfahrer, Radfahrer, Bootsbesitzer, Angler, Reisende vom Highway 101, die etwas essen wollten. Cooper machte bereits ein beeindruckendes Geschäft mit einfachen Wasserflaschen, ganz davon zu schweigen, was er sonst noch alles im Angebot hatte. Als er den Laden geerbt hatte, war er nur ein heruntergekommener Schuppen mit einem selbst gemalten Schild, das Billige Getränke verhieß, gewesen. Nun war der Laden modernisiert und schicker geworden – und Cooper war verdammt stolz auf ihn. Er hatte ein dezentes Schild auf seinem Grundstück, in Sichtweite vom Highway 101 aufgestellt. Darauf stand: BEN & COOPER’S. Und darunter: Speisen und Getränke. Er hatte Spirituosen und nichtalkoholische Getränke im Angebot und einen Vertrag mit Ginas Mutter Carrie James, der der örtliche Feinkostladen gehörte, über die Lieferung von fertigen und abgepackten Speisen. So profitierten sie beide von der Wiedereröffnung des Lokals.

Viele seiner Kunden aus der Stadt wollten wissen, was mit Ben passiert war. Doch das war eine traurige Geschichte, mit der Cooper sich nicht aufhalten wollte. Ben war am Ende seiner Kellertreppe gefunden worden. Zuerst hatte man angenommen, dass es ein Unfall gewesen war. Doch dann tauchten plötzlich Beweise auf, dass er durch einen Schlag auf den Kopf getötet worden war. Der Verdächtige – ein siebzehnjähriger Junge aus der Stadt – war auf Kaution freigelassen worden und wartete nun auf seine Gerichtsverhandlung. Das haute Cooper immer noch um: ein Teenager. Jag Morrison hatte versucht, Ben davon zu überzeugen, den Strand und die dazugehörigen Liegenschaften an seinen Vater, einen Bauunternehmer und Immobilienentwickler, zu verkaufen. Als Ben sich weigerte, war Jag Morrison immer offensiver und am Ende gewalttätig geworden.

Cooper hätte nie gedacht, dass er der Typ Ladenbetreiber und Barbesitzer war. Er war fünfzehn Jahre lang Hubschrauberpilot gewesen. Aber je besser er die Stadt, ihre Bewohner und den Pazifik kennenlernte, desto mehr wuchsen sie ihm ans Herz. Und inzwischen zog er sogar in Betracht, noch mehr aus dem Grundstück zu machen. Seitdem er Sarah in der Bucht beobachtete, dachte er über einen Kajak- und Paddle-Board-Verleih nach.

Trotzdem war das alles noch sehr neu und ungewohnt für Cooper. Er hatte sich einen neuen Laptop und ein Buchhaltungsprogramm gekauft, an dem er immer noch herumtüftelte. Rawley war nicht in der Lage, ihm diesbezüglich zu helfen. Darum saß Cooper jetzt an seinem PC und tippte Rechnungen und Belege in seinen Computer. Als Mac den Laden betrat, klappte Cooper erleichtert den Laptop zu.

„Hallo“, begrüßte er ihn. „Bist du normalerweise um diese Zeit nicht im Diner?“

„Normalerweise“, erwiderte Mac. „Aber Ashley ist heute nicht zur Schule gegangen. Und Gina ist nach Hause gegangen, um nach ihr zu sehen. Ich hatte keine Lust, einen Kaffee mit dem Koch des Diners zu trinken. Stu ist einfach nicht so schön wie Gina, egal wie man es auch dreht und wendet.“

„Das ist mir auch schon aufgefallen. Wie geht’s denn überhaupt so?“

„Wie immer“, erwiderte Mac, ging direkt hinter den Tresen und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. „Und dir? Was macht das Geschäft?“

„Ach, ich weiß nicht. Ich meine, das Geschäft läuft gut. Hier sind ständig irgendwelche Gäste. Aber ich bin mir noch nicht wirklich im Klaren über die Geheimnisse der Buchhaltung und das alles. Ich frage mich so langsam, wie Ben das gemacht hat. Er war zwar ein Genie mit dem Schraubenschlüssel, aber mit Zahlen und Papierkram schien er es nie so zu haben.“

„Dann fragt sich wohl jeder dasselbe“, meinte Mac und nippte an seinem Kaffee.

„Es ist auf jeden Fall lästig. Sag mal, mir liegt da so ein bisschen was auf der Seele. Es ist schon so lange her, dass ich eine Freundin hatte. Hast du dich jemals gefragt, was in Ginas Kopf herumgeht?“

Mac grinste breit. „Du machst dich über mich lustig, stimmt’s?“

„Heißt das nein? Denn Sarah … ihr gehen viele Dinge im Kopf herum, das merke ich. Sie ist manchmal echt auf einem anderen Planeten unterwegs. Ich frage mich, ob irgendwas nicht stimmt. Aber dann ist sie auf einmal wieder da, und ich frage mich, weshalb ich mich das gefragt habe …“

„Coop, erinnerst du dich, mit wie vielen Frauen ich zusammenwohne? Da sind Lou, Eve und Dee bei mir zu Hause, und dann gibt es noch Gina und deren Frauen – ihre Mutter und ihre Tochter, die im Augenblick Liebeskummer hat und komplett fertig ist. Die Hälfte der Zeit habe ich keine Ahnung, was in ihren Köpfen vor sich geht!“

„Oh! Das heißt also nein?“

„Ja, das heißt nein.“

„Wie gehst du damit um?“

„Siehst du mich mit irgendetwas umgehen? Ich ducke mich ziemlich viel weg.“

„Du bist mir ja eine große Hilfe …“

„Tut mir leid, Mann. Ich mache meistens einfach nur, was man mir sagt“, erklärte Mac.

Cooper starrte ihn nur an. „Warum bist du dann noch nicht völlig kahl?“

„Das ist ein Wunder, oder? Lou sagt, dass in meinen männlichen Hormonen wohl irgendwas drin ist, das mich davor bewahrt. Vermutlich hat sie recht.“

Wie schon vorgestern und gestern sah Gina auch heute am Vormittag, als wenig los war, nach Ashley. Dies war der dritte Tag ihrer großen Trauer, und sie lag einfach nur in ihrem Bett und umklammerte das Telefon. Gina hatte versucht, es ihr aus den Händen zu nehmen, aber da hatte Ashley gewimmert: „Aber wenn er nun anruft?“

„Es wäre vermutlich das Beste, wenn du das Handy einfach ausschalten würdest“, riet Gina. „Wenn er dich anruft, dann gib ihm das Gefühl, dass du über ihn hinweg bist!“

„Ich bin überhaupt nicht über ihn hinweg“, erwiderte Ashley.

„So kann das nicht weitergehen, Ash“, sagte Gina. „Du musst dich wieder in den Griff bekommen. Du musst aufstehen, dich duschen und zur Schule gehen.“

„Du hast keine Ahnung, was du da sagst“, presste Ashley weinend hervor.

„Ach, nein? Ashley, mein Freund hat mich mit fünfzehn verlassen, als ich schwanger war. Als ich ihm davon erzählt habe, hat er sich so schnell wie möglich aus dem Staub gemacht und sich nicht einmal umgedreht! Ich weiß, wie weh so etwas tut, glaub mir.“

Ashley rollte sich auf die Seite und sagte mit tränenerstickter Stimme: „Das würde mir nichts ausmachen. Du hast wenigstens immer noch einen Teil von ihm, für den du leben kannst. Was habe ich denn?“

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