Geständnis auf der Hochzeitsreise

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Bei seiner Suche nach einer standesgemäßen Gemahlin trifft Peter, Earl of Darleston, auf die reizende Miss Phoebe: hübsch, klug, nur leider recht langweilig. Bis Peter sie bei einem Ausritt im Park wiedersieht. Plötzlich sprüht die junge Dame vor Charme, ist geistreich und unwiderstehlich. Ihre wundersame Verwandlung trifft den kühlen Aristokraten mitten ins Herz. Phoebe scheint perfekt zu ihm zu passen. Schon bald hält Peter um ihre Hand an und kann die Freuden der Hochzeitsnacht kaum noch erwarten. Doch als er seine bezaubernde Braut endlich in die Arme schließen will, wendet sie sich ab - und macht ihm ein schockierendes Geständnis…


  • Erscheinungstag 18.11.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733754143
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ein unbeteiligter Beobachter hätte meinen können, dass die Menschenmenge, die sich an diesem schönen Frühlingsabend bei Almack’s versammelt hatte, einzig und allein aus Angehörigen des ton bestand, die fest entschlossen waren, sich grenzenlos zu amüsieren. Junge Damen in pastellfarbenen Seidenkleidern der unterschiedlichsten Schattierungen flanierten vorüber, begleitet von herausgeputzten jungen Dandys. Die besorgten Mütter standen in Gruppen beisammen, eine jede überzeugt davon, dass ihre Tochter alle anderen Mädchen an Schönheit und Eleganz übertreffen würde. Alles in allem interessantes Material für ein Studium der menschlichen Natur.

Ein blonder Gentleman stand dennoch abseits, ein Bild des Unbehagens. Trotz seiner eleganten und sorgfältig ausgewählten Kleidung schien er sich in dieser Umgebung nicht wohl zu fühlen. Er erwiderte die gelegentlichen Grüße verschiedener Bekannter, die allesamt überrascht wirkten, ihn hier zu sehen. Gewöhnlich war der Ehrenwerte George Carstares in seinem Arbeitszimmer anzutreffen, mit einer steilen Denkfalte zwischen den blauen Augen.

Erwartungsvoll blickte er immer wieder zu den Eingangstüren des Festsaals. Es war jetzt zehn Minuten vor elf. Wenn Peter nicht bald kam, würden sie ihn überhaupt nicht mehr einlassen. Gütiger Himmel! Diese hochnäsigen Patronessen lockerten ihre Regeln ja nicht einmal für Englands Helden, den Duke of Wellington, also würden sie es für Peter Augustus Frobisher, den Siebten Earl of Darleston, erst recht nicht tun! Nicht einmal seinem guten Aussehen und seinem unleugbaren Charme zuliebe würden sie eine Ausnahme machen!

In einem Anflug von Optimismus kam ihm der Gedanke, dass, gesetzt den Fall, Peter tauchte nicht auf, ihn nichts daran hindern konnte, woanders etwas angemessenere Unterhaltung zu suchen. Die Schirmherrinnen mochten aus reiner Willkür darauf bestehen, nach elf Uhr niemandem mehr Zutritt zu gewähren, aber es gab keine Regel, die verbot, dass ein Mann hinausging, wann immer es ihm behagte.

Ein überraschter Ausruf setzte seinen Überlegungen ein Ende. „Du auch hier, George? Wozu? Erzähl mir nicht, dass Darleston heute Abend uns beide versetzt!“

Carstares fuhr herum, der bekümmerte Ausdruck wich seinem gewöhnlichen heiteren Lächeln. „Gütiger Himmel, Carrington! Hat Peter dich auch hergebeten? Was zum Teufel hat er nur vor?“

„Uns einfach hier stehen lassen, so wie es aussieht“, erwiderte Viscount Carrington. „Aber mach dir keine Sorgen, in weniger als zehn Minuten können wir gehen und ihn auf der Straße erwarten. Dann geben wir ihm noch einmal zehn Minuten und begeben uns in unterhaltsamere Gefilde!“

„Genau das dachte ich auch!“, meinte Carstares grinsend. Er fuhr sich durch die blonden Locken. „Hast du eine Ahnung, warum er uns hier treffen wollte?“

„Nicht im Mindesten. Du?“

Carstares rieb sich gedankenverloren die Nase. „Ich habe da so einen Verdacht. Weißt du, ich war bei ihm, als er vom Tod des jungen Nicholas Frobisher erfuhr, bei dem Jagdunfall letzten Winter.“

Carrington schien verwirrt. „Ich erinnere mich. Peter war schwer getroffen deswegen. Er mochte den Jungen, der ja außerdem sein Erbe war, aber das ist kein Grund, verrückt zu spielen.“ Dann sagte er sehr höflich: „Guten Abend, Lady Sefton. Wie reizend, Sie zu sehen!“

Die Patronesse lächelte ihm freundlich zu und erwiderte ohne die leiseste Spur von Sarkasmus: „Und wie ungewöhnlich, Ihnen hier zu begegnen, Lord Carrington und Mr. Carstares! Aber Sie müssen ein bisschen herumlaufen. Wissen Sie, die jungen Damen warten nicht an der Tür auf Tanzpartner. Ich werde es zu meiner besonderen Aufgabe machen, Sie den hübschesten vorzustellen.“ George Carstares ahnte, welches Vergnügen ihr der entsetzte Ausdruck auf dem Gesicht des Viscount bereitete, aber sie zuckte mit keiner Wimper dabei.

Mit ausdrucksloser Miene versetzte die Schirmherrin den letzten Hieb. „Und natürlich sehen mein Gemahl und ich mit Freuden Ihrer Gesellschaft beim Essen entgegen.“ Damit schritt sie auf die Menge zu, ohne eine Antwort auf ihren königlich anmutenden Befehl abzuwarten.

Carstares stöhnte. „Ich wusste, dass eine von ihnen uns das antun würde.“

„Was meinst du?“, fragte Carrington. „Ach, mach dir keine Sorgen. Wir haben es gleich geschafft. Später werfen wir eine Münze darum, wem die Ehre gebührt, Peter zu fordern.“

Nach einer Weile fuhr Carstares fort: „Nicholas ist also tot. Du weißt wohl nicht, wer jetzt den Titel erbt?“

„Keine Ahnung“, erwiderte Carrington. „Ich bin nicht auf dem Laufenden über die entfernten Verwandten meiner Freunde.“ Dann aber kam ihm etwas in den Sinn. „Mein Gott! Das kann nicht sein! Nicht Jack Frobisher!“

George nickte.

Carrington dachte darüber nach. „Das wird Peter um keinen Preis wollen. Er muss wieder heiraten. Unangenehm für ihn nach den Erfahrungen mit Melissa, aber vielleicht trifft er diesmal eine bessere Wahl.“

„Das hoffe ich“, sagte George. „Denn ich denke, deswegen sind wir hier. Um Peter zu helfen, eine Frau auszusuchen. Oder wenigstens, um ihn moralisch zu unterstützen, während er seine Wahl trifft. Und Gott sei Dank – wenn er hier ist, zieht er zumindest nicht in Erwägung, Caroline Daventry zu seiner Countess zu machen.“

Was immer Lord Carrington auf den Verdacht seines Freundes erwidern wollte, es sollte für immer ungesagt bleiben. In diesem Augenblick breitete sich erstauntes Schweigen unter den Gästen aus, und die meisten Leute schauten ungläubig zum Eingang. Dann folgte ein verblüfftes Raunen, als ein hoch gewachsener Gentleman den Saal betrat.

Er schien recht unbeeindruckt von dem allgemeinen Starren und Flüstern der Menge, stand nur da und sah sich aufmerksam um. Von hoher, muskulöser Gestalt, trug er mit lässiger Eleganz Kniehosen aus Satin und einen Überrock, beides absolut de rigueur für einen Ball. Sein Krawattentuch war in einer Weise geschlungen, dass jeder modebewusste Herr grün vor Neid werden musste. Sein lockiges schwarzes Haar war der Mode entsprechend à la Brutus frisiert, und er schien nach jemandem Ausschau zu halten.

Es dauerte nur einen Moment, dann fiel sein Blick auf Lord Carrington und Mr. Carstares. Ein Lächeln erhellte die ernste Miene des Gentleman, als er auf sie zukam. Dies war Peter Augustus Frobisher, Earl of Darleston, Veteran des Spanischen Unabhängigkeitskrieges und Held von Waterloo.

Als er seine Freunde erreicht hatte, meinte er augenzwinkernd: „Wie nett von euch, dass ihr noch geblieben seid. Habt ihr schon an mir gezweifelt?“

„Wenn du nicht gekommen wärst, hättest du zwei Freunde weniger gehabt, mein Junge!“, erklärte Carrington entschieden.

Der Earl wirkte belustigt. „Welch hartes Urteil! Ihr hättet einfach gehen können, wisst ihr! Tatsächlich kam mir der Gedanke – während ich in der Kutsche saß und versuchte, Mut zu fassen –, dass ich nur lange genug warten müsste, dann würdet ihr zwei schon draußen auftauchen. Nichts hätte euch daran hindern können!“

Die Freunde starrten ihn stumm an. George fand als Erster die Sprache wieder. „O doch, es gibt etwas – Lady Seftons persönlicher Befehl, beim Essen anwesend zu sein.“

Darleston schmunzelte. „Mach dir nichts draus, es gibt schlimmere Schicksalsschläge.“

Ehe einer seiner verstimmten Freunde dazu kam, ihn zu fragen, was genau er vorhabe, tauchte eine attraktive Frau in den Fünfzigern hinter ihnen auf und berührte leicht Darlestons Arm.

„Peter! Du ungezogener Junge! Was in aller Welt hast du auf dem Heiratsmarkt zu suchen?“ In ihrer Stimme lag eine tiefe Zuneigung, und der Earl wandte sich mit einem erfreuten Lächeln um.

„Tante Louisa!“ Er beugte sich vor und küsste sie auf die Wange. „Ich bin hier nur um der Freude willen, dich zu sehen. Zweifelst du daran?“

„Ach, wie schön, dich zu treffen! Und auch euch, George und Michael!“ Lady Edenhope lachte die jungen Männer an. Tatsächlich war sie nicht mit Darleston verwandt, jedoch die beste Freundin seiner Mutter gewesen, und sie hegte eine tiefe Zuneigung für ihn. Und da sie ihn gut kannte, ahnte sie auch, was ihn zu Almack’s geführt hatte. Wie vermutlich, so dachte sie, auch viele andere hier. Die ehestiftenden Mütter würden sich im Nu auf ihn stürzen. Genug, um jeden Mann den Kopf einziehen und in Deckung gehen zu lassen!

Mit zweiunddreißig Jahren war der verwitwete Earl ein erstklassiger Fang. Äußerst wohlhabend und außerdem Träger eines alten und ehrwürdigen Titels, charmant und attraktiv, was sein Schicksal endgültig besiegelte. Da er dies genau wusste, hatte er während der vergangenen Jahre die respektablen Unterhaltungen gemieden und sich von allem fern gehalten, was ihn in die Reichweite von heiratsfähigen jungen Damen und ihren Müttern gebracht hätte.

„Nun, es ist reizend, euch alle hier zu sehen“, sagte Lady Edenhope. „Doch ich muss jetzt weiter. Die Tochter eines Freundes ist meiner Obhut anvertraut, und ich darf meine Pflichten nicht vernachlässigen. Nicht, dass dies eine Bürde wäre, sie ist ein nettes Mädchen und schon vergeben.“

Sie verschwand in der Menge, und die drei Gentlemen sahen einander nachdenklich an. Darleston brach das Schweigen. „Also, auf in die Schlacht, Freunde, wie Shakespeare schon sagte. Zweifellos sind wir bekannt genug, um Beachtung zu finden.“

Sie ließen den Worten Taten folgen und mischten sich unter die Gäste. Einer nach dem anderen wurden sie jungen Damen vorgestellt, von denen jede einzelne sehr geschmeichelt schien und begierig darauf, ihnen zu gefallen und sie zu unterhalten. George Carstares und Lord Carrington machten dabei eine gute Figur und stellten sogar fest, dass sie sich amüsierten.

Bei Lord Darleston aber lag der Fall anders. Obwohl er der sehr anziehenden Miss Ffolliot vorgestellt wurde, schweiften seine Gedanken ab, nachdem er sie höflich um einen Tanz gebeten hatte. Vor zwölf Jahren hatte er hier bei Almack’s seine erste Gattin getroffen und sich bis über beide Ohren in ihr schönes Gesicht und ihre charmante Art verliebt. Was muss ich für ein Narr gewesen sein! dachte er bitter. Er war wie beflügelt gewesen bei der Vorstellung, dass ein so göttliches Geschöpf ihn so vielen Bewerbern vorgezogen hatte, die ihm alle viel begehrenswerter erschienen waren. Jung und bescheiden, wie er damals gewesen war, hatte er nichts von der Anziehungskraft seines Titels und seines Vermögens geahnt. Er hatte sich selbst als grünen Jungen gesehen, dem wunderbarerweise die hinreißendste Debütantin der Saison ihre Gunst schenkte.

Nur mühsam gelang es ihm, seine Aufmerksamkeit von der Vergangenheit wieder auf sein Gegenüber zu lenken. „Verzeihung, Miss Ffolliot, ich war in Gedanken. Was sagten Sie gerade?“

Miss Ffolliot lächelte ihn an und erwiderte leise: „Es war nicht wichtig, Mylord. Nur eine Floskel. Wollen wir jetzt unsere Plätze einnehmen?“

„Das sollten wir gewiss tun“, erwiderte er und führte sie aufs Parkett, wo man sich zu einem Tanz aufgestellt hatte.

Sie ist ein hübsches Mädchen, dachte er. Viele Matronen hätten ihr Haar als rot beschrieben, aber es war eher von leuchtendem Kastanienbraun, und sie besaß die dazu passende samtene Haut. Unschuldig heiter sah sie ihn aus großen grauen Augen an, und ihr Lächeln war einfach bezaubernd. Auch ihre Figur gefiel ihm, schlank mit einer Andeutung weiblicher Rundungen. Alles in allem, befand Darleston, ist sie ganz entzückend.

Während sie tanzten, versuchte er, sie in ein Gespräch zu verwickeln, aber sie wusste wenig zu sagen, abgesehen von wohlerzogenen Entgegnungen auf seine Bemerkungen. Die einzige Frage, die sie mit etwas Enthusiasmus beantwortete, war die, ob sie ihren Besuch bei Almack’s genoss.

„O ja, Mylord! Sehr sogar! Es ist schön, so viele neue Leute kennen zu lernen und den ganzen Abend lang zu tanzen!“

Das alles führte Lord Darleston schnell zu der Erkenntnis, dass diese junge Dame nicht infrage kam. Zwar wollte er nicht unbedingt eine Plaudertasche heiraten, aber doch eine Frau, die ein wenig mehr zu einer Unterhaltung beizusteuern wusste. Sie war liebenswürdig und süß, aber nicht sein Fall!

Nach dem Tanz geleitete er Miss Ffolliot zurück zu ihrer Mutter, zu der sich inzwischen zwei Gentlemen gesellt hatten. Der eine war ihr Gemahl, ein sympathisch wirkender Herr mittlerer Statur, der andere Miss Ffolliots nächster Tanzpartner, der Darleston als Mr. Richard Winton vorgestellt wurde, ein Gentleman in etwa demselben Alter wie der Earl. Die beiden plauderten eine Weile miteinander, bis Mr. Winton sich und Miss Ffolliot entschuldigte, um sich mit ihr zum Tanz aufzustellen.

Darleston bemerkte, dass Miss Ffolliot mit ihrem neuen Partner heiter plauderte, ohne nur das geringste Zeichen von Schüchternheit zu zeigen.

Mr. Ffolliot beobachtete das Paar und sagte: „Mr. Winton ist einer unserer Nachbarn auf dem Land. Es fällt Phoebe stets leichter, mit alten Bekannten zu sprechen.“

Darleston lächelte, verabschiedete sich und machte sich auf die Suche nach Carstares und Carrington. George war leicht zu finden. Er tanzte in derselben Gruppe wie Miss Ffolliot und Mr. Winton. Und nach einem Augenblick entdeckte Darleston auch Carrington, der höflich Lady Jersey lauschte, einer der Schirmherrinnen, die boshafterweise „das Schweigen“ genannt wurde.

„Darleston, meine Güte!“, rief Ihre Ladyschaft aus, als er zu ihr trat, „ich habe Maria Sefton nicht geglaubt, als sie mir sagte, Sie seien hier! Es muss Jahre her sein! Und Lord Carrington auch noch! Was für ein Fang! Ich behaupte, während der ganzen bisherigen Saison hat es nichts so Aufregendes gegeben! Habe ich Sie bei Miss Ffolliot stehen sehen? So ein liebes Mädchen, leider etwas schüchtern. Reizende Eltern, aber der Bruder! Meine Güte! Wirklich! Er ist nur ihr Halbbruder. Die erste Mrs. Ffolliot starb sehr jung, glaube ich, und John Ffolliot heiratete ein paar Jahre danach noch einmal. Sehen Sie, Darleston, so etwas kommt vor! Jetzt muss ich fort! Kommen Sie wieder! Ich bin sicher, dass uns so ein Schock nur gut tun kann!“

Sie flatterte davon, um alle und jeden darüber zu informieren, dass es genauso sei, wie sie es vermutet hatte: Darleston suche eine neue Gattin. Und es wurde Zeit! Immerhin war er es seinem Namen schuldig! Oh, du liebe Güte! Sich nur vorzustellen, dass dieser grässliche Jack Frobisher der nächste Earl werden würde! Außerdem war es höchste Zeit, dass Darleston darüber hinwegkam, wie diese Melissa ihn behandelt hatte. Auf so vulgäre Weise mit Barton durchzubrennen! Und sich dann auch noch bei dem Kutschunglück das Genick zu brechen! Wenigstens ersparte das Seiner Lordschaft den Skandal, sich von ihr scheiden zu lassen!

Carrington und Darleston sahen ihr nach und konnten sich recht genau vorstellen, was sie erzählen würde. Halb verärgert und halb amüsiert erkundigte sich der Earl: „Hat sie innegehalten, um Atem zu schöpfen, während sie mit dir sprach?“

Carrington grinste. „Mir ist nichts dergleichen aufgefallen.“

Darleston verzog das Gesicht. „Ich habe das sichere Gefühl, dass unser liebes ‚Schweigen‘ alles über mich weiß. Bis hin zu dem Umstand, der mich heute hierher führte.“

Belustigt bemerkte Carrington: „Ich denke, jeder, der dich kennt, wusste das in dem Moment, da er dich erblickte. Vor allem, als man dich mit dem hübschen kleinen Rotschopf sah.“

Darleston seufzte. „Ich vermute, es ist wohl zu offensichtlich. Aber hatte ich eine Wahl?“

„Hattest du nicht, in Anbetracht deiner Verpflichtungen“, erwiderte der Freund mit ernster Miene. „Sehen wir den Tatsachen ins Auge, Peter, du bist der begehrenswerteste Mann hier. Reich, von Adel, und die Damen finden dich ausgesprochen ansehnlich. Du kannst dir vermutlich jede Braut aussuchen.“

Darleston seufzte noch einmal. „Gott allein weiß, warum ich dich ertrage, Michael. Du hast die schreckliche Angewohnheit, ständig recht zu haben! Ah! Da kommt George. Hast du dich amüsiert?“

„In der Tat“, bestätigte Carstares. „Meine Partnerin, Miss Blackburn, war höchst charmant.“

„Du wirst in der Falle sitzen, ehe du dich versiehst“, stellte Darleston fest.

Carstares schaute ihn schockiert an. „Ich? In der Falle? Eher nicht. Ich bin, wie du weißt, ein jüngerer Sohn. Aber bei dir wird es bald so sein, Peter, jedenfalls glaube ich das. Du wirst dich im Nu verlieben und vor dem Altar stehen.“

„Liebe!“, stieß Darleston hervor. „Das ist nicht dein Ernst! Ich schwöre dir, mit diesem Unsinn bin ich fertig. Dies wird eine Vernunftehe. Solange das Mädchen gut erzogen ist, seine Pflichten kennt und nicht gerade abstoßend ist …“ Er ließ den Satz unvollendet.

Carstares und Lord Carrington sahen einander besorgt an. Es war noch schlimmer, als sie es sich vorgestellt hatten. Wie konnte der arme Kerl auf eine glückliche Verbindung hoffen, wenn er so verbittert war? Gar nicht zu reden von dem bedauernswerten Mädchen, das seinen Antrag annahm.

Nach einem Augenblick des Schweigens meinte Carstares nachdenklich: „Dann solltest du verdammt genau darauf achten, dass deiner Zukünftigen nichts an dir liegt. Schließlich willst du doch nicht irgendeiner unschuldigen jungen Frau denselben üblen Streich spielen, den man dir gespielt hat! O Himmel! Lady Sefton steuert auf uns zu.“

Die Ankunft der liebenswerten Schirmherrin, die sie zu Tisch bat, beendete die Unterhaltung, aber Carstares’ Bemerkung hatte ins Schwarze getroffen. Die Vorstellung, dass er ein naives Mädchen auf dieselbe Weise verletzen könnte, wie es ihm passiert war, gab Peter zu denken.

Obwohl er das Abendessen geistreich und liebenswürdig absolvierte, war er in Gedanken meistens woanders. Bisher war seine zukünftige Gemahlin eine abstrakte Größe gewesen. Plötzlich bekam sie menschliche Züge, obwohl ihr Gesicht und ihre Gestalt noch immer im Dunkeln lagen, wurde zu einem Wesen mit Gedanken und Gefühlen, vielleicht einem verwundbaren Herzen. George hat recht, dachte er. Ich sollte dafür sorgen, dass ihr nicht allzu viel an mir liegt, wer immer sie auch sein mag.

Zwei Tage später saß die reizende Lady Caroline Daventry in ihrem rosa Salon und sah zur Tür hin, die sich gerade hinter dem fünften Besucher an diesem Morgen geschlossen hatte. Ihre gewöhnlich gelangweilt dreinblickenden blauen Augen blitzten vor Zorn, und ihr wohlgeformter Körper bebte vor Wut. Sogar die blonden Locken, die sie auf so schmeichelnde Art aufgesteckt trug, schienen vor Erregung zu zittern. Sie hatte sich sehr beherrschen müssen, um eine böse Erwiderung zu unterdrücken, als eine weitere süßlich lächelnde Dame ihr anvertraut hatte, dass der „liebe Peter“ eine zweite Ehe erwog.

Dabei war auch sein Erscheinen bei Almack’s nicht unerwähnt geblieben, ebenso wenig sein Tanz mit Miss Ffolliot. Der Umstand, dass er ein paar Minuten mit ihren Eltern geplaudert hatte, gab Anlass zu den wildesten Spekulationen. Es kursierte sogar das Gerücht, dass Mr. Richard Winton, bis dahin der aussichtsreichste Kandidat als Bewerber um die Hand der jungen Dame, im Begriff stand, übertrumpft zu werden.

Caroline Daventry war keine Närrin. Sie war durchaus fähig, die unwahrscheinlichen Spekulationen auszuschließen, aber es blieb genug übrig, um sie zu beunruhigen. Es war ein offenes Geheimnis, dass sie während des vergangenen Jahres Darlestons Mätresse gewesen war. Niemals war ihr der Gedanke gekommen, dass er eine erneute Heirat in Betracht ziehen könnte. Er schien mit ihren Gunstbezeugungen völlig zufrieden zu sein, und sie war zufrieden gewesen mit ihrer Position als Geliebte. Aber wenn er wieder eine Frau hatte, würde die Situation sich ändern.

Sie erhob sich und begann, ruhelos auf und ab zu schreiten. Sie musste nachdenken. Offensichtlich schätzte Darleston Jack noch weniger, als sie gedacht hätte. Das musste der Grund sein für seinen Meinungsumschwung. So weit, so gut! Zumindest bildete er sich nicht ein, in eine zimperliche kleine Debütantin verliebt zu sein. Das machte ihre Aufgabe etwas einfacher. Wenn Darleston wirklich auf Freiersfüßen wandelte, dann wollte sie die neue Countess werden!

An ebenjenem Morgen hatte Lord Darleston beschlossen, eine Stute zu erproben, die er erst seit kurzem besaß. Er hatte sie in der vergangenen Woche bei Tattersall’s gekauft, und jedes Mal, wenn er vorgehabt hatte auszureiten, war irgendetwas dazwischengekommen. Nun jedoch war er fest entschlossen, sich durch nichts von seinem Vorhaben abbringen zu lassen.

Der Pferdeknecht, der sie aus dem Stall geführt hatte, sagte entschuldigend: „Sie ist sehr lebhaft, Mylord, und braucht einen guten Galopp!“

„Und eine feste Hand!“ Lord Darleston ergriff energisch die Zügel. „Sei ruhig, du dummes Tier. Es ist noch so früh, dass wir wohl einen kleinen Ritt im Park wagen können. Danke, Fred. Ich bringe sie nachher zurück.“

Der junge Mann tippte sich an die Mütze und trat beiseite, als sein Herr die Stute antrieb. Er sah den beiden nach und kehrte zu den Stallungen zurück, um den anderen zu berichten, dass Seine Lordschaft mit allem fertig wurde, was Zaumzeug trug, sogar mit der temperamentvollen Griselda.

Als Darleston den Park erreichte, stellte er erleichtert fest, dass es dort beinahe menschenleer war. Ein paar Stallburschen bewegten Pferde, und eine Hand voll Spaziergänger schlenderte die Wege entlang. Keine Kutschen und kein Zeichen dafür, dass jemand ihn erkennen würde. Das ist um diese unchristliche Stunde kaum eine Überraschung, dachte er. Die meisten Mitglieder des ton lagen nach den Vergnügungen des vergangenen Abends wohl noch im Bett.

Die Stute Griselda tänzelte ungeduldig und verlangte nach Bewegung. Um ihrer Erziehung willen hielt Darleston sie noch etwa hundert Yards im ruhigen Schritt, dann ließ er sie in Trab fallen. Nach weiteren hundert Yards und einem raschen Blick über die Schulter lockerte er die Zügel und drückte leicht seine Absätze in ihre Flanken. Mit einem begeisterten Schnauben stob die Stute davon.

Darleston genoss den Galopp. Sie lief ausgezeichnet, wie er fand. Gleichmäßig und mühelos, mit beeindruckendem Tempo. Auch ihr Maul war gut, sie reagierte sehr sensibel auf seine Führung. Ihr einziger Fehler, wenn man das so nennen konnte, war ihr Übermut. Nun, wir alle waren einmal jung, dachte er nachsichtig.

Ein Phaeton kam auf ihn zu, und daneben lief ein bemerkenswert großer grauer Hund. Gütiger Himmel, dachte er, wer um alles in der Welt ist denn um diese Zeit unterwegs? Er ließ Griselda im Schritt gehen, um die beiden Kutschpferde nicht zu erschrecken.

Als der Phaeton auf gleicher Höhe war, stellte Darleston fest, dass er die Insassen kannte. Der Gentleman, der kutschierte, nickte höflich, wäre aber wohl weitergefahren, hätte Darleston nicht seine Stute gezügelt. „Wie geht es Ihnen, Mr. Ffolliot? Und Miss Ffolliot! Sie muss ich nicht nach Ihrem Befinden fragen. Sie sehen ganz reizend aus.“

„Lord Darleston! Sehr freundlich von Ihnen“, erwiderte Mr. Ffolliot. „Ich glaube, meine Tochter ist Ihnen noch nicht …“ Er hielt inne.

Darleston bemerkte ein wenig verwirrt: „Aber natürlich bin ich Miss Ffolliot bereits begegnet. Sie gewährte mir bei Almack’s die Ehre eines Tanzes.“

„Ach ja – natürlich …“ Mr. Ffolliot schien ein wenig verwirrt. „Verzeihen Sie, Lord Darleston.“

„Das macht nichts, Sir“, versicherte Darleston lächelnd. Er mochte den älteren Mann mit den freundlichen Augen.

Dann wandte er sich an Miss Ffolliot. „Ich hoffe, unser Tanz hat sich Ihrem Gedächtnis etwas besser eingeprägt, Miss Ffolliot! Oder hatten Sie so viele Tanzpartner, dass weder Sie noch Ihre Eltern uns auseinander halten konnten?“

Miss Ffolliot unterdrückte ein Lachen. „O nein, Lord Darleston. Ich erinnere mich. Es war sehr amüsant.“

Darleston blinzelte. Dieses heitere Geschöpf unterschied sich grundlegend von dem schüchternen Mädchen, mit dem er bei Almack’s getanzt hatte. Und an diesem Morgen schien etwas an ihr vollkommen anders. Es lag an ihren Augen. Obwohl sie ihn fröhlich anlächelte, hatte er das seltsame Gefühl, dass sie direkt durch ihn hindurchsah. Er versuchte sich zu sammeln. „Und darf ich fragen, was Sie zu dieser ungewöhnlichen Stunde hinaustreibt, Miss Ffolliot? Gewiss sollten Sie sich ausruhen, welches Fest Sie vergangene Nacht auch besucht haben mögen.“

Sie lachte. „Ach, der Park ist um so vieles schöner, wenn niemand hier ist. Und erst recht schöner als ein überfüllter Ballsaal. Außerdem …“ Sie deutete auf den Hund, der hechelnd neben dem Phaeton saß. „Der arme Gelert braucht entschieden mehr Auslauf, als er bekommen kann, wenn wir zu spät ausfahren und ständig anhalten müssen, weil die Höflichkeit es verlangt.“

„Ich fühle mit Ihnen, Miss Ffolliot“, erwiderte Darleston. „Dieses verrückte Pferd habe ich aus denselben Gründen so früh hergebracht.“

„Sie ist ein hübsches Ding“, bemerkte Mr. Ffolliot. „Und noch ganz jung. Wie heißt sie?“

„Ja, sie ist erst drei Jahre alt. Ich habe sie letzte Woche gekauft. Ihr Name ist Griselda. Ruhig!“ Letzteres war für die Stute bestimmt, die unablässig hin und her tänzelte. „Sie ist ein wenig ungeduldig.“

„Dann trägt sie den falschen Namen, Mylord!“, meinte Miss Ffolliot lächelnd. „War Griselda nicht sehr sanftmütig?“

„Sie meinen dieses rührselige Geschöpf bei Chaucer?“, fragte Darleston überrascht. Die meisten jungen Damen schwärmten für Byron, aber er war noch nie einer begegnet, die sich mit mittelalterlicher Literatur auskannte!

„Sie kommt auch im Decamerone vor“, erwiderte Miss Ffolliot. „Wie nett, jemanden zu treffen, der sie auch für eine Närrin hält, weil sie sich mit diesem schrecklichen Ehemann arrangiert hat. Sie hätte ihn einfach einen Idioten schimpfen sollen!“

„Richtig, Miss Ffolliot“, stimmte er ihr augenzwinkernd zu. „Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie genau das tun würden.“

„Ich würde ihm vermutlich Gelert auf den Hals hetzen“, gab sie zur Antwort.

„Das würde ihn sicher schleunigst zur Besinnung bringen“, bestätigte Darleston lächelnd.

Neugierig betrachtete er den großen Wolfshund. Das Tier besaß bemerkenswert lange Beine und eine breite Brust. Er kannte die Rasse aus Irland, wo er vor Jahren Pferde eingekauft hatte. „Ein irischer Wolfshund, nicht wahr? Ich habe nie zuvor ein so herrliches Exemplar gesehen.“

Miss Ffolliot lächelte ihm zu. „Das stimmt. Normalerweise muss ich mir gönnerhafte Fragen über seine Abstammung anhören, und ich finde es unerträglich.“

Darleston lachte leise. „Das kann ich mir vorstellen.“ Die ganze Zeit schon vernahm er eine warnende innere Stimme. Bei Almack’s hatte Miss Ffolliot völlig anders auf ihn gewirkt. Er hätte schwören mögen, dass sie keiner Fliege etwas zu Leide tun würde. Und hatte sie nicht erwähnt, wie gern sie neue Leute kennen lernte und tanzte? Und jetzt bevorzugte sie den Park um diese frühe Stunde, weil er dann leer war und angenehmer als ein überfüllter Ballsaal?

„Ich glaube, Sie haben neulich Abend nicht die Wahrheit gesagt, Miss Ffolliot. Ich erinnere mich genau, wie Sie behaupteten, Sie würden gern tanzen und neue Leute kennen lernen.“

Wieder hörte er ihr betörendes Lachen. „Himmel! Gewiss erwarten Sie nicht von einer jungen Dame, einen Gentleman, der ihr gerade erst vorgestellt wurde, darüber aufzuklären, wie sehr sie es hasst, Fremden zu begegnen. Geschweige denn, dass sie keine Bälle mag, wenn der betreffende Herr gerade mit ihr tanzt. Das wäre doch ungezogen. Außerdem war dieser Tanz, ich sagte es bereits, sehr amüsant.“

„Sie schmeicheln mir, Miss Ffolliot.“

„Nicht im Geringsten, Mylord. Sie tanzen ausgezeichnet!“, fügte sie freundlich hinzu.

Griselda wurde in der kühlen Luft immer unruhiger. „Ich darf mein ungeduldiges Pferd nicht länger warten lassen. Sir, stets Ihr gehorsamer Diener. Miss Ffolliot!“ Sie winkten ihm zum Abschied, er zog den Hut, dann ritt er davon. Er ertappte sich bei dem Gedanken, dass er Miss Ffolliot gern wiedersehen würde. Sie war eine sehr erfrischende, wenn auch etwas widersprüchliche junge Dame.

2. KAPITEL

Sich in dem Glauben zu wiegen, dass im Park an jenem Morgen niemand von der guten Gesellschaft unterwegs sein würde, war ein wenig zu optimistisch von Lord Darleston gewesen. Zumindest zwei Personen hatten ihn ausreiten sehen und auch seine Unterhaltung mit den Ffolliots verfolgt. Es war unvermeidlich, dass der Klatsch, der auf diese Episode folgte, auch Lady Daventry zu Ohren kam, die sich ernsthaft zu sorgen begann. So sehr, dass sie anlässlich eines Balls Miss Ffolliot gegenüber ein paar spitze Bemerkungen fallen ließ. Miss Ffolliot erwiderte nichts, wirkte aber ziemlich verwirrt.

Abgesehen von diesen Gerüchten gewann Lady Daventry den Eindruck, dass ihr Geliebter ihr entrückter war denn je. Es schien, als weile er im Geiste in weiter Ferne, selbst wenn er sie mit der üblichen Raffinesse liebte. Lady Daventry entwarf in Gedanken die verschiedensten Pläne und entschied sich dann zu handeln, wobei sie dafür sorgte, dass Darleston sie mehr als eine Woche lang nicht allein zu Gesicht bekam.

Der erste Schritt zur Ausführung ihres Plans war, Lord Darleston diskret zum Essen einzuladen.

Am Abend, an dem das Dinner stattfinden sollte, betrat Darleston Lady Daventrys Salon und traf sie mit ihrer Gesellschafterin an. Miss Jameson war eine griesgrämig wirkende Frau um die sechzig, eine Cousine des verstorbenen Sir Neville Daventry. Ihr oblag die Aufgabe, Carolines Haushalt einen Anschein von Respektierlichkeit zu verleihen. Tatsächlich tat Caroline meistens, was sie wollte, und entzog sich Miss Jamesons Aufsicht, wann immer es ihr gefiel.

Darleston begrüßte die beiden Damen höflich und war zu der älteren besonders nett. „Miss Jameson, welch ein Vergnügen, Sie zu sehen. Ich hoffe, es geht Ihnen gut?“

Es machte einen Teil seines Charmes aus, dass er stets freundlich war zu jenen, denen es weniger gut ging als ihm. Freundlich, aber nie herablassend, und Miss Jameson reagierte wie immer mit einem Lächeln, das sie sonst kaum jemandem schenkte.

„Mir geht es sehr gut, Mylord. Und Ihnen? Wir haben Sie seit Ewigkeiten nicht gesehen!“

An dieser Stelle mischte sich Lady Daventry ein. „Ja, ich bin sicher, dass es Lord Darleston gut geht, Cousine Lucy. Sonst wäre er nicht hier! Und nun wollen wir dich nicht länger davon abhalten, schlafen zu gehen. Wir wünschen dir eine gute Nacht!“

Diese abrupte Verabschiedung veranlasste Darleston zu einem leichten Stirnrunzeln, nicht weil es ihn nach Miss Jamesons Gesellschaft verlangte, sondern weil er Carolines Verhalten ein wenig geschmacklos fand.

Miss Jameson schien nicht überrascht zu sein, dass man ihren Abend auf diese Weise beendete. Ihr war klar gewesen, dass Caroline sie so bald wie möglich loswerden wollte. In den beiden Jahren seit Sir Nevilles Tod waren ihr wenig Illusionen über den Charakter ihrer Schutzbefohlenen geblieben, und über die Art der Beziehung zwischen Lord Darleston und Lady Daventry war sie vollkommen im Bilde.

„Dann, liebe Caroline, wünsche ich dir auch eine gute Nacht, und Ihnen ebenfalls, Mylord“, erwiderte sie würdevoll. Sie war nicht ganz sicher, was Caroline vorhatte, aber sie kannte ihren Schützling gut genug, um zu wissen, dass sie etwas im Schilde führte.

Als Miss Jameson gegangen war, schritt Caroline zu Darleston und schlang die Arme um seinen Nacken. „O Peter! Ich wollte nicht unfreundlich zu der armen Lucy sein! Aber ich habe dich in der letzten Zeit so selten gesehen, dass ich es nicht erwarten konnte, dich ganz für mich zu haben.“ Auf ihren Lippen lag ein verführerisches Lächeln, das sich vertiefte, als sie zum Sofa schwebte und sich mit einem einladenden Lächeln darauf niederließ. Der Hausmantel öffnete sich, und ihr nacktes Bein wurde sichtbar. Darleston streifte seinen Überrock ab und löste sein Krawattentuch, ohne den Blick von ihrem Gesicht zu wenden. Langsam kam er auf sie zu, doch Caroline bemerkte die Anspannung in seinem athletischen Körper. Mit wachsendem Verlangen stand er vor ihr und blickte hinunter auf ihre üppigen Rundungen.

„Gefällt dir eigentlich mein Hausmantel?“, fragte sie herausfordernd. „Er ist neu.“

„Sehr elegant, Süße“, sagte er leichthin, „aber mir gefällt er noch besser, wenn ich ihn dir vom Leib gerissen habe.“

Am darauf folgenden Morgen schlief Darleston lange, da er erst nach vier Uhr in der Frühe nach Hause zurückgekehrt war. Endlich, gegen Mittag, hörte Fordham, der Kammerdiener, dass nach ihm geläutet wurde.

Fordham fand seinen Herrn vollständig angekleidet vor, abgesehen von den letzten Falten seines Krawattentuchs, die der Earl eben dabei war zu richten. Der Bedienstete wartete ruhig, da er eine so delikate und wichtige Beschäftigung nicht stören wollte.

Im Spiegel begegnete Darleston seinem Blick. „Ah, da sind Sie ja, Fordham. Guten Morgen – oder besser, da ich vermute, dass der Tag bereits fortgeschritten ist –, Guten Tag.“

„Guten Tag, Mylord. Ich nehme an, es war ein angenehmer Abend?“, erkundigte sich Fordham höflich.

„Sehr angenehm, Fordham“, gab Darleston ernsthaft zurück.

„Das freut mich zu hören, Mylord. Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie versprochen haben, heute Morgen auf Lady Edenhope zu warten?“

„Sie dürfen, und Sie dürfen mir außerdem noch verraten, warum zum Teufel Sie mich deswegen nicht schon vor einer Stunde geweckt haben“, sagte Darleston und begutachtete kritisch das Ergebnis seiner Bemühungen.

„Mylord möge sich erinnern, dass er mir, als ich so etwas das letzte Mal versuchte, mit bemerkenswerter Treffsicherheit einen Stiefel an den Kopf warf und mich an einen außerordentlich heißen Ort wünschte“, lautete die Antwort.

Darleston, zufrieden, dass der Sitz seines Krawattentuchs einer Überprüfung standhielt, drehte sich um und fragte neugierig: „Wie halten Sie es eigentlich mit mir aus, Fordham?“

Der Kammerdiener erwiderte schlicht: „Ich mag Sie, Mylord, und selbst wenn Sie mich mit einem Stiefel trafen, so entschuldigten Sie sich doch später dafür und teilten mir mit, dass es Ihnen lieber wäre, wenn ich in Ihren Diensten bliebe, anstatt den Posten anzunehmen, den Sie mir in der Hitze des Augenblicks empfahlen.“

Darleston lachte leise. „Sehr gut, Fordham! Haben Sie vielleicht Lady Edenhope eine Nachricht geschickt?“

„Gewiss, Mylord. Sie ließ Ihnen diese Antwort zukommen.“ Fordham reichte Darleston ein versiegeltes Billett.

„Vielen Dank, Fordham.“ Der Earl brach das Siegel und las die Nachricht.

Mein lieber Darleston,

ich hoffe, Du hast Dich letzte Nacht gut amüsiert, so dass ich Dich um einen Gefallen bitten kann. Mein kleiner Protegé fühlt sich nicht wohl, und mein Gemahl weilt auf dem Lande, so dass mir für das Konzert in den Hanover Square Rooms heute Abend ein Begleiter fehlt. Ich weiß, Du liebst Musik, und das Programm ist wundervoll: Lauter Mozart. Wenn Du also glaubst, meine Gegenwart ertragen zu können, dann rechne ich damit, Dich heute Abend zu sehen.

Alles Liebe, Louisa Edenhope

Darleston lächelte. Er traute es Lady Edenhope durchaus zu, dass sie genau wusste, wo er die vergangene Nacht verbracht hatte. „Schicken Sie einen Diener zu Lady Edenhope mit der Mitteilung, dass ich entzückt sei, sie heute Abend begleiten zu dürfen“, wandte er sich an Fordham.

„Natürlich, Mylord.“ Der Kammerdiner ging hinaus.

Das Konzert an jenem Abend gefiel Darleston. Lady Edenhopes Gesellschaft empfand er als entspannend, und es war angenehm, sich zurückzulehnen und die Darbietung zu genießen. Seit dem Tod seiner Mutter war es die Musik, die ihm am meisten fehlte. Lady Darleston war eine gute Sängerin gewesen und hatte auch am Pianoforte großes Talent bewiesen. Er würde wohl nach einer musikalischen Gemahlin Ausschau halten müssen.

Nach der Pause kehrten sie zurück zu ihren Plätzen. „Der Cellist war viel zu laut, Peter. Vor allem an den langsamen Stellen“, bemerkte Lady Edenhope und stellte dann erst fest, dass Darleston ihr nicht zuhörte. Er beobachtete eine Dame, die ihr bereits wegen ihrer seltsamen Kleidung aufgefallen war.

Die Dame, ganz in Schwarz und tief verschleiert, saß zwei Reihen vor ihnen. Begleitet wurde sie von einer jungen Person, die offensichtlich eine Zofe war und es vermied, mit irgendwem zu sprechen. Bei näherer Betrachtung gelangte Lady Edenhope zu dem Schluss, dass sie sehr jung sein müsse.

Darleston blickte weiterhin zu ihr hin, bis seine Begleiterin ihm einen sanften Stups gab und fragte: „Kennst du dieses Mädchen?“

„Bitte? Oh, es tut mir leid, Tante Louisa. Ich war in Gedanken“, gestand er.

„Das habe ich bemerkt“, erwiderte sie trocken. „Ist die junge Dame eine Bekannte von dir?“

„Ich bin nicht ganz sicher“, sagte er langsam. „Ich glaube zu wissen, wer sie ist, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum sie so gekleidet sein sollte.“

„Sehr eigenartig“, stimmte Lady Edenhope zu. „Oh, da ist das Orchester. Wir sollten aufhören zu reden.“

Sie setzten sich und lauschten den beiden Symphonien, die folgten. Die zweite war Mozarts letztes Werk dieser Art. Darleston hatte das Stück noch nie zuvor gehört und war überwältigt von der Kraft dieses Stücks, vor allem am Schluss.

Die schlanke Dame in Schwarz schien ähnlich beeindruckt zu sein. Sie hatte sich vorgebeugt und applaudierte frenetisch, während Darlestons Überzeugung wuchs, dass er sie kannte.

Als das Publikum zu den Ausgängen strebte, wandte er sich an Lady Edenhope: „Würdest du mich bitte für einen Moment entschuldigen, Tante Louisa? Ich würde gern mit der Dame sprechen.“

„Natürlich, Peter“, erwiderte sie. „Ich warte hier.“

Darleston bahnte sich einen Weg durch die Menge und nickte hier und da Bekannten zu. Das Mädchen in Schwarz war nicht von seinem Platz aufgestanden, sondern schien zu warten, bis die Zuschauer sich zerstreut hatten. Niemand sprach sie an, obwohl viele ihr neugierige Blicke zuwarfen.

Sie bemerkte Darleston erst, als er sich neben sie setzte. „Guten Abend, Miss Ffolliot! Hat Ihnen das Konzert gefallen?“ Mehrere Gäste drehten sich zu ihm um, als er die geheimnisvolle Dame beim Namen nannte.

Überrascht fuhr sie zusammen. In dem reizenden Gesicht hinter dem Schleier spiegelten sich Schrecken und Erstaunen. Verwundert sagte er: „Verzeihen Sie. Ich wollte Sie nicht ängstigen.“

Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte sie, dann sagte sie: „Lord Darleston, nicht wahr?“

Er lächelte. „Ganz recht. Obwohl es mich überrascht, dass Sie durch diesen Schleier etwas erkennen können.“

„Aber ich...“ Sie unterbrach sich und fügte leichthin hinzu: „Nun, Mylord, Sie haben mich um einen Wettsieg gebracht.“

„Miss Ffolliot, ich bitte um Verzeihung! Was für eine Wette war das?“, erkundigte er sich.

„Nun, dass mich so niemand erkennen würde. Ich hielt das für unmöglich. Und ich glaube auch nicht, dass mich jemand sonst erkannt hat!“

„Davon bin ich überzeugt. Meine Begleiterin Lady Edenhope jedenfalls nicht. Aber ich fürchte, ich habe Sie verraten, als ich Ihren Namen so laut aussprach.“

Sie zuckte die Achseln. „Nun, ich denke, das spielt jetzt keine große Rolle mehr. Hat Ihnen das Konzert gefallen?“

„Ja, sehr sogar. Vor allem die letzte Symphonie. Ich hatte sie noch nie gehört.“

Autor

Elizabeth Rolls
Elizabeth Rolls, Tochter eines Diplomaten, wurde zwar in England geboren, kam aber schon im zarten Alter von 15 Monaten in die australische Heimat ihrer Eltern. In ihrer Jugend, die sie überwiegend in Melbourne verbrachte, interessierte sie sich in erster Linie für Tiere – Hunde, Katzen und Pferde – las viel...
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