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Um die kleine Jamie zu adoptieren, sind Amanda und Ross eine Vernunftehe eingegangen. Doch als in Amanda heißes Begehren erwacht, gerät ihr Arrangement in Gefahr …


  • Erscheinungstag 31.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755287
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich möchte, dass Sie mich heiraten.“

Amanda Prentiss blinzelte. Das war nicht die Antwort, die sie erwartet hatte, als sie den Mann vor ihrer Haustür wütend fragte, was er von ihr wollte.

Im ersten Augenblick war sie verwirrt. Wie kam der Mann überhaupt dazu, ihr so unverblümt einen Antrag zu machen? Dann wurde sie wütend und erschrak, als sie Ross Chandler wieder erkannte.

Mehr als drei Jahre waren vergangen, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte.

„Soll das ein Witz sein?“, fragte sie so kühl wie möglich.

„Ich versichere Ihnen, dass ich es absolut ernst meine.“

Er wirkte wirklich seriös in seinem dunklen, maßgeschneiderten Anzug, der wahrscheinlich mehr gekostet hatte, als Amanda in einem ganzen Monat verdiente. Seine sonnengebräunte Haut und die kunstvoll zerzausten blonden Haare glänzten im Schein der Verandabeleuchtung, und seine blauen Augen funkelten.

Er sah aus wie ein griechischer Gott, der den Olymp bestieg, um Zeus um einen kleinen Gefallen zu bitten.

„Könnten wir nicht vielleicht hineingehen und uns drinnen unterhalten?“, fragte er.

Amanda hätte am liebsten die Tür zugeknallt, um Ross Chandler und die schmerzlichen Erinnerungen zu verdrängen, die das unerwartete Auftauchen dieses Mannes in ihr wachriefen.

„Es gibt nichts, worüber wir sprechen müssten“, erwiderte sie. „Ich weiß nicht, was Sie mit Ihrem absurden Vorschlag bezwecken, aber …“

„Mrs. Weston, ich meine Mrs. Prentiss. Bitte lassen Sie mich ausreden. Ich weiß, dass Sie mir nichts schuldig sind, aber ich bitte Sie trotzdem, mir zuzuhören.“ Dann spielte er seinen Trumpf aus. „Um Jamies willen.“

Amanda verzog qualvoll das Gesicht, als hätte er sie geschlagen. Jamie. Ihr kleines Mädchen.

Das Kind, das sie geliebt und vier Jahre lang aufgezogen hatte.

Das Kind, das ihr Ross Chandlers Familie weggenommen hatte.

„Es geht Jamie doch gut, oder?“, fragte sie leise.

„Ja, natürlich“, erwiderte er schnell. „Tut mir leid, ich wollte Ihnen keinen Schrecken einjagen.“

„Kommen Sie herein“, sagte sie.

Als Ross Chandler über die Schwelle ihres gemieteten kleinen Häuschens trat, gingen Amanda ein Dutzend Fragen durch den Kopf. Wie geht es Jamie? Ist sie glücklich? Wie sieht sie jetzt aus? Erinnert sie sich noch an mich? Am meisten aber beschäftigte sie die Frage, was Jamies Onkel bewogen hatte, bei ihr aus dem Nichts aufzutauchen und ihr einen Heiratsantrag zu machen.

Amanda führte Ross in ihr gemütliches Wohnzimmer, wo sie vor Ross’ unerwartetem Besuch an einer Broschüre für die Kunstgalerie gearbeitet hatte. Sie schob die Papiere zusammen, die sie auf der Couch ausgebreitet hatte und bot Ross einen Platz an.

Sie selbst setzte sich in den Sessel. Ihre zitternden Hände verbarg sie zwischen den Oberschenkeln. „Wie haben Sie mich gefunden?“

„Nachdem ich festgestellt hatte, dass Sie nicht mehr auf Long Island leben …“ Er rückte seine ohnehin perfekt sitzende Krawatte zurecht, „… habe ich einen Privatdetektiv engagiert.“

Natürlich. Menschen wie die Chandlers beauftragten immer andere Helfer, um die dreckige Arbeit zu erledigen.

„Warum?“, fragte sie. „Was wollen Sie von mir? Kommen Sie mir bitte nicht wieder mit diesem absurden Antrag.“

„Vielleicht sollte ich ein wenig ausholen.“

„Wie Sie wollen.“ Gut, Amanda, lobte sie sich, bleib ganz ruhig und vernünftig. Lass ihn bloß nicht merken, wie durcheinander du bist.

„Zunächst einmal bin ich der Meinung, dass man Ihnen damals übel mitgespielt hat. Was Jamie betrifft, meine ich.“

„Meinen Sie nicht, dass diese Einsicht ein wenig spät kommt? Das hätten Sie vor drei Jahren sagen sollen, als Sie im Zeugenstand waren.“

„Was hätte das schon geändert“, erwiderte er ruhig.

„Es hätte sich aber so gehört.“

Ross Chandler räusperte sich. „Nun ja, wahrscheinlich haben Sie recht.“

„Damals wurden nur Lügen über uns verbreitet“, brachte sie hervor. „Paul und ich haben Ihre Schwester nie gezwungen, Jamie zur Adoption freizugeben. Wir haben sie weder ausgetrickst noch manipuliert. Sie hat von sich aus Kontakt mit uns aufgenommen, als sie schwanger war, und sie konnte es nicht abwarten, uns Jamie sofort nach der Geburt zu geben. Paige hatte kein Interesse an dem Baby. Sie hat sich nicht einmal dafür interessiert, welchen Namen wir dem Kind gegeben haben. Sie war an dem Tag, als die Adoptionspapiere unterschrieben wurden, genauso glücklich wie wir.“

Ross fiel es schwer, Amandas anklagendem Blick standzuhalten. „Ich glaube Ihnen. Auch damals habe ich Ihnen schon geglaubt.“ Doch er hätte damals nichts ändern können. Zu dieser Erkenntnis war er erst kürzlich gelangt. Genauer gesagt vor zehn Tagen, und seitdem hatte er Angst. Und das war auch der Grund, weshalb er hier war. „Ich habe nach Ihnen gesucht, weil Jamie in letzter Zeit Fragen nach Ihnen stellt.“

Amanda schluckte. „Wirklich?“ Hoffnungsvoll, sehnsüchtig und verzweifelt sah sie ihn an.

Ross hatte ein schlechtes Gewissen. „Jamie ist in einem Alter, wo sie sich für alles interessiert. Sie stellt viele Fragen“, sagte er ausweichend.

Amanda sprang auf. „Was für Fragen?“ Sie lief aufgeregt durch das Wohnzimmer.

„Jamie hat einige verschwommene Erinnerungen“, sagte er vorsichtig. „An Sie und Ihren Exmann.“

„Das überrascht mich nicht. Schließlich war Jamie schon vier Jahre alt, als sie mir weggenommen wurde. Sie war alt genug, um sich daran zu erinnern.“

Amanda hatte das Gefühl, Schuldgefühle in Ross’ Gesicht zu erkennen. „Ja.“ Er hustete. „Jamie stellt in letzter Zeit Fragen, die ich nicht beantworten kann. Fragen über ihre frühe Kindheit.“

„Haben Sie ihr die Wahrheit gesagt?“

„Über die Adoption? Über den Kampf ums Sorgerecht? Ja.“

Amanda wusste, wie die offizielle Version der Chandlers lautete. Sie hatte sie oft genug während der Verhandlung gehört.

Ross betrachtete sie. Ein Bild ging ihm durch den Kopf. Ein Bild, das ihn verfolgt hatte, seit Amanda ihr Kind Paige übergeben hatte: Die vierjährige Jamie, die ihre zarten Arme um Amandas Hals gelegt hatte und weinte und schrie, weil sie nicht gehen wollte. Amanda, die das Kind mit schmerzverzerrtem, tränenüberströmtem Gesicht der Frau zurückgeben musste, von der sie es einst bekommen hatte. Und dann Jamies verängstigtes Wimmern. „Mommy, Mommy, ich will nicht weg! Ich will bei dir bleiben, Mommy …“

Ross schüttelte den Kopf, um das Bild zu vertreiben.

„Ich dachte, wenn Jamie Sie wiedersieht und mit Ihnen sprechen könnte, würde ihr das vielleicht helfen.“ Ross suchte nach den passenden Worten. „Damit sie versteht, warum das alles geschehen ist.“

Amanda warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Ich wüsste nicht, wie ich ihr helfen könnte, denn ich selbst habe es nie verstanden.“

Ross fühlte sich in seiner Haut sehr unwohl. Wenn sie Jamie nicht einmal sehen wollte, wie sollte er sie dann von allen weiteren Plänen überzeugen?

Er stand auf. „Als ich herausfand, dass Sie und Ihr Mann geschieden sind, hatte ich eine Idee.“

Ungeduldig sah Amanda ihn an. „Sie meinen doch nicht diese blödsinnige Idee mit der Heirat?“

„Ich weiß, dass dieser Vorschlag oberflächlich betrachtet verrückt erscheint.“ Er bedachte sie, wie er hoffte, mit seinem unwiderstehlichen Lächeln. „Wenn Sie aber einmal darüber nachdenken, werden Sie erkennen, dass diese Ehe im Interesse von uns dreien wäre.“

„Drei?“

„Sie, Jamie und ich.“

„Und was ist mit Jamies Mutter? Wie steht Ihre Schwester Paige zu diesen Plänen? Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass sie mit diesem Vorschlag glücklich ist.“

Wie hatte er nur so dumm sein können? Ross hatte sich alle Argumente sorgfältig zurechtgelegt, die für eine Ehe sprachen, doch er hatte vergessen, Amanda über eine entscheidende Tatsache zu informieren. Er holte tief Luft. „Paige ist tot.“

„Tot?“, wiederholte Amanda.

„Sie starb vor fast zwei Jahren. In Spanien.“ Ross verzog grimmig den Mund. „Der Fahrer des Wagens, in dem sie saß, war betrunken und kam von der Straße ab. Zwei weitere Mitfahrer wurden ebenfalls getötet.“

„Um Gottes willen. Was ist mit Jamie? War sie bei ihr? Wurde sie verletzt?“

„Jamie? Bei Paige? Nein, Jamie war nicht in Europa, als der Unfall passierte. Sie war zu Hause auf dem Familiensitz in Kalifornien.“

„Oh, Ross, es tut mir leid“, sagte sie und stellte fest, dass sie es ehrlich meinte. Es musste fürchterlich für Jamie gewesen sein.

„Das ist der wichtigste Grund, warum wir heiraten sollten. Ich habe alles für Jamie getan, seit sie bei uns lebt. Tatsache aber ist, dass sie eine Mutter braucht.“

Gab es wirklich eine Chance, dass sie Jamie zurückbekam? Amanda betrachtete ihre Fingernägel. „Und welche Gründe gibt es noch für eine Ehe?“

Ross’ Augen blitzten, als spürte er, dass sie angebissen hatte. „Nun, Sie zum Beispiel. Ich weiß, dass es keine Möglichkeit gibt, Sie für all das Leid, das Sie ertragen mussten, zu entschädigen.“ Er trat einen Schritt näher zu ihr. „Aber wenn wir beide heiraten, könnten Sie wieder Jamies Mutter sein.“

„Wollen Sie damit sagen, dass wir Jamie nach der Hochzeit adoptieren würden?“ Sie wusste genau, dass eine solche Formalität für die Chandlers keinen Unterschied machte. Aber sie war nicht gewillt, irgendwelchen Plänen zuzustimmen, ohne ihre eigene Position zu stärken.

Du meine Güte, spielte sie wirklich mit dem Gedanken, Ross’ abenteuerlichen Vorschlag anzunehmen?

„Nach Paiges Tod wurde mein Großvater Caleb Jamies gesetzlicher Vormund.“

Amanda biss die Zähne zusammen, als Ross das Oberhaupt des Chandler-Clans erwähnte. Sie hatte eine vage Erinnerung daran, dass Caleb Ross und Paige nach dem Tod der Eltern großgezogen hatte.

Und sie erinnerte sich genau an die einschüchternde Persönlichkeit und das arrogante Benehmen von Caleb Chandler.

„Das heißt also, dass Caleb der Adoption zustimmen müsste“, sagte Amanda langsam.

„Ich sehe darin kein Problem.“ Anscheinend hatte Ross darüber noch nicht mit seinem Großvater gesprochen. Was auch bedeutete, dass er Caleb nicht über seine Heiratspläne in Kenntnis gesetzt hatte.

Wahrscheinlich, weil der alte Tyrann vor Wut platzen würde. Welche Machtkämpfe wurden innerhalb der Familie ausgetragen? Und welchen Vorteil rechnete sich Ross durch eine Ehe mit ihr aus?

„Was ist mit Ihnen?“ Amanda zog die Augenbrauen hoch. „Sie haben erklärt, warum eine Ehe für Jamie und mich von Vorteil wäre. Welchen Nutzen ziehen Sie daraus?“

Ross ließ sich mit der Antwort Zeit. Amandas Entscheidung würde davon abhängen, wie glaubwürdig er klang.

„Da kann ich mich nur wiederholen. Ich fühle mich verantwortlich für das Unrecht, das Ihnen von meiner Familie zugefügt wurde.“ Das entsprach zwar den Tatsachen, doch es war nicht die ganze Wahrheit. „Ich möchte alles tun, um es wieder gutzumachen.“

„Indem Sie eine völlig Fremde heiraten?“ Ungläubig sah Amanda ihn an.

Ross war jetzt vierunddreißig Jahre alt. Er dachte an all die Frauen, die er kannte, und die ihn heiraten wollten. Diese Frauen waren alle nur hinter seinem Geld und seinem guten Namen her.

Und das war bei Amanda ganz sicherlich nicht der Fall. Aus guten Gründen verachtete sie den Namen und das Geld der Familie.

Außerdem war sie eine hingebungsvolle Mutter. Es konnte keine bessere für Jamie geben.

Und er selbst fühlte sich unerwartet stark zu Amanda Prentiss hingezogen, was für seine Ziele allerdings nicht von Bedeutung war. Er hatte vergessen, wie hübsch sie war.

Bis heute Abend hatte er das Bild einer blassen, verängstigten Frau vor sich gehabt, so wie er sie im Gerichtssaal erlebt hatte. Traurig, verweint, abgemagert, mit eingefallenen Wangen und dunklen Ringen unter den Augen.

Sie war immer noch schlank, aber ihr Gesicht wirkte voller, weicher, und unter den Augen lagen keine dunklen Schatten, so dass sie jünger wirkte als damals im Alter von neunundzwanzig Jahren. Und zum ersten Mal stand er so dicht bei ihr, dass er erkennen konnte, dass ihre Augen genau den dunkelbraunen Farbton hatten wie ihre Haare.

Alles in allem konnte man eine Heirat mit Amanda Prentiss als vorteilhaft bezeichnen. Selbst wenn er einmal den wirklichen Grund für die Ehe außer Acht ließ, war er entschlossen, sie zu seiner Frau zu machen.

„Amanda.“ Ross sah ihr tief in die Augen. „Ich wusste von Anfang an, dass Sie für Jamie eine bessere Mutter wären als Paige. Doch ich habe nichts gesagt, weil sie meine Schwester war. Jetzt habe ich die Chance, alles wieder gutzumachen“, sagte er. „Endlich kann ich Jamie die Mutter zurückgeben, die sie die ganzen Jahre über hätte haben sollen.“

„Habe ich Sie richtig verstanden? Sie wollen eine völlig Fremde heiraten, weil Sie ein schlechtes Gewissen haben? Um das Fehlurteil des Gerichts zu korrigieren?“

„Ich will einfach das Richtige tun.“ Ross zuckte mit den Schultern. „Ist es denn so schwierig zu glauben?“

Amanda wusste nicht, was sie davon halten sollte. In ihrem Wohnzimmer stand ein Mann, den sie bis vor einer halben Stunde als ihren Feind betrachtet hatte. Ein Mann, der möglicherweise immer noch ihr Feind war. Und ausgerechnet dieser Mann bat um ihre Hand.

„Angenommen, ich würde zustimmen“, sagte sie langsam und drehte ihm den Rücken zu. „Welche Absprachen gibt es dann für unser gemeinsames Leben?“

„Absprachen?“

Er trat hinter sie, so dass sie eine Spur seines teuren Aftershave wahrnehmen konnte. Es duftete raffiniert und männlich herb. „Wir haben unseren privaten Flügel in dem Haus“, erklärte er. „Mein Großvater ist bettlägerig, also wird er …“

„Das meine ich nicht“, unterbrach Amanda ihn. Sie spürte ihre heißen Wangen.

„Nicht? Oh.“ Er machte eine Pause. Dann begriff er, worauf Amanda hinaus wollte. Anscheinend hatte er über diesen Punkt noch nicht nachgedacht. „Ich denke … unter diesen Umständen … da man es keine konventionelle Eheschließung nennen kann …“

Ihre Wangen begannen jetzt zu glühen.

Ross legte ihr die Hände auf die Schultern und drehte sie zu sich um. „Wir müssen uns kein Bett teilen“, sagte er ruhig. Er drückte kurz ihre Schultern. „Nicht bis … ich meine, wenn Sie es nicht wollen …“

„Wahrscheinlich hat das Haus viele Schlafzimmer.“ Sie schüttelte seine Hände ab und drehte sich wieder um.

„Amanda, ich weiß, dass ich Sie überrumpelt habe. Sie brauchen sicher Zeit, um darüber nachzudenken.“

„Das kann man wohl sagen.“ Sie konnte noch immer den Druck seiner Hände auf ihren Schultern spüren.

Er zog eine Visitenkarte aus seiner Jackentasche und reichte sie ihr. Weingut Chandler, las sie.

„Auf der Rückseite stehen der Name und die Telefonnummer des Hotels, in dem ich mich aufhalte.“

Sie drehte die Karte um. Natürlich, das beste Hotel am Platz. Das passte.

„Ich werde noch zwei Tage bleiben.“ Ross zögerte, dann ergriff er ihre Hände und drückte sie. „Bitte. Denken Sie darüber nach. Es würde Jamie eine Menge bedeuten. Und mir auch.“ Er machte eine kurze Pause. „Uns allen.“

Erstaunt stellte sie fest, dass sich seine Hände hart und schwielig anfühlten. Arbeitete Ross Chandler etwa selbst in den Weinbergen?

Sie löste sich aus seinem Griff. „Ich kann nichts versprechen“, sagte sie.

Doch ihr Herz schlug ein wenig schneller, als sie Ross zur Tür führte. Jamie, Jamie! Ich kann dich zurückbekommen!

Ross blieb auf der obersten Stufe stehen. „Ich bitte Sie nur, darüber nachzudenken.“

Nein, dachte Amanda. Er fordert viel mehr von mir.

Sie blickte ihm nach, als er auf dem Kiesweg zur Straße ging. Selbst in der Dunkelheit konnte sie seine selbstsichere Haltung erkennen.

Ein Mann, der daran gewöhnt war, alles zu bekommen, was er wollte.

Ross Chandler, Kronprinz der Chandlers, bat sie schon fast auf Knien, seine Frau zu werden. Unglaublich. Was konnte der wirkliche Grund dafür sein, dass er so entschlossen war, sie zu heiraten?

Das Wichtigste war jedoch, dass sie Jamie zurückbekäme, wenn sie Ross Chandler heiratete.

Endlich war die Chance gekommen, für die Amanda jahrelang verzweifelt gebetet hatte. Aber sie hatte mittlerweile die Hoffnung längst aufgegeben.

„Jamie“, flüsterte sie. „Wie sehr ich dich vermisst habe. Ich würde alles tun, um dich zurückzubekommen.“

Sie hörte, wie der Motor eines Wagens angelassen wurde. Ohne weiter nachzudenken, riss sie die Haustür auf und rannte zur Straße.

Sie erreichte den luxuriösen Mietwagen, gerade bevor Ross um die Ecke biegen wollte. Hart schlug sie gegen das Fenster auf der Beifahrerseite.

Sekunden später glitt die Scheibe mit einem leisen Summen hinunter. Ross beugte sich von der Fahrerseite hinüber. „Was ist los?“

Amanda legte die Hand auf die Brust, um ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen. Sollte sie wirklich Ross’ Frau werden? Sollte sie sich der verhassten Familie anschließen? Unter einem Dach mit ihren Feinden leben? Sie könnte sich genauso gut unbewaffnet in die Höhle eines Löwen begeben.

„Ich werde dich heiraten“, sagte sie, sobald sie zu Atem gekommen war.

Ross hatte seine Krawatte gelockert, die Hemdsärmel aufgekrempelt und nun starrte aus dem Hotelfenster in die Dunkelheit. Er konnte den Atlantischen Ozean nicht sehen, doch der Wind wehte den Duft des Meeres zu ihm, und er hörte das Rauschen der Wellen.

Er nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Weinglas. Es war sein Abschied vom Junggesellenleben, denn er wollte Amanda Prentiss schon am nächsten Tag heiraten.

Würde er einen Fehler begehen? War diese Ehe unfair Amanda gegenüber? Unfair sich selbst gegenüber?

Ross zog eine Grimasse. Zu spät, um jetzt noch kalte Füße zu bekommen. Er hatte keine andere Wahl. Oder er würde riskieren, Jamie zu verlieren.

Er musste Amanda heiraten, und zwar schnellstens. Bevor sie erfahren würde, was er selbst zufällig erst vor zehn Tagen herausgefunden hatte: Dass nämlich der Richter, der Jamie damals Paige zugesprochen hatte, von Caleb Chandler bestochen worden war.

2. KAPITEL

Das muss die verrückteste Hochzeit in der Geschichte sein, dachte Amanda.

Sie hatte erst am Abend zuvor zugestimmt, Ross zu heiraten, doch auf sein Drängen hin hatte sie schon ihre Wohnung und ihren Job in der Kunstgalerie gekündigt.

Und das alles am Vormittag.

Ihr Chef war nicht gerade glücklich über die überstürzte Kündigung. Doch der Kauf eines teuren Landschaftsbildes hatte ihn nachgiebig gestimmt.

Kurz nach dem Lunch war ein Umzugsunternehmen gekommen und hatte die wenigen Sachen eingepackt, die Amanda mit nach Kalifornien nehmen wollte.

Erstaunlich, welche Wunder Geld vollbringen konnte.

Eigentlich sollte sie sich geschmeichelt fühlen, dass Ross es so eilig hatte, sie zu heiraten. Doch sie war Realistin und keine Romantikerin. Seine Eile war typisch für die Chandlers. Kaum war eine Aktion beschlossen, machte man sich unverzüglich an die Ausführung und räumte einfach alle Hindernisse aus dem Weg.

Bevor Amanda überhaupt die Chance hatte, die unglaubliche Veränderung in ihrem Leben zu begreifen, saß sie schon im Flugzeug nach Reno, Nevada.

„Wir mieten uns dort einen Wagen und fahren nach Lake Tahoe“, hatte Ross ihr erzählt. „Dort können wir heiraten. Der Schauplatz ist etwas … nun … gehobener als Reno.“

Amanda hatte sofort zugestimmt. Unter normalen Umständen hätte sie sich über die Art geärgert, wie Ross sie drängte und alles bestimmte. Doch in diesem Fall waren die Umstände alles andere normal.

„Ist es nicht schön hier?“ Ross nahm den Blick einen Moment lang von der Straße und lächelte Amanda an. Anscheinend führte er ihr Schweigen darauf zurück, dass ihr die faszinierende Umgebung den Atem verschlagen hatte.

„Hmm? Ja, großartig.“ In Wirklichkeit hatte sie die herrliche Landschaft, durch die sie fuhren, kaum wahrgenommen. Ihre Gedanken drehten sich nur um die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden.

„Auf den Bergen liegt noch Schnee“, stellte Amanda überrascht fest.

Ross nickte. „Es ist erst Mitte Mai“, sagte er. „Dort oben liegt manchmal im Juli noch Schnee.“

„Komisch. Bei Kalifornien denkt man doch eigentlich nur an Hitze.“

„Wir haben alles“, gab Ross fröhlich zurück. „Berge, Wüste, Schnee, Erdbeben …“

Und Jamie, dachte Amanda. Ihr habt auch mein Kind. Aber morgen würde sie ihr kleines Mädchen wieder sehen.

Ross lenkte den Wagen um eine Kurve, und Amanda konnte den ersten Blick auf den Lake Tahoe werfen.

„Was für ein herrlicher Anblick“, staunte sie.

„Ja, phantastisch, nicht wahr?“, schwärmte er und hielt am Straßenrand an. „Egal, wie oft ich nach Tahoe komme, ich bin immer wieder fasziniert.“

Gemeinsam bewunderten sie die Aussicht auf den See und die untergehende Sonne. Amanda ließ die Scheibe hinunter und atmete die frische, nach Pinien duftende Luft ein. Sie roch ganz anders als die feuchte, salzige Meeresluft, an die sie gewöhnt war.

Dies war der Beginn eines neuen Kapitels in ihrem Leben.

„Einfach wunderschön.“ Die beiden Worte, so dicht an ihrem Ohr, ließen sie zusammenfahren. Sie drehte sich um und merkte, dass sie nicht der Landschaft, sondern ihr selbst galten.

Amanda schluckte. Ross’ Augen glänzten wie der See, tief und geheimnisvoll. Er war ihr so nahe, dass die Hitze seines Körpers ihre Haut wärmte. Es war ein herrlicher Kontrast zu der kühlen Luft, die durch das offene Fenster hereinströmte. Sein Atem roch nach dem Kaffee, den sie in Reno getrunken hatten.

Amanda erbebte. In einigen Stunden würde dieser Mann ihr Ehemann sein. Ein Mann, den sie noch nicht einmal geküsst hatte …

Unwillkürlich betrachtete sie seinen Mund. Komisch, aber ihr war noch nie zuvor aufgefallen, wie sinnlich die Lippen eines Mannes sein konnten. Ohne dass es ihr bewusst war, neigte sie sich ein wenig zu ihm.

Vielleicht war es nur ein Zufall, aber Ross wählte genau diesen Moment, um sich wieder gerade hinter dem Lenkrad aufzurichten. „Ich denke, wir sollten jetzt besser weiterfahren, damit wir einen Friedensrichter finden, der noch Dienst hat.“

Amanda wurde rot. Irgendwie fühlte sie sich zurückgewiesen. Sie schloss die Fensterscheibe. „Meinst du nicht, dass es ohnehin schon zu spät ist? Wir sollten bis morgen warten.“

„Du willst doch jetzt nicht etwa kneifen?“ Trotz des neckenden Tonfalls glaubte Amanda eine Spur von Besorgnis aus seinen Worten herauszuhören. Und wieder fragte sie sich, warum Ross ausgerechnet sie heiraten wollte, wo er doch jede andere Frau haben konnte.

„Keine Sorge“, versicherte sie ihm. „Ich habe meine Meinung nicht geändert.“ Sie war genauso erpicht darauf wie er, die Eheschließung so schnell wie möglich zu vollziehen. Sie konnte es kaum noch abwarten, Jamie endlich wieder zu sehen, und sie fürchtete mehr und mehr, irgendetwas könnte in letzter Minute schief gehen.

„Ich weiß, dass alles sehr schnell geht“, sagte Ross. „Und ich will dich auch nicht drängen. Aber es ist wahrscheinlich besser, dass wir schon verheiratet sind, wenn ich dich mit nach Hause bringe. Weniger … verwirrend vielleicht für Jamie.“

Und weniger riskant für Ross, dass Caleb seine sorgfältig ausgearbeiteten Pläne durchkreuzen könnte, spekulierte Amanda.

„Weiß dein Großvater, dass du mich mitbringst?“, fragte sie direkt.

„Nein.“

Autor

Kayla Daniels
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