Historical Exklusiv Band 75

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DER HIGHLANDER UND DIE WILDKATZE von BRISBIN, TERRI
Der Highlander und die Wildkatze Ihr Ende ist nah: Bewaffnete Reiter verschleppen die schöne Lilidh MacLerie als Geisel und bringen sie zu ihrem Anführer! Dann der nächste Schock: Sie kennt ihn! Der muskulöse schottische Laird ist Robert Matheson. Einst raubte er ihr den ersten Kuss, entzündete das Feuer des Verlangens in ihr - bevor er ihr gnadenlos das Herz brach. Und was der attraktive Unhold nun mit ihr vorhat, wissen allein die Götter …

DAS GEHEIMNIS DES HIGHLANDERS von BRISBIN, TERRI
Das Geheimnis des Highlanders Schottland im Jahre 1352: Um ihren Bruder aus der Gefangenschaft zu befreien, bleibt Jocelyn keine Wahl - sie muss den berüchtigten Clanführer Connor MacLerie heiraten! Hat dieser faszinierende Mann tatsächlich seine erste Frau umgebracht, wie alle behaupten? Als sie ihm näherkommt, wächst ihre Überzeugung: Connor ist kein Mörder. Kann Jocelyn es schaffen, seine Unschuld zu beweisen und sein verbittertes Herz zu heilen?


  • Erscheinungstag 05.02.2019
  • Bandnummer 75
  • ISBN / Artikelnummer 9783733737115
  • Seitenanzahl 512
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Terri Brisbin

HISTORICAL EXKLUSIV BAND 75

1. KAPITEL

Lilidh schaute aus dem Fenster und versuchte zu überlegen, welche Möglichkeiten ihr offenstanden. Die Stille zwischen dem Ende des Tages und dem Beginn der Nacht war immer dann ihre liebste Zeit des Tages, wenn sie Entscheidungen treffen musste. Die Tochter des Earl of Douran, Laird der MacLeries, hielt in ihren Gedanken inne. Womöglich war es besser, wenn sie bis zum Morgen wartete …

Sie wandte sich vom Fenster ab und ließ den Blick durch die große und behaglich eingerichtete Kammer schweifen. Ihr war klar, dass ihr nur noch wenig Zeit blieb und sie kaum eine andere Wahl hatte … wieder einmal. Das Pergament lag noch immer fast unbeschrieben da, wo sie es platziert hatte. Sie nahm es hoch und hielt es so, bis sie im Kerzenschein die Buchstaben darauf erkennen konnte. Zum zigsten Mal las sie sie und konnte sich noch immer nicht entscheiden, wie sie weitermachen sollte, wie sie das, was sie mitzuteilen hatte, in Worte fassen sollte.

An den Earl und die Countess of Douran, begann der Brief mit den förmlichen Titeln der beiden, dann folgte: Vater und Mutter.

Und dann … nichts mehr.

Wie sollte sie ihr Elend erklären, in das sie der Tod ihres Ehemanns gestürzt hatte, mit dem sie nur zwei Monate lang verheiratet gewesen war? Das Ableben des Lairds der MacGregors wurde nach außen hin verschwiegen, bis sein Erbe – sein jüngerer Bruder – von den Ältesten des Clans als neuer Anführer bestätigt wurde. In ihrer Rolle in dieser Ehe war Lilidh kläglich gescheitert, hätte sie doch beide Clans aneinander binden und dem MacGregor einen Erben gebären sollen. Denn obwohl sie als unerfahrene junge Frau mit Iain MacGregor den Bund der Ehe geschlossen hatte, war ihr nicht entgangen, dass es zwischen ihnen nicht so gewesen war, wie es hätte sein sollen.

Das Pergament in ihrer Hand bewegte sich leicht im warmen Luftstrom, den die Hitze der brennenden Kerze hervorrief. Lilidh setzte sich an den Tisch, nahm den Federkiel und tauchte ihn gerade so weit in die Tinte, dass er nicht klecksen würde. Dann zwang sie sich dazu, die Worte aufzuschreiben, mit denen sie sich in den Augen ihrer Eltern und ihres Clans selbst demütigen würde.

Ich habe festgestellt, dass ich Euren Ratschlag benötige, was die Situation meiner Stellung hier in Iain MacGregors Haushalt und bei seiner Familie angeht. Als seine Witwe ohne jede Hoffnung, einen Erben zur Welt zu bringen, weiß ich …

Aber was wusste sie? Sie hatte ihn geheiratet, nachdem von ihrem Onkel ein Vertrag ausgehandelt worden war, den ihr Vater unterzeichnet hatte. Über ihren Anteil an der Mitgift konnte sie nach eigenem Ermessen verfügen, und man ließ ihr die Wahl, im Clan ihres Ehemannes zu bleiben oder zu ihrem eigenen Clan zurückzukehren. Ihr Onkel hatte dafür gesorgt, dass die Bedingungen des Vertrags sie schützten. Doch ihr die Entscheidung zu überlassen, machte alles nur viel schwieriger für sie. Lieber wäre es ihr gewesen, hätte ihr jemand gesagt, was sie als Nächstes zu tun habe.

Wenn sie blieb, würde man für sie eine weitere Ehe arrangieren, sobald ein geeigneter Mann gefunden war, damit die Verbindung zwischen den Clans gestärkt wurde. Kehrte sie heim, würde man sie anderweitig verheiraten, aber zu Hause würde sie auch mit der Enttäuschung ihrer Familie angesichts ihres Versagens konfrontiert werden. Da sie nichts erklären und mit niemandem offen reden konnte, wusste sie nicht, was sie  schreiben sollte.

Wie albern sie sich doch benahm! Ihre Eltern liebten sie und würden sie wieder bei sich aufnehmen, auch ohne jegliche Erklärung. Ihre Mutter war die Einzige, mit der sie über Persönliches reden konnte, so wie es bereits vor ihrer Ehe der Fall gewesen war. Ihre Mutter würde ihr zuhören, selbst wenn sie ihr nicht erklärte, was sich zwischen ihr und ihrem Ehemann abgespielt hatte … oder besser gesagt: was sich eben nicht abgespielt hatte. Sie wandte den Blick von der Kerzenflamme ab und atmete einmal tief durch, dann machte sie das einzig Vernünftige. Sie bat ihre Eltern, heimkehren zu dürfen.

Es gibt für mich kaum einen Grund, noch länger hier zu verweilen, daher möchte ich Euch um die Erlaubnis bitten, nach Lairig Dubh zurückkehren zu dürfen, sobald eine Eskorte bereitgestellt werden kann. Ich möchte Euch in anderen wichtigen Angelegenheiten persönlicher Natur um Euren Ratschlag bitten, doch ich fühle mich nicht wohl bei dem Gedanken, derlei Dinge in diesem Brief niederzuschreiben.

Vater, bitte lass mich wissen, ob Dir meine Heimkehr genehm ist.

Mutter, schließ mich bitte in Deine Gebete ein, damit der Allmächtige in dieser schwierigen Zeit über mich wacht.

Es waren nur wenige Zeilen, die aber alles Wesentliche aussagten. Mehr als das gab es eigentlich nicht mitzuteilen. Sie ließ die Tinte trocknen, faltete den Brief zusammen, gab das Siegelwachs darauf und drückte den Ring hinein, den ihr Vater ihr ein Jahr zuvor zum Geburtstag geschenkt hatte. Den Brief würde sie am Morgen einem der MacLerie-Diener mitgeben, die sie hierher begleitet hatten. In zwei Wochen erhielt sie hoffentlich eine Antwort von ihren Eltern und wüsste dann endlich, was die Zukunft ihr bringen würde.

Aber wie sollte sie nur erklären, dass sie Witwe, aber immer noch Jungfrau war?

Jocelyn, Connor MacLeries Ehefrau, hielt das Pergament hoch und las die Zeilen noch einmal. Aus den Worten konnte sie deutlich herauslesen, wie traurig ihre älteste Tochter war. Lilidh war stets selbstsicher und entschieden aufgetreten, doch der ganze Tonfall in ihrem Brief verriet ihr, wie verloren und unsicher das Mädchen war.

„Wirst du es ihr erlauben?“, fragte sie ihren Ehemann, der eben aus dem Bett aufgestanden war und zu ihr an den Tisch kam, an dem sie saß. Als sie zu ihm hochsah, wurde ihr schwer ums Herz. Lilidh war so weit weg, und Jocelyn wollte sie in ihre Arme schließen und sie den Schmerz vergessen lassen, der so deutlich in ihren Worten zum Ausdruck kam.

„Ich bespreche das mit Duncan und den anderen Ältesten“, antwortete Connor leise, zog ihr das Pergament aus den Fingern und legte es zurück auf den Tisch. „Die MacGregors wollen Iains Tod nicht öffentlich machen, bis sein Erbe seinen Platz einnehmen kann. Da die Lage zwischen ihnen und den MacKenzies so angespannt ist, dass Krieg in der Luft zu liegen scheint, tun sie alles, um einen Angriff zu vermeiden. Heute Nacht können wir überhaupt nichts unternehmen, also komm zurück ins Bett, Jocelyn.“ Er nahm sie bei der Hand und zog sie vom Stuhl hoch.

Sie ließ sich von ihm so in den Arm nehmen, wie sie es am liebsten mit Lilidh getan hätte, aber ihr wurde schnell klar, dass er sie nicht an sich zog, um ihr Trost zu spenden. Ihm ging es um seine Lust und um den Versuch sie abzulenken, aber er wollte sie auch davon abbringen, sich zu sehr für die Entscheidungen des Clans zu interessieren. Sie würde ihn gewähren lassen, doch jetzt wollte sie erst eine Antwort haben, da sie die Männer eine so schwerwiegende Entscheidung nicht treffen lassen würde, ohne ihre Meinung dazu kundzutun.

„Wirst du sie nach Hause holen?“ Sie beobachtete die unterschiedlichen Gefühlsregungen, die die Miene ihres Gatten widerspiegelte. Schließlich konnte sie ihm wie erwartet seine Einwilligung ansehen.

„Aye. Ich hatte nur auf ein Wort von ihr gewartet.“

Sie beugte sich vor und küsste ihn auf den Mund. „Hast du ihr schon eine Nachricht zukommen lassen?“

„Die Nachricht an die MacGregors geht morgen früh auf den Weg. In einer Woche sollte Lilidh wieder hier sein.“

„Und die Konsequenzen?“ Sie wusste, diese Ehe war nicht bloß zwischen einem Mann und einer Frau, sondern zwischen zwei Clans arrangiert worden. Außerdem hatten die Väter gemeinsam überlegt, wen ihre Kinder am besten heiraten sollten. Da es dabei um ihre Tochter gegangen war, hatte Jocelyn an den meisten Beratschlagungen nicht teilnehmen und nur Gespräche mit Connor führen dürfen. Gespräche, in deren Verlauf sie beide sich jedes Mal früher oder später im Bett wiedergefunden hatten.

„Du kennst die Konsequenzen. Niemand hat mir Fragen gestellt, inwieweit sie etwas mit Iains Tod zu tun hatte, also müssen die MacGregors die Art und Weise seines Ablebens akzeptiert haben. Lilidhs Mitgift wird uns zurückgegeben, und es bleibt mir überlassen, wen sie als Nächstes heiraten wird.“

Das hatte sie hören wollen. Lilidh würde nach Hause zu ihrer Familie zurückkehren, und ihr künftiges Glück lag wieder allein in den Händen ihres Vaters, begleitet natürlich von den Ratschlägen seiner engsten Verwandten und Beratern … und von ihr, seiner Ehefrau.

Aber da Jocelyn die Ehe mit dem Laird der MacGregors für gut gehalten hatte, konnte sie sich kaum über Connors Entscheidung beklagen. Was immer es sein mochte, das sich zwischen Lilidh und Iain abgespielt und was seinen Tod ausgelöst hatte, dadurch war es unmöglich geworden zu beweisen, dass es die richtige Entscheidung gewesen war.

Nachdem Connor ihr die gewünschte Antwort gegeben hatte, hob er den Kopf und küsste sie auf den Mund. Im gleichen Augenblick wurde ihre Leidenschaft entfacht, und Jocelyn genoss jeden Moment. Wie sehr sie doch gehofft hatte, Lilidh würde so etwas in ihrer eigenen Ehe ebenfalls erfahren! Auch wenn Iain älter als sie und schon einmal verheiratet gewesen war, hatte sie das Gefühl gehabt, dass er ein guter Mann war, der Lilidh auf Händen tragen würde. Die Verlobung und die Vermählung waren vielversprechend verlaufen, und Jocelyn hatte nicht daran gezweifelt, dass sie schon bald Enkelkinder haben würde.

Aber nun war Iain tot, und Lilidh kehrte nach Hause zurück.

Sobald sie wieder hier ist und wir ungestört reden können, werde ich die wahren Gründe herausfinden, nahm Jocelyn sich vor. In ihrem Brief hatte Lilidh sie um ihren Ratschlag nahezu angefleht, und sie würde alles tun, um ihrer Tochter zu helfen.

Jetzt forderte allerdings ihr Ehemann ihre Aufmerksamkeit, und wenn ihr Highland-Herrscher nach ihr rief, war sie immer zur Stelle.

Immer.

Robert Matheson knirschte vor Wut so mit den Zähnen, dass er befürchtete, sich den einen oder anderen Zahn abzubrechen. Dabei versuchte er nur alles, um seine Wut daran zu hindern, sich ihren Weg zu bahnen. Es half auch nichts, die Hände zu Fäusten zu ballen, er konnte einfach nicht zulassen, dass dieser Wahnsinn noch länger anhielt.

„Halt!“, rief er denen zu, die sich vor seinen Augen stritten. „Ein Angriff auf die MacLeries wird nur unsere eigene Vernichtung zur Folge haben!“ Er sah einen nach dem anderen an und musste beim Anblick ihrer trotzigen Mienen erkennen, dass sie sich nicht von ihren Absichten abbringen lassen würden. Aber er konnte zumindest versuchen, sie für eine Weile aufzuhalten. „Wenn wir das machen wollen, müssen wir uns erst einen vernünftigen Plan zurechtlegen. Wir können nicht so bald zuschlagen, wie es euch allen lieb wäre.“ Und es würde auch nicht so einfach sein, wie sie glaubten.

Zwar hatten die Ältesten des Matheson-Clans ihn nach dem Tod seines Vaters als Anführer akzeptiert, aber diesen Sieg hatte er sich hart erkämpfen müssen. Sein Cousin Symon, Sohn der ältesten Schwester seines Vaters, hatte sich dagegen ausgesprochen und gehörte zu den Kriegstreibern im Clan. Rob dagegen wusste sehr genau um die Schlagkraft und die Kampfesstärke der MacLeries.

Schließlich war er Connor MacLeries Pflegesohn gewesen.

Fünf Jahre hatte Rob bei ihnen gelebt, von den besten Kriegern Kampftechniken erlernt, die Gefechtsstrategien ihrer Taktiker studiert und sich von den Unterhändlern abgeguckt, wie man Kämpfe von vornherein vermeiden konnte. Daher hatte er keinerlei Absicht, gegen einen Clan in die Schlacht zu ziehen, den er nicht besiegen konnte. Und schlimmer noch: einen Clan, der sie im Gegenzug überrennen und auslöschen würde, der auf ihrem Land keinen Stein auf dem anderen lassen würde. Aber wenn er den Ältesten des Rats zuhörte, die unentwegt alle Gründe für einen Angriff vortrugen und die nur auf die Leute hörten, die in Wahrheit von nichts Ahnung hatten, fühlte er sich versucht, sie einfach alle unvorbereitet losziehen zu lassen.

Doch seine Loyalität gegenüber seiner Familie und seinem Clan hielt ihn davon ab, diesen Gedanken in die Tat umzusetzen. Er sah zu Dougal, seinem anderen Cousin, der nicht Laird werden wollte, und wartete darauf, dass der einzige andere Vernünftige im Raum sich auf seine Seite stellte. Das tat Dougal dann auch, was die Kriegstreiber zwar nicht völlig verstummen ließ, sie aber wenigstens dazu brachte ihm zuzuhören.

„Rob hat recht“, rief Dougal. „Ein sinnloser Angriff wird unserem ganzen Clan Tod und Verderben bringen.“ Ein paar grummelten missbilligend vor sich hin, andere hörten ihm zu. „Lasst den Laird darüber nachdenken und entscheiden. Niemand kennt die MacLeries besser als er, und wenn es eine Schwachstelle gibt, wird er sie finden.“

Rob wusste nicht, ob er jubeln oder ihn würgen sollte. Eine Schwachstelle, um den MacLerie besiegen zu können? Den Mann, den man den Schrecken der Highlands nannte?

Eine solche Schwachstelle existierte nicht.

Allein mein bisheriges Verhalten kann man bereits als Verrat an Connor auslegen, dachte Rob. Ein Angriff auf die MacLeries wäre ein Todesurteil für ihn selbst und die übrigen Mathesons. Schwach wurde Connor nur, wenn es um seine Kinder ging, ansonsten rottete er seine Feinde gnadenlos aus und machte mit Verrätern kurzen Prozess. Der Bruch mit Connor auf Geheiß des Rates und die anschließende Annäherung an die MacKenzies war das Schwierigste gewesen, was er je hatte tun müssen. Er war sich sicher, dass er irgendwann dafür noch teuer bezahlen würde.

Dougal ging ein paar Schritte zurück und überließ Rob die Mitte des Podests. Noch bewahrten die Männer Ruhe.

„Ich sammele bereits Informationen“, sagte er. „In diesem Moment sind Boten unterwegs, um Schwächen der MacLeries auszukundschaften. In spätestens einer Woche werden wir uns zusammensetzen und unsere Pläne besprechen.“

Mit einer herrischen Geste löste er die Versammlung auf und konnte nur hoffen, dass die Männer sich ihm fügen würden. Aber bis auf Dougal verließen tatsächlich alle den Saal. Rob kehrte an die Tafel zurück und schenkte sich einen Becher Ale ein, einen zweiten gab er Dougal.

„Du hast dich überzeugend angehört, Rob“, sagte Dougal. Er trank einige Schlucke und wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab. „Hast du einen Plan?“

„Höchstens den, zum Allmächtigen zu beten, damit er uns eine Sintflut schickt.“

„Das habe ich dir angesehen“, meinte er lachend. „Bluffen war noch nie deine Stärke.“ Dann wurde Dougal wieder ernst. „Was wirst du machen?“

„Weiterhin auf Zeit spielen“, antwortete Rob. „Ich begreife nicht, wieso sie die MacLeries angreifen wollen. Mir kann doch nicht als Einzigem klar sein, wie stark sie sind.“

Rob trank einen großen Schluck und beobachtete die Diener, die den Saal für das Nachtmahl herrichteten. Die Halle war nicht so groß und so prachtvoll wie die auf Lairig Dubh, aber sie gehörte zu seinem Besitz. Er hatte geschworen, seine Familie zu beschützen, notfalls auch vor sich selbst. Irgendetwas war hier im Gange, das konnte er deutlich spüren. Er musste unbedingt den wahren Grund herausfinden, warum einige im Clan die MacLeries bekriegen und sich den MacKenzies zuwenden wollten.

„Wie kann ich dir helfen?“, fragte Dougal, gerade als Ellyn, ihre wohl hübscheste Cousine, zu ihnen kam, um den Tisch zu decken.

Rob riss sich von ihrem Anblick los und drehte sich zu seinem engsten Freund um. Ihm blieb keine andere Wahl, er musste sich jemandem anvertrauen, bevor die Situation ganz außer Kontrolle geriet. Er machte einen Schritt auf Dougal zu.

„Jemand versucht, die MacLeries als unsere Feinde hinzustellen“, erklärte er mit gesenkter Stimme. „Die MacLeries sind mit den MacKenzies weder befreundet noch verfeindet, sie gehen sich gegenseitig aus dem Weg. Es kann also keiner von beiden Seiten gefallen, dass in unseren Reihen Stimmung gegen sie gemacht wird. Und wir können es uns nicht leisten, zwischen beide Clans zu geraten. Ich vermute, Cousin Symon hat etwas damit zu tun, aber solange ich keinen Beweis habe, kann ich ihm nichts vorwerfen.“

Dougal betrachtete ihn einen Moment lang, dann nickte er. „Ich will sehen, was ich machen kann.“

„Ich werde in deiner Schuld stehen“, erwiderte Rob und klopfte ihm auf die Schulter.

Nachdem Dougal sich entfernt hatte, blieb Rob mit dieser und den vielen anderen Sorgen allein zurück, mit denen ein Clanführer tagtäglich zu tun hatte: Klagen der Dorfbewohner, Anliegen des Clans und nicht zu vergessen die Forderung der Ältesten, er solle so bald wie möglich seine Verlobte – Symons Schwester – heiraten, um die beiden zerstrittenen Gruppierungen zu einen.

Vor Jahren, als er Connors Pflegesohn gewesen war, hätte er sich nie träumen lassen, einmal der Laird seines Clans zu werden. Als sein leiblicher Vater sich ein drittes Mal vermählte, da er noch keinen männlichen Erben hatte, war er noch jung genug gewesen, um ein Kind zu zeugen. Und bald war Ailean, seine jüngste Ehefrau, schwanger gewesen. Natürlich hatten alle erwartet, dass es ein Sohn werden würde. Ein direkter, legitimer Erbe.

Und dann der schreckliche Unfall …

Als Sohn der ältesten Schwester des Lairds sollte Symon bestenfalls erwarten, beim nächsten Laird eine Beraterfunktion einzunehmen oder ihm auf andere Weise zu dienen. Da er selbst ein Bastard war, konnte Rob noch viel weniger erwarten, doch nach dem Tod seines Vaters und dessen Ehefrau war er zum Clanführer bestimmt worden. Er – nicht sein Cousin Symon.

Er sah Dougal hinterher, wie der den Saal verließ. Rob wusste, er würde die Wahrheit ans Licht bringen. In der Zwischenzeit musste er diejenigen um sich scharen, die loyal zu ihm standen, und sich darauf vorbereiten, diesem lächerlichen Unterfangen ein Ende zu bereiten. Einem Unterfangen, das seine Position untergraben sollte und die bestehenden Verträge mit den MacLeries zunichtemachen würde.

Er konnte nur beten, dass ihm noch genug Zeit blieb, um die Katastrophe abzuwenden, die er in den Knochen spüren konnte.

2. KAPITEL

Lilidh sah nach rechts und überlegte, ob ihnen wirklich jemand im Wald neben dem Weg folgte, auf dem ihre Reitergruppe unterwegs war. Sie schaute angestrengt in die Schatten zwischen den Bäumen und konzentrierte sich längere Zeit auf einen Punkt. Dennoch konnte sie immer noch nicht sagen, ob ihr nur das Licht einen Streich spielte, das durch die Baumkronen fiel. Unschlüssig ritt sie weiter, erwähnte aber ihren Begleitern und den Wachen gegenüber nichts von ihrer möglichen Beobachtung. Ein kurzes Stück weiter folgten sie einer Biegung des Weges, der in südlicher Richtung nach Lairig Dubh führte.

Da begann der Angriff.

Eben waren sie noch friedlich unterwegs gewesen, und nur einen Moment später stürmten von den Hügeln ringsum Männer auf sie los. Obwohl Lilidh eine gute Reiterin war, geschah alles so plötzlich, dass sie im nächsten Augenblick ohne Pferd dastand und von fünf bewaffneten Kriegern umstellt war. Während sie ihren Dolch zog, sah sie die Männer durchdringend an. Sie würde sich gegen sie wehren, wenn nur ihr verletztes Bein durchhielt.

Entschlossen drehte sie das Heft ihrer Klinge in der Hand, bis sie den besten Griff gefunden hatte, dann holte sie mit dem Dolch aus, um ihre Gegner auf Abstand zu halten. Aus dem Augenwinkel verschaffte sie sich einen Überblick, wie es den anderen erging, und musste feststellen, dass außer ihr alle tot oder bewusstlos am Boden lagen. Sie holte tief Luft und versuchte durch eine Lücke zu entkommen, aber irgendwer bekam sie zu fassen und zog sie mit aller Kraft an sich. Sie prallte mit solcher Wucht gegen einen großen, muskulösen Körper, dass es ihr vorkam, als wäre sie gegen eine Mauer geschleudert worden. Eine Hand griff in ihr Haar und riss ihren Kopf nach hinten. Ihr Hals war völlig ungeschützt, und Lilidh wusste, in ein paar Augenblicken würde sie der Tod ereilen.

„Wer ist sie?“, fragte jemand neben ihr in schroffem Tonfall. Derjenige, der sie an sich gedrückt hielt, drehte sich mit ihr um, sodass sie ihr Kammermädchen Isla reglos im Gras liegen sah. Sie regte sich nicht, als einer der Angreifer sie mit dem Fuß anstieß.

Tränen stiegen Lilidh in die Augen, da ihr klar wurde, dass die Frau, von der sie großgezogen worden war, tot sein musste. Aber warum? Wer hatte ihren Tod zu verantworten? Zorn begann in ihren Adern zu kochen.

„Wer seid Ihr, dass Ihr eine Gruppe angreift, die unter dem Banner der MacLeries reist?“, rief sie und versuchte sich aus dem Griff zu befreien. „Was wollt Ihr?“

Ein Mann kam zu ihr, der Ausdruck in seinen dunklen Augen ließ sie erschrocken zurückweichen. Zumindest wäre sie zurückgewichen, wenn der Mann hinter ihr nicht unverrückbar wie ein Felsblock dagestanden hätte. „Du bist das MacLerie-Mädchen.“

Es war keine Frage, also gab sie keine Antwort. Trotzig hob sie ihr Kinn. Ihr Stolz ließ es nicht zu, ihre Herkunft zu verleugnen. Dennoch wollte sie wissen, wer es gewagt hatte sie zu überfallen.

„Und wer seid Ihr? Und welchen Anlass habt Ihr, eine unschuldige Frau zu töten?“, sagte sie und verkniff sich einen schmerzhaften Aufschrei, als der Mann hinter ihr abrupt wieder ihren Kopf nach hinten riss.

Der Mann mit den dunklen Augen nickte kurz, und gerade als Lilidh von ihm verlangen wollte, freigelassen zu werden, traf sie von hinten ein Schlag am Kopf. Um sie herum versank alles in völliger Schwärze.

Jeder der nachfolgenden Tage fing schlecht an und wurde nur noch übler. Kaum hatte Rob einen Teil seines Clans beschwichtigt, da beklagten sich einige andere. Immer wieder fragte er sich, was Connor MacLerie wohl machte, dass bei ihm alles so mühelos wirkte. Aber dann fiel ihm ein, dass Connor der nicht ganz unbegründete Ruf vorauseilte, der Schrecken der Highlands zu sein. Vielleicht würde er einen ähnlichen Ruf erlangen, wenn er einfach jeden klagenden und quengelnden Matheson umbrachte.

Von Symon hörte er gar nichts, aber das war nur umso besorgniserregender. Wenn er sich über irgendetwas beschwerte, wusste Rob wenigstens, was er im Schilde führte. Sein Cousin war weder in der Feste noch im Dorf zu finden, er war ohne ein Wort verschwunden.

Eben wollte er nach Dougal rufen, da flogen die Türen zur Großen Halle auf, und eine Gruppe Krieger kam angeführt von Symon herein. Die Männer johlten und jubelten, als gäbe es einen großen Sieg zu feiern. Rob nickte beiläufig dem Mann zu, den er zu seinem Kommandanten ernannt hatte, und sofort versammelten sich zusätzliche Wachen um die Tafel, an der er saß. Symon ließ sich nichts anmerken, aber seine Gangart und seine Miene verhießen nichts Gutes, als er auf ihn zukam.

„Rob“, sagte Dougal, der sich von der anderen Seite näherte und sich hinter seinen Laird stellte. „Das sieht nach Ärger aus.“ Rob nickte nur und wartete ab.

„Du hast dich lange genug vor einer Entscheidung gedrückt, Laird“, begann Symon und ließ den Titel wie eine Beleidigung klingen. „Die Mathesons werden nicht länger einem Anführer folgen, der sie nicht führt.“ Aus der im Saal versammelten Menge ertönten sowohl zustimmende als auch ablehnende Rufe. „Aber das ist nicht länger ein Problem, denn ich habe getan, wozu du nicht fähig und nicht willens warst.“

Nachdem er die Eignung seines Cousins als Clanführer infrage gestellt hatte, stieg Symon auf die erste Stufe zum Podest. Auf der Stelle trat Rob einen Schritt auf ihn zu, um ihm den Weg zu versperren. Eine aufgeheizte, feindselige Stimmung machte sich breit. Dougals Hand näherte sich dem Heft seines Schwerts, aber Rob schüttelte warnend den Kopf.

„Mich kümmert nicht, was du zu sagen hast, Symon“, erklärte er und ging Stufe um Stufe nach unten, womit er sein Gegenüber zum Rückzug zwang. „Ich bin der Clanführer, und ich treffe die Entscheidungen für diesen Clan.“

Rob verschränkte die Arme vor der Brust und beobachtete Symons Mienenspiel, während sich hinter ihm alle aufstellten, die auf seiner Seite waren. Bis auf Murtagh waren es alle Ältesten, aber Murtaghs Haltung überraschte ihn nicht. Der Mann hatte von vornherein hinter Symon gestanden, und bei diesem Entschluss blieb er auch jetzt.

„Du weigerst dich, die MacLeries anzugreifen, obwohl wir das wollen“, sagte Symon. Rob spannte sich an, denn er wusste, dass Übles auf ihn zukam. „Lachlan, komm her“, rief sein Cousin gleich darauf.

Einer der Männer trat vor, über seiner Schulter lag ein verschnürtes Stoffbündel. Erst als es sich bewegte, wurde Rob klar, dass sich darin ein Mensch befand. „Symon“, flüsterte er. „Was hast du getan?“

Der Mann ließ das Bündel von der Schulter gleiten und auf den Boden fallen, dann stellte er sich wieder zu den anderen.

„Du hast das arrangiert, Symon, dann zeig du uns auch, wer das ist“, forderte Rob ihn auf, damit das Ganze nicht unnötig in die Länge gezogen wurde.

Symon löste die Schnüre, dann zog er ruckartig an dem Bündel, damit es sich ausrollte. Im nächsten Moment lag vor ihnen eine Frau auf dem Boden, die an Händen und Füßen gefesselt war und der man einen Sack über den Kopf gestülpt hatte. Und die womöglich erstickt war? Zumindest hatte es den Anschein, da sie sich nicht mal regte, als Symon sie mit dem Fuß anstieß.

„Was zum Teufel hast du gemacht?“, brüllte er Symon an, während er der Frau den Sack vom Kopf zog und sie von ihrem Knebel befreite. Er winkte eine Dienerin herbei, damit sie sich um die Frau kümmerte, drehte sich zu Symon um, packte ihn am Kragen und schleifte ihn ein Stück weit mit sich. „Wer ist das? Und warum hast du sie entführt?“

„Wir haben sie nicht entführt, Rob. Sie ist unsere Kriegsgefangene“, antwortete er.

„Wir führen gegen niemanden Krieg!“ Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Nein, nicht einmal Symon wäre so dreist und … nein, das konnte nicht sein. Oder … war das tatsächlich Lilidh MacLerie?

Rob sah die Frau an, die bewusstlos auf dem Boden lag. Die Dienerin hatte ihr die Haare aus dem schmutzigen Gesicht gestrichen und drückte einen feuchten Lappen auf ihre Stirn. Auf den ersten Blick bemerkte er die teure Kleidung, die wertvollen Edelsteinringe und auch den goldenen Ring, der anzeigte, dass sie verheiratet war.

Dann fielen ihm die schön geschwungenen Augenbrauen und die vollen Lippen auf, die ihn in seiner Jugend fasziniert hatten und von denen er noch jetzt träumte. Es gab keinen Zweifel daran, wer die Frau war.

„Du hast MacLeries Tochter entführt? Sie ist mit Iain MacGregor vermählt!“

Er fluchte leise, als er die Folgen dieser Tat begriff. Das war ein kriegerischer Akt, der sich gleich gegen zwei mächtige Clans richtete. Und es ging dabei nicht bloß um den Diebstahl von ein paar Rindern oder um den einen oder anderen niedergebrannten Bauernhof. Das hier war eine persönliche Attacke, die sich gegen beide Clans und ihre Lairds richtete. Himmel, was hatte Symon ihnen bloß eingebrockt?

„Dougal, sieh nach, ob alle Wachen am Platz sind. Brodie“, rief er dem Steward zu. „Hol die Familien von den umliegenden Höfen in die Burg.“

Er stieß Symon aus dem Weg und kniete sich neben Lilidh hin. Wie erwartet hatte sie sich gegen ihre Angreifer zur Wehr gesetzt, dafür sprachen die blauen Flecken im Gesicht und die abgebrochenen Fingernägel. Als er an ihrem Hals Würgemale entdeckte, ballte er die Hände. Was hatte man ihr noch angetan?

„Wie bist du auf sie gestoßen?“, fragte er und ging auf Symon zu. Wie gern hätte er ihm ein paar Knochen gebrochen! Er packte Symon am Kragen und drängte den Mann nach hinten, bis der mit dem Rücken zur Wand stand. „Wo sind die anderen?“

Symon sah an Rob vorbei, und sofort wusste er, dass Lachlan sich ihm näherte. Mit einem knappen Nicken ließ er seine Leute dazwischengehen. „Wo sind sie?“, fuhr er Symon an und drückte ihm den Hals so fest zu, dass der zu röcheln begann.

„Sie war auf dem Weg nach Lairig Dubh. Wir haben sie uns vorgenommen, unmittelbar nachdem sie das Land der MacGregors verlassen hatte“, brachte Symon heraus.

„Und die Wachen? Die Dienerschaft?“, fragte er, obwohl er die Antwort darauf bereits kannte. Symons Leute hatten dafür gesorgt, dass sie als Mathesons erkannt worden waren. Die MacLeries und die MacGregors sollten wissen, wer Lilidh in seine Gewalt gebracht hatte. Symon wollte ihn zu einem Krieg zwingen.

Rob stieß ihn zu Boden und kehrte zu der Dienerin zurück, die sich um Lilidh kümmerte. „Such für sie ein Gemach“, wies er sie an.

„Sie ist meine Gefangene, Rob. Sie soll in den Adlerhorst.“

„Hältst du sie für so gefährlich?“, fragte er und deutete auf die bewusstlose Frau.

Der Adlerhorst war einer der ältesten Teile der Feste. Das Dach war von einem Blitzeinschlag zerstört worden, und niemand hatte bislang irgendwelche Reparaturen vorgenommen. Vor sehr langer Zeit diente dieser Raum als Zelle für Gefangene, aber das war längst nicht mehr der Fall. Rob drehte sich zu Symon um, da er ihm klarmachen wollte, dass er entschied, wo ein Gefangener des Clans untergebracht wurde. Doch in dem Moment rührte sich Lilidh.

Im nächsten Augenblick war sie schon aufgesprungen, hatte einem der Männer einen Dolch entrissen und die Dienstmagd als Geisel genommen. Ihr wilder Blick zeugte von ihrer Verwirrung und warnte zugleich davor, dass sie unberechenbar war. Rob hielt ihr die Hände hin und zeigte ihr so, dass er nicht bewaffnet war, dabei ging er langsam auf sie zu.

„Komm, Mädchen“, sagte er leise. „Lass Edith los, und alles wird in Ordnung sein.“

Es hätte womöglich geklappt, aber da begann Symon laut zu johlen, um Lilidh zu verhöhnen, und seine Männer stimmten gleich darauf mit ein. Erschrocken sah sie sich um, zweifellos auf der Suche nach einem Fluchtweg. Sie zog Edith wie einen Schild mit sich und zwinkerte ein paarmal. Das und ihr unsicherer Gang deuteten für Rob auf eine Kopfverletzung hin. Er folgte ihr, ohne den Abstand zu ihr zu verändern, sprach beruhigend auf sie ein, jedoch gingen seine beschwichtigenden Worte im Geschrei der Männer unter.

„Ruhe!“, brüllte er, um die Lage wieder in den Griff zu bekommen.

Das gelang ihm zwar, aber Lilidh nutzte den Moment der Ablenkung, schubste ihm Edith entgegen und rannte zur Tür. Rob folgte ihr, um zu verhindern, dass sie es nach draußen schaffte oder dass Symon ihm zuvorkam. Tatsächlich war Symon etwas schneller und versperrte ihr den Weg zur Tür.

„Na, komm schon“, lockte Symon sie. „Willst du es noch mal mit mir aufnehmen?“

Ich werde Symon für diese Wahnsinnstat umbringen, schwor sich Rob. Aber erst einmal musste er Lilidh unter Kontrolle bekommen, bevor sie sich noch verletzte. Wahrscheinlich wusste sie gar nicht, wo sie sich befand und wer er war. Ihre Blicke trafen sich zwar, doch sie schien ihn nicht wiederzuerkennen. Allerdings waren seit ihrer letzten Begegnung viele Jahre vergangen, und er war seitdem älter und erwachsener geworden. Sie hingegen hätte er jederzeit wiedererkannt.

„Lilidh MacLerie“, rief er ihr zu. „Erinnerst du dich an mich?“ Gleichzeitig gab er ein Zeichen, damit Symon sich zurückzog. Der setzte sich jedoch erst in Bewegung, als Robs Getreue sich ihm drohend näherten. „Lilidh?“

Die Hand, mit der sie den Dolch festhielt, begann zu zittern, Lilidh verlor erneut das Gleichgewicht, aber ehe sie hinfallen konnte, bekam sie sich wieder in den Griff. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und versuchte sich auf Rob zu konzentrieren.

„Wer seid Ihr? Warum habt Ihr mir das angetan?“, fragte sie und sah von einem zum anderen. „Weiß mein Vater davon?“

Ihr Blick kehrte zu ihm zurück, und Rob lächelte sie an. Sie starrte ihn mit ihren grünen Augen an und schien ihn zu erkennen. Als sie verwirrt den Kopf schüttelte und ein paar Mal zum Reden ansetzte, war sie lange genug abgelenkt. Rob machte einen Satz und bekam ihr Handgelenk zu fassen, das er so fest drückte, dass sie den Dolch losließ. Schnell trat er die Klinge zur Seite, aber Lilidh versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien, und ging weiter rückwärts.

Anscheinend konnte sie nicht begreifen, dass es keinen Fluchtweg mehr für sie gab. Mit einem kraftvollen Ruck zog er sie an sich, drückte sie mit dem Rücken an sich, dann schlang er die Arme um sie. Er roch Blut und sah die Verletzung an ihrem Hinterkopf. Man hatte sie niedergeschlagen und so überwältigt. Er beugte den Kopf vor und flüsterte ihr etwas ins Ohr, das nur sie hören konnte: „Lilidh, bei mir bist du sicher aufgehoben. Niemand wird dir etwas tun.“

Wie oft hatte er davon geträumt, sie in seinen Armen halten zu können, doch es hätte niemals auf diese Weise dazu kommen sollen. Trotzdem reagierte sein Körper auf die weiblichen Rundungen. Wenn ihr erst einmal klar wurde, wer er war, würde er sie nie wieder so halten können. Sie gehörte einem anderen Mann, er selbst konnte sie niemals haben. Außerdem war sie die Tochter eines mächtigen Lairds, er dagegen nur ein Bastard, der die Rolle des Lairds ausfüllen musste.

Zwischen ihnen durfte niemals etwas sein, und das sollte er jetzt sofort klarmachen. Er atmete tief durch, dann sprach er die Worte, die sie abermals für immer und ewig trennen würden.

„Lilidh, ich bin es … Rob Matheson.“

Für einen Moment versteifte sie sich, gleich darauf versuchte sie sich zu ihm umzudrehen. Er lockerte seinen Griff ein wenig, damit sie sich bewegen konnte. Sie musterte ihn aufmerksam, nahm die Veränderungen wahr, die die Folge des Erwachsenwerdens und vieler Kämpfe waren. Plötzlich begann sie wieder zu zittern, und dann folgte die Gefühlsregung, auf die er gehofft hatte. Sie würde ihr helfen, das zu überleben, was ihr zugestoßen war.

Wut. Wut blitzte in ihren Augen auf, und wie erwartet hob sie ihre freie Hand und holte aus. Aber trotz aller Kraft, die sie in diese Ohrfeige legte, konnte er ihren Arm mühelos abwehren.

„Ich freue mich auch, dich wiederzusehen, Lilidh. Es ist schon lange her“, spottete er voller Absicht.

„Du Bastard!“, fauchte sie ihn an. „Du steckst dahinter?“

Ehe er antworten konnte, rief Dougal nach ihm. „Die Dorfbewohner sind auf dem Weg hierher. Die Tore sind gesichert“, sagte er und sah die schöne Frau, die Rob in den Armen hielt. „Das ist also MacLeries Tochter?“ Sein bewundernder Blick war für jeden offensichtlich.

„Aye, sein ältestes Mädchen“, antwortete Rob in einem Tonfall, der desinteressiert klingen sollte.

„Und ihr zwei kennt euch?“, fragte er.

„Sei kein Narr, Dougal. Hier …“, er hielt ihm Lilidhs Hand hin und schob sie in seine Richtung, „… bring sie für den Augenblick irgendwo unter.“

„Symon sprach vom Adlerhorst. Willst du, dass ich sie dort hinbringe? Oder wo willst du sie haben?“, hakte Dougal nach und beobachtete ihn aufmerksam.

Wo er sie haben wollte? In seinem Bett, und zwar nackt. Aber das konnte er nicht zugeben. Der Adlerhorst war ein barbarisches Quartier, und wenn er sie dort einsperrte, würden die MacLeries und die MacGregors seine Feste noch schneller dem Erdboden gleichmachen. Rob entfernte sich ein paar Schritte von Dougal und Lilidh, fuhr sich durchs Haar und dachte nach. Alle standen sie um ihn herum versammelt und warteten darauf, was er sagen würde. Symon, Dougal, seine Getreuen und die ihm feindlich gesinnten Männer, die ihn zwar Clanführer nannten, die ihn aber aus dem Weg räumen würden, wenn er nur ein falsches Wort von sich gab.

„Bring sie in meine Gemächer“, befahl er leise. Es missfiel ihm, wie Dougal die rechte Augenbraue hochzog, um ihn wortlos zu tadeln. Trotzdem war er nicht gewillt, sich zu rechtfertigen.

Prompt wurden empörte Rufe laut. Die würde er schnell wieder verstummen lassen, jedoch auf eine Weise, die Lilidhs Hass auf ihn nur noch verstärken würde.

„Sie ist meine Gefangene!“, protestierte Symon, aber ehe er sich versah, schickte Rob ihn mit einem Kinnhaken zu Boden, wie er es schon seit Tagen hätte machen wollen.

„Ich bin der Clanführer, und sie ist meine Gefangene. Wolltest du nicht den MacLerie wütend machen, damit er herkommt? Hast du sie nicht aus diesem Grund entführt? Nun, jetzt ist sie hier, und sie gehört mir. Wenn ich sie mit mir das Bett teilen lasse, wird der MacLerie noch viel eher herkommen.“

„Ich werde nicht …“, widersprach Lilidh, kam aber nicht weiter, da Rob mit zwei ausholenden Schritten vor ihr stand, sie an den Schultern packte, sie zu sich hochzog und sie dann so auf den Mund küsste, dass jedem Umstehenden klar war, er würde von ihrem Körper Besitz ergreifen. Er machte das so überzeugend, dass alle in Jubel ausbrachen und mehr forderten.

Zuerst hielt sie die Lippen zusammengepresst, dann öffnete sie den Mund einen Spaltbreit, und er kostete die Süße, nach der er sich so viele Jahre verzehrt hatte. Und er kostete die Leidenschaft, die so lange Zeit aus vielerlei Gründen in einem tiefen Schlummer gelegen hatte. Gründe, die damals wichtig gewesen waren, die sich jetzt aber verflüchtigten. Seine Gedanken trieben davon, als sein Körper auf den Kuss reagierte und ihre Zungenspitze seine berührte.

Bis sie zubiss! Er hätte sich dafür ohrfeigen können, dass er sich selbst in diesem Schauspiel verloren hatte, das nur dazu dienen sollte, die anderen um sie herum ruhigzustellen. Er schob sie zurück in Dougals Arme und lachte, während er das Blut von seinem Mund abwischte. Sie hatte ihn tatsächlich bluten lassen.

„Symon, du wartest in meinem Arbeitszimmer auf mich. Dougal, bring sie in meine Gemächer. Greif zu einem Seil oder zu Ketten, wenn sie nicht aus freien Stücken dort bleiben will. Ich kümmere mich später um sie“, befahl er.

Lilidh sagte kein Wort, aber ihr Blick versprach Tod und Chaos – und er war für beides das Ziel.

Er wandte sich ab, um sich einer anderen Aufgabe zu widmen, ehe er sich diejenigen vornahm, die ihm seine Position als Laird streitig machen wollten. Dabei fragte er sich, ob sein Clan die Entführung Lilidh MacLeries überleben würde.

3. KAPITEL

Lilidh versuchte, ohne fremde Hilfe bis zu seinen Gemächern zu gehen, indem sie sich von ihrem Zorn antreiben ließ, aber als sie den ersten Treppenabsatz auf dem Weg in den Turm erreicht hatten, ließen ihre Kräfte – und ihr Bein – sie im Stich. Ohne Robs Mann an ihrer Seite, der sie auffing und den Rest des Weges trug, wäre sie die Treppe hinuntergestürzt. Der Schwindel tat ein Übriges, indem er in Wellen auf sie einstürmte und ihre Sinne vernebelte. Jede Kraftreserve, die sie noch aufbringen konnte, um sich zur Wehr zu setzen, wurde von Schmerzen und Erschöpfung gleich wieder aufgezehrt.

Aber in dieser Mischung aus Verwirrung, Schmerz und Zorn fand sich auch eine Spur Erleichterung. Ganz gleich, welchen Anlass es gab, dass die Mathesons den Vertrag mit den MacLeries gebrochen hatten, und ganz gleich, wie tief der Graben reichte, der zwischen ihr und Rob klaffte – sie wusste, er würde ihr niemals etwas antun.

Daran änderte der Kuss ebenso wenig wie seine Ankündigung, sie in sein Bett zu holen … Heiße und kalte Schauer liefen ihr über den Rücken, wenn sie daran dachte, wie er sie geküsst hatte …

„Wir sind fast da“, sagte der Matheson mit Namen Dougal, der mit ihr in einen Gang eingebogen war. Was? Keine Androhung von Seilen oder Ketten? Das alles ergab keinen Sinn. Schließlich blieb er vor einer Tür stehen, eine Dienerin kam zu ihm und öffnete sie für ihn. Vor dem Bett setzte er sie ab.

Als sie ihr verletztes Bein benötigte, um stehen zu können, ließ es sie erneut im Stich. Die Muskeln in ihrem verletzten Oberschenkel zuckten und schickten stechende Schmerzen bis hinunter zum Fuß. Gegen ihren Willen sank sie zu Boden und hielt ihr Bein umklammert, während Dougal und die Dienerin sie ansahen.

„Dieser verfluchte Symon!“, fauchte er und kniete sich hin. „Was hat er Euch angetan?“ Dabei griff er nach ihren Röcken, um sie hochzuschieben, aber sie stieß ihn weg. Niemand würde ihr Bein zu sehen bekommen. Absolut niemand.

„Nein!“, rief sie und mühte sich ab, um sich aus dem Griff des Mannes zu befreien. „Das kommt von …“, begann sie, doch ihr wollte keine Ausrede einfallen. Sie winkte ab und ordnete die vielen Lagen Stoff. „Ich hatte einen Krampf“, sagte sie schließlich, was auch der Wahrheit entsprach.

Dougal wich zurück und musterte sie von Kopf bis Fuß. „Ihr könnt aber nicht leugnen, dass Ihr am Kopf verletzt seid. Habt Ihr Euch irgendetwas gebrochen? Irgendwelche blutenden Verletzungen?“

Nur ein gebrochenes Herz …

Sie verdrängte diesen Gedanken und horchte auf ihren Körper. „Nur Beulen und ein paar blaue Flecke“, antwortete sie schließlich und hob den Kopf. „Ihr seid Robs rechte Hand?“

„Kommt“, sagte er und ging über ihre Frage hinweg. „Nehmt meine Hand, damit ich Euch hochziehen kann.“ Zum Glück war er viel stärker als sie, denn wäre sie allein auf ihre eigenen Kräfte angewiesen gewesen, hätte sie es nicht geschafft aufzustehen. So wurde sie in einer fließenden Bewegung hochgezogen, und als sie stand, ließ er sie noch nicht los. „Na, seht Ihr. Es geht doch.“

Lilidh musste sich einen Aufschrei verkneifen, als der Schmerz sich wieder durch ihr Bein fraß. Sie ballte die Hände und kämpfte gegen das Verlangen an, sich einfach wieder fallen zu lassen. Sie durfte jetzt keine Schwäche zeigen, wenn sie eine Gefangene war, der Demütigung und Schmerz drohten, und wenn ihre Anwesenheit hier an diesem Ort den Krieg herbeiführen würde, den sie hatte abwenden wollen.

Wie dumm sie doch gewesen war!

Erst hatte sie geglaubt, sie könnte sich gegen die erfahrenen Krieger wehren, in deren Falle sie geraten waren. Und dann: Wie hatte sie annehmen können, es wäre ihr möglich, jemals etwas zu tun, dass sich das Verhältnis zwischen ihrem Vater und Rob verbesserte. Und schließlich – das war ihr verhängnisvollster Irrtum gewesen – hatte sie sich eingeredet, dass ein Wiedersehen mit Rob nach allem, was sie geteilt und verloren hatten, nicht so schmerzhaft sein würde wie ihre letzte Begegnung.

Dougal zog einen großen Armstuhl heran und bedeutete ihr, sich dort hinzusetzen. Sie atmete einmal tief durch, um sich gegen den Schmerz und gegen die Angst zu wappnen, dass sie hinfallen könnte. Dann ging sie langsam auf den Stuhl zu und setzte sich vorsichtig hin. Sie machte die Augen zu, da sie erwartete, dass Dougal den Befehl seines Lairds ausführte und sie an den Stuhl fesselte oder kettete. Als nichts passierte, öffnete sie die Augen einen Spaltbreit und sah, dass er vor ihr stand und ihr einen Becher hinhielt.

„Trinkt das“, sagte er. Lilidh schnupperte an dem Getränk, aber sie roch nur die üblichen Gewürze, mit denen dem Wein Geschmack verliehen wurde. Sie nahm den Becher und führte ihn zum Mund. „Das wird Eure Schmerzen lindern, während sich Beathas um Euren Kopf kümmert.“

Erst jetzt merkte Lilidh, dass die Frau immer noch da war, die ihnen die Tür geöffnet hatte. Die Kopfschmerzen wirkten sich auf ihre Reaktionen und ihre Sinne aus, und sie hinderten sie daran, sich einen Plan auszudenken, nachdem sie jetzt wusste, mit wem sie es zu tun hatte. Wenn ihr Kopf nicht mehr wehtat und die Wunde erst einmal aufgehört hatte zu bluten, würde sie wieder klar denken können. Dennoch gab es eine Frage, die sie jetzt noch stellen musste.

„Was ist mit meinen Wachen? Und mit meiner Kammerfrau? Wer kümmert sich um sie?“, wollte sie wissen, weil sie in Sorge um die Menschen war, die immer für sie da gewesen waren und die sie zuletzt leblos am Wegesrand hatte liegen sehen. Der Gedanke an sie ließ ihr einen Schauer über den Rücken laufen.

Mathesons Mann zuckte mit den Schultern.

„Der Laird hat mir aufgetragen, mich um Euch zu kümmern. Er wird jemanden losschicken, der nach den anderen sieht.“

Lilidh verstand, dass sie von ihm nicht mehr über das Schicksal ihrer Leute erfahren würde, also trank sie den Becher aus. Nach dem intensiven Geruch und dem vertrauten Geschmack zu urteilen handelte es sich vermutlich um einen Schlaftrunk oder um ein Mittel, das ihre Schmerzen lindern sollte. Im Moment hoffte sie, dass es genau das war. Sie hielt den leeren Becher in der ausgestreckten Hand, die Dienerin kam zu ihr und nahm ihn an sich. Danach dauerte es nicht lange, bis sich das Zimmer vor ihren Augen seltsam zu verändern begann.

Ihr fiel auf, dass die Flammen in dem auffallend großen Kamin anfingen, hin und her zu schwingen, und dass sie ihren Kopf im gleichen Takt bewegte. Sie hörte flüsternde Stimmen, aber trotz der Stille konnte sie nicht ein einziges Wort klar und deutlich verstehen. Sie hob den Kopf und sah zur Tür, aber das ganze Zimmer drehte sich jetzt um sie herum. Sie musste lachen und genoss die Wärme, die sich in ihren Adern ausbreitete.

Dann ging die Tür auf und schlug mit lautem Knall gegen die Wand. Rob stand da.

Sofort verschwand das Schwindelgefühl. Erinnerungen kamen ihr in den Sinn. Er als kleiner Junge, wie er mit ihrem Bruder spielte, wie er lernte mit Waffen umzugehen, wie er größer und stärker wurde.

Ihr erster Kuss.

Lilidh zitterte bei dem Gedanken an die sanfte, verspielte Berührung ihrer Lippen, so völlig unschuldig war sie gewesen. Als sie ihn jetzt sah, dachte sie an die wachsende Leidenschaft, von der sie beide erfasst worden waren, an die heimlichen Umarmungen und an seine erregende, aber ungebührliche Berührung, mit der er unbeschreibliche Lustgefühle in ihr weckte. Dann erinnerte sie sich an seine versteinerte Miene, als er ihr die Wahrheit sagte, die ihr das Herz brach.

In seinen Augen blitzte jetzt nicht dieses lockende Funkeln auf, das sie in Versuchung geführt hatte, all ihren Anstand hinter sich zu lassen. Stattdessen entdeckte sie nun Wut darin, die sie schaudern ließ. Da der Wein ihr auch jegliche Angst nahm, die sie vor ihm hätte empfinden können, erhob sie sich und stand auf wackligen Beinen da, als sie ihm laut und deutlich erklärte: „Ich werde nicht deine Geliebte sein.“ Die Worte hallten in ihrem Kopf, aber auch von allen Seiten in ihren Ohren wider.

Sie sah mit an, wie er Dougal und die Frau mit einem Nicken hinausschickte. Als die Tür zuging und der Riegel vorgelegt wurde – beides viel lauter, als sie es jemals wahrgenommen hatte –, da wusste sie, der Moment war gekommen.

„Ich werde es dir nicht leicht machen, Rob.“

Sie hatte mit allem Möglichen als Reaktion gerechnet, aber nicht mit dem traurigen Lächeln, das seine Lippen umspielte, die sie daraufhin am liebsten wieder geküsst hätte. Sie legte die Hand vor den Mund, damit das Kribbeln auf ihren Lippen aufhörte, und wartete ab. Hätte sie nicht diesen Wein getrunken, wäre sie vielleicht in der Lage gewesen, ihm sein Vorhaben auszureden.

„Du machst es mir nie leicht, Lilidh.“

Er trat einen Schritt auf sie zu, dann noch einen. Sie wollte zurückweichen, doch der Stuhl stand ihr im Weg. Als er sie an den Schultern fasste und zum Bett führte, hätte sie schreien sollen, aber ihr fehlte die Kraft für irgendeine Art von Gegenwehr.

Sie stand kurz vor dem Zusammenbruch. Es lag an dem Trank, den Dougal ihr gegeben hatte, und an der brutalen Behandlung, die ihr durch Symon und dessen Spießgesellen zuteil geworden war. Ihr Körper ergab sich seinem Griff.

Rob hob sie hoch und legte sie aufs Bett. Auch wenn er davon geträumt hatte, Lilidh in sein Bett zu holen, war das hier nicht die Art und Weise, wie sich seine Träume hätten verwirklichen sollen.

Kaum hatte ihr Kopf das Kissen berührt, war sie auch schon eingeschlafen. Das machte es für ihn etwas erträglicher. Rob berührte ihre Wange, aber es kam keine Reaktion. Er strich ihre nachtschwarzen Haare zur Seite und suchte nach weiteren Verletzungen.

„Sie ist sehr temperamentvoll“, sagte Dougal, der an der offenen Tür stand. Rob nickte, damit er und Beathas wieder eintraten.

„Das ist nur eine von vielen Bezeichnungen, die sie in ihrem Leben zu hören bekommen hat“, erwiderte er, ohne darauf zu sprechen zu kommen, mit welchen Bezeichnungen er sie früher üblicherweise beschrieben hatte. „Kümmere dich um ihre Verletzungen, Beathas. Und zwar um alle.“

Sein Blut geriet vor Wut in Wallung, wenn er daran dachte, was Symon und seine Männer womöglich mit Lilidh gemacht hatten, nachdem sie in deren Gewalt geraten war. Wie es ihren Wachen und ihrer Kammerfrau ergangen war, würde er bald erfahren, doch im Moment konnte er nur dafür sorgen, dass Lilidh es so angenehm wie möglich hatte, bevor die Hölle hier ausbrach.

Die ältere Frau nickte, nahm ihre Sachen und breitete sie auf dem Bett aus. Ihren Herrn sah sie an, ohne einen Ton zu sagen.

Rob verstand: Er sollte den Raum verlassen. Also ging er mit Dougal nach draußen und beschloss, vor der Tür zwei Wachen aufzustellen, damit niemand zu Lilidh gelangen konnte. Auf dem Weg nach draußen stolperte er verdutzt über einen Berg Ketten, auf dem mehrere Vorhängeschlösser verteilt lagen. Daneben befand sich das dicke aufgerollte Seil.

„Ist das wahr, Dougal? Ausgerechnet jetzt kommst du auf die Idee, einen meiner Befehle auszuführen?“ Er hatte die Ketten und Seile nur in der Gegenwart der anderen zur Sprache gebracht, aber es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, sie tatsächlich zu benutzen.

„Man kann nie wissen, wann man bei einem Weib wie diesem ein Stück Seil oder eine Kette gebrauchen kann“, antwortete Dougal mit respektvollem Unterton. Respekt, der, wie Rob wusste, der ohnmächtigen Frau in seinem Bett galt. Ihm entging nicht die Ironie, die darin verborgen lag.

„Der Trank wird sie für einige Stunden schlafen lassen. Ich muss mich jetzt um Symon und seine Kumpane kümmern. Seile oder Ketten werden nicht notwendig sein.“ Auf Dougals fragenden Blick hin fügte er an: „Jedenfalls für den Augenblick nicht.“

4. KAPITEL

Du kannst damit nicht durchkommen“, erklärte Rob entschieden.

Symon lachte nur dreist, nachdem sein Cousin die Tür hinter sich geschlossen hatte.

Auch wenn Symon mich vor allen Leuten herausgefordert hat, werde ich die Angelegenheit zuerst unter vier Augen mit ihm regeln, dachte Rob. Öffentlich konnte er später immer noch gegen ihn vorgehen.

„Du hast bei dem Ganzen mindestens so viel zu verlieren wie ich, Symon“, warnte er ihn und ging zum geöffneten Fenster, um einen Blick auf das hektische Treiben im Hof der Feste zu werfen, das sein Cousin zu verantworten hatte.

„Du bist eine Schande für den Clan“, knurrte Symon und sah ihn so hasserfüllt an, dass Rob sich darüber nur wundern konnte. „Sie hätten sich niemals für dich entscheiden dürfen.“

„Aber sie haben es gemacht. Außerdem bin ich nicht der erste Bastard, der zum Anführer eines Clans gewählt worden ist, Symon. Wenn du in der Lage wärst, diese Entscheidung nicht als persönliche Beleidigung anzusehen und stattdessen das Wohl des Clans …“ Weiter kam er nicht, da Symon energisch den Kopf schüttelte.

„Ich sollte Clanführer und Laird sein. Ich habe einen gewichtigeren Anspruch darauf als du“, hielt er dagegen.

„Gewichtiger als Blutsverwandtschaft?“

Zugegeben, er war ein unehelicher Sohn, aber sein Vater war Clanführer und Laird gewesen, und Symon konnte seinen Anspruch nur über den gemeinsamen Großvater geltend machen. Das hatte dem Clan nicht genügt, was bei Symon zu ständigen Widerworten und Trotz und nun auch noch zu dieser verheerenden Tat geführt hatte. Mit seiner Bemerkung traf er einen wunden Punkt bei seinem Cousin, der daraufhin die Augen wütend zusammenkniff.

„Hätte die Frau meines Vaters einen Sohn zur Welt gebracht, würden wir nicht jetzt darüber streiten, wer welche Position verdient hat“, fuhr Rob fort und beobachtete wachsam, ob irgendeine Reaktion seines Cousins darauf hindeutete, dass er in den tödlichen Unfall von Angus Matheson und seiner schwangeren Ehefrau verwickelt war.

„Aye, aber die Frage hat sich von selbst erledigt“, gab Symon zurück, ohne sich etwas anmerken zu lassen.

„Du hättest dann die gleiche Position wie jetzt. Du wärst der Cousin und Berater des nächsten Laird“, stellte Rob fest.

Die Ältesten hatten sich längst dafür ausgesprochen, dass er sich mit Symons Schwester verlobte, damit die Streitigkeiten zwischen den beiden Zweigen der Familie ein Ende nahmen und das Band zwischen ihnen gestärkt wurde. Auch wenn Rob seine Zweifel und Vorbehalte hatte, erschien es ihm die beste Reaktion auf die Probleme, die Symon mit seinen Forderungen ausgelöst hatte. Durch die Söhne seiner Schwester würde auch Symons Blut den Clan führen, und er wäre ein geschätzter Berater für den nächsten Laird. Symon blickte noch finsterer, aber er schwieg. Rob überlegte, ob sein Cousin inzwischen eingesehen hatte, dass alle diese Vereinbarungen und Absichten durch die Entführung von Lilidh MacLerie erschwert oder vielleicht sogar zunichtegemacht worden waren.

„Meine Schwester wird nicht dulden, dass du MacLeries Tochter in dein Bett holst“, warnte Symon ihn.

Rob zog langsam eine Braue hoch und begann zu lächeln. „Daran hättest du besser gedacht, bevor du Lilidh hergebracht hast. Ich bin mir sicher, Tyra versteht, wie es sich mit den Männern verhält.“

Männer – vor allem mächtige Männer – hatten Frauen, die sich um ihre Bedürfnisse kümmerten. Ehefrauen sorgten dafür, Erben zur Welt zu bringen, aber niemand, wirklich niemand würde Rob das Recht streitig machen, Lilidh so zu behandeln, wie es ihm gefiel. Wenn die Entführung einen Krieg auslöste, bestimmte der Clanführer, wie Geiseln behandelt wurden. Da Symon Lilidh hierher verschleppt hatte, konnte er nur sich selbst die Schuld geben, wenn seine Schwester mit der Situation unzufrieden war.

„Ich habe dir sehr viel Freiheit eingeräumt, deine Meinung zu äußern, Symon. Aber das hat jetzt ein Ende. Du hast mich und unseren Clan in eine Lage gebracht, die unseren Untergang bedeuten könnte. Wenn du dich weiter in meine Entscheidungen einmischst und meine Befehle missachtest, werde ich dich für vogelfrei erklären.“

„Das kannst du nicht machen!“, fuhr Symon ihn aufgebracht an.

„Die Ältesten haben mich zum Laird bestimmt, also kann ich es machen. Und das werde ich auch, wenn du keine Ruhe gibst“, versicherte er ihm. „Wenn du dich nicht mit dem ehrbaren Posten an meiner Seite zufriedengeben kannst, werde ich dich aus dem Clan ausschließen. Zweifle nicht daran, dass ich das wahrmachen werde.“

Symon schien widersprechen zu wollen, letztlich jedoch nickte er nur und wandte sich zum Gehen. Rob hielt es für das Beste, noch eine Bemerkung hinterherzuschicken, die Symon in seine Überlegungen darüber einbeziehen konnte, welche Schritte er als Nächstes unternehmen sollte.

„Ich werde nicht die Schwester eines Verräters zur Frau nehmen, Symon, auch wenn die Ältesten glauben, dass so der Graben zwischen unseren beiden Linien überwunden werden könnte. Wenn du nicht loyal sein kannst, werde ich sie nicht heiraten. Halte dir das immer dann vor Augen, wenn du dich für Handlungen entscheiden willst, die dich zum Verräter machen würden.“

Als Symon aus dem Gemach stürmte, flog die Tür mit solcher Wucht hinter ihm zu, dass sie gleich wieder ein Stück weit aufging. Durch den Spalt konnte Rob sehen, wie sein Cousin durch den Gang davonstürmte. Anstatt sich zu seinen Kumpanen zu begeben, rannte er in Richtung der Treppe, die nach draußen führte.

Da Rob nicht daran zweifelte, dass Connor MacLerie schon bald vor den Toren seiner Festung stehen würde, gab es für ihn noch viel zu erledigen. Die Ältesten und die Berater des Clans waren von ihm einberufen worden und würden in Kürze eintreffen. Wenn er ihnen schilderte, was Connor alles gegen sie aufzubieten hatte, würden sie sicher umgehend einsehen, wie gefährlich die Lage war, und dem Ganzen ein schnelles Ende setzen wollen.

Da er verschiedene Dinge zu erledigen hatte, kümmerte Rob sich zunächst darum und wartete weiter auf einen Bericht, was aus Lilidhs Dienern und Wachen geworden war. Wenn sie alle noch lebten und Lilidh selbst unversehrt blieb, würde das die Wut des MacLerie zumindest ein wenig abschwächen. Das hoffte er jedenfalls, als er die Feste inspizierte.

Er wäre seiner Position unwürdig, sollte er einfach kapitulieren und Lilidh zu ihrem Vater und ihrem Ehemann zurückkehren lassen. Auch wenn die Gründe die völlig falschen waren, bekam er durch ihre Anwesenheit die Gelegenheit, für seine Familie bessere Bedingungen zu schaffen. Mit ihr als Druckmittel konnte er dem Matheson-Clan einiges leichter machen. Zwar würde das bedeuten, dass ihr Hass auf ihn dann für alle Zeiten bestehen würde, aber er konnte sich ohnehin nicht vorstellen, dass sie für ihn überhaupt noch etwas anderes empfand. Und es wäre auch das letzte Mal, dass er sie sehen und mit ihr reden konnte.

Obwohl die Entführung einer Erbin in den Highlands seit langer Zeit Tradition war, wurde das zu einem riesigen Problem, wenn die Entführte die Tochter eines Clanführers und gleichzeitig die Ehefrau eines anderen Mannes war. Im ersten Fall konnte ein Mann dadurch zu mehr Wohlstand gelangen und seinen Clan stärken, im zweiten Fall musste der gleiche Mann mit Krieg, Verderben, Demütigung, Enthauptung oder Schlimmerem rechnen. Da Ersteres hier nicht zutraf, musste er irgendwie verhindern, dass ihn Letzteres ereilte.

Als Rob am Abend zu seinen Gemächern zurückkehrte, erfüllte ihn der Gedanke, dass Symon zumindest für den Augenblick nicht weiter aufbegehrte, mit Zufriedenheit. Außerdem hatte er erfahren, dass nur zwei von Lilidhs Wachen ums Leben gekommen waren. Ihre alte Dienerin würde sich von ihren Verletzungen erholen, aber das wusste Lilidh noch nicht. Zudem hatte Beathas ihm berichtet, dass Lilidh lediglich die äußerlich sichtbaren Verletzungen erlitten hatte, die alle problemlos verheilen würden.

Das änderte jedoch nichts daran, dass ihm nach wie vor Probleme zu schaffen machten, die durch Lilidhs Anwesenheit verursacht wurden und die sich mit jeder Stunde verschärfen würden, die sie in seiner Feste verharrte. Aber bis ihre Verletzungen verheilt waren und bis er diesem ganzen Durcheinander auf den Grund gehen konnte, musste er sie bei sich behalten und möglichst nicht aus den Augen lassen – zu ihrem Schutz genauso wie zu seinem eigenen.

An der Tür zu seinen Gemächern angekommen, nickte er den beiden Wachleuten zu und schickte sie mit einer knappen Geste weg. Er hatte den Befehl ausgegeben, dass Wachen vor dieser Tür zu stehen hatten, wenn Lilidh allein war, daher wusste er, sie würden früh am Morgen wieder herkommen. Er hob den Riegel an und öffnete die Tür, wobei er auf alles gefasst war, was ihn dahinter erwarten würde. Zumindest glaubte er das.

Doch der Anblick, der sich ihm bot, warf ihn beinahe um.

Lilidh lag auf seinem Bett, die Haare wie wilde Wellen auf den Kissen ausgebreitet. Ihr Gesicht war von allem Schmutz befreit, sodass er den sanften Schwung ihres Kinns und das blasse Rosa ihrer Lippen sehen konnte. Was sich in ihrer Kindheit und Jugend schon angedeutet hatte, war jetzt, da sie zur Frau geworden war, zu voller Schönheit aufgeblüht. Beathas hatte sie gewaschen und ihr ein sauberes Kleid gegeben. So wie sie jetzt dalag, ohne dass ihr Gesicht eine Spur von Angst oder Schmerz oder Wut erkennen ließ, da hätte er fast glauben wollen, dass es ihr gutes Recht war, dort zu liegen.

Danach zu urteilen, wie sein Herz laut pochte und wie das Blut in seinen Adern zu kochen begann, war dieser Anblick genau das, was er sich wünschte. Rob nickte Beathas zu, die neben dem Bett saß und auf ihren Schützling aufpasste. Sie räumte den Stoff zur Seite, an dem sie arbeitete, und stand auf. Dabei legte sie einen Finger an ihre Lippen, damit er sich leise verhielt.

„Sie ist eben erst eingeschlafen“, flüsterte Beathas ihm zu.

„Dann hat der Trank keine Wirkung gezeigt?“ Er sah zu Lilidh, deren Brust sich unter der Bettdecke mit jedem ruhigen, gleichmäßigen Atemzug hob und senkte.

„Er hat gewirkt, als ich seine Wirkung brauchte“, antwortete sie.

Also während die Heilerin die schlimmsten Verletzungen versorgt hat.

Rob machte einen Schritt auf das Bett zu. „Irgendwelche Anweisungen von deiner Seite?“

„Ha“, schnaubte Beathas. „Habt Ihr vor, sie zu pflegen?“

Vorgenommen hatte er sich das nicht, aber er hatte sich auch keine Gedanken darüber gemacht, was sein sollte, nachdem Beathas sich erst mal um ihre Verletzungen gekümmert hatte. Der großspurigen Ankündigung, sie in sein Bett zu holen, war mit einem Mal viel von ihrer Wirkung verloren gegangen. Niemand würde glauben, dass er über eine bewusstlose Frau mit Kopfverletzung herfiel.

„Ich kann mich um sie kümmern“, versicherte er ihr.

„Gebt ihr ein wenig hiervon“, sagte Beathas nach kurzem Zögern, beugte sich zum Tisch vor und griff nach einer kleinen Flasche. „Träufelt ein paar Tropfen in einen Krug Wasser. Es hilft gegen ihre Kopfschmerzen. Aber verabreicht ihr nicht zu viel.“

„Wird sie jetzt schlafen?“, wollte er wissen und strich die Bettdecke glatt.

„Nein. Zu viel Schlaf ist bei einer Kopfwunde sowieso nicht gut. Wenn sie aufwacht, dann lasst sie aufwachen. Wenn sie schläft, weckt sie alle paar Stunden und bringt sie dazu, mit Euch zu reden. Der Trank ist nur gegen die Schmerzen, sonst nichts.“

Er gab ihr ein Zeichen, dass sie gehen konnte. „Ich lasse dich rufen, falls ich irgendetwas benötige.“

Rob überzeugte sich nicht davon, dass die Frau seine Aufforderung befolgte. Vielmehr rechnete er mit einem Widerwort, doch das kam nicht. Er hörte, wie sich Schritte auf dem Holzboden entfernten. Als Stille eingekehrt war, konnte er für einen kurzen Augenblick ganz er selbst sein. Er fuhr sich durchs Haar und atmete leise seufzend aus.

Wie war es nur möglich, dass sein bislang erträgliches Leben innerhalb kurzer Zeit zur Hölle auf Erden geworden war? Und wie konnte es sein, dass seine Stellung als Clanführer und Laird, die zu erlangen er nie für möglich gehalten hätte und die ihm bis vor Kurzem niemand hatte streitig machen wollen, mit einem Mal so hart angegriffen wurde? Noch schwerer wog das Problem, dass er die Versprechen gegenüber seinem Clan halten und deshalb jene brechen musste, die er vor vielen Jahren bezüglich Lilidhs gegeben hatte? Ihre Anwesenheit hier in der Feste und erst recht hier in seinem Bett verstieß gegen jeden Schwur, den ihr Vater von ihm gefordert hatte.

Er ging zum Tisch und schenkte sich einen Becher Ale ein, dann setzte er sich an den Kamin und sah zu Lilidh, die dalag und schlief. Alle Hoffnungen und Ängste, alle Bestrebungen und jedes Verlangen waren einmal ganz auf diese Frau ausgerichtet gewesen. Er hatte gewagt davon zu träumen, sie als seine Frau an seiner Seite zu haben. Er hatte geglaubt, er könnte ihrer würdig sein und von ihrem Vater akzeptiert werden. Die Wahrheit, die so unendlich weit von diesem Traum entfernt gewesen war, hatte sie beide vor Jahren auseinandergerissen.

Machte sich das Schicksal jetzt über ihn lustig? Unwillkürlich musste er leise lachen, da alles so widersinnig war. Plötzlich fiel ihm auf, dass Lilidh die Augen aufgeschlagen hatte.

„Lilidh“, sagte er mit heiserer Stimme. „Wie fühlst du dich jetzt?“ Als er aufstand, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck, als wäre sie ein wildes Tier, das mit Schrecken feststellen musste, dass es in der Falle saß. Es missfiel ihm, sie so zu sehen, also sank er zurück auf seinen Stuhl.

Sie versuchte sich aufzurichten, so als wollte sie aus dem Bett flüchten, aber dann hielt sie inne und schnappte angestrengt nach Luft.

„Hier.“ Rob stand schließlich doch auf und ging zu ihr. Er nahm das Fläschchen, das Beathas ihm dagelassen hatte, und gab ein paar Tropfen in seinen Becher mit Wasser. „Versuch davon zu trinken. Es wird die Schmerzen lindern.“

Mit zitternden Händen führte sie den Becher an den Mund und trank einen kleinen Schluck. Als die Flüssigkeit auf ihre Zunge gelangte, verzog sie das Gesicht. Beathas’ Heiltränke zeigten stets Wirkung, aber sie waren auch für ihren bitteren Geschmack bekannt. Da Rob den Becher ebenfalls noch festhielt, hob er ihn noch ein paar Mal an ihre Lippen, damit sie mehr trank und das Elixier seine Wirkung entfalten konnte. Schließlich nahm er ihr den Becher ab.

„Dann ist jetzt also die Zeit gekommen?“, fragte sie leise und ließ sich vorsichtig gegen das Kopfende des Betts sinken.

„Dafür, dass du dich so lange an deine Tugendhaftigkeit geklammert hast, scheinst du es jetzt kaum erwarten zu können, dir deine Ehre nehmen zu lassen. Hat das die Ehe bewirkt?“

Kaum hatte er ausgesprochen, bedauerte er seine letzten Worte. Ihre Ehe mit einem anderen Mann war eigentlich nichts, worüber er nachdenken, geschweige denn mit ihr reden wollte, wenn sie in seinem Bett lag. Rob drehte sich weg, ehe sie etwas darauf erwidern konnte, und löschte die meisten Kerzen und das Feuer im Kamin. Als er sich ihr dann wieder zuwandte, verwirrte ihn der unergründliche Ausdruck in ihren Augen nur noch mehr.

Rechnete sie tatsächlich damit, dass er ihr Gewalt antat? Er wusste, sie hatten sich im Schlechten getrennt – er hatte vor den Augen ihrer Familie Schande über sie gebracht und Lilidh hatte deren geballten Zorn über sich ergehen lassen müssen. Aber niemals hatte er ihr Gewalt angetan. Zugegeben, er hatte sie verführt und überredet und sogar angefleht, aber nie war etwas gegen ihren Willen oder ohne ihr Einverständnis geschehen. Hatte Symon ihr so eindringlich eingeredet, ihr Schicksal sei besiegelt, dass sie das scheinbar Unvermeidliche akzeptiert hatte? Von den Ereignissen und Auseinandersetzungen dieses Tages überwältigt, schüttelte er den Kopf und ging zum Nachttisch, auf dem die letzte brennende Kerze stand.

„Leg dich hin“, sagte er.

Lilidhs Augen wurden glasig, da die Medizin zu wirken begann. Nicht mehr lange, und sie würde wieder fest schlafen. Dann hatte er Gelegenheit, sich einen Plan zurechtzulegen und seine nächsten Schritte zu überlegen, ohne dass sie ihn dabei stören konnte. Ein raues Lachen kam über seine Lippen, sie sah ihn gleich wieder erschrocken an, kam aber seiner Aufforderung nach und legte sich hin.

Nachdem er sie angesehen hatte, bis ihr die Augen zufielen, löschte er auch noch die letzte Kerze, lockerte seinen Gürtel und legte das Plaid ab. Als Nächstes zog er Hemd und Stiefel aus, streckte sich neben Lilidh aus und deckte sich mit dem Wolltuch zu. Er streckte sich, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lauschte ihren regelmäßigen Atemzügen. Wenig später veränderte sich ihre Art zu atmen, was ihm verriet, dass sie eingeschlafen war.

Am Morgen musste er unbedingt diese Angelegenheit ruhig und überlegt angehen. Er musste sich von Zorn und Misstrauen lossagen und den Clan führen. Er musste seine gemeinsame Vergangenheit mit Lilidh hinter sich zurücklassen und ihr mit Abstand und kühler Logik begegnen. Er schloss die Augen, und bevor der Schlaf ihn allmählich übermannte, ließ er sich diese Vorsätze immer wieder durch den Kopf gehen.

Vermutlich wäre es ihm auch gelungen, sich unter Kontrolle zu halten, hätte sie nicht plötzlich ein einzelnes Wort gehaucht, das ihn alle Beherrschung und Vernunft vergessen ließ. Ein einzelnes geflüstertes Wort, das Eifersucht und Besitzanspruch ebenso erwachen ließ wie den alten Schmerz und das Wissen, ihrer nicht würdig zu sein.

„Iain“, flüsterte sie.

Ein Name. Mit einem einzigen, seufzend dahingehauchten Namen zerschmetterte sie all seine Hoffnungen und erinnerte ihn wieder einmal daran, dass seine Träume zu nichts führen würden.

5. KAPITEL

Wärme umgab sie.

Lilidh kuschelte sich tiefer unter die Bettdecke und an den warmen Körper an ihrer Seite. Sie hatte diese Nähe ihres Ehemanns immer ganz besonders gemocht, da es für sie nichts Schlimmeres gab, als mit kalten Füßen in einem kalten Raum aufzuwachen. Sie rutschte näher an ihn heran und hörte ihn leise aufstöhnen.

Aber das war nicht Iains Stöhnen.

Lieber Gott im Himmel! Wie konnte sie nur vergessen haben, was gestern geschehen war? Sie zwang sich die Augen aufzumachen, auch wenn der grelle Schein der Morgensonne sie blendete. Als Erstes sah sie … Robs Gesicht.

„Du bist nicht Iain!“, platzte sie heraus, während sie seiner ungebührlichen Umarmung zu entkommen versuchte.

Die dicke Decke hinderte sie daran, mit einem Satz das Bett zu verlassen und auf so viel Abstand zu ihm wie nur möglich zu gehen. Und dann sorgte ein stechender Kopfschmerz auch noch dafür, jede Bewegung sofort zu unterlassen, damit er erträglich blieb. Ihr wurde schwindlig.

Rob nahm den Arm weg, der eben noch auf ihren Brüsten gelegen hatte, und stützte sich auf der Seite auf. Bedeckt wurde sein Körper nur von dem Plaid, das er offenbar recht nachlässig über sich geworfen hatte. Wortlos sah er sie an. Ganz im Gegensatz zu Iain, der sich jeden Morgen aus dem Bett gerollt und ohne irgendeine Bemerkung das Gemach verlassen hatte, verfolgte Rob ganz eindeutig andere Pläne.

„Nein, ich bin nicht Iain“, raunte er mit so tiefer Stimme, dass ihr ein köstlicher Schauer über den Rücken lief.

Er sah vom Schlaf zerzaust aus, und eine Strähne fiel ihm immer wieder in die Stirn. Lilidh hob die Hand, um sie ihm aus dem Gesicht zu streichen, aber im letzten Moment konnte sie sich davon abhalten. Zum Teufel mit ihm! Wie konnte er es wagen, sie entführen zu lassen und sie hierher in sein Bett zu bringen? Rob zwinkerte kurz und wandte den Blick von ihr ab, wickelte das Plaid um die Hüften und rutschte an die Bettkante.

Die Bettkante seines Betts!

Sie schluckte. Auch wenn sie sich noch so sehr bemühte, konnte sie sich nicht davon abhalten, seinen starken muskulösen Rücken zu betrachten, den er ihr zugedreht hatte und der unbedeckt war bis hinunter zu seinen Hüften. Seine Haut war von der Sonne gebräunt, darunter konnte sie das Spiel seiner Muskeln beobachten, als er sich vorbeugte, um etwas vom Boden aufzuheben. Wie gebannt sah sie zu, wie er sein Hemd über den Kopf zog und aufstand, das Plaid entfernte, damit der Stoff nach unten rutschen konnte.

Auch wenn es ein langes Hemd war, bedeckte es ihn doch nur bis zu den Oberschenkeln, sodass sie jetzt auch noch einen ungehinderten Blick auf seine muskulösen Beine erhaschen konnte. Er war ein ganzes Stück gewachsen, seit sie ihn vor einigen Jahren das letzte Mal heimlich dabei beobachtet hatte, wie er und ihr Bruder nackt im See schwimmen gegangen waren. Seitdem war sein Körper breiter und muskelbepackter geworden, was er auch seinen Kampfübungen und den Kämpfen zu verdanken hatte, die er in Scharmützeln hatte ausfechten müssen. Als er sich zu ihr umdrehte, hielt er seine Stiefel und das Plaid in der Hand. Ihre Blicke trafen sich nur kurz, ein flüchtiges Zucken seines Mundwinkels verriet ihr, dass ihm nicht entgangen war, wie offensichtlich sie ihn doch angestarrt hatte.

„Sehe ich aus wie Iain?“

Er konnte Iain nicht begegnet sein, sonst würde er ihr diese Frage nicht stellen. Iain und er hätten unterschiedlicher nicht aussehen können. Iain war ein Hüne gewesen, seine Haare waren schon vor langer Zeit ergraut, dennoch hatte er bis zu seinem Tod die Statur und die Kraft eines Kriegers beibehalten. Beim Gedanken an Iain fiel ihr ein, dass die MacGregors darum bemüht waren, möglichst niemandem etwas von seinem Tod zu verraten, solange der Streit um sein Erbe und seinen Nachfolger nicht geschlichtet worden war.

Wie immer, wenn sie an ihren verstorbenen Ehemann denken musste, wurde sie von Trauer heimgesucht. Solange sie ihn gekannt hatte, war er ihr als kräftiger und gesunder Mann erschienen. Daher hatten sein völlig überraschender Tod und damit das jähe Ende ihrer Ehe mehr Fragen und Befürchtungen aufgeworfen, als beantwortet werden konnten.

„Nein, überhaupt nicht“, brachte sie schließlich heraus, damit er endlich damit aufhörte, sie so eindringlich anzusehen. Sie drehte sich weg und betastete ihren Kopf und den Verband, den man ihr angelegt hatte. In diesem Augenblick konnte sie Robs Blick einfach nicht ertragen, und sie wollte auch nicht an Iain und an ihr eigenes Versagen denken, seine Leidenschaft zu wecken und ihm im Bett zu Gefallen zu sein. Ganz gewiss nicht in ihrer jetzigen Lage, in der sich alles ihrer Kontrolle entzog. „Hast du …?“

Er stutzte kurz, dann verfinsterte sich sein Blick. „Habe ich was?“

Lilidh konnte die Worte nicht aussprechen. Sie wusste nicht, ob er sie genommen hatte, während sie bewusstlos gewesen war. Zwischen ihren Schenkeln fühlte es sich nicht schlimmer oder anders als üblich an. Da Rob auf ihre Antwort wartete, warf sie einen demonstrativen Blick auf das Bett, ehe sie ihn wieder ansah.

Ein schrecklicher Gedanke jagte ihr in diesem Augenblick durch den Kopf. Was, wenn das Blut ihrer Jungfräulichkeit das Laken befleckt und die Schande und das Scheitern ihrer Ehe bewiesen hatte? Würde er dieses Wissen benutzen, damit sein Clan noch mehr Schande und Demütigung über sie und ihren Vater bringen konnte? Fragen würden gestellt werden, inwieweit ihre Ehe mit dem Laird der MacGregors und die damit verbundenen Verträge überhaupt Gültigkeit besaßen, wenn jemand davon erfuhr, dass diese Ehe nie vollzogen worden war.

Aber sie konnte jetzt nicht das Bettlaken inspizieren, ohne Rob aufmerksam werden zu lassen und womöglich argwöhnisch zu machen. Also wartete sie weiter darauf, dass er etwas sagte. Sie schluckte und kämpfte gegen die Angst an, durchschaut und überführt zu werden.

„Lilidh“, sagte er leise. „Sieh mich an.“

Sie ließ sich von seinem sanften Tonfall nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ihr in Wahrheit einen Befehl erteilt hatte. Nachdem sie einmal tief durchgeatmet und versucht hatte, das Zittern unter Kontrolle zu bekommen, befolgte sie seine Forderung. Aber anstelle des von ihr erwarteten spöttischen Blicks entdeckte sie in seinen blauen Augen nur Verlangen. Verlangen, das so stark war, dass sie es in ihrem eigenen Körper pulsieren spürte, als würde er sie überall gleichzeitig berühren. Ihre Haut glühte, das Blut raste durch ihre Adern, sie wurde feucht …

„Wenn ich mein Bett mit dir teile, wirst du dich am nächsten Morgen daran erinnern können. Du wirst dich an jede Berührung und jeden Kuss erinnern – wenn es passiert.“

Lilidh konnte jedes Wort wie eine Berührung spüren, gleichzeitig erwachten die Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit. In seinen Worten schwang jede Empfindung mit, die sie gemeinsam mit ihrem Ehemann hatte spüren und erfahren wollen, was jedoch nie geschehen war. Als sie Rob diese Worte sagen hörte, verfiel sie zum tausendsten Mal in Trauer über das bedauerliche Ende ihrer aufkeimenden Beziehung und die gehässigen Bemerkungen, die vor Jahren gefallen waren. Ihre Haut kribbelte, das Blut kochte, und das Verlangen brannte in ihrem Leib.

Aber nur einen Moment später war die Flamme der Leidenschaft in Robs Augen erloschen. Das Feuer, das sie gesehen hatte, war zu einer eisigen blauen Flamme geworden, und er ging weg, ohne noch etwas zu sagen. Lilidh sah ihm zu, wie er den Holzbalken, der die Tür versperrte, entfernte und auf den Boden legte. Dann löste er den Riegel, bevor er sich zu ihr umwandte.

„Versuch nicht, diesen Raum zu verlassen, und sprich mit niemandem außer mit Beathas oder Dougal.“

„Ich habe Fragen“, rief sie, aber schüttelte den Kopf.

„Und ich muss meinen Pflichten nachkommen“, antwortete er, öffnete die Tür und trat in den Gang.

Er unterhielt sich leise mit jemandem, der dort stand, und dann hörte sie, wie sich seine Schritte entfernten. Zwar wusste sie, dass sich vor der Tür irgendwelche Leute aufhielten, doch keiner von ihnen kam in das Gemach. Lilidh streckte behutsam Arme und Beine, so gut es ging, und rutschte bis zur Bettkante. Dort hielt sie sich am Bettpfosten fest, während sie sich von der Kante gleiten ließ. Als sie stand, verharrte sie eine Weile auf der Stelle, damit sich ihr Körper und ihr Kopf auf diese Haltung einstellen konnten.

Als sie spürte, dass ihre Beine sie trugen, hielt sie gebannt den Atem an und wagte einen vorsichtigen Schritt. Sie ließ den Bettpfosten los und ging langsam weiter, bis sie den Stuhl am Kamin erreicht hatte, in dem die Asche längst erkaltet war. Da sie leicht hin und her schwankte, hielt sie sich an dem Stuhl fest und ging um ihn herum ohne ihn loszulassen.

Nachdem sie sich hingesetzt hatte, atmete sie tief ein und aus, um dem Kopfschmerz und den Verkrampfungen überall in ihrem Körper entgegenzuwirken. Sie machte die Augen zu und versuchte an schöne Dinge zu denken, was ihr in der Vergangenheit stets geholfen hatte und hoffentlich auch diesmal Wirkung zeigte. Mit den Händen hielt sie sich krampfhaft an den Armlehnen des Stuhls fest, während sie dagegen ankämpfte, vor Schmerzen laut zu schreien.

„Ich bin schon da, meine Liebe …“

Die Stimme einer Frau, die sich ihr näherte, riss sie aus ihren Gedanken und ließ sie vor allem überrascht nach Luft schnappen. Die Heilerin Beathas war zurückgekehrt. Sie hatte sich Leintücher unter einen Arm geklemmt und trug mit beiden Händen einen großen Nachttopf ins Zimmer. Dabei schwankte sie bei jedem Schritt so beängstigend hin und her, dass Lilidh ohne nachzudenken aufsprang, um ihr behilflich zu sein. Die Schmerzen stürmten dabei so heftig auf sie ein, dass ihr der Atem stockte.

„Armes Ding“, murmelte Beathas, legte alles Mitgebrachte zur Seite und kam zu ihr. Sie half ihr zurück auf den Stuhl, wobei sie beschwichtigend auf sie einredete. „Wärt Ihr nicht noch für eine kleine Weile im Bett besser aufgehoben?“

Lilidh kniff die Augen zu. Sie brachte keinen Ton heraus, da sie sich zwischen den Schmerzen und der Fürsorge dieser fremden Frau hin- und hergerissen fühlte. Sie drängte sie nicht zurück zum Bett, stattdessen nahm Beathas einen Kamm und begann ihr behutsam durch die Haare zu streichen. Wenn ich die Augen geschlossen halte und ich mich von meiner Umgebung abschotte, kann ich fast glauben, zu Hause zu sein und von meiner Mutter umsorgt zu werden, dachte Lilidh. Sie hätte sogar einschlafen können, so behaglich fühlte sie sich in diesem Moment.

„Habt Ihr einen Spiegel?“, fragte sie die Frau, als ihr Blick auf die blauen Flecken und Striemen an Händen und Armen fiel. Unwillkürlich fragte sie sich, wie schlimm sie insgesamt aussehen mochte, nachdem sie diesem Grobian in die Hände gefallen war, der sie entführt hatte.

„Nein, den habe ich nicht“, sagte Beathas. „Ich werde nachsehen, ob Tyra einen in ihren Gemächern hat, den Ihr benutzen könnt.“

„Tyra?“ Der Name sagte ihr nichts, allerdings hatte sie sich seit Jahren nicht mehr mit Robs Clan beschäftigt.

„Symons Schwester“, erklärte Beathas, deren anschließendes Zögern ihr verriet, dass es mehr zu wissen gab, was die Heilerin aber nicht sagen wollte.

„So wichtig ist es nicht“, sagte Lilidh. „Ich möchte Euch nicht in irgendetwas hineinziehen.“

„Hat er Euch wehgetan, meine Liebe?“

Die Frage kam Beathas leise über die Lippen und verwirrte Lilidh, da sie nicht wusste, ob damit Symon oder Rob gemeint war. Aber sie hatte so oder so nicht die Absicht, darüber zu reden, da sie sonst zwangsläufig auf andere Themen zu sprechen kommen würde, die privater Natur waren.

„Lasst gut sein, Beathas. Ich weiß, ich bin eine Feindin, die man gefangen genommen hat, und ich erwarte keine besondere Behandlung, solange ich hier bin“, verkündete sie viel selbstbewusster, als sie sich fühlte.

Aber es war nichts weiter als die Wahrheit, sie war eine Gefangene, und sie musste sich diese Einstellung zu eigen machen, um die vor ihr liegenden Strapazen durchzustehen. Wenn die Lage bereits so schlecht war, dass Robs Clan es für den richtigen Weg hielt, sie zu entführen und ihren Vater damit zu demütigen, dann konnte sie in keiner Hinsicht sicher sein, erst recht nicht, wie man sie behandeln würde. Als Laird musste Rob die Ältesten des Clans ebenso wie diejenigen beschwichtigen, deren Unterstützung er dringend benötigte. Sie gegen ihren Willen in sein Bett zu holen, sie zu schlagen oder sie zu demütigen – das alles mochte dazugehören.

Ein Schauer lief ihr über den Rücken und ließ sie zusammenfahren. Sie war als Frau ganz allein auf sich gestellt, keine Wachen, keine Familie, kein Ehemann. Niemand war hier, der auf sie aufpassen und sie beschützen konnte. Wusste ihr Vater überhaupt schon, dass man sie entführt hatte? Waren von Rob oder diesem schurkischen Symon Forderungen gestellt worden? Und falls niemand aus ihrer Reisegruppe überlebt haben sollte, wer würde dann die Nachricht ihrem Vater und den MacGregors überbringen?

Völlig überraschend stiegen ihr Tränen in die Augen, als sie an die Freunde und Begleiter denken musste, die nach dem Überfall reglos am Wegesrand gelegen hatten. Darunter auch die arme Isla, ihre treue Kammerfrau und vormaliges Kindermädchen. Von ihr auf der Reise zu Iains Clan begleitet zu werden, hatte genau die tröstende Wirkung gehabt, die ihre Mutter ihr versprochen hatte. Alle möglichen Cousinen hätten mitkommen können, aber der Rat der Mutter war es gewesen, nur Isla bei sich zu haben, bis sie sich an ihr neues Leben gewöhnt hatte.

Und jetzt trage ich die Verantwortung für den Tod dieser Frau und all der anderen Menschen, die mich zu meinem Schutz begleitet haben.

Sie ließ den Kopf nach vorn sinken, die Tränen rannen ihr übers Gesicht. Ein leichtes Zittern durchfuhr ihren Körper, als die Trauer über den Verlust so vieler Menschenleben von ihr Besitz ergriff. Dass die Heilerin ihr sanft eine Hand auf die Schulter legte, überraschte sie.

„Ganz ruhig“, flüsterte Beathas ihr zu. „Es wird alles gut ausgehen.“

Dann legte sie ihr fürsorglich eine Decke um die Schultern. Mit leisen Schritten eilte die Heilerin im Zimmer hin und her, machte das Bett und räumte auf. Immer wieder kam von ihr ein leises „tss, tss“, doch sie stellte keine weiteren Fragen. Schließlich bekam Lilidh ihre Gefühle wieder in den Griff und überwand zumindest für den Augenblick die Trauer und die Tränen.

Es war auch nötig, denn sie musste stark sein. Sie musste die Tochter des MacLerie und die Witwe des stolzen MacGregor-Clanführers sein. Wenn sie die vor ihr liegende schwere Zeit überleben wollte, mussten ihre Sinne hellwach sein, und sie musste herausfinden, was Rob plante – vor allem, was er mit ihr vorhatte. Und wenn es irgendwie ging, würde sie alles versuchen, um ihn in seinen Entscheidungen zu beeinflussen.

Immerhin hatte sie ihren Onkel gelegentlich dabei beobachten können, wie er schwierige Verhandlungen führte, und ihren Vater erlebt, wie er als Schrecken der Highlands oder als weiser Anführer auftrat. Die Zeit war gekommen um das anzuwenden, was sie gelernt hatte. So würde sie hoffentlich sich selbst, ihre Ehre und vielleicht auch noch den Mann vor einem schlimmen Schicksal bewahren, den sie vor vielen Jahren hatte heiraten wollen. Sie atmete tief durch und schob die Decke von ihren Schultern.

„Ich würde mich gerne waschen, wenn das gestattet ist“, sagte sie leise, ohne Beathas anzusehen. Wortlos ging die Frau zur Tür, öffnete sie und unterhielt sich kurz mit demjenigen, der draußen Wache hielt.

„Warmes Wasser wird bald hergebracht. Und auch etwas Heißes zu trinken, Mädchen.“

Lilidh saß schweigend da und wartete, während sie versuchte, sich genau an die Dinge zu erinnern, die Symon voller Spott zu ihr gesagt hatte, und was Rob in der Großen Halle geäußert hatte. Nur Bruchstücke davon kamen ihr jetzt ins Gedächtnis, da sie nach der brutalen Behandlung nicht ganz bei Sinnen gewesen war und deshalb nicht alles mitbekommen hatte. Sicher war nur, dass man sie wegen ihres Vaters entführt hatte, während ihre Verbindung zu Iain und den MacGregors kaum erwähnt worden war.

Sie hatte den Eindruck, dass Symon eigenmächtig vorgegangen war, um Rob zum Handeln zu zwingen. Wäre sie unverletzt und bei klarem Verstand gewesen, hätte sie wohl mehr erfahren können. Ein lautes Klopfen an der Tür riss sie aus ihren Überlegungen, gerade als sie zu dem Schluss gekommen war, dass ihr nichts anderes übrigblieb, als abzuwarten, bis sie mehr erfuhr.

Beathas öffnete die Tür, ein großer Holzzuber wurde in das Gemach geschoben, Männer mit Eimern voll mit dampfendem Wasser folgten. Eine Frau übergab Beathas einen Stapel Tücher. Lilidh nahm das Ganze nur aus dem Augenwinkel wahr, da sie nicht den Wunsch verspürte, in die Gesichter dieser Mathesons zu schauen, die sie ganz sicher neugierig angafften.

Nachdem alle wieder gegangen waren und Beathas das Bad vorbereitet hatte, erhob sich Lilidh mühsam von ihrem Stuhl. Sie konnte ein schmerzhaftes Aufstöhnen nicht verhindern, da ihr Körper sich gegen jede Bewegung zur Wehr setzte. Ehe sie sich versah, wurde ihr ein Becher in die Hand gedrückt.

„Betonien-Tee. Er lindert die Schmerzen.“

Lilidh war klar, dass sie nichts würde erreichen können, solange sie nicht genesen war und sich bewegen konnte. Also trank sie einen Schluck Tee, der gesüßt und sehr aromatisch war. Sie trank noch etwas mehr davon, dann gab sie den Becher an Beathas zurück.

„Den Rest trinke ich nach dem Bad“, erklärte sie und humpelte zum Zuber, tauchte eine Hand ins Wasser und stellte fest, dass es genau heiß genug war, um ausgiebig zu baden. „Ich kann das alleine.“

Der erwartete Widerspruch der alten Frau blieb aus, stattdessen stellte Beathas einen Hocker neben den Zuber, legte die Tücher darauf ab und stellte eine kleine Schale mit Seife dazu.

„Ruft mich, wenn Ihr Hilfe bei Euren Haaren braucht“, sagte Beathas und ging zur Tür. „Und passt auf die Verletzung auf.“

Langsam und vorsichtig streifte Lilidh ihr Nachthemd über den Kopf und ließ es dort auf den Boden fallen, wo es nicht nass werden konnte. Irritiert sah sie sich um, konnte aber ihr Kleid nirgendwo entdecken. Hatte Beathas es mitgenommen, um es zu säubern?

Mit einem Achselzucken nahm sie zur Kenntnis, dass es offenbar nicht hier im Zimmer war, und hielt sich am Rand des Zubers fest. Sie stellte zuerst ihr unversehrtes Bein ins Wasser, da sie damit besser Halt fand, dann zog sie das andere nach und setzte sich vorsichtig hin. Der Badezuber war groß genug, um die Beine ausstrecken zu können. Genüsslich stöhnte sie auf, als die Wärme des Wassers die Anspannung in ihren Muskeln zu lösen begann. Nach den letzten Tagen fühlte sie sich nun wie im Himmel, sie lehnte sich zurück und genoss die wohlige Wärme.

Auch wenn sie daran gewöhnt war, dass Isla sich um sie kümmerte, wenn sie ein Bad nahm, schaffte sie es trotzdem, sich die Haare zu waschen. Allerdings hatte sie das Gefühl, dass sich anschließend mehr Wasser neben dem Zuber als darin befand. Nach der Haarwäsche blieb sie einfach weiter liegen, bis das Wasser allmählich kalt wurde. Darauf bedacht, nicht auszurutschen, stieg sie vorsichtig aus dem Zuber, wickelte eines der Tücher um ihren Kopf und benutzte ein anderes um sich abzutrocknen. Soeben hatte sie das Nachthemd wieder angezogen und sich in die warme Wolldecke gehüllt, da wurde die Tür geöffnet.

„Der Laird will, dass Ihr in die Große Halle kommt“, verkündete Beathas, legte ein Kleiderbündel aufs Bett und kam zu ihr. „Ich werde Euch für den Augenblick die Haare zum Zopf flechten. Der Laird will, dass Ihr Euch umgehend auf den Weg macht.“

Nach Beathas’ Miene und ihrem Tonfall zu urteilen, konnte das nichts Gutes bedeuten. Das Bad hatte belebend auf sie gewirkt, und Lilidh ließ sich von der Heilerin helfen, das mitgebrachte schlichte Gewand sowie die Strümpfe und Schuhe anzuziehen. Nachdem sie fertig angekleidet war, wappnete sie sich für das, was sie dort unten erwartete. Als dann die Tür erneut aufging und sie Dougal sah, der ein Seil in den Händen hielt und auf sie wartete, zuckte Lilidh zusammen. Was mochte Rob mit ihr vorhaben?

6. KAPITEL

Symon durchquerte den Saal in Richtung des Turms, in dem sich seine Gemächer und die seiner Schwester Tyra befanden. Er eilte die Treppe hoch und klopfte an ihrer Tür an, dann hob er den Riegel und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Er war so wütend darüber, dass sich seine Pläne in die völlig falsche Richtung entwickelten, dass er nicht wie ein Narr im Gang herumstehen würde, bis sie ihn einließ. Tyra warf ihm einen wütenden Blick zu, sagte aber nichts. Nach einem knappen Nicken verließen die Dienstmägde, die ihr beim Ankleiden geholfen hatten, hastig das Gemach. Dann drehte sie sich um, nahm den Handspiegel und zog ein Haarband zurecht.

Frauen! Zum Teufel mit ihnen allen!

Mit wenigen Schritten war Symon bei ihr, riss das Haarband ab und warf es ihr ins Gesicht, dann verschränkte er die Arme und sah sie an. Anstatt Angst oder zumindest den Respekt zu zeigen, den er verdient hatte, lächelte sie ihn nur an, wählte ein weiteres Stoffband aus ihrer Sammlung aus und brachte ihre Frisur wieder in Form. Und das alles, ohne ein Wort zu ihm zu sagen! Erst als seine Faust zu zucken begann, um sie zurechtzuweisen, ließ sie sich zu einer Äußerung herab.

„Und? Wie ist die neue Geliebte meines Verlobten, Symon?“

„Geliebte? Gib ihr nicht einen so hochtrabenden Titel, Tyra. Sie ist bloß eine MacLerie-Hure, die ihm das Bett wärmt.“

„So? Weiter nichts?“, erwiderte sie und sah ihn fragend an. „Nur eine Frau in seinem Bett?“

„Du weißt, wie es sich verhält, Schwester. Er wird sie benutzen, bis ihr Vater auf unsere Forderungen eingeht. Dann wird sie für immer von hier verschwunden sein.“

„War das dein Plan? Als du sie hergebracht hast, meine ich.“ Sie war so ruhig und gelassen, dass er stutzig wurde. Aufbrausend, wie sie war, hätte sie längst anfangen müssen zu toben, aber sie war weder lauter geworden, noch schien sie sich über sein Handeln zu ärgern.

„Mein ursprünglicher Plan war es, sie als meine Gefangene in mein Bett zu bringen, bis ihr Vater für ihre Freilassung bezahlt hätte“, gab er zu.

Der Anblick, wie Lilidh MacLerie den Waldweg entlang geritten kam, hatte ihn erregt, und er hatte sich vorgenommen, ihren Körper für sich zu beanspruchen und nach Belieben darüber zu verfügen, solange sie sich in seiner Gewalt befand. Dann hatte ihre Gegenwehr und ihre Sorge um ihre Kammerfrau diese Erregung noch mehr angeheizt, bis seine Begierde ihn fast überwältigt hätte. Oh ja, sie hätte ihm in seinem Bett viel Spaß bereitet. Sogar jetzt reagierte sein Körper auf diese Vorstellung. Erst das Hüsteln seiner Schwester holte ihn aus seinen lüsternen Gedanken.

„Und jetzt ist sie Robs Bettgesellin, und er kann über sie verfügen. Darüber bin ich wirklich nicht glücklich, Symon.“ Tyra stand auf, strich ihr Kleid glatt und machte einen Schritt auf ihn zu. Sie beugte sich vor und flüsterte ihm zu: „Hol sie dir zurück, Symon. Schaff sie aus seinem Bett.“

Ihr herrischer Tonfall ließ ihn fast zusammenzucken, aber eben nur fast. Doch er war hier der Mann, und auch wenn seine Schwester älter war als er, ließ er sich von einer Frau nichts vorschreiben.

„Hör mir gut zu, Tyra“, forderte er sie herrisch auf. „Sie ist nur ein Mittel zum Zweck. Sobald der MacLerie uns das Gold gegeben hat, darf sie gehen, und wir sind dann reich genug, damit ich diesem Bastard die Position als Clanführer abnehmen kann. Unsere Pläne werden von Erfolg gekrönt sein.“ Als sie um ihn herumgehen wollte, fasste er sie am Arm und zog sie zurück.

„Ich werde dann der Laird sein, deshalb solltest du lieber aufpassen, was du machst, und vor allem das tun, was ich dir sage. Ich werde nicht so nachsichtig sein wie dieser Hurensohn Rob, wenn es darum geht, dass du deinen Kopf durchsetzen willst.“

Für einen winzigen Moment blitzte in ihren Augen etwas auf, das sie gleich wieder überspielte. Etwas, das er nicht deuten konnte. Etwas Tödliches.

„Aber natürlich, Bruder“, erwiderte sie und neigte den Kopf. „Ich weiß deine Ratschläge in allen Dingen zu schätzen.“

Er atmete schnaubend aus und ließ sie los. Solange sie wusste, dass ihre Position völlig von ihm abhängig war, würde alles gut verlaufen. Symon ging zur Tür, hob den Riegel hoch und warf Tyra über die Schulter einen letzten Blick zu. Ihre Miene ließ nur Demut und Gehorsam erkennen, doch das war nicht das, was er zuvor dort gesehen hatte.

Das war es ganz und gar nicht.

Tyra wahrte den ausdruckslosen Blick, bis Symon die Tür hinter sich geschlossen hatte, gleich darauf flammte Zorn in ihren Augen auf. Sie ballte die Hände und sah sich nach etwas um, das sie zerstören konnte. Der Drang, irgendetwas zu packen und es gegen die Wand zu schleudern, um es zu zerschmettern, wurde übermächtig, und dann fiel ihr Blick auf den Handspiegel.

Der Spiegel war ein Geschenk von ihrem Stiefvater – Symons Vater. Wütend schmetterte sie das wertvolle Teil auf den Boden, wo es in mehrere Teile zerbrach.

Tyra kochte vor Wut. Immer wieder waren es die Männer, die ihr Vorschriften machten. Erst ihr Vater, dann ihr Stiefvater, ihr Bruder und nun auch noch der neue Laird, der sich einverstanden erklärt hatte, sie zur Frau zu nehmen. Allerdings erst dann, nachdem diese nutzlosen Ältesten auf ihn eingeredet hatten! Und dennoch zögerte er keinen Moment, mit einer anderen Frau das Bett zu teilen, und das auch noch auf eine Weise, dass es jeder mitbekommen konnte. Ohne jedes Schamgefühl und eine Erklärung ihr gegenüber, die diese Ohrfeige für ihren Stolz gelindert hätte. Man erwartete einfach von ihr, dass sie sich so behandeln ließ und dafür auch noch dankbar war!

Aber Dankbarkeit lag ihr überhaupt nicht.

Zum Teufel mit diesem Idioten von Symon! Sein Vorgehen war mit einem hohen Preis verbunden, und er hatte ihre eigenen Pläne völlig über den Haufen geworfen. Hätte er einfach Ruhe bewahrt und es jenen Ältesten, die den Bastard genauso loswerden wollten wie er, überlassen, Rob aus seiner Position zu verdrängen, dann wäre alles ganz problemlos verlaufen. Dann hätte sich auch ihre Zukunft so entfaltet, wie sie es sich wünschte. Jetzt aber konnte Rob selbst Druck auf die Ältesten ausüben, und die MacKenzies erschienen angesichts der Bedrohung durch die Streitkräfte des MacLerie gar nicht mehr als so vielversprechende Verbündete.

Verflucht sollte er sein!

Schritte näherten sich im Gang, und Tyra wusste, sie musste sich wieder unter Kontrolle bringen. Männer mochten nicht wissen, wie man sich beherrschte, wenn es darauf ankam, doch sie würde ihre Pläne nicht an einem Übermaß von Gefühlen scheitern lassen. Sie atmete tief durch, setzte eine entspannte Miene auf und verdrängte alle Gedanken aus ihrem Kopf, bis sie in der Lage war, ein freundliches Lächeln aufzusetzen.

„Ich habe das Gewicht des Spiegels unterschätzt“, erklärte sie der eintretenden Dienerin, woraufhin diese in aller Eile die Bruchstücke einsammelte.

„Oh, wie schade“, flüsterte Margaret bestürzt. „Es ist das wundervolle Geschenk, das Ihr zum Geburtstag von Eurem Stiefvater erhalten hattet.“

„Vielleicht kann der Silberschmied den Spiegel reparieren. Würdest du ihn zu ihm bringen und dich erkundigen?“, fragte sie die Dienstmagd freundlich lächelnd.

„Aye, das werde ich machen“, sagte Margaret, die ebenso wie die anderen Dienerinnen darauf bedacht war ihr zu gefallen. Schließlich gingen sie alle davon aus, dass sie bald die Gemahlin des Lairds sein würde.

Erst als Margaret gegangen war, setzte sich Tyra an den Tisch, auf dem eben noch der Spiegel gelegen hatte. Sie strich sich die Haare glatt und zupfte an den Ärmeln ihres Kleids. In Kürze musste sie in der Großen Halle erscheinen und dann so tun müssen, als sei sie mit ihrem Leben rundum zufrieden. Und als würde es ihr nichts ausmachen, dass ihr Verlobter sich mit einer anderen Frau vergnügte, und das mit Wissen des ganzen Clans. Sie musste vorgeben, dass ihr die Aussicht gefiel, die Frau des Lairds zu werden, musste vortäuschen, das sei genau das Leben, das sie sich schon immer erträumt hatte.

Schon vor langer Zeit hatte sie gelernt, geduldig auf den richtigen Moment zu warten. Es war eine unerfreuliche Lektion gewesen, die sie niemals vergessen würde. Alles, was diese Narren geplant hatten, würde sich als null und nichtig erweisen, und letztlich würde sie über den Haushalt des Mannes herrschen, den sie liebte: Gavin MacKenzie, Erbe des riesigen MacKenzie-Vermögens mit all seinen Ländereien.

Und dann würden sie alle begreifen, dass sie sie niemals hätten unterschätzen sollen.

Lairig Dubh

Jocelyn gefiel das ganz und gar nicht.

Irgendetwas spielte sich ab, aber niemand wollte ihr sagen, was es war. Selbst Rurik, der normalerweise nichts für sich behalten konnte, sah sie nur schweigend an. Duncan, Unterhändler des Clans, kam zu Connors Besprechungen und ging wieder weg, ohne ihr in die Augen zu sehen.

Oh ja, irgendetwas Schlimmes hatte den MacLerie-Clan ereilt.

Ihre Geduld, die ohnehin kaum vorhanden war, wenn sie sich um ihre Familie sorgte, war in diesem Moment endgültig aufgebraucht. Sie stand auf, entschlossen, der Wahrheit auf den Grund zu gehen.

Genau in diesem Augenblick betrat Connor den Raum. „Jocelyn, komm mit“, forderte er sie auf. „Ich muss dir etwas sagen.“

Autor

Terri Brisbin
Das geschriebene Wort begleitet Terri Brisbin schon ihr ganzes Leben lang. So verfasste sie zunächst Gedichte und Kurzgeschichten, bis sie 1994 anfing Romane zu schreiben. Seit 1998 hat sie mehr als 18 historische und übersinnliche Romane veröffentlicht. Wenn sie nicht gerade ihr Leben als Liebesromanautorin in New Jersey genießt, verbringt...
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