Historical Saison Band 20

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

DIE LADY UND DER MEISTERDIEB von KAYE, MARGUERITE
Atemlos schmiegt sich Lady Deborah in die Arme des Fremden, den sie gerade bei seiner Diebestour überrascht hat. Nie zuvor ist die eigenwillige junge Witwe derart leidenschaftlich geküsst worden. Als sie erfährt, dass ihr charmanter Langfinger Londons meistgesuchter Einbrecher ist, keimt in ihr ein verwegener Plan …

VERFÜHRT IM NAMEN DER KRONE von FULFORD, JOANNA
"Ziehen Sie sich aus und legen Sie sich ins Bett!" verlangt Antoine. Das vorgetäuschte Liebesspiel in einem schummrigen Pariser Freudenhaus soll ihn eigentlich nur vor Napoleons Häschern schützen - doch die überraschend glühende Umarmung der schönen Agentin Claudine bringt den sonst so kühlen Antoine schier um den Verstand.


  • Erscheinungstag 14.01.2014
  • Bandnummer 0020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733763008
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Marguerite Kaye, Joanna Fulford

HISTORICAL SAISON BAND 20

MARGUERITE KAYE

Die Lady und der Meisterdieb

„Das meinen Sie nicht ernst?“ Elliot Marchmont starrt Lady Deborah entsetzt an. Schlimm genug, dass die Countess ihn als berüchtigten Meisterdieb enttarnt hat – jetzt will sie ihn auch noch auf seinen winterlichen Raubzügen begleiten! Spontan willigt er ein, doch später kommen ihm Zweifel an seinen Motiven … Hat sie ihm etwa bereits sein Herz gestohlen?

JOANNA FULFORD

Verführt im Namen der Krone

Die Countess of Ulverdale kämpft als Spionin für ihr Land – und für ihre persönliche Unabhängigkeit. Ein pikanter Auftrag bringt sie mit dem faszinierenden Antoine zusammen und seine Küsse entfachen in ihr ein erloschen geglaubtes Feuer. Aber kann sie ihm trauen? Als beide in eine gefährliche Falle gelockt werden, bleibt ihr nichts anderes übrig ...

PROLOG

Die Wandfresken waren erstaunlich gut. Wer immer sie in Auftrag gegeben hatte, hegte offensichtlich breit gefächerte Neigungen: auf einer Wand praktizierte Dionysos seine Künste, daneben vergnügte sich Sappho, während auf der gegenüberliegenden Wand Männer wie Frauen sehr anschaulich in diversen und, wie Charles Mumford, dritter Marquis of Rosevale, fand, physisch ziemlich unmöglichen Stellungen abgebildet waren. Die vierte Wand zeigte eine recht interessante Dreiergruppe, die seine Lordschaft gern genauer betrachtet hätte. Nur bereitete ihm das in seiner momentanen Haltung einige Schwierigkeiten.

„Um Himmels willen, Bella, hab Erbarmen, ich flehe dich an.“ Es lag definitiv nicht in der Natur des Marquis, zu bitten oder zu flehen. Normalerweise erwartete er – ja, glaubte sogar, es sei sein unabänderliches Recht – dass jeder seiner Anweisungen unmittelbar gehorcht werden müsse. Nur konnte man die Haltung, in der er sich gerade befand, auch mit der ausschweifendsten Fantasie nicht als normal bezeichnen.

Zum einen war er verschnürt wie ein Rollbraten und mit Händen und Füßen an die Bettpfosten des prächtig geschnitzten Himmelbetts gebunden, das die Mitte des Raums einnahm. Da sein Hemd über der Brust aufklaffte und die Beinkleider bis zu den Knien heruntergelassen waren, war er außerdem vom Kopf bis zu den Knien schockierend entblößt.

Dazu wurde er von dem exotischsten, faszinierendsten weiblichen Wesen, das er je zu Gesicht bekommen hatte, abschätzend gemustert. Gewandet in schwarzen Samt, mit einem so gewagten Dekolletéé, dass es nur durch die beträchtliche Kraft ihres Willens an Ort und Stelle gehalten zu werden schien, war die Frau der Traum eines jeden heißblütigen Mannes. Schwarze, seidig glänzende Locken fielen ihr über den Rücken. Ihre Haut war cremig weiß, ihre Lippen rot gefärbt und ihr Gesichtsausdruck war gleichzeitig lasziv und boshaft. In einer Hand hielt sie eine dicke, neunschwänzige Peitsche, deren Schnüre sie nachdenklich durch die Finger der anderen gleiten ließ. Charles Mumford stöhnte tief in der Kehle. Ob vor Beklommenheit oder freudiger Erwartung, wusste nur er selbst.

Träge ließ Bella Donna ihre Blicke über den Körper ihres Gefangenen wandern. Abgesehen von der unbestreitbaren Tatsache, dass er ein unerträglich selbstgefälliger Mann war, der die Strafe, die sie für ihn vorgesehen hatte, mehr als verdiente, besaß der Marquis einen prachtvollen Körper, dessen kraftvolle Muskulatur davon zeugte, dass er der noblen Kunst des Fechtens zugetan war. Wie Taue standen seine Armmuskeln hervor, wie er sich da gegen die Fesseln stemmte, die Bella so kunstvoll verknotet hatte. Eine leichte Krause dunklen Haares bedeckte seine Brust und verjüngte sich in Richtung seines flachen Bauches und tiefer. Bella folgte der Spur mit ihrem Blick. Der Ruf, der ihm vorauseilte, war in der Tat verdient. Langsam fuhr sie sich mit der Zunge über ihre Lippen. Strafe auszuteilen hieß nicht, sich ein Vergnügen zu versagen. Besonders nicht ihr eigenes.

Genüsslich langsam zog Bella die Peitsche über des Marquis Körper, nahm mit Genugtuung wahr, wie seine Haut unter den schwarzen Lederschnüren erbebte.

Seine Lordschaft ächzte. „Zur Hölle mit dir, mach mich los!“

Bella lachte.“ In deiner Welt mag dein Wort Gesetz sein, aber du bist jetzt in meiner Welt. In der dunklen, erotischen Welt der Nacht, wo ich die Königin bin und du mein Untertan. Ich werde dich erst losmachen, wenn ich mit dir fertig bin, nicht eine Minute eher.“

„Sei verflucht! Bella Donna – tödliches Nachtschattengewächs. Ja, das ist der richtige Name für dich! Womit habe ich das hier verdient?“

„Du bist ein Mann, das ist Verbrechen genug“, zischte Bella, und sah mit Genugtuung, dass trotz seines Flehens die Erregung des Marquis zunahm. Erneut setzte sie die Peitsche ein, nun durchaus entschiedener. Leise zischend fuhren die Schnüre über die Haut, sodass ihr Opfer zusammenzuckte. Bella erschauerte erwartungsvoll. Sie war bereit.

„Genug geredet!“ Sie hob ihre Röcke und ging zum Bett. „Aber sei gewarnt!“, zischte sie ihm ins Ohr, „Ich werde ohne zu zögern die Peitsche einsetzen, wenn du das Tempo nicht halten kannst.“

Mit zitternden Fingern legte die Autorin die Feder zur Seite. Es war, wie sie fand, die beste und gleichzeitig skandalöseste Szene, die sie bisher geschrieben hatte.

„Gute Nacht, Bella“, sagte sie laut, während sie das Blatt Papier in ihrer Schreibtischlade versenkte und den Schlüssel im Schloss drehte, „Ich freu mich schon darauf, mich morgen wieder mit dir zu befassen.“

Befriedigt – wenn auch auf andere Art als Bella – löschte sie die Kerze und zog sich in ihr Schlafgemach zurück.

1. KAPITEL

Sussex, Februar 1817

Die Zeiger der großen Uhr auf dem Kaminsims setzten sich in Gang, und das harsche Geräusch hallte so laut durch den ansonsten stillen Raum, dass Elliot Marchmont erschreckt sein Werkzeug fallen ließ. Er glitt ins Dunkel des eleganten Salons und verbarg sich hastig hinter den schweren Damastvorhängen. Sie waren staubig. Sofort kribbelte es in seiner Nase. Lady Kinsail schien keine übermäßig eifrige Hausfrau zu sein.

Die Uhr begann die Stunde zu schlagen. Eins. Zwei. Drei. Es war ein altes Stück – Ludwig XIV., schätzte er – mit einem verschnörkelten Zifferblatt, das neben der Zeit auch die Mondphasen anzeigte, das Gehäuse mit Gold eingelegt und mit Diamanten verziert. Wertvoll. Eine solche hatte er bereits einmal in einem herrschaftlichen Haus gesehen, in dem er während seines Aufenthalts in Lissabon zu Gast gewesen war. Spöttisch lächelnd verzog Elliot den Mund. Irgendwie bezweifelte er, dass sich jenes Stück noch immer dort befand.

Die hellen Schläge verklangen in der Nacht, und es kehrte wieder Stille ein. Elliot wartete. Eine Minute. Zwei … Erst nach fünf Minuten wagte er, sich erneut zu rühren, denn die Erfahrung hatte ihn gelehrt, Vorsicht walten zu lassen, falls doch noch irgendjemand im Haushalt von dem Geräusch aus dem Schlaf aufgestört worden war. Aber alles war gut. Die Luft war rein.

Elliot schlich – seine Laterne mit einem Taschentuch abgedeckt – leise und verstohlen wie eine Katze zu der Wand des großen Salons, an der ein Porträt hing. Im fahlen Licht blickte der gegenwärtige Lord Kinsail grimmig auf ihn nieder, ein Mann mit Pausbacken, schweren Lidern und schmalem, verkniffenem Mund.

„Heimtückischer Grabschänder!“, zischte Elliot giftig. „Gefühlloser, selbstgefälliger Heuchler!“

Reglos verharrte er vor dem Abbild des Staatsministers, der vor ein paar Jahren noch während des Kriegs für die Versorgung der britischen Armee verantwortlich gewesen war – oder eher für die Vernachlässigung eben dieser Versorgung, wenn man Elliot fragte.

Auf einem zierlichen, vergoldeten Stuhl balancierend tastete Elliot sorgfältig den Rahmen des Bildes ab, bis er zu seiner Befriedigung ein leises Klicken vernahm. Lautlos schwang das schwere Porträt in seinen Angeln nach vorn. Elliot duckte sich und konnte so grade noch vermeiden, dass die scharfe, bronzene Ecke des Rahmens ihn am Kinn erwischte.

Nun machte er sich mit Hilfe diverser Dietriche zügig ans Werk. Zwar war der Geldschrank alt, doch der Earl hatte das ursprünglich sehr einfache Schloss durch eine modernere Vorrichtung ersetzt. Vor die komplizierte Aufgabe gestellt, vier anstatt der üblichen zwei Schließen öffnen zu müssen, kostete es Elliot beinahe zwanzig Minuten, damit fertig zu werden. Erleichtert seufzte er auf, als der letzte Riegel sich hob, der Haltebolzen endlich zurückglitt und das Stahlfach zum Vorschein kam.

Mit Bändern verschnürte, versiegelte Dokumente verstopften das kleine Fach. Darunter waren eine Anzahl lederner Schatullen gestapelt, die Elliot ohne Zögern öffnete, um den Inhalt zu prüfen. Der Familienschmuck der Kinsails war, wie er feststellte, von exzellenter Qualität – jedoch war erstaunlich wenig davon vorhanden.

Offensichtlich war das Vermögen der Familie irgendwann in der Vergangenheit beträchtlich dezimiert worden. Er zuckte die Achseln. Was die Leute mit ihrem eigenen Besitz anstellten, interessierte ihn nicht.

Das, wonach er suchte, befand sich in keiner dieser Schachteln. Einen Moment hielt er inne und rieb sich grübelnd das Kinn, auf dem sich schon wieder kurze Stoppeln gebildet hatten. Es knisterte hörbar in der Stille. Schließlich tastete er mit seinen Fingern über die Rückwand des Tresors, bis er ein bewegliches Feld fand, das ein kleines Fach verhüllte. Triumphierend lächelnd fischte Elliot ein Samtbeutelchen daraus hervor und schüttete den Inhalt in seine Handfläche. Der große blaue Diamant, der herauspurzelte, war rechteckig und von außergewöhnlichem Schliff. Mindestens hundert Karat, schätzte Elliot.

Er schob ihn zusammen mit den Dietrichen in seine Tasche, zog eine Visitenkarte hervor und legte sie bedachtsam in den Safe. Dann zog er sich zurück. Gerade wollte er die Salontür öffnen, da ließ ihn ein Knarren draußen im Flur innehalten. Vielleicht waren es ja nur die alten Balken des Hauses, dennoch beschloss er, Kinsail Manor auf dem schnellsten Weg zu verlassen.

Deshalb hastete er zum Fenster, öffnete einen der bleiverglasten Flügel, und dann sprang der ehemalige Major Elliot Marchmont mit einer Wendigkeit, die die Männer, die unter ihm gedient hatten, beeindruckt, wenn auch nicht überrascht hätte, auf die Brüstung. Er griff nach dem bleiernen Regenrohr am Rande der Mauer, betete stumm zu dem Gott der Einbrecher – welcher auch immer das sein mochte – dass das Material seinem kräftigen Körper standhalten möge, und begann den unsicheren Abstieg.

Die Stallglocke schlug die halbe Stunde, als Lady Deborah Napier, Witwe des Earl of Kinsail, vom Park kommend durch eine Seitenpforte den italienischen Garten betrat. Während sie ihre übliche nächtliche Runde um den Park des Hauses machte, zog sie fröstelnd ihren Mantel enger um sich. Geräumig, aus dunkelrotbrauner Wolle mit einem Cape wie bei den Fahrmänteln der Herren, hielt er sie nicht nur warm, sondern verbarg auch die Tatsache, dass sie darunter nichts als ihr Nachtgewand trug. Gewiss sah sie merkwürdig aus mit ihren auf Papilloten gewickelten Haaren, während ihre Füße in dicken, handgestrickten Socken und robusten Stiefeln steckten. Der, ach, so hochwohlgeborene Jacob, Lord Kinsail, wäre empört, wenn er herausfände, dass die Witwe seines verstorbenen Cousins in diesem Aufzug das Anwesen durchstreifte – und zwar in beinahe jeder ihrer schlaflosen Nächte während ihres pflichtgemäßen jährlichen Besuchs hier.

Verstohlen lächelte Deborah in sich hinein, als sie über den Stallhof eilte. Letztendlich war es eine recht magere Form des Widerstandes, amüsierte sie aber trotzdem. Sie hatten weiß Gott nichts für einander übrig, sie und der Earl, der allein ihr alles anlastete: den vorzeitigen Tod ihres Gemahls, die Schulden, die der hinterließ, den elenden Zustand seiner Ländereien und ihr beklagenswertes Versagen, einen männlichen Erben zu produzieren. Die letzte Tatsache nahm er ihr besonders übel.

Vermutlich sollte ich dankbar sein, dass er überhaupt noch von mir Notiz nimmt, überlegte sie, denn eine Erbin, deren Börse sich als ebenso leer erwies wie ihr Leib, ist wohl eine armselige Kreatur – selbst wenn die leere Kinderstube immerhin Jacob unverhofft zu einem Titel verholfen hatte. Aber leider kann ich mich nicht dazu durchringen, für die Einladung in dieses Haus dankbar zu sein. Jedes Jahr aufs Neue staune ich, dass der elende Mensch sich einbildet, er gewährte mir eine Gunst damit, mich auf zwei qualvolle Wochen in dieses Haus zu bitten, in dem ich sieben schreckliche Jahre verbringen musste.

Zum Mond aufblickend fragte sie: „Ist es denn ein Wunder, dass ich hier keine Ruhe finde?“

Der Mond verweigerte ihr die Antwort, und sie merkte, dass sie wieder einmal mit sich selbst gesprochen hatte. Eine alte Angewohnheit, die sie sich während er einsamen Jahre nach dem Tod ihrer Eltern angewöhnt hatte, als sie sich im Haushalt ihres betagten Onkels ganz auf sich selbst gestellt sah. Damals hatte sie in ihrem Schulzimmer mit erdachten Freunden gesprochen, für die sie Seite um Seite ihrer Hefte mit Geschichten füllte, anstatt ihre Rechenaufgaben zu erledigen.

Diese Abenteuer hatte sie dann ihren unsichtbaren Kameraden vorgelesen, nicht ohne hier und da zu unterbrechen, um den Verlauf zu diskutieren. Wie lange ihre ältliche Gouvernante sie an jenem Tag dabei von der Tür her belauscht hatte, wusste Deborah nicht, doch für die würdige Dame war es lange genug gewesen. Sie hatte verkündet, dass sie sich außerstande sehe, ein so frühreifes Kind zu betreuen und ihren Posten zu Deborahs Freude aufgegeben, woraufhin ihr Onkel beschlossen hatte, sie auf ein Internat zu schicken.

„Vermutlich ahnten die beiden nicht“, murmelte Deborah vor sich hin, „dass sie mir damit die glücklichsten fünf Jahre meines Lebens bescherten.“

In dem vornehmen Institut für junge Damen machten ihre Geschichten Deborah beliebt, nahmen ihr bald ihre anfängliche Scheu hinweg und verhalfen ihr zu echten Freunden.

Während sie langsam zur jungen Frau heranwuchs, wandelten sich ihre Erzählungen. Von plündernden Piraten über Geistergeschichten kam sie zu edlen, kühnen Rittern, die schönen Burgfräulein nachstellten. Immer schon war die Liebe in ihren mannigfaltigen Formen ihr Thema gewesen, selbst in ihrem kindlichen Gekritzel fanden verwaiste Kleinkinder neue Familien oder vermisste Brüder wurden mit ihren treuen Schwestern zusammengeführt. Aber während der letzten beiden Jahre im Internat war die romantische Liebe das vorherrschende Thema ihrer Geschichten – wo Helden auf gefährliche Fahrt gingen, um unmögliche Aufgaben zu lösen, und wo Heldinnen ihren grausamen Vormündern trotzten und Leib und Leben aufs Spiel setzten, um mit dem Mann ihrer Träume vereint zu sein.

Die Mädchen pflegten im Aufenthaltsraum beim Kaminfeuer zu kauern, und Deborah spann ihre komplizierten Handlungsfäden. So versunken waren ihre gespannt lauschenden Zuhörerinnen, dass sie jedes Mal erschreckt auffuhren, wenn Miss Kilpatrick an die Tür klopfte und verkündete, dass es Zeit sei, zu Bett zu gehen.

„Eines Tages“, hatte sie damals zu ihrer Freundin Beatrice gesagt, „sind wir die Heldinnen. Wenn wir hier fortgehen …“

Aber Bea, hübsch, praktisch veranlagt, ein Jahr älter und zehn Jahre weiser als Deborah, lachte nur. „Ehrlich, Deb, langsam solltest du dir klar machen, dass deine Romanzen nur Geschichten sind. Man verliebt sich nicht auf den ersten Blick; und wenn, dann sei dir gewiss, vergeht das ebenso schnell wieder. Mein Ehemann soll für mich da sein, wenn ich ihn brauche, soll mein Geld nicht sinnlos verschleudern, und ansonsten keine Hirngespinste verfolgen.“

Ein Jahr später, als Deborah schon wieder, einem Eremiten gleich, im Haus ihres Vormunds lebte, heiratete Bea den ältesten Sohn eines benachbarten Spinnereibesitzers, der, wie sie Deborah in einem ihrer Briefe mitteilte, sich sehr gut machte.

Dieser Briefwechsel mit ihrer Freundin – mit allen ihren Freundinnen – der ihr so viel bedeutete, war eines der vielen Dinge, die Jeremy ihr später nahm. Nicht, dass er ihr verboten hätte zu schreiben, nur war es ihr bald völlig unerträglich, ihre fatale Ehe in glühenden Farben zu schildern. Und nun war es zu spät, obwohl Jeremy seit zwei Jahren tot war.

Wie eine schwarze Wolke spürte Deborah die Melancholie über sich hängen, die sich, wenn sie ihren jährlichen Besuch auf Kinsail Manor absolvierte, stets noch verstärkte. Jeremys Tod hatte sich keineswegs als die segensreiche Erlösung entpuppt, die sie sich davon erwartet hatte. In letzter Zeit kam es ihr vor, als hätte sie nur ein Gefängnis für ein anderes eingetauscht. Wie ein Abgrund gähnte die Einsamkeit vor ihr, doch sie hatte Angst davor, diesen Abgrund zu überbrücken, denn sie würde nicht ertragen können, dass die Wahrheit über sie bekannt wurde – selbst wenn das hieß, dass der Abgrund sie vielleicht eines Tages verschluckte.

Sie war nicht glücklich, aber sie wusste auch nicht, wie das zu ändern wäre – oder ob sie überhaupt je etwas anderes empfinden könnte. Isoliert wie sie war, fühlte sie sich doch wenigstens sicher – immerhin ein kleiner Trost. Niemand konnte sie verletzen. Und sie würde sich nie weder verletzen lassen.

Ein kalter Windstoß erfasste ihren weiten Mantel und riss ihn auf. Sie fröstelte. Viel zu lange hatte sie sich bereits in der Vergangenheit verloren. Schlafen würde sie nicht können, dessen war sie sicher. Doch wenn sie jetzt nicht zurück ins Haus ging, würde sie sich erkälten – und dann hätte Lady Margaret, die unterdrückte Gattin des Earls, die in ihrer Verzweiflung ständig Verbündete suchte, einen Vorwand, Deborah einen längeren Aufenthalt aufzudrängen.

Den Kopf gesenkt, ihren Mantel fest vor der Brust zusammenziehend, eilte Deborah zu der Seitenpforte im Ostflügel des Hauses und war gerade unterhalb des Großen Salons, als ein seltsames Geräusch sie innehalten ließ. Kaum hatte sie aufgeschaut und eine dunkle, drohende Gestalt erblickt, die an der bloßen Wand zu kleben schien, fiel diese auch schon auf sie herab.

Die Befestigung des Regenrohrs gab knirschend nach, als Elliot noch etwa drei Meter vom Boden entfernt war. Da er lieber nicht riskieren wollte, dass die gesamte Konstruktion sich von der Wand löste, ließ er los, im Vertrauen darauf, auf dem dichten Rasen sanft zu laden. Natürlich erwartete er nicht, dass sein Fall von etwas viel Weicherem aufgehalten würde.

„Aua!“

Unter ihm stöhnte eine Frau erstickt auf. Geisterhaft bleich im Gesicht sah sie ihn mit entsetzt aufgerissenen Augen an.

Elliot spürte den scharfen Hauch ihres Atems über seine Wange streichen und drückte ihr rasch seine Hand auf den Mund. „Bitte keine Angst! Ich werde Ihnen nichts tun, ehrlich.“

Ungläubig hob sie ihre fein geschwungenen Augenbrauen und zappelte wild mit den Armen. Ihr Körper war zart und nachgiebig. Und er, Elliot, lag mitten auf ihr – was vermutlich ziemlich ungehörig war. Und durchaus köstlich, wie er gleichzeitig merkte. Auch schien sie nichts als ein Nachthemd unter ihrem weiten Mantel zu tragen. Ihre Brüste wogten bei jedem ihrer Atemzüge gegen seine Brust. Warm drückte ihr Mund gegen seine Handfläche. Ein, zwei Sekunden lag er einfach da, gefangen in dem unerwarteten Gefühl körperlicher Nähe, ehe ihm mehrere Dinge zugleich aufgingen.

Höchstwahrscheinlich war sie die Countess of Kinsail.

Ganz bestimmt würde sie schreien, sobald sie die Möglichkeit dazu bekam.

Wenn man ihn ertappte, landete er am Galgen.

Er musste weg. Sofort!

Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung war er auf den Füßen und zog die verwirrte Frau mit sich, wobei er ihr immer noch mit einer Hand den Mund zuhielt. Den anderen Arm hatte er um ihre Taille geschlungen. Eine bemerkenswert schlanke Taille. Und die Dame war für eine Frau ungewöhnlich groß. Verdammt, der Earl war ein glücklicher Mann. „Verspechen Sie, nicht zu schreien, wenn ich jetzt meine Hand wegnehme?“, flüsterte er.

Sie hob ihre ausdrucksvollen Augenbrauen und schaute ihn indigniert an. Das konnte Ja bedeuten … oder auch Nein.

Elliot ließ es darauf ankommen. „Habe ich Ihnen wehgetan? Ich hatte nicht damit gerechnet, hier jemanden zu finden – wie Sie sich sicher vorstellen können“, fuhr er fort.

„So wenig wie ich.“

Ihre Stimme war ein wenig belegt – was davon kommen mochte, dass er ihr gerade fast den Brustkorb zerquetscht hatte. Sie hatte ein ungewöhnliches Gesicht. Ein interessantes Gesicht. Viel mehr als nur schön. Ihr Mund war voll, mit einem leicht zynischen Zug. Weder Tränen noch Anzeichen von Hysterie, im Gegenteil: In ihrem Ausdruck erkannte er sogar einen Hauch von Amüsement.

Als Reaktion darauf zuckten Elliots Lippen unwillkürlich. „So köstlich es war – für mich wenigstens – lag es dennoch nicht in meiner Absicht, Sie als Landeplatz zu benutzen.“

„Ich freue mich, von Nutzen gewesen zu sein.“ Immer noch leicht benommen schaute Deborah ihn an. „Was um alles in der Welt haben Sie denn da getan?“, fragte sie, wobei ihr im selben Moment klar wurde, wie dumm die Frage war.

Doch er sah nicht wie ein gewöhnlicher Einbrecher aus – nicht, dass sie gewusst hätte, wie ein Einbrecher aussah! Gewiss sollte sie doch um Hilfe schreien? Und gewiss sollte sie sich fürchten, denn immerhin lag sein Schicksal in ihrer Hand, was er wissen musste; trotzdem neigte sie weder zum einen noch zum anderen. Entsetzlicherweise war sie schlicht und einfach fasziniert von den Nachwirkungen ihres Zusammenpralls. Seinen schweren Körper auf sich zu spüren … diesen starken, muskulösen, außerordentlich drahtigen Körper … seine Hand auf ihrem Mund …

„Was haben Sie da oben an der Wand gemacht?“, wiederholte sie bemüht ruhig.

Elliot grinste. „Leider genau das, was Sie vermuten, Lady Kinsail.“

Nun wäre definitiv der Augenblick, um nach Hilfe zu schreien, dennoch unterließ Deborah es. „Sie kennen mich?“

„Ich habe von Ihnen gehört.“

„Oh.“ Sich jäh ihrer Aufmachung bewusst, raffte sie hastig ihren Mantel über der Brust zusammen. „Ich bin nicht für Besucher ge… ich meine, ich ging nicht davon aus, jemandem zu begegnen“, sagte sie und merkte, wie sie errötete, was hoffentlich die Dunkelheit verbergen würde.

„Ich auch nicht.“

Der Einbrecher schmunzelte amüsiert. Ein heiseres, sehr männliches Geräusch, das Deborah erschauern ließ. Er hatte ein bemerkenswertes Gesicht, mit ausgeprägten Linien, schweren Brauen und tiefen Kerben um die Mundwinkel. Seine Augen wirkten, als hätten sie zu viel gesehen. Eine unterschwellige Gefahr ging von ihm aus.

In der Tat ein einprägsames Gesicht … und außerordentlich attraktiv.

Ihre Blicke trafen sich, und für ein paar Sekunden schien die Zeit zwischen ihnen stillzustehen. Eine unerklärbare Spannung entstand zwischen ihnen.

„Es tut mir leid, Sie erschreckt zu haben“, sagte er endlich, „Doch im Grunde müssen Sie meine Anwesenheit hier Ihrem Gemahl anlasten.“

Langsam fragte Deborah sich, ob sie träumte. „Aber Jeremy – mein Gemahl – er ist …“

„Ein höchst glücklicher Mann.“ Elliot lächelte schief. „Ich muss Ihnen danken, dass Sie nicht um Hilfe gerufen haben. Ich stehe in Ihrer Schuld.“ Unvermittelt zog er sie an sich, und sie wehrte sich nicht. Ihre Lippen auf den seinen waren warm, süß, köstlich – und es war viel zu schnell vorbei. Nur zögernd ließ er sie los und sagte rau: „Ich muss fort. Und Sie, Madam, müssen tun, was Sie für richtig halten.“

„Einen Moment, Sir! Ich weiß nicht einmal, wie Sie heißen.“

Der Einbrecher lachte leise. „Ich könnte es Ihnen sagen, aber dann müsste ich Sie töten.“

Und schon rannte er quer über den Rasen davon. Völlig verwirrt schaute Deborah ihm nach, bis seine schattenhafte Gestalt mit der Dunkelheit verschmolz. Die Turmuhr schlug die volle Stunde. Von oben aus dem Haus hörte sie das leise, durchdringende Schlagen einer zweiten Uhr. Die französische Uhr? Sie schaute hinauf und sah, dass das Fenster des Großen Salons weit offen stand. Behutsam legte sie einen Finger auf ihre Lippen, da, wo der Einbrecher sie geküsst hatte.

Geküsst … von einem gewöhnlicher Dieb!

Nein. Ein Einbrecher mochte er sein, doch ganz gewiss nicht gewöhnlich. Sein Tonfall war der eines gebildeten Mannes. Er trat auf wie jemand, der es gewohnt war zu befehlen. Sein Mantel war aus feinster Wolle, und wenn sie recht überlegte – seine Stiefel waren von hervorragender Machart und blitzblank poliert. Er roch nach frischer Wäsche und nur kaum merklich nach Leder und Pferd. Vermutlich hatte er sein Reittier irgendwo in der Nähe angebunden. Sie horchte eindringlich, hörte jedoch nichts als den Wind, der wispernd durch die kahlen Bäumen fuhr.

Sie sollte den Earl wecken. Mindestens jedoch die Dienerschaft. Deborah runzelte die Stirn. Was immer der Mann gestohlen hatte, musste er an seinem Körper verborgen haben, denn er hatte keinen Sack oder ähnliches für seine Beute bei sich getragen. Dokumente vielleicht? Trotz der mühsamen Aufgabe, Jeremys Angelegenheiten in Ordnung zu bringen – eine Aufgabe, über die zu klagen sein Cousin nie müde wurde – hatte Lord Kinsail seine aktive Rolle im Staatsdienst nicht aufgegeben. Also war der Einbrecher ein Spion? Das klang schon einleuchtender, wenn auch der Krieg so lange schon vorbei war, dass es solcher Aktivitäten kaum noch bedurfte. Und der Mann hatte weder ausgesehen wie ein Verräter, noch sich so angehört.

Deborahs Lachen, das sie so eben noch im Keim erstickte, klang ein klein wenig hysterisch. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie wohl ein Spion oder ein Einbrecher aussah!

Das alles war doch nicht plausibel. Ein wenig zu spät kam ihr in den Sinn, dass das, was Lord Kinsail für viel weniger plausibel halten würde, ihre Anwesenheit hier draußen war. Und er würde wissen wollen, warum sie nicht sofort Alarm geschlagen hatte. Was sollte sie sagen, da sie doch die Antwort darauf selbst nicht wusste? Es war ja nicht so, als wenn der Dieb sie bedroht hätte! Sie hatte nicht einmal richtig Angst gehabt, eher … ja, was?

Der Gedanke, Jacobs bohrende Fragen über sich ergehen lassen zu müssen, festigte ihren Entschluss. Sie würde ihm keinen weiteren Grund geben, sie mit Geringschätzung zu behandeln. In der Tat, beschloss Deborah, war jetzt der richtige Moment, sich von Lord Kinsail und seinem verfluchten Haus zu befreien. Die Tatsache, dass sie verfehlt hatte, Jeremy einen Erben zu schenken, barg einen winzigen, aber tröstlichen Vorteil: Sie oblag nicht der Verpflichtung, mit seiner Familie eine Verbindung aufrechtzuerhalten. Lord Kinsail mochte ihr jeden Penny ihrer mageren Witwenrente missgönnen, die er ihr sowieso nur unregelmäßig, und oft nur nach mehrmaligem Mahnen, zuteilte, sehr wahrscheinlich aber konnte er sie ihr nicht völlig verweigern. Dennoch war sie nun fest entschlossen, einen Weg zu finden, ohne diese Zuwendung durchzukommen. Zum Teufel mit den Folgen; dieser Besuch auf Kinsail Manor würde ihr letzter sein!

Nun fühlte sie sich schon viel besser. Behutsam schloss Deborah die Tür hinter sich und eilte hinauf ins dritte Stockwerk, zu ihrem kleinen Zimmer. Am Morgen würde man entdecken, was immer der kühne Einbrecher mitgenommen hatte. Da er längst fort war, nützte es nun auch nichts mehr, den Haushalt zu alarmieren.

Heftig gähnend legte sie den schweren Mantel und ihre schmutzigen Stiefel ab und verstaute die letzteren tief in ihrem Kleiderschrank, wo sie den Blicken des neugierigen Hausmädchens entzogen waren. Als sie ihr Abbild im Spiegel entdeckte, zog sie eine Grimasse. Der Ausdruck im Gesicht des Einbrechers, als er sie küsste, war unmissverständlich gewesen. Er hatte sie begehrt, trotz ihrer ganz und gar unziemlichen Garderobe. Zwar bildete sie sich nicht ein, Expertin auf diesem Gebiet zu sein, gleichwohl war sie sich dessen sicher.

Unwillkürlich wurde ihr ganz heiß. Wie wäre es wohl, sich einem solchen Mann hinzugeben? Deborah wickelte sich in die Bettdecke, obwohl ihr angesichts dieser betörenden Vorstellung die Kälte im Raum nicht einmal bewusst wurde. Sie fuhr mit den Händen über ihren Körper und dachte an die samtige Berührung seiner Lippen. Unter ihren Fingern erblühten die Knospen ihrer Brüste. Dunkelrot glühte das Verlangen hinter ihren Lidern. Sinnliche Begierde durchströmte sie, noch heißer als je zuvor, weil es so verboten war.

Eine skandalöse Sehnsucht, wie bei Bella Donna. Bella Donna … die Heldin der Romane, die zurzeit im ton Anstoß erregten.

Deborah sank in die warme Umhüllung ihres Bettes und ließ ihre Hände über ihr Nachtgewand gleiten, tiefer und tiefer. Sie schloss die Augen und stellte sich vor, ihr geheimnisvoller Liebhaber wäre bei ihr.

Am nächsten Morgen erwachte sie viel später als gewohnt. Ein Lärm drang an ihr Ohr, als sei die Hölle losgebrochen. Rasch schlüpfte sie in einen warmen Morgenmantel, denn Kinsail Manor war teils aufgrund seines Alters, teils wegen der Sparsamkeit seines momentanen Besitzers ein kaltes Gemäuer.

Aufgrund ihrer geringen finanziellen Mittel konnte sie sich keine Zofe leisten. Obwohl Lady Kinsail ihr angetragen hatte, sich „ihrer eigenen lieben Miss Dorcas“ zu bedienen, hatte sie abgelehnt. Denn diese Angestellte war ein außerordentlich strenges, mürrisches Geschöpf, das die Ansicht vertrat, eine Witwe müsse ihr Haar, von spitzesten Nadeln gehalten, unter einem unvorteilhaften Häubchen verbergen.

Da Deborah den größten Teil ihres Lebens selbst für ihre Toilette zuständig gewesen war, ging sie auch jetzt ohne Umstände daran, ihr langes hellblondes Haar zu frisieren und das schlichte Tageskleid überzustreifen, das sie eigenhändig genäht hatte.

Bei Jeremys Tod hatte ihr Schwarz zu tragen sehr widerstrebt, da es sie praktisch als seine Witwe kennzeichnete. Dennoch hatte sie es noch weitere sechs Monate nach Ablauf des Trauerjahres beibehalten. Nach und nach hatte sie nämlich die Anonymität, die die düstere Farbe gewährte, zu schätzen gelernt. Da erst war ihr bewusst geworden, dass es ihr überhaupt an eigener Persönlichkeit mangelte. So wie die anonyme graue, blaue und braune, weder modische noch völlig unelegante Kleidung, die sie nun trug, fühlte sie sich auch – einfach unbedeutend, irgendwie schemenhaft, verschwommen. Wie ein unfertiges Gemälde …

Heftiges Klopfen an der Tür unterbrach diese ernüchternden Gedanken.

„Bitte, Mylady! Seine Lordschaft bittet Sie schnellstens in den Großen Salon.“ Das Hausmädchen platzte fast von den wichtigen Neuigkeiten, die sie übermitteln durfte. „Wir sind alle dort versammelt“, fuhr sie fort, während sie neben Deborah den engen Gang entlangeilte, der den ältesten – und zugigsten – Flügel des Besitzes mit dem größeren, moderneren Haupthaus verband. „Der Herr will wissen, ob jemand ihn sah oder hörte.“

„Wen hörte?“, fragte Deborah, obwohl sie selbstverständlich wusste, dass nur der Einbrecher gemeint sein konnte.

Natürlich hätte sie Jacob wecken müssen, doch sie konnte diese Verfehlung einfach nicht bedauern. Wenn sie ehrlich war, so gab es da etwas in ihr – ein winziges, boshaftes Etwas, auf das sie nicht stolz zu sein brauchte – das sogar richtig froh war. Oder, wenn nicht froh, so doch gleichgültig. Jacob hatte ihr auch noch das Wenige genommen, das Jeremy ihr gelassen hatte. Welche Schätze ihm nun gestohlen worden waren, interessierte sie nicht die Spur. Und mehr noch, entschied sie spontan, sie würde auch weiterhin schweigen. Sie würde nicht zugeben, dass sie nachts auf dem Besitz umherwanderte, was nur eine seiner Gardinenpredigten zur Folge haben würde.

Sie hatten den Salon erreicht, dessen Türen weit offen standen und einen Blick auf den gesamten versammelten Haushalt gewährten. Am Kopf des Raums stand unter seinem eigenen Porträt der Hausherr persönlich.

„Gehen Sie besser rein, Mylady“, flüsterte das Mädchen. „Wir sind die letzten.“ Hastig gesellte es sich zu den anderen Dienstboten, die sich wie eine Herde Schäfchen um die Haushälterin scharten. Mrs Chambers, ein Relikt aus Deborahs Zeiten als Schlossherrin, schaute missbilligend.

An solche Blicke gewohnt, schritt Deborah ungerührt zum Earl. Der Rahmen des Porträts war nach vorn geklappt und gestattete den Blick auf einen Safe. Bitter verzog sie den Mund. Den hatte Jeremy ihr kurz nach ihrer Heirat gezeigt, nur war das Fach damals von einem Porträt seines Vaters verdeckt worden.

„Keine Schätze“, hatte er ihr damals gesagt. „Wenn auch Dank dir, meine liebe Gemahlin, nicht mehr lange.“

Zwar hatte sich seine Haltung ihr gegenüber schon unmittelbar nach er Eheschließung verändert, doch nach der Enthüllung, dass die an ihre Erbschaft geknüpften Bedingungen ihn zwangen, noch einige Jahre, nämlich bis zu ihrer Volljährigkeit, auf den größten Teil ihres Vermögens warten zu müssen, gab er sich nicht einmal mehr Mühe, seine Abneigung zu verbergen.

Sie hätte ihn nie heiraten dürfen. Aber wieder einmal in diesem Sumpf zu rühren, dazu war jetzt nicht die Zeit. Lady Kinsail, noch bleicher und schlaffer als sonst, saß auf einem Stuhl, der beinahe so zerbrechlich wirkte wie sie selbst. Deborah nahm den Platz an ihrer Seite ein und drückte ihr die kalte Hand.

„Cousine Margaret …“ Zwar verweigerte sie Lord Kinsail die verwandtschaftliche Anrede, nicht aber seiner Gattin. „Bitte sag’ doch, was geschehen ist!“

„Oh, Cousine Deborah, es ist entsetzlich!“ Wie ihre Erscheinung war auch Lady Kinsails Stimme geisterhaft schwach. „Ein ganz gewöhnlicher Einbrecher …“

„Kein gewöhnlicher Einbrecher!“, unterbrach sie ihr Ehemann. Schon unter normalen Umständen neigte Lord Kinsail sowohl von Angesicht als auch Temperament zum Jähzorn. Heute Morgen ähnelte er mit seinem wutroten Antlitz einer überreifen Tomate. „Was, Cousine, glauben Sie wohl, wie spät es ist!“, schnaubte er.

„Viertel nach neun, wenn die Uhr richtig geht“, entgegnete Deborah und beschäftigte sich nachdrücklich damit, ihren Stuhl zurechtzurücken und ihre Röcke zu glätten.

„Natürlich geht sie richtig, es ist eine präzise französische Uhr. Was immer man den Franzosen nachsagen mag, damit kennen sie sich aus“, rief Lord Kinsail gereizt. „Diese hier soll ursprünglich für den Herzog von Orleans persönlich gemacht worden sein.“

„Dann ist es ein Jammer“, erklärte Deborah, „dass dieses Erbstück seiner Familie abhandenkam.“

Lord Kinsail war cholerisch, knauserig und so eingebildet, dass Deborah glaubte, er müsse jeden Moment vor Aufgeblasenheit platzen … doch er war kein Dummkopf.

Er kniff die Augen zusammen. „Wenn Sie meinem Cousin eine bessere Gattin gewesen wären, hätte nun nicht ich für diesen Besitz, der infolge dieser unseligen Heirat mit Ihnen völlig heruntergewirtschaftet wurde, die Verantwortung, sondern Ihr Sohn. Wenn Sie Ihren Zweck erfüllt hätten, hätte Jeremy zweifellos nicht die Notwendigkeit verspürt, Trost in Spielhöllen zu suchen, und dort sein ganzes Vermögen zu verschleudern.“

Deborah zuckte innerlich zusammen, verärgert, sich eine Blöße gegeben zu haben, denn so grausam die Worte waren, war sie selbst doch tief in ihrem Inneren von deren Wahrheit überzeugt. Sie hätte Jeremy keine schlechtere Gattin sein können. Was jedoch nicht hieß, dass sie Jacobs Missbilligung akzeptieren musste – sie verurteilte sich schon selbst heftig genug. Und sie wollte verdammt sein, ehe sie sich wegen der Bemerkung bezüglich der Uhr entschuldigte!

„Lass dich von mir nicht weiter aufhalten, Jacob“, sagte sie, spröde lächelnd.

Lord Kinsail warf ihr einen finsteren Blick zu, drehte sich um und räusperte sich laut, bevor er das Wort an die Dienerschaft richtete. „Wie ihr inzwischen wisst, wurde in Kinsail Manor eingebrochen. Ein höchst wertvoller Gegenstand wurde aus diesem Safe entwendet. Ein Safe, wie ich hinzufügen möchte, mit einem neuen, außerordentlich komplizierten Schloss. Dies war kein gewöhnlicher Raub. Der unverschämte Schuft, der eine Bedrohung für die vornehme Gesellschaft ist und eine Pest für die, die vermögender sind als er, war kein gewöhnlicher Dieb.“ Und mit schwungvoller Geste produzierte er ein kleines Objekt und schwenkte es vor seinem Publikum. Einige Lakaien seufzten erleichtert, denn nun stand fest, dass auf sie kein Verdacht fallen konnte.

Zuerst verstand Deborah nicht, was an dem Ding so bemerkenswert war. Eine Feder! Doch es war eine besondere Feder – lang, mit blau-grünem Auge. Eine Pfauenfeder. Der Mann, der letzte Nacht wie vom Himmel auf sie hinabgefallen war, musste der berüchtigte Pfau gewesen sein!

Guter Gott! Sie war dem Pfau begegnet – oder besser er ihr! Nur mühsam wollte ihr Kopf diese Tatsache aufnehmen, während sie nur mit halben Ohr Jacobs Auslassungen über die Verbrechen des Mannes lauschte. Es überraschte sie nicht zu hören, wie jeder der Dienstboten vehement versicherte, weder etwas Außergewöhnliches gesehen noch gehört zu haben, so wenig, wie die Dienstboten an den anderen Wirkungsstätten des Pfaus etwas bemerkt hatten. Niemand hatte ihn je bei seinen Taten gestört, niemand je auch nur einen Schatten von ihm gesehen. Private Ermittler, Bow Street Runner … alle wurden von ihm hinters Licht geführt. Seit zwei Jahren nun entzog sich der Pfau allen Versuchen, ihn zu fassen. Kein Schloss war dem Mann zu kompliziert, kein Haus zu gut gesichert.

Nachdem er die Bediensteten schließlich hinausgeschickt hatte, wandte Lord Kinsail sich wieder Deborah zu. „Und Sie?“, verlangte er zu wissen. „Haben Sie von dem Schurken etwas gesehen?“

Sie merkte, wie sie errötete. Sie hätte weiß Gott reichlich Gelegenheit für Ausflüchte gehabt, hatte sie jedoch nie gern benutzt. „Warum sollte ich etwas gesehen haben?“

„Ich weiß, dass Sie nachts draußen herumstromern!“

Erschrocken fuhr sie hoch.

„Ja, da schauen Sie! Ich bin nicht so dumm, wie Sie glauben, Cousine Deborah.“ Er gestattete sich ein höhnisches Lächeln, ehe er fortfuhr: „Unser Stallmeister hat Sie draußen im Park herumgeistern sehen.“

„Ich halte Sie nicht für dumm, Jacob, nur für gefühllos. Ich suche nachts die frische Luft, weil ich in diesem Haus nicht schlafen kann.“

„Zweifellos hält Ihr Gewissen Sie wach.“

„Nein, Erinnerungen.“

„Eher die Gespenster“, murmelte er finster. „Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet.“

Deborah biss sich auf die Unterlippe. Sie sollte es ihm sagen, doch sie konnte es einfach nicht über sich bringen. All ihr unterdrückter Unmut wegen seiner ungerechtfertigt schlechten Meinung über sie, zusammen mit dem Zorn auf sich selbst, weil sie nicht Kraft genug hatte, ihn in seiner Beschränktheit aufzuklären, machte sie rebellisch. „Ich habe überhaupt nichts gesehen.“

„Sind Sie sicher?“

„Ganz sicher. Übrigens erwähnten Sie nicht, was gestohlen wurde.“

„Ein Gegenstand von beträchtlichem Wert.“

Seine Einsilbigkeit ließ sie aufhorchen. Sie hob fragend die Augenbrauen. „Warum so verschlossen? Waren es Staatsdokumente? Guter Gott, Jacob“, sagte sie mit gespieltem Entsetzen, „erzähl mir nicht, dir sind wichtige Geheimnisse abhandengekommen.“

„Es war etwas von persönlicher Bedeutung. Ein Stück, das ich erst kürzlich erworben hatte. Ich werde mich nicht näher dazu äußern.“ Er plusterte sich auf.

„Den Bow Street Runners wirst du es sagen müssen.“

„Ich werde in der Angelegenheit private Nachforschungen anstellen lassen. Ich habe keine Lust, den Namen Kinsail in den Skandalblättern zu sehen.“

Deborah war es ein Rätsel. Jacob schaute wirklich sehr unbehaglich drein. Ein Blick auf Margaret zeigte ihr, dass ihre Ladyschaft genauso im Dunklen tappte wie sie selbst. Sie war versucht – außerordentlich versucht – weiter zu bohren, aber ihr Instinkt riet ihr zu Vorsicht und außerdem die Tatsache, dass sie es nicht zustande bringen würde, ihre Lüge unter Druck aufrechtzuerhalten.

Ihre Vernunft gebot ihr, sich davonzumachen, während Jacob abgelenkt war, und sie hatte gelernt, dass es meistens besser war, der Vernunft zu gehorchen.

Rasch stand sie auf. „Was für eine grässliche Geschichte“, wandte sie sich an Lady Kinsail. „Cousine Margaret, du musst ganz durcheinander sein. Möchtest du dich nicht lieber hinlegen? Unter diesen Umständen darf ich dir nicht länger zur Last fallen. Ich werde meinen Besuch verkürzen und noch heute Morgen abreisen, sobald es nur eingerichtet werden kann.“

„Oh, aber Cousine Deborah, es ist doch nicht nötig …“

Lord Kinsail unterbrach sie. „Gewiss wirst du nicht erwarten, dass ich die Rechnung übernehme, wenn du per Eilkutsche reist.“

„Ich nehme die öffentliche Postkutsche“, antwortete Deborah kalt. „Wenn deine Großzügigkeit nur so weit reichen würde, mich bis zur Station bringen zu lassen.“

„Cousine Deborah, wirklich, es muss nicht sein …“, warf Lady Kinsail ein wenig verzweifelt ein.

„Wenn es Cousine Deborahs Wunsch ist, meine Liebe, wollen wir sie nicht davon abbringen. Ich werde den Einspänner vorfahren lassen.“ Er zog am Glockenstrang. „In einer Stunde. Du wirst das Pferd nicht unnötig warten lassen, nehme ich an.“

„Nein, sicher nicht, daher werde ich mich schon jetzt verabschieden.“ Ohne ihre Erleichterung zu zeigen, drückte sie Lady Kinsail die Hand. „Cousine Margaret.“ Und indem sie einen winzigen Knicks vollführte: „Jacob. Ich wünsche dir Glück dabei, dein Eigentum wiederzuerlangen. Danke für die Gastfreundschaft. Nun muss ich mich beeilen, sonst bin ich nicht rechtzeitig mit Packen fertig. Lebt wohl.“

„Bis zum nächsten Jahr“, hauchte Lady Kinsail traurig.

Deborah stand kurz davor, ihr abzusagen, doch erneut hielt die Vorsicht sie davon ab. Wenn der Earl etwas noch mehr hasste, als die Witwe seines Cousins zu beherbergen, wäre es vermutlich die Weigerung der Witwe seines Cousins, seine Gastfreundschaft anzunehmen.

„In einem Jahr kann so viel geschehen“, sagte sie dunkel, verließ den Großen Salon und schloss die Tür hinter sich.

Zum letzten Mal, wie sie inständig hoffte.

2. KAPITEL

London, drei Wochen später

Elliot unterdrückte ein Gähnen und fischte nach der Uhr in seiner Westentasche. Fünf nach zwei, und sein Freund Cunningham zeigte trotz der späten Stunde keinerlei Neigung zu gehen. In dem Spielsalon bei Brook’s herrschte eine Atmosphäre gespannter Aufmerksamkeit, nur gestört vom Rascheln der Karten, dem Klirren von Münzen oder den gemurmelten Ansagen der Spieler.

Elliot, der unter Einsatz seines Lebens um Bedeutenderes als Geld gespielt hatte, konnte nicht umhin, das alles ein wenig lachhaft zu finden. Anfangs hatte er, der Form halber, beim Faro ein paar Einsätze getätigt, doch während der letzten anderthalb Stunden schaute er nur noch zu.

Rastlos durchschritt er den großen, eleganten Raum und erinnerte sich der vielen ähnlichen Spielsäle, die er in ganz Europa besucht hatte. Doch nicht das Glücksspiel hatte ihn dorthin gezogen. Wie konnte Cunningham nur glauben, dass er, Elliot, einen Abend wie diesen amüsant fand? Zecherei und Glücksspiel ließ ihn kalt.

Zweifellos würde Cunningham, wenn er sich vom Spieltisch erhob, erwarten, dass sie sich der dritten von Gentlemen gepflegten Betätigung widmen würden, der Hurerei – gleichfalls ein Zeitvertreib, der Elliot nicht reizte. Er war nun ein Gentleman, zwangsläufig, doch zuallererst immer noch sein eigener Herr, wie schon immer – selbst als ihm seine Uniform noch Grenzen gesetzt hatte. Elliot reichte es.

„Lieber Cunningham“, sagte er, seinem Freund auf die Schulter klopfend, „für heute hatte ich Aufregung genug. Viel Glück beim Spiel. Und bei den Damen.“

„Du hast in diesem Bereich doch das meiste Glück, Elliot. Ich kenne keinen, der beim schönen Geschlecht erfolgreicher ist als du.“

„Du darfst Erfolg nicht mit Glück verwechseln“, entgegnete Elliot lächelnd. „Gute Nacht, mein Freund.“

Nachdem er sich Hut und Handschuhe hatte aushändigen lassen, trat er hinaus auf die Straße. Er hegte starke Zweifel, dass er von seiner neuen Mitgliedschaft im Club häufig Gebrauch machen würde.

Die Nacht war kalt, klamm und nebelig; nur hier und da zwischen den Wolken ein Hauch von Mondlicht. Genau richtig für einen Einbruch, wenn es auch noch viel zu früh war, um das erneut ins Auge zu fassen.

Kinsails Diamant hatte sich als schwer verkäuflich entpuppt. Da sein üblicher Hehler mit einem so unverwechselbaren Stück nichts zu tun haben wollte, war Elliot gezwungen gewesen, in die Niederlande zu reisen. Dort hatte er den Stein, wenn auch nur unwillig, teilen lassen und erst dann weiterverkauft. Kinsail hatte damals mehr für den geschmuggelten Edelstein gezahlt. Aber die Hauptsache für Elliot war, dass Kinsail mit dem Verlust jetzt für sein Pflichtversäumnis der britischen Armee gegenüber büßte.

Nicht, dass dem Mann das klar war, so wenig wie er verstand, welchen Preis diese Armee wegen seiner Versäumnisse gezahlt hatte. Männer wie Kinsail sahen Listen, auf denen Pferde, Maultiere, Ärzte gefordert wurden. Dinge wie Geschütze, Kanonen, Gewehre auf anderen Listen wurden aber oft vorrangig gewährt. Doch was nützte die neueste Haubitze, wenn es keine Zugtiere gab, um sie aufs Schlachtfeld zu transportieren? Was nützten die besten Gewehre und Bajonette, wenn die Männer, die damit kämpfen sollten, sterbend auf dem Feld lagen, weil Pferd und Wagen fehlten, um sie ins Lazarett zu schaffen? Weil erfahrene Ärzte fehlten, um sie dort zu versorgen? Was wussten Kinsail und seinesgleichen von den Schmerzen und dem Leiden, die Folge ihrer Pfennigfuchserei waren, weil sie in ihrer Ignoranz Kriegsgerät vor Stiefel, Wasser und Verbandszeug stellten?

Fluchend öffnete Elliot seine verkrampften Fäuste. Selbst jetzt noch, sechs Jahre später, verfolgte ihn Henrys schmerzverzerrtes Gesicht. Aber was wussten Kinsail und seinesgleichen schon davon? Nichts. Überhaupt nichts. Und selbst wenn er ihnen irgendwie das Bild ausmalen könnte, wären sie nur einen kurzen Moment betreten. Da war es viel besser, sie zu treffen, wo es ihnen wehtat – ihnen etwas Wertvolles zu nehmen und damit wirklich Wichtiges zu finanzieren. Kinsail, dieser geizige Mistkerl, würde nie erfahren, dass mittels seines Edelsteins Wiedergutmachung für seine Kriegsverbrechen geleistet wurde.

Wie stets hatte Elliot nach dem, was er gern als erfolgreiche Mission bezeichnete, die Zeitungen auf Nachrichten über seinen Raubzug durchforstet. Doch was kaum überraschte: Lord Kinsail hatte seinen Verlust nicht öffentlich eingestanden. Zum vielleicht hundertsten Mal seit jener Nacht fragte Elliot sich, was Lady Kinsail über ihre Begegnung hatte verlauten lassen. Und vielleicht zum tausendsten Mal huschte ungebeten die Erinnerung daran, wie er seinen Körper an ihren gepresst hatte. Der leise, heisere Klang ihrer Stimme. Ihr Gesicht – der forschende Ausdruck, ihre großen Augen, in denen nicht ein Fünkchen Furcht gestanden hatte.

Er hätte sie nicht küssen sollen. Als er den Tatort verließ, glaubte er noch, sie hätte seinen Kuss erwidert, doch inzwischen war er zu dem Schluss gekommen, dass es sich nur um reines Wunschdenken handelte. Sie war einfach nur zu verdutzt gewesen, um ihn abzuwehren. Letztendlich war er, soweit es sie betraf, nur ein Dieb.

Aber warum hatte sie nicht um Hilfe gerufen?

Ab Covent Garden wurde die Beleuchtung immer schäbiger. Statt den hellen Gasleuchten der Pall Mall warfen nun Fackeln ihr unruhiges Licht auf die schmutzigen Straßen und Gässchen, in denen jämmerlich hagere Dirnen auf Kunden warteten.

Der extreme Gegensatz zwischen den Villen der Gentlemen, die die privilegierten Clubs in St James besuchten, und den elenden Unterkünften der Londoner Huren, die von eben jenen Gentlemen anschließend aufgesucht wurden, machte ihn wütend. Im Ausland hatte er ärmere – und kränkere – Menschen gesehen, doch hier, hier war seine Heimat, das Land, dem er fast sechzehn Jahre gedient hatte. Hier sollte es nicht so sein. Sollte das etwa das Ergebnis des fast zwanzig Jahre dauernden Krieges sein?

Im äußersten Winkel des Platzes erspähte er etwas, das ihm immer wieder das Herz brach. Es war nur ein Mann in einem Hauseingang, verkrochen unter einer schäbigen grauen Wolldecke, doch die leeren Hosenbeine und der flache Karren, der neben ihm stand, sprachen für sich. Zusätzlich zu den vernarbten Brandmalen wiesen seine Hände bestimmt auch rissige Schürfwunden auf, weil er sich damit, auf einem provisorischen Karren hockend, abstoßen musste.

„Möge Gott, wenn es ihn denn gibt, milde auf dich herabschauen, alter Kamerad“, flüsterte er, nachdem er sich dem Mann genähert hatte.

Behutsam, um den Veteranen nicht im Schlaf zu stören, schob er ihm eine Goldmünze in die Tasche, zusammen mit einer Karte, auf der eine Nachricht und eine Adresse vermerkt waren. Für viele dieser Männer war Mildtätigkeit die schlimmste Beleidigung, aber ein Versuch schadete nicht. Elliot gab nie auf.

Da er müde geworden war, eilte er in Richtung Bloomsbury, wo er ein Haus erworben hatte. „Am Rand der Gesellschaft“, hatte Cunnigham gesagt, „nur Bürgerliche leben hier …“ Er konnte Elliots Widerstreben, sich in Mayfair niederzulassen oder zumindest Räume in der vornehmen Albemarle Street zu mieten, einfach nicht verstehen. Doch Elliot verlangte es weder nach Umgang mit dem ton, noch danach, eine Familie zu gründen … Obwohl das seine Pflicht sei, wie seine Schwester Elisabeth mit schöner Regel­mäßigkeit sagte.

Sie waren sich erstaunlich ähnlich, seine Schwester und er. Beinahe zwölf Jahre jünger als er, war sie noch ein bloßes Kind gewesen, als er zur Armee ging. Als der Vater stetig dahinsiechte, pflegte sie ihn und schulterte außerdem nach und nach die gesamte Verantwortung für die Verwaltung des Familienbesitzes. Da sie wusste, wie viel ihrem Bruder seine militärische Karriere bedeutete, klärte sie ihn über die heimischen Verhältnisse erst auf, als der Tod des Vaters nahe bevorstand. Gerührt von ihrer Zuneigung, drückten ihn dennoch Schuldgefühle, als er endlich nach dem Sieg bei Waterloo endgültig zurückkehrte, doch Lizzie wehrte ab.

„Ich habe nur meine Pflicht getan“, erklärte sie, „so wie du die deine. Nun bist du zurück, also gehört der Besitz dir. Und da Papa mich mehr als gut versorgt hat, habe ich vor, mich gründlich zu amüsieren.“

Und das tat sie dergestalt, dass sie mit unziemlicher Hast einen rauen, dickköpfigen Schotten heiratete. Die Verbindung bestehe schon lange, verkündete sie ihrem staunenden Bruder. Zwar hatte ihr geliebter Alex ihr beigepflichtet, von einer Heirat abzusehen, solange ihr Vater darniederlag, doch nun, da sie nicht mehr gebraucht wurde, sah sie keinen Grund, den Liebsten noch länger warten zu lassen. Lizzie hatte sich aus ihrer Trauerkleidung geschält wie ein Schmetterling aus seiner Verpuppung – elegant, geistreich und mit scharfer Zunge. Ihr Gemahl betete sie an.

Erst kürzlich hatte sie ihrem Bruder zum wiederholten Male verkündet, dass der Ehestand der glücklichste aller möglichen Zustände sei, den er unbedingt auch für sich entdecken müsse.

Ich und heiraten? Niemals!

Er schüttelte den Kopf und setzte seinen Weg durch das nächtliche London fort.

Nachdem er sein Haus am Russell Square betreten hatte, erklomm Elliot träge die Stufen und suchte sein Schlafzimmer auf. Er nahm sein Krawattentuch ab, faltete sorgsam seine Kleider – eine alte Angewohnheit aus seiner Soldatenzeit – und schlüpfte gähnend unter die kühle Bettdecke.

Ihn gelüstete es nicht nach den Fesseln der Ehe. Nicht, dass er Frauen abgeneigt gewesen wäre. Er hatte schon eine Menge Frauen gehabt. Doch nie für lange. An den europäischen Höfen pflegte man Loyalität zum Vaterland, weniger aber zum Gatten, und betrachtete prickelnde Intrigen und Abenteuer als angenehme Abwechslung.

‚Im Augenblick leben‘ hatte eine seiner Geliebten, eine italienische Gräfin, es genannt. Das Bettgeflüster der sinnlichen Elena war sehr erhellend gewesen, und ihr Hang, sich ihm an höchst öffentlichen Orten hinzugeben, hatte ihrem Liebesspiel ein verlockendes Element von Gefahr hinzugefügt.

Was Elena wohl inzwischen machte? Und Cecily. Und Carmela. Und Gisela. Und Julienne. Und – oh, wie hieß sie doch gleich? – ah, Nicolette. Wie konnte er die vergessen?

Auch wenn er kaum noch wusste, wie sie ausgesehen hatte. Und auch all die anderen schienen ineinander zu verschmelzen, zu einer unbestimmten Gestalt zu zerfließen. Sie fehlten ihm allgemein, nicht jedoch eine bestimmte von ihnen. Was ihm wirklich fehlte war das damalige Leben, die Kameradschaft. Nicht die Kämpfe, denn deren Kitzel wurde mit Blut und Schlächterei bezahlt. Auch nicht die gnadenlose Wirklichkeit des Krieges – die langen Märsche, das endlose Warten auf Nachschub, der nicht kam, während seine Männer stoisch hungerten, in zerschlissenen Uniformen und zerfetzten Stiefeln. Töten und leiden. Leiden, das immer noch fortdauerte.

Unwillkürlich krampfte er seine Hände zu Fäusten, als er an den alten Soldaten am Covent Garden dachte. Einer von Tausenden. Nein, er war dessen mehr als satt.

Was er viel mehr vermisste, war seine andere, geheime militärische Tätigkeit, die als Spion hinter den feindlichen Linien. Das Aufregende des Unbekannten, seinen Geist mit einem nichtsahnenden Feind messen, das Wissen, dass man schneller wieder untergetaucht war, als überhaupt Verdacht aufkommen konnte. Im Augenblick zu leben war die einzige Möglichkeit, die Unsicherheit und das Gefühl der Vergänglichkeit zu ertragen und durchzustehen. Der pulsierende, vibrierende Zwang, sich keine Chance entgehen zu lassen, das Hochgefühl, eine Mission allen Widrigkeiten zum Trotz durchgeführt zu haben. Das fehlte ihm. Und die Lust, Haut an Haut zu spüren und zu wissen, dass auch das vergänglich war. Ja, auch das fehlte ihm. Seit seiner Heimkehr hatte er noch keine Geliebte gehabt. Ein leichtes Mädchen wollte er nicht, und irgendwie schien es ihm hier in England nicht richtig, die Frau eines anderen zu verführen.

Eigentlich war ihm die Enthaltsamkeit bisher nicht sonderlich schwergefallen. Er hatte keine Frau getroffen, die ihn mehr als nur vage interessiert hätte – bis zu seiner Begegnung mit Lady Kinsail.

Elliot seufzte, als ihr Gesicht vor seinem geistige Auge auftauchte und sein Körper sich instinktiv des ihren erinnerte. Seine Männlichkeit regte sich. Zur Hölle, jetzt würde er überhaupt nicht mehr schlafen können! Das Lächeln dieser Frau. Dieser Mund. Er wurde härter. Wie wäre es, diesen Mund auf seiner Haut zu spüren, suchend, streichelnd, liebkosend? Elliot schloss die Augen und ergab sich seiner Fantasie.

Unentschlossen verharrte Deborah auf den Stufen, die zu den diskreten Geschäftsräumen der Firma Freyworth & Sons führten. Es war noch früh – erst kurz nach zehn – ein kühler Tag, doch für Anfang März ganz erträglich. Ob sie sich ein wenig Bewegung verschaffen sollte? Sie musste über das nachdenken, was Mr Freyworth gesagt hatte. Es stimmte, in letzter Zeit war das Schreiben für sie eher Arbeit als Vergnügen gewesen, doch erst seine Worte hatten ihr bewusst gemacht, dass sich in ihren Texten ihr genereller Überdruss niederschlug. Abgeschmackt, so hatte ihr Verleger ihr letztes Buch genannt. Und sie musste ihm recht geben. Vielleicht war sie mit ihrer Vorstellungskraft einfach an ihre Grenzen gestoßen?

Auf der anderen Straßenseite lag der St. James Park und ein Stück weiter links der Green Park. Die frische Luft würde ihr guttun; vielleicht verhalf sie ihr zu neuer Inspiration.

Als Ehefrau unbegleitet auszugehen wäre geradezu ein Verbrechen gewesen. Inzwischen hatte sie festgestellt, dass der Witwenstand zusammen mit ihren eingeschränkten Verhältnissen und der Tatsache, dass sie weder Zofe noch Hausmädchen hatte, ihr mehr Freiheiten erlaubte, und das schätzte sie ungemein. In der Tat war sie aufgrund ihrer beherrschten Haltung, der unsichtbaren Mauer, die sie um sich erbaut hatte, nur äußerst selten gezwungen, sich eines aufdringlichen Mannes erwehren zu müssen.

So kalt es noch war, so wintergelb noch der Rasen sich im Green Park hinstreckte, kam sie sich doch vor, als wäre sie weit draußen vor der Stadt. Ihre Gedanken wandten sich ab von dem geschäftlichen Treffen und wanderten zu jener Nacht, wie allzu oft schon seitdem. Obwohl sie mehrfach in Hookhams Leihbücherei die Times und die Morning Post durchforschte, hatte sie immer noch nichts über den Diebstahl gefunden.

Der Ermittler mit dem verschlagenen Blick, der sie in dem Haus in Hans Town aufgesucht hatte, war nicht minder verschwiegen aufgetreten, daher wusste sie immer noch nur, dass der gestohlene Gegenstand klein sein musste, definitiv kostbar, und definitiv kein Dokument. Was also? Und warum schwieg Jacob so verbissen? Und wie, wenn es so geheim war, konnte der Einbrecher wissen, was in dem Safe war, wenn nicht einmal Jacobs Frau eingeweiht war?

Der Einbrecher, der sie geküsst hatte …

Deborah blieb stehen, um ein paar kümmerliche Krokusse, die der Kälte trotzten, zu betrachten, doch die Blüten verschwammen vor ihren Augen und wandelten sich zu einem scharfgeschnittenen Antlitz. So sehr sie sich bemühte, sie konnte ihn einfach nicht vergessen. Und wollte auch nicht, wenn sie ehrlich war. Im heimlichen Dunkel der Nacht, in ihren Träumen, kam er zu ihr, und nur selten hatte sie die Willenskraft, zu widerstehen. Nie, nicht einmal ganz am Anfang, noch bevor sie verheiratet war, als sie in törichter Einfalt in Jeremy verliebt war, hatte sie eine so nachgerade schmerzhafte Anziehungskraft verspürt. Wer war der Pfau? Und warum löste er solche Gefühle in ihr aus? Und wo war er jetzt? Vermutlich würde sie die Antwort darauf nie finden, trotzdem ließ es ihr keine Ruhe. Er hatte ihre Fantasie entflammt.

Vom Green Park aus nahm sie die Piccadilly Street Richtung Hyde Park. Wagen, Pferde, streunende Hunde, Straßenjungen, Handwerker und Straßenhändler drängten sich und machten das Überqueren der Straße nicht einfach, heute aber schob Deborah sich völlig geistesabwesend durch den Verkehrsstrom.

Fluchend wich ihr der Kutscher eines Bierkarrens aus, doch sie bemerkte es kaum.

Auf der anderen Straßenseite verließ Elliot, nachdem er seinen ehemaligen Feldherrn Wellington mit einer Petition bestürmt hatte, eben dessen Stadtresidenz. Er erstarrte in der Bewegung. Das war sie! Ganz gewiss! Wenn er auch keine Ahnung hatte, wieso er sich so sicher war, da er sie doch noch nicht einmal bei Tageslicht gesehen hatte.

Lady Kinsail kam direkt auf ihn zu. Sie war sehr schlicht gekleidet – für eine Countess beinahe schon schäbig, wie sein geübtes Auge sah. Die dreiviertellange Pelisse über dem graubraunen Straßenkleid war bar jeglicher modischer Zier. Flachsblondes Haar lugte unter einem unscheinbaren Hut hervor. Sie war hochgewachsen, schlank und von eleganter Haltung, wie er sie in Erinnerung hatte. Ihr Teint schimmerte perlengleich im hellen, kühlen Winterlicht, und ihr Gesichtsausdruck war, wie in jener Nacht, herausfordernd, ironisch und ein wenig unnahbar. Nicht klassisch schön – dazu war sie zu ungewöhnlich – aber sie hatte ein gewisses Etwas; gerade diese aufreizende Unnahbarkeit sprach ihn an.

Er sollte sich davonmachen. Welch ein Wahnsinn, in Kauf zu nehmen, dass sie ihn erkannte. Doch während er sich eben abwenden wollte, trafen sich ihre Blicke; sie stutzte und es war zu spät.

Elliot, der sowieso eher dazu neigte, mit dem Feuer zu spielen, anstatt einen Bogen darum zu machen, eilte ihr mit ein paar flinken Schritten entgegen. „Lady Kinsail!“ Er verneigte sich weltmännisch.

„Sie sind es tatsächlich!“, rief Deborah aus. Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden, und wünschte, die Krempe ihres Hutes wäre so modisch hoch, dass er ihr Erröten nicht bemerkte. „Der Einbrecher. Obwohl ich sagen muss – im hellen Tageslicht sehen Sie noch weniger wie einer aus als damals, als Sie auf mich – als ich …“

„ … als sie so freundlich waren, meinen Aufprall zu dämpfen“, setzte Elliot an ihrer statt fort. „Wofür ich Ihnen ehrlich sehr dankbar bin.“

Nun errötete sie noch tiefer. „Sie drückten Ihre Dankbarkeit da schon aus, wenn ich mich recht erinnere.“

„Nicht so nachdrücklich, wie ich gerne gewollt hätte.“

„Ich habe es niemandem gesagt“, platzte sie völlig verwirrt heraus.

„Dass ich Sie geküsst habe?“

„Nein! Ich meine, ich habe Sie nicht angeschwärzt. Obwohl es meine Pflicht gewesen wäre. Aber ich habe es nicht getan.“

„Na, ich will verdammt sein!“ Verwundert starrte Elliot sie an.

Ihre Augen waren kaffeebraun, fast schwarz, mit einem goldbraunen Ring um die Iris. Eine seltene Farbe bei ihrem hellen Haar. Sie fuhr sich mit ihrer rosigen Zungenspitze über ihre Unterlippe.

Nur mit Mühe wandte er den Blick davon ab. Sie liefen Gefahr, den Leuten ein Schauspiel zu bieten, wie sie da stocksteif mitten im belebten Eingang des Parks standen. Rasch nahm er ihren Arm und führte sie durch das Tor. „Kommen Sie fort von den Leuten. Suchen wir uns ein stilles Plätzchen.“

Deborahs Arm prickelte unter Elliots Hand. Es war sehr … seltsam. Aber auch irgendwie schön. So schön, dass sie sich von ihm ohne Widerstand einen etwas abgelegeneren Pfad entlangführen ließ.

Er war größer als sie ihn in Erinnerung hatte. Im Tageslicht war sein Teint ziemlich dunkel, wie bei jemandem, der oft in der Sonne war. Davon zeugten auch die Linien um seine Augen, die seinen Blick so intensiv machten. Als sie rasch und verstohlen zu ihm aufblickte, bemerkte sie eine Narbe, die seine linke Braue durchschnitt, und eine zweite dünne helle Linie auf seiner Stirn, direkt unter dem Haaransatz. Ein Soldat? Das erklärte natürlich seine Haltung, den geraden Rücken, den weitausgreifenden Schritt, mit dem selbst sie mit ihren langen Beinen nicht mithalten konnte.

Er war ausgesprochen gut gekleidet, trug einen dunkelblauen, zweireihigen Rock mit langen Schößen und Messingknöpfen; seine blütenweiße Krawatte war sorgsam geknüpft und betonte seine kraftvolle Kieferlinie und seine Bräune. Rehbraune Beinkleider, schwarze Stiefel und nur ein einziger Anhänger an seiner Uhrkette. Die Krone seines Biberhutes war nicht hoch genug, um als wahrhaft modisch durchzugehen. Seine Aufmachung war elegant, aber schlicht. Wie sie selbst neigte er nicht zu Angeberei, wenn auch bei ihm, anders als bei ihr, vermutlich nicht Mangel der Grund war. Das Einbrecherhandwerk musste wohl lukrativ sein.

Nein, sie konnte unmöglich glauben, dass er stahl, um sich elegant kleiden zu können. Was auch immer ihn zum Einbrechen trieb, Habgier war es bestimmt nicht. Es sprach ihren Sinn für Ironie an, dass der Pfau beileibe kein eitler Pfau war. Vielleicht war die Pfauenfeder, seine Visitenkarte, eine ironische Geste.

„Was ist so lustig?“ Elliot hielt sie an einer Bank zurück, die der fahlen Wintersonne zugewandt stand.

„Ach, nur ein beiläufiger Gedanke.“

„Setzen wir uns ein Weilchen“, sagte er, nachdem er das Holz mit seinem Taschentuch sorgfältig abgewischt hatte. „Hier werden wir nicht frieren, auch wenn die Sonne noch recht schwach ist.“

Gehorsam ließ Deborah sich nieder. Was sie ihn nicht alles fragen wollte! Doch als sie ihn ansah, war sie zu überwältigt von seiner Gegenwart, um ihre Gedanken ordnen zu können. „Sind Sie wirklich der Pfau?“

Ein Wort nur von ihr in das richtige Ohr, und er würde am Strick baumeln. Wenn sie auch, wie sie behauptete, bisher geschwiegen hatte. „Ja“, erwiderte er dennoch, „ich bin wirklich der Pfau.“

„Als Jacob die Feder vorzeigte, konnte ich es kaum glauben.“

Die Bank war schmal. Als er sich ihr zuwandte, um ihr ins Gesicht zu sehen, stießen seine Knie an ihre Beine, und es durchfuhr ihn wie mit glühenden Funken. Er erinnerte sich des Gefühls, als sie unter ihm gelegen hatte. Erinnerte sich der Dinge, die sie in seinen Wachträumen seither mit ihm getan hatte, und betete, dass sie es nicht an seiner Miene ablesen konnte. Er durfte nicht vergessen, dass sie verheiratet war. Verheiratet! In England war das von Bedeutung.

„Warum?“, fragte er abrupt. „Warum haben Sie Ihrem Gemahl nichts gesagt?“

„Den haben Sie schon bei unserer ersten Unterhaltung erwähnt – sofern man das Unterhaltung nennen konnte.“ Deborah runzelte die Stirn. „Sie sagten sinngemäß, Ihren Einbruch in Kinsail Manor müsste ich ihm anlasten. Was muss ich ihm anlasten? Was hat Jeremy damit zu tun?“

Jeremy! Es war ihm entfallen, doch nun fiel ihm wieder ein, dass sie Kinsail mit Jeremy betitelt hatte. „Sie meinen Jacob, nicht wahr?“ Nun zog auch Elliot die Stirn kraus. „Jacob, Earl of Kinsail. Ihr Gemahl.“

Verblüfft riss sie die Augen auf. Dann lachte sie perlend, mit überschäumendem Vergnügen, brach aber unvermittelt ab, als wäre ihr der Klang ganz ungewohnt. „Ich bin nicht die derzeitige Lady Kinsail. Jacob, der Cousin meines verstorbenen Gatten, ist der fünfte Earl. Jeremy war der vierte.“

„Was? Sie sind Witwe?“ Sie ist Witwe?

„Seit gut zwei Jahren“, antwortete sie.

„Ich kann gar nicht sagen, wie gern ich das höre“, platzte er heraus, ehe er sich zurückhalten konnte.

„Ich bezweifle gewaltig, dass Ihre Freude über meinen Witwenstand größer sein könnte als die meine.“

„Und diese Worte sind, wenn Sie mir die Bemerkung erlauben, noch verräterischer als meine.“

Deborah errötete schon wieder. „Dessen bin ich mir bewusst.“

„Dann war es wohl keine Liebesheirat?“

„Nein. Doch. Ich dachte es damals. Ich war gerade achtzehn, als wir uns kennenlernten – hatte lauter romantische Ideen im Kopf, so töricht und weltfremd, wie man nur denken kann – und Jeremy war … schien für mich so … nun, ich fand ihn umwerfend. Er eroberte mich im Sturm, um meine damaligen Worte zu benutzen.“ Deborah lächelte gequält. „Als er um mich anhielt, dachte ich, ich wäre im siebten Himmel. Mein Onkel, der auch mein Vormund war – meine Eltern starben, als ich noch sehr klein war – war nur zu froh, mich loszuwerden, und so wurden wir drei Monate später getraut. Ich hielt mich für wahnsinnig verliebt, doch von Jeremys Seite war es nur Heuchelei. Er war nur an meinem Geld interessiert. Erbärmlich, nicht wahr? Ich weiß nicht, warum ich Ihnen das alles erzähle, aber Sie haben gefragt.“

„Ich finde, es ist traurig, nicht erbärmlich. Waren Sie sehr unglücklich?“

Deborah zuckte die Schultern. „Ich war sehr naiv und ganz versessen darauf, ihn zu heiraten. Und im Endeffekt litt nicht nur ich darunter. Ich hätte ihn nicht heiraten dürfen. Ach, das ist alles ganz langweilig. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, wechseln wir besser das Thema.“

Es klang, als wäre ihr Ehemann ein mieser Schuft gewesen. Doch so gern er mehr erfahren hätte, hielt er sich dennoch zurück. Sie hatte wieder ihre verschlossene Miene aufgesetzt. „Tut mir leid“, sagte er, „ich wollte Sie nicht verstimmen.“

„Sie haben mich nicht verstimmt.“ Deborah hob trotzig das Kinn.

Für diese kleine Geste hätte er sie am liebsten geküsst. Genau genommen hätte er sie auch davor schon gerne geküsst …

„Also, Sie sehen überhaupt nicht wie eine Witwe aus“, meinte Elliot leichthin. „Nicht ein graues Haar, kein schwarzgerändertes Taschentuch, kein stärkendes Riechfläschchen, und weit und breit keins von diesen abscheulichen Schoßhündchen. Die Dowager Duchess of Kinsail.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, das sind Sie einfach nicht.“

Ein schwaches Lächeln war sein Lohn. „Ich mag den Titel nicht. Ich bin einfach nur Deborah Napier. Und dass ich nicht wie eine Witwe aussehe … Sie sehen doch auch nicht wie ein Einbrecher aus.“

„Deborah. Also, das nun passt zu Ihnen. Ich bin Elliot Marchmont, nur einer erlesenen Minderheit bekannt als der Pfau.“

„Darf ich fragen, was Sie neulich gestohlen haben? Aus irgendeinem Grund rückt Jacob nicht mit der Sprache heraus.“

„Aus gutem Grund! Ich denke, ich kann es Ihnen ruhig sagen, da mein Schicksal sowieso schon in Ihrer Hand liegt. Es war ein Diamant. Ein großer blauer Diamant, der angeblich Teil der französischen Kronjuwelen ist. Kinsail erwarb ihn auf, sagen wir, recht verschlungenen, unorthodoxen Wegen.“

„Sie meinen illegal? Jacob?“, rief Deborah ungläubig.

„Was schauen Sie so überrascht?“

„Weil er ein scheinheiliger, knauseriger Biedermann ist, der am glücklichsten ist, wenn er andere wegen ihrer fehlenden Moral und Prinzipien anprangern kann oder … ach, egal!“ Sie brach ab, da sie merkte, dass sie abermals ihre goldene Regel vergessen hatte, ihre Gefühle fest unter Verschluss zu halten. Dieser Mann brachte sie aus der Fassung. „Woher wussten Sie von diesem Stein?“

„Ich habe meine Quellen.“

„Lieber Himmel. Meinen Sie so etwas wie Hehler? Die aus den Elendsvierteln?“

„Also wirklich, für ein aufrechtes Mitglied des Adels scheinen Sie mir ein ungesundes Interesse an der Unterwelt zu haben.“

„Ich ziehe es vor, das meiner lebhaften Fantasie zuzuschreiben. Stimmt es, was man sagt? Dass es nicht einen Safe in England gibt, den Sie nicht ‚knacken‘ können?“ Genüsslich benutzte sie das Slangwort, das sie bisher nur zu schreiben gewagt hatte.

„Noch ist mir keiner untergekommen“, sagte Elliot, ein wenig verblüfft über ihre Reaktion. Sie schien eher fasziniert zu sein, als Anstoß zu nehmen.

Sie saß mitten am Tage im Hyde Park auf einer Bank neben dem berüchtigten Pfau. Eigentlich sollte sie die Polizei rufen. Doch anstatt um ihr Leben zu fürchten, wirkte sie überaus interessiert – sogar aufgeregt. Er hatte das deutliche Gefühl, dass er in Deborah Napier jemanden getroffen hatte, der die herrschenden Gesetze beinahe ebenso verachtete, wie er selbst.

Und wie um seine Meinung zu bestätigen, fragte sie: „Wie ist es, seine Verstandeskräfte mit der ganzen Gesellschaft zu messen? Fürchten Sie nie, erwischt zu werden?“

Jede andere Frau hätte als Erstes wissen wollen, was er mit dem Diamanten gemacht hatte. Sie hingegen schien nicht so sehr an dem Ergebnis, als an der Methode interessiert zu sein. Genau wie er – nun, zumindest teilweise.

„Die Chance besteht natürlich immer“, erwiderte er, hingerissen davon, wie ihre Augen aufleuchteten. „Aber ohne Risiko wäre es die Mühe nicht wert. Das gehört für mich mit dazu – die Aufregung, das Wissen, dass eine falsche Bewegung das Ende bedeuten könnte. Es gibt nichts Besseres – nicht seitdem …“

„Die Armee?“

„Woher wissen Sie?“

„Ihr Gang. Die Narben in Ihrem Gesicht.“ Deborah berührte seine Stirn, spürte den Kontakt wie einen Stromstoß und zog hastig ihre Hand fort. „Als ich Sie das erste Mal traf, dachte ich, dass Sie ein Mann seien, der das Befehlen gewohnt ist. Waren Sie lange Soldat?“

„Sechzehn Jahre. Wir brannten durch, als ich kaum fünfzehn war – mein Schulfreund Harry und ich. Wie Sie war er verwaist, nur dass sein Vater nicht für seine Zukunft vorgesorgt hatte. In einer Woche verlor er seine Eltern und seinen Platz in der Schule. Er hatte den Anwaltsberuf lernen sollen.“ Elliot lachte. „Harry und Anwalt! Höchst unwahrscheinlich. Stattdessen meldete er sich zum Militär und ich schloss mich ihm an, denn ich hatte längst genug von der Schule, und die Vorstellung, heimzukehren und von meinem Vater in die Verwaltung des Familienbesitzes eingewiesen zu werden, wäre schlimmer als das Fegefeuer gewesen. Also brannten wir durch und gaben ein falsches Alter an.“

„Und Ihre Eltern?“

„Meine Mutter war schon tot. Mein Vater war nicht unbedingt glücklich, doch da der Krieg noch fern schien, konnte ich ihn überzeugen, dass es mir guttäte, Unabhängigkeit und Disziplin zu lernen. Er kaufte mir ein Offizierspatent. Dann begann der Krieg gegen Napoleon, und ich stellte fest, dass ich ein begabter Soldat war. Auf eine Art war es wohl selbstsüchtig, doch zu der Zeit fühlte ich mich meinen Männern derart verpflichtet, dass ich das, ehrlich gesagt, nicht hätte drangeben können, solange der Krieg nicht gewonnen war. Ich halte es meinem Vater sehr zugute, dass er mich darin unterstützte. Als ich nach Waterloo mein Patent zurückgab, war ich Major. Das Einzige was ich bedauere, ist, dass mein Vater schon ein halbes Jahr nach meiner Heimkehr starb.“

„Es muss Ihnen nach all der Zeit schwergefallen sein, sich ans Zivilleben zu gewöhnen.“

„Ja, sehr sogar.“ Ihr Einfühlungsvermögen überraschte ihn. „Die meisten Leute verstehen das nicht.“

„Die Leute verstehen nie etwas.“ Deborah seufzte. „Ich habe mit neunzehn geheiratet. Als Jeremy starb, musste ich feststellen, dass ich überhaupt nicht wusste, wer ich eigentlich war. Nun, zwei Jahre später, bin ich mir dessen immer noch nicht sicher.“

Elliot nickte verständnisvoll. „Ich kam heim, um in die Fußstapfen meines Vater zu treten, ein ruhiges Leben auf dem Lande zu führen, eine Familie zu gründen – Dinge, die ich früher nicht wollte und die auch ein Grund waren, warum ich zur Armee gegangen bin. Das ist jetzt knapp zwei Jahre her, und auch ich bin mir immer noch nicht sicher, wer ich bin. Ich weiß nur eins: Wenn ich ein Leben als aufrichtiger Gentleman in der High Society führen müsste, würde ich vor Langeweile sterben.“

„Daher haben Sie sich aufs Einbrechen verlegt? Richtig?“

„Zum Teil.“

„Ich wünschte, mir wäre etwas ähnlich Aufregendes eingefallen, aber mir fehlt das Geschick dafür. Wie haben Sie das erlernt? Gehört es bei der Armee zur Grundausbildung, Schlösser zu knacken?“

Elliot lachte. „Nein, aber unsere Armee besteht, wie Sie wissen, vorwiegend aus Freiwilligen. Sie würden staunen, was man alles von den Männern lernen kann.“

„Sind Sie so auch an Ihre Kontakte gekommen?“ Deborah schmunzelte. „Ich kann mich nicht erinnern, in den Zeitungen gelesen zu haben, dass der Krieg gegen Napoleon von Hehlern und Dieben gewonnen worden wäre.“

„Der Krieg wurde von armen Hunden aus allen möglichen Ständen und Stellungen gewonnen, die sich meldeten, weil sie irrtümlich glaubten, dass am Ende für sie und ihre Familien ein besseres Leben als zuvor herauskommen würde“, erklärte Elliot grimmig. „Genau die armen Hunde, die Sie jetzt auf den Straßen betteln sehen – das heißt die, die überhaupt wieder heim kamen.“

„Verzeihung“, sagte Deborah, irritiert von seinem plötzlichen Stimmungsumschwung. „Ich wollte nichts verharmlosen. Sie müssen viele gute Freunde verloren haben.“

„Ja“. Überrascht von dem plötzlichen Wunsch, ihr zu vertrauen, atmete er erst einmal tief durch. „Ich bitte um Entschuldigung.“

„Nicht nötig. Ich war unbedacht. Auch die Zeit heilt solche Wunden nicht völlig, nicht wahr? Ein Jahr, oder zwei … dann finden die Leute, man müsse vergessen haben.“

„Ich werde es nie vergessen.“

„Ich auch nicht“, murmelte Deborah.

Sie kannte den Tonfall, den Ausdruck in seinen Augen – Trauer, Leid, Schuldgefühle – und fragte sich, was die Ursache war. Es schien zu tief zu sitzen, um nur den Schrecken des Krieges angelastet werden zu können. So sehr sie versucht war, fragte sie doch nicht. Etwas hielt sie zurück. Außerdem könnte er dann auf die Idee kommen, sie auszuhorchen … und sie wollte ihm nicht offenbaren, warum sie ihn so gut verstand.

„Was fangen Sie mit Ihrer Zeit an?“, fragte Elliot. „Trotz Ihrer Worte wirken Sie auf mich nicht, als ob Sie Ihre Witwenschaft genössen.“

Sie zuckte die Achseln. „Noch bin ich dabei, mich einzugewöhnen. Es ist anders, als ich erwartet habe. Es kam unerwartet – Jeremy war erst sechsunddreißig, als er starb … Aber nicht dass Sie jetzt denken, ich hätte ihn ermordet!“

„Aber Sie haben es schon erwägt, oder?“

„Nur als eine Art Zerstreuung, als ich …“ Als ich mein erstes Buch schrieb. Beinahe hätte sie es laut gesagt. Entsetzt starrte sie Elliot an. Er bemühte sich so sehr, nicht zu lächeln, dass seine Mundwinkel vor Anspannung zuckten.

„Das ist nicht lustig. Wie empörend, mir diese Aussage zu entlocken!“, rief sie, ihrerseits bemüht, das Lachen in ihrem Tonfall zu unterdrücken.

„Ich habe Ihnen nichts entlockt.“

„Wissen Sie was? Ich wünschte, Sie würden mich einmal mitnehmen“, platzte es ganz undamenhaft aus Deborah heraus.

„Wie bitte?“

„Nur einmal. Ich wünschte, ich könnte Sie begleiten. Es wäre … ich weiß nicht … fantastisch.“ Und vielleicht inspirierend, setzte sie in Gedanken fort.

Elliot lachte laut auf. „Fantastisch? Man hat meine Eskapaden oft genug beschrieben, aber das Wort fantastisch kam darin bisher nicht vor. Eine so originelle Frau wie Sie ist mir noch nie begegnet.“

„Nein? Das will ich als großes Kompliment nehmen. Kennen Sie viele Frauen?“

„Viele. Und sie haben sich vieles von mir gewünscht.“ Elliot lächelte verrucht. „Aber keine hat sich je für meine Diebestouren interessiert.“

„Also, mich interessiert es sehr.“ Sie versuchte, nicht an die vielen wollüstigen, erfahrenen Frauen zu denken, die er schon getroffen hatte. „Werden Sie darüber nachdenken?“

„Darüber nachdenken! Guter Gott! Das meinen Sie nicht ernst?“

Doch, sie meinte es ernst, auch wenn sie es kaum selbst glauben konnte. Eine einzige Nacht lang würde sie aus ihrem Schatten treten, sich von den Geistern der Vergangenheit, die sie plagten, befreien, und so kühn sein wie die Heldin in ihrem Roman. Sie würde tatsächlich Bella sein. Das war die perfekte Inspiration für ihre Schreiberei.

Deborahs Augen funkelten regelrecht. „Sie können sich nicht vorstellen, wie ernst.“

Elliot schien ihre Begeisterung zu amüsieren. Er lachte – ein tiefes, raues Lachen, das sie leicht erschauern ließ. Sie merkte, dass sie auf seinen Mund starrte. Durch den Kleiderstoff spürte sie sein Knie an ihrem Schenkel, und das Blut rann heiß durch ihre Adern.

„Werden Sie mich mitnehmen?“, fragte sie, halb spaßhaft, halb begierig … was sie sich aber eigentlich nicht eingestehen mochte,

Elliot konnte den Blick nicht von ihrem Mund abwenden. Sie duftete nach Frühling und Blumen und etwas schwer Bestimmbarem. Um ihre Augen zogen sich feine, kaum merkliche Linien. Er hatte sie für drei- oder vierundzwanzig gehalten, doch sie musste älter sein. In den Tiefen ihrer Augen lauerten dunkle Erfahrungen. Sie war Witwe. Er konnte sie unmöglich hier im Park küssen. Aber er wollte es so sehr.

„Elliot! Werden Sie mich mitnehmen?“

Sie meinte es ernst! Verblüfft lehnte er sich zurück, nahm seinen Hut ab, betrachtete ihn abwesend und setzte ihn wieder auf. „Seien Sie nicht albern.“

„Das ist nicht albern!“, behauptete Deborah, viel zu hingerissen von der Idee, als dass sie bemerkt hätte, wie verrückt das klang und wie waghalsig. Genau so etwas wollte sie! Darauf hatte sie gewartet. Auf etwas Aufregendes! Etwas, das sie aus ihrer Melancholie aufscheuchte. Eine neue Erfahrung! Die Authentizität, die es ihrem Roman verleihen würde. „Bitte, Elliot.“

Ihre Hand lag auf seinem Arm. Ihre Handschuhe waren abgetragen. Seine waren neu. Er hasste diesen Zwang zu Handschuhen; er wollte Haut spüren, die Haut dieser Frau. „Nein.“ Er rückte von ihrer Hand ab. „Ich könnte Sie unmöglich …

„Warum nicht? Fürchten Sie, ich würde alles verderben? Ich verspreche, ich würde alles genau so machen, wie Sie es vorschreiben.“

Eine kurze, verrückte Spanne sah er es vor sich – sie beide als Komplizen. Ihre Anwesenheit würde der Sache einen ganz neuen Reiz verschaffen …

Was zum Teufel dachte er da? „Wahnsinn!“, rief er und sprang hastig auf. „Sie wissen nicht, was Sie da verlangen! Den Galgen riskieren …“

Autor

Joanna Fulford
Mehr erfahren
Marguerite Kaye

Marguerite Kaye ist in Schottland geboren und zur Schule gegangen. Ursprünglich hat sie einen Abschluss in Recht aber sie entschied sich für eine Karriere in der Informationstechnologie. In ihrer Freizeit machte sie nebenbei einen Master – Abschluss in Geschichte. Sie hat schon davon geträumt Autorin zu sein, als sie mit...

Mehr erfahren