Ich brauche keine Millionen

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Das mondäne Monaco scheint für Greer genau der richtige Ort zu sein, um ihre Erfüllung zu finden. Etwa in Gestalt des atemberaubenden Anwalts Max di Varano. Und tatsächlich zeigt der smarte Ermittler brennendes Interesse an Greer. Doch nicht nur aus Liebe…


  • Erscheinungstag 12.08.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779382
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

14. April, Kingston, New York

Unruhiges Füßescharren verriet Greer Duchess, dass ihre Schwestern ungeduldig wurden. „Wir sind fast durch, Kinder. Für November sind wir uns also einig: ‚Ginger Rogers tanzte genauso gut wie Fred Astaire. Nur rückwärts. Und auf Stöckeln.‘“

„Aber nicht jeder, der unsere Kalender kauft, weiß, wer Ginger Rogers ist“, gab Olivia zu bedenken.

„Macht nichts. Pipers Zeichnungen sind so treffend, dass man auch so versteht, was gemeint ist“, entschied Greer. Die beiden süßen Comicfiguren Luigio und Violetta, ein verliebtes italienisches Taubenpaar, waren ihr richtig ans Herz gewachsen.

Obwohl Piper die Zeichnungen anfertigte und Olivia den Vertrieb leitete, war Greer der Kopf und die treibende Kraft ihres gemeinsamen Unternehmens.

„Also, weiter zu den Dezembersprüchen, die wir in die engere Wahl genommen haben: ‚Hinter jedem erfolgreichen Mann steckt eine überraschte Frau.‘ und ‚Ein Mann tut, was er tun muss. Eine Frau muss tun, was er nicht tun kann.‘“

Piper stand auf und reckte ihre wohlgeformte Gestalt. „Ich fand beide sofort prima, als du sie uns vorgeschlagen hast.“

„Mir gefallen sie auch“, versicherte Olivia. „Entscheide du, Greer. Wir verlassen uns auf dein Gespür.“ Sie betrachtete ihre langen, schlanken Beine. „Und jetzt müssen wir wirklich los, sonst kommen wir zu spät zur Verlesung von Daddys Testament. Um zehn sollen wir beim Notar sein.“

„Na gut. Lass schon mal den Motor an, während ich Don noch kurz eine E-Mail schicke.“

In Sekundenschnelle war die Nachricht verschickt. Erleichtert atmete Greer auf. Der Kalender mit dem Titel „Nur für Frauen“ sollte im Mai in Druck gehen, und bis dahin waren es nur noch wenige Wochen.

Don Jardine, einer der Männer, mit denen sie und ihre Schwestern ausgingen, war der Eigentümer der Druckerei und lieferte ausgezeichnete Arbeit.

Leider ließ er für Greers Geschmack zu oft durchblicken, dass er sich in sie verliebt hatte und ernste Absichten hegte. Das Dumme war nur, dass sie seine Gefühle nicht erwiderte. In letzter Zeit erfand sie immer öfter Ausreden, um nicht mit ihm auszugehen. Ihr wäre es lieber, sie könnten einfach nur Geschäftsfreunde sein.

Die Firma Duchesse Designs war weitgehend ihre Schöpfung. Zu dem Namen hatte sie neben ihrem Familiennamen der Adelstitel ihrer einzigen berühmten Ahnin, der Herzogin von Parma, inspiriert, einer Frau, die ihrer Zeit weit voraus gewesen war. Und inzwischen lief das Geschäft sehr viel besser, als Greer erwartet hatte.

Nachdem das Auftragsvolumen sich in den letzten drei Monaten vervierfacht hatte, würden sie und ihre Schwestern zum ersten Mal seit fünf Jahren in der Lage sein, einen Teil des Gewinns zu investieren und den Rest in ihr eigenes Unternehmen zu stecken.

Natürlich würde auch Don in Zukunft mehr Geld bekommen. Ob er ihr dann verzieh, blieb abzuwarten.

Greer schaltete den Anrufbeantworter ein, ehe sie ihren Schwestern aus dem Erdgeschossapartment nacheilte.

Die Bestattungsfeierlichkeiten für ihren geliebten Vater lagen hinter ihnen. Nun blieb nur noch der Termin bei Mr. Carlson. Eine reine Formsache.

Zwanzig Minuten später betraten die drei Schwestern die Kanzlei im Zentrum des New Yorker Stadtteils Kingston. Die Empfangsdame führte sie in den Konferenzsaal, wo ein Fernseher und ein DVD-Spieler aufgestellt waren.

Nachdem sie Platz genommen hatten, betrat Mr. Carlson mit einer Akte den Raum. Er begrüßte die Drillinge, dann setzte er sich ans Kopfende des langen Konferenztisches.

„Ihr Vater hat mich beauftragt, Ihnen einen Brief vorzulesen, den er handschriftlich verfasst hat.“ Der Notar schlug die Akte auf und nahm das Schreiben heraus. Dann rückte er seine Brille zurecht und räusperte sich.

„An meine geliebten Töchter Greer, Piper und Olivia, die ich stets meine drei Täubchen genannt habe. Ihr wurdet geboren, nachdem ich die fünfzig längst überschritten und die Hoffnung schon aufgegeben hatte, eurer Mutter jemals Kinder zu schenken …

Der Umstand, dass Walter Carlson euch zu dieser Testamentsverlesung bestellt hat, bedeutet, dass mein altersschwaches Herz den Kampf aufgegeben hat und ihr bereits wisst, dass euer Zuhause verkauft werden muss, um die Arztrechnungen zu begleichen.

Ich wünschte, ich hätte es euch vererben können, aber es sollte wohl nicht sein. Doch zumindest hinterlasse ich euch keine Schulden. Walt wird die letzten Rechnungen bezahlen und sich um alles kümmern. Er weiß, dass ihr Zeit braucht, um eine andere Bleibe zu finden, und wird euch mitteilen, wann ihr ausziehen müsst.

Zu meinem großen Kummer hat bisher keine von euch die geringste Neigung gezeigt, sich zu verheiraten. Darüber war schon eure Mutter vor ihrem Tod besorgt, und mich belastet es noch mehr. Denkt an ihre letzten Worte an euch: Sucht euch einen guten Mann, heiratet ihn und gründet eine Familie. Diesen Ratschlag gebe auch ich euch mit auf den Weg.

Deshalb hinterlasse ich jeder von euch fünftausend Dollar aus dem Hochzeitsfonds, den eure Mutter und ich vor ihrem Tod eingerichtet haben. Ihr könnt das Geld beliebig ausgeben, solange es für die Suche nach einem Ehemann ist, mit dem ihr glücklich werdet. Walt wird euch die Schecks gleich im Anschluss aushändigen. Für heutige Verhältnisse mag fünftausend Dollar nicht viel sein, aber das Geld kommt von ganzem Herzen.

Ich weiß, dass ihr euren Weg gehen werdet, denn ihr seid intelligent, begabt und ideenreich, wie das gut gehende Internetgeschäft beweist, das ihr nach dem College aufgezogen habt. Aber wenn ihr das Geld richtig anlegt, werdet ihr merken, dass es im Leben noch wichtigere Dinge gibt als ein gutes Auskommen.

Als Denkanstoß bestehe ich darauf, dass ihr noch eine Weile in Walts Büro bleibt und euch den Lieblingsfilm eurer Mutter anseht. Tut eurem alten Vater den Gefallen. Ich will nur das Beste für meine schönen Mädchen. Ihr und eure Mutter wart mein ganzer Lebensinhalt.

Unterzeichnet: euer euch liebender, besorgter Vater, Matthew Duchess, 2. Februar, Kingston, New York.“

Nachdem er geendet hatte, blickte Mr. Carlson auf. Verunsichert sah Greer ihre blonden Schwestern an, die mit ihr um den Tisch versammelt waren.

Da der Zustand ihres Vaters sich schon lange vor seinem Tod vor sechs Wochen zusehends verschlechtert hatte, hatten sie den schmerzlichsten Teil der Trauerzeit bereits hinter sich. Und da sie gewusst hatten, dass die Zuzahlungen für die medizinische Behandlung ihrer Eltern große Summen verschlungen hatten, waren sie auf eine Erbschaft überhaupt nicht gefasst gewesen.

Umso mehr überraschte es sie, dass ihre Eltern ihnen Geld hinterlassen hatten. Doch die Erwähnung eines „Hochzeitsfonds“ behagte Greer ebenso wenig wie die Aussicht, sich den Lieblingsfilm ihrer geliebten, aber altmodischen Mom ansehen zu müssen.

Der Hollywoodstreifen handelte von drei jungen Frauen, die unbedingt Millionäre heiraten wollten. Zu Lebzeiten hatte ihre Mutter Greer nie dazu bringen können, sich den Film anzusehen. Greer fand die Vorstellung, einem reichen Mann nachzujagen, schlichtweg idiotisch.

Wenn eine Frau reich sein wollte, brauchte sie keinen Mann. Sie musste einfach nur selbst Millionärin werden!

Doch ihre Mutter hatte nun mal der guten alten Zeit angehört und eine völlig andere Auffassung von den Möglichkeiten einer Frau gehabt. Und da sie hoffnungslos romantisch gewesen war, hatte sie ihren dreieiigen Drillingen die Namen ihrer Lieblingsfilmstars gegeben – und sie mit Märchen aufgezogen.

Dafür hatte Greer sich jedoch nie erwärmen können.

Während Olivia und Piper für Cinderella schwärmten, die den Märchenprinzen bekam, weil sie so wunderschön war, hatte Greer ihre Schwestern oft mit ihrer ganz eigenen Sicht der Dinge vor den Kopf gestoßen.

Die schöne, unschuldige, hilflose Heldin solle lieber ihr Köpfchen benutzen und einen Plan schmieden, um dem Prinzen Schloss und Ländereien abzukaufen, hatte sie erklärt. Ein Mann, der sie, Greer, für sich gewinnen und heiraten wolle, müsse außerdem schon mehr als bloßen Charme zu bieten haben.

Nicht, dass Greer etwas gegen Männer hatte. Sie verabredete sich gern, und häufig gingen sie und ihre Schwestern gemeinsam mit ihren Verehrern aus. Don und seine Freunde gehörten zu ihren neuesten Bekannten. Doch an eine ernsthafte Beziehung dachte Greer nicht.

Mit der Ehe hatte es noch viel Zeit. Ihre Eltern hatten erst spät geheiratet, und so wollte sie es auch halten.

Das Motto der Drillinge lautete: Eine für alle, alle für eine. Und als „Älteste“ hatte Greer ihre Schwestern oft gewarnt, wenn sie heirateten, würden sie sich um den Triumph bringen, es mit ihrer gemeinsam aufgebauten Firma aus eigener Kraft zu etwas gebracht zu haben.

Nun blickte sie den Notar fragend an. „Müssen wir uns den Film wirklich noch ansehen?“

„Nur, wenn Sie Ihre fünftausend Dollar haben möchten. Das hat Ihr Vater zur Bedingung gemacht. Wenn Sie es nicht tun, geht das Geld an die Krebsforschung.“ Carlson zog die Brauen hoch. „Ich persönlich habe den Film schon einige Male gesehen und finde ihn sehr unterhaltsam.“

Resigniert verdrehte Greer die Augen. Auch ihre Schwestern machten keine Anstalten zu gehen. Und sie wusste natürlich, warum. Sie hatten moralische Bedenken. Bessere Eltern hätten sie sich nicht wünschen können, und Piper und Olivia wollten ihren letzten Wunsch respektieren.

Also schlug Greer die langen, schlanken Beine übereinander und wartete, während Mr. Carlson das Fernsehgerät näher heranrollte. Nachdem er den DVD-Spieler eingeschaltet hatte, lehnte sie sich gelangweilt im Ledersessel zurück und machte sich darauf gefasst, wieder einen von Männern für Männer gemachten Film über sich ergehen lassen zu müssen.

Die Geschichte war noch schlimmer, als sie erwartet hatte. Nach zehn Minuten musste Greer an sich halten, um nicht laut loszulachen.

Unauffällig blickte sie zu ihren Schwestern und merkte, dass es ihnen genauso ging. Doch aus Achtung für ihren Vater beherrschten sie sich.

Als der Film zu Ende war, erfüllte Schweigen den Raum, bis dem vom Film faszinierten Notar bewusst wurde, dass es Zeit war, das Gerät auszuschalten.

Würdevoll drehte er sich zu ihnen um. „Werden den Damen dreißig Tage reichen, um das Haus zu räumen?“

„Wir sind bereits in Mrs. Weylands Erdgeschosswohnung auf der anderen Straßenseite gezogen“, erklärte Greer.

Ihre Schwestern nickten. „Wir haben das Haus tipptopp hinterlassen.“

„Die Schlüssel sind hier im Umschlag und auch eine Liste unserer Handynummern und die neue Anschrift.“ Greer schob dem Notar den Umschlag zu und stand auf, um zu gehen.

Langsam erhob Carlson sich ebenfalls und reichte ihnen die Schecks. „Sie sind wirklich so bemerkenswert und selbstständig, wie Ihr Vater stets behauptet hat. Dennoch rate ich Ihnen, sich die Wünsche Ihrer Eltern zu Herzen zu nehmen.“ Bedeutsam sah er Greer an. „Frauen sind nicht dazu geschaffen, allein zu leben.“

Vermutlich dachte der Mann wirklich so. Doch seine Bemerkung gehörte zufällig zu den zwölf Monatssprüchen auf dem Kalender, den sie letztes Jahr unter dem Motto „Typisch Mann“ herausgebracht hatten und der sofort ein Verkaufsrenner geworden war.

Greer wagte nicht, ihre Schwestern anzusehen, sonst wäre sie laut losgeplatzt. Nichts wie raus!

„Vielen Dank für alles, Mr. Carlson.“

Mit ihrem Scheck in der Hand ging sie zur Tür. Ihre Schwestern folgten.

Zu dritt eilten sie den Gang entlang zum überfüllten Aufzug. Irgendwie schafften sie es, den alten Pontiac ihres Vaters zu erreichen, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrachen.

Da Olivia den besten Orientierungssinn besaß, fuhr sie meist, wenn sie zu dritt unterwegs waren.

„Nach der ersten Großaufnahme von Betty Grable dachte ich, ich müsste für Mr. Carlson den Notarzt rufen!“

„Diese Generation ist hoffnungslos rückständig!“

„Der Film war schrecklich!“

„Aber unsere Mom konnte nicht genug davon bekommen.“

„Und Daddy hat sie geliebt.“

„Und wir haben sie beide geliebt. Was machen wir also mit dem Geld?“

„Lasst uns erst nach Hause fahren“, schlug Greer vor. „Dort können wir in Ruhe darüber nachdenken.“

Während der restlichen Fahrt benahmen sie sich nicht wie siebenundzwanzigjährige Firmenchefinnen, sondern lachten und frotzelten übermütig wie Schulmädchen.

Als sie vor dem Gehsteig ihrem Haus gegenüber hielten, drehte Olivia sich zu Greer um, die auf dem Rücksitz saß. „Lasst uns einen neuen Wagen kaufen. Der hier hat schon zweihunderttausend Kilometer auf dem Buckel.“

Typisch ihre impulsive Schwester! „Jetzt gleich?“

„Warum nicht?“

Ehe Greer widersprechen konnte, mischte die romantische Piper sich ein. „Für eine Anzahlung von fünfzehntausend könnten wir ein neues Haus kaufen. Was meint ihr?“

Greer, die praktisch Orientierte, sagte nur: „Ich bin zu erschöpft, um jetzt darüber nachzudenken.“ Sie blickte verdrießlich drein. Schließlich wussten sie alle, dass das Geld aus dem Hochzeitsfonds an eine Bedingung geknüpft war.

„Mrs. Weyland hält uns für urlaubsreif“, bemerkte Olivia vorsichtig.

Piper lehnte den Kopf an die Scheibe. „Die Karibik wäre traumhaft.“

„Das stimmt schon, aber wir können nicht dorthin.“

Beide Schwestern sahen sie verständnislos an. „Warum nicht?“

Seufzend beugte Greer sich vor. „Weil jetzt April ist. Bis wir uns in der Firma loseisen können, ist es Juni. Und im Juni würden wir dort bestimmt mit einem Hurrikan Bekanntschaft machen.“

„Woher willst du das wissen?“

„Von unserer Vertriebspartnerin Jan im Nordosten. Sie fährt jedes Jahr im Februar zum Tauchen in die Karibik, weil das Wetter dann super ist.“

„Wie wär’s mit Hawaii?“

Olivia rümpfte die Nase. „Dort wimmelt es von Touristen. Mir wäre was Exotisches wie Tahiti lieber.“

„Der Flug ist zu teuer.“

„Was schlägst du vor, Greer?“ Die Schwestern warteten auf ihre Antwort.

„Gar nichts. Und ihr wisst genau, warum.“

In Olivias hellblauen Augen blitzte es auf. „Dann gehen wir eben auf Ehemannsuche … an einem paradiesischen Ort wie Australien, wo es die schönsten Strände der Welt geben soll. Ich finde, Mrs. Weyland hat recht. Wir haben seit Jahren nicht mehr Urlaub gemacht.“

Nun begannen Pipers blaugrüne Augen zu leuchten. „Schließlich hat Daddy nicht zur Auflage gemacht, dass wir auch heiraten.“

Dagegen konnte Greer nichts ins Feld führen. „Richtig. Er hat gesagt, wir können das Geld beliebig ausgeben, solange es für die Suche nach einem Ehemann ist. Und mit drei Mal fünftausend Dollar sollten wir irgendwo zwei Wochen einen tollen Urlaub machen können. Mich würde das Great Barrier Reef reizen.“

„Und mich Südamerika!“, warf Olivia ein. „Denkt nur an Rio! Ipanema und die Copacabana sollen die fantastischsten Strände der Welt haben!“

„Moment mal …“ Piper spreizte die Hände. „Wo immer wir Urlaub machen, ich habe da eine Idee, wie wir im Nu Männer an der Angel haben.“

Vergnügt lächelte Olivia. „Ich weiß, was dir vorschwebt.“

Greer wusste es auch. Schließlich hatten sie alle drei den idiotischen Film gesehen und waren nicht umsonst Drillinge. „Du meinst, wir sollten es umgekehrt machen und uns als Millionärinnen ausgeben?“

„Warum nicht?“

Ja, warum nicht? Greer hatte zwar das Gefühl, dass es bis zum Millionärsdasein noch etwas dauern könnte, doch wenn das Geschäft weiter so gut lief, dürften sie mit dreißig recht gut betucht dastehen.

„Hört mal“, sagte Piper und machte eine dramatische Handbewegung. „Wir haben noch viel mehr zu bieten als nur Geld. Wir heißen Duchess, was so viel heißt wie Herzogin. Das bedeutet, dass wir einen Adelstitel besitzen! Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen die Herzoginnen von Kingston vorstellen?“

Brillant.

So brillant, dass Greer ihre Schwester bewundernd ansah, während Olivia schon wieder blitzschnell weiterdachte. „Wir besitzen den Anhänger der Herzogin!“

„Und?“, drängte Greer. „Was ist damit?“

Der rechteckige Goldanhänger war mit Amethysten besetzt, in deren Mitte eine aus Perlen zusammengesetzte Taube mit einem rötlichen Kapgranatauge prangte.

Ihr Vater hatte ihnen erzählt, ein Hofkünstler habe den Anhänger für die Herzogin von Parma gefertigt, die berühmte Kaiserin Marie Louise aus dem Herrschergeschlecht der Bourbonen. Auf der Rückseite des Schmuckstücks befanden sich die stilisierten Buchstaben D und P.

Nach ihrem Tod hatte eins ihrer Kinder das Schmuckstück geerbt, dann war es an eine Enkelin gegangen, die es innerhalb der Familie weitergereicht hatte, bis es auf Matthew Duchess, ihren Vater, gekommen war.

Vor dem sechzehnten Geburtstag der Drillinge waren ihre Eltern zu einem Juwelier gegangen und hatten nach dem Vorbild des Originals zwei gleiche Anhänger fertigen lassen, damit alle drei Töchter das gleiche Erinnerungsstück besitzen sollten.

„Gebt sie an eure Kinder weiter“, hatten die Eltern ihnen geraten und ihre Töchter liebevoll umarmt und geküsst.

Elf Jahre waren seitdem vergangen, und die drei Mädchen waren immer noch ledig. Eines Tages würden sie sicher heiraten und Kinder haben, doch wann, kümmerte sie wenig.

„Denkt nach, Herzoginnen!“ Olivia lächelte kokett. „Wo finden wir einen Traumstrand mit tollen Männern, die verzweifelt nach einer adligen Dame mit Familienschmuck suchen?“

„An der Riviera natürlich.“

„Natürlich!“, riefen Greers Schwestern wie aus einem Mund.

„Aber wir stammen aus dem unehelichen Zweig des Hauses Bourbon-Parma“, erinnerte Greer sie.

„Na und? Wir sind mit ihnen verwandt!“

„Nur, wenn die Geschichte stimmt.“

„Dad schien sich da sicher zu sein“, betonte Piper. „Wie wäre er sonst zu dem Anhänger gekommen?“

„Jemand könnte sich die Sache ausgedacht haben, und im Lauf der Jahre wurde immer mehr dazugedichtet“, gab Greer zu bedenken. „Aber wie auch immer: Wir besitzen den Anhänger, und niemand kann beweisen, dass wir nicht mit den Bourbon-Parmas verwandt sind. Mir kommt da eine Idee. Wir wissen, dass Kaiserin Marie Louise drei weitere Titel besaß: Herzogin von Colorno, Herzogin von Piacenza und Herzogin von Guastalla. Wie wär’s, wenn jede von uns sich einen dieser Titel zulegt, der die Verwandtschaft belegt. Damit könnten wir jeden Playboy blenden.“

Fast ehrfürchtig sahen die Schwestern Greer an, deren veilchenblaue Augen denselben Tonfall wie die der Herzogin von Parma hatten.

Olivia lächelte verschwörerisch. „Ich schlage vor, wir fangen mit der italienischen Riviera an, machen Abstecher nach Parma und Colorno, um die Orte kennenzulernen, an denen sie gelebt hat. Dann arbeiten wir uns an der Küste entlang zur französischen und spanischen Riviera vor. Dabei lassen wir durchblicken, dass wir in Italien unsere ‚königlichen Verwandten‘ besucht haben.“

Fantastisch! Manchmal hatte Olivia wahrhaft geniale Ideen.

In Gedanken war Greer bereits weiter. „Wenn wir dort sind, bahnen wir auch gleich Geschäfte an, sodass wir die Reise von der Steuer absetzen können. Es dürfte nicht schwer sein, jemanden zu finden, der unsere Kalender in die jeweilige Landessprache übersetzt und für uns vertreibt. Das könnte der Anfang vom ganz großen Geschäft sein.“

Piper strahlte. „Eines Tages werden Violetta und Luigio in ganz Europa berühmte Figuren sein. Wir dürfen darüber nur Daddys Wunsch nicht vergessen, uns tatkräftig nach Ehemännern umzusehen“, erinnerte sie ihre Schwestern.

„Ach, das wird kinderleicht“, prophezeite Olivia. „Sobald wir als Herzoginnen in Erscheinung treten, werden die ahnungslosen Opfer uns förmlich belagern.“

„Und wir wissen natürlich, warum“, bemerkte Greer vergnügt. „Weil die Typen nur mittellose Abenteurer sind, die auf eine reiche Partie aus sind und möglichst auf einen Adelstitel obendrein.“

„Die große Enttäuschung kommt dann, wenn wir scheu lächelnd zugeben, nur die armen amerikanischen Duchess-Nachkommen zu sein. Wenn die Typen den Antrag dann zurücknehmen wollen …“

„Du bist gemein, Greer“, tadelte Piper.

„Schlimm“, pflichtete Olivia ihr bei.

„Nicht so schlimm wie die Typen, die dann reihenweise umfallen.“ Erheitert betrachtete Greer ihre Schwestern. „Gehen wir drinnen etwas essen, dabei können wir weiter Pläne schmieden.“

Rasch stieg Piper aus. Olivia folgte. „Wenn wir uns beeilen, können wir heute noch Pässe beantragen, ehe die Behörde dichtmacht.“

Greer bildete das Schlusslicht. „Gut, dass Flüge nach Europa jetzt so billig sind. Wir brauchen nämlich auch alle drei eine neue Garderobe.“

„Wirklich stilvoll wäre es, eine Privatjacht zu chartern.“

„Die können wir uns nicht leisten.“

„Trotzdem kann es nicht schaden, sich umzuhören“, schlug Olivia vor. „Vielleicht können wir ja eine ganz kleine nehmen.“

Im Apartment angekommen, eilte Greer sofort zum Computer im Wohnzimmer, das auch als Büro diente. Gespannt saßen sie zu dritt vor dem Bildschirm, während Greer Jachtangebote aufrief.

„Hm. Ich fürchte, die können wir uns nicht leisten. Das Günstigste, was wir bisher gefunden haben, wäre ein bemanntes Chartersegelboot für zwölf Gäste. Das käme pro Person auf fünftausend Dollar die Woche – wenn das Schiff voll besetzt ist. Können wir vergessen.“

Nun beugte Piper sich über Greers Schulter. „Klick doch mal spaßeshalber bemannte Katamarane an. Die dürften erheblich billiger sein.“

Als die Daten auf dem Monitor erschienen, gingen sie aufgeregt die Namen der Boote durch.

„Sieh mal!“, platzte Olivia heraus. „Da heißt eins Piccione.“

Greer hatte das italienische Wort für Taube ebenfalls entdeckt. Ihr Dad hatte seine Töchter stets seine drei Täubchen genannt. Aus Jux klickte Greer das Boot an und las laut vor: „Blitzsaubere weiße Siebzehnmeterschaluppe, bemannt, zwei bis sechs Gäste, komplett eingerichtet, Vollpension. Dreitausend Dollar pro Person. Zehn Tage auf dem Mittelmeer. Die Reiseroute bestimmen Sie. Der schnellste Weg zu jedem Strand. Info: F. Moretti, Vernazza, Italien.“

Olivia knuffte Greer in die Seite. „Das nenne ich stilvoll und erschwinglich. Wir haben Glück. Schick sofort eine E-Mail und frag an, ob das Schiffchen im Sommer oder Frühherbst noch zu buchen ist.“

„Ein bestimmter Monat?“

Beide Schwestern schüttelten den Kopf.

Greer schickte die Anfrage ab und folgte den anderen in die Küche. Nachdem sie sich kurz mit belegten Broten gestärkt hatten, suchten sie ihre Geburtsurkunden heraus.

Auf dem Weg zur Passstelle ließen sie Passfotos machen, wobei ihnen einfiel, dass sie zum Herzoginnenlook auch eine neue Frisur brauchten.

Eine Stunde später, als sie sich wieder auf dem Heimweg befanden, stach Piper ein Reisebüro ins Auge. Sie ließ Olivia halten und sprang aus dem Wagen, um kurz darauf mit einer Handvoll Prospekte zurückzukommen.

Fast wäre es wegen der Broschüre von Vernazza unter den Schwestern zum Streit gekommen, denn alle wollten sie auf einmal studieren. Der Ort versprach, ein wahres Paradies zu sein.

Als einer der wenigen noch fast unberührten Mittelmeerflecken gehört Vernazza zu Cinque Terre, einem aus fünf Dörfern bestehendem, dufterfüllten Naturreich inmitten von grünen Hügeln am Klippenhang zwischen Himmel und Erde. Hier können Sie im Meer schwimmen, in den Bergen oder auf den schmalen ‚carrugi‘ wandern, mit dem Boot einen alten Tempel besuchen oder sich unterwegs an Meeresfrüchten delektieren.

Im Apartment angekommen, war Piper als Erste am Computer.

„Wir haben Antwort auf unsere E-Mail!“

Greer und Olivia beugten sich über ihre Schulter, während sie vorlas.

„Danke für Ihre Anfrage. Wegen einer unerwarteten Absage ist der Termin ab dem achtzehnten Juni noch frei! Hurra!“ Piper hüpfte auf ihrem Drehstuhl auf und ab. „Sie haben besonderes Glück, da am zwanzigsten der Grand Prix in Monaco stattfindet, für das wir eine Anlegegenehmigung besitzen. Falls Sie zusagen möchten, bitten wir um sofortigen Bescheid.“

Aufgeregt schwenkte Piper ihren Drehstuhl herum. „Monaco, Kinder! Der Spielplatz der Reichen und Berühmten. Denk doch mal, Olivia, der Grand Prix! Vielleicht siehst du dann den tollen französischen Rennfahrer, von dem du die ganze Zeit schwärmst! Den Typ, bei dem Fred jedes Mal eine Schnute zieht, wenn du von ihm sprichst.“

„Fred ist selbst schuld, dass ich Bekanntschaft mit der Formel 1 gemacht habe.“ Olivias Augen glänzten. „Wäre es nicht super, wenn wir César Villons Autogramm mit nach Hause bringen würden?“

Greer hätte es noch viel aufregender gefunden, einen Italiener aus der Familie Duchesse kennenzulernen, der ihre Verwandtschaft mit der Herzogin von Parma bestätigen könnte.

„Piper? Frag mal an, ob wir das Boot ganz für uns haben können, wenn jede von uns einen weiteren Tausender drauflegt.“

„Gute Idee, Greer. Aber ich darf Tom nichts erzählen, sonst will er mitkommen.“

„Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Du bist ja nicht verliebt in ihn.“

„Woher willst du das wissen?“

„Bist du’s?“

„Vielleicht.“

„Zehn Tage ohne Tom werden dir Gewissheit geben, stimmt’s?“

„Ja.“ Piper hatte die Frage eingetippt und schickte sie ab.

Während sie auf Antwort warteten, beschäftigte Greer sich mit einer Broschüre, in der eine Karte der europäischen Mittelmeerküste abgebildet war.

Plötzlich schrie Piper freudig auf. „He! Sie sind einverstanden, wenn wir den vollen Betrag sofort zahlen.“

„Ehe wir uns festlegen, müssen wir sehen, ob wir einen Flug bekommen.“

„Hab mich schon erkundigt.“ Olivia legte die Hand über die Telefonmuschel. „Nach Mailand, Rom und Bologna ist alles ausgebucht, aber für den sechzehnten Juni sind noch Plätze in der Maschine nach Genua frei. Rückflug neunundzwanzigster Juni.“

Greer blickte erneut auf die Karte. „Genua ist nur knapp achtzig Kilometer von Vernazza entfernt“, schätzte sie. „Da könnten wir mit dem Zug hinfahren und am siebzehnten und achtundzwanzigsten im Hotel übernachten. Buch die Flüge, Olivia!“

„Und wie bezahlen wir das Schiff?“, wandte Piper sich an Greer.

Diese zog ihre Brieftasche aus der Handtasche. „Hier. Wir bezahlen die gesamte Rechnung mit der Firmenkreditkarte. Lass durchblicken, die Herzogin von Kingston aus dem Haus Bourbon-Parma würde exklusiv für drei buchen, wolle das jedoch geheim halten.“

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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