Im Liebesbann des Tycoons

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ERPRESST VON DEM GRIECHISCHEN TYCOON

Heißes Verlangen spürt Ariston Kavakos, als er Keeley bei einer Vernissage in London wiedersieht. So provokant schön wie damals - aber sicher noch genauso berechnend! Während der griechische Tycoon ungehalten beobachtet, wie sie mit seinem Bruder Pavlos flirtet, kommt ihm ein brillanter Gedanke: Mit einer List wird er Keeley auf seine Privatinsel locken, sie verführen und damit für seinen Bruder uninteressant machen. Danach will er sie ein für alle Mal aus seinem Leben verbannen! Doch sein Plan geht gründlich schief …

DIE SÜßE RACHE DES TYCOONS

Lady Marnie Kenington stockt der Atem, als sie dem stolzen Griechen Nikos Kyriazis entgegentritt. Damals zerbrach ihre Jugendliebe, weil Nikos in den Augen ihrer Eltern nicht gut genug für sie war. Aber jetzt hat sich das Blatt gewendet: Nikos ist ein milliardenschwerer Tycoon - und Marnies Vater steht vor dem Ruin. Es würde Nikos ein Lächeln kosten, mit hundert Millionen Pfund einzuspringen. Aber nur, wenn Marnie auf seine ruchlose Bedingung eingeht: Sie soll in sein Bett zurückkehren - als seine Ehefrau …

SINNLICHER PAKT MIT DEM TYCOON

"Ich will nur einen Kuss! Haben Sie Angst, ich könnte beißen?" It-Girl Steffi Leigh ist empört! Wie kommt dieser erfolgsverwöhnte Casanova Jack Wolfe nur darauf, dass sie leicht zu haben ist? Schließlich steht nicht sie zum Verkauf, sondern ihr Internetforum, in dem sie stylische Modetipps gibt! Andererseits darf sie den wichtigsten Deal ihres Lebens nicht gefährden. Doch als der attraktive Unternehmer sie auf einen Luxustrip entführt, entfachen seine Küsse etwas in ihr, das süchtig macht … dabei weiß sie, bei einem Deal mit dem Teufel verbrennt man sich immer die Finger …

IN DEN ARMEN DES TYCOONS

Heiße Sehnsucht, Verlangen und kalte Wut - die widersprüchlichsten Gefühle stürmen auf Caliope ein. Denn vor ihrer Tür steht niemand anderes als Stahl-Tycoon Maksim Volkov! Ein Jahr ist es her, dass der attraktive Russe sie ohne ein Wort verließ. Und das, obwohl Caliope nach einer leidenschaftlichen Affäre ihren gemeinsamen Sohn zur Welt gebracht hat. Dennoch muss Caliope sich eingestehen: Sie liebt Maksim noch immer. Hat er eine zweite Chance verdient? Ihr Herz schreit Ja! Doch gerade als Caliope von einem Happy End zu träumen beginnt, gerät ihr Glück plötzlich in Gefahr …

DIE RÜCKKEHR DES GRIECHISCHEN TYCOONS

Wenn Billie in die Augen ihres kleinen Sohnes schaut, muss sie an Giorgios denken. Der griechische Tycoon, der ihr das Herz brach, als er eine andere heiratete! Schluss, aus, vorbei - bis Giorgios überraschend vor ihrer Tür steht, so überwältigend wie damals. Und geschieden …

NUR EINE NACHT MIT DEM TYCOON?

Nur eine heiße Nacht? Von wegen! Als Pippa nach einem One-Night-Stand mit Cameron feststellt, dass sie schwanger ist, steht sie am Scheideweg. Der attraktive Tycoon will sie zwar heiraten und versorgen, aber er macht ihr klar: Liebe ist bei diesem Arrangement völlig ausgeschlossen. Denn nach dem Tod seiner Familie hat er eine Mauer um sein Herz errichtet. Doch Pippa will ihren Traum vom wahren Glück nicht aufgeben und meidet Cam - bis er sich so rührend um sie kümmert, als sei jede Geste und jedes Geschenk ein Liebesbeweis. Gut, dass Pippa es besser weiß. Oder?


  • Erscheinungstag 16.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733737634
  • Seitenanzahl 864
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Sharon Kendrick, Clare Connelly, Natalie Anderson, Olivia Gates, Lynne Graham, Maya Banks

Im Liebesbann des Tycoons

IMPRESSUM

JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
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Fax: +49(0) 711/72 52-399
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© 2017 by Sharon Kendrick
Originaltitel: „The Pregnant Kavakos Bride“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 2339 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Monika Schott

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733710194

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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1. KAPITEL

Die Person, die mit seinem Bruder sprach, verkörperte alles, was Ariston Kavakos an Frauen hasste. Ihre weiblichen Kurven sorgten garantiert dafür, dass jeder Mann sie begehrte, ob er es wollte oder nicht. Ariston wollte es definitiv nicht. Und dennoch war er von heftigem Verlangen gepackt worden.

Warum, zum Kuckuck, war Keeley Turner hier?

Sie stand dicht bei Pavlos. Die Deckenbeleuchtung der schicken Londoner Galerie ließ Keeleys blondes, welliges Haar glänzen. Sie hob die Hände, um eine Äußerung zu unterstreichen, und Aristons Blick fiel auf die wundervollsten Brüste, die er je gesehen hatte. Als er sich daran erinnerte, wie sie im Bikini aus dem blauen, schaumgekrönten Wasser der Ägäis aufgetaucht war, das ihr in kleinen Rinnsalen über den Bauch gerieselt war, musste er schlucken. Sie war eine Mischung aus Erinnerung und Träumerei, eine nie beendete Geschichte. Es war schon acht Jahre her, und doch hatte er für nichts und niemanden Augen als für Keeley Turner – und das trotz der atemberaubenden Aufnahmen seiner griechischen Privatinsel, die in der Galerie ausgestellt wurden!

Ob sein Bruder genauso eingenommen von ihr war? Ariston hoffte, dass es nicht so war, doch er konnte die Körpersprache der beiden aus der Entfernung nicht deuten. Er durchquerte die Galerie, doch falls Keeley und Pavlos sein Näherkommen bemerkt hatten, ließen sie es sich zumindest nicht anmerken.

Ariston spürte einen Anflug von Wut, die er rasch verdrängte, da sie kontraproduktiv gewesen wäre, das war ihm inzwischen klar. In komplizierten Situationen war eiskalte Ruhe wesentlich effektiver – sie war sein Schlüssel zum Erfolg. Das Mittel, mit dem er das schwächelnde Familienunternehmen wiederaufgebaut und sich einen Ruf verdient hatte als jemand, der alles zu Gold machte, was er berührte. Die Misswirtschaft seines Vaters war Geschichte, und nun war er, der älteste Sohn, zuständig. Inzwischen war die Kavakos-Reederei das profitabelste Schifffahrtsunternehmen der Welt, und er würde dafür sorgen, dass es so blieb.

Das bedeutete nicht nur, dass er mit Schiffsmaklern verhandeln und immer auf dem neuesten Stand sein musste, was die Weltpolitik betraf, sondern es hieß auch, dass er ständig ein wachsames Auge auf die leichtgläubigeren Familienmitglieder haben musste. Das Kavakos-Imperium strotzte vor Geld, und er wusste, wie Frauen sich in der Umgebung von Geld verhielten. Er hatte in jungen Jahren eine einschneidende Erfahrung mit der weiblichen Habgier gemacht; seitdem war er stets auf der Hut. Diese Grundhaltung führte dazu, dass manche Leute ihn für übervorsichtig hielten, doch Ariston sah sich selbst lieber als leitenden Impulsgeber – als Kapitän, der das Schiff steuerte. In gewisser Weise war das Leben ja wie eine Seereise. Eisberge umschiffte man aus gutem Grund – und Frauen waren wie Eisberge. Man sah nur zehn Prozent von ihrem wahren Ich, der Rest blieb unter der Oberfläche verborgen.

Während er auf die beiden zuging, ließ er die Blondine nicht aus den Augen. Wenn im Leben seines Bruders etwas schieflief, würde er das klären – und zwar schnell. Ariston verzog die Lippen zu einem schmalen Lächeln. Er würde sie so schnell wie möglich hinausbefördern.

„Pavlos, was für eine Überraschung“, sagte er ruhig, als er bei den beiden ankam, und bemerkte, wie die Frau auf der Stelle verkrampfte. „Ich hatte nicht erwartet, dich so kurz nach der Vernissage wieder hier zu sehen. Hast du auf einmal dein Interesse für die Fotografie entdeckt oder einfach nur Sehnsucht nach der Insel, auf der du geboren wurdest?“

Pavlos sah aus, als wäre er nicht gerade begeistert davon, unterbrochen zu werden, doch das war Ariston egal. Momentan konnte er an nichts anderes denken als an das, was gerade in ihm selbst vorging. Denn ärgerlicherweise hatte er offenbar keine Immunität gegen die grünäugige Sirene entwickelt, die er zum letzten Mal gesehen hatte, als sie achtzehn gewesen war. Damals hatte sie sich ihm mit einer Leidenschaft an den Hals geworfen, die ihm den Verstand geraubt hatte. Sie hatte sich sofort an ihn geschmiegt und hätte sich ihm sicher auch komplett hingegeben, wenn er das Ganze nicht gestoppt hätte. Indem er ihre Willigkeit verachtet und gleichzeitig betört davon gewesen war, hatte er genau die Doppelmoral an den Tag gelegt, die man ihm in Liebesdingen manchmal vorwarf. Es hatte seine gesamte Selbstbeherrschung aufbringen müssen, um von ihr abzulassen, aber es war ihm gelungen, auch wenn sein Körper sich hinterher monatelang nach ihr gesehnt hatte.

Er biss die Zähne zusammen. Sie war nichts weiter als ein Flittchen. Ein billiges, aufdringliches kleines Flittchen. Wie die Mutter, so die Tochter, dachte er. Diese Art von Frau war das Letzte, auf das sein Bruder sich einlassen durfte.

„Ach, hallo, Ariston“, sagte Pavlos auf seine lässige Art, die oft dafür sorgte, dass die Leute überrascht waren, wenn sie erfuhren, dass er Aristons Bruder war. „Ja, da bin ich schon wieder. Ich dachte, ich komme noch mal her und treffe mich bei der Gelegenheit mit einer alten Freundin. Du erinnerst dich doch noch an Keeley, oder?“

Einen Moment lang war es ganz still. Ariston spürte sein Herz heftig pochen, als sie mit ihren grünen Augen zu ihm aufsah. „Natürlich erinnere ich mich an Keeley“, antwortete er dann schroff.

Ihm entging die Ironie seiner Worte nicht. Die meisten Frauen waren für ihn nur Mittel zum Zweck, und er vergaß sie schnell wieder. Vielleicht erinnerte er sich ab und zu an ausgesprochen schöne Brüste oder einen besonders knackigen Hintern, und wenn eine Frau besonders geschickt mit dem Mund oder den Händen war, dachte er mit einem nostalgischen Lächeln an sie zurück. Aber Keeley Turner war eine andere Liga gewesen, und er hatte sie nie wirklich vergessen können.

Ob es daran lag, dass sie tabu gewesen war? Oder daran, dass sie ihm eine Kostprobe ihres unglaublichen Zaubers gegeben hatte, bevor er sich von ihr losgerissen hatte? Ariston wusste es nicht. Es war ebenso unerklärlich, wie es heftig war, und er musste feststellen, dass er sie mit derselben Aufmerksamkeit betrachtete wie die Umstehenden die Fotos an den Wänden.

Zierlich und doch unendlich weiblich gebaut, so stand sie da mit ihrem langen, gewellten blonden Haar. Sie trug ganz normale Jeans und einen unauffälligen dünnen Pullover, aber sie hätte selbst in einem Kartoffelsack unglaublich gut ausgesehen. Der billige synthetische Stoff spannte sich über ihre üppigen Brüste, und der blaue Denim umschmeichelte ihren runden Po. Sie trug keinen Lippenstift, und ihre Augen, aus denen sie ihn verunsichert ansah, hatte sie nur mit ein wenig Mascara betont. Ihr Look war nicht gerade modern, aber sie hatte etwas ganz Besonderes … Etwas, das ihn tief berührte und den Wunsch in ihm auslöste, sie auszuziehen und sich über sie herzumachen, bis sie seinen Namen schrie. Zu gerne wollte er mit ihr ins Bett. Aber noch lieber wollte er, dass sie hier verschwand – also musste er nun handeln.

Sie bewusst ignorierend, lächelte er seinen Bruder an. „Ich wusste gar nicht, dass ihr Freunde seid.“

„Genau genommen haben wir uns ein paar Jahre nicht gesehen“, antwortete Pavlos. „Nicht seit dem Sommer damals.“

„Ich denke mal, dieser Sommer ist einer, an den sich keiner von uns besonders gern erinnert“, erwiderte Ariston und beobachtete mit Genugtuung, wie sich Keeleys Wangen tiefrot färbten. „Habt ihr seitdem die ganze Zeit über den Kontakt zueinander gehalten?“

„Über soziale Medien halt“, erklärte Pavlos schulterzuckend. „Du weißt ja, wie das ist.“

„Nein, das weiß ich nicht. Du kennst meine Meinung über die sozialen Medien, und die ist alles andere als positiv.“ Ariston machte keinerlei Anstalten, seine Missbilligung zu verbergen. „Ich muss mit dir sprechen, Pavlos. Allein.“

Pavlos runzelte die Stirn. „Wann?“

„Jetzt.“

„Aber ich habe Keeley gerade erst getroffen. Kann das nicht warten?“

„Leider nicht.“ Ariston bemerkte den entschuldigenden Blick, den Pavlos Keeley zuwarf, als wolle er sie für das eigensinnige Verhalten seines Bruders um Verzeihung bitten. Aber das kümmerte ihn nicht. Er hatte stets alles darangesetzt, Pavlos von solchen Skandalen fernzuhalten, die ihre Familie in der Vergangenheit ins Elend gestürzt hatten. Sein Bruder sollte nicht denselben jämmerlichen Weg einschlagen wie sein Vater. Ariston hatte dafür gesorgt, dass Pavlos ein gutes Internat in England besucht hatte und dann zum Studieren in die Schweiz gegangen war. Außerdem hatte er behutsam Einfluss auf die Wahl seiner Freunde und Freundinnen genommen. Und er würde diesem hübschen kleinen Flittchen klarmachen, dass sein Bruder tabu war. „Es geht um etwas Geschäftliches“, erklärte er.

„Nicht schon wieder Ärger am Golf?“

„Etwas in der Art“, antwortete Ariston und fragte sich verärgert, warum sein Bruder sich nicht an die Regel hielt, dass geschäftliche Angelegenheiten nicht vor Fremden besprochen wurden. „Wir können in das Büro der Galerie gehen“, fügte er hinzu. „Der Besitzer ist ein Freund von mir.“

„Aber Keeley …“

„Um Keeley brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Die kommt sicher gut alleine klar. Hier gibt es ja einiges für sie zu gucken.“ Mit einem unterkühlten Lächeln wandte Ariston sich ihr zu und fuhr mit warnendem Unterton fort: „Und jede Menge Männer, die meinen Bruder gern ersetzen werden. Just in diesem Moment gucken ein paar davon gerade her. Ich bin sicher, dass du viel Spaß mit ihnen haben könntest, Keeley. Du brauchst uns wirklich nicht länger aufzuhalten.“

Keeley erstarrte. Sie wünschte, ihr wäre eine passende vernichtende Erwiderung eingefallen, die sie dem mächtigen Griechen hätte entgegenschleudern können, der sie so missbilligend ansah und mit ihr redete, als wäre sie ein billiges Flittchen. Doch sie traute sich nicht, etwas zu sagen, weil sie fürchtete, dass sie nur Unsinn herausbringen würde. Das lag an der Wirkung, die er auf sie hatte. Die er auf alle Frauen hatte. Selbst wenn er voller Geringschätzung mit ihnen sprach – oder sollte man sagen: zu ihnen sprach? –, löste er ein Verlangen in ihnen aus, das man in Gegenwart der meisten anderen Männer nicht empfand. Er brachte einen dazu, von ihm zu träumen, obwohl er nichts als Finsternis ausstrahlte.

Ihr war nicht entgangen, wie ihre eigene Mutter ihn angestarrt hatte. Und sie sah die Blicke der anderen Frauen in der Galerie, die ihn jetzt ansahen – voller Verlangen, aber auf der Hut, als würden sie ein fremdartiges Wesen beobachten, von dem sie nicht wussten, wie man damit umging. Als wäre ihnen klar, dass sie besser die Finger von ihm ließen, während sie sich weiterhin danach sehnten, ihn zu berühren.

Und das konnte sie ihnen nicht zum Vorwurf machen. Hatte sie sich nicht selbst an ihn herangeschmissen? Sie hatte sich an ihn gedrängt und gehofft, dass er das Verlangen stillen würde, das sie peinigte. Wie ein dummes Naivchen hatte sie sich benommen und die unangenehme Situation noch schlimmer gemacht, als sie ohnehin schon gewesen war, indem sie eine simple Geste von ihm missverstanden hatte.

Nach ihrer letzten Begegnung war ihr Leben aus den Fugen geraten, und sie hatte sich davon noch immer nicht ganz erholt. Keeley kniff die Lippen zusammen. Sie hatte zu viel durchgestanden, um sich von einem arroganten Milliardär runtermachen zu lassen. Wahrscheinlich sollte sein spöttischer Blick sie dazu bringen, von hier zu verschwinden, doch den Gefallen würde sie ihm nicht tun. In ihr regte sich Widerstand. Dachte er wirklich, dass er sie einfach aus dieser öffentlichen Galerie werfen könnte, wie er sie damals von seiner Privatinsel geworfen hatte?

„Mach dir keine Sorgen um mich. Ich schaue mir gern noch eine Weile die Bilder von Lasia an“, sagte sie und sah, wie sich sein Blick verfinsterte. „Ich hatte ganz vergessen, wie schön die Insel ist, und komme gut alleine klar, bis ihr wiederkommt.“ Sie lächelte. „Ich warte hier auf dich, Pavlos. Lass dir ruhig Zeit.“

Das war eindeutig nicht die Antwort, die Ariston sich gewünscht hatte; sie sah, wie seine attraktiven Züge sich verhärteten.

„Wie du willst“, entgegnete er. „Aber es kann eine Weile dauern.“

Sie erwiderte den kalten Blick seiner blauen Augen mit einem unbekümmerten Lächeln. „Das macht nichts. Ich habe es nicht eilig.“

Er zuckte mit den Schultern. „Schön. Komm, Pavlos.“

Gemeinsam mit seinem Bruder entfernte er sich, und Keeley konnte nicht anders, als ihm hinterherzusehen, genau wie alle anderen Leute in der Galerie.

Sie hatte vergessen, wie beeindruckend er war, weil sie sich gezwungen hatte, ihn zu vergessen; sich gezwungen hatte, die Erinnerung an eine Sinnlichkeit auszuradieren, die sie berührt hatte wie nichts anderes zuvor oder danach. Doch jetzt kam es alles wieder: die sonnenverwöhnte Haut und die schwarzen Härchen, die unter seinem Kragen hervorlugten …

Allerdings hatte er ausgesehen, als würde er sich in seinem erstklassigen grauen Anzug nicht wohlfühlen. Sein durchtrainierter Körper wirkte dadurch eingeschränkt, so, als sei es ihm angenehmer, in abgeschnittenen Jeans herumzulaufen, so wie damals auf Lasia. Jeans, in denen seine muskulösen Schenkel zur Geltung gekommen waren, als er tief in das saphirblaue Wasser eingetaucht war, das seine Insel umgab.

Auf einmal wurde ihr klar, dass es egal war, was er trug und was er sagte, weil sich nichts geändert hatte. Nicht wirklich. Man sah ihn, und man begehrte ihn, ganz einfach. Dass der einzige Mann, den sie je gewollt hatte, ausgerechnet einer sein musste, der kein Geheimnis daraus machte, wie sehr er sie hasste, zeigte wieder einmal, wie gemein das Leben war – als hätte sie das nicht längst gewusst.

Sie riss ihren Blick von Ariston los und versuchte sich auf die Fotografien von der Insel zu konzentrieren, die seit Generationen den Kavakos gehörte. Lasia wurde aus gutem Grund als das Paradies der Kykladen bezeichnet, und Keeley hatte sich tatsächlich wie im Garten Eden gefühlt, sobald sie einen Fuß auf den hellen Sand der Insel gesetzt hatte. Begeistert hatte sie das erstaunlich üppige Inselinnere erkundet, bis ihre Mutter auf Lasia in Ungnade gefallen war, woraufhin sie den Aufenthalt auf der Insel sofort beendet hatten. Nie würde sie das Blitzlichtgewitter und die Horden von Journalisten vergessen, von denen sie empfangen worden waren, als sie von Bord des Bootes gegangen waren, das sie nach Piräus zurückgebracht hatte. Genau wie die Schlagzeilen, als sie nach England zurückgekehrt waren – oder die peinlichen Interviews, die ihre Mutter hinterher gegeben hatte und die alles nur noch schlimmer gemacht hatten. Der Skandal hatte auf Keeley abgefärbt, und sie hatte noch immer darunter zu leiden.

War das nicht der Grund dafür, dass sie heute Nachmittag hergekommen war? War sie nicht hier, um sich mit Pavlos zu treffen und sich daran zu erinnern, wie schön Lasia war? Um endlich einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen? Sie hatte gehofft, ein paar von den scheußlichen Erinnerungen ausradieren und durch schönere ersetzen zu können. In der Zeitung hatte sie ein Bild gesehen, das Ariston auf der Vernissage zeigte, zusammen mit einer Rothaarigen, die wie eine Klette an ihm hing. Keeley hatte nicht damit gerechnet, dass er heute wieder hier sein würde. Sie fragte sich, ob sie gekommen wäre, wenn sie gewusst hätte, dass sie ihm hier begegnen würde.

Natürlich nicht. Nie im Leben hätte sie sich freiwillig in seine Nähe begeben!

„Keeley?“

Sie wandte sich um; Pavlos war wieder da. Ariston stand ein Stück hinter ihm und lächelte triumphierend, als ihre Blicke sich trafen.

„Hallo“, sagte sie zu Pavlos und spürte, wie ihr ganz heiß wurde von Aristons durchdringendem Blick. „Das ging ja schnell.“

Ein reumütiger Ausdruck huschte über Pavlos’ Gesicht, und Keeley ahnte, was jetzt kommen würde …

„Ja, stimmt. Hör mal, ich muss leider weg, Keeley“, sagte er. „Wir müssen unser Treffen auf ein andermal verschieben. Ariston braucht mich; ich muss mich um ein Schiff im Nahen Osten kümmern.“

„Was, jetzt?“, fragte Keeley, bevor sie sich eines Besseren besinnen konnte.

„Genau jetzt“, sagte Ariston und fügte hinzu: „Hätten wir dich vorher um Erlaubnis fragen sollen?“

Pavlos beugte sich lächelnd vor, um sie auf beide Wangen zu küssen. „Ich schicke dir nachher eine Nachricht, okay?“

„Okay.“ Sie stand da und sah zu, wie er wegging. Ihr war klar, dass Ariston sie noch immer ansah, aber sie wagte nicht, seinen Blick zu erwidern. Stattdessen versuchte sie krampfhaft, sich auf die Fotografie zu konzentrieren, die sie gerade angesehen hatte. Sie zeigte eine Bucht, in der man Meeresschildkröten ausmachen konnte, die in kristallklarem Wasser schwammen. Vielleicht würde er weggehen. Und sie in Ruhe weiter daran arbeiten lassen, ihn wieder zu vergessen.

„Ich bin mir nicht ganz sicher, ob du meine Anwesenheit nicht bemerkst“, sagte er mit seiner samtigen Stimme, „oder ob es dir einfach nur Spaß macht, mich zu ignorieren.“

Er war näher gekommen und hatte sich neben sie gestellt. Als Keeley zu ihm aufsah und den durchdringenden Blick seiner leuchtend blauen Augen auf sich gerichtet fand, stieg ihr das Blut in den Kopf. Und in die Brüste. Sie spürte, wie sie schwer und empfindlich wurden. Ihr Mund war plötzlich trocken. Wie machte Ariston das? Ihre Finger fühlten sich taub an, und ihr war ein wenig schwindelig. Trotzdem brachte sie es irgendwie fertig, eine einigermaßen schlagfertige Antwort von sich zu geben. „Wieso? Bemerken es immer alle Frauen, wenn du einen Raum betrittst?“

„Was meinst du denn?“

In diesem Moment wurde Keeley klar, dass sie bei diesem Spiel nicht mitmachen musste. Sie hatte nichts mit diesem Mann zu tun. Also musste sie aufhören, sich zu benehmen, als hätte er Macht über sie. Ja, sie hatte einen Fehler gemacht – na und? Das war lange her. Sie war jung und naiv gewesen, hatte dafür gebüßt und war ihm nichts schuldig. Nicht einmal Höflichkeit.

„Willst du es wirklich wissen?“ Sie lachte spöttisch. „Ich meine, dass du unglaublich unhöflich und arrogant und der aufgeblasenste Mann bist, dem ich je begegnet bin.“

„Und dir sind ja wohl schon einige Männer begegnet.“

„Sicher nicht annähernd so viele, wie du Frauen abgeschleppt hast, wenn man dem glauben kann, was man in der Zeitung liest.“

„Kann schon sein. Aber wenn du mir mit Zahlen kommst, kannst du nicht gewinnen.“ Seine Augen glitzerten. „Hat man dir nie gesagt, dass da für Männer und Frauen verschiedene Regeln gelten?“

„Nur in der rückständigen Welt, in der du zu leben scheinst.“

Ariston zuckte mit den Schultern. „Es ist eben so, auch wenn es ungerecht ist. Bei Frauen missbilligt man ein Verhalten, an dem sich bei Männern keiner weiter stört.“

Er hatte die Stimme gesenkt, und das samtene Raunen hatte genau die falsche Wirkung auf Keeley. Sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg, und wollte so schnell wie möglich weg von ihm. „Lass mich bitte vorbei“, sagte sie, um eine ruhige Stimme bemüht. „Ich muss mir dieses steinzeitliche Gequatsche nicht länger anhören.“

„Stimmt, das musst du nicht“, antwortete er, doch er hinderte sie am Weggehen, indem er eine Hand auf ihren Unterarm legte. „Aber bevor du gehst, möchte ich gern ein paar Dinge klären.“

„Was für Dinge?“

„Ich denke, du weißt, wovon ich spreche, Keeley.“

„Ich fürchte, da irrst du dich“, erwiderte sie. „Gedankenlesen war noch nie meine Stärke.“

Ariston sah sie scharf an. „Dann muss ich es dir wohl ganz deutlich sagen, damit es keine Missverständnisse gibt.“ Er hielt kurz inne. „Lass die Finger von meinem Bruder, verstanden?“

Keeley starrte ihn ungläubig an. „Wie bitte?“

„Du hast ganz richtig gehört. Lass ihn einfach in Ruhe. Such dir einen anderen, dem du schöne Augen machen kannst – sicher gibt es genügend Interessenten.“

Seine Hand ruhte noch immer auf ihrem Arm. Für Außenstehende musste es aussehen wie eine freundschaftliche Berührung zweier Menschen, die einander wiedergetroffen hatten, aber für Keeley fühlte es sich nicht so an. Sie spürte den Druck seiner Finger durch ihren Pullover, und ihre Haut glühte unter seiner Berührung.

Verärgert schüttelte sie seine Hand ab. „Ich fasse es nicht, dass du es tatsächlich wagst, mir so etwas zu sagen.“

„Warum nicht? Es ist nur zu seinem Besten.“

„Willst du damit sagen, dass du regelmäßig herumgehst und Pavlos’ Freunde vergraulst?“

„Bislang habe ich mich damit begnügt, ein wachsames Auge auf sie zu haben, aber heute wollte ich auf Nummer sicher gehen.“ Er lächelte ironisch. „Ich kenne deine Trefferquote bei Männern ja nicht, aber ich nehme mal an, dass sie ziemlich hoch ist. Jedenfalls denke ich, dass ich deine etwaigen Hoffnungen besser zunichtemache, indem ich dir sage, dass Pavlos schon eine Freundin hat. Eine schöne, respektable Frau, die er sehr liebt und bald heiraten wird.“ Seine Augen funkelten. „Also würde ich an deiner Stelle keine weitere Zeit mit ihm verschwenden.“

Es erstaunte Keeley, wie herrisch er selbst in dieser Angelegenheit war. Er benahm sich, als würden alle springen, wenn er mit den Fingern schnippte. „Hat er da nicht auch ein Wörtchen mitzureden?“, fragte sie. „Hast du schon den Verlobungsring ausgesucht? Und einen Termin für die Trauung angesetzt?“

„Halt dich einfach von ihm fern, verstanden?“

Nun war es so, dass Keeley nie romantische Gefühle für Pavlos Kavakos gehegt hatte. Sie waren damals eng befreundet gewesen, aber rein platonisch, und sie hatte ihn seit Jahren nicht gesehen. Ihre gegenwärtige Freundschaft – wenn man das überhaupt so nennen konnte – bestand daraus, dass sie ab und zu den „Like“-Button oder einen Smiley drückte, wenn er ein Bild postete, das ihn inmitten von schönen jungen Menschen zeigte. Ihn heute wiederzusehen, war wohltuend gewesen, weil ihr klar geworden war, dass ihm egal war, was damals passiert war. Aber ihr war bewusst, dass sie in grundverschiedenen Welten verkehrten: Er war reich – sie nicht. Sie hatte nicht gewusst, dass er eine Freundin hatte, und es hatte keine Bedeutung für sie, aber Aristons anmaßender Befehl wirkte wie ein rotes Tuch auf sie.

„Ich lasse mir von niemandem sagen, was ich zu tun oder zu lassen habe“, sagte sie. „Von dir nicht und auch von niemand anderem. Du kannst die Leute nicht wie Schachfiguren herumschieben. Ich treffe mich mit wem ich will, da kannst du machen, was du willst. Wenn Pavlos mich sehen will, werde ich nicht Nein sagen, nur weil du das so willst. Verstanden?“

Keeley sah seinen erst ungläubigen und dann wütenden Gesichtsausdruck – als würde es kein Mensch wagen, ihm so offen zu widersprechen. Sie versuchte, das ungute Gefühl beiseitezuschieben, das sie beschlich. Nun hatte sie ihm die Meinung gesagt und musste schleunigst hier weg, bevor sie anfing, darüber nachzudenken, wie es sich angefühlt hatte, von ihm berührt zu werden.

Sie wandte sich ab und verließ unter Aristons durchdringendem Blick die Galerie. Der gläserne Aufzug war zwar schnell da, dennoch zitterte Keeley am ganzen Körper, als sie ins Erdgeschoss hinuntersauste. Und als sie in die Londoner Luft hinaustrat, war ihre Stirn feucht.

2. KAPITEL

Während der Rückfahrt zu ihrer Wohnung in New Malden dachte Keeley unablässig daran, wie unverhohlen geringschätzig Ariston sich ihr gegenüber verhalten hatte. Doch das hatte ihre Brustwarzen nicht davon abgehalten, sich unter seinem arroganten Blick aufzurichten. Es hatte auch nichts daran geändert, dass sie jedes Mal, wenn sie in seine leuchtend blauen Augen gesehen hatte, von dieser dummen Sehnsucht gepackt worden war. Und nun musste sie von Neuem versuchen, ihn endgültig zu vergessen.

Als sie den Bahnhof verließ, wurde sie von einem Frühlingsschauer überrascht. Das Wetter im April war berühmt für seine Unberechenbarkeit, aber Keeley hatte es versäumt, einen Schirm mitzunehmen. Als sie endlich in ihrer Wohnung ankam, war sie klatschnass und durchgefroren; ihre Finger zitterten, als sie die Tür hinter sich zuzog. Doch statt sich auszuziehen und eine Tasse Tee zuzubereiten, ließ sie sich auf den erstbesten Stuhl fallen und kümmerte sich nicht weiter um ihre klammen Klamotten. Sie starrte aus dem Fenster, doch sie bemerkte den Regen kaum, der auf die Dächer prasselte. Auf einmal saß sie nicht mehr zitternd in einem unscheinbaren Außenbezirk Londons. Sie sah einen breiten, silbrigen Strand und dahinter schöne Berge. Einen paradiesischen Ort. Lasia.

Keeley schluckte. Auf diesen plötzlichen Ansturm der Erinnerungen war sie nicht vorbereitet gewesen. Sie dachte an ihre Zeit auf Lasia zurück, auf der Privatinsel der mächtigen Kavakos-Familie. Sie und ihre Mutter hatten auf der nahe gelegenen Insel Andros Urlaub gemacht. Ihre Mutter hatte den gesamten Aufenthalt lang über die – damals erst kurz zurückliegende – Scheidung von Keeleys Vater gejammert und versucht, ihren Kummer mit zu viel Retsina wegzuspülen.

Doch Aristons Vater war einer jener Männer gewesen, die sich von Promis angezogen fühlten, selbst wenn es nur B-Promis waren. Und als er gehört hatte, dass sie Schauspielerin und ihre jugendliche Tochter in der Nähe war, hatte er darauf bestanden, dass die beiden ihren Urlaub auf seiner Privatinsel fortsetzten.

Keeley war es unangenehm, sich fremden Leuten aufzudrängen, aber ihre Mutter freute sich über die kostenlose Aufwertung des Urlaubs, zumal sie das Zusammentreffen mit so vielen reichen und mächtigen Männern kaum erwarten konnte. Sie legte eine Extraschicht Kriegsbemalung auf und zwängte sich in einen Bikini, der für eine Frau ihres Alters viel zu knapp war.

Keeley wollte mit der Feierei des Jetsets nichts zu tun haben – das Partyleben fand sie langweilig. Trotz ihres zarten Alters hatte sie längst genug von den dekadenten Festen, zu denen ihre Mutter sie geschleppt hatte, seitdem Keeley laufen konnte. Die künstlich verlängerte Mädchenhaftigkeit ihrer Mutter trug dazu bei, dass sich Keeley, trotz der ihr lästigen sehr weiblichen Figur, eher burschikos gab.

Wie sehr freute sie sich, als sie dem sportlichen Pavlos begegnete, mit dem sie sich von Anfang an hervorragend verstand. Der griechische Teenager brachte ihr in den kristallklaren Buchten das Schnorcheln bei und ging mit ihr in den Bergen wandern. Körperlich fühlte sie sich nie zu ihm hingezogen, weil sie – wie so viele Kinder, deren Eltern ein ausschweifendes Leben führten – eher prüde war. Keeley empfand nie auch nur einen Anflug von Verlangen, und der Gedanke an Sex war ihr eher unangenehm. Sie und Pavlos waren wie Geschwister und erkundeten gemeinsam die Insel.

Dann kam eines Morgens sein großer Bruder Ariston mit seinem glänzenden Boot an. Mit seinem zerzausten schwarzen Haar, der sonnengebräunten Haut und den meerblauen Augen sah er hinter dem Steuer aus wie ein griechischer Gott. Keeley beobachtete ihn vom Strand aus, und ihr Herz klopfte ungewohnt heftig. Ihr Mund wurde trocken, als er in den Sand sprang und die silbernen Körnchen wie Weihnachtsglitter um seine braunen Beine stoben.

Später wurde sie ihm vorgestellt, doch sie war in seiner Gegenwart so befangen, dass sie ihm kaum in die Augen sehen konnte – im Gegensatz zu den anderen Frauen, die dort das Leben genossen. Es war Keeley ungeheuer peinlich, wie ihre Mutter mit ihm flirtete – sie bat ihn sogar, ihren Rücken mit Sonnenmilch einzucremen. Mit einem kaum wahrnehmbaren Schaudern übertrug er die Aufgabe einer weiblichen Hausangestellten, und Keeleys Mutter schmollte.

Eines Abends fand eine Party statt – ein rauschendes Fest, zu dem auch der griechische Verteidigungsminister eingeladen war. Ariston machte ein missbilligendes Gesicht, als die Leute immer betrunkener wurden. Keeley fragte sich, wohin ihre Mutter verschwunden war, und musste dann erfahren, dass sie beim Rummachen mit dem Fahrer des Ministers erwischt worden war. Dabei, wie sie einen Mann, der halb so alt war wie sie, auf dem Rücksitz des Dienstwagens oral befriedigt hatte. Irgendwer hatte das Ganze sogar gefilmt! Danach war dann der Teufel los.

Keeley flüchtete sich an den Strand. Sie schämte sich so sehr für ihre Mutter, dass sie niemanden sehen wollte, erst recht nicht den Ekel in den Gesichtern der Leute. Stattdessen wollte sie einfach nur allein sein. Doch Ariston folgte ihr und fand sie weinend am Strand. Seine Worte waren überraschend freundlich, fast zärtlich. Er nahm sie in die Arme, und es fühlte sich himmlisch an!

Ob Keeley dieses Trösten als etwas anderes missdeutete, weil sie von ihrer Mutter nie körperliche Zuwendung bekommen hatte? Weil ihr Vater, als sie klein gewesen war, selbst schon zu alt gewesen war, um sie in den Armen zu wiegen? War das der Grund dafür, dass dieses Verlangen, das sie bis dahin nicht gekannt hatte, Besitz von ihr ergriff und sie dazu brachte, sich so zu verhalten wie nie zuvor?

Es war so stark, dieses Gefühl. Sie schmiegte sich an Ariston und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn mit bebenden Lippen zu küssen. Nach kurzem Zögern erwiderte er ihren Kuss, und es fühlte sich wundervoll an. Es wurde noch besser, als er sie mit mehr Nachdruck küsste. Er stupste ihre Lippen mit seiner Zunge an, woraufhin sie den Mund leicht öffnete, um ihm Zugang zu gewähren.

Und dann spürte sie seine Hände auf ihren Brüsten; er liebkoste ihre Brustspitzen, die sich aufrichteten, bevor er ihre Hand in Richtung seiner Hose führte. Sie verspürte keinerlei Scheu, nur die Heftigkeit ihrer und seiner Lust. Keeley stöhnte und staunte darüber, wie hart er sich durch den Stoff seiner Hose anfühlte. Sie war so besinnungslos vor Lust, dass sie ihn wohl hätte machen lassen, was er wollte – auf der Stelle, auf dem hellen Sand.

Doch dann stieß er sie unvermittelt weg, mit einem Blick, den sie nie vergessen würde.

„Du kleines Flittchen“, sagte er mit vor Wut und Ekel bebender Stimme. „Wie die Mutter, so die Tochter. Zwei dreckige, kleine Flittchen.“

Bis zu diesem Moment war ihr nicht klar gewesen, wie weh Zurückweisung tun konnte. Und dass jemand einem das Gefühl geben konnte, so wertlos zu sein. Sie hatte sich endlos geschämt und sich geschworen, sich nie wieder in eine solche Situation zu bringen.

Der Schmerz darüber war schnell von alldem überschattet worden, was passiert war, nachdem sie nach England zurückgekehrt waren und der Lebenswandel ihrer Mutter sie eingeholt hatte – unter dem sie fortan beide zu leiden gehabt hatten.

Sie schob die düsteren Erinnerungen beiseite, denn ihr Haar war noch immer nass, und sie begann zu frieren. Also raffte sie sich auf und ging in ihr kleines Bad. Der kümmerliche Strahl lauwarmen Wassers, der aus der Dusche tröpfelte, wärmte sie kaum auf. Doch das kräftige Abrubbeln mit einem Handtuch half, genau wie die große Tasse Tee, die sie sich anschließend aufbrühte.

Kurz nachdem sie ihre Uniform angezogen hatte, hörte sie es an der Tür klopfen und runzelte die Stirn. Ihr Freundeskreis war klein, weil sie so viel arbeitete, und abgesehen davon lud sie kaum jemanden zu sich ein. Sie wollte nicht, dass Leute herkamen und über sie urteilten. Sich fragten, wie es kam, dass die einzige Tochter eines wohlhabenden Mannes und einer Schauspielerin, die in einer Reihe von Low-Budget-Vampirfilmen im Kino zu sehen gewesen war, unter so dürftigen Bedingungen lebte.

Als es noch einmal klopfte, diesmal lauter, öffnete sie die Tür. Als sie sah, wer dort stand, beschleunigte sich ihr Herzschlag. Den Türgriff fest umklammert, starrte sie in Aristons funkelnde Augen. Sein schwarzes Haar war nass und klebte ihm am Kopf, auch sein Mantel war durchweicht. Sie wusste, dass sie ihn zum Teufel schicken und ihm die Tür vor der Nase hätte zuschlagen müssen, doch seine gebieterische Präsenz und diese magische Anziehung, die er auf sie ausübte, ließen sie zögern. Wie gut er aussah, mit seinem durchtrainierten Körper und diesem klassischen griechischen Gesicht!

„Was willst du hier?“, fragte sie kühl. „Willst du noch ein paar Beleidigungen loswerden?“

Seine Lippen verzogen sich zu einem seltsamen Lächeln. „Ich glaube, du hast das hier bei der Ausstellung verloren.“

Sie starrte den cremefarbenen Schal an, den er ihr entgegenhielt, und ihr Herz zog sich zusammen. Der zarte, mit winzigen rosa Blüten und grünen Blättern bestickte Kaschmirschal hatte ihrer Mutter gehört. Inzwischen war er ausgeblichen und fadenscheinig, aber er erinnerte sie an die Frau, die ihre Mutter einmal gewesen war. Als sie zu Ariston aufsah, hatte sie einen Kloß im Hals. „Woher weißt du, wo ich wohne?“, fragte sie.

„Es war nicht schwer, das herauszufinden. Du hast dich in das Gästebuch der Galerie eingetragen.“

„Aber du hättest mir den Schal nicht persönlich bringen müssen. Hättest du nicht einen deiner Untergebenen bitten können, ihn mir zurückzubringen?“

„Hätte ich. Aber es gibt gewisse Dinge, die ich nicht gern delegiere.“ Er sah ihr in die Augen. „Außerdem glaube ich, dass wir unsere Unterhaltung noch nicht beendet haben.“

Das hatten sie wohl nicht, aber es gab eine Menge Dinge zwischen ihnen, die ungesagt geblieben waren – vielleicht war das auch besser so. Trotzdem hinderte irgendetwas sie daran, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Vielleicht war es der Umstand, dass er sich extra auf den Weg gemacht hatte und nun so nass war.

Spürte er ihr Zögern? War das der Grund dafür, dass er einen Schritt näher kam?

„Willst du mich nicht hineinbitten?“, fragte er.

„Komm rein, wenn du unbedingt willst“, antwortete sie leidenschaftslos, doch ihr Herz klopfte wie verrückt, als sie in ihre Wohnung zurückging und hörte, wie er die Tür schloss und ihr folgte. Und als sie sich umdrehte und ihn da so männlich stehen sah, wurden ihre Brüste heiß und schwer vor Verlangen. Warum er? fragte sie sich verzweifelt. Warum musste ausgerechnet Ariston Kavakos der einzige Mann sein, der so heftige Gefühle in ihr auslöste? Sie lächelte knapp. „Aber falls du hergekommen bist, um dein überhebliches Verhalten zu rechtfertigen, dann vergiss es lieber.“

„Wovon sprichst du?“, fragte er harmlos.

„Ich spreche davon, dass du auftauchst und deinen Bruder auf Reisen schickst, nur um ihn von mir wegzubekommen. Ist das nicht ein bisschen übertrieben?“

Seine Züge verhärteten sich. „Wie gesagt – er hat schon eine Freundin. Eine junge Frau griechischer Herkunft, die gerade ihre Zulassung als Ärztin bekommen hat und Lichtjahre von jemandem wie dir entfernt ist. Abgesehen davon ist die Angelegenheit am Golf wichtig. Du misst dir selbst zu viel Bedeutung zu, wenn du meinst, ich würde irgendwelche Katastrophen erfinden, nur um meinen Bruder von dir fernzuhalten. Aber ich kann nicht leugnen, dass ich froh darüber bin, dass er abgereist ist.“

Seine Worte verletzten sie, und doch konnte sie seine Sorge – zu der kein Anlass bestand – beinah verstehen, denn sie und Pavlos’ Freundin hätten nicht unterschiedlicher sein können. Keeley konnte sich vorstellen, wie Ariston es auf seine vereinfachende und chauvinistische Art sehen musste: die approbierte Ärztin gegen eine Person, die gerade mal so ihren Abschluss geschafft hatte. Wäre er die Sache anders angegangen, hätte er sie freundlich gebeten, dann hätte Keeley vielleicht getan, was er von ihr erwartete. Vielleicht hätte sie ihm versprochen, Pavlos nie wieder zu treffen – was wahrscheinlich ohnehin nicht passieren würde. Aber er bat nicht – er befahl! Und es war weniger sein verächtlicher Blick, der sie wütend machte, als seine Respektlosigkeit. Er tat, als sei sie ein Nichts, als würden ihre Gefühle nicht zählen.

„Wenn du meinst, du könntest mir vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe, dann täuschst du dich“, sagte sie.

Ariston war angespannt. Ihre Auflehnung machte ihn an, und das war das Letzte, was er wollte. Er war unter dem Vorwand hergekommen, ihr den Schal zurückbringen zu wollen, und nun musste er feststellen, dass er sie hatte wiedersehen wollen, auch wenn er sich eingeredet hatte, dass es ihm nur um das Wohl seines Bruders ging. Im Wagen hatte er kurz sein Gesicht in dem weichen Kaschmirschal vergraben und Keeleys blumigen Duft eingeatmet. Er hatte sich gefragt, ob sie den Schal absichtlich vergessen hatte, damit sein Bruder damit zu ihr kam.

War das ihr Plan gewesen? Hoffte sie, dass ihr Sexappeal stärker war als die perfekte Beziehung seines kleinen Bruders?

Er erinnerte sich daran, wie gut sie und Pavlos sich in jenem Urlaub verstanden hatten und dass sie ständig zusammen unterwegs gewesen waren. Sein Bruder hatte Keeley kennengelernt, als er jung und leicht zu beeindrucken gewesen war. Lange bevor er fünfundzwanzig geworden war und auf ein riesiges Vermögen hatte zugreifen können, was die Haltung seiner Mitmenschen ihm gegenüber verändert hatte. Es konnte passieren, dass Pavlos mehr in das Treffen mit der sexy Blondine hineindeutete als da war. Möglicherweise vergaß er darüber die sichere und ruhige Zukunft, die vor ihm lag. Was, wenn Keeley Turner erkannte, dass sie ein Vermögen machen konnte, wenn sie die Sache richtig anging?

Er sah sich in ihrer Wohnung um. Es überraschte ihn, wie sie hier lebte – so sehr, wie ihn seit langer Zeit nichts überrascht hatte. Das hier war nicht nur ein niedriger Lebensstandard, das hier war ein Leben an der Armutsgrenze. Er hatte Pfauenfedern und über den Spiegel drapierte glitzernde Ketten erwartet. Wände voll mit alten Bildern, die den eher zweitklassigen Ruhm ihrer Mutter dokumentierten. Doch hier war nur Ordnung und eine fast schon fade Zweckmäßigkeit zu sehen. Es war extrem sauber. Ob das einfach nur ein cleverer Trick war, um zu zeigen, was für eine gute Hausfrau sie abgeben könnte, falls ein reicher und mächtiger Mann sie hier herausholen würde?

Ariston hatte sich wirklich bemüht, sie nicht anzusehen, weil das sein Verlangen nur verstärkt hätte, und man konnte klarer denken, wenn einem nicht ganz heiß war vor Erregung. Als er sie nun schließlich doch betrachtete, fiel ihm auf, dass sie eine Art Uniform trug. Sie war doch wohl keine Krankenschwester? Er sah das formlose dunkelblaue Kleid mit den hellblauen Paspeln genauer an und bemerkte ein kleines Abzeichen, das unter dem Schriftzug Super Save eine Sonne und etwas, das aussah wie eine Hähnchenkeule, zeigte. Nein, sie war definitiv keine Krankenschwester. „Arbeitest du im Supermarkt?“

Nach kurzem Zögern hob sie trotzig das Kinn, was ihren Mund sehr verlockend aussehen ließ.

„Ja, ich arbeite im Supermarkt“, antwortete sie.

„Warum?“

„Warum nicht?“, fragte sie verärgert zurück. „Irgendjemand muss es ja machen. Was dachtest du denn, wie die Ware in die Regale kommt? Lass mich raten – du kaufst gar nicht selbst ein, oder?“

„Du räumst Regale ein?“, fragte er ungläubig.

Keeley atmete tief durch. Wäre er ein anderer gewesen, hätte sie ihm die Wahrheit über ihre Mutter und den ganzen Rest der traurigen Geschichte erzählt, die dazu geführt hatte, dass sie so viele Stellen hatte aufgeben müssen, dass der Supermarkt schließlich ihre letzte Rettung gewesen war. Vielleicht hätte sie ihm erzählt, dass sie sich bemühte, all die verlorenen Jahre des Herumtingelns zu kompensieren, indem sie jede freie Minute ihrem Onlinestudium der Wirtschaftslehre und Buchhaltung widmete. Vielleicht hätte sie ihm sogar von der Hoffnungslosigkeit erzählt, die sie empfand, wenn sie ihrer Mutter den wöchentlichen Besuch abstattete. Wenn sie Vivienne Turners leeren Blick sah, wenn sie dieses einst so lebendige Gesicht sah, das zu einer starren Maske geworden war. Wenn ihre Mutter sie zum x-ten Mal nicht wiedererkannte.

Als Keeley an das unangenehme Gespräch dachte, das sie letzte Woche mit der Leiterin des Pflegeheims geführt hatte, schloss sie die Augen. Man hatte ihr gesagt, dass die Kosten stiegen und der Wohlfahrtsstaat eben nur einen gewissen Anteil davon tragen konnte. Als sie dagegen Einspruch erhoben hatte, dass man ihre Mutter in ein riesiges, kasernenartiges Pflegeheim verlegen wollte, das zwar billiger, aber auch meilenweit entfernt war, hatte man ihr gesagt, dass man gegen die wirtschaftlichen Gegebenheiten eben nichts machen könne.

Aber es war nicht davon auszugehen, dass der mutmaßlich kaltherzige Ariston Kavakos sich auch nur annähernd für ihre Probleme interessierte. Der arrogante Milliardär war eindeutig entschlossen, nur das Schlechteste über sie zu denken, und Keeley bezweifelte, dass sich daran etwas ändern würde, wenn sie ihm ihre rührselige Geschichte anvertraute. Pavlos tat ihr leid. Wie schrecklich, einen so bevormundenden Bruder zu haben, der einem nicht einmal die Freiheit zugestand, sich seine Freunde selbst auszusuchen. Der attraktive Grieche, der vor ihr stand, war ein gestörter Größenwahnsinniger.

„Ja, ich räume Regale ein“, antwortete sie ruhig. „Hast du ein Problem damit?“

Ariston wollte ihr sagen, dass er ausschließlich ein Problem mit ihr hatte. Mit ihrer sinnlichen Ausstrahlung, an der auch ihr hässlicher Aufzug nichts ändern konnte. Vielleicht lag es daran, dass er sie in dem Bikini gesehen hatte, der sich klatschnass an ihre weiblichen Kurven geschmiegt hatte. Vielleicht lag es daran, dass er wusste, was für ein toller Körper sich unter der weit sitzenden Uniform verbarg. Möglicherweise war das der Grund dafür, dass er so erregt war. Gleichzeitig war er geschockt zu sehen, unter was für bescheidenen Bedingungen sie lebte. Anscheinend war sie weniger gut darin als ihre Mutter, reiche Männer auszunehmen, sonst hätte sie nicht in einer so winzigen Wohnung gelebt und im Supermarkt gearbeitet.

Offenbar war sie pleite und damit eine unkalkulierbare Gefahr. Hätte er sich keine Sorgen um Pavlos machen müssen, wäre Ariston jetzt einfach gegangen, um nicht weiter gegen das Verlangen ankämpfen zu müssen, sie zu küssen. Er hätte das heiße Topmodel angerufen, mit dem er auf der Fotoausstellung gewesen war, um sich mit ihr zu vergnügen. Doch ärgerlicherweise erschien sie ihm im Vergleich zu Keeley in ihrer formlosen Uniform auf einmal langweilig.

Ob es an Keeleys wütend blitzenden grünen Augen und ihren vor Empörung zitternden Lippen lag, dass er sie besitzen und unterwerfen wollte? Oder war es, weil er seinen Bruder vor jemandem wie ihr schützen wollte?

Er hatte Pavlos losgeschickt, damit er sich um eine revoltierende Crew kümmerte, aber sobald die Angelegenheit geklärt wäre, würde sein Bruder zurückkommen. Und woher sollte Ariston wissen, was die beiden trieben, wenn er ihnen den Rücken kehrte? Er konnte sie nicht voneinander fernhalten, egal, wie mächtig er war. Und dann konnte es passieren, dass die blonde Schönheit seinen Bruder auf Abwege lockte, trotz der netten jungen Frau, die in Melbourne auf ihn wartete.

Plötzlich kam ihm eine Idee. Es gab eine verblüffend einfache Lösung. Denn hatten nicht alle Männer ein Revierverhalten – vor allem die Kavakos-Männer? Er und Pavlos hatten das Teilen nicht gelernt. Sie hatten weder ihr Spielzeug geteilt noch ihre Gedanken – und ihre Frauen schon gar nicht. Dafür hatte der Altersunterschied zwischen ihnen ebenso gesorgt wie die trostlosen und unsteten Umstände ihrer Kindheit. Wie wäre es, wenn er sie verführte, bevor sein Bruder die Gelegenheit dazu bekam? Pavlos war sicher nicht an Frauen interessiert, die sein großer Bruder schon gehabt hatte. Also wäre das eine wirksame Methode, dafür zu sorgen, dass Keeley für immer aus Pavlos’ Leben verschwand.

Ariston schluckte. Und vielleicht konnte er sie so endlich aus seinem Kopf verbannen. Denn sie war nie ganz daraus verschwunden, und die Erinnerung an damals war immer wieder aufgeflammt. Sie war die einzige Frau, die er geküsst hatte, ohne hinterher mit ihr zu schlafen, und vielleicht konnte er sein Bedürfnis nach Perfektion und Vollständigkeit befriedigen, indem er dieses Versäumnis nachholte.

Er sah sich in ihrem dürftigen Zuhause um. Betrachtete die dünnen Vorhänge vor dem auf die verregnete Straße hinausgehenden Fenster und den zerschlissenen Teppich auf dem Boden. Und er erkannte, dass es ganz einfach wäre. Das war es immer, wenn man Frauen gegenüber das Thema Geld aufbrachte. Verbittert dachte er an den Handel zurück, der sein Schicksal besiegelt hatte, als er noch ein Kind gewesen war. „Brauchst du Geld?“, fragte er. „Ich glaube, du brauchst welches.“

„Du bietest mir Geld, damit ich mich von deinem Bruder fernhalte? Ist das dein Ernst?“ Sie starrte ihn an. „Nennt man so etwas nicht Erpressung?“

„Ich biete dir Geld, damit du für mich arbeitest. Mehr Geld, als du dir je hast träumen lassen.“

„Willst du damit sagen, dass du einen eigenen Supermarkt hast und einen eigenen Regalbestücker brauchst?“, fragte sie spöttisch.

Er verkniff sich ein Lächeln und sah sie ernst an. „Ich habe vorerst nicht vor, mich im Einzelhandel zu betätigen, nein“, antwortete er trocken. „Aber ich habe eine eigene Insel, auf der ich gelegentlich Gäste empfange. Ich fliege morgen zurück, weil ich Vorbereitungen für ein Dinner treffen muss.“

„Das ist schön für dich. Aber ich wüsste nicht, was das mit mir zu tun haben könnte. Soll ich dir dazu gratulieren, dass du so viele Freunde hast? Obwohl es mir schwerfällt zu glauben, dass du überhaupt Freunde hast.“

Ariston spürte den Puls in seiner Schläfe pochen. So mutige und freche Reaktionen war er nicht gewohnt, schon gar nicht von Frauen. Und ihr Verhalten löste in ihm den Wunsch aus, sie an sich zu ziehen und zu küssen. Sie an die Wand zu drängen und sie vor Lust stöhnen zu hören, wenn er seine Finger in ihren Slip gleiten ließ …

Er schluckte. „Ich erzähle dir das, weil es immer Arbeit für entsprechend qualifizierte Personen gibt, wenn auf der Insel viel los ist.“

„Und du meinst, ich bin eine ‚entsprechend qualifizierte Person‘?“

„Es geht“, antwortete er. „Aber ich glaube, du bist knapp bei Kasse.“

„Und ich glaube, im Vergleich zu dir ist so gut wie jeder knapp bei Kasse.“

„Wir reden über deine Lage, Keeley, nicht über meine. Deine Wohnung ist erstaunlich bescheiden.“

Keeley widersprach ihm nicht. „Und?“

„Und ich bin neugierig. Wie ist es dazu gekommen? Wie bist du hierhergekommen, nachdem du in Privatfliegern durch Europa gejettet bist? Deine Mutter muss doch mit ihren diversen Beziehungen zu reichen Männern und den offenherzigen Interviews für die Klatschpresse eine Menge Geld zusammenbekommen haben. Könnte sie da nicht ihre Tochter unterstützen?“

Keeley starrte ihn wütend an. Er hatte keine Ahnung! Aber sie würde ihm nicht sagen, wie es wirklich war. Warum sollte sie auch? Manche Dinge waren zu schmerzhaft, um sie zu erzählen – vor allem einem kalten, gleichgültigen Menschen wie ihm. „Das geht dich nichts an“, antwortete sie.

„Okay. Was auch immer du machst, offenbar funktioniert es nicht. Da wäre ein Zuverdienst doch nicht schlecht, oder?“, fragte er schmeichelnd. „Ein fetter Zuverdienst, der dich aus der Armutsfalle befreit.“

Sie sah ihn argwöhnisch an und versuchte, die Hoffnung im Zaum zu halten, die sich augenblicklich in ihr breitgemacht hatte. „Und was muss ich dafür tun?“

Er zuckte mit den Schultern. „Deine Wohnung ist überraschend sauber und aufgeräumt, also gehe ich davon aus, dass du Erfahrung mit Hausarbeit hast. Genau, wie ich davon ausgehe, dass du einfachen Anweisungen folgen und in der Küche helfen kannst.“

„Und du vertraust mir genug, um mich einzustellen?“

„Ich weiß es nicht. Kann ich das denn?“ Er sah sie durchdringend an. „Ich könnte mir vorstellen, dass Unzuverlässigkeit der Grund für deine Armut ist und dich alltägliche Arbeiten schnell langweilen. Dass dir die Dinge nicht so in den Schoß gefallen sind, wie du es dir erhofft hattest. Habe ich recht, Keeley? Musstest du feststellen, dass du als Schmarotzerin weniger erfolgreich bist als deine Mutter?“

„Fahr zur Hölle“, gab sie verärgert zurück.

„Aber ich vermute, dass du anpacken kannst, wenn die Bezahlung stimmt“, fuhr er fort. „Also, wie wäre es, wenn ich dir für einen Monat eine Stelle als Hausangestellte auf meinem griechischen Anwesen gebe – und die Gelegenheit, genügend Geld zu verdienen, um ein ganz neues Leben anzufangen?“

Ihr Herz klopfte heftig. „Und warum würdest du das tun?“, fragte sie mit heiserer Stimme.

„Du weißt, warum“, antwortete er barsch. „Ich will nicht, dass du in London bist, wenn Pavlos zurückkommt. In zwei Wochen sollte er mit einem Diamantring im Gepäck nach Melbourne fliegen – danach ist mir egal, was du machst. Sehen wir es als eine Art Versicherung. Ich bin bereit, eine hohe Prämie zu zahlen, um dich von meinem Bruder fernzuhalten.“

Keeley hätte ihm gern gesagt, was er mit seinem Angebot machen sollte, doch sie konnte die Stimme in ihrem Hinterkopf nicht ignorieren, die sie beschwor, realistisch zu sein. Konnte sie es sich wirklich leisten, ein solches Angebot auszuschlagen, nur weil sie den Mann, der es machte, verachtete?

„Und? In Versuchung?“, fragte er.

Oh ja, sie war in Versuchung – ihm zu sagen, dass sie noch nie einem so uncharmanten und verletzenden Menschen wie ihm begegnet war. Keeley wurde heiß, als ihr klar wurde, dass er ihr einen Job als eine Art Dienstmädchen anbot. Als jemand, der sich die Hände damit schmutzig machte, ihm und seinen Gästen hinterherzuputzen. Sie würde Gemüse schneiden und sein Bett beziehen, während er am Strand mit seiner aktuellen Geliebten herumturtelte – wahrscheinlich mit der gut aussehenden Rothaarigen, mit der er bei der Vernissage gewesen war. Sie wollte ihm sagen, dass sie lieber verhungern würde, als sein Angebot anzunehmen … doch dann erinnerte sie sich daran, dass das Ganze nicht nur sie allein betraf.

Sie starrte eines der Löcher im Teppich an und dachte an die Kleinigkeiten, die ihrer Mutter das Leben ein wenig versüßen sollten, auch wenn sie nichts davon mitbekam. Die wöchentliche Maniküre und der gelegentliche Friseurbesuch, damit sie ein wenig der Frau ähnelte, die sie einmal gewesen war. Vivienne Turner wusste nichts von dem, was man für sie tat, aber Keeley wusste es. Und es tat ihr in der Seele weh, sich vorzustellen, wie ihre Mutter reagiert hätte, wenn sie geahnt hätte, was für ein Leben sie einmal führen würde.

Aber zum Glück konnte niemand in die Zukunft sehen. Keiner wusste, was vor ihm lag. Und für den Fall, dass ein Angehöriger eines anderen Heimbewohners oder jemand vom Pflegepersonal ihre Mutter als die ehemalige Berühmtheit Vivienne Turner erkannte, wollte Keeley gerne, dass ihre Mutter so gut wie möglich aussah. Sie wusste, wie wichtig das Vivienne gewesen wäre.

Also würde sie es darauf ankommen lassen und sehen, was der große Ariston Kavakos anzubieten hatte. Ob es genug war, um seine Gesellschaft noch länger zu ertragen. „Wie viel bietest du mir dafür?“, fragte sie.

Ariston schluckte sein Missfallen über Keeleys giftigen Tonfall und die Bemerkung, dass sie genauso gierig war wie ihre Mutter, herunter. Wie er sie und alles, wofür sie stand, verachtete! Und doch war seine Abneigung nicht stark genug, um sein Verlangen nach ihr zunichtezumachen. Beim Gedanken an Sex mit Keeley Turner wurde ihm ganz schwindelig vor Erregung. Denn es war unvorstellbar, dass sie nach Lasia kam und nicht mit ihm schlief. Damit würde er einen endgültigen Schlussstrich unter diese Geschichte ziehen. Wenn seine Sehnsucht nach ihr abgekühlt wäre, könnte er sie aus ihrer aller Leben hinausbefördern. Und sie würde genügend Geld erhalten, um zufrieden abzuziehen. Und das Wichtigste war, dass Pavlos sich nie wieder mit ihr treffen würde.

Lächelnd nannte er ihr eine Summe und erwartete, dass sie sich dankbar einverstanden erklären würde, doch sie sah ihn nur mit eisigem Blick an.

„Für das Doppelte bin ich dabei“, sagte sie.

Aristons Lächeln erstarb. Gleichzeitig spürte er, wie seine Lust auf sie stärker wurde, weil ihre Haltung seinen raffinierten Plan nur umso einfacher umsetzbar machte. Jede Frau war käuflich, erinnerte er sich verbittert. Man musste nur den entsprechenden Preis aushandeln. „Abgemacht“, sagte er.

3. KAPITEL

Lasia war genauso schön wie in Keeleys Erinnerung, vielleicht sogar noch schöner. Denn wenn man achtzehn war, glaubte man, dass die schönen Tage nie vorbei sein würden. Man konnte sich nicht vorstellen, dass das Leben so anders verlaufen würde, als man es sich ausgemalt hatte. Sie hatte geglaubt, dass das Geld immer reichen würde. Sie hatte geglaubt …

Nein. Sie sah aus dem Fenster in den blauen Himmel hinaus. Nein, sie würde nicht an damals denken. Jetzt war sie hier, auf dieser wunderschönen Privatinsel, um für Ariston Kavakos zu arbeiten und etwas für ihre arme gebrochene Mutter dazuzuverdienen. Also heftete sie ihren Blick auf den Horizont und ermahnte sich, das Positive zu sehen, nicht das Negative.

An der einzigen Landebahn der Insel hatte ein schicker Wagen auf sie gewartet. Sie war froh, dass er klimatisiert war, denn obwohl es noch früh im Jahr war, brannte die Mittagssonne bereits intensiv. Während des Fluges hatte sie sich gefragt, ob sich wohl jemand von Aristons Personal an sie erinnerte, denn sie fürchtete sich davor, wiedererkannt zu werden. Der Fahrer war zum Glück neu – für sie zumindest – und hieß Stelios.

Keeley war nicht nach Reden zumute, und auch er sprach nicht, während sie auf den Serpentinen durch die Berge fuhren. In Keeley rumorte es aus vielerlei Gründen. Zunächst einmal hatte sie ihren Job im Supermarkt verloren. Ihr Chef hatte ungläubig reagiert, als sie um einen Monat unbezahlten Urlaub gebeten hatte, gemeint, dass sie den Verstand verloren haben müsse, wenn sie derlei Extrawürste erwarte. Dann hatte er ihr gesagt, dass der Job wohl nichts für sie sei, was Keeley schon geahnt hatte. Denn egal, wie sehr sie sich auch bemüht hatte – sie hatte nie ganz dorthin gepasst.

Auch anderswo nicht, wenn sie genauer darüber nachdachte. Und hierher schon gar nicht, auf diese paradiesische Privatinsel, die Wohlstand und Privilegiertheit ausstrahlte, mit den teuren Jachten, die unbekümmert im azurblauen Wasser tanzten. Sie beugte sich vor, um besser sehen zu können, als der Wagen um die letzte Kurve fuhr. Dann rollte er langsam auf den Gebäudekomplex zu, den sie zum letzten Mal mit achtzehn gesehen hatte. Alles sah so anders aus, dass sie verblüfft blinzelte.

Nein, nicht alles. Die Assimenos-Bucht sah genauso aus wie damals.

Die natürliche Bucht mit ihrem silberweißen Sand war schön wie eh und je, doch das große Haus, das früher hier gestanden hatte, war verschwunden. An seiner Stelle befand sich nun ein imposantes Gebäude mit gläserner Fassade. Die transparenten Wände und die gebogenen Fenster spiegelten die verschiedenen Blautöne des Meeres und des Himmels wider, sodass Keeleys erster Eindruck war, dass hier alles sehr blau war. So blau wie Aristons Augen, dachte sie kurz, nur um sich sofort zu ermahnen, dass sie nicht hier war, um von ihm zu träumen.

Und dann, als hätte sie ihn mit ihren Gedanken herbeibeschworen, sah sie den griechischen Magnaten an einem der großen Fenster im ersten Stock des Hauses. So reglos wie eine Statue stand er da und beobachtete sie. Widerwillig spürte sie, wie ein erregter Schauer sie durchlief, als sie zu ihm aufsah. Trotz der schönen Umgebung fiel es ihr schwer, den Blick von ihm loszureißen. Doch er musste ja nicht unbedingt sehen, dass sie ihn anhimmelte wie einen Popstar. Den Fehler hatte sie schon einmal gemacht – und sie wusste, wohin das führte. Jetzt hatte sie die Chance, das wieder wettzumachen, aber das würde nur funktionieren, wenn sie immun gegen ihn und sein Charisma war. Wenn sie ihm zeigte, dass sie nichts mehr von ihm wollte, weil sie nicht auf fiese Milliardäre stand, die einen respektlos behandelten.

Stelios hielt an und öffnete ihr die Tür. Als Keeley ausstieg, konnte sie Zitronen, Pinien und den salzigen Duft des nahen Meeres riechen.

„Das hier ist Demetra“, sagte Stelios, als eine Frau mittleren Alters in einer blendend weißen Uniform auf sie zukam. „Sie ist die Köchin – und sie hat hier das Sagen. Sogar Ariston hört zu, wenn sie spricht. Sie zeigt Ihnen, wo Sie wohnen werden. Sie haben Glück, hier untergebracht zu werden“, fügte er hinzu. „Alle anderen Angestellten wohnen im Dorf.“

Keeley sah ihn überrascht an. „Danke – Sie sprechen ja perfekt Englisch!“

„Einigermaßen, ja. Ich habe eine Weile in London gelebt und bin dort Taxi gefahren.“ Mit unergründlichem Lächeln fügte er hinzu: „Der Chef mag es aber nicht, wenn ich es herumerzähle.“

Das glaubte sie gern. Ein schweigsamer Fahrer, der die Gespräche englischsprachiger Besucher verstand, kam ihm sicher sehr gelegen. Aber ihr war der wohlwollende Ton nicht entgangen, mit dem der Fahrer von Ariston sprach, und sie fragte sich, was der despotische Reeder getan haben mochte, um das zu verdienen.

Aber es war eben so, dass einen alle mochten, wenn man Geld hatte. Die Welt war voll mit Leuten, die sich vom Reichtum locken ließen. Es waren die gleichen Leute, die einen fallen ließen wie eine heiße Kartoffel, wenn das Geld weg war.

Sie lächelte der Köchin entgegen. Es war wichtig, von den Leuten, mit denen sie zusammenarbeiten würde, akzeptiert zu werden und ihnen zu zeigen, dass sie harte Arbeit nicht scheute. „Kalispera, Demetra“, sagte sie und reichte der Köchin die Hand. „Ich bin Keeley. Keeley Turner.“

„Kalispera“, antwortete die Köchin wohlwollend. „Sie sprechen Griechisch?“

„Nur ein paar Wörter“, antwortete Keeley, „aber ich würde gern mehr lernen. Sprechen Sie Englisch?“

„Ja, ein bisschen. Herr Kavakos will, dass alle seine Angestellten Englisch sprechen.“ Sie lächelte. „Wir können uns ja gegenseitig helfen. Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Haus.“

Keeley folgte der Köchin einen schmalen, sandigen Weg in Richtung Strand hinunter, bis sie an ein weiß getünchtes Häuschen kamen. Sie hörte die sich am Strand brechenden Wellen und sah, wie sich die Sonne glitzernd im Wasser spiegelte. Doch trotz der Schönheit der Natur um sie herum konnte sie sich nur an den Aufruhr und das Chaos erinnern. War es nicht da hinten neben den Felsen gewesen, wo Ariston sie in die Arme genommen und geküsst hatte, bevor er sie weggestoßen hatte?

Sie schloss die Augen und spürte, wie sie trotz der Hitze eine Gänsehaut bekam. Wie konnte die Erinnerung an etwas, das so lange zurücklag, so lebendig sein?

„Gefällt es Ihnen?“, fragte Demetra, die Keeleys Schweigen offenbar falsch interpretierte.

„Oh, ja, es ist … schön“, antwortete Keeley rasch.

Demetra lächelte. „Ja, alles auf Lasia ist schön. Kommen Sie ins Haus, wenn Sie hier fertig sind, dann zeige ich Ihnen alles.“

Nachdem Demetra gegangen war, betrat Keeley das Häuschen. Die Tür ließ sie offen, um den Wellen zu lauschen, während sie sich in ihrem vorübergehenden Heim umsah. Es war zwar klein, aber größer als ihre Wohnung in London. Unten befanden sich ein Wohnzimmer und eine kleine Küche. Oben gab es ein Schlafzimmer, das kaum größer war als das geräumige Bett darin, und das Bad war überraschend gut ausgestattet. Alles war sehr schlicht und sauber, die Wände kahl und weiß. Sämtliche Räume wurden von Licht durchflutet und den Reflexen der Wellen durchflirrt. Wer brauchte schon Bilder, wenn er so etwas hatte?

Keeley packte aus, duschte und zog sich Shorts und ein T-Shirt an. Als sie wieder hinunterging, sah sie Ariston auf ihr Häuschen zugehen. Sie konnte nichts dagegen machen, dass sich ihr Herz zusammenzog und sich dieses sehnsüchtige Gefühl in ihr breitmachte.

Sie wollte sich abwenden, doch sie konnte den Blick nicht von ihm losreißen. Von seinen muskulösen Schenkeln, seinen breiten Schultern und seinen Armmuskeln. Vom Anblick seiner sonnengebräunten Haut, die mit dem weißen T-Shirt kontrastierte. Beim Anblick eines schmalen Streifens Haut, der über der niedrig sitzenden, verwaschenen Jeans hervorblitzte, wurde ihr Mund ganz trocken. Denn das war der Ariston, an den sie sich erinnerte – kein Herr im eleganten Anzug, der ihn einzuengen schien, sondern ein Mann, der aussah, als habe er gerade an einem der Fischerboote gearbeitet. Keine Frage, er war der maskulinste Mann, der ihr je begegnet war. Aber es war wichtig, dass er nicht merkte, wie er auf sie wirkte. Sie musste gleichgültig auf ihn reagieren, durfte sich nicht anmerken lassen, wie nervös sie in seiner Nähe war. Sie musste so tun, als wäre er wie jeder andere Mann, auch wenn er das nicht war. Denn kein anderer Mann hatte je solche Gefühle in ihr ausgelöst.

Als er näher kam, atmete sie tief ein. Sie durfte nicht vergessen, dass sie ihn nicht leiden konnte, das war das Wichtigste.

„Hier bist du also“, sagte er und musterte sie mit seinem sonderbaren Blick, der gleichzeitig kalt und glühend war.

„Ja, hier bin ich.“ Sie zupfte verlegen am Saum ihres T-Shirts. „Du klingst überrascht.“

„Vielleicht bin ich das. Ich war nicht ganz sicher, ob du dich nicht in letzter Minute umentscheidest und doch nicht kommst.“

„Hätte ich das tun sollen?“ Keeley sah ihn fest an. „Wäre es klüger gewesen, dein großzügiges Angebot auszuschlagen?“

Während Keeley ihm mit ihren wundervollen grünen Katzenaugen unerschrocken ins Gesicht sah, überlegte Ariston, was er ihr antworten sollte. Hätte sie ihm etwas bedeutet, hätte er ihr gesagt, dass es besser gewesen wäre, sich von einem Typen wie ihm und seiner Insel fernzuhalten. Aber sie bedeutete ihm nichts. Sie war eine Ware. Eine Frau, die er verführen würde, um das zu vollenden, was er vor vielen Jahren begonnen hatte. Warum sollte er sie vor etwas warnen, was ihnen beiden sehr viel Lust bereiten würde?

Und die Geschichte zum Abschluss bringen, dachte er. Das war ebenso wichtig.

Er sah das dichte blonde Haar an, das ihr als verschlungener Strang über die eine Schulter hing, und fragte sich, warum es ihm so schwerfiel, seinen Blick von ihr loszureißen. Er hatte schon schönere Frauen kennengelernt. Und vor allem solche, die besser zu ihm passten als ein gescheitertes, geldgeiles Party-Girl. Doch das änderte nichts an ihrer Wirkung auf ihn. Ihre Brüste wölbten sich unter einem zitronengelben T-Shirt, und die Shorts schmeichelten ihrem wohlgeformten Po und ihren schönen Beinen. An den Füßen trug sie glitzernde Flip-Flops, was sie ungeheuer unbeschwert und jung aussehen ließ – so, als habe sie sich keinerlei Umstände gemacht, um ihn mit ihrem Äußeren zu beeindrucken. Das hatte er nicht erwartet, was wiederum sein Verlangen nach ihr noch verstärkte.

„Nein, es ist gut, dass du hier bist“, antwortete er. „Lass uns jetzt ins Haus gehen, dann zeige ich dir alles. Es hat sich einiges geändert, seit du zum letzten Mal hier warst.“

„Du brauchst mich nicht herumzuführen“, erwiderte sie. „Demetra hat schon angeboten, das zu machen.“

„Und nun biete ich es dir an.“

Sie legte den Kopf schief. „Aber wäre es nicht angemessener, wenn mich jemand vom Personal herumführt? Als Geschäftsmann, der ein so großes Unternehmen zu leiten hat, hast du bestimmt Wichtigeres zu tun.“

„Was angemessen ist, interessiert mich nicht. Ich bin ein Arbeitgeber, der gern selbst mit anpackt.“

„Und was du sagst, wird gemacht, stimmt’s?“

„Stimmt. Wie wäre es also, wenn du tust, was ich sage?“

Er war so unglaublich gebieterisch! Keeley fragte sich, ob ihm klar war, wie abgehoben und rückständig er klang, wenn er so redete. Doch auch wenn sie sein herrisches Verhalten nicht mochte, konnte sie nicht leugnen, dass es sie irgendwie anmachte. Es war, als wäre ihr Körper darauf programmiert, auf seine männliche Dominanz anzusprechen, und sie konnte nichts dagegen tun. Ihr Gesicht glühte, als sie die Tür hinter sich schloss und ihm über den Strand zu seinem Haus folgte.

„Hast du irgendwelche Fragen?“, wollte er wissen.

Allerdings – sie hatte unzählige Fragen. Zuerst einmal wollte sie wissen, warum er, fünfunddreißig Jahre alt und sicher einer der begehrtesten Männer der Welt, noch nicht verheiratet war. Sie wollte wissen, warum er so verhärtet und stolz war. Ob er je lachte, und wenn ja, über was. Doch sie verkniff sich all diese Fragen, weil sie kein Recht hatte, sie zu stellen. „Ja“, antwortete sie schließlich. „Warum hast du das alte Haus abreißen lassen?“

Ariston spürte den Puls an seiner Schläfe pochen. Wie seltsam, dass sie ausgerechnet ein Thema angesprochen hatte, bei dem ihm nicht ganz wohl war! Er konnte sich gut an den Unglauben erinnern, den man ihm entgegengebracht hatte, als er den Abriss des geschichtsträchtigen alten Hauses angekündigt hatte. Daran, wie die Leute gedacht hatten, er handele aus irregeleiteter Trauer nach dem Tod seines Vaters. Aber damit hatte es nichts zu tun gehabt; für ihn war es einfach nur ein notwendiger Neuanfang gewesen.

Sollte er ihr sagen, dass er die Vergangenheit zusammen mit der imposanten Fassade hatte auslöschen wollen? Als ob es möglich gewesen wäre, düstere Erinnerungen zusammen mit steinernen Wänden dem Erdboden gleichzumachen!

Sollte er ihr sagen, dass er das Haus hatte vergessen wollen, in dem seine Mutter mit ihm gespielt hatte, bis sie eines Tages weggegangen war und ihn und seinen Bruder dem Vater überlassen hatte? Genauso wie er die Partys und den Übelkeit erregenden süßlichen Geruch des Marihuanas hatte vergessen wollen – und die Frauen, die aus der ganzen Welt eingeflogen worden waren, um seinen Vater und dessen stumpfsinnige Freunde zu „unterhalten“?

Warum sollte er das Keeley Turner erzählen, wo sie und ihre Mutter doch zu genau dieser Art von Frauen zählten?

„Ich wollte eben einen ganz neuen Anfang machen“, antwortete er. „Als mein Vater gestorben ist, wollte ich ein paar Dinge ändern. Und der Insel meinen eigenen Stempel aufdrücken.“

Sie sah am dem großen gläsernen Gebäude empor. „Das ist dir gelungen.“

Ihr Lob klang berechnend – die instinktive Reaktion einer geldgierigen Frau, die mit Reichtum konfrontiert wurde. Doch das änderte nichts daran, dass ihre Anerkennung ihn mit Genugtuung erfüllte. Und auch nicht daran, dass er sich wünschte, sie würde ihm mit dieser sanften Stimme und dem englischen Akzent ganz andere Dinge ins Ohr flüstern. Ob sie zu den Frauen gehörte, die beim Sex redeten? Oder war sie erst ganz still und stöhnte dann vor Lust, wenn sie kam? Ariston konnte es kaum abwarten, es herauszufinden.

Mit einer knappen Geste bedeutete er ihr vorauszugehen, obwohl ihre schwingenden Hüften es ihm schwer machten, sich auf den Rundgang zu konzentrieren. Er zeigte ihr den Tennisplatz, den Fitnessraum, sein Büro und zwei der kleineren Empfangszimmer, entschied sich aber dagegen, mit ihr hinaufzugehen und ihr die sieben Gästesuiten zu zeigen … oder gar sein eigenes Schlafzimmer. Er schluckte. Demetra könnte das später übernehmen.

Zum Schluss führte er Keeley ins Wohnzimmer, das Herzstück des Hauses, und beobachtete aufmerksam ihre Reaktion auf den Meerblick, den man von dreien der massiven Glaswände aus hatte. Einen Moment lang stand sie bewegungslos da und schien weder die sündhaft teuren Fabergé-Eier zu bemerken, die auf einem der niedrigen Tische standen, noch die von Lysipp gefertigte Statue, die er in einem Auktionshaus in New York ergattert und mit der er sich einen Ruf als Kunstkenner erworben hatte.

„Wow“, sagte sie schließlich. „Wer hat sich das ausgedacht?“

„Ich habe den Architekten gebeten, ein Gebäude mit so viel Ausblick wie möglich zu entwerfen, und die Räume sollten ineinander übergehen“, antwortete er. „Ich wollte, dass es hell und geräumig ist, sodass ich nicht das Gefühl habe, in einem Büro zu sitzen, wenn ich arbeite.“

„Es sieht absolut nicht aus wie ein Büro. Es ist atemberaubend.“ Sie wandte sich ihm zu. „Dem Unternehmen muss es sehr gut gehen.“

„Es läuft erfreulich gut“, bestätigte er.

„Baut ihr immer noch Schiffe?“

Er sah sie fragend an. „Hat mein Bruder nichts erzählt?“

„Nein, Ariston, das hat er nicht. Wir konnten uns nicht mal richtig begrüßen, bevor du ihn weggezerrt hast.“

„Ja, wir bauen immer noch Schiffe“, antwortete er. „Aber außerdem produzieren wir auf der anderen Seite der Insel Wein und Olivenöl, beides sind echte Verkaufsschlager. Heutzutage legen die Leute Wert auf biologischen Anbau, und die Kavakos-Produkte werden von den bedeutendsten Köchen der Welt verwendet. Gibt es noch etwas, was du wissen willst?“

„In England hast du gesagt, dass du dieses Wochenende Gäste erwartest.“

„Stimmt. Morgen kommen zwei meiner Anwälte aus Athen zum Essen, und am Wochenende kommen fünf Leute zu einer Feier.“

„Griechen?“

„Aus verschiedenen Ländern“, antwortete er. „Willst du wissen, wer kommt?“

„Gehört es denn nicht zum guten Ton, die Namen von Leuten vorher zu wissen?“

„Und ist es nicht praktisch, um herauszufinden, was für ein Vermögen sie mitbringen?“, erwiderte er. „Santino Di Piero, der italienische Immobilienmagnat, kommt mit seiner englischen Freundin Rachel. Dann kommt noch ein Freund von früher, Xenon Diakos, der aus irgendeinem Grund seine Sekretärin mitbringt. Ich glaube, sie heißt Megan.“

„Das sind vier“, bemerkte sie, fest entschlossen, sich von seinen Sticheleien nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

„Stimmt. Dann kommt noch Bailey Saunders“, fügte er hinzu, als sei es ihm gerade erst wieder eingefallen.

„Der Name kommt mir bekannt vor.“ Sie zögerte. „Sie ist diejenige, die mit dir bei der Eröffnung der Fotoausstellung war, oder?“

„Ist das relevant, Keeley?“, fragte er. „Oder geht es dich irgendetwas an?“

Keeley schüttelte den Kopf. Sie wusste nicht, warum sie gefragt hatte, kam sich dumm vor – und verwundbar. Beschämt über ihre Neugierde und wütend über die Eifersucht, die sich in ihr breitmachte, ging Keeley näher an die gläserne Wand und blickte hinaus, ohne etwas zu sehen. Würde sie mehrere Tage mitansehen müssen, wie Ariston mit einer schönen Frau herummachte? Zusehen, wie sie in diesem tollen Infinity-Pool herumturtelten und im Mondschein am Strand herumknutschten? Würde sie morgens die Betten frisch beziehen und mit eigenen Augen sehen, wie die beiden sich miteinander vergnügt hatten?

Sie hoffte, dass man ihr den Widerwillen nicht ansah, der sich in ihr breitmachte. Selbst wenn es so war – da musste sie durch. Ariston bedeutete ihr nichts, und sie bedeutete ihm nichts. Und wenn sie sich das nicht schleunigst hinter die Ohren schrieb, würde sie einen sehr schwierigen Monat vor sich haben. „Natürlich geht es mich nichts an“, sagte sie. „Ich wollte nicht …“

Was wolltest du nicht?“ Er hatte den Raum durchquert und stellte sich neben sie; sie atmete seinen dezenten zitronigen Duft ein. „Herausfinden, ob ich eine Freundin habe oder ob ich noch zu haben bin? Keine Sorge, Keeley – das bin ich von Frauen gewohnt.“

Sie wollte etwas sagen, irgendeine Bemerkung machen, um die plötzlich angespannte Situation aufzulockern. Doch seine Nähe machte sie so nervös, dass ihr nichts einfiel, was sie hätte sagen können – und selbst wenn, dann hätte es wohl nicht besonders überzeugend geklungen. Sie konnte auch nichts gegen die Gefühle ausrichten, die er in ihr auslöste. Es war, als würde ihr Körper nicht mehr ihr gehören.

Sie sah zu Ariston auf und bemerkte, dass seine Augen dunkel geworden waren. Es fühlte sich an, als habe er ihre Gedanken gelesen, denn nun hob er unvermittelt eine Hand, um lächelnd ihr Gesicht zu umfassen. Es war kein besonders nettes Lächeln, und es wirkte etwas aufgesetzt, aber seine Berührung brachte Keeleys ohnehin schon aufgewühlten Sinne vollends in Aufruhr. Als er mit dem Daumen über ihre Unterlippe streichelte, begann diese unkontrollierbar zu beben. So eine kleine Berührung, und schon schmolz sie dahin. Er sorgte dafür, dass sie immer erregter wurde, und das merkte man ihr sicher an. Ihre Brustwarzen waren hart geworden, und tief in sich spürte sie ein irritierendes Sehnen.

Merkte er das? War das der Grund dafür, dass er sie jetzt an sich zog und sie in die Arme schloss? Sie schmiegte sich an ihn, als er sich mit flammendem Blick zu ihr herunterbeugte, um sie zu küssen. Keeley erbebte – einen besseren Kuss hätte sie sich nicht erträumen können. Und war Ariston nicht immer in all ihren Träumen vorgekommen? Er küsste sie erst zögernd, dann mit mehr Nachdruck. Er küsste sie, bis sie sich vor Lust wand, fast hätte sie geschrien. Sie spürte, wie die Erregung in ihr aufbrandete. Zu gern wollte sie die Arme um ihn schlingen und sich dem Verlangen hingeben. Ihm ins Ohr flüstern, dass er mit ihr machen konnte, was er wollte. Wenn er nur dieses schreckliche Verlangen stillte, das in ihr tobte und das wahrscheinlich nur er befriedigen konnte.

Aber was dann? Sollte sie mit ihm ins Bett gehen, obwohl sie wusste, wie sehr er sie verachtete? Obwohl Bailey Saunders in ein paar Tagen herkommen würde? Denn so machten diese Leute das. Sie kannte die Welt, in der er lebte. Da kamen und gingen die Frauen.

Es bedeutete ihm nichts. Sie bedeutete ihm nichts – hatte er ihr das nicht deutlich genug zu verstehen gegeben? Und für jemanden, dessen Selbstwertgefühl ohnehin nicht besonders stabil war, war so eine Aktion komplett irrsinnig.

„Nein!“ Keeley riss sich von ihm los und machte ein paar Schritte rückwärts. „Was denkst du dir dabei, so über mich herzufallen?“

In seinem spöttischen Lachen klang Frustration mit. „Ich bitte dich“, sagte er. „Jetzt tu mal nicht so. Du bist doch total heiß darauf. Du wolltest, dass ich dich küsse, und ich habe dir den Gefallen sehr gern getan.“

„Das wollte ich nicht!“, erwiderte sie.

„Ach, Keeley, jetzt versuch nicht, es zu leugnen. Das ist kein guter Start. Ich erwarte von all meinen Angestellten Aufrichtigkeit!“

„Und dass man als Arbeitgeber seinen Angestellten gegenüber nicht zudringlich werden sollte, hast du vergessen?“

„Würdest du mich nicht so einladend ansehen, würde ich vielleicht als Arbeitgeber auf dich reagieren und nicht als Mann.“

„Ich habe dich nicht einladend angesehen!“, entgegnete sie empört.

„Ach nein? Denk noch mal drüber nach – und mach dir nicht wieder etwas vor.“

Keeley biss sich auf die Lippe. Hatte sie ihn einladend angesehen? Ihr Herz klopfte heftig. Natürlich hatte sie. Und wenn sie ehrlich zu sich war, musste sie sich eingestehen, dass sie sich diesen Kuss gewünscht hatte, seit sie Ariston bei ihrer Ankunft am Fenster seines Glaspalastes gesehen hatte. Vielleicht sogar schon vorher, als er in der Galerie mit flammendem Blick auf sie und Pavlos zugekommen war. Und sie durfte solche Gefühle nicht zulassen. Sie war hergekommen, um Geld für ihre kranke Mutter zu verdienen, nicht, um sich auf einen bekennenden Chauvinisten wie Ariston einzulassen und sich von ihm das Herz brechen zu lassen.

Also atmete sie tief ein und zwang sich, zumindest so zu tun, als habe sie ihre Gefühle komplett unter Kontrolle. „Ich kann nicht leugnen, dass ich mich zu dir hingezogen fühle. Aber das bedeutet nicht, dass da was laufen muss. Nicht nur, weil du mein Vorgesetzter bist und es darum nicht angebracht ist, sondern außerdem, weil wir einander nicht mögen.“

„Was hat denn das mit mögen zu tun?“

„Das fragst du nicht im Ernst!“

„Doch.“ Er zuckte mit den Schultern. „Meiner Erfahrung nach verleiht ein wenig Feindseligkeit der Sache zusätzliche Würze. Das müsste deine Mutter dir doch beigebracht haben, oder?“

Die willentliche Beleidigung verletzte Keeley zusätzlich, und sie hätte sich gern auf ihn gestürzt, mit den Fäusten auf ihn eingetrommelt und ihm gesagt, dass er seine Meinung für sich behalten konnte, weil er keine Ahnung hatte. Doch sie wollte ihm nicht zu nahekommen, da sie wusste, dass sie sich wieder nach ihm sehnen würde, sobald sie ihn berührte, und das wollte sie nicht mehr.

Und hatte er sie nicht gebeten, die Wahrheit zu sagen? Das würde sie tun, auch wenn es sie einige Überwindung kostete …

„Ich werde dir nicht zu nahekommen, Ariston, vor allem, weil du nicht der Typ Mann bist, der mir gefällt“, sagte sie. „Ich bin hergekommen, um Geld zu verdienen, und das ist das Einzige, was ich tun werde. Ich werde hart arbeiten und dir so weit wie möglich aus dem Weg gehen. Ich habe nicht vor, mich noch einmal so verwundbar zu machen“, erklärte sie mit einer gewissen Unterwürfigkeit, die ihre Rolle als bescheidene Angestellte erforderte. „Wenn du mich also bitte entschuldigst? Ich gehe jetzt besser in die Küche und sehe nach, ob Demetra irgendwelche Aufgaben für mich hat.“

4. KAPITEL

Sie machte ihn wahnsinnig.

Wahnsinnig!

Ariston atmete tief ein und tauchte unter die dunkle Wasseroberfläche, die im Licht der aufgehenden Sonne golden glänzte. Es war früh. So früh, dass sonst keiner da war. Nicht einmal das Personal war um diese Zeit wach, und die Jalousien im Schlafzimmer von Keeleys Häuschen waren noch geschlossen.

Das war geradezu ein Sinnbild ihres derzeitigen Verhältnisses zueinander, dachte er verdrossen. Mit Keeley Turner lief es nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte, und das war frustrierend für einen Mann, der sich seiner erotischen Wirkung auf Frauen so sicher war wie er.

Eine Weile lang schwamm er mit kräftigen Zügen unter der Wasseroberfläche und versuchte, die überschüssige Energie loszuwerden, die sich in seinem Körper aufgestaut hatte, aber das war leichter gesagt als getan. Er hatte schlecht geschlafen, Bilder von Keeley in unterschiedlichen Nacktheitsstadien waren durch seine erotischen und frustrierenden Träume gegeistert. Denn wie er mit wachsendem Unglauben feststellen musste, hatte sie das, was sie gesagt hatte, ernst gemeint und hielt ihn auf Distanz, obwohl es zwischen ihnen wie verrückt knisterte. Am Anfang hatte er gedacht, dass ihr Verhalten aufgesetzt sei und ihn bei der Stange halten solle. Doch ihr Auftreten ihm gegenüber hatte sich nicht verändert. Und nichts deutete darauf hin, dass sie schwach werden würde. Sämtliche Interaktionen mit ihr liefen in die falsche Richtung.

Sie fragte höflich, ob er Kaffee, Brot oder Wasser wünsche. Sie blickte zu Boden, wenn sie einander begegneten. Seine mehrfach wiederholte Bitte, ihn auch in der Öffentlichkeit beim Vornamen zu nennen, stieß bei ihr auf taube Ohren. Sie war ihm ein Rätsel. War sie wirklich immun gegen die bewundernden Blicke, mit denen seine Athener Anwälte sie bedacht hatten, die mittags auf Lasia angekommen waren? Oder war sie einfach nur eine sehr gute Schauspielerin, der die Wirkung ihrer Schönheit durchaus bewusst war? Keeley benahm sich, als wäre sie aus Stein, doch er wusste, dass sich hinter der kühlen, hübschen Fassade eine leidenschaftliche Frau verbarg.

Und er hatte geglaubt, dass sie ihm sofort erliegen würde. Dass die Erinnerung an den Kuss damals sie ihm förmlich in die Arme treiben würde, damit sie das, was sie angefangen hatten, zu Ende bringen konnten.

Dieser Kuss war das Erotischste, das ihm seit langer Zeit passiert war, aber er war folgenlos geblieben. Und nun musste er etwas erdulden, was er nicht gewohnt war – ihm wurde etwas verweigert, was er unbedingt wollte. Also hatte er sich ihr gegenüber ein wenig distanziert gezeigt, um ihr zu verstehen zu geben, dass er es nicht leiden konnte, wenn Frauen sich zierten. Er hatte sich vorgestellt, wie sie allein aufeinandertrafen. Wie sie den Reißverschluss seiner Hose herunterziehen und ihn dort berühren würde, wo er sich so sehr nach ihrer Berührung sehnte …

Er schluckte. Jede andere Frau hätte es getan, und Keeley hatte sicher viel Erfahrung mit so etwas. Wäre alles nach Plan gelaufen, wäre er mittlerweile mit ihr im Bett gewesen und hätte bereits mehrere Male fantastischen Sex mit ihr gehabt. Wahrscheinlich hätte er sie schon über, und sein einziges Problem wäre, wie er ihr am besten beibrachte, dass es vorbei war.

Aber nein. Stattdessen hatte sie sich mit verblüffendem Eifer in die Arbeit gestürzt. Ob sie auch beim Regaleeinräumen eine solche Leidenschaft an den Tag gelegt hatte? Demetra hatte ihm erzählt, dass es eine Freude sei, die Engländerin in der Küche und im Haus um sich zu haben. Eine Freude? Davon hatte er noch nicht viel gemerkt.

Sollte ihre unterkühlte Art sein Verlangen anfachen? Falls ja, dann funktionierte es prächtig. Jedes Mal, wenn sie auf die Terrasse herauskam, schnellte sein Blutdruck in die Höhe. Sie wirkte so unschuldig in der adretten weißen Uniform, und mit dem zu einem strengen Dutt frisierten blonden Haar sah sie aus wie das perfekte Dienstmädchen. Doch jedes Mal, wenn ihre Blicke sich trafen, funkelten ihre grünen Augen unmissverständlich – es war, als forderte sie ihn dazu heraus, sich ihr erneut zu nähern.

Er tauchte wieder auf und schüttelte das Wasser aus den Haaren, bevor er mit kräftigen Stößen ans Ufer zurückschwamm. Es wurde Zeit, den Tag zu beginnen und den Gastgeber zu spielen. Vier seiner Gäste waren eingetroffen, und Bailey Saunders würde nicht kommen. Er hatte sie angerufen, um das Treffen zu verschieben, und sie war einverstanden gewesen. Selbstverständlich – die Frauen waren immer mit allem einverstanden, was er wollte. Mit einem Anflug freudiger Erwartung lief er den Sandstrand entlang.

Vielleicht würde Keeley Turner endlich einsehen, dass es Unsinn war, sich weiter gegen das Unausweichliche zu sträuben.

„Würden Sie bitte den Kaffee raustragen?“, bat Demetra und zeigte auf das beladene Tablett.

„Gern.“ Keeley strich sich das weiße Uniformkleid glatt und ging schweren Herzens mit dem Tablett hinaus. Es graute ihr vor jedem weiteren Gang zu dem Tisch, der neben dem Infinity Pool aufgestellt worden war und an dem Ariston nun das ausgedehnte Mittagessen mit seinen glamourösen Gästen beendete. Es graute ihr davor, von ihm gemustert zu werden, seine Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille versteckt, während sie am Pool entlangging und versuchte, sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen, was ihr schwerfiel. Genauso schwer, wie den Kuss zu vergessen. Zu vergessen, wie Ariston ihren normalerweise unempfänglichen Körper aus dem Dornröschenschlaf gerissen und sie mit einem nervenaufreibenden unerfüllten Verlangen zurückgelassen hatte.

Und das war alles ihre Schuld!

Warum hatte sie sich von ihm in die Arme nehmen lassen? Weil sie zu schwach gewesen war, um sich dagegen zu wehren. Sie hatte gewollt, dass er sie in die Arme nahm. Und sie wollte es noch immer.

Keeley biss sich auf die Lippe. Sie hatte sich wirklich bemüht, nicht an ihn zu denken. In den letzten Tagen war sie ihm so gut wie möglich aus dem Weg gegangen und hatte sich auf ihre Arbeit konzentriert, entschlossen, ihre Sache gut zu machen. Sie wollte seine negativen Erinnerungen an sie ausradieren und ihm zeigen, dass sie ehrlich und fleißig und anständig sein konnte. Auf keinen Fall wollte sie, dass bei ihren Kollegen ein falscher Verdacht aufkam. Sie mochte Demetra und Stelios und auch die Leute aus dem Dorf, die für Ariston arbeiteten. Niemand sollte denken, sie hätte etwas mit dem Chef. Sie wollte als eine Engländerin gesehen werden, die anpacken konnte.

Die Sonne schien ihr warm auf den Kopf, als sie mit dem Tablett auf die Terrasse trat, wo Xenon, Megan, Santino, Rachel und Ariston saßen. Gestern war sie den Gästen vorgestellt worden, die alle zu der Art von Jetset-Menschen zu gehören schienen, mit denen sie nichts mehr zu tun hatte. Die Welt, in der die Frauen mehrere Male am Tag das Outfit wechselten und mehr für einen Strohhut bezahlten, als Keeley in einem Monat ausgab, war ihr fremd geworden. Sie war höflich und aufmerksam gewesen und dabei, ihrer Position entsprechend, unsichtbar geblieben. Nur Rachel hatte sie als Person behandelt und bei jeder Begegnung ein paar Worte mit Keeley gewechselt.

Als Keeley auf den Tisch zusteuerte, strahlte Rachel ihr entgegen.

„Lecker, ich liebe griechischen Kaffee!“, rief sie und nahm eine Tasse entgegen. „Danke, Keeley. Könnte ich noch etwas Mineralwasser bekommen? Es ist so heiß heute. Du musst ja eingehen in deiner Uniform“, fügte sie stirnrunzelnd hinzu. „Erlaubt dir Ariston zwischendurch eine kleine Abkühlung im Pool, oder musst du ununterbrochen schuften?“

„Keeley weiß, dass sie hier machen kann, worauf sie Lust hat, wenn sie nicht arbeitet“, warf Ariston ein. „Aber sie macht keinen Gebrauch davon, stimmt’s, Keeley?“

Alle sahen sie an. Rachel und Megan trugen hauchdünne Kaftane über ihren knappen Bikinis, und Keeley fühlte sich in ihrer Uniform übertrieben angezogen. Alle Angestellten von Ariston trugen eine Uniform, aber an ihr sah sie irgendwie falsch aus. Sie hatte zwar die richtige Größe, aber ihre Figur kam darin zu sehr zur Geltung. Ihre Figur gehörte zu den Dingen, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte und gegen die sie nichts ausrichten konnte. Egal, wie sehr sie ihre Formen in locker sitzender Kleidung zu verbergen versuchte, ihre Brüste sahen immer zu groß und ihre Hüften zu breit aus. Jedes Kleidungsstück betonte genau die Stellen, die Keeley verstecken wollte.

„Falls ich schwimmen will, kann ich ins Meer springen, aber ich verbringe den größten Teil meiner freien Zeit am Rechner“, sagte sie. Als sie bemerkte, dass alle sie fragend ansahen, fügte sie hinzu: „Ich studiere Wirtschaftswissenschaften.“

„Das ist löblich, aber du musst doch auch mal eine Pause machen. Arbeit allein macht keinen glücklich“, sagte Rachel, fuhr sich mit den Fingern durch ihr dunkles Haar und sah Ariston aufmerksam an. „Hattest du nicht gesagt, dass Bailey doch nicht kommt?“

„Nein, sie kommt nicht“, bestätigte Ariston.

„Das heißt, wir sind beim Abendessen eine Frau zu wenig“, stellte Rachel fest.

„Damit solltest du wohl klarkommen“, sagte Santino. „Seit wann machst du dir Sorgen um ungerade Zahlen, Liebste? Du hast immer genug zu erzählen, um die fehlenden Gäste zu ersetzen.“

„Das stimmt wohl“, antwortete Rachel. „Aber warum kann nicht einfach Keeley mit uns essen? Dann wären wir vollzählig!“

Ariston nahm seine dunkle Sonnenbrille ab und sah Keeley mit unergründlichem Blick an. „Ja“, sagte er mit seiner samtigen Stimme. „Wie wäre es, wenn du nachher mit uns isst?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das kann ich nicht machen.“

„Warum nicht? Ich kann dir den Abend freigeben. Oder, besser noch: Ich ordne an, dass du mitisst.“ Sein Lächeln war unbeirrbar. „Ich bin sicher, es ist nicht nötig, dass du das Essen aufträgst. Wir haben genug Personal.“

„Das ist sehr … nett von Ihnen, aber …“ Mit zitternden Finger stellte Keeley die letzte Tasse auf den Tisch. „Aber ich habe nichts Passendes anzuziehen.“

Eine blöde Antwort. Warum hatte sie nicht einfach mit einem inbrünstigen Nein geantwortet?

„Keine Sorge. Du müsstest meine Größe haben“, sagte Megan. „Ich kann dir etwas leihen. Los, sag schon Ja, Keeley. Du hast dir eine Pause verdient. Und ich borge dir sehr gern etwas.“

Die beiden weiblichen Gäste hatten sich offenbar in den Kopf gesetzt, sie umzustimmen, und Keeley kochte innerlich. Ihr war klar, dass die beiden es nur nett meinten, aber sie wollte diese Nettigkeit nicht. Sie fühlte sich bevormundet, und, schlimmer noch, es gab ihr das Gefühl, verwundbar zu sein. Megan und Rachel dachten, sie würden ihr einen Gefallen tun, doch tatsächlich drängten sie Keeley näher an Ariston, wo sie nicht sein wollte. Aber sie konnte ihnen kaum sagen, warum sie sich sträubte. Dass sie Angst hatte, mit ihrem Chef im Bett zu landen. Im Übrigen war Protest ohnehin sinnlos – fünf gegen eine, sie würde mitmachen müssen.

Du isst mit ihnen, das ist alles, sagte sie sich, als sie am Nachmittag unter der Dusche stand. Sie musste lediglich ein geborgtes Kleid anziehen und versuchen, nett zu sein. Sie konnte gehen, wann immer sie wollte. Brauchte nichts zu tun, was sie nicht wollte.

Also ging sie abends auf die Terrasse zu, in dem einzigen von Megans Kleidern, das ihr passte. Es war so gar nicht die Art von Kleidung, die Keeley normalerweise trug. Es war zu fein, zu weiblich, zu … offenherzig. Das tief ausgeschnittene Oberteil des puderrosa Kleides betonte ihre Brüste, und der seidige Stoff schmiegte sich genau so um ihre Hüften, wie sie es nicht mochte. Und sie war nicht blind. Es entging ihr nicht, wie Ariston sie ansah, als sie die mit Kerzen erhellte Terrasse betrat. Sie sah, wie er instinktiv die Augen zusammenkniff, worauf ihre Brüste zu spannen begannen.

Ihre Kehle war so trocken, dass sie viel zu schnell ein halbes Glas Champagner herunterstürzte, der ihr sofort zu Kopf stieg. Der Alkohol beruhigte ihre Nerven, bewirkte aber gleichzeitig, dass sie Ariston gegenüber milder gestimmt war, was ihr nicht gelegen kam.

Natürlich saß sie neben ihm. Sie nahm sich vor, sich nicht von ihm aus der Ruhe bringen zu lassen. Sagte sich, dass er ein kaltherziger Manipulator war, dem ihre Gefühle egal waren. Doch es gelang ihr nicht, ihren Körper zur Vernunft zu bringen; er gehorchte ihr überhaupt nicht mehr. Das merkte sie daran, dass ihr das Blut in die Brüste strömte und dass sie nervös wurde, wenn Ariston sie mit diesem kühlen Blick musterte, was er wesentlich öfter tat als notwendig.

Und als wäre das nicht schlimm genug gewesen, fiel es ihr schwer, sich auf dieses unerwartete Beisammensein einzustellen. Bei einem so schicken Abendessen war sie ewig nicht gewesen. Und auch früher war sie immer nur mit ihrer Mutter zusammen eingeladen worden. Das hier war etwas ganz anderes. Hier saß sie nicht und beobachtete ihre Mutter aus den Augenwinkeln, in der ständigen Furcht, dass diese sich blamieren würde. Diese Leute hier schienen an ihr interessiert zu sein, aber das war Keeley eher unangenehm. Was konnte sie schon über sich erzählen, abgesehen davon, dass sie verschiedene Hilfsarbeitertätigkeiten ausgeübt hatte, weil sie aufgrund ihrer lückenhaften Schulbildung keine anderen Jobs bekam?

Also verbrachte sie den Abend damit, Fragen abzublocken – das konnte sie gut. Wenn jemand ihr eine persönliche Frage stellte, antwortete sie ausweichend und wechselte rasch das Thema. Diese Technik hatte sie im Laufe der Jahre verfeinert, aber heute erreichte sie damit das Gegenteil von dem, was sie erreichen wollte. Santino nahm sie den zweiten Teil des Abends so sehr in Beschlag, dass Rachel wahrscheinlich schon bereute, Keeley dazugebeten zu haben.

Keeley hätte am liebsten verkündet, dass sie keinerlei Interesse an dem italienischen Unternehmer hatte. Dass es an diesem Tisch nur einen einzigen Mann gab, der sie interessierte, und dass sie sich sehr anstrengen musste, um nicht ganz hingerissen von ihm zu sein. Denn heute Abend sah Ariston unglaublich gut aus – sehr elegant und ungeheuer männlich. Sein weißes Hemd, dessen oberster Knopf nicht geschlossen war, gab den Blick auf ein kleines Dreieck gebräunter Haut frei, und die schmal geschnittene Hose betonte seine langen Beine und seine muskulösen Oberschenkel. Die ganze Zeit über sah er sie so intensiv an, dass sie kaum einen Bissen von dem köstlichen Essen herunterbrachte, das serviert wurde.

Ob die anderen sich über ihren mangelnden Appetit amüsierten – zumal sie fast aus Megans Kleid platzte? Ob die anderen sie für eine der Frauen hielten, die in Gesellschaft nichts aßen und dann, wenn sie für sich waren, heimliche Fressattacken bekamen?

„Amüsierst du dich, Keeley?“, fragte Ariston freundlich.

„Sehr“, versicherte sie. Es war ihr egal, wenn er hörte, dass sie log. Was sollte sie auch sonst sagen? Dass sie jedes Mal von einem erregten Schauer überlaufen wurde, wenn er sie ansah? Dass sein kantiges Gesicht das Schönste war, was sie je gesehen hatte, und dass sie nichts anderes wollte, als einfach nur dazusitzen und ihn anzusehen?

Um Punkt elf erhob sie sich schließlich und bedankte sich für den schönen Abend. Es gelang ihr, die Terrasse aufrecht und in gemessenem Schritt zu verlassen, doch sobald sie außer Sichtweite war, begann sie zu rennen. Sie rannte den Weg zum Strand hinunter, an ihrem Häuschen vorbei ans Wasser, froh darüber, dass sie zu dem Kleid Sandalen angezogen hatte. Und darüber, dass das Rauschen der Wellen ihr heftig pochendes Herz übertönte. Sie blieb stehen, hob den Saum ihres Kleides hoch, damit kein Wasser darankam, und sah auf das mondbeschienene Meer hinaus.

Sie dachte daran, wie es gewesen war, als man ihr kurz vor ihrer Abreise nach Lasia die Stelle im Supermarkt gekündigt hatte. Daran, wie dieses Gefühl sie übermannt hatte. Daran, dass es keinen Ort auf dieser Welt gab, wo sie hingehörte. Jetzt war dieses Gefühl wieder da – auch eben am Tisch hatte sie das Gefühl gehabt, nicht dazuzugehören. Sie war eine Außenseiterin gewesen, die sich für den Anlass das Kleid einer Fremden angezogen hatte.

Ob Ariston gemerkt hatte, dass sie sich fehl am Platz gefühlt hatte? Oder war er zu sehr damit beschäftigt gewesen, sie mit seinem Sexappeal zu umgarnen? Ob ihm klar war, dass das, was für ihn wohl nur ein Spiel war, viel mehr für jemanden bedeutete, der keinen so engen Freundeskreis hatte wie er?

Sie spürte, wie ihr die Tränen kamen, und fragte sich, ob das Selbstmitleid war. Sei dankbar für das, was du hast, sagte sie sich und rieb sich mit dem Handrücken über die Augen. Sei einfach froh darüber, dass du stark genug warst, jemandem zu widerstehen, der nie mehr als ein One-Night-Stand geworden wäre.

Doch als sie sich umdrehte, um zu ihrem Häuschen zurückzugehen, sah sie jemanden auf sich zukommen – und sie erkannte ihn sofort, sogar aus der Entfernung. Wie hätte sie ihn nicht erkennen können, wo er sich so fest in ihre Gedanken eingebrannt hatte, dass sie sein Bild jederzeit vor Augen hatte? Keeley sah zu, wie er sich rasch und mit im Mondlicht glänzenden Augen näherte. Ihre Haut kribbelte vor Erregung, die schnell in Entsetzen umschlug, als er fast bei ihr war. Sie hatte alles versucht. Warum zum Kuckuck musste er jetzt hier auftauchen?

„Ariston“, sagte sie. „Was machst du hier?“

„Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Du hast dich so plötzlich verabschiedet, und ich habe gesehen, dass du in Richtung deiner Hütte gelaufen bist.“ Er musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. „Aber dann habe ich kein Licht gesehen.“

„Spionierst du mir hinterher?“

„Nein. Aber ich bin dein Vorgesetzter. Und ich habe mir Sorgen um dich gemacht.“

Sie sah ihm in die Augen. „Tatsächlich?“

Es entstand eine Pause. „Ja. Nein“, antwortete er, sein Tonfall auf einmal schroff. „Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. Ich weiß nicht, warum. Ich weiß nur, dass ich nicht aufhören kann, an dich zu denken.“

Keeley sah, dass eine Veränderung in ihm vorging. Plötzlich war er ebenso angespannt wie sie. Und sie wusste, was gleich passieren würde; sie sah es an dem Verlangen in seinem Blick, das ein ebensolches Begehren in ihr auslöste.

„Ariston“, flüsterte sie, als er sie in seine Arme zog. Doch es klang eher wie ein Gebet als wie Protest. Sie ließ ihn gewähren und kümmerte sich nicht um die Einwände, die ihr durch den Kopf gingen. Und als er sie berührte, war sie verloren.

Er küsste sie und gab einen triumphierenden Seufzer von sich, als sie seinen Kuss erwiderte. Sanft ließ er seine Zunge zwischen ihre leicht geöffneten Lippen gleiten und küsste sie inniger. Sie schmiegte sich an ihn, ihre Finger krallten sich in sein Hemd, und er drängte ihr seine Lenden entgegen. Und nun ließ er eine Hand in das Oberteil ihres Kleides gleiten, um eine ihrer Brüste zu umfassen. Sie ließ es zu – was hätte sie sonst tun sollen, wo sie es doch so sehr wollte?

Leise stöhnend erkundete er ihre Brustspitzen, und sie spürte, wie sie feucht wurde. Würde er jetzt mit ihr schlafen? Hier? Sie in den Sand drücken, bevor sie etwas dagegen sagen konnte? Aber sie würde nichts dagegen sagen, denn nichts sollte diesen Augenblick zerstören, auf den sie so lange gewartet hatte. Acht Jahre, um genau zu sein. Acht lange Jahre, in denen sie das Gefühl gehabt hatte, ihr Körper sei aus Holz und nicht aus Fleisch und Blut.

Keeley schluckte. Sie wollte keine Zeit haben, es sich anders zu überlegen – sie wollte sich einfach der Situation hingeben. Ein Schauer der Erregung überlief sie, doch dann fiel ihr ein, was sie anhatte, und sie löste sich von ihm. „Das Kleid!“

Es sah sie verständnislos an. „Das Kleid?“

„Es gehört nicht mir. Ich will … es darf keine Flecken bekommen.“

„Ach ja. Das Kleid ist geliehen.“ Sein Blick verhärtete sich, als er sie von Kopf bis Fuß betrachte. Dann hob er sie mit einem triumphierenden Lächeln hoch und trug sie über den Strand zu ihrer Hütte.

5. KAPITEL

Drinnen angekommen, trug Ariston Keeley nach oben. Sein dominantes Verhalten betörte sie. Als er ihren Hals und ihre Lippen mit alles verzehrenden Küssen bedeckte, war sie so verzückt vor Lust, dass sie kaum merkte, wie er ihre Arme über den Kopf hob und ihr das geborgte Kleid auszog. Bis sie plötzlich im Höschen vor ihm stand. Fast nackt im Mondlicht hätte sie sich normalerweise genieren müssen, aber Aristons erregter Blick nahm ihr alle Scheu. Als sie zu ihm aufsah, fielen ihre Haare über ihren nackten Rücken, und als sie sein genießerisches Lächeln erwiderte, fühlte sie sich unendlich frei.

„Du bist wunderschön“, sagte er und umfasste eine ihrer Brüste wie ein Markthändler, der das Gewicht einer Melone schätzte.

Selbst diese eher grobe Geste erregte sie. Alles an ihm war aufregend – ihre Nerven reagierten überempfindlich und voller Sehnsucht auf ihn.

Er senkte den Blick auf ihr knappes Höschen. „Trotz der von dir bevorzugten faden Kleidung achtest du also untendrunter darauf, dem Mann zu gefallen.“ Er lächelte. „Das finde ich gut.“

Wie unglaublich arrogant er war! Gern hätte Keeley ihm gesagt, dass er in mehrerlei Hinsicht falschlag. Dass das knappe Höschen das Einzige war, was man unter einem so hauchzarten Kleid tragen konnte, ohne dass es sich abzeichnete, und dass sie normalerweise immer einen BH trug. Doch er spielte schon wieder mit ihren Brustwarzen, und das fühlte sich so unglaublich gut an, dass sie weder das Bedürfnis noch die Kraft hatte, ihm jetzt irgendetwas zu erklären. Denn auf dem kurzen Weg vom Strand zum Schlafzimmer war ihr klar geworden, dass es kein Zurück mehr gab. Es war egal, ob es richtig oder falsch war, es war einfach unumgänglich. Heute Nacht würde sie sich Ariston Kavakos ganz hingeben. Nichts und niemand konnte sie davon abhalten.

Sie blickte zu ihm auf, schaute zu, wie er sein Hemd aufknöpfte und ihr dabei weiter ins Gesicht sah.

„Spiel mit deinen Brüsten“, befahl er. „Berühr dich.“

Seine Worte hätten sie schockieren müssen, doch das taten sie nicht – vielleicht, weil sie aus seinem Mund unwiderstehlich klangen. Sollte sie ihm sagen, dass sie so gut wie gar keine sexuelle Erfahrung hatte und nicht sicher war, ob sie sich geschickt anstellen würde? Aber wenn sie das hier durchziehen wollte, durfte sie sich darüber keine Gedanken machen.

Zögernd umfasste sie ihre Brüste mit den Händen und begann, ihre aufgerichteten Brustwarzen mit den Fingerspitzen zu umkreisen. Komischerweise kam sie sich dabei, nachdem sie ihre ersten Hemmungen abgeschüttelt hatte, ungeheuer sexy vor. Sie stellte sich vor, dass es Aristons Hände waren, die sie auf diese Weise erotisch berührten. Sie wand sich ungeduldig und schloss die Augen.

„Nein“, hörte sie ihn sagen. „Lass die Augen offen. Ich will, dass du mich ansiehst, Keeley. Ich will dir in die Augen sehen, wenn du kommst. Und glaub mir, ich werde dafür sorgen, dass du kommst. Immer und immer wieder.“

Wie deutlich er war, wie unzweideutig! Sie hatte den Eindruck, dass er ihr beweisen wollte, dass er Macht über sie hatte. War es das, was er mochte? Derjenige zu sein, der das Heft in der Hand hielt? Ihr zu sagen, was sie tun sollte, und ihr zu zeigen, wer der Chef war? Ihr Herzschlag beschleunigte sich, denn nun war Ariston nackt. Hell und stolz ragte er aus den dunklen Locken empor, doch selbst seine beeindruckende Größe ließ sie nicht zurückschrecken. Ariston machte einen Schritt auf sie zu, nahm ihre Hände von ihren Brüsten und liebkoste ihre Brustwarzen mit dem Mund; er bearbeitete sie mit der Zunge, bis Keeley einen leisen, lustvollen Seufzer von sich gab.

„Ich höre dich gerne stöhnen“, sagte er. „Ich werde dafür sorgen, dass du die ganze Nacht lang stöhnst.“

„Wirst du das?“

„Oh ja.“ Er vergrub seine Hände in ihrem Haar und hielt ihren Kopf so, dass sie ihm ins Gesicht sehen musste. „Weißt du, wie oft ich mir dich so vorgestellt habe, Keeley? Wie du nackt im Mondlicht vor mir stehst wie eine Göttin?“

Göttin? War er noch ganz richtig im Kopf? Eine dickliche Supermarktangestellte? Sie wollte ihn bitten, nicht solche Sachen zu ihr zu sagen, aber sie musste sich eingestehen, dass sie es mochte. Es fühlte sich gut an. Wahrscheinlich war das seine Methode: die Frauen mit Schmeicheleien dazu zu bringen, sich ihm zu unterwerfen. Ihnen zu sagen, was sie hören wollten, selbst wenn es nicht wahr war. Wahrscheinlich machten sowohl Männer als auch Frauen das ständig und es hatte nichts zu bedeuten. Sex an sich hatte nichts zu bedeuten. Das gehörte zu den Dingen, die sie von ihrer Mutter gelernt hatte.

„Ariston“, flüsterte sie.

„Hast du auch von mir geträumt?“, fragte er.

„Vielleicht“, räumte sie ein.

Er lächelte zufrieden und streichelte über ihren Tanga. „Es gefällt mir, dass man bei dir nie weiß, woran man ist“, sagte er. „Du weißt, wie man einen Mann hinhält.“

Keeley biss sich auf die Lippen. Wieder lag er komplett daneben, aber warum sollte sie sich jetzt damit aufhalten? Offenbar glaubte er, dass sie Männer magisch anzog, und der Versuch, ihn vom Gegenteil zu überzeugen, war wahrscheinlich zwecklos. Denn das hier hatte ohnehin keine Zukunft. Es wäre töricht gewesen, von jemandem wie Ariston zu erwarten, dass er eine Beziehung einging. Und doch zog sich Keeleys Herz schmerzhaft zusammen, wenn sie daran dachte, wie schnell es vorbei sein würde. Und warum sollte sie nicht einfach mitspielen, wenn das Bild, das er von ihr hatte, ihn anmachte?

„Vertust du immer so viel Zeit mit Reden?“, säuselte sie.

Sofort veränderte sich die Atmosphäre; die Luft knisterte förmlich, als er Keeley unvermittelt hochhob und zum Bett trug. Er legte sie direkt darauf, ohne sich die Mühe zu machen, die Bettdecke zurückzuschlagen, und sah mit unergründlichem Blick auf sie hinunter. „Verzeih, dass ich nicht bemerkt habe, wie …“, er ließ eine Hand zwischen ihre Beine gleiten, schob den Steg ihres Slips beiseite und fuhr mit einem Finger über ihre erhitzte Haut, „eilig du es hast.“

Keeley schluckte, als er seinen Finger mit mehr Nachdruck bewegte und sie ihre Erregung stärker werden spürte. Sie wollte, dass er sie wieder küsste, doch er schien nur ihren Bauch küssen zu wollen und … und … Sie atmete scharf ein, als er ihr das Höschen auszog und seinen Kopf zwischen ihre Beine schob, sodass sein dichtes schwarzes Haar sie an den Oberschenkeln kitzelte. Ihr Körper verharrte in gespannter Erwartung, doch sie hatte nicht geahnt, wie betörend schon der erste Zungenschlag sein würde. Sie versuchte, sich der Liebkosung zu entwinden, die eine kaum erträgliche Lust auslöste. Doch er hielt ihre Hüften fest, sodass sie hilflos dalag, eine willige Geisel des griechischen Magnaten, während sich ihre Erregung immer mehr steigerte, bis sie schließlich aus ihr hervorbrach wie ein über die Ufer tretender Fluss und sie seinen Namen schrie.

Als die Wellen der Lust langsam verebbten, durchströmte wohlige Wärme ihren Körper. Sie öffnete die Augen und fand Ariston über sich gebeugt, den Mund zu einem amüsierten Lächeln verzogen.

„Mmmh“, sagte er, „ich hatte nicht damit gerechnet, dass du so laut sein würdest. Bist du immer so enthusiastisch, wenn du kommst, Keeley? Oder willst du mir schmeicheln, indem du so tust, als wäre das der erste Orgasmus, den du je hattest?“

Keeley wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie fragte sich, ob es demütigend wäre, zuzugeben, dass sie noch nie eine solche Lust empfunden hatte. Wie er wohl reagieren würde, wenn ihm klar wurde, wie unerfahren sie war? Doch sie wollte ihn nicht vertreiben. Warum sollte sie sich diesen traumhaften Abend mit der Realität kaputt machen? Besser, sie erzählte ihm, was er von ihr erwartete. Besser, sie spielte die Frau, die zu sein sie nie zuvor gewagt hatte. „Wenn du nicht so gut darin wärst, wäre ich auch nicht so … laut.“

Gut? Machst du Witze? Ich habe ja nicht mal richtig angefangen“, erwiderte er.

Auf einmal fühlte sie sich überfordert; sie schluckte. „Ich bin nicht …“

Er sah sie durchdringend an. „Nicht was?“

„Ich nehme nicht die Pille oder so.“

„Selbst wenn du sie nähmst, würde ich auf Nummer sicher gehen“, sagte er und kramte in seiner Hosentasche, bis er gefunden hatte, was er suchte. Keeley sah zu, wie er das Kondom überstreifte, und wunderte sich darüber, wie sachlich das alles wirkte, so, als spielten Gefühle bei dem, was jetzt passieren würde, keine Rolle. Aber hatte sie wirklich geglaubt, dass es anders sein würde? Dass Ariston Kavakos ihr Zärtlichkeit oder Zuneigung entgegenbringen würde?

„Küss mich“, sagte sie unvermittelt. „Bitte küss mich einfach.“

Stirnrunzelnd kam Ariston ihrem Wunsch nach, und sein Herz zog sich zusammen. Sie verhielt sich so … anders, als er es erwartet hatte. Eben war sie noch die coole Verführerin gewesen, und jetzt wirkte sie fast ein wenig schüchtern. Nachdem sie ihn erst so lange hatte warten lassen wie keine andere zuvor, war sie jetzt so empfänglich. Ob sie von ihrer Mutter gelernt hatte, wie man Männer für sich einnahm? Hatte sie entdeckt, dass es für Männer, die alles gesehen und getan hatten, nichts Aufregenderes gab, als nicht zu wissen, woran sie waren?

Er meinte, explodieren zu müssen, als er sie streichelte und küsste, und sein Herz pochte heftig, als er sich über ihr positionierte, tief durchatmete und dann langsam in sie eindrang. Verrückterweise war er fast ein wenig enttäuscht über die Leichtigkeit, mit der er in sie glitt. Hatte er sich in all den Jahren, in denen er von ihr geträumt hatte, nicht manchmal das Undenkbare vorgestellt: dass sie noch Jungfrau und er der Erste für sie sein könnte? Und hatte ihre heftige Reaktion auf seine Liebkosungen diese Vorstellung nicht noch verstärkt?

Doch er verwarf den abwegigen Gedanken, entspannte sich und schwelgte in ihrem weichen, weiblichen Körper. Sie war so sexy. So eng. Er griff ihre Schenkel, um ihre Beine um seinen Rücken zu legen, und genoss ihr lustvolles Stöhnen, als er sich heftiger in ihr bewegte. Immer wieder drang er kraftvoll in sie ein und hielt sich selbst zurück, bis sie die Lust nicht mehr aushielt und seinen Namen schrie. Sie bog sich ihm entgegen und ließ sich dann mit einem langen, atemlosen Schrei fallen.

War das nicht genau das, wovon er geträumt hatte? Keeley Turner, die sich ihm hingab. Keeley, deren weiche Schenkel sich anspannten, als sie zum zweiten Mal den Höhepunkt erreichte. Er wartete, bis ihre Seufzer verklungen waren, bevor er sich selbst Erlösung gewährte. Sein Herz zog sich zusammen, als er kam und sich gleichzeitig daran erinnerte, dass es nur darum ging: die endgültige Eroberung einer Frau, die ihm jahrelang im Kopf herumgespukt war. Der Abschluss von etwas, was schon vor acht Jahren hätte beendet werden sollen.

Ariston schlief ein, und als er wieder aufwachte, berührten seine Lippen eine ihrer üppigen Brüste. Er brauchte sich nur ein wenig zu recken, um die Brustwarze in den Mund zu nehmen und daran zu knabbern und zu lecken, bis Keeley sich unter ihm wand. Und bevor er merkte, was passierte, war er schon wieder in ihr. Dieses Mal dauerte es länger. Es war gemächlicher, als würde das alles in einer Art Traum passieren. Und sein Orgasmus dauerte ewig. Danach drehte er sich auf den Rücken, damit sie ihren Kopf auf seine Schulter betten konnte, denn er wusste, dass Frauen in dieser Situation sehr empfindlich darauf reagierten, wenn man sich ihnen entzog. Zwar würde er das Ganze sehr bald beenden, aber definitiv nicht heute Nacht. Und er wollte sich sehr gut überlegen, was er tat, denn in dieser Angelegenheit musste er besonders diplomatisch vorgehen. Sachte streichelte er mit einer Fingerspitze über ihren Bauch und spürte, wie sie erbebte.

„Ich kann mir keinen angenehmeren Abschluss dieses Abends vorstellen“, raunte er ihr ins Ohr.

Keeley nickte und versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Warum musste er etwas so Uncharmantes sagen? Er gab ihr damit das Gefühl, etwas zu sein, was man nach dem Essen konsumierte … eine Art Verdauungsschnaps. Aber was hatte sie erwartet? Eine Liebeserklärung? Dass Ariston ihr sagte, dass sie seine Traumfrau sei und er mit ihr zusammen sein wolle? Natürlich nicht. Das hier war ein bedeutungsloser One-Night-Stand, sonst nichts. Also rückte sie von ihm ab und beschloss, das Ganze mit der in dieser Situation angebrachten Fassung zu tragen.

„Ich auch nicht“, antwortete sie kühl.

Es entstand eine kurze Pause, in der er über seine Worte nachzudenken schien. „Es hat mich überrascht, dass Santino nicht versucht hat, vor mir hier zu sein“, sagte er schließlich.

Stirnrunzelnd wandte Keeley sich zu ihm um und strich sich das zerzauste Haar aus dem Gesicht. „Warum hätte er das tun sollen?“

Ariston zuckte mit den Schultern. „Ich habe mitbekommen, dass er sich beim Essen sehr für dich interessiert hat.“

„Ach, hast du das?“

„Allerdings. Kurz nach dir sind auch Santino und Rachel gegangen. Wir haben gehört, wie sie auf dem Weg zu ihrem Zimmer gestritten haben.“

„Und du dachtest was?“, fragte Keeley, die mittlerweile ahnte, worauf er hinauswollte. „Dass es um mich ging?“

„Das nehme ich an. Dein Name fiel mehr als ein Mal.“

„Und?“, fragte sie. „Dachtest du, dass ich Lust auf einen Mann habe, Ariston? Irgendeinen Mann? Und dass ich mit Santino ins Bett gegangen wäre, wenn er vor dir zu mir gekommen wäre?“

„Ich weiß es nicht.“ Er sah ihr in die Augen. „Wärst du?“

Keeley erstarrte. Am liebsten hätte sie ihn gekratzt oder irgendetwas anderes getan, das ihm ebenso wehtat wie ihr das, was er ihr an den Kopf geknallt hatte. Es verletzte sie, dass er so schlecht über sie dachte. Aber eigentlich war ihr das von Anfang an klar gewesen. Und was hatte sie denn gedacht? Dass die Anziehung zwischen ihnen etwas an seiner Geringschätzigkeit ihr gegenüber ändern würde? Dass sie sich Respekt verschaffen würde, indem sie ihn so schnell ranließ? Wie töricht sie gewesen war!

„Raus hier“, sagte sie.

„Ach, Keeley“, antwortete er. „Du brauchst doch nicht gleich so heftig zu reagieren. Du hast mich etwas gefragt, und ich habe ehrlich geantwortet. Hätte ich lügen sollen?“

„Raus“, wiederholte sie. Er versuchte, sie in die Arme zu nehmen, doch sie sprang aus dem Bett. „Verschwinde!“

Schulterzuckend setzte er sich auf die Bettkante und griff nach seiner Hose. „Ich wollte dich nicht beleidigen.“

„Nein? Dann solltest du noch einmal gründlich darüber nachdenken, was du gerade zu mir gesagt hast. Glaubst du, dass ich mit jedem ins Bett gehe, Ariston? Hauptsache, der Mann ist attraktiv genug?“

„Woher soll ich das wissen? Immerhin bist du die Tochter deiner Mutter. Und ich habe genug Erfahrungen mit Frauen gemacht, um zu wissen, wozu sie in der Lage sind und wie skrupellos sie sein können.“

Keeley griff nach dem Morgenmantel aus Baumwolle, der an einem Haken an der Tür hing, und zog ihn über. Sie mochte nicht weitersprechen, solange ihr nackter Körper Aristons Blick ausgesetzt war. „Warum hast du mich verführt, wenn du so schlecht von mir denkst, Ariston?“

Er hielt im Anziehen seines Hemdes inne. „Weil ich dich äußerst attraktiv finde. Und weil du damals eine Sehnsucht in mir ausgelöst hast, die nie ganz verschwunden ist. Vielleicht verschwindet sie jetzt.“

„Ist das alles?“

Er kniff die Augen zusammen. „Reicht das nicht?“

Ihr Instinkt sagte Keeley, dass da mehr war. Dass er ihr etwas verschwieg. Und sie wollte wissen, was es war – selbst wenn sie vermutete, dass es sie fertigmachen würde. „Sag mir die Wahrheit, so wie eben. Warum hast du mich verführt?“

Seine Augen glänzten silbrig im Mondlicht, und er zuckte mit den Schultern. „Na ja, also erst einmal aus den eben genannten Gründen“, antwortete er. „Und außerdem …“

„Außerdem was, Ariston? Hör jetzt nicht auf, wo es gerade spannend wird.“

Er zog den Reißverschluss seiner Hose hoch und sah zu Keeley auf. „Weil ich sicher war, dass mein Bruder nichts mit dir anfangen würde, wenn er weiß, dass ich schon mit dir geschlafen habe.“

„Und du würdest dafür sorgen, dass er es erfährt?“

Er zuckte mit den Schultern. „Wenn nötig, ja.“

Einen Moment lang schwieg sie ungläubig, bevor sie sich zu einer Antwort durchrang. „Das heißt, es ging dir darum, Pavlos von mir fernzuhalten, obwohl es zwischen mir und ihm nie gefunkt hat?“

Er sah sie unverwandt an. „Ich würde sagen, ja.“

Keeley fühlte sich ganz schwach. Es war viel schlimmer, als sie gedacht hatte! Sie schloss kurz die Augen, bevor sie in den Schadensbegrenzungsmodus umschaltete. Darin war sie gut. Sie atmete tief ein. „Dir ist schon klar, dass ich die Insel verlassen werde. Nach dieser Sache kann ich nicht weiter für dich arbeiten.“

Er schüttelte den Kopf. „Ich sehe da kein Problem.“

„Ach nein?“ Sie lachte bitter. „Wie soll das denn laufen, deiner Meinung nach? Soll ich weiterhin als Hausangestellte arbeiten, und ab und zu kommst du vorbei, um Sex mit mir zu haben? Oder soll ich ab sofort keine Uniform mehr tragen und jeden Abend mit dir und deinen Gästen zu Abend essen?“

„Wie schon gesagt, es gibt keinen Grund, so heftig zu reagieren, Keeley“, erwiderte er. „Wir finden schon eine Lösung.“

„Da irrst du dich, Ariston. Für so etwas gibt es keine Lösung. So lasse ich nicht mit mir umgehen. Und ich habe nicht vor, mehr Zeit in der Gesellschaft eines Mannes zu verbringen, der mich so behandelt. Das heute Nacht war ein Fehler, da kann man jetzt nichts mehr machen. Aber ich werde keine Sekunde länger hierbleiben als nötig. Ich will morgen früh abreisen, bevor die anderen wach sind!“

„Dir ist schon klar, dass du dazu mein Einverständnis brauchst, oder?“, antwortete er mit verschlossener Miene und knöpfte sein Hemd zu. „Dass der Flugplatz und die Flieger mir gehören und niemand hier ohne meine Genehmigung landet. Hast du dir mal überlegt, dass ich dich möglicherweise nicht einfach gehen lassen will, Keeley?“

„Es ist mir egal, was du willst. Du tätest besser daran, mich gehen zu lassen“, erwiderte sie mit bebender Stimme. „Denn ich bin eine gute Schwimmerin, und wenn ich irgendwie zur nächsten Insel gelangen muss, dann komme ich da hin. Oder ich kontaktiere die Presse und sage, dass ich auf der Insel des griechischen Magnaten gefangen bin – da würden die Medien sich sicherlich die Hände reiben. Das geht natürlich nur, wenn du meinen Rechner nicht beschlagnahmst – was allerdings eine Straftat wäre. Also? Raus jetzt, Ariston. Und sorg dafür, dass eines deiner Flugzeuge mich nach England zurückbringt. Verstanden?“

6. KAPITEL

Ariston sah aus dem Fenster, doch zum ersten Mal beeindruckte ihn der Ausblick auf seine Insel nicht. Das saphirblaue Meer und der silbrige Sand interessierten ihn ebenso wenig wie der Kaffee, der auf seinem Schreibtisch kalt wurde. Er konnte an nichts anderes denken als an zwei grüne Augen, rosige Lippen und das helle Haar, das wie Mondlicht durch seine Hände geglitten war.

Was war nur los mit ihm? Er erhob sich so abrupt, dass die Kaffeetasse auf dem Tisch klirrte. Woher kam diese innere Unruhe, wo doch alles in bester Ordnung war?

Es war schon mehrere Wochen her, dass er diese unglaubliche Nacht mit Keeley verbracht hatte. Sie war am nächsten Morgen nach London zurückgeflogen, ohne ihm noch einmal in die Augen zu sehen. Aber sie hatte das Geld genommen, das er ihr gegeben hatte. Und sie hatte keine Skrupel gehabt, den zusätzlichen Betrag anzunehmen, den er dazugelegt hatte. Er hatte gedacht, ja gehofft, dass vielleicht eine wütende Mail kommen würde, in der sie ihm schrieb, was er mit seinem Geld machen konnte. Oder dass sie empört die Vermutung anstellen würde, dass er ihr Geld für erwiesene Dienste anbot.

Aber es gab keine derartige Mail. Keeley war eben eine Frau. Und welche Frau lehnte es ab, wenn man ihr Geld anbot?

Also hatte er seitdem nichts mehr von ihr gehört. Immer wieder sagte er sich, dass das gut so war. Schließlich hatte er genau das erreicht, was er hatte erreichen wollen: Er war mit der Frau ins Bett gegangen, die ihm seit Jahren im Kopf herumgespukt hatte.

Doch ärgerlicherweise half das nicht. Im Gegenteil, es war schlimmer geworden. Er hätte längst nicht mehr an sie denken sollen oder daran, wie sie unter seinen Lippen erbebt war, als er sie mit dem Mund zum Orgasmus gebracht hatte. Ob es daran lag, dass er es nicht gewohnt war, verlassen zu werden, oder daran, dass er von ihrem stürmischen Aufbruch insgeheim beeindruckt gewesen war? Oder daran, dass sie die aufregendste Geliebte gewesen war, die er je gehabt hatte?

Nach einer weiteren ruhelosen Nacht fragte er sich, warum er nicht mit der Sache abschließen konnte wie erhofft und warum er nicht ein wenig hartnäckiger versucht hatte, Keeley länger bei sich zu behalten, um sie anschließend endlich vergessen zu können. Hätte er ein wenig diplomatischer auf ihre Fragen antworten und ihr Honig ums Maul schmieren sollen, anstatt Klartext zu reden? Er verzog das Gesicht; jetzt war es ohnehin egal. Er hielt nichts von Lügen, und die Sache war gegessen.

Immerhin hatte sein Bruder seine Verlobung mit der schönen Marina bekannt gegeben. Die Hochzeit sollte im kommenden Jahr stattfinden. Pavlos hatte gestern von Melbourne aus angerufen und erzählt, wie glücklich er sei, und Ariston hatte das Gefühl gehabt, dass seine Arbeit in dieser Sache getan war – die Zukunft der Kavakos war gesichert.

Dennoch wurde Ariston diese verdammte innere Unruhe nicht los. Und das, obwohl er geschäftlich durch so gut wie sämtliche Länder Südostasiens gereist war und sich noch ausschließlicher um die Arbeit gekümmert hatte als sonst. Also hatte er beschlossen, mit seinem Privatjet nach England zu fliegen. Er hatte sich gesagt, dass es nie schaden konnte, seinen dortigen Angestellten einen unangekündigten Besuch abzustatten. Außerdem mochte er London. Er hatte dort ein Apartment, das er mehrmals jährlich nutzte, unter anderem im Hochsommer, wenn es auf Lasia besonders heiß war. Doch selbst in London fiel es ihm schwer, sich auf sein aktuelles Schiffsbauprojekt zu konzentrieren oder sich darüber zu freuen, dass er in einem Artikel über das Familienunternehmen im prestigeträchtigen Forbes-Magazin als herausragender Geschäftsmann gepriesen worden war.

Ariston sagte sich, dass es einfach Neugierde – oder vielleicht Höflichkeit – war, die ihn dazu brachte, Keeley aufzusuchen, um zu sehen, wie es ihr ging. Vielleicht hatte sie sich wieder so weit beruhigt, dass sie vernünftig miteinander reden konnten. Oder sogar mehr …

Er bat seinen Fahrer, ihn am Ende ihrer Straße abzusetzen. Als es ganz still blieb, nachdem er bei ihr geklopft hatte, dachte er zunächst, sie sei nicht zu Hause. Ariston seufzte. Er hätte eine Nachricht hinterlassen können, vermutete aber, dass diese sofort im Müll landen würde. Er hätte sie anrufen können, war aber sicher, dass sie nicht ans Telefon gehen würde, wenn sie seinen Namen auf dem Display sah. Wieder so etwas, was er nicht gewohnt war.

Doch dann öffnete sich die Tür einen Spaltbreit, und Keeleys Gesicht tauchte auf. Sie sah ihn an, als sei er der Letzte, den sie hier erwartet hatte. Oder sehen wollte. Und sie sah schlimm aus. Ihr blondes Haar hing ihr in fettigen Strähnen ins Gesicht, als hätte sie es tagelang nicht gewaschen, sie war kreidebleich und hatte dunkle Schatten unter den Augen. Nie zuvor war er einer Frau begegnet, die sich so wenig um ihr Äußeres scherte. Andererseits war er bislang auch nie unangekündigt bei einer Frau aufgetaucht. „Hallo, Keeley“, sagte er.

Keeley erstarrte, als sie in Aristons blaue Augen blickte. Was um alles in der Welt wollte er hier? Und wie sollte sie damit umgehen? Ihr erster Gedanke war, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen, aber das hatte sie schon einmal erfolglos versucht, und außerdem konnte sie das nicht tun. Nicht unter diesen Umständen. Auch wenn sie ihn verachtete – sie musste ohnehin mit ihm sprechen.

Eigentlich hätte sie froh darüber sein sollen, dass das Schicksal ihn vorbeigeschickt hatte und sie nicht selbst ein Treffen arrangieren musste. Sie wünschte nur, sie hätte noch Zeit gehabt, sich die Haare zu bürsten oder etwas anderes anzuziehen als die Sachen, in denen sie eingeschlafen war. Aber vielleicht war es ja besser so. Wenn sie so aussah, brauchte sie zumindest nicht zu befürchten, dass er irgendwelche Annäherungsversuche machte. Wahrscheinlich fragte er sich gerade, was ihn geritten hatte, mit einer wie ihr ins Bett zu gehen.

„Am besten, du kommst rein“, sagte sie.

Es schien ihn zu überraschen, dass sie ihn hineinbat – kein Wunder, nach dem Abschied musste er geglaubt haben, dass sie ihn nie wiedersehen wollte. Und auch wenn es so war, konnte sie ihn doch nicht wegschicken. Genauso wenig, wie sie das alles ungeschehen machen konnte. Sie musste es ihm sagen. Bevor er selbst darauf kam.

„Was führt dich her, Ariston?“, fragte sie, als sie sich in dem winzig kleinen Wohnzimmer gegenüberstanden. „Lass mich raten … Pavlos ist wieder in London, und du wolltest mal nachsehen, ob ich meine gierigen Finger nicht von ihm lassen kann. Aber wie du siehst, ich bin allein.“

Er schüttelte den Kopf. „Pavlos hat sich verlobt und wird bald heiraten.“

„Super“, sagte sie und fühlte sich erschöpft, ohne zu wissen, warum. „Glückwunsch. Dann hast du ja, was du wolltest.“

Er zuckte mit den Schultern. „Ja, mein Wunsch, dass mein Bruder eine Familie mit einer geeigneten Partnerin gründet, ist erfüllt worden.“

„Und was führt dich nach New Malden, nachdem du nun Pavlos meinem von dir befürchteten Zugriff entzogen hast? Das hier ist nicht gerade die Gegend, in der sich Milliardäre vorzugsweise rumtreiben. Und ich glaube nicht, dass ich irgendetwas auf deiner Insel vergessen habe, was du mir wiedergeben müsstest.“

„Ich bin gerade in London und dachte, ich komme mal vorbei, um zu sehen, wie es dir geht.“

„Wie rührend. Machst du das mit all deinen ehemaligen Liebhaberinnen so?“

„Nein. Aber die meisten sind auch nicht einfach abgehauen wie du.“

„Ach, du Armer. Hat dein Ego dadurch Schaden genommen?“

„Wir wollen es ja nicht gleich übertreiben.“

„Gut – du hast ja gesehen, wie es mir geht.“

„Ja, und mir gefällt nicht, was ich sehe. Was ist los, Keeley?“ Er musterte sie ernst. „Du siehst krank aus.“

Keeley schluckte. Nun musste sie damit herausrücken. Er hatte ihr das perfekte Stichwort gegeben, um ihm die große Neuigkeit zu erzählen. Es wunderte sie, dass er es sich nicht selbst zusammengereimt hatte. Hätte er sie genauer angesehen, hätte er vielleicht die leichte Wölbung ihres Bauches unter dem zu großen T-Shirt bemerkt.

Sie öffnete den Mund, doch sie zögerte. War es, weil sie ahnte, dass nichts wieder so sein würde wie vorher, sobald er es wüsste?

„Mir war schlecht“, antwortete sie und fügte rasch hinzu: „Genau genommen bin ich schwanger.“

Er schien nicht gleich zu verstehen, und falls doch, ließ er es sich nicht anmerken.

„Gratuliere“, antwortete er. „Wer ist der Vater?“

Sie hätte mit einer derartigen Reaktion rechnen können, hatte es aber nicht getan und war dementsprechend verletzt. Sie wollte ihm sagen, dass nur er der Vater sein konnte, doch er würde ihr wahrscheinlich nicht glauben. Und warum sollte er auch? Sie hatte sich ja nicht gerade geziert, als sie zusammen gewesen waren. Sie war sofort mit ihm ins Bett gegangen und hatte gleich zweimal mit ihm geschlafen. War es da ein Wunder, wenn ein Chauvinist wie Ariston Kavakos dachte, dass sie sich immer so verhielt?

„Du“, antwortete sie. „Du bist der Vater.“

Seine Miene blieb völlig reglos, nur sein Blick wurde eisig. „Bitte?“

Erwartete er, dass seine Frage sie dazu brachte, zu sagen, dass er doch nicht der Vater war? Glaubte er, dass sie nur hatte versuchen wollen, ihm ein Kind unterzuschieben, weil er so reich war? Gern hätte sie das behauptet und ihn zum Teufel gejagt, aber das konnte sie nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. Denn er war der Vater, das war nicht zu ändern, und nun kam es darauf an, wie sie damit umging. Keeley war klar, dass sie jetzt stark sein musste, so matt sie sich momentan auch fühlte. Denn Ariston war stark. Und er würde rücksichtslos über sie hinweggehen, um zu bekommen, was er wollte, wenn sie sich ihm nicht entgegenstellte.

„Du hast richtig gehört. Du bist der Vater.“

Seine Miene verfinsterte sich, und Keeley bekam eine Ahnung davon, was für ein furchteinflößender Gegner er im Sitzungssaal sein musste.

„Woher willst du wissen, dass es von mir ist?“

„Du bist der Einzige, von dem es sein kann.“

„Warum sollte ich dir das glauben? Du warst keine Jungfrau mehr.“

„Du auch nicht.“

Er lächelte schief. „Wie gesagt – bei Männern ist das etwas anderes.“

„Meinst du, dass ich in so einer Angelegenheit lügen würde?“

„Ich weiß es nicht, das ist es ja. Ich weiß kaum etwas über dich. Außerdem, ich bin reich. Und es hat definitiv Vorteile, von jemandem wie mir schwanger zu sein. War es denn ein Unfall, oder hast du es geplant?“

„Geplant? Denkst du etwa, ich sei absichtlich schwanger geworden, um an dein Geld zu kommen?“

„Guck nicht so empört, Keeley. Du glaubst ja nicht, was die Leute für Geld alles tun würden“, sagte er und musterte sie. „Woher soll ich wissen, dass du anders bist?“

„Für dich ist ja offenbar ziemlich klar, wer der Schuldige ist, aber so leicht kommst du mir nicht davon.“ Sie atmete tief durch und ging zum Fenster. „Ich dachte immer, dass beide für die Verhütung zuständig sind.“

Ariston sah ihr in die Augen und wurde von einem plötzlichen Aufwallen von Mitleid und Schuldgefühlen überrascht. Wie oft hatte er in der Nacht mit ihr geschlafen? Nur zwei Mal, dann hatte sie ihn rausgeschmissen und gesagt, dass sie abreisen würde. War er beim zweiten Mal vorsichtig gewesen, hatte er …? Ihm stockte das Herz. Nein, hatte er nicht. Er war ein wenig schläfrig und gleichzeitig so erregt gewesen, dass er einfach in sie geglitten war, ohne daran zu denken, sich zu schützen. Und das, wo er doch sonst immer so vorsichtig war! Aber es hatte sich einfach zu gut angefühlt, so Haut an Haut mit ihr.

Sein Herz klopfte heftig, als er sie genauer betrachtete. Jetzt, wo sie ans Fensterbrett gelehnt dastand, konnte er sehen, dass ihr Bauch sich ein wenig wölbte und ihre ohnehin nicht kleinen Brüste größer waren als sonst. Sie war zweifelsohne schwanger. Sollte er ihr also einfach glauben, dass er der Vater war?

Doch die Erinnerung an seine Mutter – und an viele andere Frauen – ließ ihn zweifeln. Er kannte sich mit Lügen und Tricks aus, weil sie zur Geschichte seines Lebens gehörten. Er wusste, was Menschen für Geld zu tun bereit waren. Schon in jungen Jahren hatte er gelernt, auf der Hut zu sein. Es hatte ihn vor einigen der weniger erfreulichen Dinge geschützt, die das Leben für ihn und Pavlos bereitgehalten hatte. Warum sollte er jetzt also keine Vorsicht walten lassen?

„Das stimmt. Für die Verhütung müssen beide sorgen“, pflichtete er ihr bei. „Aber du hast meine Frage nicht beantwortet. Woher soll ich wissen – beziehungsweise, woher weißt du –, dass das Kind von mir ist?“

„Weil …“

Sie biss sich auf die Lippe, als wollte sie die Worte zurückhalten, doch dann platzte es aus ihr heraus. „Weil ich vorher nur ein einziges Mal Sex hatte. Das ist Jahre her, und es war eine Katastrophe, okay? Reicht dir das als Antwort auf deine Frage, Ariston?“

Ariston spürte eine primitive Genugtuung in sich aufwallen. Ihre Antwort erklärte einiges: ihr Staunen, als er sie zum Höhepunkt gebracht hatte – und dass sie wie eine sexuell unerfahrene Frau gewirkt hatte.

Aber was, wenn sie log? Was, wenn sie einfach nur eine gute Schauspielerin war, die in die Fußstapfen ihrer Mutter trat? Selbstverständlich würde er einen Vaterschaftstest verlangen – wenn nicht jetzt, dann spätestens nach der Geburt.

Doch ihr blasses Gesicht und ihre müden Augen lösten ein weiteres Aufwallen von Mitleid in ihm aus. Er überdachte die Fakten und die möglichen Lösungsansätze. Trotz ihrer fehlenden Qualifikationen war sie nicht dumm. Ihr musste klar sein, dass er ihr die Hölle heiß machen würde, wenn er herausfand, dass sie versuchte, ihm ein Kind anzuhängen, das nicht von ihm war.

Er sah sich in dem ärmlichen Zimmerchen um und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Vater zu werden, hatte er in seinem Lebensplan nicht vorgesehen. Ihm war klar, dass er ein komplizierter Mann war, der nicht an die Liebe glaubte, Frauen misstraute und Freiräume brauchte – all das stand einer Ehe entgegen. Den Wunsch, Nachfahren in die Welt zu setzen, hatte er nie verspürt, und er war immer davon ausgegangen, dass Pavlos für Erben sorgen würde, die das Kavakos-Imperium weiterführen konnten.

Doch Keeleys Eröffnung stellte alles auf den Kopf. Ariston spürte, wie sich etwas in ihm veränderte, denn wenn ihr Kind wirklich von ihm war, wollte er an seinem Leben teilhaben. Unbedingt!

Sein Herz zog sich zusammen. Keeley musterte ihn mit verzagtem Blick. Ein ungewolltes Kind von einem Mann, den sie verachtete, war sicher das Letzte, was sie wollte. Zumal sie kein Geld hatte. Sie lebte unter sehr ärmlichen Umständen. Also würde er ihr eine Lösung vorschlagen, die sowohl ihren als auch seinen Interessen entgegenkäme.

„Wann wolltest du es mir denn sagen?“, fragte er. „Oder wolltest du es mir gar nicht sagen?“

„Doch, natürlich. Ich habe nur auf den richtigen Zeitpunkt gewartet“, antwortete sie. „Aber der kam irgendwie nie.“

Er runzelte die Stirn. „Warum setzt du dich nicht? Wir müssen reden.“

Sie widersprach ihm nicht und ging auf ihren abgewetzten Sessel zu, ohne Ariston anzusehen. Trotz ihrer ungewaschenen Haare und ihrer schlabberigen Jogginghosen konnte Ariston nichts dagegen tun, dass sein Körper auf sie reagierte, als sie an ihm vorbeiging. Woran lag es, dass er sich jedes Mal über sie hermachen wollte, sobald er in ihre Nähe kam?

Sie ließ sich in den Sessel sinken und sah zu ihm auf. „Dann rede“, sagte sie.

Er nickte, steckte seine Hände in die Hosentaschen und sah Keeley an. „Ich nehme an, du hattest nicht vor, Mutter zu werden“, sagte er.

„Nein, noch nicht.“

„Wie wäre es also, wenn ich dir die Last abnehme …“

Offenbar verstand sie ihn falsch, denn sie schlang instinktiv die Arme um ihren Bauch, als wolle sie ihr ungeborenes Kind schützen, und schrie: „Wenn du damit meinst …“

„Ich meine damit“, unterbrach er sie, „dass ich dafür sorgen werde, dass du aus diesem Loch in eine Luxuswohnung deiner Wahl umziehst. Dass sich die besten Ärzte um dich kümmern. Und dass du das Baby nach der Geburt …“

„Nach der Geburt – was?“, flüsterte sie, als ahnte sie, was er sagen würde.

„Nach der Geburt gibst du das Kind weg“, antwortete er. „Du gibst es mir.“

„Könntest du das bitte wiederholen?“, bat sie. „Ich bin nicht sicher, ob ich das eben richtig verstanden habe.“

„Ich werde das Kind großziehen“, erklärte er. „Und du nennst mir eine Summe.“

Einen Moment lang sagte sie kein Wort, und Ariston staunte über die unverhohlene Wut, die ihm aus ihren grünen Augen entgegenblitzte, als sie sich aufrappelte. Einen Moment lang glaubte er, sie würde sich auf ihn stürzen, und ein Teil von ihm wünschte sich, dass sie es täte. Denn eine kämpfende Frau konnte man auf alle möglichen Arten bezwingen, und auf einmal wollte er sie zu gern wieder küssen.

Aber sie stürzte sich nicht auf ihn. Sie stand nur da, die Hände in die Hüften gestemmt, und atmete heftig.

„Du willst mein Baby kaufen?“

„Das ist jetzt ein bisschen übertrieben formuliert, Keeley. Sieh es einfach als die vernünftigste Lösung unter den gegebenen Umständen.“

„Hast du den Verstand verloren?“

„Ich gebe dir die Möglichkeit, ganz neu anzufangen.“

„Ohne mein Baby?“

„Ein Baby würde dich einschränken. Ich kann dem Kind alles geben, was es braucht“, antwortete er und sah sich demonstrativ in dem tristen kleinen Zimmer um. „Du nicht.“

„Da irrst du dich gewaltig, Ariston“, erwiderte sie. „Und wenn du noch so viele Häuser und Schiffe und Angestellte hast – da, wo das Herz sein sollte, ist bei dir nur ein großes Loch. Du bist ein kalter und gefühlloser Grobian, der seinem Kind die Mutter vorenthalten will. Also bist du nicht in der Lage, diesem Kind das zu geben, was es am nötigsten hat.“

„Was da wäre?“

„Liebe!“

Ariston liebte seinen Bruder und hatte auch seine Mutter geliebt, doch er war sich seiner diesbezüglichen Grenzen bewusst. Nein, mit dem großen Gefühl, von dem sie wohl redete, hatte er nichts am Hut. Warum auch, wo er doch wusste, welchen Kummer es verursachen konnte? Aber er ahnte, dass es zwecklos war, zu versuchen, seinen Standpunkt durchzusetzen. Sie würde um ihr Kind kämpfen, das war sicher.

Ob sie glaubte, er würde einfach akzeptieren, dass er Vater wurde? Dachte sie, er würde sich damit abfinden, dass er am Leben seines Kindes nicht teilhaben würde? Dass er brav Unterhalt zahlte und sich mit sporadischen Treffen an den Wochenenden zufriedengab? Oder, noch schlimmer, es nie zu Gesicht bekam?

Er sah ihr in die Augen. „Du willst also genauso wenig auf das Kind verzichten wie ich“, stellte er fest. „Dann ist die einzige Lösung für mich, dich zu heiraten.“

Sie sah ihn entsetzt an. „Aber ich will dich nicht heiraten, Ariston! Es geht nicht, aus den verschiedensten Gründen. Das muss dir doch klar sein. Ich als Ehefrau eines herrischen Kontrollfreaks, der mich nicht einmal mag? Nein, danke.“

„Das war keine Frage“, erwiderte er. „Es war eine Feststellung. Er geht hier nicht um das Ob, sondern ausschließlich um das Wann.“

„Du bist verrückt.“

Er schüttelte den Kopf. „Nein. Nur entschlossen, mir zu nehmen, worauf ich ein Anrecht habe. Schlaf eine Nacht darüber. Ich komme morgen Mittag wieder, um zu hören, wie du dich entschieden hast. Bis dahin hast du dich bestimmt beruhigt. Aber ich warne dich, Keeley: Wenn du dich querstellst oder versuchst, dich zu drücken und wegzulaufen …“ Er hielt inne und sah ihr in die Augen. „Ich werde dich finden. Und ich werde durch alle Instanzen gehen, um zu bekommen, was mir gehört.“

7. KAPITEL

Als sie sich am nächsten Morgen auf Aristons Besuch vorbereitete, sah Keeley ihr blasses Gesicht im Spiegel an und biss die Zähne zusammen. Dieses Mal würde sie ruhig bleiben. Ruhig und konzentriert. Sie würde ihm sagen, dass sie ihn auf keinen Fall heiraten konnte, dass sie aber bereit war, mit ihm eine vernünftige Lösung zu suchen.

Sie wusch sich die Haare und zog ein locker sitzendes Baumwollkleid an. In dem plötzlichen Bedürfnis nach mehr Ordnung räumte sie auf und putzte. Sie ging sogar auf den Markt und kaufte einen billigen Blumenstrauß.

Ariston kam auf die Minute pünktlich, und Keeley ärgerte sich über ihre Reaktion auf ihn, als sie die Tür öffnete und ihn in dem eleganten hellgrauen Anzug vor sich stehen sah. Heute wirkte es nicht, als würde er sich darin unwohl fühlen, im Gegenteil, er sah sehr entspannt aus und passte in dem teuren Zwirn so gar nicht in ihre schäbige Bude. Sie wollte nicht jedes Mal erschaudern vor lauter Erregung, wenn sie ihn ansah, und auch nicht daran denken, wie es sich angefühlt hatte, nackt in seinen Armen zu liegen, doch die erotischen Bilder strömten unaufhaltsam auf sie ein. Bildete sie sich nur ein, dass er triumphierend lächelte, als wüsste er genau, was er in ihr auslöste?

Er kann dich zu nichts zwingen, sagte sie sich. Auch wenn sie ein Kind von ihm unter dem Herzen trug, war sie doch immer noch ein freier Mensch. Sie lebten im modernen England, nicht im Mittelalter. Er konnte sie nicht einfach gegen ihren Willen zum Altar schleppen.

„Ich hoffe, du bist inzwischen zur Besinnung gekommen, Keeley“, sagte er.

„Ich habe gründlich darüber nachgedacht, ja, aber das ändert nichts an meiner Entscheidung. Ich werde dich nicht heiraten, Ariston.“

Er murmelte etwas auf Griechisch, sah sie fast ein wenig bedauernd an und seufzte. „Ich hatte gehofft, dass es nicht dazu kommen würde.“

„Wozu kommen würde?“, fragte sie verwirrt.

„Warum hast du mir nicht von deiner Mutter erzählt?“

Keeley spürte, wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich. „Was habe ich nicht erzählt?“

„Dass sie seit sieben Jahren in einem Pflegeheim lebt.“

Keeley kniff die Lippen zusammen. Sie fürchtete, ihr könnten die Tränen kommen, doch sie durfte jetzt auf keinen Fall weinen oder diesem Mann auf irgendeine andere Weise ihre Verwundbarkeit preisgeben. Sicher würde er sich darauf stürzen wie ein Hund auf einen Knochen. „Woher weißt du davon?“

„Wenn man weiß, wie man fragen muss, kommt man leicht an Informationen.“

„Aber warum hast du dir Informationen darüber beschafft?“

„Sein nicht naiv, Keeley. Weil du die Mutter meines Kindes bist und somit etwas hast, was ich will. Und Wissen ist Macht.“ Er sah sie mit durchdringendem Blick an. „Was ist passiert? Wie kommt es, dass eine Frau mittleren Alters in einer Einrichtung lebt, deren Bewohnerschaft im Durchschnitt eher achtzig ist? Und dass diese Frau ihre einzige Tochter nicht erkennt?“

Weil sie fürchtete, ihre Beine könnten unter ihr nachgeben, griff Keeley nach der Lehne des Sessels, bevor sie sich setzte. „Das hast du also nicht herausfinden können? Man hat dir also keine Einsicht in ihre Krankenakte gewährt?“

„Nein. Einsicht zu verlangen, wäre moralisch fragwürdig gewesen.“

„Wie kommst du dazu, von Moral zu sprechen? Es erstaunt mich, dass du das Wort überhaupt kennst.“

„Also, was ist passiert?“, fragte er noch einmal, diesmal in freundlicherem Ton.

Gern hätte sie ihm gesagt, dass es ihn nichts anging, doch sie fürchtete, dass er sich damit nicht abspeisen lassen würde. Und schweren Herzens gestand sie sich ein, dass es ihn nun vielleicht doch etwas anging. Denn immerhin war ihre Mutter die Großmutter seines Kindes, auch wenn Vivienne das nie begreifen würde. Wehmut wallte in Keeley auf, und wieder kämpfte sie gegen die Tränen. „Was willst du darüber wissen?“, fragte sie.

„Alles.“

Alles also. Keeley lehnte den Kopf zurück und sammelte sich. „Ich nehme an, ich brauche dir nicht zu erzählen, dass ihr schwindender Ruhm als Schauspielerin schnell einem schlechten Ruf Platz gemacht hat nach diesem … diesem Sommer bei euch.“

Er nickte mit verkniffener Miene. „Und dann?“

„Als wir wieder in England waren, sind die Medien auf sie zugekommen. Sie haben so getan, als sähen sie meine Mutter als eine Vorkämpferin für Frauen, die trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch ein erfülltes Sexleben haben. Doch in Wirklichkeit ging es ihnen nur darum, eine Dumme zu haben, auf deren Kosten sie ihre Verkaufszahlen verbessern konnten. Sie hat ihnen lang und breit von ihren Liebhabern erzählt, von denen die meisten wesentlich jünger gewesen sind als sie selbst. Aber das weißt du ja. Sie hat gemeint, sie würde damit einen Beitrag zur Frauenbewegung leisten, aber man hat sie hinter ihrem Rücken ausgelacht. Und dann ging es mit ihrem Aussehen ziemlich rapide bergab. Zu viel Alkohol und zu viel Sonne. Zu viele Crashdiäten.“ Sie hielt inne.

„Und dann?“

Seine Stimme klang fast schon zärtlich, und Keeley wollte nicht, dass er so mit ihr sprach. Sie hatte seine Freundlichkeit schon einmal falsch eingeschätzt … diesen Fehler würde sie nicht noch einmal machen. Wenn er unfreundlich zu ihr war, kam sie besser damit klar.

Sie zuckte mit den Schultern. „Dann hat sie mit den Schönheitsoperationen angefangen. Mal war es ein Augenbrauenlifting, mal hat sie sich die Lippen aufspritzen lassen.“ Keeley schloss die Augen, als sie daran dachte, wie vernichtend die Berichterstattung über ihre Mutter am Ende gewesen war. Sie dachte an die Bilder, die ihre Mutter in den unmöglichsten Aufzügen gezeigt hatten – zum Beispiel in Leder-Hotpants und zu durchsichtigen Blusen, die sie zusammen mit dem pseudo-jugendlichen Gesicht zur Lachnummer der Nation gemacht hatten. Und daran, wie unendlich frustrierend es gewesen war, dass ihre Mutter nicht hatte wahrhaben wollen, was vor sich ging.

„Dann fing sie an, ein bisschen komisch auszusehen“, fuhr sie fort. Sie wollte nicht illoyal erscheinen, doch nun, wo sie zum ersten Mal darüber sprach, sprudelten die Worte regelrecht aus ihr hervor. „Dann hat sie diesen Chirurgen kennengelernt, der ihr angeboten hat, ihr Gesicht komplett zu liften. Leider hat sie sich nicht die Mühe gemacht, seine Referenzen zu überprüfen, und sich auch nicht über seine Schleuderpreise gewundert. Keiner weiß, was während der Operation passiert ist, auf jeden Fall hatte sie hinterher einen Hirnschaden. Seitdem erkennt sie niemanden wieder, auch mich nicht. Ihre Fähigkeit, ein normales Leben zu führen, ist stark beeinträchtigt, so nennen sie das.“ Sie schluckte. „Seitdem lebt sie in dem Pflegeheim.“

„Und du besuchst sie regelmäßig.“

„Ja, jede Woche.“

„Obwohl sie dich nicht erkennt.“

„Natürlich – sie ist doch immer noch meine Mutter.“

Die Achtung und die Trauer, die in ihren Worten mitschwangen, erstaunten ihn. Wenn er an seine eigene Mutter dachte, kamen keine versöhnlichen Gefühle in ihm hoch. Er schluckte seine Verbitterung herunter und musterte die Frau, die vor ihm stand. Mit den frisch gewaschenen Haaren sah sie ganz anders aus als gestern. Anstelle der Jogginghose und des labberigen Tops trug sie ein locker sitzendes Kleid. Sie sah weich und weiblich aus, wirkte eigenartig verwundbar.

„Warum sagst du mir nicht einfach, was du willst?“, fragte er unvermittelt.

Sie sah ihn misstrauisch an, als fürchtete sie, dass seine Frage eine Falle war. „Ich will nur das Beste für mein Kind“, antwortete sie. „So wie jede Mutter.“

„Und du meinst, dass das in dieser Umgebung möglich ist?“, fragte er und sah sich mit geringschätziger Miene um.

„Kinder wachsen unter den verschiedensten Bedingungen auf, Ariston.“

„Nicht, wenn sie Kavakos heißen“, korrigierte er sie. „Woher willst du das Geld nehmen? Arbeitest du noch?“

Sie schüttelte den Kopf. „Momentan nicht.“

„Ach?“, er sah sie fragend an.

„Ich hatte eine Stelle in einem anderen Supermarkt bekommen, nachdem ich von Lasia zurückgekommen bin, aber dann ist die Morgenübelkeit gekommen. Das Geld, das du mir gezahlt hast, reicht noch eine Weile …“

„Aber dann? Wie zum Kuckuck willst du danach über die Runden kommen?“

Keeley hoffte, dass er nicht sah, wie ihre Lippen bebten, und zwang sich, ruhig zu bleiben. „Wenn es mit der Übelkeit besser ist, kann ich ja wieder arbeiten. Und wenn nötig, ziehe ich eben in eine billigere Gegend.“

„Aber dann wärst du weiter weg von deiner Mutter“, wandte er ein.

Keeley funkelte ihn wütend an, musste sich aber eingestehen, dass sie ihre Augen nicht vor der Tragweite ihrer Situation verschließen konnte. Sie hatte weder einen Kinderwagen noch ein Bettchen. Und selbst wenn sie beides besessen hätte – hier war kaum Platz dafür. Und nun machte Ariston ihr ein Angebot, das sicher kaum eine Frau in ihrer Lage ausgeschlagen hätte. Er versuchte nicht, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Ganz im Gegenteil, er schien mehr als gewillt zu sein, sie anzunehmen. Er bot ihr an, sie zu heiraten. Wer hätte mit so etwas gerechnet?

Vorher hatte er allerdings gefordert, sie solle ihm das Baby geben. Er hatte ihr das Baby wegnehmen wollen. Weil er es konnte, weil er reich und mächtig und sie arm und schwach war. Das zeigte, wie skrupellos er war. Wenn sie ihn heiratete, hatte sie immerhin gewisse Rechte. Das war sicher eine bessere Grundlage. Letztendlich musste sie sich eingestehen, dass sie keine Wahl hatte.

„Wenn ich einer Heirat zustimme“, begann sie zögernd, „dann möchte ich Gleichberechtigung.“

„Gleichberechtigung?“, echote er, als hätte er das Wort noch nie gehört.

Sie nickte. „Genau. Wenn du meinen Bedingungen nicht zustimmst, mache ich nicht mit.“

„Und die Bedingungen wären?“

„Ich würde gern ein Wörtchen mitreden, wenn es ums Wohnen geht.“

„Darum brauchst du dir keine Gedanken zu machen“, antwortete er wegwerfend. „Vergiss nicht, dass ich Inselbesitzer bin.“

„Nein!“ Ihre Antwort klang brüsker als beabsichtigt, doch Keeley wusste, was sie tolerieren konnte und was nicht. Und bei dem Gedanken, auf seiner Insel zu leben, völlig von der Umwelt abgeschnitten, und Ariston komplett ausgeliefert zu sein, lief es ihr eiskalt den Rücken herunter. „Lasia ist kein geeigneter Ort, um ein Kind großzuziehen.“

„Ich bin auf Lasia aufgewachsen.“

„Eben!“

Ein belustigter Ausdruck huschte über sein Gesicht, bevor er sie wieder ernst musterte. „Du hast also an etwas anderes gedacht. Lass mich raten – du willst irgendwo hinziehen, wo du schon immer wohnen wolltest. Nach Mayfair zum Beispiel oder in ein Apartment direkt an der Themse. Daran denkt ihr Frauen doch, wenn Geld keine Rolle spielt.“

„Ich habe mein Leben nicht damit verbracht, meinen Aufstieg auf der Wohlstandsleiter zu planen“, erwiderte sie verärgert.

„Dann bist du anders als der überwiegende Teil deiner Geschlechtsgenossinnen.“ Er sah sie durchdringend an. „Lasia ist mein Zuhause, Keeley.“

„Und das hier ist mein Zuhause.“

„Das hier?“

Sie überhörte die Herablassung nicht, mit der er sprach. Mit einem Mal hatte sie das Bedürfnis, ihre Würde und das, was sie im Leben erreicht hatte, zu verteidigen. Es war nicht viel, aber unter den gegebenen Umständen hatte sie kaum mehr erreichen können. Und sie hatte ihr Bestes gegeben. Was wusste Ariston Kavakos mit seiner Insel und seinen Schiffen schon darüber, wie es war, sich durchzuschlagen? Er musste ja nur mit den Fingern schnippen, um alles zu bekommen, was er haben wollte – sogar sie. „Ich will in London bleiben“, erklärte sie. „Wie du eben selbst gesagt hast: Meine Mutter ist hier. Ich kann nicht einfach hier wegziehen.“

Er rieb sich den Nasenrücken und schloss die Augen. Keeley fragte sich, ob er darüber nachdachte, wie er ein Leben mit einer Frau aushalten sollte, von der er eigentlich nichts wollte und deren Mutter ihrer eigenen Eitelkeit zum Opfer gefallen war. Und ob er überlegte, wie er sein überstürztes Angebot, sie zu heiraten, jetzt wieder zurücknehmen könnte.

Er öffnete die Augen. „Schön. Dann also London. Ich habe ein Apartment hier“, sagte er. „Ein Penthouse in der City.“

Keeley nickte. Natürlich. Wahrscheinlich hatte er in jeder größeren Stadt auf der Welt ein Penthouse. „Nur mal so aus Interesse – was meinst du denn, wie lange unsere Ehe halten wird?“

„Dein Tonfall deutet an, dass du bezweifelst, dass sie von Dauer sein wird.“

„Ja, ich denke, die Chancen dafür stehen eher schlecht. Siehst du das etwa anders?“

„Ehrlich gesagt – ja. Ich will nicht, dass mein Kind von einem anderen Mann großgezogen wird. Das heißt, dass wir verheiratet bleiben, solange du deiner Rolle als Mutter nachkommen willst.“

„Aber …“

„Aber was, Keeley? Warum guckst du mich so entsetzt an? Doch wohl nicht, weil ich entschlossen bin, dafür zu sorgen, dass das alles funktioniert?“

„Aber wie soll das funktionieren, wo es doch keine echte Ehe sein wird?“

„Wer sagt das? Vielleicht lernen wir ja, miteinander klarzukommen. Ich habe keine hohen Erwartungen an so eine Ehe, aber wir können ja versuchen, uns einigermaßen zu vertragen.“

„Das habe ich nicht gemeint, und das weißt du auch“, antwortete sie.

„Ach, du redest vom Sex?“, fragte er mit spöttischem Unterton. „Ah ja. Ich sehe es daran, dass du so hübsch rot wirst. Wo ist das Problem? Wenn es zwischen zwei Menschen funkt, ist es doch schade, wenn sie das nicht ausleben. Und Frauen werden durch ein erfülltes Liebesleben oft wesentlich umgänglicher. Wer weiß? Vielleicht würde dich guter Sex sogar zum Lächeln bewegen?“

Seine Worte erregten Keeley, sie machten sie schwach – und sie hasste sich dafür. „Und wenn ich mich weigere?“

„Warum solltest du?“ Er musterte sie. „Warum dagegen ankämpfen, wenn es doch so viel angenehmer ist, sich zu ergeben? Du denkst doch gerade daran, oder, Keeley? Du denkst daran, wie gut es sich angefühlt hat, mich in dir zu haben, von mir geküsst und berührt zu werden, bis du vor Lust geschrien hast?“

Das Furchtbare war, dass es nicht nur stimmte, was er sagte, sondern dass es sie sogar anmachte. Es war, als gehöre ihr Körper nicht mehr ihr selbst, als würde Ariston ihre Reaktionen mit seinem sengenden Blick steuern.

Ihre Brustwarzen hatten sich aufgerichtet, und sie spürte das Verlangen in sich aufwallen. Sie wollte ihn, ja, aber es war sicher falsch, Lust auf einen Mann zu haben, der so mit einem umging wie Ariston mit ihr. Er hatte sie wie ein Sexobjekt behandelt, nicht wie jemanden, den er respektierte, und sie ahnte, dass sich daran nichts ändern würde. Machte sie das nicht verwundbar? Sie war sich sicher, dass Ariston sehr verletzend sein konnte. „Aber was, wenn mir die Vorstellung unerträglich ist, mit einem Mann wie dir unterkühlten Sex zu haben?“

„Sex mit mir ist nie unterkühlt, das weißt du so gut wie ich. Aber wenn du dich dauerhaft sträubst, muss ich mir wohl eine Geliebte nehmen.“ Sein Gesicht verfinsterte sich. „Ich denke, so läuft das unter solchen Umständen.“

„In deinem Paralleluniversum vielleicht“, erwiderte sie.

„In dem Universum, in dem ich geboren worden bin und das ich kenne, ja. Ich werde mich nicht zu einem Leben in Enthaltsamkeit verpflichten, nur weil du nicht damit klarkommst, dass wir die Finger nicht voneinander lassen können“, antwortete er. „Aber ich werde kein Bedürfnis haben, mit einer anderen ins Bett zu gehen, wenn du dich verhältst, wie es einer Ehefrau ansteht. Wenn du mir deinen Körper gibst, verspreche ich dir Treue.“ Er lächelte kalt, als würde er sich an ihrem Widerstand weiden. Als würde er es genießen, sie zu unterwerfen. Sie zu besiegen. „Es hängt nur von dir ab“, sagte er. „Deine Entscheidung.“

Keeleys Herz klopfte heftig. Wie primitiv er über die Ehe und über Sex sprach! Er war selbstherrlich und stolz, und er brachte sie so durcheinander, dass sie nicht mehr klar denken konnte. Aber ihr war bewusst, dass sie keine Wahl hatte. Sie erinnerte sich daran, wie er gesagt hatte, dass er durch alle Instanzen gehen würde, sollte sie sich ihm entgegenstellen. Manche Leute mochten so etwas einfach nur so dahinsagen, aber Ariston gehörte wahrscheinlich nicht zu dieser Art von Leuten. Dennoch konnte er sie nicht zwingen, eine nicht funktionierende Ehe weiterzuführen. Und er konnte nicht von ihr verlangen, Sex mit ihm zu haben, nur weil das zu den ehelichen Pflichten gehörte. So primitiv konnte er nicht sein.

„Also gut, ich heirate dich. Allerdings musst du dir darüber im Klaren sein, dass ich es nur um der Sicherheit meines Kindes willen mache.“ Mit hocherhobenem Kopf sah sie ihm in die triumphierend funkelnden Augen. „Aber wenn du glaubst, du hättest leichtes Spiel, wenn du einen überschießenden Sexualtrieb mit mir befriedigen willst, dann irrst du dich.“

„Meinst du?“, fragte er mit einem arroganten, selbstbewussten Lächeln. „Ich irre mich fast nie.“

8. KAPITEL

„Wow! Eine Braut in Rot habe ich noch nie gesehen!“, rief Megan. „Ist das jetzt der neueste Trend?“

Bevor Keeley der Frau antworten konnte, die ihr an jenem verhängnisvollen Abend das Kleid geliehen hatte, beugte sich ihr frisch gebackener Ehemann vor und antwortete für sie.

„Das ist ein alter griechischer Brauch“, sagte er. „Früher war es üblich, dass die Braut einen roten Schleier trägt, um das Böse fernzuhalten. Und Keeley hat das ganze etwas abgewandelt und dem Look eine moderne Note verliehen. Darum auch der Kranz aus scharlachroten Rosen, stimmt’s, Keeley?“

Keeley, die sich über seine Auffassungsgabe fast mehr ärgerte als darüber, dass er ihr mit der Antwort zuvorgekommen war, sah in Aristons blaue Augen und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, als er einen Arm um ihre Taille legte und sie enger an sich zog. Für die Anwesenden musste er aussehen wie ein verliebter Bräutigam. Wie sehr der Schein doch trügen konnte! Denn er war kein verliebter Bräutigam, sondern ein kaltherziger Kontrollfreak, der vor Zufriedenheit fast platzte, weil er ihr vor einer Stunde einen Ehering an den Finger gesteckt hatte. Er hatte genau das bekommen, was er gewollt hatte, und nun war sie in einer Ehe gefangen, die sie nicht wollte.

Sein Mund näherte sich ihrem Ohr, und es ärgerte sie, dass ihr unwillkürlich ein erregter Schauer über den Rücken rieselte, als sein Atem ihre Haut kitzelte.

„Wie clever von dir, dass du dich über die griechischen Bräuche informiert hast“, raunte er. „Bin ich der böse Geist, den du fernhalten willst?“

„Na klar“, antwortete sie und setzte ein strahlendes Lächeln auf, weil sie gemerkt hatte, dass sie sich genauso gut verstellen konnte wie er. Sie konnte die perfekte, glückliche Frischvermählte abgeben. Warum sollte sie sich den Tag mit etwas so Trostlosem wie der Wahrheit verderben? Warum sollte sie die Leute nicht das glauben lassen, was sie glauben wollten – dass es war wie im Märchen? Dass sich die am Hungertuch nagende Tochter einer verrufenen Schauspielerin einen der begehrtesten Männer der Welt geschnappt hatte?

Insgeheim hatte sie sich gefragt, ob ihre Vergangenheit sie einholen und Ariston es sich noch einmal überlegen würde, ob er eine Frau mit ihrem Hintergrund heiraten wollte. Doch als eine Zeitungsredaktion die alte Geschichte von ihrer Mutter in der Staatskarosse ausgegraben und Ariston gefragt hatte, ob das geschmacklose Verhalten seiner zukünftigen Schwiegermutter ihm Sorgen bereite, hatte er gegen seine Gewohnheit ein Statement abgegeben. „Es gibt kaum etwas Langweiligeres als alte Nachrichten, finden Sie nicht?“

Komisch nur, dass er andererseits so ein Aufhebens um das gemacht hatte, was früher gewesen war. Doch ihre Schwangerschaft hatte offenbar alles geändert. Er sah über die Verfehlungen ihrer Mutter hinweg – und verhielt sich Keeley gegenüber unverhohlen besitzergreifend. Sanft streichelte er mit dem Finger über ihr Kleid und verweilte kurz auf ihrem leicht gewölbten Bauch, als habe er ein Recht darauf. Und das hatte er wohl auch. Denn nun zog er die Fäden. Zumindest, was das Finanzielle betraf. Er hatte ihr eine Kreditkarte gegeben und ihr gesagt, sie solle sich kaufen, was sie wolle – um sich in die Frau zu verwandeln, die bald seine Ehefrau sein würde. „Denn ich will, dass du ab sofort aussiehst wie meine Frau“, hatte er gesagt, „und nicht wie eine Supermarktangestellte.“

Seine Bemerkung hatte sie geärgert, und sie hatte Lust gehabt, nur noch ihre ältesten Klamotten anzuziehen, um zu sehen, wie er auf einen solchen Ungehorsam reagierte. Würde er versuchen, sie loszuwerden, und sie die Freiheit zurückerlangen, nach der sie sich sehnte? Doch dann hatte sie an ihr Baby gedacht – und daran, dass sie bald Mutter werden würde. Wollte sie wirklich in Second-Hand-Kleidung in den schicken Locations gesehen werden, die Ariston frequentierte? Das wäre ihrem ohnehin kaum vorhandenen Selbstbewusstsein sicher nicht zuträglich.

Und nachdem sie erst einmal damit angefangen hatte, das Geld ihres Verlobten auszugeben, hatte sie mit Entsetzen festgestellt, dass es ihr überraschend leichtfiel. Vielleicht war sie ihrer Mutter ähnlicher, als sie gedacht hatte. Oder sie hatte einfach vergessen, wie unberechenbar das Geld die Leute machen konnte …

Während Keeleys Kindheit war ihre Mutter immer gut bei Kasse gewesen und hatte das Geld mit vollen Händen ausgegeben. Manchmal, wenn sie besonders wohlwollend gestimmt gewesen war, hatte sie sogar ein wenig für ihre Tochter ausgegeben. Doch ihre Geschenke waren immer spektakuläre Reinfälle gewesen. Sie hatte Keeley unpraktische Rüschenkleider geschenkt, in denen sie zwischen den anderen Mädchen mit ihren Latzhosen herausgestochen war. Da hatte es alberne Wildlederschuhe gegeben, die beim ersten Kontakt mit einer Pfütze ruiniert gewesen waren, und Schleifen, mit denen sie ausgesehen hatte wie jemand aus einem vergangenen Jahrzehnt. Kein Wunder, dass sie so ein jungenhaftes Mädchen geworden war.

Doch Keeley hatte sich schnell an ihre Kreditkarte gewöhnt und mit Begeisterung für ihre neue Rolle als Aristons Frau eingekauft. Dabei hatte sie sich gern von der netten Stylistin beraten lassen, die man ihr in dem Luxuskaufhaus an die Seite gestellt hatte. Keeley hatte Kleidung gekauft, die zu ihrer sich verändernden Figur passte, und neue Unterwäsche, Schuhe und Handtaschen besorgt. Sie musste zugeben, dass sie es genoss, Kaschmir und Seide anstelle von kratzigen synthetischen Stoffen auf der Haut zu spüren. Dabei sagte sie sich, dass sie nur tat, worum sie gebeten worden war. Doch Aristons vielsagender Blick, als sein Fahrer, unter dem Gewicht der Einkaufstüten ächzend, in das Londoner Apartment gestolpert war, hatte ihr ein ungutes Gefühl gegeben. Es hatte sich angefühlt, als hätte sie gerade einen Teil seiner Vorurteile gegenüber Frauen bestätigt.

Doch Geld wirkte befreiend. Es eröffnete ihr ganz neue Möglichkeiten. Diese neue Freiheit hatte sie ermutigt, das scharlachrote Seidenkleid und die dazu passenden Schuhe zu kaufen, und insgeheim hatte sie es genossen, wie geschockt die Stylistin reagiert hatte, als Keeley ihr gesagt hatte, dass es ihr Brautkleid werden solle.

„Sie sind doch nicht etwa eine scharlachrote Frau, oder?“, hatte die Frau gescherzt.

Und nun, bei der kleinen, aber glanzvollen Feier, nahm Ariston ein wenig Abstand und musterte sie mit glühendem Blick.

„Allerhand“, murmelte er. „Wirklich allerhand.“

Autor

Natalie Anderson
Natalie Anderson nahm die endgültigen Korrekturen ihres ersten Buches ans Bett gefesselt im Krankenhaus vor. Direkt nach einem Notfall-Kaiserschnitt, bei dem gesunde Zwillinge das Licht der Welt erblickten, brachte ihr ihr Ehemann die E-Mail von ihrem Redakteur. Dem Verleger gefielen ihre früheren Korrekturen und da es gerade einen Mangel an...
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