Im Rausch einer Nacht

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Auf der Weihnachtsfeier trifft der attraktive Mitch die große Liebe! Bei der schönen Designerin Nicole wird er sofort schwach. Was sie dann gemeinsam erleben, ist nicht nur heiß und sinnlich - es ist ein einziger Rausch! Doch am nächsten Tag tut Nicole, als wäre nichts gewesen …


  • Erscheinungstag 12.08.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733718206
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Der Schwangerschaftstest konnte einfach nicht stimmen!

Nicole saß im Labor des Krankenhauses, das ganz in der Nähe ihrer Firma lag. Sie hatte sich einen Termin geben lassen, weil sie sich schon seit Tagen nicht richtig wohlfühlte und annahm, sie hätte vielleicht eine Grippe.

„Ich bin mir vollkommen sicher, dass da ein Irrtum vorliegen muss. Das können schlicht und einfach nicht meine Testergebnisse sein, da ich schon lange nicht mehr mit einem Mann intim war“, sagte Nicole.

Die Schwester blieb ruhig und gelassen. Offenbar hatte sie dieses Argument schon des Öfteren gehört. „Ich stimme Ihnen zu, dass bei einem Test Irrtümer vorkommen können. Daher machen wir immer eine Gegenprobe, bevor wir unser Ergebnis mitteilen. Und es besteht bei Ihnen keinerlei Zweifel, Miss Stewart: Sie sind seit zweieinhalb Monaten schwanger. Da ich an Ihren Reaktionen jedoch erkenne, dass Sie überhaupt nicht mit einer Schwangerschaft gerechnet haben, bin ich gerne bereit, Ihnen jemanden zu nennen, mit dem Sie sich in Ruhe aussprechen können.“

„Schwester, Sie scheinen mich nicht zu verstehen.“ Nicole hob eine Spur ihre Stimme. „Ich war mit keinem Mann zusammen!“

„Es sollen ab und zu zwar noch Wunder geschehen, Miss Stewart“, antwortete die Schwester ungerührt, „aber es gehören immer noch zwei Menschen dazu, um schwanger zu werden. Außer Sie sind der Meinung, bei Ihnen habe eine unbefleckte Empfängnis stattgefunden.“

Offenbar wollte die Schwester Nicole mit ihrer witzigen Bemerkung ein wenig aufmuntern. Doch Nicole war alles andere als zum Lachen zu Mute. „Ich bin schließlich zweiunddreißig und keine sechzehn mehr. Ich bin ein verantwortungsbewusster, erwachsener Mensch und weiß natürlich, an wen ich mich wenden muss, wenn ich Rat brauche“, entgegnete sie ärgerlich.

Die Schwester ließ sich durch Nicoles etwas barschen Ton nicht davon abhalten, noch etwa eine Viertelstunde bei ihr sitzen zu bleiben. Sie schrieb ihr Vitaminpräparate und ein Mittel gegen die morgendliche Übelkeit auf. Dann entließ sie Nicole mit gut gemeinten Ratschlägen für die kommenden Monate.

Nicole war wie vor den Kopf geschlagen, als sie schließlich aus dem Krankenhaus trat. Ein scharfer Wind schlug ihr entgegen, und ihr war kalt in ihrer dünnen, cremefarbenen Seidenbluse. Als sie vor etwa zwei Stunden das Büro verlassen hatte, war es angenehm warm gewesen, und sie hatte es nicht für nötig gehalten, ihren Blazer überzuziehen. Obwohl sie inzwischen eigentlich wissen müsste, wie schnell das Wetter hier an der Küste Oregons umschlug. Außerdem war es auch noch März. Da änderte sich die Witterung fast stündlich.

Eilig ging Nicole zu ihrem Auto, öffnete schnell die Fahrertür und ließ sich ermattet in die Polster sinken. Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie den Wagen kaum starten konnte, und sie schaffte es fast nicht, die Heizung anzustellen.

Es war völlig verrückt, was man ihr da gerade mitgeteilt hatte. Wenn sie jetzt beinahe im dritten Monat war, bedeutete das, dass sie um die Weihnachtszeit herum schwanger geworden sein musste.

Doch das war nicht möglich. So wie sie die Sache sah, bestand nicht einmal die geringste Wahrscheinlichkeit. Es war schlichtweg 100-prozentig unmöglich.

Nicole gab Gas und bog auf den Highway ein, der sich an der Küste entlangschlängelte. Sie hatte nur etwa zehn Minuten zu fahren, um ihre Firma zu erreichen. Sie war Inhaberin eines Designerbüros, das nach den neuesten psychologischen und medizinischen Erkenntnissen Arbeitsplätze gestaltete. Vor wenigen Jahren hatte Nicole ganz klein angefangen. Aber inzwischen boomte ihre Firma derart, dass sie noch einige hoch qualifizierte Leute eingestellt hatte, die jetzt sogar ganze Bürogebäude entwarfen.

Schon immer hatte Nicole Designerin werden wollen. Anfangs jedoch, nach ihrem Studium, waren die in Frage kommenden Arbeitsbereiche völlig überlaufen gewesen. Als Psychologen dann immer mehr darauf hinwiesen, wie wichtig es für eine gute Arbeitsleistung sei, dass die Menschen sich an ihrem Arbeitsplatz wohl fühlten, weil er nicht nur nach ergonomischen, sondern auch nach ästhetischen Gesichtspunkten gestaltet war, hatte Nicole die Chance ihres Lebens gewittert und, ohne lange zu überlegen, ihre eigene Firma gegründet.

Da die Gestaltung von Arbeitsplätzen auch unter psychologischen Gesichtspunkten zu dem Zeitpunkt noch ziemlich neu gewesen war, hatte sie keine große Konkurrenz zu fürchten und von Anfang an großen Erfolg gehabt. Diese Arbeit kam nun nicht nur ihren künstlerischen Bedürfnissen entgegen, sondern sie konnte damit auch ihren Mitmenschen etwas Gutes tun, was ihr ebenso wichtig war und sie glücklich machte.

Um ihre Firma gleich in der Gründungsphase auf eine solide Basis zu stellen, hatte Nicole sich sofort einen sehr guten Ingenieur und einen innovativen Architekten gesucht. Die künstlerischen Ideen und Entwürfe für die Innenausstattung blieben ihr Aufgabengebiet. Anfangs hatte sie täglich bis zu sechzehn Stunden gearbeitet und auch jedes Wochenende der Arbeit geopfert. Aber ihr Einsatz hatte sich gelohnt. Ihre Firma lief mittlerweile so gut, dass sie die hereinkommenden Aufträge kaum bewältigen konnten.

Weil Nicole so hart gearbeitet hatte, um dieses Ziel zu erreichen, war an ein Privatleben für sie nicht zu denken gewesen und an ein Baby schon gar nicht. Sicher, wenn ihr der Richtige begegnet wäre, hätte die Sache vielleicht anders ausgesehen. Aber der bewusste Eine war ihr nicht über den Weg gelaufen, und deshalb hatte sich diese Frage für sie nie gestellt. Das war ja der springende Punkt: der Richtige war ihr eben nicht begegnet, der Falsche aber auch nicht. Denn es war ihr während der anstrengenden Aufbauphase ihrer Firma überhaupt kein Mann begegnet. Abgesehen von den Männern, mit denen sie beruflich zu tun hatte.

Dabei war es keineswegs Nicoles Absicht gewesen, wie eine Nonne zu leben. Es hatte sich einfach so ergeben. Allerdings hatte sie auch wichtige, ganz persönliche Gründe gehabt, sich in einen Workaholic zu verwandeln und wie eine Besessene zu arbeiten.

Als Jugendliche war Nicole ziemlich auf die schiefe Bahn geraten. Wer weiß, was passiert wäre, wenn da nicht Sam gewesen wäre, ein Polizist, der ihr vor siebzehn Jahren, zusammen mit seiner Frau Leila, geholfen hatte. Dank ihnen hatte sie wieder festen Boden unter die Füße bekommen. Um ihrer belastenden Situation zu entkommen, hatte sie damals ein neues Leben begonnen, hatte den Ort gewechselt und sich bemüht, nicht mehr zurückzuschauen.

Deshalb überraschte es Nicole auch, dass nun, nach so vielen Jahren, plötzlich Gefühle in ihr hochkamen, die sie tief in sich begraben geglaubt hatte. Gefühle der Beklemmung und Angst. Dabei hatte sie jetzt allen Grund, stolz auf sich zu sein. Aus eigener Kraft war aus dem vom Abrutschen ins kriminelle Milieu bedrohten Teenager eine verantwortungsbewusste, erfolgreiche Geschäftsfrau geworden. Allerdings tat es ihr immer noch weh, wenn sie an ihre wilden Jahre dachte.

Darum hatte sie sich während der letzten Jahre sehr bemüht, perfekt zu sein. Fehler durfte sie sich nach ihrem Empfinden keine leisten. Bis jetzt war sie der Überzeugung gewesen, dass ihr das auch gelungen war, jedenfalls bis zu dem Augenblick, als sie von ihrer Schwangerschaft hörte.

Nicole parkte vor dem modernen Bürogebäude aus Glas und Beton und lief hinein, um der Kälte zu entkommen. Auf ihrer Etage hastete sie an ihren Angestellten John, Mitch, Wilma und Rafe vorbei.

Ihr Büro lag am äußersten Ende des langen Flures und war ihr Heiligtum. Sie hatte sich große Mühe gegeben, es so schön wie möglich zu gestalten. Die Wände waren mit blauer Seide bespannt. Ein farblich abgestimmter dicker Teppich, mit dem der ganze Raum ausgelegt war, dämpfte ihre Schritte. Die hohen Panoramafenster boten einen atemberaubenden Blick auf die felsige Steilküste und das unendliche Blau des Pazifiks.

Die Wellen brachen sich mit lautem Getöse an den steil ins Meer abfallenden Felsen. Nicoles Blick blieb an dieser kargen, weiten Landschaft hängen. So wie sich ihr die Natur bot, fühlte sie sich heute auch – einsam und verloren. Erschöpft und ziemlich mutlos ließ sie sich in ihren großen Sessel hinter dem blank polierten Schreibtisch aus Edelholz sinken und schloss die Augen, um besser nachdenken zu können. Um zu begreifen, wie es zu ihrer Schwangerschaft gekommen war.

Das einzige Vergnügen, das sie sich in der letzten Zeit erlaubt hatte, war die Weihnachtsparty gewesen. Und die hatte sie selbst gegeben. Sie hatte ihre Angestellten für ihren unermüdlichen Einsatz und den fantastischen geschäftlichen Erfolg belohnen wollen. An dem Tag hatte sie an nichts gespart, und es war ein rauschendes Fest gewesen. Dabei musste es passiert sein, und deshalb konnte nur einer ihrer Angestellten als Vater ihres Kindes infrage kommen.

Eine bestürzende Erkenntnis, und fassungslos ließ Nicole den Abend noch einmal an ihrem geistigen Auge vorüberziehen. Irgendwann war ihr schon vorher aufgefallen, dass sie sich an einzelne Phasen jenes Abends überhaupt nicht mehr erinnern konnte. Aber darüber hatte sie sich keine großen Gedanken gemacht, sondern es damit erklärt, dass sie so fürchterlich müde gewesen war. Sie hatte sehr viel zu tun gehabt. Großzügigerweise hatte sie ihren Gästen auch noch angeboten, bei ihr zu übernachten, damit alle das Fest und den Champagner auch wirklich genießen konnten, ohne sich Sorgen wegen der Heimfahrt machen zu müssen.

Es hatte viel zu organisieren gegeben. Als der Party-Service den Hummer lieferte und die Platte mit den eisgekühlten Austern, hatte sie die kühl stellen müssen. Auch die frischen Erdbeeren, die mit Schokoladenguss überzogen gewesen waren, hatten so verwahrt werden müssen, dass sie nicht matschig wurden. Und noch unzählige andere Dinge hatte sie zu erledigen gehabt, die ihr jetzt nicht mehr einfielen. Sie wusste nur noch, dass sie ständig in Bewegung gewesen war, bevor ihre Gäste eintrafen. Aber ihre Firma hatte ja auch wirklich etwas zu feiern gehabt, darum hatte sie das alles gern gemacht.

Nicole rieb sich die Schläfen. An manches erinnerte sie sich in allen Einzelheiten. Zum Beispiel daran, dass ihre Gäste sie geneckt hatten, weil sie überhaupt nichts trank. Doch sie hatte in ihrer Jugend lernen müssen, dass sie Alkohol meiden sollte, weil selbst ein Glas für sie verhängnisvoll werden konnte. Nie mehr würde sie sich so gehen lassen wie damals als Teenager.

Jetzt wurde sie geachtet und respektiert, und so sollte es auch bleiben. Schließlich hatte sie hart an sich gearbeitet, um dieses Ziel zu erreichen. Plötzlich fiel Nicole ein, dass jemand ihr ein Glas Champagner in die Hand gedrückt hatte. An dieses erste Glas konnte sie sich jetzt genau erinnern. Aber waren es womöglich noch mehr Gläser gewesen?

Mit erschreckender Klarheit wurde ihr bewusst, dass sie ab diesem einen Glas Champagner einen Filmriss hatte. Sie hatte schlichtweg keine Erinnerung mehr daran, wie jener Abend weitergelaufen war. Und da sie natürlich nicht an eine unbefleckte Empfängnis glaubte, musste das der fragliche Zeitraum gewesen sein.

Nicole sprang auf und stellte sich in ihre offene Bürotür. Auch jeder ihrer Angestellten hatte sein eigenes Büro. Aber es gab als Mittelpunkt der Firma einen gemeinsamen Arbeitsraum mit Zeichenbrettern, Computern und einer Video-Anlage. Dieser zentrale Raum hatte sich sehr bewährt, da oft mehrere Personen gleichzeitig an einem Auftrag arbeiteten und sie sich auf diese Weise optimal miteinander austauschen konnten.

John hatte die Beine auf den Schreibtisch gelegt, hielt seinen Skizzenblock im Schoß und strichelte in Gedanken versunken vor sich hin. Von ihrem Blickwinkel aus konnte Nicole gut seinen Kopf sehen, den eine beeindruckende Glatze zierte, seine nachdenklich gerunzelte Stirn und seinen Mickymaus-Schlips. John war für das Marketing und die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Er war zweiundvierzig und bekam schon einen kleinen Bauch. In seiner Arbeit war er unschlagbar. Als seine Frau ihn letztes Jahr verlassen hatte, hatte Nicole schon befürchtet, dass er seine Depression nie mehr überwinden würde. Doch John hatte es geschafft, und nicht nur deshalb hatte sie eine sehr hohe Meinung von ihm. Wenn sie wirklich einmal jemanden brauchen sollte, um sich auszusprechen, würde sie ohne Zögern zu John gehen. Aber er war eher wie ein Bruder für sie, und auch wenn sie an jenem Abend ziemlich angetrunken gewesen wäre, konnte sie sich nicht vorstellen, mit ihm geschlafen zu haben.

Rafe kam mit einer Tasse Kaffee in der Hand hereingeschlendert und ließ sich auf einen Stuhl vor dem Zeichenbrett fallen. Rafe war vierunddreißig und Single. Er sah so umwerfend gut aus, mit seinen dunklen Haaren und den dunklen Augen, dass Nicole ihn allein aus dem Grund fast nicht eingestellt hätte. Aber ihre Befürchtung, dass Rafe ein Casanova war, hatte sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Rafe hielt sich sehr zurück, er bekam nur ab und zu seine Temperamentsausbrüche, die gingen aber immer genauso schnell wieder vorüber, wie sie auftraten. Und in seiner Arbeit war er top.

Nicole betrachtete Rafe genau. Mit Sicherheit konnte er jede Frau, noch dazu unter Alkoholeinfluss, für sich gewinnen. Aber Rafe verhielt sich immer absolut korrekt. Er hatte ihr erzählt, dass er seinen vorherigen Job verloren habe, weil er Geschäft und Vergnügen nicht genügend voneinander getrennt habe und dass er entschlossen sei, diesen Fehler nicht noch einmal zu begehen. Auch wenn Rafe sie begehren würde, konnte sie sich niemals vorstellen, dass er versuchen würde, sich an sie heranzumachen. Das erschien ihr bei seiner Einstellung einfach undenkbar.

Wilma durchquerte den Raum mit einem Stapel Papiere in Händen. Sie bückte sich rasch, um John einen Kuss auf die Glatze zu drücken. Wilma war eine sehr attraktive dunkelhaarige Frau mit braunen Augen. Sie war achtundzwanzig, hatte eine tolle, kurvenreiche Figur, und die Männer lagen ihr zu Füßen. Daran hatte Wilma ihren Spaß, verhielt sich aber zu allen im Büro gleichermaßen freundschaftlich. Beim gemeinsamen Morgenkaffee musste Wilma täglich über ihr ereignisreiches Liebesleben berichten. Sie genoss das sehr, und ihre männlichen Kollegen gierten förmlich danach, jede Einzelheit über ihre Abenteuer zu erfahren.

Nicole hatte nie den Versuch gemacht, das zu unterbinden. Denn Wilma leistete sehr gute Arbeit, und nur das zählte für sie. Die Buchhaltung war tipptopp in Ordnung, sämtliche Schreibarbeiten wurden zügig erledigt, und Wilma brachte mit ihrer ungezwungenen Art Schwung in den Laden.

Dann gab es da noch Mitch Landers. Nicole konnte ihn von ihrem Standort aus nicht sehen, hörte aber seine dunkle, etwas rauchige Stimme. Anscheinend diskutierte er gerade mit Rafe. Mitch war zweiunddreißig und damit genauso alt wie sie. Die anderen im Büro nannten ihn den Langen. Mitch war ja auch wirklich ungewöhnlich groß und außerdem noch sehr schlank. Er hatte helles Haar, das aussah wie von der Sonne gebleichter Sand, und seine Augen waren von einem so intensiven Blau wie ein wolkenloser Himmel über dem Meer.

Mitch war sehr sexy, ohne Frage. Allerdings musste man eine Vorliebe für dermaßen große, schlaksige Männer haben. Nicole hatte diese Vorliebe aber eigentlich nicht.

Mitch war als Letzter zu ihrem Team gestoßen. Sie hatte ihn eingestellt, als ihre Innenarchitektin nach New York gegangen war. Anfangs hatte Nicole befürchtet, lange suchen zu müssen, bis sie einen passenden Ersatz für Janice finden würde, denn die war eine sehr gute Kraft gut gewesen. Mitch war ihr wie ein Geschenk des Himmels erschienen, und er brachte sogar noch bessere Voraussetzungen für diesen Job mit, als Janice sie gehabt hatte.

Mitch war schon nach kurzer Zeit für die Firma unentbehrlich geworden. Alle liebten ihn, weil er eine fantastische Art hatte, mit Menschen umzugehen. Nicole mochte ihn eigentlich auch, und es war ihr deshalb unerklärlich, dass sie ständig aneinandergerieten. Zumindest zu Anfang war das so gewesen. Inzwischen hatte sie es aufgegeben, sich nach den Gründen zu fragen, und Mitch mehr Handlungsfreiheit zugestanden. Sie ließ ihn einfach machen, denn sie wusste, dass er kompetent war.

Aber sie konnte unmöglich mit Mitch geschlafen haben, denn sie hatte verschiedentlich gehört, dass er eine feste Freundin habe. Und niemals würde sie sich mit einem Mann einlassen, der mit einer anderen zusammen war.

Plötzlich wurde Nicole übel, und sie legte automatisch die Hand auf ihren Bauch. Ihr Herz begann zu rasen. Die Grübelei macht mich noch verrückt, sagte sie sich. Außerdem führt sie zu nichts.

Aber da es nur auf der Weihnachtsparty passiert sein musste, konnte nur einer ihrer Angestellten infrage kommen. Das wiederum war für Nicole undenkbar, da sie stets darauf achtete, ihr Geschäfts- und Privatleben strikt voneinander zu trennen. Und außerdem: warum hatte der betreffende Mann nie ein Wort darüber verloren? Und war es wirklich möglich, dass sie total vergessen hatte, mit wem sie in jener Nacht geschlafen hatte?

Nur eines wusste Nicole ganz sicher: am Morgen nach der Party war sie allein in ihrem Bett aufgewacht.

Nicole zerbrach sich den Kopf.

Ich kann unmöglich schwanger sein, sagte sie sich immer wieder.

Aber sie war es trotzdem.

„Nicole? Haben Sie einen Moment Zeit?“

Mitch Landers hatte den ganzen Nachmittag auf einen Moment gewartet, an dem er seine Chefin allein sprechen konnte. Denn er wollte kündigen. Bereits seit Tagen hatte er über diesen Schritt nachgedacht und war dann zu dem Schluss gekommen, dass es sein musste. Heute hatte er sich nun dazu durchgerungen, das Kündigungsschreiben aufzusetzen, und hielt es jetzt in den Händen, als er kurz vor fünf Nicoles Heiligtum betrat.

Sie stand am Fenster, als er klopfte, und drehte sich sofort um, als er sie ansprach.

„Kommen Sie nur herein, Mitch. Was gibt es? Ist es wieder das Llewellyn-Konto?“, fragte Nicole.

„Nein, nein, nichts dergleichen. Ich muss über etwas anderes mit Ihnen sprechen.“ Mitch stockte. Seine Chefin war heute ungewöhnlich blass. „Nicole, fühlen Sie sich nicht wohl?“

Es gelang ihr, trotz allem zu lächeln. „Ich hatte schon bessere Nachmittage, aber danke, mir geht es ganz gut“, antwortete sie, wirkte aber keineswegs so. „Kommen Sie, Mitch, setzen Sie sich und erzählen Sie mir Ihr Problem.“

Mitch setzte sich in einen der eleganten, blauen Bürosessel und streckte die langen Beine aus. In diesem Büro fühlte er sich immer etwas deplatziert. Nervös schlug er mit dem Briefumschlag an sein Knie. Nicoles Anblick erschreckte ihn. Sie sah aus, als würde sie gleich umfallen. Was er sich vorgenommen hatte, musste warten. Entschlossen steckte er den Briefumschlag wieder weg.

Was war bloß mit seiner Chefin los? War sie krank oder fürchtete sie sich vor etwas? Hatte vielleicht jemand ihren Hund überfahren? Auf jeden Fall war etwas mit ihr ganz und gar nicht in Ordnung. Denn so hatte er Nicole Stewart noch nie erlebt.

Aufmerksam betrachtete er sie. Normalerweise begann sein Puls sofort zu rasen, wenn er sie auch nur einen Moment länger als nötig ansah. Das war von Anfang an so gewesen. Seine Hormone spielten verrückt. Aber heute überwogen seine Sorgen um Nicole. Rein äußerlich konnte er nichts Auffallendes an ihr entdecken, außer dass sie kreideweiß war. Sie trug eine cremefarbene Seidenbluse zu einem maßgeschneiderten grünen Kostüm, das ihre zierliche, knabenhafte Figur hervorragend zur Geltung brachte. Ihre Beine waren atemberaubend lang und schlank. Zwar fehlten ihr ein wenig die weiblichen Rundungen an den richtigen Stellen, aber die elegante, geschmeidige Art, in der Nicole sich bewegte, verfehlte nie die Wirkung auf ihn.

Ihr Gesicht war zart und schmal, und wurde von rotbraunen Locken eingerahmt, die Nicole alle vier Wochen erbarmungslos bei einem Haarstylisten schneiden ließ. Er fand das reine Geldverschwendung, denn ihre krausen Locken waren einfach nicht zu bändigen. Sie hatte eine kleine gerade Nase, ein Kinn, das Charakter verriet, und wunderschöne, hohe Wangenknochen. Die Form ihres Mundes ließ ihn immer wieder darüber nachdenken, wie sie wohl küsste. Und wenn sie lächelte, was leider viel zu selten vorkam, sah er eine Reihe ebenmäßiger weißer Zähne.

Nicole war eine sehr mutige Frau, was ihn von Anfang an fasziniert hatte. Für ihre Angestellten setzte sie sich ohne Zögern ein, wenn es Schwierigkeiten mit den Kunden gab. Sie wich keiner Auseinandersetzung aus, auch wenn sie selbst Blessuren davontrug oder den Kampf sogar verlor. Sie kämpfte mit den Waffen einer Frau, wurde nie ausfallend und sprach mit leiser Stimme, um ihren Standpunkt deutlich zu machen. Aber wenn nötig, zeigte sie auch die angemessene Härte, um sich durchzusetzen. Schon mehrmals hatte er sich gefragt, wo sie diesen Kampfgeist trainiert hatte.

Bis zu diesem Moment hatte er bei Nicole noch nie auch nur eine Spur von Angst wahrgenommen. Was mochte geschehen sein? Doch da er von ihrem Privatleben so gut wie nichts wusste, weil sie nie über persönliche Dinge sprach, konnte er nur raten.

Aber dafür war jetzt keine Zeit, denn Nicole wirkte, als hätte sie einen Schock erlitten. Weil sie so blass war, erschienen ihre Augen ihm heute noch größer als sonst. Nicole hatte mandelförmige blaugraue Augen, die ihr Gesicht beherrschten. Dennoch gelang es ihm nie, an ihrem Ausdruck zu erkennen, was in ihr vorging. Ihr Blick blieb stets distanziert.

Umso ungewöhnlicher war es, dass in diesen Augen jetzt Panik und Schmerz lagen. Das beunruhigte ihn so sehr, dass er drauf und dran war, den ärztlichen Notdienst anzurufen.

„Sie wollten mich sprechen?“, erinnerte ihn Nicole.

„Ja, darum bin ich gekommen, aber es ist nicht so wichtig. Was ist mit Ihnen, Nicole? Sie sehen wirklich elend aus. Ist heute Nachmittag irgendetwas passiert?“

„Ja. Nein … Ich … Oh, Gott.“ Sie ließ sich seufzend in ihren tiefen Sessel hinter dem Schreibtisch sinken und bemühte sich zu lächeln, um Mitchs Sorgen zu zerstreuen. „Mir geht es gut. Im Übrigen geht Sie das auch nichts an, Mitch. Aber ich gebe zu, dass dies nicht gerade ein günstiger Zeitpunkt für ein Gespräch ist. Ich wäre froh, wenn wir es auf morgen verschieben könnten.“

Aus den umliegenden Büroräumen war plötzlich fröhliches Geplauder zu hören. Wilmas dunkles Lachen ertönte und dann das Schlagen von Türen. Es war Feierabend. Eigentlich könnte ich jetzt auch gehen, dachte Mitch, denn Nicole will offensichtlich allein sein. Aber das brachte er nicht fertig, weil sie wirklich aussah, als könnte der leiseste Windhauch sie umpusten.

„Ich nehme an, dass es nichts Geschäftliches ist, sondern etwas Privates“, sagte er.

„Richtig, darum geht es Sie ja auch nichts an.“

„Heute Nachmittag waren Sie einige Stunden außer Haus“, fuhr Mitch fort und ließ sich nicht beirren. „Hatten Sie einen Arzttermin und haben ernsthafte gesundheitliche Probleme? Ist bei Ihnen eingebrochen worden? Oder haben Sie Kummer mit Ihrer Familie?“

„Um Himmels willen, Mitch! Es lag mir völlig fern, Sie zu beunruhigen. Ja, ich hatte einen Arzttermin, aber mir geht es gut. Zumindest wird es mir morgen wieder besser gehen.“

Es war offenkundig, dass Nicole in Ruhe gelassen werden wollte. Aber da er sie noch nie so aufgeregt wie heute erlebt hatte, lieb Mitch sitzen und blickte sie forschend an. „Was hat der Arzt Ihnen denn mitgeteilt, dass Sie so fertig sind?“

Als ob seine beharrlichen Fragen ihren Widerstand geschwächt hätten, brach es plötzlich aus Nicole heraus. „Ich bin schwanger.“

Wahrscheinlich war er nicht der erste Mann, dem es bei dieser Nachricht die Sprache verschlug. Sein Herz setzte einen Moment lang aus und begann dann wie wild zu hämmern. Mitch war so perplex, dass er selbst dann wie festgeklebt im Sessel sitzen geblieben wäre, wenn jetzt ein Feuer ausgebrochen wäre.

„Verflixt, Landers! Ich wollte Ihnen das gar nicht sagen.“ Nicole benutzte immer nur dann seinen Nachnamen, wenn sie sich über Mitch ärgerte. Das passierte allerdings ziemlich häufig. Ungeduldig fuhr sie sich durch ihre Locken. „Doch da ich meinen Mund schon nicht halten konnte, muss ich wohl etwas mehr dazu sagen. Vor allem bitte ich Sie, vorläufig darüber zu schweigen. Ich werde es natürlich kaum lange verheimlichen können, denn man wird es mir bald ansehen. Aber da ich die Nachricht selbst gerade erst erfahren habe, brauche ich ein wenig Zeit, um damit fertig zu werden, bevor ich darüber sprechen kann.“

„Ich werde schweigen wie ein Grab, darauf können Sie sich verlassen“, antwortete Mitch. Er hätte gern mehr gesagt, war aber nicht dazu in der Lage, weil er das Gefühl hatte, einen Kloß im Hals zu haben. Außerdem klopfte sein Herz so stark, dass er kaum denken konnte.

Nicole erhob sich und lief nervös hin und her. Sie erinnerte Mitch an einen eingesperrte Wildkatze, die so unter Spannung stand, dass sie sich durch Bewegung ein wenig Erleichterung verschaffen musste. Schließlich blieb Nicole stehen, schaute einige Minuten nach draußen auf den weiten Pazifik und ließ dann die Jalousien herunter, um durch nichts abgelenkt zu werden.

„Das ist noch nicht alles, Mitch“, fuhr sie fort. „Normalerweise ist es heute kein Problem mehr, als Frau ein Kind allein großzuziehen. Schließlich bin ich zweiunddreißig und könnte mir auch finanziell ein Kind leisten. Aber …“

„Wollen Sie das Baby nicht?“, fragte Mitch leise.

Nicole sah ihn empört an. „Natürlich möchte ich das Baby“, antwortete sie in bestimmtem Ton und legte instinktiv eine Hand auf ihren Bauch. „Ich habe es zwar zu diesem Zeitpunkt nicht geplant, aber ich werde einen Weg finden, um die Schwierigkeiten zu bewältigen. Ich brauche jetzt einfach nur ein wenig Ruhe, um mich mit dem Gedanken anzufreunden. Es ist auch gar nicht die Tatsache, dass ich schwanger bin, die mich so umgeworfen hat, es sind die beschämenden Umstände.“

„Was meinen Sie damit?“

Nicole stöhnte. Sie fuhr sich erneut durchs Haar und lehnte sich an den Aktenschrank. „Mitch, ich wollte Ihnen doch eigentlich gar nichts sagen.“

Obwohl er ihre Haltung kannte, alles allein zu bewältigen, verletzte es ihn doch sehr, dass Nicole ihn nicht aus freien Stücken ins Vertrauen gezogen hatte, sondern quasi nur aus der Not, weil sie so unter Druck stand und keinen anderen Ausweg wusste. „Jetzt erzählen Sie mir den Rest auch noch“, sagte er.

Autor

Jennifer Greene

Seit 1980 hat die US-amerikanische Schriftstellerin Jennifer Greene über 85 Liebesromane veröffentlicht, die in über 20 Sprachen übersetzt wurden. Unter dem Pseudonym Jennifer Greene schreibt die Autorin Jill Alison Hart seit 1986 ihre Romane. Ihre ersten Romane wurden 1980 unter dem Namen Jessica Massey herausgegeben, das Pseudonym Jeanne Grant benutzte...

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