Julia Best of Band 190

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SO EROBERE ICH DEIN HERZ von MORTIMER, CAROLE
Noch nie wurde der umschwärmte Unternehmer Ricardo Dalmont so stehengelassen! Die kühle Shanna reizt ihn, aber sein Charme scheint wirkungslos. Als er sie entkräftet in ihrer Wohnung findet, kann er ihr endlich seine Liebe beweisen. Doch er muss erkennen, dass Shanna etwas vor ihm verbirgt …

NIE VERGAß ICH DIESE EINE NACHT von MORTIMER, CAROLE
Nur ein Mal die Nähe dieses Mannes spüren: Bella verzehrt sich vor Sehnsucht nach dem begehrten Millionenerben Gabriel Danti. Als sie sich auf einer Party begegnen, gibt Bella ihrer drängenden Leidenschaft nach. Doch am nächsten Morgen ist Gabriel verschwunden und ihr bleibt nur ein süßes Geheimnis …

DIE FARBEN DES GLÜCKS von MORTIMER, CAROLE
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  • Erscheinungstag 04.08.2017
  • Bandnummer 0190
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708917
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Carole Mortimer

JULIA BEST OF BAND 190

1. KAPITEL

Als Shanna den Salon betrat, sah sie ihn sofort.

Am liebsten hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre gleich wieder gegangen.

Stattdessen hielt sie dem Blick aus Rick Dalmonts dunklen Augen stand, nickte knapp und wandte sich an ihre Schwägerin Janice. Dennoch spürte sie, dass er sie noch immer ansah. So wie jedes Mal, wenn sie sich über den Weg liefen – was in letzter Zeit auffallend häufig vorkam.

„Ich bin froh, dass du hier bist“, sagte Janice. Shanna brauchte nicht zu fragen, wieso: Rick Dalmont war der Grund.

Er stand mit ihrem Bruder Henry zusammen. Bis zu ihrem Eintreten waren die beiden Männer in ein ernsthaftes Gespräch vertieft gewesen. Shanna wusste, wie sehr Janice es hasste, wenn auf ihren Partys berufliche Themen aufkamen.

„Lotse ihn bloß von Henry weg“, flüsterte Janice verschwörerisch. „Das soll eine Party sein, kein Geschäftstreffen!“

„Ich bin sicher, Henry hat gar nichts dagegen.“ Shanna kannte ihren Bruder gut genug, um zu wissen, dass er von seiner Arbeit besessen war.

„Wahrscheinlich hat er das Thema Arbeit sogar angesprochen.“ Janice nickte. „Aber plötzlich scheint er Rick nicht mehr fesseln zu können“, sagte sie spöttisch.

Shanna folgte Janices amüsiertem Blick, und ihre grünen Augen trafen auf Ricks. Als Shanna ihm zum ersten Mal in die Augen geschaut hatte, war sie fasziniert gewesen von dem dunklen Braun, das fast schwarz wirkte. Nie zuvor hatte sie einen Mann getroffen, dessen Augen so magisch und geheimnisvoll wirkten.

Rick Dalmont hatte kein Hehl aus seinem Interesse an Shanna gemacht, seit sie sich vor zwei Wochen zum ersten Mal begegnet waren. Der jungen aufstrebenden Schauspielerin, die bis dahin an seiner Seite zu sehen gewesen war, hatte er noch am gleichen Abend den Laufpass gegeben.

Unzählige Frauen würden sich von dem unverhohlenen Interesse des begehrten Junggesellen geschmeichelt fühlen. Shanna allerdings wünschte sich, er hätte sich ein anderes Ziel für seine Aufmerksamkeit gesucht, denn er war überhaupt nicht ihr Typ.

Ricardo Dalmont, so sein vollständiger Name, war zur Hälfte Spanier, zur Hälfte Amerikaner, ein schwarzhaariger, dunkeläugiger Wirtschaftstycoon. Ihm eilte der Ruf als Frauenheld voraus, und Gerüchten zufolge ging er bei der Beendigung einer Beziehung nicht sonderlich feinfühlig mit seinen Freundinnen um. Im Gegenteil: Eine Frau wurde ohne Vorwarnung durch die nächste ersetzt.

Außerdem stand Shanna im Moment nicht der Sinn nach einer Beziehung, auch wenn sie ehrlicherweise zugeben musste, dass Rick gut aussah. Das schwarze Haar war ein wenig zu lang, das gebräunte Gesicht markant. Die tiefdunklen Augen verrieten absolut nichts von dem, was hinter seiner Stirn vorging. Rick war groß und muskulös, er strahlte eine sexuelle Anziehungskraft aus, die sogar Shanna spüren konnte. Dennoch – er stand für so vieles, was sie nicht mochte.

Rick nutzte den Moment, in dem sie mit Janice plauderte, um Shanna von Kopf bis Fuß zu mustern. Sein Blick wanderte von ihrem schulterlangen schwarzen Haar zu den Augen, die von langen Wimpern umrahmt waren, erfasste dann ihre kleine gerade Nase, die vollen Lippen, die schlanke Figur in dem knielangen roten Kleid und die schwarzen hochhackigen Pumps, die sie noch größer machten, als sie ohnehin war.

Sie erwiderte den herausfordernden Blick, machte selbst eine genaue Bestandsaufnahme: hohe, intelligente Stirn, scharfe Züge wie von einem Künstler gemeißelt, geschmeidig-elegante Bewegungen. Mit den breiten Schultern und den schmalen Hüften verkörperte Rick Dalmont die perfekte Männlichkeit – doch er ließ Shanna völlig kalt.

Hätte sie gewusst, dass er zu dieser Party kam, wäre sie der Einladung nicht gefolgt. Genau deshalb hatte Henry es wahrscheinlich auch nicht erwähnt, er kannte die Einstellung seiner Schwester zu seinem neuen Geschäftspartner.

Diese Verbindung verwunderte und störte Shanna. Rick Dalmont war nicht der Mann, der Männerfreundschaften pflegte. Die Beziehungen zu seinen Mitmenschen waren eher sinnlicher Natur, der einzige Gegenpol waren seine vielfältigen Geschäftsinteressen.

Das Dalmont-Vermögen, angehäuft von Ricks Vater Todd Dalmont, gründete auf Öl. Als Rick vor fünfzehn Jahren das Unternehmen übernahm, hatte er das Familienvermögen in verschiedene Wirtschaftszweige investiert und vermehrt. Ein Mann wie Rick Dalmont war immer erfolgreich, ganz gleich, was er anfing – bei Frauen ebenso wie bei den profitabelsten Deals für „Dalmont Industries“.

Genau dies störte Shanna an ihm. Henry und Rick hatten absolut nichts gemeinsam. Ihr Bruder war ein Familienmensch und liebte seine Frau abgöttisch, während Rick Dalmont seine Meinung zu diesem Thema mehr als einmal kundgetan hatte: Die Ehe war etwas Wunderbares – für andere, nicht für ihn. Also blieb nur das Geschäftliche. Aber auch hier sah Shanna keine Gemeinsamkeiten. Soweit sie wusste, hatte Rick Dalmont nichts mit Zeitungen zu tun, und Henry gehörte nun mal einer der größten Zeitungsverlage in England …

„Er kommt“, flüsterte Janice.

Als er zu ihnen trat, registrierte Shanna sofort den ganz besonderen Duft seines Aftershaves.

„Shanna“, begrüßte Rick sie mit einer Stimme, die rau und gleichzeitig sanft wie Honig klang.

Als sie diese Stimme zum ersten Mal gehört hatte, war sie überrascht gewesen. Niemand, den sie kannte, hatte eine so heisere, sinnliche Stimme, verbunden mit einem leicht amerikanischen Akzent.

„Mr. Dalmont.“ Sie wusste, ihre höfliche Distanz amüsierte ihn nur.

„Darf ich Ihnen etwas zu trinken holen?“

„Ich bin sicher, Henry wird …“

„Rick weiß, wo die Bar ist“, mischte sich ihr Bruder wenig hilfreich ein.

Shanna blieb also keine Wahl. „Dann nehme ich Ihr Angebot an“, erwiderte sie kühl.

Sie fühlte einen festen Griff an ihrem Arm, als Rick sie in den angrenzenden Raum führte. „Sie haben Doug Gillies’ Party vorgestern verlassen, ehe ich überhaupt mit Ihnen reden konnte, Shanna“, sagte er.

Hätte es sich nicht um die Feier ihres Bruders gehandelt, wäre sie auch jetzt längst gegangen. „Das tut mir leid“, erwiderte sie kühl. Trotz ihrer Größe reichte sie ihm gerade bis zur Schulter.

Rick lächelte spöttisch, seine dunklen Augen funkelten. „Es tut Ihnen überhaupt nicht leid. Aber belassen wir es dabei. Trockener Martini für Sie, nicht wahr?“, fragte er sie auf dem Weg zur Bar.

Es wunderte Shanna nicht, dass er wusste, was sie gern trank. Dieser Mann schien es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, alles über sie herauszufinden. „Ja, danke.“

„Es wird mir ein Vergnügen sein.“

Sie ignorierte den doppeldeutigen Ton. Ihr war klar, dass Rick von anderen Frauen positivere Reaktionen gewohnt war. Doch es schien gerade ihre Gleichgültigkeit zu sein, die ihn reizte. Aber was blieb ihr anderes übrig? Entweder zeigte sie sich unbeeindruckt, oder sie gab ihm, was er wollte. Und da er keinen Zweifel daran ließ, dass er sie wollte … Auf jeden Fall würde er sicher bald das Interesse verlieren.

Rick Dalmont war bekannt dafür, dass er ungern Zeit mit Frauen verschwendete. Da sie nicht vorhatte, mit ihm zu schlafen, nur damit er aus ihrem Leben verschwand, würde er die Jagd bald aufgeben. Lästig war nur, dass er überall dort auftauchte, wo sie auch war.

„Hier, bitte.“ Er reichte ihr das Glas und schaffte es, gleichzeitig ihre Finger zu streicheln. „Nicht sehr originell“, gab er auf ihren kritischen Blick hin zu. „Aber es schien die einzige Möglichkeit zu sein, Sie überhaupt zu berühren. Zeigen Sie eigentlich allen Männern die kalte Schulter?“

Er wurde des Spiels also schon müde, das merkte sie. Bisher war er immer charmant gewesen, heute jedoch benahm er sich anders – wie ein Raubtier, das zum Sprung ansetzte. Vor diesem Moment hatte Shanna sich gefürchtet. Kühle Distanziertheit würde nicht mehr ausreichen, um ihn auf Abstand zu halten. Sie würde ebenso deutlich werden müssen wie er.

Sie strich ihr Haar zurück und sah ihm direkt in die Augen. „Ob ich allen Männern die kalte Schulter zeige? Ja, natürlich“, beantwortete sie seine Frage knapp.

Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, seine Züge wurden hart. „Also liegt es nicht an mir?“ Das Lachen und die Gespräche der übrigen Gäste schienen ihn nicht zu kümmern. Auch dass die anderen diese sehr persönliche Unterhaltung vielleicht mithören konnten, ignorierte er.

„Nein, es liegt nicht an Ihnen.“ Ihre Antwort musste ihm missfallen. Rick Dalmont entledigte sich rasant der Frauen, wenn sie ihn langweilten. Aber es war aus seiner Sicht unmöglich, dass sich eine Frau nicht für ihn interessierte! So musste es wohl schon sein ganzes Leben gewesen sein.

Shanna wusste, dass er mit dem sprichwörtlichen silbernen Löffel im Mund geboren worden war, siebenunddreißig Jahre lang hatte ihm nie jemand etwas abgeschlagen. Vermutlich war er der Auffassung, dass Shanna Logan nicht die erste Ausnahme bilden sollte. „Was haben Sie und mein Bruder denn so Wichtiges zu besprechen?“ Angriff war bekanntlich die beste Verteidigung!

Rick verzog abfällig den Mund. „Er hat Ihnen noch nichts gesagt?“

„Nein.“ Sie zuckte gleichgültig die Schultern. „Ich bin sicher, er wird es noch tun, zu gegebener Zeit.“

Er neigte arrogant den Kopf zur Seite. „Vielleicht ist es dann zu spät.“

„Meinen Sie?“

Er lachte leise über ihren Versuch, mehr aus ihm herauszubekommen. „Könnte sein.“

„Dann sollte ich wohl besser jetzt gleich mit Henry reden.“ Sie drehte sich um und wollte gehen.

Er hielt sie am Arm zurück. „Das kann warten. Wenn Sie mich nett bitten, erzähle ich es Ihnen.“

Sie betrachtete ihn kühl. „Von Henry erhalte ich die Information mit weniger Mühe.“

Sein Atem strich warm über ihre Wange. „Wäre es denn wirklich eine solche Anstrengung für Sie?“

„Ich fürchte, ja, Mr. Dalmont“, erwiderte sie kalt. „Und ich hasse Anstrengungen.“

„Armes reiches Mädchen“, bemerkte er.

Sie blickte ihn spöttisch an. „Das sagen ausgerechnet Sie?“

„Ich habe arbeiten müssen, um meinen Platz bei Dalmont Industries zu sichern“, stieß er zornig aus. „Mein Vater hat niemandem je etwas geschenkt, ich war da keine Ausnahme. Haben Sie auch bei null angefangen?“

Diese heftige Reaktion zeigte ihr deutlich, dass sie einen wunden Punkt getroffen haben musste. Rick verlor sicher nur selten so offensichtlich die Beherrschung wie jetzt. „Nein“, erwiderte sie ruhig. „Ich bin Chefredakteurin bei einer von Henrys Zeitungen.“

„Das sagte er mir bereits.“ Er nickte knapp. „Sicher keine besonders wichtige.“

Fashion Lady mag vielleicht nur ein Frauenmagazin sein und für einen Mann wie Sie unwichtig, aber ich leite es nach bestem Wissen.“

„Und wie gut ist das?“

Die kaum kaschierte Beleidigung färbte ihre Wangen rot, ihre Augen blitzten. „Fragen Sie doch Henry!“

Zu ihrem Unmut begann er zu lachen. „Das ist ein gutes Zeichen. In den letzten fünf Minuten ist es mir dreimal gelungen, Sie aus der Reserve zu locken.“

„Dann sind wir jetzt wohl quitt.“

Noch immer zuckte ein Lächeln um seine Mundwinkel. „Aber nein. Ich muss zugeben, ich bin ein wenig launisch, seit ich Sie getroffen habe. Doch das könnten Sie ändern. Mit einem einzigen Wort.“

Sie wusste genau, was er meinte! „Das Wort habe ich in letzter Zeit nicht sehr oft benutzt“, fauchte sie.

„Seit dem Tode Ihres Mannes.“

Shanna erstarrte. „Woher wissen Sie davon?“

Rick zuckte achtlos mit den Achseln. „Das ist doch kein Geheimnis, oder?“

„Nein.“ Sie mied seinen Blick. Dieser Mann konnte bis in ihre Seele sehen, wenn er wollte. Und sie befürchtete, dass er es darauf angelegt hatte.

„Genauso wenig ist es ein Geheimnis, wie er gestorben ist.“ Er kniff leicht die Augen zusammen, spürte ihre wachsende Feindseligkeit.

„Nein.“

Es war wahrlich kein Geheimnis, wie Perry sein Leben verloren hatte. Es war auf allen Titelseiten zu lesen gewesen. Wenn ein berühmter Exrennfahrer bei einem Autounfall tödlich verunglückte, ging diese Nachricht in Windeseile um die ganze Welt.

„Dass Sie mit ihm im Wagen gesessen haben, weiß ebenfalls jeder“, fuhr Rick unbarmherzig fort.

Dieses Mal antwortete sie nicht mehr. Sie wollte diesem Mann gegenüber keine Gefühle zeigen. Jedes Zeichen von Schwäche würde er zu seinem Vorteil ausnutzen.

„Die Tatsache, dass Ihre Ehe eigentlich schon am Ende war, können Sie auch nicht leugnen. Dass Sie beide überhaupt gemeinsam in einem Wagen saßen, war ungewöhnlich.“

Erst jetzt richtete sie die Augen auf ihn und sah nichts anderes als Härte in seinem Blick. „Wenn Sie mich entschuldigen wollen, Mr. Dalmont …“

„Und wenn ich das nicht tue?“ Der Griff an ihrem Arm wurde fester.

„Doch, das werden Sie.“ Ihr eiskalter Ton veranlasste ihn, seine Hand wegzunehmen, und sie ließ ihn stehen, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen.

Ihr gegenüber erwähnte niemand Perry, alle respektierten, dass sie den Verlust ihres Ehemannes nach sechs Monaten noch nicht verkraftet hatte. Aber Rick Dalmont hatte keinen Respekt, nicht einmal für die Trauer einer Witwe. Er war sogar so unsensibel, dass er sich auf die Berichte in einigen Zeitungen bezog, in denen die Ehe zwischen ihr und Perry in den Schmutz gezogen worden war.

Nur ein völlig gefühlloser Rüpel benahm sich so. Rick Dalmont würde alles einsetzen, um zu bekommen, was er wollte, selbst ihre Trauer um Perry.

„Shanna.“ Henry legte ihr eine Hand auf den Arm. „Was hast du zu Rick gesagt? Er sieht ja aus, als würde er gleich explodieren.“

Blinzelnd, um die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken, schaute sie ihren fünf Jahre älteren Bruder an. Die beginnenden Geheimratsecken ließen ihn reifer aussehen.

Henry wirkte besorgt. „Du hast ihn doch hoffentlich nicht verärgert?“

„Sieht es für dich etwa so aus?“ Sie ließ ihren Blick zu Rick hinübergleiten. Er flüsterte gerade einer kichernden Blondine etwas ins Ohr.

„Rick hat keinerlei Interesse an Selina“, bemerkte Henry wie nebenbei.

„So?“ Langsam gewann sie ihre Fassung zurück. Sie wünschte nur, sie hätte sich ihren Ärger nicht so deutlich anmerken lassen.

„Das weißt du doch.“ Ihr Bruder seufzte.

„Tu ich das?“

„Shanna, du bist zu alt für solche Spielchen.“ Henry wurde ungeduldig. „Der Mann will dich, und das weißt du.“

„Ich weiß auch, dass er mich nicht bekommen wird!“ Ihre Augen waren jetzt dunkelgrün.

„Shanna …“

„Ich denke, wir müssen reden, Henry.“ Argwöhnisch betrachtete sie seine schuldbewusste Miene. „Es gefällt mir nicht, dass du plötzlich so eng mit diesem Mann zusammenhängst.“

„So ist das Geschäft nun mal, Shanna.“

„Und was soll das für ein Geschäft sein? Seit wann hat Rick Dalmont Interesse an Zeitungsverlagen?“

„Hier können wir nicht darüber reden, Shanna, das ist eine Party“, wich er aus. „Du weißt, wie ungern Janice es sieht, wenn auf ihren Festen übers Geschäft gesprochen wird.“

„Morgen?“ Shanna seufzte.

„Dann ist Sonntag. Hm … komm zum Lunch. Das wird Peter und Susan gefallen.“

Sobald ihre Nichte und ihr Neffe erwähnt wurden, entspannte sich Shannas Miene. Allerdings hatte sie das Gefühl, schon wieder manipuliert worden zu sein, dieses Mal von ihrem eigenen Bruder. Henry wusste, wie gern sie die Kinder hatte, die jetzt bereits in ihren Zimmern schliefen. „Über Rick Dalmont reden wir aber vor dem Lunch.“ So leicht würde sie sich nicht ablenken lassen. „Ich komme gegen zwölf.“

Henry verzog leicht den Mund. „Sicher.“

Sie lächelte über seinen Mangel an Begeisterung. „Das hast du dir selbst zuzuschreiben, Henry.“ Sie legte ihre Hand an seine Wange. „Überleg dir also bis morgen, wie du mir eure Geschäftsbeziehung erklären willst.“

„Shanna …“

„Und ich erwarte eine ausführliche Erklärung.“

„Manchmal frage ich mich, wer von uns der Ältere ist“, murmelte er, als er zu seiner Frau hinüberging, um die ersten Gäste zu verabschieden.

„Gute Frage“, ertönte eine unverwechselbare Stimme hinter Shanna.

Sie wirbelte herum. Unwillkürlich fragte sie sich, wie viel Rick Dalmont von ihrem Gespräch mit Henry gehört hatte.

„Sie sollten Henry nicht so unter Druck setzen“, spöttelte er. „Bei mir dagegen brauchten Sie keine Daumenschrauben anzusetzen. Sie müssten mich nicht einmal überreden“, fuhr er leise fort. „Lassen Sie sich von mir nach Hause bringen, und ich erzähle Ihnen alles.“

Bei dem doppeldeutigen Ausdruck in seinen Augen versteifte sie sich instinktiv. „Mein Wagen steht vor der Tür.“

Er zuckte mit den breiten Schultern. „Dann fahren Sie mich nach Hause. Ich bin nämlich mit dem Taxi gekommen.“

„Besser nicht.“

Bei ihrer abweisenden Antwort blitzte Ärger in seinen dunklen Augen auf. „Kein Wunder, dass Ihr Mann sich anderen Frauen zugewandt hat.“

Shanna wurde bleich. „Was haben Sie gesagt?“

„Wenn ein Mann in seinem eigenen Bett erfrieren muss, dann sucht er sich eben anderswo Wärme.“

„Wollen Sie damit andeuten, Perry hätte mich betrogen?“

„Das ist doch allgemein bekannt.“ Wieder ein achtloses Schulterzucken.

„Tatsächlich?“

„Hat er etwa noch mit Ihnen geschlafen, bevor er starb?“

„Mein Privatleben und meine Ehe gehen Sie nicht das Geringste an. Ich gedenke keinesfalls, mit Ihnen über Perry zu sprechen.“

„So kühl, so unnachgiebig.“ Er schüttelte den Kopf. „Das ist unnatürlich. In Ihren Augen brennt das Feuer, Shanna, das Versprechen, dass Sie einem Mann alles geben können, was er sich wünscht …“

„Ihnen ganz bestimmt nicht!“

„Doch, mir!“, widersprach er wütend. „Ich habe das Warten satt, Shanna …“

„Was ist, Mr. Dalmont?“ So unwohl sie sich auch fühlte, sie würde sich vor diesem Mann keine Blöße geben. „Hatten Sie gehofft, nur weil ich seit sechs Monaten verwitwet bin, fiele ich Ihnen wie ein reifer Pfirsich in den Schoß? Glauben Sie, ich sei so frustriert, dass ich willig in Ihr Bett stolpere?“

„Vielleicht sind Sie ja auch frigide“, mutmaßte er verächtlich.

„Ja, das ist immer die nächste Beleidigung!“, fauchte sie. „Jetzt sollte ich wohl mit Ihnen schlafen, um Ihnen das Gegenteil zu beweisen, nicht wahr? Nun, das kenne ich alles schon. Ich muss sagen, ich bin enttäuscht, Mr. Dalmont. Von Ihnen hätte ich Gewandteres erwartet.“

Sein Mund wurde hart. „Warum wehren Sie sich so gegen mich, Shanna?“, fragte er leise und voller Ungeduld. „In den letzten zwei Wochen habe ich Ihnen so oft gesagt, dass ich Sie begehre, dass ich es schon gar nicht mehr zählen kann.“

„Dann geben Sie endlich auf!“

„Ich will Sie, Shanna.“ Sein Blick hielt sie gefangen. „Und ich gebe nie auf, wenn ich etwas unbedingt haben will. Sie werden genügend Leute finden, die Ihnen das bestätigen können.“

Sie nahm diese Drohung durchaus ernst. „Hier geht es nicht ums Geschäft.“

„Ob Geschäft oder persönlich, das macht keinen Unterschied.“ Er hob die Schultern. „Zum Schluss gewinne ich immer.“

Natürlich hatte Shanna von seinen schonungslosen Geschäftspraktiken gehört, von den Leuten, die er ruiniert hatte, um das Dalmont-Vermögen zu vergrößern. Doch dass er je bei einer Frau die gleiche Unbeirrbarkeit gezeigt hätte, davon war ihr nie eine Andeutung zu Ohren gekommen. Obwohl – es hatte ihn auch noch keine Frau abgewiesen. „Dieses Mal werden Sie wohl nicht gewinnen“, sagte sie mit Überzeugung.

„Etwa weil Sie Ihren Mann geliebt haben?“

Sein Sarkasmus versetzte ihr einen Stich. „Richtig“, antwortete sie mit gesenktem Kopf.

„Und Sie lieben ihn immer noch?“

„Ja.“

„Das glaube ich Ihnen nicht. All die Partys, die Aufmerksamkeit der Männer, die Sie genießen … das nennen Sie trauern?“

„Er würde nicht wollen, dass ich zu Hause sitze und grüble.“

„Ich schon!“, stieß er hervor, die Augen jetzt schwarz wie glühende Kohlen. „Wenn Sie meine Frau wären, würde ich erwarten, dass Sie sich abschotten von der gesamten Welt, bis auch Sie sterben!“

Die Vehemenz seiner Worte raubte ihr den Atem. „Vielleicht ist es ja das, was ich tue – ich warte darauf zu sterben“, sagte sie leise.

„Auf den Partys, zu denen Sie jeden Abend gehen?“, meinte er verächtlich.

Völlig ruhig sah sie ihn an. „Vielleicht will ich nicht allein sein, wenn ich sterbe.“

Rick Dalmont wirkte plötzlich, als hätte sie ihm eine Ohrfeige versetzt. „Shanna …“

Seufzend schüttelte sie den Kopf. „Selina wartet sicher schon sehnsüchtig auf Sie. Und sie ist bestimmt … nachgiebiger als ich.“

„Ich will Selina aber nicht“, knurrte er.

„Die arme Selina.“ Äußerlich schien sie wieder völlig gefasst. „Sie ist sehr attraktiv.“

„Sie hat weder schwarze Haare noch grüne Augen.“

„Sicher gibt es Hunderte von willigen Frauen mit diesen Attributen.“

„Die Betonung liegt wohl auf ‚willig‘, nicht wahr?“, spottete er.

„Genau.“ Sie lächelte ihn zuckersüß an.

Er schüttelte den Kopf. „Ich will Sie, Shanna.“

„Das tut mir leid.“

„Das glaube ich Ihnen sogar.“ Er runzelte die Stirn über ihre Ernsthaftigkeit. „Ich verstehe Sie nicht.“

„Versuchen Sie es besser gar nicht erst“, riet sie ihm. „Binden Sie sich nicht an mich.“

„Ich will mich nicht an Sie binden, ich will mit Ihnen schlafen!“

„Und das eine schließt das andere aus?“ Es war ein echtes Lächeln, mit dem sie ihn ansah.

„Ja.“ Ihr gutmütiger Spott ärgerte ihn.

„Gute Nacht, Mr. Dalmont. Sehen wir uns wieder?“

„Darauf können Sie wetten!“

„Ich wette nie. Aber wenn ich dieses Mal eine Ausnahme machte, würde ich sicher gewinnen“, spöttelte sie. Dann wurde sie schnell ernst. „Ich habe Sie klar und deutlich gebeten, mich in Ruhe zu lassen. Tun Sie uns beiden einen Gefallen, und ersparen Sie sich eine Menge Zeit. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit endlich auf jemand anderen.“

Mit einem Finger strich er ihr über die Wange. „Ich bin noch nicht bereit aufzugeben. Wir sehen uns wieder, Shanna.“ Damit deutete er eine Verbeugung an und ging hinüber zu Henry und Janice, um sich zu verabschieden.

Es wunderte Shanna nicht, dass er die Party verließ. Sie hatte ihm klargemacht, dass es keinen Zweck hatte, ihr weiter nachzustellen. Ihr selbst war auch die Lust vergangen, noch länger zu bleiben. Der verbale Schlagabtausch mit Rick Dalmont hatte in Wunden gerührt, die nie wieder heilen würden.

„Was hast du dem Mann angetan?“, wollte Henry von ihr wissen, als sie sich zu ihm gesellte. „Rick Dalmont hat noch nie um elf Uhr eine Party verlassen.“

Shanna zuckte ungerührt die Schultern. „Einmal ist immer das erste Mal. Vielleicht ist es dir entgangen, aber Selina ist auch fort.“

„Sie ist mit Gary gefahren“, bemerkte Henry abfällig. „Sobald Rick zu dir ging, hat sie wohl beschlossen, dass Gary der glückliche Gewinner des Abends ist.“

„Du bist wieder bösartig“, neckte sie ihn.

Henry zog eine Grimasse. „Selina zieht jedes Mal mit einem anderen Mann von einer Party ab. Ich werde Janice sagen, sie soll sie nicht mehr einladen.“

„Nicht nur bösartig, sondern auch noch ein Snob!“

„Lenk nicht von Thema ab“, wehrte sich Henry. „Was hast du mit Rick gemacht, dass er schon gegangen ist?“

„Nichts.“

„Nichts?“, wiederholte Henry mit gerunzelter Stirn.

„Ja, genau das.“ Sie nickte. „Und das werde ich auch weiter so halten. Sag Janice Bescheid, dass ich morgen zum Lunch komme.“ Ihr Bruder sollte nicht glauben, sie hätte das vereinbarte Gespräch vergessen.

„Sie kocht doch sowieso immer für eine ganze Truppe“, entgegnete er vage.

Henrys seltsame Unschlüssigkeit beunruhigte Shanna. Ihr Bruder wusste immer ganz genau, was er tat. Er war ein mehr als kompetenter Nachfolger ihres Vaters als Chef des Zeitungsimperiums.

Armes reiches Mädchen, hatte Rick Dalmont sie genannt. Dabei wusste er gar nichts von ihr! Bis zu ihrer Heirat mit Perry vor vier Jahren hatte diese Beschreibung vielleicht gepasst, doch die Ehe hatte sie schnell reifen lassen. Die verwöhnte Einundzwanzigjährige gab es nicht mehr.

Shanna hatte Perry gegen den Willen ihres Vaters geheiratet. Ein Schritt, der extrem schwer gewesen war, denn ihr Vater und sie hatten sich sehr nahegestanden. Ihre Mutter war schon vor Jahren gestorben. Ihr Vater war gegen die Heirat mit einem Mann gewesen, der jeden Tag sein Leben riskierte. Doch die Ehe mit Perry war glücklich gewesen, und das hatte ihren geliebten Vater beruhigt. Dann war er vor zwei Jahren gestorben. Zumindest war ihm so der Schmerz erspart geblieben, unter dem sie litt. Der Verlust ihres Mannes …

Niemand wusste, was sie fühlte, nicht einmal jene, die ihr am nächsten standen. Und niemand ahnte ihre eigene Angst vor dem Tod …

Am nächsten Morgen frühstückte Shanna allein, wie sie es seit sechs Monaten tat. Dann brachte sie die Wohnung in Ordnung. Es dauerte nicht lange, in ihrem Singlehaushalt gab es nicht viel aufzuräumen. Da Perry und sie meist aus dem Koffer gelebt hatten, besaß sie nicht viele wohnliche Accessoires. Deshalb bot das Apartment, in das sie nach Perrys Tod gezogen war, ein eher unpersönliches Bild.

Der einzige Wandschmuck waren die Fotos von Perry, die überall hingen. Perry im Rennwagen, Perry auf dem Siegerpodest, Perry zusammen mit Shanna. Die meisten Aufnahmen jedoch zeigten Perrys Rennunfall. Eine ernste Verletzung an der Wirbelsäule hatte das Ende seiner Karriere bedeutet. Shanna wusste, wie sehr ihn das getroffen hatte. Autorennen waren sein Leben gewesen. In den sechs Monaten vor seinem Tod war er völlig überdreht gewesen.

Verflucht sei Rick Dalmont! Er hatte diese Erinnerungen wieder aufleben lassen! Vor allem weil er so schonungslos herausgestellt hatte, dass in der Ehe mit Perry nicht alles rosig gewesen war. Mit einer Bemerkung hatte er recht gehabt: Wenn ein Mann in seinem eigenen Schlafzimmer keine Erfüllung fand, suchte er anderswo Trost. Und das hatte Perry auch getan.

Man sah Shanna die schlaflose Nacht nicht an, als sie, elegant und gefasst, um zwölf Uhr an der Haustür ihres Bruders klingelte.

Eine gehetzt wirkende Janice öffnete ihr. „Ich weiß nicht, wie du das machst“, sagte sie zur Begrüßung. „Du siehst immer aus wie frisch aus dem Modemagazin entstiegen, während ich …“, sie wischte Mehl von ihrer Nasenspitze und blickte an sich herunter. „Nun, ich sehe eben aus wie die typische Hausfrau.“

„Eine sehr schöne Hausfrau.“ Shanna drückte ihr lächelnd einen Kuss auf die Wange. Sie mochte die zierliche Blondine, die seit zehn Jahren mit Henry verheiratet war. „Und ich sehe nur so aus, weil ich zum Lunch eingeladen bin.“

„Hm. Das erklärt aber nicht, warum du auch so aussiehst, wenn wir zu dir zum Dinner kommen“, gab Janice trocken zurück und verzog den Mund.

„Lieferservice“, behauptete Shanna.

„Alle wissen, wie fantastisch du kochst.“ Janice seufzte. „Wie auch immer … Peter und Susan brennen darauf, dich endlich zu sehen. Sie sitzen in der Lounge.“

Es wurde eine überschwängliche Begrüßung. Peter war fünf, Susan sechs, aber sie hätten Zwillinge sein können, so ähnlich sahen sie sich. Beide waren blond und hatten die blauen Augen der Mutter geerbt, aber sie waren groß wie der Vater und hatten auch sein eher ernstes Wesen. Shanna liebte die beiden von ganzem Herzen.

Henry saß in seinem Lieblingssessel und paffte zufrieden an seiner Pfeife, während er das Schauspiel mit einem Lächeln verfolgte. Er sieht so distinguiert aus, dachte Shanna liebevoll. Sie und Henry hatten sich immer nahegestanden, trotz ihrer unterschiedlichen Gemüter.

Als die Zeit für den Lunch kam und Henry noch immer nicht den eigentlichen Grund für Shannas Kommen angesprochen hatte, beschloss sie, die Initiative zu ergreifen.

„Henry …“

„Lunch ist fertig.“ Genau in diesem Augenblick schaute Janice zur Tür herein.

Henry lächelte zufrieden. „Danke, Darling, wir kommen.“ Er stand auf.

„So leicht kommst du mir nicht davon!“, murmelte Shanna, als sie ihrem Bruder ins Esszimmer folgte.

Er grinste sie breit an. „Dann habe ich zumindest schon einen vollen Magen, und du wirst mir nicht mehr ganz so bedrohlich erscheinen.“

„Bedrohlich?“, wiederholte sie entrüstet. „Ich habe in meinem ganzen Leben noch niemanden bedroht!“

Henry schüttelte den Kopf. „Manchmal erinnerst du mich so sehr an Dad, dass es fast erschreckend ist.“

„Dad war ein liebenswerter alter Mann, obwohl er manchmal recht starrsinnig sein konnte.“ Sie grinste zurück. „Ich sehe da überhaupt keine Ähnlichkeit.“

„Oh, die Ähnlichkeit ist da, glaub mir. Ich brauche nur zu sehen, wie du mit Rick Dal…“

„Wie ich mit Rick Dalmont umgehe?“, beendete sie den Satz für ihn. „Ich bin so froh, dass du es nicht vergessen hast, Henry.“

„Nein“, brummte er. „Aber lass uns erst essen, einverstanden?“

„Aber länger warte ich nicht“, warnte Shanna. „Meine Geduld schwindet rapide.“

„Ich wusste nicht, dass du welche besitzt!“

Shanna musste über seine zerknirschte Miene lachen, und die gute Laune hielt während des köstlichen Mahls an, das Janice vorbereitet hatte. Gemeinsam mit den Kindern räumte Shanna danach den Tisch ab und kam schließlich mit einem Tablett zurück, auf dem eine Kanne frischer Tee und Tassen standen. Henry machte gerade Anstalten, sich gemütlich vor dem Fernseher niederzulassen.

„Henry und ich trinken unseren Tee im Arbeitszimmer“, verkündete Shanna entschlossen, und an Janice gewandt versprach sie: „Ich halte ihn nicht lange auf.“

„Oh, ich glaube doch“, erwiderte Janice wissend. „Viel Glück, Henry“, sagte sie zu ihrem Mann, der unwillig aufstand.

„Das klang so, als würdest du es brauchen“, bemerkte Shanna, als sie sich in Henrys Arbeitszimmer ihrem Bruder gegenübersetzte.

Er nickte. „Könnte sein.“

Shanna runzelte die Stirn. „Henry, erzähl mir von den Geschäften, die du mit Rick Dalmont machst.“

„Es wird dir nicht gefallen“, warnte er sie, stand auf und begann, im Zimmer auf und ab zu wandern. „Weißt du, mit der Zeitung lief es eine ganze Zeit lang nicht so gut“, setzte er an. „Ich brauchte Geld.“

„Und?“

„Seit Monaten versuche ich, diesen Deal mit Rick Dalmont abzuschließen. Als er dann vor zwei Wochen nach England kam, schien es mir die perfekte Gelegenheit, den Handel weiter voranzutreiben. Am Freitag haben wir den Vertrag unterzeichnet. Und eigentlich war das der Anlass für die gestrige Party.“

„Ja, und weiter?“ Shannas Argwohn wuchs.

„Nichts weiter, ich habe dir doch schon alles erzählt.“

„Nichts hast du mir erzählt, Henry“, warf sie ihm leise vor. „Worum geht es bei diesem Deal? Ist Rick Dalmont jetzt Partner oder Investor?“

„Weder noch.“ Henry leckte sich nervös über die Lippen.

Das ungute Gefühl wurde immer stärker. Es war überhaupt nicht Henrys Art, so ausweichend zu sein. „Was ist es dann?“

„Als Dad starb, hat er mir den Verlag überlassen. Vielleicht hätte er das nicht tun sollen, aber du warst damals glücklich mit Perry verheiratet, und Dad hat dich ja auch finanziell abgesichert.“

„Ich hatte nie den Wunsch, das Geschäft zu übernehmen, Henry, das weißt du. Du hast volle Entscheidungsgewalt. Ich möchte nur wissen, wo ich ins Spiel komme. Denn ich habe doch damit zu tun, oder?“

„Ja.“ Ihr Bruder seufzte nun schwer. „Es geht um Fashion Lady.“

„Was ist damit?“ Unwillkürlich hielt sie die Luft an.

„Nun“, Henry zuckte unbehaglich mit den Schultern, „seit Freitag gehört Fashion Lady Rick Dalmont. Du arbeitest jetzt für ihn.“

2. KAPITEL

Shanna atmete mit einem Stoß aus. Fashion Lady gehörte Rick Dalmont! Der rettende Strohhalm, der ihrem Leben nach Perrys Tod einen Sinn gegeben hatte, war verloren. Das Frauenmagazin war unter ihrer Leitung aufgeblüht, die Auflage hatte sich erhöht – und nun gehörte es Rick Dalmont. „Dann werde ich gehen müssen“, murmelte sie tonlos.

„Äh …“

„Ja?“ Ihre Stimme wurde scharf. Sie ahnte, dass sie noch nicht alles wusste. Henry wirkte aufgewühlt.

„Es gehört mit zum Deal, dass du für eine gewisse Übergangszeit bleibst.“

„Wie lange soll das sein?“

„Sechs Monate“, gab er zögernd preis.

Shanna erhob sich langsam von ihrem Stuhl. „Nein, Henry. Du hattest kein Recht, einen solchen Vertrag zu unterschreiben, ohne mich vorher zu fragen. Oder gehörte es zu eurer Vereinbarung, mich nicht zu informieren?“

Henry fühlte sich immer unwohler. „Ich wusste doch, dass du dich nie darauf einlassen würdest.“

„Du wusstest es?“ Sie war fassungslos.

„Also … Rick und ich, wir beide wussten es.“

„Dann habt ihr beide recht gehabt!“, fauchte sie. „Ich könnte niemals für ihn arbeiten.“

„Ich habe den Vertrag schon unterzeichnet!“

„Aber ich nicht“, betonte sie spitz. „Ich hätte dieser Vereinbarung niemals zugestimmt, Henry.“ Sie schüttelte den Kopf. „Und deine Unterschrift kann mich nicht verpflichten.“

„Du hast einen Vertrag mit Fashion Lady, ganz gleich, wer der Besitzer ist.“

„Dann kündige ich eben“, fauchte sie.

„Mit drei Monaten Kündigungsfrist“, erinnerte er sie.

„Ich verzichte auf alle Ansprüche“, beharrte sie. „Du brauchst mir nur ein Zeugnis zu geben.“

„Das kann ich nicht“, sagte Henry kleinlaut. „Ich bin nicht mehr dein Arbeitgeber. Und wenn du jetzt gehst, wird Rick uns wegen Vertragsbruchs verklagen.“

„Soll er doch!“ Shannas Augen blitzten herausfordernd.

„Shanna“, hob Henry flehend an, „ich habe meine Unterschrift im besten Glauben unter den Vertrag gesetzt. Wenn ein Teil des Deals nicht zustande kommt, ist der ganze Vertrag hinfällig.“

Funkelnd sah sie ihren Bruder an. „Dann ist er eben hinfällig.“

„Und der Chronicle geht unter.“

Mit gerunzelter Stirn betrachtete sie das Gesicht ihres Bruders und erkannte dort die Sorgenfalten, die er so lange vor ihr zu verheimlichen versucht hatte. „So schlimm steht es?“

Er nickte grimmig. „Ja, so schlimm.“

„Rick Dalmont würde nicht das ganze Geschäft platzen lassen, nur weil ich nicht für ihn arbeite“, versuchte sie, der Situation die Schärfe zu nehmen.

„Doch, das wird er.“ Henry nickte schwer. „Er hat sich sogar geweigert, den Vertrag abzuschließen, solange deine Position nicht darin eingeschlossen ist.“

„Himmel!“, stieß sie bebend aus.

„Es ist übliche Praxis, das leitende Personal zu übernehmen“, verteidigte sich Henry. Er konnte sehen, wie sehr die Neuigkeit Shanna mitnahm.

„Bei Rick Dalmont ist gar nichts üblich“, betonte sie beißend. „Du weißt doch, warum er es getan hat. Ich schlage seine Einladungen aus, also zwingt er mich, am Arbeitsplatz Zeit mit ihm zu verbringen.“

„Das ist Unsinn“, erwiderte Henry. „Ich sagte dir doch, dass wir diesen Deal schon seit Monaten besprechen.“

„Und seit wann tauche ich in diesem Vertrag auf?“

„Ungefähr vor … nun …“ Henry brach stirnrunzelnd ab.

„Vor ungefähr zwei Wochen, oder? Ich nehme an, vorher zeigte er kein sonderliches Interesse am Personal von Fashion Lady, nicht wahr?“ Sie schnaubte. „Vorher war völlig gleich, wer bleibt oder geht.“

„Das stimmt nicht“, fuhr ihr Bruder auf. „Die Zukunft des Personals steht immer ganz oben auf meiner Prioritätenliste.“

„Auf deiner vielleicht“, entgegnete Shanna. „Aber Rick Dalmont nimmt eigentlich keine Rücksicht auf jemanden, der ihm im Weg steht. Das hat er selbst gesagt.“

„Niemand bei Fashion Lady steht ihm im Weg.“

„Ich schon. Dass er jetzt mein Chef ist, ändert nichts daran, dass ich ihn nicht mag.“

„Du sollst ihn ja auch nicht mögen, sondern für ihn arbeiten.“

„Er stellt sich da etwas anderes vor, und das weißt du, Henry.“ Shanna seufzte. „Wie konntest du mir das nur antun? Du siehst doch, wie er mich anstarrt. Ich werde kündigen müssen, Henry. Mir bleibt gar nichts anderes übrig“, fuhr sie fort, bevor er protestieren konnte. „Keine Angst, ich werde die Frist einhalten. Mit etwas Glück überlässt er die Leitung des Magazins einem seiner Manager.“

Dabei wusste sie, dass er das nicht tun würde. Sie war nicht so eingebildet zu glauben, er habe Fashion Lady nur ihretwegen gekauft. Aber das war genau die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte. Und er würde sie nutzen. Shanna musste in Zukunft vor Rick Dalmont auf der Hut sein. Er hielt sich nicht an Regeln, zumindest an keine, die sie kannte.

Als Shanna am Montagmorgen in ihrem Büro ankam, war alles beim Alten. Niemand überfiel sie aufgeregt, um sie über den neuen Chef zu unterrichten. Gloria, ihre Sekretärin, saß wie immer hinter dem Schreibtisch und reichte ihr die Morgenpost mitsamt den bereits eingegangenen Nachrichten.

Shanna selbst allerdings war anders als sonst. In ihrem Innern tobte ein Gefühlstumult. Sollte Rick Dalmont hier hereinstürmen und sie überraschen wollen, so würde sein Plan nicht funktionieren. Sie hatte vor, ihn kühl und distanziert wie immer zu begrüßen. Sie würde sich nicht von ihm überrumpeln lassen.

„Gloria“, sie drückte den Knopf der Sprechanlage, „verbinden Sie mich mit Mr. Dalmont von Dalmont Industries. Er ist im ‚Excellence‘ untergekommen, soweit ich weiß.“

„Rick Dalmont?“

„Ja, genau der, Gloria.“ Shanna ließ den Knopf los. Gloria war eine gute Sekretärin. Sie hatte schon für den vorherigen Chefredakteur gearbeitet und war so leicht nicht aus der Ruhe zu bringen. Doch der Name Rick Dalmont hatte seine Wirkung auch auf sie – wie auf die meisten Frauen – nicht verfehlt. Und da bei Fashion Lady hauptsächlich weibliche Angestellte arbeiteten, machte sich Shanna auf einen Ausbruch von Heldenverehrung im Hause gefasst, sobald bekannt wurde, wer der neue Chef war.

„Mr. Dalmont, Shanna“, kündigte Gloria wenige Minuten später das Telefonat an.

Shanna nahm das blaue Telefon zur Hand, das auf ihrem Schreibtisch stand. Das gesamte Büro war in Blau und Weiß gehalten, ebenso wie das Cover von Fashion Lady. Außerhalb ihrer Arbeit mied Shanna daher die Farbe Blau.

„Mr. Dalmont?“

„Shanna“, tönte es samten durch den Hörer.

„Ich denke, wir sollten uns treffen, Mr. Dalmont“, sagte sie geschäftsmäßig.

„Sie haben also mit Henry gesprochen?“

Sie sah sein spöttisch-zufriedenes Grinsen regelrecht vor sich. „Ja, wir haben miteinander gesprochen. Passt Ihnen zwölf Uhr in meinem Büro?“

„Laden Sie mich etwa zum Lunch ein, Shanna?“, fragte er provozierend.

Ihr Mund wurde hart, ihre Augen brannten. „Ich lade Sie für zwölf Uhr in mein Büro ein“, erwiderte sie steif.

„Ich werde da sein“, sagte er nur und legte auf.

Selbst durchs Telefon hatte sie seinen Triumph spüren können. Die erste Runde war an ihn gegangen. Ja, sie würde dafür sorgen, dass Henrys guter Ruf als Geschäftsmann nicht litt, aber was sie anbelangte, sollte Rick Dalmont niemals triumphieren können. Von nun an würde sie ihm immer einen Schritt voraus sein. Ihn zu ignorieren hatte nicht funktioniert, mit Höflichkeit war sie nicht weitergekommen, also musste sie schneller und geschickter sein als er.

Sie wies Gloria an, ihr unbemerkt zu signalisieren, wenn Rick Dalmont ankam. Um Punkt zwölf ertönte das Summen der Sprechanlage. Geschmeidig erhob sie sich, gertenschlank in dem schwarzen Kleid, das schwarze Haar im Nacken aufgesteckt, die grünen Augen wie funkelnde Juwelen über den hohen Wangenknochen.

Rick Dalmont bedachte sie mit einem bewundernden Blick, als sie ihn begrüßte. Allerdings hob er angesichts ihrer Förmlichkeit erstaunt die Augenbrauen.

„Kommen Sie herein, Mr. Dalmont.“ Es irritierte sie maßlos, dass Gloria anscheinend nicht aufhören konnte, ihn anzustarren. Zugegeben, er sah gut aus in dem grauen Dreiteiler mit dem blütenweißen Hemd, aber für Shanna war er auch nur ein Mann wie jeder andere. Sie spürte nicht sein Charisma, sah nicht den Zug von Entschlossenheit um den sinnlichen Mund. Vielleicht, wenn sie diese Dinge wahrgenommen hätte …

Shanna öffnete die Tür zu ihrem großzügigen Büro, das mit seinen einladenden Sofas gleichzeitig als Besprechungsraum diente, und ließ Rick den Vortritt. Sie registrierte die plötzliche Stille, als die Mitarbeiter, die hier gewartet hatten, sich neugierig zu ihnen umdrehten. Rick konnte seine Überraschung über das unerwartete Treffen mit den sieben Abteilungsleitern von Fashion Lady nicht verbergen. Sein Gesicht wurde unnahbar wie eine Maske – diese Runde war an Shanna gegangen.

„Darüber reden wir beim Lunch“, sagte er zu ihr, und sein dünnes Lächeln ließ sie wissen, dass es keine angenehme Unterhaltung werden würde.

Mit eleganten Bewegungen eilte sie an ihren Platz. „Ich bin sicher, Sie alle kennen Mr. Ricardo Dalmont von Dalmont Industries“, stellte sie ihren Gast unnötigerweise vor. „Was Ihnen aber wahrscheinlich neu ist: Mr. Dalmont ist ab jetzt unser neuer Chef.“

Mit einem Lächeln drehte sie sich zu ihm um, und hinter ihr hob erstauntes Raunen an, als ihre Mitarbeiter diese Information verarbeiteten. Genau wie Shanna selbst hatte keiner der Abteilungsleiter etwas von einer möglichen Übernahme geahnt. Henry hat die ganze Angelegenheit im Alleingang geregelt, dachte Shanna, und es ist klar, auf wessen Veranlassung hin er so gehandelt hat.

Rick stellte sich ihrer Herausforderung mit einer arroganten Verbeugung. „Mrs. Logan war etwas vorschnell mit ihrer Bekanntmachung. Ich wollte warten, bis Henry Blythe anwesend ist, um Sie zu informieren. Aber da ich nun sowieso hier bin, um Mrs. Logan zum Lunch abzuholen, möchte ich ein paar Worte an Sie richten.“ Nun war es an ihm, sich herausfordernd zu Shanna umzudrehen.

Shanna schäumte so sehr vor Wut, dass sie kaum etwas von seiner improvisierten Ansprache verstand. Doch an den Gesichtern der Anwesenden konnte sie ablesen, dass ihnen gefiel, was sie hörten. Er bildete sich vielleicht ein, dass er sie übertölpelt hatte und sie jetzt mit ihm zum Lunch gehen würde, doch da irrte er. Sie tat niemals etwas, das sie nicht tun wollte. Und deshalb würde sie ganz sicher nicht mit Rick Dalmont essen gehen!

„Ich kann Ihnen versichern, ich werde so wenig wie möglich am Format von Fashion Lady ändern. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, meine Damen – und Herren“, wandte er sich an den einzigen Mann in der Runde. „Hier wird die Geschlechterdiskriminierung einmal umgekehrt, nicht wahr?“, meinte er verschwörerisch.

Joe Deane lachte. „Ich kann gut damit leben.“

„Ich würde mich auch nicht beschweren.“ Rick bedachte die anwesenden Damen mit einem charmanten Blick.

„Sind Sie jetzt fertig?“, mischte Shanna sich eisig ein. „Wir müssen nämlich noch eine Zeitschrift produzieren.“

Ricks Augen verengten sich für einen Moment, dann wandte er sich wieder lächelnd an die anderen. „Entschuldigen Sie, wenn ich Sie aufgehalten habe. Wir sehen uns sicher während der kommenden Woche, dann haben wir auch mehr Zeit – für ein persönliches Gespräch.“

Shanna krümmte sich innerlich, als sie die verzückten Mienen ihrer Mitarbeiterinnen sah. Sie alle waren beinharte Karrierefrauen! War denn kein weibliches Wesen außer ihr gegen Rick Dalmonts Charme gefeit?!

„Das war nicht nur unehrenhaft“, hörte sie seine kalte tiefe Stimme, „es war auch unprofessionell.“

Sie waren jetzt allein in dem Raum, und die Anspannung, die in der Luft lag, war nahezu greifbar.

„Unprofessionell?“, wiederholte Shanna leise. „Ist es etwa ehrenhaft und professionell, diese Zeitschrift aufzukaufen, ohne dass die Chefredakteurin informiert wird?“, gab sie verärgert zurück.

Rick zuckte mit den breiten Schultern. „Ich bin nicht verpflichtet, Ihnen überhaupt etwas mitzuteilen.“

„Auch nicht, wenn ich mit zum Deal gehöre?“

„Als Redakteurin der Zeitschrift. Es ist übliche Praxis …“

„… das leitende Personal zu übernehmen, ich weiß“, fiel sie ihm ins Wort. „Sie haben Henry gut vorbereitet, Mr. Dalmont. Er hat genau die gleiche Begründung angeführt.“

„Und? Hat er Sie überzeugt?“ Lässig lehnte Rick an ihrem Schreibtisch.

„Nein.“ Sie hielt ihm einen Umschlag entgegen. „Meine Kündigung, mit drei Monaten Frist.“

Er nahm den Umschlag und ließ ihn in seiner Jacketttasche verschwinden. „Schaffen Sie es in dieser Zeit, Ihren Ersatz einzuarbeiten?“

Er versuchte nicht einmal, sie aufzuhalten! „Davon bin ich überzeugt“, erwiderte sie bissig.

Er nickte. „Ich denke auch, dass es zu schaffen ist.“

„Sie scheinen nicht sehr überrascht zu sein.“ Sie konnte die Worte nicht zurückhalten, sie sprudelten einfach heraus.

„Bin ich auch nicht. Sie sind eine unabhängige Frau, Sie nehmen es nicht hin, ausmanövriert zu werden.“

„Immerhin das haben Sie also über mich herausgefunden!“, fauchte sie.

Er beugte sich vor, sie nahm sein Aftershave wahr, angenehm herb und aromatisch … „Ich würde gern wesentlich mehr über Sie herausfinden – wenn Sie mich ließen.“

Ihre grünen Augen blitzten auf. „Nein!“ Sie trat einen Schritt zurück. „Ich habe Ihnen schon gesagt, ich bin nicht interessiert. Lassen Sie mich einfach in Ruhe, Rick.“

„Es ist das erste Mal, dass Sie mich Rick nennen.“ Mit einem Finger strich er ihr über die Wange. „Das ist ein Fortschritt nach dem distanzierten ‚Mr. Dalmont‘, das ich ständig von Ihnen hören muss.“

Natürlich hatte sie ihren Fehler sofort bemerkt, nachdem ihr der Name über die Lippen geschlüpft war. Aber nach einer unruhigen Nacht und dem andauernden Druck, den dieser Mann auf sie ausübte, hatte ihre Konzentration nachgelassen. „Keine Sorge, es wird nicht wieder vorkommen.“

„Im Gegenteil: Das wird ab jetzt sogar sehr oft passieren. Sehen Sie, ich wünsche mir nämlich, dass meine leitenden Angestellten mich mit Vornamen ansprechen. Aber jetzt lassen Sie uns zum Lunch gehen, ja?“, bat er in einem Ton, der keinen Widerspruch zu dulden schien. „Wir müssen viele Dinge besprechen.“

„Nein, ich …“

„Wegen der Zeitschrift“, sagte er mit einem Seitenblick.

Shanna betrachtete ihn misstrauisch. „Mehr nicht?“

Er zog seine schwarzen Augenbrauen spöttisch hoch. „Ich kann nicht garantieren, dass ich nicht die eine oder andere persönliche Bemerkung mit in die Unterhaltung einflechte, aber im Großen und Ganzen … ja, mehr nicht.“

„Also ein Geschäftsessen?“

„Richtig.“ Er schien sehr zufrieden zu sein.

Sie traute ihm nicht, wusste, dass er die Wahrheit zu seinen Zwecken zurechtbog. Aber als neuem Eigner von Fashion Lady war sie ihm einen gewissen Respekt schuldig. „Ich sage schnell Jane Bescheid, dass ich außer Haus bin.“

„Ihrer stellvertretenden Chefredakteurin?“

Dieser Mann vergaß nichts so leicht. Nur kurz hatte Shanna ihm Jane Meakins vorgestellt, aber er hatte sich ihren Namen sofort gemerkt. Eigentlich sollte sie das nicht überraschen, Rick Dalmont entging nur wenig. „Es dauert nicht lange. Falls Sie etwas brauchen, wenden Sie sich einfach an meine Sekretärin. Gloria hilft Ihnen sicher sehr gerne weiter.“ Der Sarkasmus in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

„Ich brauche nichts.“ Er machte es sich in ihrem Sessel hinter dem Schreibtisch bequem.

„Sitzen Sie Probe?“, konnte sie nicht widerstehen zu bemerken.

Geradezu mitleidig sah er sie an. „Ich sehe meine Zukunft eigentlich nicht als Redakteur für ein Frauenmagazin.“

Mit einem vernichtenden Blick verließ Shanna ihr Büro. Wie schaffte dieser Mann es nur, eine solche Wut in ihr auszulösen?! Sie hätte ihn ohrfeigen mögen oder zumindest anschreien. Und beides waren zerstörerische Gefühle. Allerdings fühlte sie sich dadurch gleichzeitig endlich wieder so lebendig wie lange nicht mehr. Dennoch war sie ihm nicht dankbar dafür. Mit ihm zu arbeiten würden die längsten drei Monate ihres Lebens werden!

Als Shanna wenige Minuten später zurückkam, erhob Rick sich mit gerunzelter Stirn.

„Gefällt Ihnen die Aufmachung dieses Büros eigentlich?“ Er verzog das Gesicht.

„Es ist … wirkungsvoll.“ Sie ließ sich von ihm in die Jacke helfen, trat aber einen Schritt vor, als sie merkte, wie nah er hinter ihr stand.

„Es ist grässlich. Ihr Vorgänger muss einen verabscheuungswürdigen Geschmack gehabt haben.“

Shanna riss die Augen auf. „Woher wissen Sie, dass ich es nicht selbst ausgesucht habe?“

„Sie haben zu viel Stil.“ Er lächelte über ihr Erstaunen. „Sie haben Klasse, Shanna Logan, von den Haarwurzeln bis in die Zehenspitzen. Das reizt mich ja so an Ihnen.“ Draußen auf der Straße half er ihr, in das Taxi einzusteigen, das er auf wundersame Weise mitten im dichtesten Londoner Mittagsverkehr herangewinkt hatte. „Das Savoy“, nannte er dem Fahrer die Adresse.

Sie lehnte sich zurück und war sich bewusst, dass er sein Bein absichtlich an ihres presste. „Sie werden Ihre Essgewohnheiten ändern müssen, wenn Sie den Lunch auf Firmenkosten für Fashion Lady abrechnen wollen“, hielt sie ihm vor.

Es zuckte um seine Mundwinkel. „Dalmont Industries wird dieses Mal die Spesen übernehmen. Und holen Sie sich gleich morgen früh die Handwerker in Ihr Büro. Diese Farben müssen Ihnen ja Albträume verursachen.“

„Stimmt“, gab sie zögernd zu. „Aber Henry meinte immer, es sei …“

„Wirkungsvoll“, nutzte er ihren Ausdruck.

„Richtig.“

Rick Dalmont war offensichtlich kein Fremder im Savoy. Jeder, vom Portier bis zum Maître, kannte ihn, und man wies ihnen einen der besten Tische im Restaurant zu. Es zahlte sich also anscheinend aus, einflussreich und berüchtigt zu sein, dachte Shanna. Das einzige Mal, als sie mit einem vermeintlichen Star hier essen wollte, hatte sie Mühe gehabt, überhaupt eine Reservierung zu bekommen.

„Sagen Sie, Mr. Dalmont“, hob sie an, als sie sich gegenübersaßen, „wenn Sie wussten, dass ich meine Kündigung einreichen werde, warum haben Sie dann überhaupt darauf bestanden, dass ich als Chefredakteurin mit in den Vertrag eingeschlossen werde?“

Er strahlte Triumph aus, als er sich entspannt zurücklehnte. „Das verschafft mir drei Monate mit Ihnen, die ich sonst nie erhalten hätte. Ich war sicher, dass Sie sich verpflichtet fühlen, die Frist einzuhalten. Henry hat Ihnen bestimmt klargemacht, was eine fristlose Kündigung nach sich ziehen würde? Natürlich hat er das getan, denn sonst wären Sie schon weg, nicht wahr?“

„Sehr clever, Mr. Dalmont“, stieß sie gepresst hervor.

Seine Lippen zuckten. „Wieso habe ich das Gefühl, dass das gerade eine Beleidigung war?“

Grüne Augen trafen auf schwarze. „Weil Sie ein sehr scharfsinniger Mann sind, Mr. Dalmont.“

Er lachte, ohne gekränkt zu sein. „Und Sie sind eine faszinierende Frau. Hatten wir nicht schon geklärt, dass ich vom leitenden Personal Rick genannt werden möchte?“

Sie sah ihn skeptisch an. „Von diesen armen Menschen, denen Sie versichert haben, es werde keine Veränderungen geben?“

Sein Mund wurde hart. „Sie vertrauen meinem Wort nicht?“

Shanna musterte ihn. „Wenn Sie sagen, Sie wollen so wenig wie möglich am Format der Zeitschrift ändern, liegt die Betonung auf ‚wie möglich‘. Sie werden so viel ändern, bis es Ihnen möglich ist, das Resultat zu akzeptieren.“ Sie ärgerte sich über seinen verblüfften Gesichtsausdruck. Hatte er ihr so viel Intelligenz nicht zugetraut? „Ich bin in der Geschäftswelt aufgewachsen, Mr. … Rick“, erklärte sie. „Ich habe als Kind erlebt, wie mein Vater sein Imperium aufbaute. Als Mutter starb, ging er dazu über, seine Geschäftspläne mit Henry und mir zu besprechen.“

„Börsenberichte zum Frühstück?“ Auf ihr Nicken fügte er hinzu: „So ähnlich verlief meine Kindheit auch.“

Es passte ihr nicht, dass sie etwas mit diesem Mann gemeinsam haben sollte. Und sie bereute bereits das Wenige, was sie ihm von sich erzählt hatte. „Das bezweifle ich. Wir waren reich, sicher, aber nicht so reich.“

Das Essen wurde serviert, bevor Rick Gelegenheit zu der schneidenden Erwiderung hatte, die ihm auf der Zunge lag. „Lassen Sie uns das Mahl genießen. Ich streite mich ungern beim Essen.“

„Ich kann mich nicht mit Ihnen streiten“, gab sie zurück. „Ich arbeite für Sie.“

Er griff über den Tisch und legte seine Hand auf ihre. „Geben Sie mir zumindest die Chance, nett zu Ihnen zu sein. Normalerweise bin ich nicht so ungehobelt zu Frauen, wie ich es bisher zu Ihnen war.“

Shanna entzog ihm ihre Hand. „Wie Sie schon sagten, wir sollten das Essen genießen.“

Rick stieß einen ungeduldigen Seufzer aus, doch er griff nach seinem Besteck, und das Essen verlief friedlich.

„Wie stehen Sie zu Jane als Ersatz für mich?“, fragte Shanna schließlich beim Kaffee. Ihrer Meinung nach wurde es Zeit für das Geschäftliche bei diesem Lunch.

Rick überdachte den Vorschlag mit gerunzelter Stirn. Dann sagte er schlicht: „Nein.“

Nur mit Mühe nahm Shanna sich zusammen. Seit sie vor einem Jahr die Leitung der Zeitschrift übernommen hatte, ließ Henry ihr freie Hand bei allen Entscheidungen. Ohne eingebildet zu sein, konnte sie behaupten, der Zeitschrift zu neuem Glanz verholfen zu haben. Es kostete sie enorme Überwindung, jetzt Rick Dalmont fragen zu müssen. Dass er ihren Vorschlag zudem so einfach abschmetterte, empfand sie als eine offene Beleidigung. „Und warum halten Sie Jane nicht für geeignet?“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich möchte jemanden mit einem neuen Ansatz. Janes Loyalität gehört den Projekten, die Sie in Gang gesetzt haben.“

„Also geben Sie zu, dass ich einiges bei Fashion Lady ins Rollen gebracht habe?“ Ihre Ironie war kaum kaschiert.

Rick war erstaunt über ihre Vehemenz. „Gut zu wissen, dass es etwas gibt, das Sie aus der Ruhe bringt.“

„Davon gibt es genug, Mr. Dalmont!“

„Aber ich gehöre nicht dazu?“

„Nein, Sie nicht. Was nun Jane betrifft …“

„Ich sagte bereits Nein.“

„Das ist Ihr letztes Wort?“

„Ja.“

Shanna holte tief Luft. „Also gut.“ Ihre Stimme klang jetzt wieder kühl und beherrscht. „Dann werde ich eine Annonce für meinen Nachfolger in Auftrag geben.“

„Es war Ihre Entscheidung zu kündigen, Shanna“, erinnerte er sie behutsam.

„Und ich bereue sie nicht.“ Sie stand auf. „Wenn Sie mich dann entschuldigen wollen … meine Mittagspause ist längst vorbei.“

Rick erhob sich ebenfalls und beglich die Rechnung großzügig mit einigen Geldscheinen, die er auf den Tisch legte. „Ich hatte gehofft, es würde Ihnen nicht auffallen, wie schnell die Zeit verstrichen ist.“ Eine Hand an Shannas Ellbogen, führte er sie zum Restaurant hinaus.

„Natürlich ist es mir aufgefallen. Aber es ist schließlich Ihre Zeit.“

„In diesem Fall“, sein Ton wurde geschäftsmäßig, „möchte ich, dass Sie den Nachmittag mit mir in meinem Hotel verbringen. Um über den Verlag zu sprechen natürlich.“

„Natürlich“, wiederholte sie trocken. „Tut mir leid, Mr. Dalmont, aber im Büro wartet eine Menge Arbeit auf mich.“

„Dann wohl ein anderes Mal, was?“, spottete er.

„Das glaube ich kaum.“

„Ich auch nicht.“ Er lächelte plötzlich verschmitzt, was ihn jünger aussehen ließ. „Ich wünschte, Sie würden Ihre Entscheidung noch einmal überdenken, Shanna. Mit ein paar Änderungen und Ihrer Hingabe könnte Fashion Lady bald das angesehenste Frauenmagazin im ganzen Land sein.“

„Ich bezweifle, dass mir Ihre Änderungen gefallen werden, Mr. Dalmont.“

„Auch wenn sie gut für die Zeitschrift sind?“

„Ihrer Meinung nach!“, fuhr sie auf. „Seit wann sind Sie Experte für Verlagswesen?“

„Seit ich Fashion Lady gekauft und es mir zur Aufgabe gemacht habe, Bescheid zu wissen!“, knurrte er verärgert. Er winkte ein Taxi heran, hielt die Tür für Shanna auf und ließ sie einsteigen, dann schlug er die Tür zu und beugte sich zum offenen Fenster hinein. „Wir sehen uns noch, Shanna.“

Sie starrte geradeaus, als der Wagen sich in Bewegung setzte. Ricks Abschiedsgruß war eindeutig eine Drohung gewesen. Er würde schon dafür sorgen, dass sie sich wieder begegneten!

„Das war ein richtiger Schock!“ Jane kam in Shannas Büro. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass Fashion Lady verkauft ist.“

„Ich auch nicht.“ Shanna zog eine Grimasse. „Bis gestern.“

Jane riss erstaunt die Augen auf. Sie war eine hübsche Blondine Anfang zwanzig, immer modisch und mit eigenem Stil gekleidet. „Henry hat dir nichts davon gesagt?“

„Erst als es schon zu spät war.“

„Nun, Mr. Dalmont hat wohl die finanziellen Mittel, die wir für die Zeitschrift brauchen.“

Shanna runzelte die Stirn. „Es stört dich nicht, dass er der neue Chef ist?“

Jane zuckte die Schultern. „Ich kann mir vorstellen, dass es für dich schwierig sein muss, schließlich ist Henry dein Bruder. Aber Boss bleibt Boss, und so, wie es um die Arbeitsplätze in diesem Land bestellt ist, können wir froh sein, dass wir einen Job haben.“

Jane stand immer mit beiden Füßen auf dem Boden, und das war es im Moment, was Shanna brauchte. Ja, sie konnten von Glück sagen, dass sie Arbeit hatten, und Angebote als Redakteurin waren nicht gerade üppig gesät. Sie würde Schwierigkeiten haben, etwas anderes zu finden, selbst mit Empfehlungsschreiben.

Der Gedanke ließ sich nicht verdrängen, auch nicht, als Shanna sich abends zum Ausgehen fertig machte. Sie brauchte eigentlich nicht zu arbeiten, sowohl Perry als auch ihr Vater hatten für ihre finanzielle Sicherheit gesorgt. Aber den ganzen Tag zu Hause sitzen und nichts tun?! Dann würden nur die Erinnerungen an Perry und die unglückseligen letzten Monate ihrer Ehe über ihr zusammenschlagen.

Himmel, sie dachte ja jetzt schon daran! Dabei hatte sie sich so um Ablenkung bemüht. Tagsüber mit Arbeit und abends mit Partys.

Und das würde sich auch nicht ändern! In drei Monaten stand sie also ohne Job da. Na und? Sie würde schon etwas finden, um beschäftigt zu sein!

Als sie bei Steven und Alice Grant ankam, hatte Shanna zu ihrer üblichen beherrschten Fassung zurückgefunden. Das ältere Ehepaar, Freunde ihres Vaters, feierte seine Silberhochzeit mit einer Dinnerparty. Shanna begrüßte die anwesenden Gäste und steuerte dann auf Henry und Janice zu, die sie in der Menge erblickt hatte.

„Haben Sie ein bestimmtes Ziel?“, hörte sie da eine inzwischen vertraute Stimme, die sie zu verfolgen schien.

Shanna riss sich zusammen, setzte eine gefasste Miene auf und drehte sich zu Rick Dalmont um. Herrgott, er sah heute Abend wirklich umwerfend aus in seinem Smoking! Er hielt einen Drink in der Hand, also war er vermutlich schon länger hier. „Guten Abend, Mr. Dalmont. Wir scheinen uns immer wieder über den Weg zu laufen. Sind Steven und Alice Freunde von Ihnen?“

„Hallo, Shanna“, begrüßte er sie, dann schüttelte er den Kopf. „Nein, vor heute Abend habe ich sie noch nie gesehen.“

Sie schnappte nach Luft. „Sie sind einfach so hier hereingeplatzt?“

Seine Lippen zuckten. „Natürlich nicht. Ich bin mit Henry und Janice gekommen.“

Sie warf einen vernichtenden Blick auf ihren Bruder, der gar nicht wusste, wie ihm geschah. „Das hätte ich mir denken können!“ Bevor sie noch mehr sagen konnte, kam die Gastgeberin auf sie zu.

„Ah, Shanna, du hast Rick also schon gefunden.“ Alice Grant, eine attraktive Frau Ende vierzig, strahlte die beiden an. „Weil die Sinclairs gleichzeitig mit dir ankamen, habe ich versäumt, dir zu sagen, dass dein … dass Rick auch schon hier ist“, verbesserte sie sich verlegen. „Wir machen uns Sorgen um Shanna, Mr. Dalmont“, wandte sie sich an Rick. „Natürlich fehlt uns allen Perry ganz schrecklich, aber Shanna ist einfach zu jung und zu reizend, um allein zu bleiben.“

Shanna kannte Alice Grant von Kindesbeinen an und mochte sie wirklich gern, aber im Moment wäre sie ihr am liebsten an die Gurgel gegangen! Und Rick Dalmont konnte sich eine solche Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen.

„Ja, ich schätze mich wirklich glücklich, Mrs. Grant“, behauptete er charmant. „Und dass Sie sich Sorgen machen, kann ich verstehen. Aber jetzt hat sie ja mich.“ Herausfordernd sah er Shanna an. „Nicht wahr, Darling?“

Ärger sprühte aus ihren Augen. „Ich …“

„Ah, die Daniels sind da.“ Alice seufzte erleichtert. „Das ist Stevens Chef. Entschuldigt mich, wir unterhalten uns später noch.“ Damit eilte sie zu ihrem Mann, um die Neuankömmlinge zu begrüßen.

Shanna trat von Rick zurück. „Was haben Sie Alice erzählt?“, verlangte sie wütend zu wissen.

„Dass Sie noch arbeiten und wir uns hier treffen, sobald Sie sich aus dem Büro freimachen können.“

„Sie …“ Vor Entrüstung bekam sie kein Wort heraus. „Und Henry hat das mitgemacht?“

„Warum nicht? Ihm habe ich dasselbe gesagt, als ich ihn anrief und er mich wissen ließ, dass alle heute auf die Dinnerparty gehen.“

„Mein Gott, Sie haben Nerven!“

„Ja, das sagt man mir allgemein nach. Aber ich bezweifle, dass Alice es verstehen würde, wenn Sie versuchten, die Sache klarzustellen. Sie ist eine romantische Seele, und sie freut sich ehrlich für Sie, weil es so aussieht, als bekämen Sie nach dem Tode Ihres Mannes Ihr Leben wieder in den Griff. Ich verspreche auch, mich von meiner besten Seite zu zeigen.“

„Das will nichts heißen! Ich gedenke nicht …“

„Sparen Sie sich Ihre Beleidigungen für später auf.“ Rick deutete mit dem Kopf nach vorn. „Da kommen Henry und Janice. Tun Sie einfach so, als hätten wir eine rein berufliche Beziehung.“

„Ich will überhaupt keine Beziehung zu Ihnen haben!“

Er lächelte nur spöttisch, dann wandte er seinen ganzen Charme auf das herankommende Paar.

„Ach übrigens, Henry“, setzte er an und warf einen Seitenblick auf Shanna, „Shanna hat mich bereits den Abteilungsleitern bei Fashion Lady vorgestellt.“

Henry wirkte mehr als verdutzt. „Hat sie?“

„Ja.“ Rick nickte. „Allerdings nur ganz kurz, bevor wir zum Lunch gegangen sind. Und wie hätte ich eine solche Einladung ausschlagen können, nicht wahr?“

Henrys Verblüffung wuchs nur noch. Seine Schwester hatte keinen Hehl aus ihrer schlechten Meinung über Rick Dalmont gemacht. „Shanna hat Sie zum Lunch eingeladen?“

Bevor Shanna dieses Missverständnis aufklären konnte, rief die Gastgeberin zum Dinner, und zu ihrem Leidwesen musste Shanna feststellen, dass Alice Rick Dalmont an ihrer Seite platziert hatte. Sein triumphierendes Lächeln reichte aus, um Shanna während des gesamten Dinners kein Wort an ihn richten zu lassen, doch das schien ihn nur zu amüsieren.

„Ihre Freunde gefallen mir“, sagte er zu ihr, als man nach dem Essen wieder in lockeren Gruppen zusammenstand. Er hielt lässig und dennoch hartnäckig ihren Arm, sodass es Shanna nicht gelang, seine Hand abzuschütteln.

„Sie gefallen ihnen auch“, musste sie zugeben. Er hatte sich als wirklich angenehmer Gesellschafter gezeigt, und es war schwierig, Rick Dalmont auf den ersten Blick nicht sympathisch zu finden. Sie allerdings kannte die andere Seite an ihm. „Ich möchte jetzt gehen.“

„Eine gute Idee“, ging er sofort darauf ein. „Kommen Sie, verabschieden wir uns von den Gastgebern.“

„Sie müssen nicht mit mir kommen.“

Er hob eine dunkle Augenbraue. „Meinen Sie nicht, es sähe seltsam aus, wenn Sie gehen und ich bliebe?“

„Das hat Ihnen bei Ihrer Ankunft ja auch nichts ausgemacht.“

„Da hatte ich eine gute Entschuldigung.“

„Na schön, wir gehen also zusammen“, stimmte sie gepresst zu. Allerdings nahm sie sich vor, die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen, sobald sie draußen vor der Haustür standen.

„Ich würde noch gern ein Wort mit Henry wechseln, nur kurz. Macht es Ihnen etwas aus?“

Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. „Und selbst wenn, Sie tun ja doch, was Sie wollen.“

Rick lachte leise. „Schön, dass Sie das erkannt haben.“

Dieses Mal wirkte ihr Bruder äußerst zufrieden, als sie und Rick zu der kleinen Gruppe stießen. Shanna konnte sich denken, warum: Henry freute sich, dass seine Schwester Rick Dalmont nun anscheinend doch akzeptiert hatte.

So viel also zu ihrem Plan, Rick immer einen Schritt voraus zu sein. Heute Abend hatte sie mindestens ein Dutzend Schritte zurück gemacht!

3. KAPITEL

„Ich wollte nur noch mal daran erinnern, dass wir uns morgen um zehn treffen, damit Sie mich bei Fashion Lady herumführen“, sagte Rick wenige Minuten später zu Henry, als sie zu viert zusammenstanden.

Das war Shanna neu, und sie beschloss, dem Gespräch aufmerksam zu folgen. Vielleicht gab es noch mehr, was sie nicht wusste.

Henry runzelte nun die Stirn. „Ich dachte, Shanna hätte schon …“

„Ihre Schwester hatte heute Morgen eine kleine Überraschung für mich bereitgehalten.“ Er warf einen Seitenblick auf Shanna. Jetzt war ihr auch klar, warum er es erwähnte: Er wollte sie vor Henry in Verlegenheit bringen. „Zwar war ich nicht vorbereitet, aber ich glaube, ich habe mich ganz gut geschlagen.“

Mehr als das, und das wusste er auch! Er war so gewandt und ungezwungen gewesen, dass er sich schon jetzt der vollen Bewunderung der Mitarbeiter sicher sein konnte. Zudem hatte seine Bemerkung Henrys Misstrauen geweckt. Shanna konnte förmlich spüren, wie ihr Bruder in diesem Moment beschloss, sie im Verlag nichts mehr im Alleingang unternehmen zu lassen.

„Wir werden um kurz vor zehn bei dir im Büro sein, Shanna“, teilte Henry ihr knapp mit. „Dann werde ich die offizielle Vorstellung übernehmen, die Rick gebührt.“

Ihr Bruder war normalerweise nur schwer aus der Ruhe zu bringen, aber Shanna sah, dass Henry es alles andere als guthieß, wie sie mit Rick Dalmont umgegangen war. Mit ihrer Taktik hatte sie sich ins eigene Fleisch geschnitten.

„Ich werde bereit sein“, sicherte sie zu und flehte Henry mit einem Blick um Verständnis an. Die Geschwister hatten immer ein enges Verhältnis gehabt, Shanna legte viel Wert auf die Anerkennung und den Respekt ihres älteren Bruders, geschäftlich ebenso wie privat. Es mochte kleinlich und niederträchtig gewesen sein, was sie heute mit Rick Dalmont gemacht hatte, aber sie nahm es Rick ernsthaft übel, dass er das unplanmäßige Treffen mit den Abteilungsleitern vor Henry erwähnt hatte. Das war eine Angelegenheit, die nur sie beide etwas anging! „Es wird mir eine Ehre sein, Sie morgen durch die Redaktionsräume zu führen, Rick. Dafür brauchen wir Henry nicht zu behelligen.“

Henry schüttelte ungeduldig den Kopf und bedachte sie mit einem weiteren rügenden Blick. „Es ist angebracht, dass der bisherige Besitzer den neuen Eigner vorstellt.“

„Entschuldigung, Henry. Wir waren gerade im Aufbruch, Shanna möchte gehen“, mischte Rick sich geschickt ein. „Also werden wir uns jetzt verabschieden.“

Sie schäumte innerlich, während sie Alice und Steven auf Wiedersehen sagte und sich von Rick hinausbegleiten ließ. Sobald sie jedoch draußen vor dem Haus standen, riss sie sich aus seinem Griff los.

„Dieses Manöver war das schäbigste, billigste, gemeinste …“

„Ich weiß, ich weiß“, unterbrach Rick ihre Tirade. „Heute Morgen haben Sie sich auch nicht unbedingt an die Regeln gehalten.“ Aus den hell erleuchteten Räumen fiel Licht auf sein Gesicht. „Ich halte Arbeit und Vergnügen immer streng getrennt. Sie aber haben diese Grenze überschritten.“

„Das haben Sie bereits getan, als Sie mich in den Vertrag mit Henry einschlossen!“, warf sie ihm wütend vor.

„Die Verhandlungen zum Kauf der Zeitschrift liefen bereits seit Monaten.“

„Und vor zwei Wochen ist Ihnen dann eingefallen, dass ich ebenfalls darin vorkommen muss!“

Er presste die Lippen zusammen. „Henry redet zu viel.“ Dann seufzte er. „Ich habe Sie gewarnt, dass die kleine Episode von heute Morgen ein Nachspiel haben wird.“ Er zuckte die Schultern. „Jetzt sind wir quitt.“

„Wir sind gar nichts!“, stieß sie aus. „Ich will nichts mit Ihnen sein! Was ich getan habe, das hatten Sie verdient. Aber was Sie tun – Sie zwingen mich, für Sie zu arbeiten, drängen sich in mein Leben – womit habe ich das verdient?“

„Sie sind einfach viel zu schön“, knurrte er leise.

Sie riss ungläubig die Augen auf. „Und dafür wollen Sie mich bestrafen?“

„Für mich zu arbeiten ist keine Strafe. Es könnte … äußerst lohnenswert sein, wenn Sie es nur zuließen.“ Einen langen Augenblick betrachtete er ihr Gesicht. „Aber ich will mich nicht hier in aller Öffentlichkeit mit Ihnen streiten. Außerdem ist es viel zu kalt. Reden wir im Wagen weiter. Welcher gehört Ihnen?“ Er sah die Reihe der geparkten Autos entlang.

„Mir?“, wiederholte sie scharf. „Aber Sie …“

„Ich sagte doch, dass ich mit Henry und Janice gekommen bin. Ich bin per Taxi zu ihnen gefahren und dann mit den beiden hergekommen.“

„Aber …“

„Welches ist Ihr Wagen, Shanna?“, schnitt er ihr ungeduldig das Wort ab. „Bevor wir uns hier draußen den Tod holen!“

„Der Mercedes Sportwagen dort. Aber …“

Rick nahm ihr den Schlüssel aus der Hand, ging zielstrebig auf den Wagen zu, schloss die Tür auf und ließ sich hinters Steuer gleiten. Shanna blieb empört neben dem Auto stehen, während er den Motor anließ.

Rick sah zur Beifahrertür hinaus, die er für sie geöffnet hatte. „Nun steigen Sie schon ein.“

„Sie sitzen auf meinem Platz.“

Lässig lehnte er sich in den Sitz zurück. „Seit ich herausgefunden habe, dass meine Mutter die Menüfolge des Abendessens mit Vorliebe am Steuer ihres Autos plant, lasse ich mich nicht mehr von einer Frau fahren.“

„Nun, das tue ich nicht, also …“

„Nein, Sie denken sicher über die Artikelfolge in der nächsten Ausgabe von Fashion Lady nach“, neckte er. „Jetzt kommen Sie schon, steigen Sie ein.“

„Und Sie überlegen, wie Sie die nächste Frau in Ihr Bett bekommen!“, zischte sie bissig, glitt jedoch auf den Beifahrersitz.

„Sie kennen mich bereits sehr gut, Shanna“, sagte er mit einem Lächeln.

Mit zusammengepressten Lippen sah sie zum Seitenfenster hinaus. Es war wohl besser, dieses Thema schnellstens zu beenden! „Ich kann mich nicht entsinnen, dass ich Ihnen angeboten hätte, Sie nach Hause zu fahren.“

„Das tun Sie ja auch nicht. Ich fahre Sie.“

Und sehr souverän dazu. Perry war ein guter Autofahrer gewesen, allerdings war der Spaß am Fahren auf der Rennbahn manchmal auch in den Alltagsverkehr übergegangen, wobei sich der Beifahrer kaum entspannen konnte. Obwohl … sie sollte in ihrem eigenen Wagen gar nicht die Beifahrerin sein!

Schließlich hielt Rick vor einem kleinen exklusiven Hotel, stieg aus, kam um den Wagen herum und öffnete Shanna die Tür.

Sie blieb auf dem Bürgersteig stehen. „Geben Sie mir bitte meinen Schlüssel zurück.“

„Ich dachte, wir könnten noch zusammen einen Drink nehmen, bevor Sie weiterfahren.“

„Danke, nein.“ Sie streckte ihm fordernd die Handfläche hin.

Rick ließ den Schlüssel in die Hosentasche gleiten. „Nur ein Drink.“

„Nein!“ An seiner Miene konnte sie sehen, dass er nicht nachgeben würde. „Dann nehme ich mir eben ein Taxi.“

„Noch besser.“ Er stieg die Treppe zum Eingang hinauf, zwei Stufen auf einmal nehmend. „Dann komme ich morgen mit Ihrem Wagen zum Verlagsgebäude. Sicher wird Henry sich fragen, wieso ich Ihren Wagen habe, aber mir fällt schon eine passende Erklärung ein.“ Er nickte dem Portier, der ihm diensteifrig die Tür aufhielt, freundlich zu und verschwand im Haus.

Shanna starrte ihm fassungslos nach. Rick Dalmont war mit allen Wassern gewaschen. Und sie musste zugeben, dass er im Moment alle Trümpfe in der Hand hatte.

Ihre Absätze klapperten hart auf den Steinstufen, als sie ihm nacheilte. Der Portier hielt bereits die Tür auf, ohne auch nur eine Regung zu zeigen. Was Shanna klarmachte, dass er jedes Wort der Unterhaltung zwischen ihr und Rick verfolgt hatte. Trotzig schüttelte sie das Haar zurück, als sie Rick am Aufzug auf sie warten sah.

„Entspannen Sie sich, Shanna“, meinte er salopp, als sie ihn erreichte. „Das hier ist ein Hotel, nicht meine Wohnung. Wenn es Ihnen lieber ist, können wir den Drink in der Lounge nehmen.“ Er trat in die Kabine. Als Shanna keine Anstalten machte, ebenfalls einzutreten, drückte er den Halteknopf. „Lounge und Bar sind oben“, sagte er ungeduldig.

Schweigend stellte sie sich neben ihn und blickte starr geradeaus, doch sie spürte seinen Blick auf ihrem Körper.

„Ein Drink, dann bekommen Sie Ihren Schlüssel zurück“, sagte er, als die Lifttüren im obersten Stockwerk wieder aufglitten.

Shanna folgte ihm durch den mit dickem rotem Teppich ausgelegten Flur. Der Luxus des Hotels beeindruckte sie nicht. Perry und sie waren während der Rennsaison immer in erstklassigen Hotels untergekommen.

Rick schloss eine Zimmertür auf und schob Shanna sanft hinein, bevor er das Licht einschaltete.

Sie waren ganz offensichtlich in einer privaten Suite und nicht in der Hotelbar! Shanna wirbelte zu Rick herum. „Sie sagten …“, begann sie vorwurfsvoll.

„Ich sagte, Lounge und Bar sind oben.“ Abwehrend hob er die Hände. „Das ist meine Lounge, und die Bar ist da drüben.“ Er zeigte auf eine reiche Auswahl an Flaschen, die in einer Ecke des Zimmers auf einer glänzenden Anrichte standen.

„Sie haben mich getäuscht“, presste sie empört hervor.

„Im Gegenteil“, behauptete er. „Ich war von Anfang an geradezu peinlich offen zu Ihnen. Also, was möchten Sie trinken?“

„Nichts. Ich will meinen Autoschlüssel zurück, damit ich nach Hause fahren kann.“

„Kein Drink?“ Er machte einen Schritt auf sie zu.

Sie wich nicht aus, richtete sich nur zur vollen Größe auf. „Nein, nur meinen Schlüssel.“

Autor

Carole Mortimer
Zu den produktivsten und bekanntesten Autoren von Romanzen zählt die Britin Carole Mortimer. Im Alter von 18 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Liebesroman, inzwischen gibt es über 150 Romane von der Autorin. Der Stil der Autorin ist unverkennbar, er zeichnet sich durch brillante Charaktere sowie romantisch verwobene Geschichten aus. Weltweit...
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