Julia Best of Band 212

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DU BIST DER MANN, DEN ICH LIEBE
Nur aus Liebe geht Cara auf Byron Rockcliffes unglaubliches Angebot ein. Der Millionär rettet ihre kleine Firma vor dem Ruin, und sie schenkt ihm dafür ein Kind. Über seine wahren Gefühle aber verliert Byron kein Wort …

WAS DAS HERZ BEFIEHLT
Der charmante Anwalt Xavier Knightly lädt Carli zu einem Drink in seine Suite ein. Obwohl Carli ahnt, dass ihr Herz erneut in Gefahr gerät, kann sie der Versuchung nicht widerstehen. Dabei wurde ihre Ehe vor fünf Jahren geschieden …

BRAUT WIDER WILLEN?
Kane Kaproulias hat nur einen Gedanken, als er nach Sydney zurückkehrt: Rache! Allein deshalb wird er Bryony, die Tochter seines Erzfeindes, heiraten. Und doch kann Kane seinen Sieg nicht genießen: Bryony hat sein Herz erobert. Niemals kann er ihr wehtun ...


  • Erscheinungstag 12.04.2019
  • Bandnummer 0212
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712709
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Melanie Milburne

JULIA BEST OF BAND 212

1. KAPITEL

„Wenn dieser Abschluss nicht zustande kommt, sind wir am Ende.“

Cara sah ihren Geschäftspartner entsetzt an. „Was soll das heißen, am Ende?“

„Kaputt, finito, fertig“, seufzte Trevor theatralisch.

„Aber du hast doch noch letzten Monat beim Planungsmeeting gesagt, alles liege im grünen Bereich. Und das Geld vom Pritchard-Auftrag müsste jeden Tag auf unserem Konto eingehen …“

Trevor schüttelte den Kopf. „Ich hatte heute Morgen ein Gespräch mit der Buchhaltung. Unser Kredit ist ausgeschöpft, und das, was von Pritchard reinkommt, reicht gerade, um die Zinsen für diese Woche zu bezahlen. Deshalb ist der Rockcliffe-Auftrag lebenswichtig für uns.“

Bei der Erwähnung des Namens versteifte sich Cara automatisch, und eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken, als sie an die mitunter sehr finstere Miene des Namensträgers, Byron Rockcliffe, dachte.

„Warum ich?“, fragte sie nach längerem Schweigen.

„Weil er ausdrücklich darum gebeten hat, dass du den Auftrag übernimmst und dich um alles kümmerst … Eigentlich halte ich die Angst mancher unserer Kunden vor Homosexuellen für reichlich übertrieben.“ Trevor betrachtete interessiert seine manikürten Fingernägel. „Du müsstest doch wissen, warum. Schließlich warst du mit ihm verheiratet.“

Auch wenn ihr Gesicht ausdruckslos blieb, verspürte sie prompt ein Kribbeln im Bauch. „Aber das ist doch schon ewig her, Trevor. Sieben Jahre, um genau zu sein. Ich kann mich ja kaum noch daran erinnern, wie er aussieht. Wahrscheinlich hat er mittlerweile einen Bauch und eine Glatze.“

„Vielleicht hat er ja deswegen nach dir gefragt.“ Trevor grinste. „Um dein Gedächtnis ein wenig aufzufrischen.“

Sie sah ihn vorwurfsvoll an. „Gerade seine Motive sind es, die mir Sorgen machen.“

„Motive?“ Trevor riss die Augen auf. „Wen kümmern schon seine Motive? Er rettet mit dem Auftrag praktisch unser Geschäft. Und dann auch noch eine Villa in Cremorne, direkt am Hafen, und eine carte blanche für dich!“

„Fast zu schön, um wahr zu sein“, meinte sie argwöhnisch. „Ich lese lieber auch das Kleingedruckte, bevor ich mich festlege.“

„Dazu ist es zu spät, ich habe auch in deinem Namen schon zugesagt.“ Er sah zerknirscht in ihre Richtung. „Sorry, Kleines, aber ich musste es tun. Ich konnte einfach nicht zulassen, dass er sein Geld bei einer anderen Firma investiert. Und du kennst doch das Sprichwort über den geschenkten Gaul, oder?“

Cara stand auf und nahm ihre Tasche. „Ja, das kenne ich. Aber normalerweise schaut man sich einen Deal genauer an, um abschätzen zu können, ob er wirklich so gut ist.“ Mit einem vernichtenden Blick auf Trevor zog sie die Bürotür auf. „Sollte ich morgen nicht zur Arbeit kommen, ist es allein deine Schuld.“

„Solltest du morgen nicht auftauchen, gehe ich davon aus, dass Byron Rockcliffe dich in sein Bett gezerrt hat.“ Trevor feixte anzüglich. „Am Telefon hörte er sich so … so umwerfend männlich an.“ Er seufzte. „Schade, was für eine Verschwendung.“

Cara drehte sich auf dem Absatz um und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.

„Viel Glück!“, hörte sie Trevor noch rufen.

Sie brauchte mehr als Glück, um die nächste Stunde zu überstehen. Sie brauchte ein Wunder.

Selbst für Sydneys Verhältnisse war das Bürogebäude von „Rockcliffe und Partner“ riesig. Fast geräuschlos brachte der Fahrstuhl Cara sicher ins neunzehnte Stockwerk. Doch ihr Herz klopfte übermäßig schnell. In wenigen Augenblicken würde sie ihrem Exmann gegenüberstehen.

Die Türen glitten auf, und Cara trat auf einen spiegelverkleideten Korridor. Sie betrachtete ihr Spiegelbild, als sähe sie sich zum ersten Mal. Einige Strähnen ihres mittelbraunen Haars mit dem goldenen Schimmer hatten sich aus der Spange gelöst, ihre Wangen waren so erhitzt, als hätte sie die Treppe und nicht den Fahrstuhl genommen, und das dunkelblaue Kostüm von der Stange hatte auch schon bessere Tage erlebt. Es war längst nicht mehr modern, und außerdem hatte Cara inzwischen auch noch abgenommen.

Die Blondine an der Rezeption dagegen war in Armani und den dazu passenden Duft gehüllt. Nervös trat Cara an ihren großen Schreibtisch.

„Ich habe um drei Uhr einen Termin bei Mr. Rockcliffe“, sagte sie leicht gepresst.

Die Empfangssekretärin blätterte in ihrem Kalender. „Miss Gillem?“

„Ja.“

„Heute hat sich leider alles ein wenig nach hinten verschoben. Wenn es Ihnen nichts ausmacht zu warten …“

„Wie lange?“, hakte Cara sofort nach. Jetzt, da sie schon einmal hier war, wollte sie die Begegnung mit Byron so schnell wie möglich hinter sich bringen. Und schon gar nicht wollte sie, dass ihr Mut sie verließ, während sie im Vorzimmer sitzen und sich seine neueste Eroberung ansehen musste.

„Zwanzig Minuten, vielleicht auch dreißig“, erwiderte die Sekretärin ohne eine Spur von Verlegenheit.

Cara atmete tief durch. „Ich warte.“

Eine dreiviertel Stunde später hörte Cara das Summen der Sprechanlage und versteckte sich noch tiefer hinter der Zeitschrift, die sie zu lesen vorgab. Inzwischen raste ihr Herz.

„Miss Gillem?“, erklang die kühle Stimme der Sekretärin. „Sie können jetzt zu ihm. Die erste Tür rechts auf dem Gang.“

Cara legte die Zeitschrift zurück und ging mit bedrohlich weichen Knien den Korridor entlang. Als sie an die Tür mit dem Namensschild „Byron Rockcliffe“, klopfte, zitterte ihre Hand sichtbar, doch Cara atmete einmal tief durch und wartete.

„Herein.“

Der Klang seiner tiefen Stimme fuhr wie ein Blitz durch ihren Körper. Cara trat ein und sah Byron an, der souverän hinter seinem riesigen Schreibtisch saß. Angesichts seiner breiten Schultern, die auch noch von der Nachmittagssonne beschienen wurden, fühlte sie sich sofort im Nachteil. Obwohl sie sein Gesicht durch die einfallende Sonne nicht richtig erkennen konnte, glaubte sie sofort, seine gönnerhafte Miene zu spüren, während sie wie ein kleines Schulmädchen vor ihm stand.

„Cara.“

Ein Wort. Zwei Silben.

„Byron.“

So formell. So kalt.

„Setz dich doch.“

Sie nahm Platz.

Er lehnte sich in seinen Sessel zurück. „Möchtest du etwas trinken? Kaffee? Oder vielleicht etwas Stärkeres?“

Sie schüttelte den Kopf und umklammerte dabei ihre Tasche wie einen Rettungsring. „Danke, nein. Mir wäre es lieber, wenn wir gleich zum Geschäftlichen kommen könnten.“

„Ah ja.“ Bedächtig legte er seinen goldenen Füllhalter auf den Tisch. „Das Geschäft. Wie steht es damit?“

„Wie bitte?“ Argwöhnisch sah sie ihn an.

„Dein Geschäft, wie läuft es?“

„Gut.“

Selbst im Halbschatten bemerkte sie das skeptische Zucken seiner Mundwinkel. „Tatsächlich?“

Sie schluckte und presste die Tasche noch fester an ihre Brust. „Ich bin sicher, du weißt, dass ich nicht hier säße, wenn es gut ginge“, gab sie mit kühler, fast unbeteiligter Stimme zurück.

„Keine zehn Pferde hätten dich hergebracht, nicht wahr?“

Sie ging nicht darauf ein. „Ich dachte, dein Jagdrevier sei Melbourne?“

„Ich habe expandiert. Das Geschäft blüht.“

„Herzlichen Glückwunsch.“ Ihr Ton drückte genau das Gegenteil aus. „Trevor hat mir von deiner Anfrage erzählt“, sagte sie dann in die unangenehme Stille hinein. „Ich verstehe allerdings nicht, warum du darauf bestehst, dass ich den Auftrag übernehme. Trevor ist der kreative Geist bei uns.“

„Deinen unseligen Hang zur Selbstunterschätzung hast du also immer noch nicht abgelegt, wie ich sehe“, erwiderte er lässig. „Wie geht es deiner Mutter?“

„Sie ist tot.“

Bei dieser kühlen knappen Auskunft zuckte er sichtlich zusammen. „Das tut mir leid, das wusste ich nicht.“

„Es war eine Beerdigung im kleinen Kreis.“ Caras Stimme war sachlich und distanziert. „Meine Mutter hatte nur wenige Freunde.“

„Wann ist sie gestorben?“

„Vor drei Jahren. Es … es ging sehr schnell.“

„Krebs?“

„Nein. Komplikationen nach einem operativen Eingriff.“

„Das war sicher ein Schock für dich.“

Cara fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und bereute es, keinen Lippenstift aufgetragen zu haben. Sofort dachte sie, wie schrecklich es war, dass ihr der fehlende Lippenstift in diesem Moment unangenehmer war als der Tod ihrer Mutter. „Das Leben geht weiter“, sagte sie tonlos und setzte sich aufrecht in ihren Stuhl, sodass sie Byron möglichst aus gleicher Höhe in die dunklen Augen sehen konnte. „Lass uns bitte zum Geschäftlichen kommen. Trevor meinte, das Anwesen sei in Cremorne. Mit Blick auf den Hafen?“

„Ich fahre dich später hin“, unterbrach er sie.

„Ich kann es mir selbst ansehen“, widersprach sie hastig.

„Wie du möchtest.“

Cara kaute an ihrer Lippe. In dieser Sekunde fühlte sie sich überhaupt nicht wie jemand, der einem wichtigen Kunden Farbmuster und Möbelkataloge vorlegt, um anschließend mit ihm die Einrichtung seines Hauses zu besprechen. Ganz im Gegenteil, in dieser Sekunde fühlte sie sich klein und inkompetent. Außerdem hatte sie das Gefühl, als würde ihr jeden Moment der Boden unter den Füßen weggerissen werden.

„Ich muss eine Farbkombination zusammenstellen“, sagte sie. „Ich brauche eine Vorstellung von der Aufteilung, um …“

„Ich überlasse dir die Pläne.“ Byron griff nach einem schwarzen Aktenkoffer und holte einen Stapel Unterlagen hervor. „Alle Abmessungen sind aufgeführt.“

Sie blätterte die Papiere durch. „Wann soll es fertig sein?“

„Am ersten Oktober.“

„Das ist nicht gerade viel Zeit.“

„Ein Monat, das sollte reichen.“

Cara hob den Kopf und sah ihn erstaunt an. „Die meisten Möbelhersteller haben eine sechs- bis achtwöchige Lieferzeit, vorausgesetzt, sie haben die Stoffe in ihrem Lager vorrätig.“

„Dann nimm am besten die, die nur vier Wochen brauchen.“

„Aber …“

„Ich bin sicher“, unterbrach er sie, „du kannst deine Beziehungen spielen lassen.“

Cara schluckte ihre Erwiderung herunter und starrte stattdessen auf die Grundrisse, ohne überhaupt etwas wahrzunehmen. Sie merkte, wie sich ihr Nacken verspannte, während sie verzweifelt versuchte, ein Verständnis für die Zeichnungen aufzubringen – etwas, das ihr sonst spielend gelang. Wie schnell er sie verwirrt hatte! Ein paar Minuten in seiner Gegenwart, und sie hatte sich von einer hoch qualifizierten Innenausstatterin in ein zitterndes Nervenbündel verwandelt.

„Ich brauche Zeit, um es mir zu überlegen“, sagte sie zögernd und sah ihm nun direkt in die Augen.

„Wie viel?“

„Einen oder zwei Tage. Vielleicht auch drei“, fügte sie schnell hinzu, als ihr einfiel, wie lange sie im Vorzimmer hatte warten müssen.

Er schien nachzudenken. „Na schön“, meinte er schließlich. „Drei Tage. Am Freitag komme ich um zwölf Uhr in dein Büro. Aber danach gibt es keine zusätzlichen Verzögerungen mehr.“

„Warum ist die Sache so eilig?“, fragte sie. „Du verstehst doch selbst genug von dem Geschäft, um zu wissen, dass man für gute Arbeit Zeit braucht.“

„Ich will so schnell wie möglich einziehen. Nach drei Wochen im Hotelzimmer werde ich langsam ungeduldig.“

„Es ist dein Haus?“ Cara sah ihn schockiert an. „Du willst darin leben?“

Er nickte.

„Aber … aber du lebst doch in Melbourne.“ Panik stieg in ihr auf. „Was ist mit deiner Familie? Und dem Unternehmen?“

„Ich finde, dass es Zeit für eine Veränderung ist.“

Sie bemühte sich um Fassung und hoffte inständig, dass er nicht merkte, was seine Worte bei ihr bewirkten. „Im Telefonbuch stehen Hunderte von Innenausstattern, die sich alle um Jobs reißen. Warum ausgerechnet ich?“

„Warum nicht?“

„Weil es talentiertere Designer als mich gibt, deshalb.“

„Aber ich will dich.“

Vier schlichte Worte, ein simple Aussage, aber Cara war sich genau wie Byron der Doppeldeutigkeit seiner Worte bewusst. Sie hielt die Hände fest auf ihre Knie gestützt, um das Zittern zu verhindern. „Ich fühle mich geschmeichelt“, meinte sie ironisch.

Byron erhob sich und ging um den Schreibtisch herum. Sofort stockte Cara der Atem – allein durch seine Nähe. Seine Größe hatte sie schon immer beeindruckt, er trug sein dunkles Haar kurz geschnitten, auf seinem glatt rasierten, markanten Gesicht zeigte sich schon wieder der erste Bartschatten. Caras Wangen begannen zu brennen, als sie sich erinnerte, wie oft diese Stoppeln ihre weiche Haut berührt hatten. Im Vergleich zu früher wirkte sein Mund hart und leicht verbittert, als würde er nicht mehr oft lächeln. Dabei war es sein Lächeln gewesen, das ihr damals zuerst aufgefallen war. Ein Lächeln, das blendend weiße Zähne enthüllte, winzige Lachfältchen um seine Augen zauberte und diese schokoladenbraunen Augen auffunkeln ließ. Jetzt war nichts davon zu sehen.

„Du trägst dein Haar anders.“

Seine Stimme riss sie aus ihren Träumereien. Hastig stand sie auf und steckte sich eine Strähne hinters Ohr. „Ja.“ Sie hasste sich dafür, dass sie es nicht schaffte, dieses Treffen zu überstehen, ohne so nervös zu werden. Außerdem war sie überzeugt, dass er ihre Unsicherheit genoss. Warum hatte er dieses Treffen inszeniert, nach sieben Jahren? Was wollte er von ihr?

Die Sprechanlage summte, und Cara atmete erleichtert durch, als er zum Schreibtisch zurückging.

„Byron, Mr. Hardy ist hier.“

„Danke, Samantha.“

Cara sammelte die Zeichnungen ein und fragte sich, wie er seine Sekretärin wohl nannte, wenn sie allein waren? Sam? Oder Sammie? Sie verstaute die Pläne sorgfältig in ihrer Tasche, während ihre Abneigung mit jeder Sekunde wuchs.

„Es dauert nicht lange“, sagte Byron. „Bitte, setz dich wieder. Sam wird dir einen Kaffee bringen.“

„Nein, ich …“ Weiter kam sie nicht, er war schon aus der Tür hinaus.

Innerlich vor Wut bebend legte sie ihre Tasche wieder ab. Bildete er sich ein, sie hätte nichts Besseres zu tun, als auf ihn zu warten?

Statt sich wieder zu setzen, ging sie um den Schreibtisch und ergriff das Foto, das neben seinem Computerbildschirm stand, ohne sich recht bewusst zu werden, was sie da tat. Ihr strahlte die komplette Rockcliffe-Familie entgegen, alle mit ihren Partnern, inklusive sechs kleiner Kinder. Cara betrachtete die Kindergesichter und entdeckte in jedem etwas von Byron. Tief in ihrem Innersten rührte sich ein Schmerz, und traurig stellte sie das Foto ab – gerade in dem Moment ging die Tür auf.

„Wie ich sehe, hast du dich wieder mit der Familie bekannt gemacht“, sagte Byron trocken.

Schuldbewusst trat Cara einen Schritt zurück. „Das ist ja ein richtiger Clan geworden.“ Sie versuchte, ihre Stimme so neutral wie möglich zu halten, um ihre wahren Gefühle zu verbergen. „Welche Kinder gehören zu dir?“

„Keines.“

Sie hatte sich innerlich auf den Schmerz vorbereitet, zu erfahren, welche der hübschen jungen Frauen und welche der süßen Kinder wohl zu ihm gehören würden, deshalb dauerte es einen Moment, bis sie den Sinn dieses einen Wortes begriff. „Keines?“

„Nein.“ Er setzte sich und lehnte sich lässig zurück.

Cara beneidete ihn um seine Ruhe. Sein Anblick und die Art, wie er sie beobachtete, erinnerten sie an einen Adler, der seine Beute auskundschaftete.

„Bedauerst du es, Cara?“

Sie sah ihn nur kurz an, traute sich nicht, seinen Blick länger zu erwidern. „Was meinst du?“

„Dass du dich für eine Karriere und gegen die Mutterrolle entschieden hast. Ist es so befriedigend, wie du es dir erhofft hast?“

„Natürlich.“ Sie wusste genau, dass er ihr nicht glaubte. „Ich liebe meinen Job“, fuhr sie fort. „Und es macht Spaß, mit Trevor zusammenzuarbeiten. Er ist so kreativ und inspiriert mich zu Dingen, die ich noch nie gemacht habe.“

„Zum Beispiel, Bankrott zu gehen?“

Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Im Moment ist es ein bisschen knapp, aber da kommen wir schon wieder raus.“

„Deine Zuversicht in allen Ehren, aber soviel ich weiß, geht es rasant bergab.“

„Das stimmt doch gar nicht!“ Ihr Protest kam viel zu schnell und viel zu heftig, aber sie konnte nicht zulassen, dass er sich über ihre Niederlage amüsierte. Dazu war sie viel zu stolz.

„Hat Trevor dir nicht gesagt, dass die Bank damit droht, den Kredit aufzukündigen? Und dass alles, was du investiert hast, einschließlich des gesamten Inventars, verloren gehen wird, außer, ihr seid schnellstens wieder zahlungsfähig? Ich gehe davon aus, dass ihr Inventar habt …“

„Natürlich! Nicht, dass es dich etwas anginge.“ Sie funkelte ihn wütend an.

„Doch, jetzt schon.“

Cara ballte ihre Hände zu Fäusten, dabei pressten sich ihre Nägel schmerzhaft in die Handflächen. „Was soll das heißen?“

„Ich werde verhindern, dass du Konkurs anmelden musst. Ich übernehme den Kredit und begleiche sämtliche Forderungen, die noch ausstehen.“

Ihr Mund war plötzlich trocken. „Warum solltest du das tun?“

„Ich habe einen sehr guten Grund“, antwortete er sachlich.

Eine böse Vorahnung verdrehte ihr den Magen. Jetzt kam das Kleingedruckte. „Und der wäre?“ Mehr brachte sie nicht heraus.

„Ich will, dass du mein Kind bekommst.“

2. KAPITEL

„Du bist verrückt!“ Cara schaute Byron ungläubig an. „Das kannst du nicht ernst meinen.“

„Todernst.“

Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. „Aber … aber wieso? Und wieso ich?“

„Ich sagte bereits, dass ich dich will.“

Sie starrte ihn mit offenem Mund an. „Und warum jetzt, nach all der Zeit?“

Byron stand auf. Er machte keinen Schritt auf sie zu, doch sein Blick nahm jede ihrer Regungen wahr. „Ich bin der Einzige in der Familie, der noch keine Kinder hat. Ich bin inzwischen sechsunddreißig, und ich will einen Sohn oder eine Tochter, nicht nur Neffen und Nichten.“

„Aber es muss doch eine Unmenge Frauen geben, die mit Freuden Mutter deiner Kinder würden“, keuchte sie fassungslos. „Herrgott, mit deinem Geld könntest du dir sogar jemanden dafür kaufen.“

„Ich kaufe mir ja auch jemanden“, sagte er kalt.

„Oh nein, nicht mit mir!“ Sie schüttelte den Kopf. „Niemals!“

Sie wollte an ihm vorbeirauschen, doch Byron hielt ihren Arm fest. Plötzlich war sie ihm viel zu nahe – zu nahe, um zu atmen oder zu denken.

„Überleg es dir, Cara.“ Seine Stimme klang rau. „Du kannst alles haben, auch deine Karriere.“

Cara wollte sich losreißen, hatte jedoch keine Chance und fühlte sich wie ein gefangenes Tier im Käfig.

„Tu mir das nicht an, Byron“, flehte sie. „So sehr kannst du mich nicht hassen.“

Er schüttelte leicht den Kopf, ohne sie dabei loszulassen. „Ich hasse dich nicht. Ich fühle überhaupt nichts mehr für dich, weiß aber genau, was ich will und was nicht. Mein Leben ist an einem Punkt angekommen, an dem ich sehr viel erreicht habe. Und ich will meine Kinder noch genießen können. Was ich überhaupt nicht will, ist eines Morgens aufwachen und denken: ‚Mein Gott, ich habe über der Arbeit ganz vergessen, Kinder in die Welt zu setzen.‘ Geht dir das nicht auch manchmal so?“

„Nein“, log sie. „Ich denke nie daran.“

„Nun, ich schon. Eigentlich sogar ständig. Alle meine drei Geschwister sind jünger als ich, und alle haben Kinder. Felicity erwartet sogar bald ihr zweites.“

Cara dachte an Byrons jüngere Schwester und schluckte. „Bitte Byron, verlang das nicht von mir“, bat sie. „Ich bin nicht die Richtige dafür.“

„Und ob du die Richtige bist, du willst es nur nicht zugeben. Die wahre Cara will dasselbe wie ich. Vor sieben Jahren habe ich erfolglos versucht, dir dabei zu helfen, dich selbst zu finden. Nun bietet sich wieder eine Möglichkeit, und die werde ich auf keinen Fall ungenutzt lassen.“

„Wie kann man nur so eiskalt sein!“, brauste sie auf. „Das ist unmenschlich! Widerlich, erbärmlich und …“

„Mag sein, aber es ist das, was ich will.“

„Und du bekommst natürlich immer, was du willst?“

„Nicht immer. Aber dieses Mal bin ich mir ziemlich sicher.“

„Da irrst du dich! Und zwar gewaltig! Denn ich spiele dieses Spiel nicht mit! Such dir einen anderen Brutkasten, dieser ist unverkäuflich!“

„Trevor, jetzt erklär mir sofort, was da eigentlich abläuft!“ Cara klang sehr ungehalten, während sie in ihr Handy sprach.

„Herzchen, du hörst dich so aufgeregt an“, versuchte ihr Geschäftspartner sie zu beruhigen „Ist dein Treffen mit Lord Byron nicht gut verlaufen?“

„Lord Byron trifft’s“, erwiderte sie trocken. „Wenn sich jemand für Gott hält, dann Byron Rockcliffe. Trevor, warum hast du mir nicht gesagt, wie schlimm es wirklich um uns steht?“

„Ich wollte dich nicht beunruhigen. Du warst in den letzten Monaten so bedrückt, und …“

„Ich bin seit Jahren ‚bedrückt‘, wie du es nennst. Warum also?“

„Weil ich schuld bin“, gab er zerknirscht zu. „Ich habe dich mit meinem ‚kreativen Genius‘, wie du immer so liebevoll sagst, begeistert, aber nie Zeit gehabt, die Risiken abzuschätzen. Und jetzt wirst du die Rechnung dafür zahlen müssen, fürchte ich.“

„Ich zahle überhaupt nichts. Byron ist völlig übergeschnappt. Ich lasse mich nicht auf seinen Handel ein.“ Am anderen Ende blieb es lange still. „Trevor?“, fragte sie in die Muschel.

„Hör zu, Cara.“ Trevor klang traurig. „Wir haben gar keine andere Wahl. Ohne seine Hilfe sind wir aus dem Rennen. Tu einfach, was er will. So schwierig kann es doch nicht sein, sein Schloss einzurichten, oder?“

„Schwieriger, als du ahnst.“

„Wenn du meinen Rat brauchst … meine Nummer hast du ja. Habe ich dir übrigens schon erzählt, dass ich heute eine heiße Verabredung habe?“

„Nein, mit wem denn?“

„Antonio.“

„Ich dachte, der säße auf der Ersatzbank?“

„Ich habe das Ganze noch einmal gründlich überdacht. Ich werde es einfach drauf ankommen lassen.“

„Na, dann viel Spaß. Wir sehen uns morgen früh.“

Die nächsten drei Tage verbrachte Cara damit, herauszufinden, wie schlimm es wirklich um die Firma stand. Sie sah sämtliche Bücher durch, sprach mit der Buchhaltung und besuchte die Bank. Der Bankdirektor war sehr verständnisvoll, blieb aber unerbittlich: So eine Gelegenheit wie das Geschäft mit Byron Rockcliffe sollten sie sich nicht entgehen lassen, sonst müssten sie Insolvenz anmelden.

Kurz nach ihrer Rückkehr ins Büro kündigte Trevor Byrons Besuch an. Panisch sah Cara auf ihre Uhr. Seit sie ihm am Dienstag sein Angebot ins Gesicht zurückgeschleudert hatte, hatte sie nichts mehr von ihm gehört, und irgendwie hatte sie gehofft, dass sich alles in Wohlgefallen auflösen würde.

„Cara.“

Sie sah auf. Byron stand in der Tür. Jeder Gedanke an eine überstürzte Flucht war dahin. Mit zitternden Knien erhob sie sich und ging auf ihn zu.

„Mr. Rockcliffe“, grüßte sie steif.

„Lassen wir doch die Formalitäten, Cara.“

Sie konzentrierte sich auf seinen Krawattenknoten. „Byron, ich will nicht unhöflich sein, aber wir sollten das Ganze hier und jetzt beenden. Dein Angebot, uns zu helfen, ist sehr großzügig, aber ich fürchte, ich kann die Bedingungen nicht erfüllen.“

Sie sah seinen Adamsapfel hüpfen, als er schluckte, und hob den Blick. Seine dunklen Augen lagen auf ihrem Gesicht, er runzelte die Stirn.

„Also verlierst du lieber alles, was du besitzt, als dich auf eine zeitlich begrenzte Beziehung mit mir einzulassen?“ Sein Mund wurde hart.

„Zeitlich begrenzt?“, wiederholte Cara verständnislos.

„Natürlich. Etwas anderes würdest du doch nicht wollen, oder?“

„Ich … nein, sicher nicht“, stammelte sie.

„Dann hast du jetzt zwei Möglichkeiten“, fuhr er fort. „Entweder du bittest mich zu gehen, oder du kommst mit mir. So einfach ist das.“

Unfähig zu einer Antwort, wirbelten die unterschiedlichsten Gedanken durch ihren Kopf. Natürlich wollte sie sein Angebot ablehnen, aber dann sah sie wieder die Bilanzen vor sich. Sollte sie nach einer Insolvenz jemals wieder einen Kredit beantragen müssen, würde er ihr mit Sicherheit verweigert werden, weil sie für jede Bank ein untragbares Risiko war. In dem Bemühen, ihrer Vergangenheit zu entkommen, hatte sie alles in ihre Karriere investiert, endlose Energie und jeden Cent. Und nun sollte das alles umsonst gewesen sein? Nur weil sie einer kleinen Bedingung nicht zustimmen konnte? Ganz so klein war die Bedingung allerdings nicht …

„Cara?“

Ihre Kehle war wie zugeschnürt. „Könnte … könnte ich zuerst das Haus sehen?“

„Warum? Damit du die Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen kannst?“ Byrons Stimme triefte vor Sarkasmus.

„Die Zeit, in der ich spontan und nur von Gefühlen geleitete Entscheidungen getroffen habe, ist vorbei“, gab sie kühl zurück. „Heute prüfe ich alles aus möglichst verschiedenen Blickwinkeln.“

„Wie weise von dir.“

Sie schulterte ihre Handtasche. „Wollen wir?“

Das Haus war riesig. Als Byron die Tür aufschloss, holte Cara einmal tief Luft und trat ein. Eine gewundene Treppe führte von der mit hellem Marmor ausgelegten Eingangshalle ins erste Stockwerk und auf die Galerie, wo hohe Fenster das warme Sonnenlicht einließen. Neugierig warf Cara einen Blick in das große Wohnzimmer, in dem dicke cremefarbene Teppiche eine heimelige Atmosphäre verbreiteten.

Noch nie hatte sie so ein Haus gesehen, und sie wollte es unbedingt einrichten!

„Also, was hältst du davon?“, fragte Byron.

„Es ist … atemberaubend.“

„Komm und sieh dir die Aussicht an.“ Er führte sie zu einem der Fenster, das auf die Neutral Bay hinauszeigte. „Vom Schlafzimmer aus kann man Shell Cove sehen.“

Cara drehte sich zu ihm um. „Es ist das schönste Haus, das ich je gesehen habe, Byron.“

„Ein Lob.“

Weder an seinem Gesicht noch an seiner Stimme konnte sie erkennen, was er dachte. Suchend sah sie in seine Augen, doch auch in ihnen konnte sie nichts ausmachen.

Cara stieg die paar Stufen in das abgesenkte Wohnzimmer hinunter. Ein großer offener Kamin beherrschte die eine Wand, und sofort stellte sie sich gemütliche Abende vor, zusammengerollt auf bequemen Ledersofas mit dem Blick auf die flackernden Flammen.

Byrons Schritte hinter ihr rissen sie aus ihren Gedanken. Eilig verließ sie das Wohnzimmer und ging in die Küche.

„Wie du siehst, ist die Küche bereits eingerichtet.“ Byron stand im Türrahmen.

„Es ist sehr schön.“ Cara fuhr mit der Hand leicht über die dunkle Granit-Arbeitsplatte. Durch die Geräte aus schimmerndem Edelstahl wirkte der Raum extrem modern. Sie hätte sich für das gleiche Design entschieden.

„Für den Rest des Hauses kannst du die Farben aussuchen, Teppiche, Vorhänge, Möbel und so weiter. Du hast freie Hand, der Preis spielt keine Rolle.“

Cara zog die Hand von der Granitplatte, als er auf sie zukam. „Byron, ich …“

Er legte einen Finger auf ihre vollen Lippen. „Nein, Cara, du musst dich noch nicht entscheiden. Ich sehe in deinen Augen, dass du noch unentschieden bist.“ Sein Blick glitt forschend über ihr Gesicht. „Aber die Versuchung ist groß, nicht wahr?“

Sie wollte den Kopf schütteln, doch seine Berührung ließ sie erstarren. Schauer liefen ihr über den Rücken, als Byron mit dem Daumen die Konturen ihrer Lippen nachzog.

„Du willst dieses Haus, aber du bist dir nicht sicher, ob du die Bedingungen akzeptieren kannst, richtig?“

Cara öffnete den Mund, wollte sprechen, doch sie bekam kein Wort heraus.

„Ich gebe dir das Wochenende.“ Byron löste sich aus ihrer Nähe. „Sonntagabend will ich deine endgültige Antwort.“

Plötzlich fror sie. „Einverstanden“, sagte sie mit einer Stimme, die nicht ihr zu gehören schien.

Er hob eine Augenbraue, offensichtlich überrascht über ihr schnelles Zugeständnis. „Komm, ich zeige dir den Garten. Er wird dir gefallen.“

Wie könnte dieser Garten jemandem nicht gefallen, dachte sie, während Byron sie herumführte. Überall war es grün, versetzt mit unzähligen Blumenbeeten, und hinter Pool und Tennisplatz konnte man das glitzernde Meer sehen. Cara atmete die salzige Luft ein und wünschte sich sehnlichst, sie könnte die Zeit zurückdrehen.

„Spielst du noch?“ Seine Schulter streifte sie, als Byron auf den Tennisplatz zeigte.

Ihr Mund war plötzlich trocken. „Schon seit Jahren nicht mehr.“

„Schade. Du warst gut. Du solltest wieder anfangen.“

Die Zeit schien still zu stehen. Irgendwo in der Ferne glaubte Cara Kinderlachen zu hören, doch vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Während sie lauschte, verlor Cara sich in dem hypnotisierenden Blick ihres Exmannes.

Auf einmal beugte Byron den Kopf, zögerte für den Bruchteil einer Sekunde und strich mit seinem Mund leicht über ihre Lippen, die sofort reagierten. Cara fühlte seinen Atem an ihrer Wange, bevor er erneut ihre Lippen küsste, diesmal drängender.

Ein Teil von Cara wollte zurückweichen vor diesem verführerischen Mund, doch ein anderer, stärkerer Teil drängte sich ihm entgegen. Es ist schließlich nur ein Kuss, sagte sie sich. Ein Kuss zwischen Fremden.

Doch als Byron seine Lippen zum dritten Mal auf ihre presste, war nichts Fremdes mehr an diesem Kuss. Bereitwillig erwiderte sie ihn, und als Byron sie mit einem Ruck an sich zog, war sie erschreckt über seine Erregung und beschämt über ihre Hingabe. Sie wollte ihn. Nach sieben langen Jahren gehörte sie immer noch ihm, und ihr Mund verriet es ihm mit aller Deutlichkeit.

Plötzlich gab Byron sie frei und trat zurück. „Sieh dich in Ruhe um, ich warte beim Wagen“, sagte er mit tonloser Stimme. „Ich muss noch ein paar Anrufe machen.“

Cara sah ihm nach, während er zum Seitenausgang ging. Sie fuhr mit der Zungenspitze über ihre geschwollenen Lippen und schmeckte ihn dort. Vertraut, und doch fremd. Bekannt, und jetzt doch nicht mehr zu erkennen.

Sie sah zu dem großen leeren Haus hinauf und fragte sich, wie ihre Antwort am Sonntagabend ausfallen mochte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, nicht viel Mitspracherecht zu haben, ihr Körper schien bereits eine Entscheidung getroffen zu haben.

Würde sie die Kraft haben, Byron ein zweites Mal zu widerstehen?

3. KAPITEL

Byron lehnte an seinem Wagen und telefonierte. Als Cara auf ihn zukam, öffnete er die Beifahrertür, ohne sie anzusehen. Nachdem er den Anruf beendet hatte, setzte er sich, immer noch stumm, hinter das Steuer.

Cara wollte das Schweigen brechen, doch sie wusste nicht, was sie hätte sagen können. Was sagt man in so einer Situation zu seinem Exmann? „Ich liebe dich noch immer? Der größte Fehler meines Lebens war, dich zu verlassen? Können wir noch einmal von vorn anfangen?“

„Nein.“

„Hast du etwas gesagt?“ Byron warf ihr einen kurzen Blick zu.

„Nein, nichts.“ Ihr war nicht bewusst gewesen, dass sie laut gesprochen hatte, so sehr hatte die Erinnerung sie in ihren Bann geschlagen.

„Ich dachte, wir könnten gemeinsam etwas essen. Um zwei habe ich zwar einen Termin, aber uns bleibt noch genug Zeit, um irgendwo ein Sandwich zu essen und einen Kaffee zu trinken.“

Auf keinen Fall wollte Cara den Eindruck erwecken, dass sie seine Gegenwart genoss, und sie hätte ebenfalls gern einen oder zwei Kunden für sich erfunden, aber ihr Nachmittag war erschreckend terminfrei. „Ich sollte besser ins Büro zurück … Trevor wartet.“

„Und was machst du dann da?“ Wieder ein kurzer Blick auf sie. „In deinem Geschäft ist niemand. Ist meine Gesellschaft dir so zuwider, dass du nicht einmal ein einfaches Essen mit mir verträgst?“

Die Bitterkeit in seiner Stimme ließ sie zusammenzucken. „Nein, natürlich nicht.“ Selbst in ihren Ohren klang das nicht sehr überzeugend.

„Kein Wunder, dass du dich so dagegen sperrst, das Bett mit mir zu teilen. Ganz zu schweigen davon, mein Kind zu bekommen.“

Angestrengt starrte Cara auf ihre verschränkten Finger, bis sie sicher war, sich unter Kontrolle zu haben. „Natürlich können wir gemeinsam etwas essen. Ich habe keine anderen Termine.“

Schweigend fuhren sie zu einem Café an der Neutral Bay. Zwischendurch sah Cara ein- oder zweimal in Byrons Richtung. Eine tiefe Falte zerfurchte seine Stirn, die Lippen hielt er fest zusammengepresst. Sie wusste, dass er sich über sie ärgerte. Sieben Jahre aufgestauten Ärgers und Enttäuschung standen als dicke Mauer zwischen ihnen.

Zu Beginn ihrer Beziehung hatte Cara unmissverständlich betont, dass sie keine Kinder haben wollte. Den wahren Grund dafür hatte Byron nie erfahren, Cara schob immer das Argument vor, Karriere machen und keinesfalls als Hausfrau und Mutter in der Küche enden zu wollen. Die Tatsache, dass damals von einer Karriere noch überhaupt nicht die Rede sein konnte, tat ihrer damaligen Argumentation keinen Abbruch. Aber was wusste sie mit ihren zweiundzwanzig Jahren schon vom Leben? Sie hatte ständig ihre Jobs gewechselt, immer auf der Suche nach etwas, das sie ausfüllen würde. Doch niemals war ein schimmerndes Licht am Horizont erschienen.

Erst durch die Scheidung hatte sie Einblick in die Welt der Innenarchitektur bekommen. Übereifrig hatte sie sich in ihre Studien gestürzt, vor allem, um den dumpfen Schmerz in ihrem Inneren zu verdrängen, der einfach nicht nachlassen wollte. Der trotz all ihrer Anstrengungen auch heute noch da war …

Byron parkte den Wagen und führte Cara zu einem Tisch im Schatten eines ausladenden Baumes. Cara ergriff die Speisekarte und starrte darauf, ohne etwas lesen zu können.

„Cara?“

Sie begegnete seinem Blick.

„Möchtest du einen Kaffee?“ Byron wies auf die Bedienung, die mit gezücktem Block am Tisch stand.

„Ein Mineralwasser, bitte.“ Sie spürte Byrons Blick, als die Kellnerin sich entfernte.

„Was ist aus der Espresso-Lady geworden?“, fragte er.

„Sie konnte nicht schlafen“, gab sie mit einem Achselzucken zurück und widmete sich wieder der Speisekarte.

Als sie aufsah und den letzten Rest eines Lächelns erhaschte, wünschte sie, sie hätte früher den Kopf gehoben.

„Erzähl mir von deiner Mutter, Cara.“

Automatisch versteifte sie sich. In seiner Nähe und bei diesem Thema fiel es ihr schwer, eine unbeteiligte Miene aufzusetzen.

„Ich möchte nicht schlecht über eine Tote sprechen.“ Hastig trank sie aus dem Glas, das die Bedienung an den Tisch gebracht hatte, in stiller Hoffnung, Byron möge das Thema wechseln.

Byron streute Zucker in seinen Capuccino und rührte ihn nachdenklich um. Das Wiedersehen mit Cara setzte ihm mehr zu, als er geahnt hatte. Er war überzeugt gewesen, souverän und lässig die Führung zu übernehmen. Aber irgendwie klappte es nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte.

Damals war er zu jung und unerfahren gewesen. Anfangs hatte ihn die Lust beherrscht und dann die Liebe – allerdings die Liebe zu einem Ideal. Das sich dann als lebendige Frau entpuppt hatte, mit Eigenschaften, Anliegen und Problemen, die sich nicht ignorieren ließen. Heute verstand er das, damals nicht.

Sie hatte ihn nie ihrer Mutter vorgestellt. Heute fragte er sich, warum er nicht darauf bestanden hatte. Cara hatte immer eine Entschuldigung parat gehabt: Ihre Mutter war bei Verwandten zu Besuch; zur Hochzeit konnte sie nicht kommen, weil sie krank war; sie wollte momentan niemanden sehen, weil es ihr nicht gut ging.

Ein einziges Mal hatte er mit Edna Gillem telefoniert. Noch heute schmerzte ihn die Erinnerung daran. Dieses Gespräch war dann auch der letzte Nagel für den Sarg, in dem ihre kurze Ehe zu Grabe getragen wurde.

Heute erkannte er die Fehler, die er praktisch von Beginn ihrer Beziehung an gemacht hatte. Damals hatte sie zu einer Mädchenclique gehört, die für ihn immer nur „die Bande“ gewesen war. Junge Frauen, die wie Jagdhunde hinter jungen Männern her waren. Er hatte sofort gewusst, dass Cara nicht richtig dazugehörte, sie sah so unsicher, verängstigt und verletzlich aus – ganz anders als die anderen. Und genauso schnell hatte sein vom Vater und Großvater vererbter Beschützerinstinkt eingesetzt.

Byron lud Cara zu einem Drink ein, dem ein zweiter folgte und ein dritter. Sie landeten in seiner Wohnung, und Cara war auf seiner Couch eingeschlafen. Drei Wochen später schlief sie in seinem Bett, weitere acht Wochen danach trug sie seinen Ring am Finger. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er noch nie mit einer Jungfrau geschlafen, und es hatte ihn praktisch von den Füßen gehauen.

Noch heute fühlte er sich schuldig. Hätte er sich damals mehr Zeit gelassen, um die wahre Cara kennen zu lernen … vielleicht würde er ihr dann heute nicht in einem Café gegenübersitzen – mit einer Kluft von sieben Jahren dazwischen. Vielleicht hätten sie dann heute Kinder … Kinder mit grün-braunen Augen und hellem braunen Haar, die bereits zur Schule gingen und längst nicht alles taten, was man ihnen sagte.

Byron sah von seinem Capuccino auf und betrachtete Cara. Was mochte sie wohl gerade denken? Sie wirkte so kühl, so gefasst. War sie es?

„Wie geht es deinen Eltern?“, unterbrach sie seine Gedanken.

Ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. „Fit wie immer. Dad hat das Golfspielen entdeckt, und Mum geht ganz in ihrem Bridge-Club auf.“

„Und deine Geschwister?“

Byron schob seine Tasse von sich. „Patrick und Sally haben irgendwann doch geheiratet, ihre Zwillinge, Katie und Kirstie, sind mittlerweile fünf. Leon und Olivia haben drei Kinder – Ben, sieben, Bethany, fünf, und Clare ist drei. Fliss hat vor zwei Jahren Thomas bekommen, und ihr zweites wird wohl ein Mädchen.“

Cara trank ihr Glas aus. „Und dein Unternehmen?“

„Boomt.“ Er verzog leicht den Mund. „Du hättest warten sollen.“

Cara erwiderte nichts, sondern blickte stumm auf die riesigen Sandwiches, die die Bedienung auf den Tisch stellte. Sie hatte nie daran gezweifelt, dass Byron es schaffen würde. Schließlich kam er aus einer alten, wohlhabenden und traditionsreichen Familie, deren Söhne allesamt sehr erfolgreich gewesen waren. Es wunderte sie allerdings, wie wenig ihn sein Erfolg befriedigte. Und nicht eine Sekunde hätte sie geglaubt, dass er unverheiratet und kinderlos sei, vielmehr hatte sie ihn sich immer mit einer ganzen Fußballmannschaft von Kindern vorgestellt, so wie er es sich immer gewünscht hatte. Ganz offensichtlich verstand sie ihn nicht. Vielleicht hatte sie ihn nie verstanden.

Minutenlang schwiegen beide, in Erinnerungen und Gedanken versunken.

„Ich soll dir Grüße von meinen Eltern bestellen“, sagte Byron schließlich. „Ich war gestern Abend bei ihnen.“

„Danke, grüß sie bitte herzlich zurück. Ich habe oft an die beiden gedacht.“

„An mich auch?“

Cara spielte mit ihrer Serviette, ihr Essen hatte sie immer noch nicht angerührt. „Ab und zu.“

„Nur ab und zu?“

„Oft.“ Sofort bereute sie ihre Antwort. Wahrscheinlich bildete Byron sich jetzt ein, sie würde ihm nachtrauern – die leidende Exfrau, die ihr Leben seit der Trennung nicht mehr in den Griff bekommen hat. „Hat Felicity ihren Abschluss gemacht?“, fragte sie hastig, weil es die erste Frage war, die ihr in den Sinn kam.

„Magna cum laude. Wir sind sehr stolz auf sie. Sie ist die erste Frau in der Rockcliffe-Familie mit einem Doktortitel. Mutter hat einen Magister, aber Fliss ist dank ihrem Ehrgeiz und ihrer Intelligenz noch einen Schritt weiter gegangen.“

„Ich wusste immer, dass sie es schaffen würde, sie hat das Zeug dazu.“

„Du aber auch“, bemerkte er. „Das ist ein ziemlich eindrucksvolles Diplom, das da an deiner Bürowand hängt.“

„Dafür habe ich aber auch einen hohen Preis zahlen müssen.“

„Aber das war es doch wert, oder? Du hast die gesamte Designer-Avantgarde beeindruckt.“

„Nur den Bankdirektor leider nicht.“

„Mag sein, aber Banken lassen sich generell schwer beeindrucken.“

Sie musste lächeln. „Da würde Trevor dir voll und ganz zustimmen.“

„Habt ihr euch an der Hochschule für Design getroffen?“

Cara nickte. „Er war der Freund eines Freundes …“

„Hast du einen Freund? Einen festen, meine ich?“

Dieses Mal spielte Cara mit der Salatbeilage auf ihrem Teller. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht. Und du?“

Seine Miene blieb völlig ausdruckslos. „Ich habe jemand Bestimmtes im Auge.“

Ein Stich durchfuhr sie, als sie ihn sich mit einer anderen Frau vorstellte. Ärgerlich kämpfte sie dagegen an, denn er sollte es auf keinen Fall merken. Es ging sie nichts an, mit wem er schlief. Nicht mehr. „Also ist dein Angebot nur so eine Art Zwischenstopp?“

„Ich sehe es eher als eine Investition in die Zukunft.“

„Was ist das für eine Zukunft, wenn Kinder nicht zwei liebende Elternteile haben“, widersprach sie. „Haben sie nicht ein Recht darauf?“

„Im Idealfall, ja. Aber das Leben verläuft leider nicht immer nach Plan.“

„Wem sagst du das?“

Byron konnte sehen, wie sie mehr und mehr in sich zusammenfiel. Auf einmal sah sie sehr müde aus, als läge das Gewicht der ganzen Welt auf ihren schmalen Schultern.

Besorgt legte er die Serviette hin, winkte der Kellnerin und stand auf. „Komm, ich fahre dich ins Büro zurück.“

„Ich sehe dich Sonntag“, verabschiedete er sich, als er sie vor ihrem Büro absetzte. „Am besten hole ich dich zu Hause ab.“

Cara sah dem Wagen nach, bis er um eine Ecke bog und verschwand. In ihrem Kopf kreisten immer noch die unterschiedlichsten Gedanken und Erinnerungen, sie fühlte sich traurig und verwirrt.

Trevor erwartete sie bereits. „Und?“, platzte er aufgeregt heraus.

„Und was?“

„Wie war’s? Das Haus … und alles andere?“

Sie lächelte ihm gequält zu und öffnete die Tür zu ihrem Arbeitszimmer. „Ich fange lieber gleich mit der Arbeit an. Schließlich muss ich eine Riesenvilla einrichten und habe gerade einmal vier Wochen Zeit.“

Voller Freude stieß Trevor einen Begeisterungsschrei aus. „Ja! Das ist mein Mädchen!“, jubelte er. „Wir gehen also doch nicht unter!“

Nein, dachte sie. Du gehst nicht unter – aber ich.

Am Sonntagabend kam Byron pünktlich auf die Minute. Als Cara die Tür öffnete, fing ihr Bauch unwillkürlich an zu kribbeln. Er trug eine dunkle Hose und einen lässigen Strickpullover, der seine breiten Schultern betonte, und war beinahe unverschämt attraktiv.

Auch sie selbst hatte sich elegant-lässig angezogen, sie registrierte, wie sein Blick sie rasch von Kopf bis Fuß musterte, doch seine Augen verrieten nichts.

„Ich dachte mir, wir gehen irgendwohin, wo es ruhig ist, damit wir in Ruhe über deine Entscheidung sprechen können.“

„Einverstanden.“

Mehr als dieses eine Wort brachte Cara nicht heraus, bis sie an dem Tisch in dem kleinen italienischen Restaurant saßen. Dann, als die mit Wein gefüllten Gläser vor ihnen standen und sie die Speisekarte in den Händen hielten, fragte Byron: „Hast du deine Entscheidung getroffen?“

Alarmiert blickte Cara auf. Konnte er nicht wenigstens warten, bis sie beim Essen saßen?

„Ich meinte hinsichtlich deiner Bestellung“, fuhr er mit einem angedeuteten Lächeln fort, als er ihre entsetzte Miene sah. „Noch brauchst du keine Panik zu bekommen.“

„Ich habe keine Panik.“

„Doch. Ich kann sie bis hierhin fühlen.“

„Nein, ich konzentriere mich nur.“

„Worauf?“

„Auf die Speisekarte.“

„Und was möchtest du? Ich rede vom Essen“, fügte er erklärend hinzu.

„Das weiß ich noch nicht. Ich hatte ja noch keine Zeit, mir etwas auszusuchen, weil du mich ständig ablenkst.“

„Entschuldigung“, knurrte er und blickte auf die Karte. „Mir ist klar, dass es schwer für dich ist.“

„Reden wir immer noch vom Essen?“

Ein Lächeln zuckte um seinen Mund, als er sie ansah. „Nein, jetzt nicht.“

Kaum eine Sekunde nachdem der Ober ihre Bestellung aufgenommen hatte, spürte Cara Byrons forschenden Blick.

„Also, Cara. Wie hast du dich entschieden?“

„Entscheidung kann man das wohl kaum nennen“, hielt sie ihm vor. „Schließlich hast du es mir praktisch unmöglich gemacht, dein Angebot abzulehnen.“

„Ich also, ja?“, fragte er ironisch. „Darf ich dich daran erinnern, dass nicht ich es war, der eure Geschäfte geführt hat? In was für einer Welt lebst du eigentlich, Cara? Du kannst anderen nicht die Schuld für die eigenen Fehler zuschieben.“

Sie starrte ihn nur eisig an.

„Trevor ist nicht gerade der ideale Geschäftspartner“, fuhr Byron fort.

„Warum? Weil er schwul ist?“, stieß sie hervor.

„Deshalb nicht“, antwortete Byron sachlich, „sondern weil er nicht das Zeug hat, ein Geschäft zu führen.“

„Und ich wohl auch nicht?“

Langsam schwenkte Byron den dunkelroten Wein in seinem Glas, bevor er antwortete. „Nein. Zahlen sind nicht deine Sache. Dein ganzes Herz gehört den Farben, dem Design. Ich habe es in deinen Augen erkannt, als du mein Haus besichtigt hast.“

Er hatte recht, aber das würde sie ihm nie sagen. „Wir sind nicht alle solche Universalgenies wie du, Byron. Weder Trevor noch ich wurden auf der nobelsten Schule in ganz Victoria ausgebildet, und wir haben auch nicht so ein großes Bankkonto im Rücken.“

„Du hattest doch mein Geld – die Abfindung aus der Scheidung.“

„Es ist ziemlich teuer, ein Büro einzurichten. Das Inventar, die Computer …“ Mit Erleichterung stellte sie fest, dass er ihre Begründung widerspruchslos akzeptierte.

Doch die nächste Frage brachte sie schon wieder aus der Fassung. „Wie schnell kannst du das Haus bezugsfertig einrichten?“

„Ich … ich habe ein paar Ideen hinsichtlich der Möbel, aber das kann Wochen dauern.“

„Ich sagte ein Monat, mehr nicht. Wir können uns doch sicher eine Zeitlang mit dem Nötigsten begnügen. Viel mehr als ein Bett brauchen wir nicht, und …“

„Du willst, dass ich mit dir lebe?“, fragte sie schrill.

„Natürlich. Ich dachte, das sei klar.“

„Und was ist mit meiner Wohnung?“

„Diesen Schuhkarton nennst du eine Wohnung? Eigentlich hatte ich erwartet, dich nach all den Jahren als Inneneinrichterin in einem der tollsten Apartments der Stadt abzuholen …“ Er kniff die Augen zusammen. „Oder ist das wieder so ein Fall von ‚Fass ohne Boden‘?“

„Ich hatte andere Prioritäten“, erwiderte Cara kühl. „Ich bin ständig unterwegs und nur selten Zuhause, also ist es nicht wichtig.“

„Meinetwegen kannst du sie verkaufen oder vermieten. Ab morgen wohnst du bei mir in Cremorne – mit oder ohne Möbel.“

„Ab Morgen?“ Fassungslos starrte sie ihn an.

„Morgen unterzeichne ich die Verträge mit euren Gläubigern. Also erwarte ich, dass du deinen Teil des Vertrags ebenfalls ab morgen erfüllst.“

„Mit Vertrag hat das wohl nichts zu tun“, zischte sie bitter. „Eher mit Erpressung.“

„Nenn es, wie du willst. Ich setze eine Menge Geld aufs Spiel und verlange etwas für meine Investition.“

„Du bist ja krank!“

„Ehrlich gesagt, es ist mir völlig gleich, wie du über mich denkst, Cara. Ich habe ein Ziel, das ich erreichen will. Und selbst du wirst mir dabei nicht im Weg stehen. Wer weiß, vielleicht gefällt es dir ja sogar.“

Das Bild von zwei Körpern, leidenschaftlich ineinander verschlungen, stieg vor ihrem geistigen Auge auf. Beschämt senkte Cara den Kopf und starrte auf ihren Teller, damit Byron nicht sah, dass ihre Wangen rot geworden waren.

Mechanisch und ohne Appetit aß sie ihr Menü. Als sie den leeren Teller zur Seite schob, bemerkte sie Byrons harten Blick.

„Du tust wirklich alles, nur um nicht mit mir reden zu müssen, oder? Sogar dein Essen hinunterzuwürgen ist dir lieber als mit mir zu sprechen.“

„Ich habe dir nichts zu sagen.“

„Vielleicht kann ich dir ein Thema vorschlagen“, erwiderte Byron eisig. „Du könntest mich zum Beispiel fragen, wie ich mich an dem Tag gefühlt habe, als du plötzlich verschwunden bist. Das wäre doch ein guter Start.“

Caras Hände verkrampften sich, aber sie schwieg beharrlich.

„Oder versuchen wir es hiermit: ‚Wusstest du eigentlich, dass ich schwanger war, als ich dich verlassen habe, Byron?‘ Das wäre doch ein ziemlich interessantes Gesprächsthema, meinst du nicht auch?“

Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen sah Cara ihn an. Auf Byrons Miene spiegelte sich nur mühsam beherrschte Wut, und seine Augen funkelten bedrohlich.

Ohne Vorwarnung war der Moment der Wahrheit gekommen, vor dem sich Cara seit sieben Jahren fürchtete.

4. KAPITEL

Cara war starr vor Schreck und befürchtete, jeden Moment in Ohnmacht zu fallen. Das Blut rauschte in ihren Ohren, sie brachte keinen Ton hervor und zitterte am ganzen Körper.

„Lass uns hier verschwinden“, brach Byron das erdrückende Schweigen. Er beglich die Rechnung und führte Cara, die ihre Beine nicht richtig unter Kontrolle hatte, zum Wagen.

„Steig ein.“

Seine Worte trafen sie wie Ohrfeigen. Cara ließ sich in den Sitz sinken, dankbar, dass ihre Beine sie nicht länger tragen mussten.

Mit verschlossener Miene fuhr Byron zu Caras Apartment. Seine Wut war körperlich spürbar. Offensichtlich hatte er diese Wut so lange unterdrückt, bis Cara überhaupt nicht mehr mit ihr gerechnet hatte.

In eisigem Schweigen begleitete er Cara zu ihrer Wohnungstür. Sie wusste nicht, was am schlimmsten war – seine verächtlichen Worte, sein eiskaltes Schweigen oder die selbstquälerische Vorstellung, wenn sie sich ausmalte, was er von ihr denken mochte.

An der Tür drehte sie sich zu ihm um. „Danke für das Essen.“

Er schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich jedoch anders und fuhr sich lediglich mit den Fingern durchs Haar. Die harten Linien um seinen Mund entspannten sich ein wenig. „Brauchst du Hilfe beim Packen?“

„Nein, danke. Ich habe nicht viel zu packen“, antwortete sie leise. Dabei sah sie ihn mit einem Blick an, bei dem er sofort Schuldgefühle bekam – obwohl er allen Grund hatte, wütend auf sie zu sein, und sie kein Recht, das Opfer zu spielen. „Wann soll ich in Cremorne sein?“, fragte sie.

Byron suchte in ihrem Gesicht nach einem Zeichen, nach einer Spur von Nähe, doch außer diesem verwundeten Blick war nichts zu bemerken. Cara hatte ihn wieder einmal ausgeschlossen. Wieder regte sich Wut in ihm, doch es half nichts, er würde wohl abwarten müssen. Vielleicht würde es sogar Monate dauern, bis er die Antworten bekam, auf die er so sehr wartete.

„Abends.“ Er überreichte ihr einen Schlüssel, dabei fiel ihm auf, wie sehr sie darauf achtete, seine Hand nicht zu berühren, während sie den Schlüssel entgegennahm. Auch das machte ihn wütend. Sie würde sich an seine Berührungen gewöhnen müssen, denn das war es, was er tun wollte: sie berühren, von dem Moment, in dem er morgens aufwachte, bis zu der Stunde, in der er abends wieder einschlief. Diese quälende Sehnsucht nach ihr spürte er jetzt wieder ständig in seinem Körper, und er fragte sich, ob sie es wohl bemerkte.

Bevor er etwas Unüberlegtes tat, verabschiedete er sich mit einem gemurmelten „Gute Nacht“.

Cara sackte vollkommen kraftlos gegen die Wand, sobald Byron gegangen war.

An Schlaf war für sie ohnehin nicht zu denken, daher packte sie die halbe Nacht ihre Sachen. Drei Taschen und ein Karton, das war nicht gerade viel für fast neunundzwanzig Jahre. Traurig blickte Cara sich in ihrem kleinen Apartment um. Nun, dafür trug sie in ihrem Inneren genug mit sich herum, um einen Überseefrachter zum Sinken zu bringen.

Traurig setzte sie sich mit einem Glas Mineralwasser an den Küchentisch und sah zu, wie der Mond über den Nachthimmel wanderte und das Dunkel einem lichten Grau Platz machte, bis die Sonne aufging.

Ab heute würde nichts mehr so sein wie vorher. Das Wiedersehen mit Byron hatte alte Wunden aufgerissen, und ganz gleich, wie sehr sie sich auch bemühen würde, diese zerfledderten Mosaikstücke würden nie wieder richtig zusammenwachsen. Fast hasste sie Byron für seine Grausamkeit.

Fast.

Nachdem Cara den ganzen zähen langen Tag im Büro wie im Trance verlebt hatte, fuhr sie abends schweren Herzens nach Cremorne.

Byron war inzwischen ein Fremder für sie. Wie sollte sie sich in sein Leben einfinden, als ob nichts geschehen wäre? Sie würde ihre ganze Kraft aufbringen müssen, um diese neuen Schmerzen zu überleben.

Ihr alter Mazda wirkte neben seinem großen Mercedes völlig fehl am Platze – aber eigentlich war alles an ihnen gegensätzlich.

Byron half ihr, die Sachen ins Haus zutragen. Der Blick, mit dem er ihre drei abgewetzten Taschen und den Pappkarton musterte, machte sie verlegen.

„Ist das alles?“, fragte er.

„Ja.“

„Was ist mit Möbeln?“

„Ich habe keine.“

Mit der Schulter schob er die Eingangstür auf. „Du hast ein möbliertes Apartment gemietet?“

Sie nickte und hob den Karton wie ein Schutzschild gegen ihre Brust. Mit gerunzelter Stirn ging Byron hinauf ins Schlafzimmer.

Cara sah auf das große Bett und stellte ihren Karton ans Fußende. Ihr Herz schlug wie wild. Cremefarbene Bettwäsche und weiße Kissen mit passender cremefarbener Bordüre. Hatte er das Bett extra heute liefern lassen? Es störte und verwirrte sie, dass er so begierig schien, ihre körperliche Beziehung wieder aufleben zu lassen, obwohl ihre Gefühle noch so durcheinander waren.

„Diese Tür da führt in einen begehbaren Schrank. Das Bad ist auf der gegenüberliegenden Seite. Ich werde dich jetzt allein lassen, damit du in Ruhe auspacken kannst. Inzwischen bereite ich in der Küche das Abendessen vor.“

Sobald er den Raum verlassen hatte, ließ sich Cara auf die Bettkante sinken und sah sich um. Genau wie die anderen Zimmer war auch das Schlafzimmer riesig. Momentan war der Marmorfußboden zwar noch sehr nackt und kalt, aber sie hatte bereits eine genaue Vorstellung von den Perserbrücken, die sie in das Zimmer legen würde.

Vom Fenster aus bot sich ein wunderbarer Ausblick – die Lichter der Stadt blinkten in der Ferne, und unten in der Bucht legte gerade ein Hafenkreuzer mit goldenen Lichtern am Kai an.

Ihre wenigen Sachen waren schnell in dem geräumigen Wandschrank verstaut, und Cara fragte sich, ob sie in ihrem Leben je in der Lage sein würde, einen solchen Schrank zu füllen. Byrons Garderobe, die auf der anderen Seite ordentlich auf Bügeln hing, versuchte sie zu ignorieren. Doch der schwache Duft seines Aftershaves, der über seinen Anzügen lag, löste eine Welle von Erinnerungen in ihr aus. Fast ohne sich dessen bewusst zu sein, vergrub sie ihre Nase in einem seiner Pullover, kuschelte sich an das weiche Material und atmete den Duft ein.

Als sie den Schrank wieder schloss, wünschte sie, dass Erinnerungen ebenso einfach weggeschlossen werden könnten.

Langsam ging sie in die Küche, ängstlich und in Gedanken bei dem Abend, der vor ihr lag.

Byron schob gerade ein Fertigmenü in die Mikrowelle. Sein Blick glitt zu Cara, als sie eintrat.

„Du siehst müde aus. Hast du Hunger?“

„Nein, eigentlich nicht“, gestand sie.

„Hast du letzte Nacht nicht geschlafen?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Ist der Gedanke, wieder mit mir zusammen zu sein, so quälend für dich?“ Sein Ton war eine Spur härter geworden.

Cara antwortete nicht darauf. Sie fragte sich, ob er wegen seines Angebots wohl Gewissensbisse hatte.

„Ich werde eine Haushälterin einstellen“, verkündete er nüchtern. „Wir sind beide berufstätig, und ich will nicht, dass du deine Energie an Dinge verschwendest, die auch andere erledigen können.“

„Wann soll ich mit deinem kleinen Projekt anfangen?“ Ihre Augen blickten kühl. „Ich könnte mir denken, dass du es so schnell wie möglich erledigen möchtest.“

Byron sah sie herausfordernd an. „Willst du mich bei jeder Möglichkeit, die sich bietet, bekämpfen? Dabei wollen wir doch eigentlich beide das Gleiche.“

„Du hast nicht die geringste Ahnung von dem, was ich will.“

„Wirklich nicht? Darauf würde ich nicht wetten.“

Ärgerlich wandte sie sich ab. Die Uhr der Mikrowelle klingelte, und Cara hörte, wie Byron mit Geschirr hantierte.

Wieder aßen sie schweigend. Cara rührte kaum etwas an, irgendwann schob sie den Teller beiseite und trank ihr Wasser aus.

„Du isst nicht genug“, sagte Byron mit einem Blick auf ihren fast unberührten Teller.

„Gibt es noch mehr, was du kritisieren möchtest, da du gerade dabei bist?“, fragte sie bissig. „Vielleicht gefällt dir mein Haar nicht? Oder findest du eventuell meine Kleider nicht schick genug? Oder meine Cellulite zu viel?“

Nun schob auch er mit gerunzelter Stirn sein Essen zurück. „Ich kritisiere nicht, ich beobachte nur.“

„Ich mag es aber nicht, wenn man mich beobachtet.“

„Wie soll ich dich denn sonst kennen lernen?“

„Das brauchst du gar nicht“, erinnerte sie ihn kalt. „Ich soll dein Kind bekommen, dafür brauchst du mich nicht zu kennen.“ Abrupt erhob sie sich und warf ihr Essen in den Abfalleimer.

„Cara.“ Byron war hinter sie getreten. „Es hilft uns beiden nicht, wenn du die Märtyrerin spielst und mir die Rolle des Bösewichts zuschreibst“, sagte er leise.

„Du hast dir die Rolle selbst ausgesucht“, erwiderte sie hitzig und drehte sich zu ihm um. „Ich tanze nur nach deiner Pfeife.“

„Aber du hast den Takt nicht erkannt.“

„Was soll ich denn deiner Meinung nach tun? Mich dir zu Füßen werfen und dir für deine großzügige finanzielle Geste danken?“, fauchte sie.

„Natürlich nicht, aber …“

„Du hast wirklich Nerven, Byron Rockcliffe.“ Sie stieß ihm den Zeigefinger in die Brust. „Und bildest dir ein, so clever zu sein. Jetzt hast du wohl die Zügel in der Hand und Macht über mich, was?“ Noch einmal stieß sie zu. „Aber ich werde mich niemals deinem Willen beugen. Du wirst immer mit dem Wissen leben müssen, dass ich nicht freiwillig zu dir gekommen bin. Kannst du damit leben?“

Seine Augen bohrten sich in ihre. „Ja, das kann ich.“

Mit dieser Antwort hatte Cara nicht gerechnet.

Byron strich sich resigniert über das stoppelige Kinn. „Wenn du in dieser Stimmung bist, kann ich nicht mit dir umgehen.“

„Dann lass mich in Ruhe“, flüsterte sie mit brüchiger Stimme. Ihre Wut war erschöpft. „Ich brauche Zeit für mich allein.“

Er wollte ihre Schulter berühren, doch Cara wich zurück. „Cara, das ist doch …“

„Bitte“, sagte sie flehentlich.

Mit einem Seufzer wandte er sich ab und ging aus der Küche. In der großen Halle blieb er unwillkürlich stehen. Hatte er wirklich die Kraft, das hier durchzustehen? Sicher, er hatte ein Ziel, und er hatte sich auch einen dazu passenden Plan ausgedacht. Doch an Caras Gefühle hatte er dabei überhaupt nicht gedacht.

Aber wann hatte er das jemals getan? Er dachte an früher, und ihm wurde ganz schlecht, als er plötzlich erkannte, dass er sie eigentlich immer gedrängt hatte – zuerst in sein Bett und dann in die Ehe. Immer hatte er nur nach seinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen gehandelt, ohne Cara Zeit zu geben, die ihren zu äußern oder ihm zu widersprechen.

Byron wartete eine halbe Stunde, bevor er ins Schlafzimmer ging. In Gedanken hatte er eine Rede vorbereitet, doch als er Cara zusammengerollt auf dem großen Bett liegen sah, erstarben die Worte auf seinen Lippen.

Sie lag in der Fötusstellung, die Arme fest um sich geschlungen, und in dem riesigen Bett wirkte sie vollkommen verloren. Ihre Gesichtszüge hatten sich im Schlaf, in den sie aus purer Erschöpfung gefallen war, endlich entspannt, die Wangen waren noch gerötet von der Aufregung. Byron setzte sich auf die Bettkante und strich ihr zärtlich das Haar aus dem Gesicht.

Sie seufzte leise, und auch ihm entschlüpfte ein Seufzer. Dann schaltete er das Licht aus.

Als Cara erwachte, spürte sie Byrons Arm an ihrer Taille. Benommen musterte sie die seidigen dunklen Härchen auf dem männlichen Unterarm, der da lag, als gehöre er dorthin. Früher einmal hatte er auch dorthin gehört, erinnerte sie sich, und ein schmerzhafter Stich durchzuckte sie.

Byron murmelte etwas und zog sie näher an sich heran. Cara spürte seine Beine an ihren und seinen flachen harten Bauch an ihrem Gesäß, als er sich im Schlaf leicht bewegte. Sie fragte sich, wann er wohl zu ihr ins Bett gekrochen sein mochte.

Und dann fühlte sie seine Lippen auf ihrer Schulter und erstarrte.

„Du riechst gut“, brummte er.

Cara wagte nicht, sich zu bewegen. Sie spürte die Erregung, die ihre Nähe bei ihm ausgelöst hatte.

„Hast du geschlafen?“

„Ja.“

„Gut.“

„Wie spät ist es?“, fragte sie, panisch auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit.

„Viel zu früh.“ Byron drückte kleine Küsse auf ihren Nacken und ihre Schulterblätter. Cara erschauerte. „Warum drehst du dich nicht um und sagst mir richtig guten Morgen?“

Sie zögerte, und Byron ließ seine Hand zu ihrer Brust wandern. Als er die volle Rundung liebkoste und die kleine harte Perle sanft zwischen seinen Fingern rieb, stockte ihr der Atem. Cara drehte sich in seinen Armen, sofort nahm er ihren Mund in Besitz, ohne ihr Zeit zum Überlegen zu lassen. Das Blut raste in ihren Adern, ihre Lippen öffneten sich ihm wie von selbst.

Unter seinen erfahrenen Händen schmolz sie dahin, sämtliche Abwehrschranken brachen ein, die Sehnsucht nach seinem Körper riss sie mit sich, mit jeder Faser ihres Körpers war sie bereit, ihn zu empfangen. Caras Verlangen wurde so übermächtig, dass sie nur noch von einem Gedanken beherrscht wurde: Sie wollte Byron in sich spüren, wollte, dass er erneut seine Besitzansprüche geltend machte.

Instinktiv spreizte sie die Schenkel, und mit einem tiefen Stöhnen, das ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte, drang Byron in sie ein und füllte die Leere, die sie sieben lange, einsame Jahre gefühlt hatte. Byron bestimmte den Rhythmus, und Cara folgte ihm, bog sich ihm entgegen, ergab sich ihrer Lust und stieß an ihrem Gipfel einen Schrei aus. Sie fühlte sein zufriedenes Lächeln, als sein Mund wieder Besitz von ihrem ergriff.

Sein eigener Lustschrei war Balsam für ihren Stolz. Byron hatte es ebenso davongerissen wie sie.

Stille breitete sich aus, während sie eng aneinander geschlungen dalagen. Keiner rührte sich, keiner wollte der Erste sein, der sich zurückzog.

„Ich hatte vergessen, wie empfindsam du bist“, sagte er nach einer Weile.

„Du hast sicherlich genügend Erfahrungen gesammelt, um Vergleiche anzustellen.“

„Sicher nicht so viele, wie du denkst.“

Cara hasste die Vorstellung, dass er mit einer anderen Frau zusammen war. Es nagte regelrecht an ihr.

„Und du? Hattest du nach unserer Trennung viele Liebhaber?“

„Sicher nicht so viele, wie du denkst.“ Sie wiederholte seine Worte, um nicht die Wahrheit sagen zu müssen.

Er entzog sich ihrer Umarmung, und sofort fühlte sie sich kalt und leer.

„Ich muss mich fertig machen“, sagte er und schlüpfte in seinen Bademantel. „Mir steht ein hektischer Tag bevor. Wie sieht’s bei dir aus?“

„Ich werde mit der Einrichtung des Hauses beginnen.“

Er holte seine Brieftasche aus seinem Jackett und reichte Cara eine Kreditkarte. „Hier, die wirst du für die Einkäufe brauchen.“

Beim Anblick der Karte fühlte sie sich unwohl. „Ich kann die Rechnungen über mein Büro abwickeln.“

„Sicher, wenn dir das lieber ist. Trotzdem ist es mein Geld, mit dem die Rechnungen bezahlt werden.“

Darauf wusste sie keine Antwort.

„Ich dachte, wir könnten heute Abend Essen gehen“, schlug er vor und zog die Badezimmertür auf. „Es sei denn, du möchtest lieber hier bleiben und früh zu Bett gehen.“

Auch darauf hatte sie keine Antwort, also drehte sie sich nur um und zog sich die Bettdecke über die Schultern. Sie hörte sein tiefes Lachen und verfluchte sich innerlich dafür, dass sie so leicht zu durchschauen war. Er sollte nicht wissen, wie groß seine Wirkung auf sie war. Dann kam sie sich nur noch verletzlicher und ausgelieferter vor.

Für eine gemeinsame Tasse Tee hatte Byron keine Zeit mehr. Als Cara allein in der Küche saß und gedankenverloren in ihrem Tee rührte, dachte sie an die Intimität, die sie gerade miteinander geteilt hatten. Wahrscheinlich dachte er sich bereits Namen für das Baby aus, das sie ihm gebären sollte.

Bei dem Gedanken zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen. Seit Jahren schon nahm sie die Pille – jedoch um ihren Zyklus zu regulieren und nicht, weil sie sie als Verhütungsmittel brauchte. Ganz gleich warum, sie würde sie auf keinen Fall absetzen. Es hatte einfach keinen Zweck, wie schön Byron sich seine Pläne auch gedacht haben mochte. Wenn sie nicht schwanger wurde, würde er der Sache sicher nach ein paar Monaten müde werden und Cara gegen die nächste Kandidatin austauschen.

5. KAPITEL

Cara hatte gerade die letzte Möbellieferung in Empfang genommen, als sie Byrons Wagen hörte. Schnell wischte sie noch einmal mit dem Staubtuch über den antiken Walnuss-Esstisch und versuchte gleichzeitig ihren Puls zu beruhigen, als sie den Schlüssel in der Tür hörte.

„Du warst also einkaufen“, sagte er und sah sich neugierig um. „Kompliment, es ist sehr schön.“

„Ich habe horrend viel Geld ausgegeben.“ Sie wrang das Staubtuch in den Händen und mied seinen Blick.

„Wie viel?“

Sie nannte ihm die Summe, aber er zuckte nur mit den Schultern.

„Ich sagte dir doch, es gibt kein Limit. Tu, was du für richtig hältst. Und es ist richtig gut geworden.“

„Danke.“ Sein Kompliment freute sie sehr. Sie beobachtete ihn, wie er ins Wohnzimmer ging und sich auf eines der neuen Ledersofas fallen ließ.

„Komm, setz dich zu mir.“ Byron klopfte auf den Platz neben sich.

Vorsichtig setzte Cara sich auf das weiche Leder. Byron legte eine Hand auf die Rückenlehne hinter ihr, mit der anderen steckte er ihr eine Strähne hinters Ohr. Die zarte Berührung raubte ihr den Atem. Wie sehr sie sich nach ihm sehnte!

„Hattest du einen guten Tag?“, fragte er.

Sie riss ihre Augen von seinen Lippen und blickte krampfhaft auf das Muster seiner Krawatte. „Ja, so weit ganz in Ordnung.“

Behutsam hob er mit einem Finger ihr Kinn, sodass sie ihm in die Augen sehen musste. „Du vermeidest es bewusst, mich anzusehen, nicht wahr, Cara?“

Sie antwortete nicht, sie konnte nicht.

„Ich will aber, dass du mich ansiehst“, sagte er ungestüm. „Ich will wissen, was hinter dieser kühlen Fassade vor sich geht. Ich will die echte Cara sehen, nicht diese gefasste Maske, die du dem Rest der Welt zeigst.“

Sie schob seine Hand weg und stand hastig auf. „Ich brauche eine Dusche. Ich bin voller Staub von den Möbeln.“

Bevor sie entwischen konnte, ergriff Byron ihr Handgelenk. „Stoß mich nicht weg, Cara. Ich versuche dir zu helfen. Siehst du das denn nicht?“

Sie starrte wütend auf seine Finger an ihrem Handgelenk. „Du willst mir nicht helfen, du willst mich kontrollieren.“

„Unsinn“, erwiderte er heftig. „Ich will lernen, dich zu verstehen. Es ist nicht zu übersehen, wie unglücklich du bist.“

„Was geht dich das an?“, fauchte sie. „Du hättest dich aus meinem Leben raushalten sollen. Wieso interessieren dich jetzt, nach sieben Jahren, plötzlich meine Gefühle?“

„Weil ich in der Vergangenheit Fehler gemacht habe und sie nicht wiederholen will. Begreif doch Cara, ich wünsche mir, dass du mir vertraust und in mir nicht den Feind, sondern den Freund siehst.“

„Du hast eine seltsame Definition von Freundschaft“, hielt sie ihm sarkastisch vor. „Freunde nutzen einander nicht aus und stellen keine unmöglichen Bedingungen.“

„Vielleicht darf ich dich daran erinnern, dass du finanziell ruiniert wärst, wenn ich nicht eingesprungen wäre. Dein Ruf als Geschäftsfrau wäre dahin, von dem deines Partners ganz zu schweigen.“ Byrons Stimme klang hart.

Feindseligkeit und Abneigung breiteten sich in ihr aus. Sie biss sich auf die Lippen, um die Worte zurückzuhalten, die sie ihm am liebsten entgegengeschleudert hätte, aber bestimmt bereuen würde. Eisern hielt sie ihre Wut im Zaum. Byron hatte sie in der Hand, und er wusste es.

„Ich habe eine Finanzexpertin eingestellt.“ Byron ließ Cara nicht aus den Augen. „Sie wird sich um die Bücher kümmern und auf alles ein Auge haben. Das gibt dir und Trevor die Möglichkeit, euch ausschließlich auf die Dinge zu konzentrieren, die ihr am besten könnt.“

„Wie kannst du es wagen!“, brauste sie auf. „Zuerst übernimmst du das Kommando über mein Privatleben, und jetzt auch noch über meine Firma! Dazu hast du kein Recht!“

„Ich habe jedes Recht der Welt!“ Auch er wurde jetzt immer ärgerlicher. „Ich habe eine große Summe investiert, und ich will nicht, dass es umsonst war. Außerdem … was ist, wenn du schwanger wirst? Dann wirst du vermutlich nicht mehr so viel arbeiten wollen und alles etwas leichter angehen lassen, oder?“

„Stimmt, du hast ja alles bereits so schön durchgeplant …“ Ihre Augen schossen wütende Blitze auf ihn ab. „Und wenn ich nicht schwanger werde, wie geplant? Was dann?“

Ruckartig griff Byron nach ihr. „Du wirst schwanger, ob du willst oder nicht“, knurrte er. „Dafür werde ich schon sorgen.“

Er riss sie an sich und presste seine Lippen hart auf ihren Mund. Es war ein aggressiver Kuss, aber Cara war es gleich. Ihre Hände, die ihn gerade noch hatten fortstoßen wollen, krallten sich jetzt in sein Hemd, um Byron noch näher heranzuziehen. Vor aufsteigender Lust zitterte sie am ganzen Körper, als er grob ihre Brust umfasste, sie mit Gewalt auf das Sofa niederdrückte und hart an den Knospen saugte, die sich ihm aufgerichtet entgegenreckten. Vor Schmerz und Wonne stöhnend wand sich Cara unter ihm, doch plötzlich ließ Byron von ihr ab.

Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, sein Atem ging genauso schnell wie ihrer. „Es tut mir leid“, entschuldigte er sich. „Das hätte ich nicht tun dürfen. Es wird nicht wieder vorkommen.“

Eine Stunde später kam Cara von oben herunter. Sie hatte sich umgezogen und ihr Haar hochgesteckt. Ohne ihn anzusehen, fragte sie Byron: „Willst du immer noch ausgehen? Ich war nicht sicher, deshalb …“ Hier stockten ihre Worte.

„Ja.“ Er holte sein Jackett, das er über einen der neuen Esszimmerstühle gehängt hatte. „Das können wir jetzt sicher gut gebrauchen – neutrales Gebiet.“

In Gedanken stimmte sie ihm zu. Denn obwohl das Haus so groß war, konnte es ihr nicht das gleiche Gefühl von Sicherheit bieten wie ein gut besetztes Lokal.

Wenig später jedoch musste Cara erkennen, dass sie den Sicherheitsfaktor falsch eingeschätzt hatte. Der Maître des kleinen französischen Restaurants führte die beiden zu einem intimen Tisch in einer ruhigen Nische, weit entfernt vom Blickfeld der anderen Gäste.

Kaum hatten sie sich gesetzt, da sah Byron sie eindringlich an.

„Ich möchte etwas mit dir besprechen.“ Er wartete, bis der Kellner ihre Getränke gebracht hatte, dann fuhr er fort: „Ich werde übernächstes Wochenende nach Melbourne fliegen und möchte, dass du mich begleitest.“

Cara versteifte sich. „Ist das eine Bitte oder eine Anordnung?“

Er dachte einen Moment über ihre Frage nach. „Beides. Die Flüge sind bereits gebucht, und es ist mir sehr wichtig.“

„Warum fragst du mich dann überhaupt? Du hast doch schon alles organisiert. Und wenn ich nun nicht mitkommen möchte?“

„Ich möchte dich wirklich sehr ernsthaft bitten, es dir zu überlegen“, sagte Byron. „Meine Eltern feiern ihren vierzigsten Hochzeitstag. Ich fände es schön, wenn wir dabei sein könnten.“

„Aber das hat doch nichts mit mir zu tun. Flieg lieber allein hin.“

Autor

Melanie Milburne

Eigentlich hätte Melanie Milburne ja für ein High-School-Examen lernen müssen, doch dann fiel ihr ihr erster Liebesroman in die Hände. Damals – sie war siebzehn – stand für sie fest: Sie würde weiterhin romantische Romane lesen – und einen Mann heiraten, der ebenso attraktiv war wie die Helden der...

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