Julia Bestseller - Emma Darcy 3

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RENDEZVOUS AM KORALLENSEE von DARCY, EMMA
Ein Traum geht in Erfüllung! Vor exklusivem Publikum tritt Gina als Sängerin auf und bezaubert den attraktiven Millionär Alessandro King so sehr, dass er sie um ein Rendezvous bittet. Ein gefährliches Spiel mit dem Feuer! Denn seinen Verlobungsring trägt eine andere …

HEISSE KÜSSE AN BORD von DARCY, EMMA
"Mein Schmetterling" nennt Antonio King seine Geliebte zärtlich. Denn wie eine Gespielin des Windes ist Hannah eines Tages an Bord seines Traumschiffs geflattert. Doch ist seine Liebe stark genug, um sie zu halten - oder wird Hannah schon bald weiterziehen?

KÜSSE UNTERM REGENBOGEN von DARCY, EMMA
Matteo King glaubt an die Liebe - aber nicht an die Ehe! Dass die schöne Nicole ihn durchschaut und ihm genau deshalb aus dem Weg geht, ist für den freiheitsliebenden Matteo die pure Provokation! Er lädt sie in ein tropisches Paradies ein - um sie dort zu erobern …


  • Erscheinungstag 11.06.2008
  • ISBN / Artikelnummer 9783863495930
  • Seitenanzahl 432
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

JULIA BESTSELLER – Emma Darcy 3

EMMA DARCY

EMMA DARCY

Rendezvous am Korallensee

Erst ein umjubelter Auftritt auf dem Anwesen der vermögenden Familie King, am nächsten Tag ein Rendezvous mit dem Unternehmer Alessandro King, der von ihrer Stimme begeistert ist – plötzlich scheinen sich für Gina alle Wünsche zu erfüllen! Außer einem: Mehr als ein wunderschöner Flirt darf mit Alessandro nicht sein. Denn er ist mit einer anderen verlobt …

EMMA DARCY

Heiße Küsse an Bord

Unter der heißen Sonne Australiens verliebt Hannah sich in Antonio King, Besitzer des luxuriösen Ausflugsschiffs „Duchess“. Tagsüber sorgt sie für das leibliche Wohl der Gäste an Bord, aber wenn nachts tausend Sterne am Himmel funkeln, liegt sie in Antonios Armen. Bis ein Mann an Bord kommt, der ihr aufregendes Glück in Gefahr bringt …

EMMA DARCY

Küsse unterm Regenbogen

Ein verlockender Auftrag bringt die Wissenschaftlerin Nicole Redman nach Australien: Sie soll die Familiengeschichte der mächtigen Kings aufschreiben. Doch Ablenkung droht! Denn zwischen ihr und dem attraktiven Millionär Matteo King knistert es heftig. Dabei ist für Nicole eine kurze Affäre undenkbar, Matteo hingegen scheint nicht an die Ehe zu glauben …

1. KAPITEL

Wohlwollend betrachtete Isabella Valeri-King ihre angeheiratete Nichte. Ihr gefiel der Ausdruck innerer Stärke, den sie in Elizabeths Gesicht bemerkte. Diese Frau, die als Matriarchin der Kings aus den Kimberleys galt, wusste, was Familie bedeutete: ein Erbe, das von einer Generation an die nächste weitergegeben wurde.

Heirat war ein Muss. Kinder waren ein Muss.

Elizabeth hatte drei Söhne, die alle drei im Lauf des vergangenen Jahres geheiratet hatten, und zwei davon erwarteten bereits Nachwuchs. Als Familienoberhaupt der Kings aus den Kimberleys konnte Elizabeth sich beruhigt zurücklehnen. Ganz anders sie, Isabella. Von ihren drei Enkelsöhnen plante nur Alessandro, in naher Zukunft zu heiraten, und der Gedanke an seine Heirat behagte Isabella ganz und gar nicht.

Die Frau seiner Wahl war nicht die Richtige für ihn. Aber wie konnte man ihm das begreiflich machen? Wie konnte man ihn von seiner Entscheidung abbringen?

Das Datum für die Hochzeit war für Dezember angesetzt, nach der Zuckerrohrernte. Jetzt war es Mai. Isabella blieben sechs Monate, um Alessandro vor Augen zu führen, dass Michelle Banks ihn niemals glücklich machen würde. Die Frau war egoistisch und selbstverliebt. Aber sie wusste stets zu erreichen, was sie wollte, und nutzte zweifellos ihren unbestreitbaren Sex-Appeal, um Alessandro an sich zu binden.

Wie lange würde das als Basis für eine Ehe ausreichen? Außerdem schien Michelle ständig nur an ihre Figur zu denken, und für solche Frauen war es meist keine angenehme Vorstellung, schwanger zu werden. Würde sie sich wenigstens auf ein Kind, einen Erben, einlassen? Oder würde sie nach Ausflüchten suchen, die Sache immer weiter aufschieben, sich sogar ganz weigern?

„Ein malerischer Ausblick, Isabella!“, sagte Elizabeth, wobei sie den Blick bewundernd über die Dickinson-Meerenge zu den Zuckerrohrfeldern auf der anderen Seite schweifen ließ.

Die beiden Frauen tranken ihren morgendlichen Tee auf der Loggia neben dem Springbrunnen, und der offene Säulengang gab den Blick auf eine Landschaft frei, die sich sehr vom Outback in den Kimberleys unterschied. Hier im äußersten Norden von Queensland überwog das intensive Grün des tropischen Regenwaldes, der das von Menschen kultivierte Land überall umzingelte und auf seine Weise genauso wild und urtümlich war wie das weite rote Herz Australiens, in dem Elizabeth zu Hause war.

Isabella erinnerte sich noch sehr gut daran, wie schwer es gewesen war, dem Urwald das Ackerland abzuringen. Tückische Schling- und Giftpflanzen, die Hitze, die Luftfeuchtigkeit, Fieberkrankheiten und tödliche Schlangen hatten die Arbeit mühsam und gefährlich gemacht. Keiner konnte das besser wissen als sie, die vor achtundsiebzig Jahren als Tochter italienischer Immigranten hier im Land der Zuckerrohrfarmer geboren worden war.

Abgesehen von einer kurzen Zeit in Brisbane, wo sie Edward King kennengelernt und geheiratet hatte, war Isabella immer hier zu Hause gewesen, auf diesem Hügel oberhalb von Port Douglas. Edward war zusammen mit ihrem Bruder Enrico schon kurz nach der Heirat nach Europa in den Krieg gezogen, und Isabella war – als Kriegswitwe – in ihr Elternhaus zurückgekehrt. Hier hatte sie ihren und Edwards Sohn zur Welt gebracht, ihren über alles geliebten Roberto.

„Mein Vater hat diesen Ort für meine Mutter ausgewählt, die aus Neapel stammte“, erklärte sie ihrem Gast. „Sie wollte am Meer wohnen.“

Elizabeth lächelte. „Was für eine romantische Geschichte, dein Vater hat für seine Braut dieses Schloss gebaut!“

„Genau genommen ist es ja eher eine Villa“, verbesserte Isabella sie lächelnd. „Den antiken Villen Roms nachempfunden. Ursprünglich nannte man sie auch ‚Villa Valeri‘. Aber mein einziger Bruder kehrte genauso wie mein Mann nicht aus dem Krieg zurück. Und da ich die Witwe von Edward King war, trugen mein Sohn und meine Enkelsöhne den Namen King. Deshalb gingen nach dem Tod meines Vaters die Einheimischen dazu über, die Villa als ‚King’s Castle‘ zu bezeichnen. Und dabei ist es dann geblieben.“

„Stimmt dich das traurig, dass der Name deines Vaters und dessen, was er geschaffen hat, dem Namen King gewichen ist?“

Isabella schüttelte den Kopf. „Das Erbe meines Vaters lebt in meinen Enkeln weiter. Nur das wäre ihm wichtig … dass alles, was er aufgebaut hat, in der Familie bleibt und fortgesetzt wird. Du weißt, wovon ich rede, Elizabeth.“

Elizabeth King nickte ernst.

„Und du verstehst vielleicht besser als manch anderer, dass dieses Ziel nicht leicht zu erreichen ist“, fuhr Isabella fort, froh, eine Frau gefunden zu haben, die ihr Problem aus eigenem Erleben kannte. „Auch hier in den Tropen müssen wir mit Naturkatastrophen leben. Bei euch ist es die Dürre, bei uns sind es die Zyklone, die tropischen Wirbelstürme von vernichtender Gewalt. Ich habe meinen Sohn in einem Zyklon verloren. Das war eine sehr schwere Zeit … Roberto tot, die Plantagen dem Erdboden gleichgemacht …“ Eine verlustreiche Zeit, in jeder Hinsicht.

„Manchmal denke ich, dass es diese Katastrophen sind, die den Charakter stählen“, warf Elizabeth nachdenklich ein. „Man ist gezwungen, Kraft zu entwickeln, um sich über sie zu erheben, sie durchzustehen …“

„Und um für den Erhalt dessen zu kämpfen, was einem wichtig ist“, bekräftigte Isabella.

Ihr nachdrücklicher Ton veranlasste Elizabeth, Isabella forschend zu betrachten. Was mochte sie sehen, diese Frau, die durch ihre Heirat mit einem der Kings aus den Kimberleys Isabellas Nichte war? Beide waren elegante, damenhafte Erscheinungen … weißhaarig, dunkeläugig, ungebeugt. Zwar war Isabella fast zwei Jahrzehnte älter als Elizabeth, aber sie fühlte sich keineswegs alt. Mochte sie auch mehr Falten im Gesicht haben und die Gebrechen des Alters hier und da schon deutlicher spüren als ihre jüngere Nichte, so brannte das Feuer des Lebens doch noch ungebrochen in ihr, und sie hatte noch viel vor, bevor ihre Lebensspanne sich dem Ende neigen würde.

„Dein Vater wäre sicher stolz auf dich, Isabella“, meinte Elizabeth ruhig. „Du hast sein Erbe für deine Enkel bewahrt, hast sie zu guten Männern erzogen und den Grundstein für ihren Erfolg gelegt. Die Besichtigung der Plantagen gestern hat Rafael und mich sehr beeindruckt.“

„Aber das alles kann so schnell zu Ende sein. Denk nur an den Zyklon, der Roberto und seiner Frau den Tod brachte …“ Isabella zögerte und warf Elizabeth einen bezeichnenden Blick zu. „Ich möchte meine Enkel verheiratet sehen, mit Kindern, die die Zukunft des Familienerbes sichern, aber leider tun sie mir nicht den Gefallen.“

„Aber Alessandro …?“

„Du hast Michelle Banks, seine Verlobte, gestern beim Abendessen kennengelernt. Welchen Eindruck hattest du von ihr?“

Elizabeth zögerte sichtlich, bevor sie wohlüberlegt antwortete: „Nun, eine sehr charmante, sehr … kultivierte Person.“

Isabellas dunkle Augen blitzten spöttisch auf. „Funkelnd und brillant wie ein Diamant … und mit einem Herzen, das genauso hart ist. Diese Frau weiß nicht, was ‚Geben‘ bedeutet.“

„Du bist also nicht glücklich mit seiner Wahl.“

„Sie wird ihm keine gute Frau sein.“

Elizabeth nickte verständnisvoll und mitfühlend … und entschloss sich dann zu einem Rat. „Dann musst du ihm eine andere Frau suchen, Isabella, bevor es zu spät ist“, sagte sie schlicht.

„Ich? Wie sollte ich das bewerkstelligen? Alessandro würde niemals eine von mir in die Wege geleitete Heirat akzeptieren. Dazu ist er viel zu stolz.“

„Nathan, mein Ältester, hat Jahre seines Lebens mit Frauen vergeudet, die nichts für ihn waren. Sein eigentlicher Lebensinhalt waren das Land, die Farm, und ich vermute, bei Alessandro ist es ähnlich.“

„Richtig. Und Michelle teilt dieses Gefühl nicht. Für sie ist die Farm nur eine Quelle des Reichtums, nicht mehr.“

„Nun, ich machte mich auf, mich nach einer geeigneten Frau für Nathan umzusehen. Ich fand sie, und es stellte sich heraus, dass Nathan auch der geeignete Mann für sie war. Und jetzt sind sie sehr glücklich miteinander.“

„Du hast Miranda für Nathan gefunden?“

„Ja, und ich habe dafür gesorgt, dass ihre Wege sich kreuzten. Dann habe ich nur noch gebetet, dass es funktionieren würde. Und es hat funktioniert.“

„Welch ein Gedanke! Ihre Wege müssen sich kreuzen … auf schlau eingefädelte Weise.“

„Auf keinen Fall zu offensichtlich. Lediglich der eine oder andere unauffällige Anstoß. Es lässt sich nicht alles kontrollieren. Wenn die Chemie zwischen den beiden nicht stimmt …“

„Ha! Welche Frau würde Alessandro nicht wollen?“

„Nun, der entscheidende Punkt ist, dass er sie auch wollen muss, Isabella. Miranda ist zum Beispiel eine auffällige Schönheit. Und Michelle ist …“

„Schön, ja, das ist sie, auf oberflächliche Weise.“

„Aber sehr sexy und attraktiv“, gab Elizabeth zu bedenken.

Isabella winkte verächtlich ab. „Nur Haut und Knochen! Alessandro braucht eine Frau mit weiblichen Rundungen, die man sich auch als Mutter vorstellen kann. Eine Frau, die einem Mann ein anständiges Essen kochen kann … und ihm nicht nur ein paar Salatblätter vorsetzt!“

Elizabeth lachte. „Schön, aber vergiss nicht, dass Alessandro sie auch attraktiv finden muss. Wenn Michelle irgendein Hinweis auf seinen Geschmack ist, dann solltest du keine pummelige Frau aussuchen.“

„Aber einige Rundungen an den richtigen Stellen darf sie doch haben, oder?“

„Du kennst ihn am besten, Isabella. Und ich könnte mir vorstellen, dass die richtige Einstellung vielleicht das Wichtigste ist … eine Frau, die ihm in jeder Hinsicht eine echte Partnerin sein könnte.“

„Eine Partnerin, ja, das ist es, was Alessandro braucht. Eine echte Partnerin, die glücklich ist, die Mutter seiner Kinder zu werden.“ Isabella nickte befriedigt. Welch glückliche Fügung, dass Elizabeth sie mit ihrem neuen Lebenspartner, dem Argentinier Rafael Santiso, besucht hatte! Ein netter Mann, er erinnerte sie an ihren Vater, ein Mann mit Weitsicht.

Auch Alessandro konnte ein Mann mit Weitsicht sein … wenn er nur die Augen aufmachen und sehen würde, was für sein persönliches Glück das Beste war. Sie, Isabella, würde ihm dazu verhelfen. Sie würde die richtige Frau für ihn finden, die es ihm vor Augen führen würde.

2. KAPITEL

„Gina! Du wirst im Laden verlangt!“

Es war ein Befehl und keine Bitte. Gina Terlizzi legte rasch das Blumengesteck, an dem sie gerade arbeitete, beiseite und beeilte sich, dem Ruf ihrer Tante zu folgen. Während sie aus dem Hinterzimmer in den Laden trat, fragte sie sich verwundert, was wohl so dringlich sein mochte, da ihre Tante als Besitzerin des Blumenladens die Kunden normalerweise lieber persönlich bediente.

Der Grund offenbarte sich Gina sofort und ließ sie erschrocken innehalten: Marco, ihr zweieinhalbjähriger Sohn, an der Hand einer recht ungnädig dreinblickenden älteren Dame. Und es war nicht irgendeine ältere Dame! Gina erkannte Isabella Valeri-King sofort. Obwohl sich der Blumenladen in Cairns befand, also siebzig Kilometer nördlich von „King’s Castle“ in Port Douglas, war diese bemerkenswerte Dame in der gesamten italienischen Gemeinde im Norden von Queensland ein Begriff und genoss den größten Respekt. Böse Vorahnungen beschlichen Gina.

„Sind Sie die madre dieses Jungen?“, erkundigte sich die vornehme Dame jetzt in missbilligendem Ton.

Gina wich dem forschenden Blick der dunklen Augen aus und betrachtete ihren Sohn, der fast ehrfürchtig zu Isabella Valeri-King aufsah. „Was hast du gemacht, Marco? Warum bist du nicht brav im Hof?“

Seine braunen Augen funkelten übermütig und triumphierend, und ein argloses Lächeln erhellte sein kleines, von dunklen Locken umrahmtes Gesicht. „Ich hab’ Kisten aufeinander gesetzt, bin hochgeklettert und hab’ das Tor aufgemacht“, gestand er stolz.

Was bedeutete, dass sie ihn in dem Hof hinter dem Laden nicht mehr unbeaufsichtigt spielen lassen konnte! Gina seufzte resigniert. Sie wusste ja, dass Marco ein besonders helles, aufgewecktes Kerlchen war, das viele seiner Altersgenossen nicht nur im Sprechen hinter sich ließ. „Und dann?“

„Bin ich Rad gefahren.“

„Er ist auf der Straße in wildem Tempo mit seinem Dreirad herumgerast und hätte mich fast angefahren“, mischte sich Isabella Valeri-King nun vorwurfsvoll ein.

Gina nahm die darin enthaltene Rüge, ohne mit der Wimper zu zucken, hin. „Es tut mir schrecklich leid, wenn er Sie gefährdet hat, Mrs. Valeri-King, und ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie ihn hergebracht haben. Ich war der Ansicht, er würde sicher im Hinterhof spielen.“

„Anscheinend ist Ihr kleiner Sohn ein höchst unternehmungslustiges Kind. Jungs sind eben so. Sie sollten ihre Erfindungsgabe nie unterschätzen.“

Dieser wohlwollende Rat ließ Gina ein wenig aufatmen. „Das werde ich in Zukunft bestimmt nicht mehr tun. Nochmals vielen Dank, Mrs. Valeri-King, dass Sie Marco zurückgebracht haben.“

Sie sah sich erneut einer intensiven Begutachtung ausgesetzt und wünschte sich unwillkürlich, sie hätte sich an diesem Tag etwas Feineres angezogen als die einfache, ärmellose Bluse, den weiten Baumwollrock, der durch einen breiten Gürtel in der Taille gehalten wurde, und die schlichten Sandaletten an den nackten Füßen. Isabella Valeri-King ließ den Blick langsam über sie schweifen, als wollte sie sich jede Einzelheit ihres Aussehens genau einprägen: das lange braune Haar mit den sonnengebleichten Strähnen, goldbraune, von schwarzen Wimpern umrahmte Augen unter den dichten Ponyfransen, volle, sinnliche Lippen, ein zartes, ovales Gesicht und eine schlanke, aber sehr weibliche Figur mit vollen Brüsten, einer schmalen Taille und wohlgerundeten Hüften.

Gina wich diesem forschenden Blick verlegen aus, denn sie interpretierte ihn als Vorwurf, dass sie eine verantwortungslose Person sei, die sich nicht anständig um ihren Sohn kümmere. Was natürlich überhaupt nicht stimmte. Sie war stolz darauf, eine gute Mutter zu sein, nur war Marco gelegentlich ein richtiger kleiner Teufel.

„Wie ich höre, sind Sie Witwe?“

Gina blickte überrascht auf. „Ja, das stimmt.“

„Seit wann?“

„Zwei Jahre sind es jetzt.“

„Vielleicht braucht der Junge die Hand eines Mannes.“

Sie errötete. „Marco hat Onkel, die sich um ihn kümmern.“

„Sie sind eine sehr attraktive junge Frau. Bemüht sich denn kein Mann um Sie?“

„Nein. Ich meine … ich habe noch keinen anderen Mann kennengelernt, der …“ Gina verstummte befangen.

„Sie haben Ihren Mann sehr geliebt?“

„Ja …“

„Nun, diese Situation ist jedenfalls nicht gut für den Jungen … dass Sie hier in diesem Laden arbeiten und ihn nicht ausreichend beaufsichtigen können. Sie brauchen einen Ehemann, der Sie unterstützt und Ihnen diese Belastung abnimmt.“

Gina nickte ergeben. Was hätte sie auch sonst tun sollen? Einer Isabella Valeri-King widersprechen? Sie hoffte nur, dass ihre Tante, die die ganze Zeit schweigend dabeigestanden hatte, ihr die Geschichte nicht übel nehmen würde. Nur aus Großzügigkeit gegenüber einer bedürftigen Familienangehörigen hatte sie ihr, Gina, den Teilzeitjob in ihrem Blumenladen angeboten und ihr erlaubt, Marco mitzubringen, solange er nicht lästig werden würde!

Ja, sie würde gehörig in Schwierigkeiten stecken, sobald Isabella Valeri-King erst wieder fort war. Allerdings schien die Dame es zunächst einmal nicht eilig zu haben, sich zu verabschieden.

„Sie sind Sängerin und singen auch an Hochzeiten?“, wechselte sie unerwartet das Thema.

„Ja …“ Woher wusste Mrs. Valeri-King all das über sie?

„Ihr Agent hat mir ein Band mit Ihrem Gesang zugeschickt. Sie haben eine schöne Stimme.“

„Danke.“ Gina errötete.

„Sie wissen, dass in ‚King’s Castle‘ Hochzeiten ausgerichtet werden?“

„Ja, natürlich.“ Nur die exklusivsten und teuersten Hochzeitsfeiern!

„Nun, ich bin immer auf der Suche nach guten Sängern und habe festgestellt, dass es ratsam ist, die Stimme vor Ort im Ballsaal zu testen, weil die Akustik dort ganz anders ist als in einem Studio.“

Der sagenumwobene Ballsaal von „King’s Castle“! Gina war noch nie dort gewesen, hatte aber schon viel darüber gehört. Bot sich ihr hier die Chance, als Sängerin für ganz große Hochzeiten verpflichtet zu werden? Bedeutete das nicht auch ein größeres Honorar? Reisespesen vielleicht? Immerhin war es eine Stunde Fahrt bis nach Port Douglas.

„Ich würde mir ein Probesingen ausbedingen. Haben Sie Sonntagnachmittag Zeit?“

„Ja.“ Gina hätte zu allem Ja gesagt. Dies war ihre große Chance, zum ersten Mal mehr als nur ein Taschengeld mit ihrem Gesang zu verdienen.

„Gut. Um drei Uhr. Und bringen Sie den Jungen mit.“ Isabella Valeri-King blickte auf Marco herunter, der seltsamerweise noch nicht versucht hatte, ihr seine Hand zu entziehen. Er schien geradezu fasziniert von dieser feinen Dame, die so energisch mit seiner Mutter sprach. „Du wirst mich mit deiner madre besuchen, Marco.“

„Ich könnte auch einen Babysitter besorgen“, schlug Gina rasch vor, was ihr sofort einen tadelnden Blick eintrug.

„Das werden Sie nicht tun.“ Als wollte sie ihren scharfen Ton wiedergutmachen, lächelte Isabella Valeri-King Marco freundlich an, bevor sie sich wieder Gina zuwandte. „Er ist ein reizender kleiner Junge, und es wird mir Freude machen, ihm beim Spielen zuzusehen. Wir werden den Nachmittagstee auf der Loggia einnehmen, sodass er sich im Garten austoben kann.“

„Das ist sehr freundlich von Ihnen. Vielen Dank.“

„Geh jetzt zu deiner madre, Marco.“ Isabella Valeri-King ließ die Hand des Jungen los und tätschelte ihm die Locken. „Und bleib mit deinem Rad von der Straße. Das ist kein Spielplatz.“

Folgsam trottete der Kleine zu Gina und schmiegte sich an ihre Seite.

„Wie alt ist er?“

„Zweieinhalb.“

„Ein aufgeweckter Junge, und er fährt sehr gut für sein Alter“, bemerkte Isabella Valeri-King überraschend anerkennend. „Das Dreirad steht draußen neben der Tür.“

„Danke.“

„Also, Sonntag um drei Uhr“, wiederholte Isabella Valeri-King energisch.

„Wir werden da sein, Mrs. Valeri-King. Und nochmals vielen Dank.“

Es war zehn Minuten vor drei. Gina parkte ihr kleines Auto auf dem Besucherparkplatz am Fuß der Stufen, die zu „King’s Castle“ hinaufführten. Ihr Wagen war weit und breit der Einzige, was ihre Nervosität nur noch steigerte.

Zum hundertsten Mal vergewisserte sie sich, dass sich das Band mit dem Soundtrack für ihre Songs auch in ihrer Handtasche befand. Vielleicht würde sie es gar nicht brauchen. Sie hatte keine Ahnung, ob man von ihr erwartete, mit oder ohne Begleitung zu singen. Aber sie wollte vorbereitet sein. Ein Blick in den Rückspiegel verriet ihr, dass ihr dezentes Make-up immer noch perfekt war und ihr langes, seidiges Haar ihr Gesicht in weichen Wellen umschmeichelte. Wirkte sie professionell genug?

Marco war in seinem Kindersitz eingeschlafen. Bekleidet mit blauen Shorts, einem rot-grün-blau gestreiften T-Shirt und blauen Sandalen sah er wirklich süß aus. Sie, Gina, trug ein ärmelloses, enges gelbes Leinenkleid, das mit blauen Biesen eingefasst war und, kombiniert mit einem blauen Gürtel, einer blauen Handtasche und blauen Sandaletten, ihrer Erscheinung die nötige Eleganz verlieh, die sie zur Stärkung ihres Selbstbewusstseins dringend brauchte.

Vorsichtig löste sie Marcos Sicherheitsgurt, weckte ihren Sohn sanft und hob ihn aus dem Wagen. Glücklicherweise war Marco nie quengelig, wenn er aufwachte. Er rieb sich nur kurz die Augen und blickte sich dann unternehmungslustig um. „Sind wir am Schloss, Mama?“

„Ja. Ich schließe nur noch das Auto ab, dann gehen wir hinauf.“

„Ich kann es aber gar nicht sehen!“

„Hab nur Geduld, das wirst du gleich.“

Als sie langsam die Stufen emporstiegen, kam als Erstes der mit Mosaiken verzierte Turm in Sicht, der sich über dem Hügel erhob. Es hieß, Isabellas Vater Frederico Stefano Valeri habe ihn für seine Frau erbaut, damit sie die ankommenden Boote auf dem Meer und das Abbrennen der Zuckerrohrfelder während der Ernte beobachten konnte. Marcos Augen wurden kugelrund vor Staunen. „Können wir da raufklettern, Mom?“

„Heute nicht, Marco. Aber wir werden den Ballsaal sehen. Da hängen große, verspiegelte Kugeln von der Decke, und der Holzboden ist in schönen Mustern verlegt.“

Prachtvolle Palmen und Beete mit üppig blühenden tropischen Blumen säumten die Treppe zu beiden Seiten. Oben angekommen, führte ein breiter, gepflasterter Weg über ausgedehnte, gepflegte Rasenflächen auf das Haus zu. Dem Eingang des Schlosses vorgelagert war eine tiefe, säulenbewehrte Loggia, in deren Mitte ein großer, marmorner Springbrunnen prangte. Darum waren in zwangloser Anordnung Sessel und Tische gruppiert. An einem dieser Tische saßen jetzt drei Personen, und Gina hatte Mühe, ruhig weiterzugehen, als sie erkannte, wer sie da erwartete.

An der Seite seiner Großmutter saß Alessandro King. Alessandro King und seine Verlobte, verbesserte sie sich sofort, denn sie hatte die Frau neben ihm auf einem Foto anlässlich der Ankündigung der Verlobung der beiden in der Zeitung gesehen. Er ist vergeben, rief Gina sich energisch ins Gedächtnis. Außerdem hätte wohl auch nie die Chance bestanden, dass sie, Gina Terlizzi, und er sich auf irgendeiner gesellschaftlichen Ebene begegnet wären … bis zu diesem Augenblick. Aber wenn es je einen Mann gegeben hatte, der ihr Herz schneller schlagen ließ, dann war es dieser Mann … Alessandro King, der „Zuckerkönig“.

Natürlich hatte sie Angelo, ihren Mann, geliebt. Angelo war das wirkliche Leben gewesen … Alessandro King ein unerreichbarer Traum. Dennoch klopfte ihr das Herz bis zum Hals, als sie nun unter seinem aufmerksamen Blick mit Marco an der Hand näher kam. Er war so atemberaubend attraktiv! Groß und stark, mit einer unverkennbaren autoritären Ausstrahlung, die seine Kompetenz und Zielstrebigkeit verriet, in allem, was er anfasste. Gemessen an anderen Männern war er zweifellos ein König.

Jetzt lächelte er Marco zu, der aufgeregt an ihrer Seite hüpfte, und dieses Lächeln verwandelte seine markanten Züge, verlieh ihnen Warmherzigkeit und Charme. Seine blauen Augen blitzten freundlich … auffällig blaue Augen, die von mütterlicher Seite oder den Kings stammen mussten, denn sie standen in faszinierendem Kontrast zu dem dichten schwarzen Haar und dem dunklen Teint, die sein italienisches Erbe verrieten.

Ohne zu überlegen, ging Gina wie magisch angezogen auf Alessandro King zu. Er war aufgestanden, um sie zu begrüßen, und überragte sie um mehr als Kopfeslänge. Was für ein Mann!

Zu spät erinnerte sich Gina, dass sie ja genau genommen auf Einladung seiner Großmutter gekommen war, und blickte Isabella Valeri-King an. Ich bin geschäftlich hier, rief sie sich entschlossen ins Gedächtnis, rein geschäftlich!

„Mein Enkel Alessandro“, machte die alte Dame sie miteinander bekannt, wobei ihr wohlwollendes Lächeln Gina beruhigte. Sie wagte sogar einen Blick in Alessandros unwahrscheinlich blaue Augen.

„Und seine Verlobte Michelle Banks“, fuhr Isabella Valeri-King fort.

Gina nickte der Frau auf der anderen Seite des Tisches lächelnd zu und erhielt ein betont kühles Lächeln zur Antwort. Es war schon etwas entmutigend, so aus der Nähe zu sehen, wie schön Michelle Banks wirklich war. Ihr glänzendes goldblondes Haar war zu einem eleganten Knoten im Nacken frisiert, was ihre makellosen, ebenmäßigen Züge betonte. Mandelförmige graugrüne Augen, eine klassische Nase, ein schöner, perfekt geschminkter Mund … geradezu unerhört sexy.

Die erfolgreiche Modedesignerin trug eins ihrer selbst entworfenen, gebatikten Schaltops, das nur von einem dünnen Nackenband gehalten wurde … ein Kleidungsstück, wie es nur gertenschlanke Frauen mit einem Minimum an Oberweite tragen konnten. Das attraktive Muster in warmen Erdtönen fand seine farbliche Ergänzung in einer goldgelben hautengen Hüfthose, die Michelle Banks’ beneidenswert schlanke Modelfigur voll zur Geltung brachte.

Gina kam sich unwillkürlich plump und unförmig vor. Was natürlich dumm war. Sie besaß einfach nur eine ganz andere Figur als Michelle. Doch alle Vernunft half nichts gegen die deprimierende Erkenntnis, dass dies die Frau war, die Alessandro King heiraten wollte. Heiraten würde.

„Gina Terlizzi und ihr Sohn Marco“, beendete Isabella Valeri-King die Vorstellung.

„Es freut mich, Sie kennenzulernen, Gina … und dich, Marco“, warf ihr Enkel herzlich ein. „Eine gute Familie, die Terlizzis. Immer noch im Fischereigeschäft?“

„Ja, die meisten der Männer zumindest“, antwortete Gina, überrascht, dass er Angelos Familie offensichtlich kannte.

Vor vielen Jahren hatte sein Vater Roberto King den Terlizzis den Einstieg ins Fischereigeschäft finanziert. Sein Urgroßvater Frederico Stefano Valeri hatte ursprünglich die Tradition ins Leben gerufen, italienischen Einwanderern finanziell unter die Arme zu greifen, wenn die Banken ihnen die nötigen Kredite verweigerten. Jedermann in der italienischen Gemeinde wusste, dass die Kings für eine gute Geschäftsidee immer ansprechbar waren, und soweit Gina wusste, hatte keiner der so Geförderten das Vertrauen der Kings jemals enttäuscht.

„Und Sie sind Angelos Witwe?“, fügte Alessandro jetzt mitfühlend hinzu.

Sie nickte, noch überraschter, dass er sogar den Namen ihres verstorbenen Mannes kannte.

„Ich erinnere mich sehr gut, in der Zeitung darüber gelesen zu haben, wie er bei dem Versuch, einen schiffbrüchigen Segler am Riff zu retten, umgekommen ist.“

„Ja, der Sturm war zu stark. Sie sind beide ertrunken“, bestätigte Gina heiser.

„Ein mutiger Mann … und ein großer Verlust für Sie und Ihren Sohn. Ihre Familie hat sich seitdem um Sie gekümmert, oder?“

„Ja, sehr gut sogar.“

„Schön. Wie meine Großmutter mir gesagt hat, sind Sie heute hier, um ihr vorzusingen. Aber sicher möchten Sie vorher etwas trinken. Bitte …“ Er deutete auf den leeren Sessel gegenüber von seiner Verlobten. „Was darf ich Ihnen anbieten? Wein, Saft, Mineralwasser?“

„Ein Mineralwasser. Vielen Dank.“

„Und für dich, Marco?“

„Ein Saft, bitte.“

„Aber nur ein halbes Glas“, mischte sich Gina warnend ein. „Er verschüttet sonst die Hälfte.“

Alessandro lächelte verständnisvoll. „Kein Problem.“

„Sie sind also Sängerin“, meldete sich Michelle kühl zu Wort und veranlasste Gina, sich ihr zuzuwenden.

„Nun ja, ich habe schon einige Verpflichtungen … zu Hochzeiten, Geburtstagen und anderen festlichen Anlässen. Aber ich kann nicht behaupten, dass ich davon leben könnte“, antwortete Gina wahrheitsgemäß. Es lag ihr nicht, sich als etwas darzustellen, was sie nicht war. Außerdem wurde sie tatsächlich meist zu Feiern aus der Familie oder ihrem Freundeskreis gebeten zu singen, wofür sie überhaupt kein Honorar verlangte.

„Aber Sie haben doch sicher eine Gesangsausbildung genossen“, ließ Michelle nicht locker.

Ihr kritischer Ton ärgerte Gina. Was ging das diese Frau an? „Wenn Sie Gesangsstunden meinen … ja, natürlich. Und ich habe auch an einigen Wettbewerben teilgenommen.“

„Und warum haben Sie dann nicht eine ernsthafte Karriere in dieser Richtung verfolgt?“

„Nicht für jede Frau kommt die Karriere an erster Stelle“, mischte sich Isabella Valeri-King bezeichnend ein.

Michelle zuckte die Schultern. „Es kommt mir nur wie eine Talentvergeudung vor, falls Ihre Stimme wirklich gut genug ist.“

Dabei sah sie Gina bedeutungsvoll an, und Gina ärgerte sich erneut. Warum war Alessandro Kings Verlobte so offensichtlich bestrebt, sie in ihre Schranken zu verweisen? Michelle war doch eine Frau, die anscheinend alles besaß, wovon andere Frauen nur träumen konnten … einschließlich des Mannes, dessen Ring sie trug.

„Ich hatte andere Vorstellungen für mein Leben“, antwortete Gina nun schlicht. „Und was die Qualität meiner Stimme angeht, bin ich ja gekommen“, sie wandte sich ganz bewusst Isabella Valeri-King zu, „damit Mrs. Valeri-King beurteilen kann, ob sie ihren Anforderungen gerecht wird.“

„Und ich freue mich darauf, eine Kostprobe Ihrer Kunst zu hören.“ Die alte Dame lächelte ermutigend. „Wenn das Demoband Ihres Agenten ein Anhaltspunkt ist“, sie sah ihren Enkel direkt an, „dann möchtest du vielleicht sogar, dass Gina auf deiner Hochzeit singt, Alessandro.“

Schweigen. Eisiges Schweigen. Gina spürte plötzlich Spannungen unter den Anwesenden, die nichts mit ihr zu tun hatten. Befangen nippte sie an ihrem Wasser und hielt es für das Klügste, sich nicht einzumischen.

Michelle sah Alessandro herausfordernd an. Er räusperte sich und wandte sich an seine Großmutter. „Nonna, das haben wir doch bereits besprochen. Michelle will Harfenmusik, keinen Gesang.“

„Ich habe gehört, was Michelle will, Alessandro“, lautete die kühle Antwort. „Aber habe ich auch gehört, was du willst?“

„Es ist der große Tag der Braut“, antwortete er resigniert.

Isabella Valeri-King sah die Verlobte ihres Enkels scharf an. „Ist das Ihre Meinung, Michelle … dass die Hochzeit allein der Tag der Braut ist und der Bräutigam sich in allen ihren Wünschen fügen muss?“

Michelle lächelte selbstgefällig. „Nun, Alessandro tut mir gern den Gefallen, wenn ich mir Harfenmusik für meine Hochzeit wünsche.“

„Ich habe stets empfunden, dass kein Instrument, auch keine Harfe, in der Weise Wärme und Gefühl vermitteln kann, wie dies einer schönen menschlichen Stimme möglich ist.“

„Das ist reine Geschmackssache“, wehrte Michelle ab. „Eine Harfe ist eben ein sehr elegantes Instrument.“

„Unbestritten. Aber ich bin der Ansicht, dass bei aller Eleganz auf eurer Hochzeit auch ein wenig Raum für die Liebe sein sollte.“ Isabella Valeri-King wandte sich lächelnd an Gina. „Sind Sie jetzt bereit?“

„Ja, natürlich.“ Gina stellte ihr Glas beiseite und nahm ihre Handtasche. „Ich habe ein Band mit dem Soundtrack mitgebracht. Gibt es im Ballsaal eine entsprechende Anlage …?“

„Selbstverständlich.“ Isabella Valeri-King sah ihren Enkel an. „Alessandro wird alles für Sie einrichten und Ihnen eine Fernbedienung geben, sodass Sie das Band ganz nach Wunsch einschalten und stoppen können.“

Ginas Herz pochte wie wild. Würde er denn auch zuhören? Ihr entging nicht, dass über Michelles Gesicht ein unwilliger Ausdruck huschte. Dennoch nickte sie Alessandro lächelnd zu. „Danke.“

„Es ist mir ein Vergnügen“, erwiderte er freundlich, doch Gina vermutete, dass auch er nicht begeistert war, dass seine Großmutter ihn derart überrumpelt hatte. Und seine Verlobte würde auf jeden Fall eine sehr kritische Zuhörerin sein.

Isabella Valeri-King stand auf und gab damit das Signal. Gina nahm Marco das Glas aus der Hand und hob ihn vom Stuhl.

„Gehen wir jetzt zu den Spiegelkugeln, Mom?“, fragte er gespannt.

„Ja, Liebes.“

„Komm, Marco, gib mir deine Hand“, forderte Isabella Valeri-King ihn freundlich auf. „Ich zeige dir alles, während deine madre sich bereit macht, für uns zu singen.“

Ohne zu zögern, reichte Marco ihr die Hand und blickte erwartungsvoll zu ihr auf. Die alte Dame musste etwas Besonderes an sich haben, denn normalerweise war Marco Fremden gegenüber eher widerspenstig. Lag es daran, dass Isabella Valeri-King über so viele Jahre die uneingeschränkte Matriarchin dieser Familie gewesen war? Sie strahlte jedenfalls eine unbezwingbare Autorität aus, der sich in diesem Moment nicht einmal Michelle Banks widersetzen konnte.

Dennoch spürte Gina die feindselige Haltung von Alessandros Verlobten, als sie jetzt alle zusammen zum Ballsaal gingen. Ihr kam der unangenehme Gedanke, ob Isabella Valeri-King sie, Gina, vielleicht als Faustpfand in einem subtilen Krieg benutzte, den die alte Dame gegen die zukünftige Frau ihres Enkels führte.

Gina hoffte, dass dem nicht so war. Sie brauchte diese Chance, die ihre finanzielle Lage entscheidend verbessern würde, falls sie regelmäßige Engagements bei Festlichkeiten auf dem Schloss bekommen könnte. Deshalb musste sie versuchen, die unübersehbaren Spannungen zu ignorieren.

Von allem anderen abgesehen, wollte sie auf keinen Fall vor Alessandro King versagen und seiner Verlobten die Gelegenheit geben, ihre Darbietung mitleidig zu belächeln. Sie musste gut singen. Andernfalls würde sie die Demütigung nicht überleben.

3. KAPITEL

„Müssen wir das wirklich ertragen?“, zischte Michelle Alessandro zu.

Er sah sie ein wenig überrascht an. „Ja.“

Sie verdrehte die Augen und folgte seiner Großmutter und ihrem Schützling mit Märtyrermiene in den Ballsaal.

Alessandro war zunehmend irritiert über Michelles mangelnde Liebenswürdigkeit vor allem gegenüber Gina Terlizzi. Ihm waren die junge Witwe und ihr kleiner Sohn auf Anhieb sympathisch gewesen. Warum konnte Michelle Gina nicht einfach alles Gute wünschen, anstatt das Gesangstalent der jungen Frau an ihrem eigenen beruflichen Ehrgeiz zu messen? Es war doch völlig verständlich, das eine junge, durch tragische Umstände alleinstehende Mutter ihr kleines Kind nicht durch die Nachtclubs der Stadt schleifen wollte.

Michelle brauchte anscheinend eine Lektion in Respekt vor den Lebensumständen und Wertvorstellungen anderer Menschen. Und es würde ihr auch nicht schaden, einige Kompromisse eingehen zu müssen, was ihre Hochzeitspläne betraf. Für seine Großmutter war eine Hochzeit eine Familienangelegenheit, das war italienische Tradition. Ihre bezeichnenden Bemerkungen über die Harfenmusik hatten Alessandro vor Augen geführt, dass es höchste Zeit für ihn wurde, die Dinge in die Hand zu nehmen. Die Braut war wirklich nicht die Einzige, auf die es Rücksicht zu nehmen galt. Er dachte an Elizabeth Kings jüngsten Besuch und wie sie erzählt hatte, in welchem Ausmaß sie an der Planung der Hochzeiten ihrer Söhne beteiligt gewesen war. Nonna würde sich ausgeschlossen fühlen, und das durfte nicht sein.

Auf dem glänzend polierten, in kunstvollen Mustern verlegten Parkett im Ballsaal waren runde Tische mit je acht Stühlen zu einem Hufeisen angeordnet, das die große Tanzfläche umschloss und mit seiner Öffnung zur Bühne an der Stirnwand wies. Michelle setzte sich, kaum dass sie den Ballsaal betreten hatten, an einen der hintersten Tische direkt neben der Tür, um demonstrativ ihren Unwillen kundzutun, bei diesem Vorsingen dabei sein zu müssen. Nun doppelt verärgert, begleitete Alessandro seine Großmutter und den kleinen Marco zu einem der Tische in der Mitte des Saals und führte dann Gina zur Bühne, um sie mit der Musikanlage vertraut zu machen.

Er bemerkte, dass Ginas Hand leicht zitterte, als sie ihm das Band mit dem Soundtrack reichte. Lampenfieber? Oder bedrückte es sie, dass seine Verlobte sie so offen brüskierte? Die Erkenntnis, wie verletzlich sich Gina angesichts dieser unfairen Behandlung fühlen musste, veranlasste Alessandro, spontan ihre Hand zu nehmen und aufmunternd zu drücken.

„Beachten Sie Michelle gar nicht“, riet er ihr freundlich, auch wenn er seiner Verlobten damit in den Rücken fiel. „Singen Sie für Marco. Stellen Sie sich vor, es wäre seine Hochzeit.“

Sie errötete. Hatte er sie in Verlegenheit gebracht? Sie blickte zögernd zu ihm auf. Zum ersten Mal fiel ihm auf, was für schöne Augen sie hatte, die Farbe ein warmes, ungewöhnliches Goldbraun. Er las darin jetzt einen Ausdruck von Erleichterung, Dankbarkeit und rührender Verwunderung über seine Fürsorge … und verspürte plötzlich den fast unwiderstehlichen Wunsch, diese Frau tröstend und beschützend in die Arme zu nehmen. Im letzten Moment hielt seine Vernunft ihn zurück, etwas zu tun, was völlig ungebührlich gewesen wäre. Aber die Heftigkeit des Wunsches verblüffte ihn. Er kannte Gina Terlizzi doch kaum!

„Vielen Dank. Sie sind sehr freundlich“, sagte sie heiser.

Alessandros Blick verweilte unwillkürlich auf ihren vollen, sinnlichen Lippen, und seine Gedanken schweiften erneut in eine beunruhigende Richtung. Erst da wurde ihm bewusst, dass er immer noch ihre Hand hielt, und er drückte sie nochmals ermutigend. „Sie machen das. Vergessen Sie nicht, dass meine Großmutter Sie erst gar nicht um ein Vorsingen gebeten hätte, wenn sie nicht bereits von Ihrer Stimme beeindruckt gewesen wäre.“

Gina nickte. Er ließ ihre Hand los und wandte sich der Musikanlage zu, um das Band einzulegen. Es machte Alessandro entschieden nervös, dass diese junge Frau ihm nicht nur sympathisch war, sondern ihn ganz offenbar auch sexuell erregte. Bei aller Verärgerung über Michelles Benehmen war das eine Illoyalität seiner Verlobten gegenüber, die nicht sein durfte.

Alessandro versuchte, sich ganz auf die notwendigen Tätigkeiten zu konzentrieren. Er schaltete die Musikanlage an, brachte Gina die Fernbedienung, wies sie ein und richtete das Mikrofon für sie aus. Aber jedes Mal, wenn er dem Blick ihrer ausdrucksvollen Augen begegnete, durchzuckte es ihn heiß.

Er lächelte ihr noch einmal aufmunternd zu und verließ die Bühne. Der Drang, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und Gina zu bringen, lenkte seine Schritt automatisch zu Michelle ganz am Ende des Saals. Doch auf halbem Weg entschied er sich anders und setzte sich zu seiner Großmutter und Ginas Sohn. Vielleicht würde das Michelle ja dazu bringen, ihr Benehmen noch einmal zu überdenken.

Seine Großmutter nickte beifällig angesichts dieser Unterstützung für ihren Schützling. Von Gewissensbissen geplagt, winkte Alessandro Michelle, sich zu ihnen zu setzen, aber seine Verlobte schüttelte nur den Kopf und trug eine betont gelangweilte Miene zur Schau. Alessandro wandte sich gereizt ab. Er würde jedenfalls auch nicht nachgeben!

„Fangen Sie bitte an, wenn Sie bereit sind“, forderte seine Großmutter Gina auf.

Alessandro konzentrierte sich nun ganz auf die Frau auf der Bühne. Sie war jünger als Michelle, vermutlich Mitte zwanzig. Das schlichte gelbe Kleid, das sie trug, umschmeichelte eine feminine Figur mit üppigen Rundungen und einer schmalen Taille. Der Eindruck war insgesamt angenehm weiblich, aber nicht atemberaubend. Sie hätte niemals die Blicke aller auf sich gezogen, wie Michelle es jedes Mal tat, wenn sie einen Raum betrat, dennoch war sich Alessandro sicher, dass sich jeder Mann mit Gina Terlizzi an seiner Seite sehr wohl gefühlt hätte.

Die Musik begann. Alessandro bemerkte, dass Gina den Blick nicht auf seine Großmutter, sondern auf Marco richtete, der auf dem Stuhl neben der Tanzfläche saß. Ein Lächeln huschte über Alessandros Gesicht. Sie hatte seinen Rat also angenommen und würde ihren Gesang an ihren kleinen Sohn richten, dessen unkritische Liebe ihr entgegenstrahlte.

Ihre Stimme erklang über das Mikrofon. Sie war klar und überraschend warm und voll und füllte mühelos den großen Ballsaal. Alessandro erkannte „Because You Loved Me“, einen bekannten Song von Celine Dion, und Gina Terlizzi verlieh ihm vielleicht sogar noch mehr Gefühl und Ausdruck als die berühmte Sängerin.

Alessandros Großmutter berührte seinen Arm und lenkte seine Aufmerksamkeit auf Marco. Der Kleine war vom Stuhl gerutscht und stand mitten auf der Tanzfläche. Selbstvergessen tanzte er im Takt der Musik und ahmte die Bewegungen seiner Mutter auf der Bühne nach, die ihn, während sie sang, immer wieder liebevoll anlächelte. Es war ein Bild vollendeter Harmonie zwischen Mutter und Sohn.

Als die letzten Takte des Liedes verklangen, klatschte Marco begeistert in die kleinen Hände. „Mehr, Mom!“

Alessandro lächelte unwillkürlich, ebenso wie seine Großmutter, die von der kleinen Szene sichtlich gerührt war. „Ja, wir möchten unbedingt noch mehr hören“, unterstützte sie den Wunsch des Jungen.

Gina nickte und startete den Soundtrack erneut.

Es war ganz gewiss keine Zumutung, ihr zuzuhören. Während Gina eine mitreißende Version des alten Sinatra-Songs „All The Way“, vortrug, drehte Alessandro sich zu Michelle um, überzeugt, dass sie genauso beeindruckt sein musste, wie er es war. Doch ihr trotzig schmollender Blick brachte ihn wirklich auf. Konnte sie denn nicht wenigstens einräumen, dass Gina Terlizzi wirklich gut sang?

Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Marco zu, der unbefangen tanzte, und als der Kleine am Ende des Liedes überschwänglich klatschte, stimmte Alessandro in den Beifall ein. Warum auch nicht? Gina hatte den Applaus verdient, und Alessandro fühlte sich verpflichtet, Michelles brüskierende Haltung wiedergutzumachen.

„Singen Sie uns bitte noch etwas vor“, bat seine Großmutter.

Alessandro kannte das übliche Programm, das bei den meisten der auf „King’s Castle“ gebuchten Hochzeiten erwartet wurde, denn seine Großmutter hatte oft genug bei der Auswahl der Lieder seinen Rat eingeholt. Isabella Valeri-King betrieb dieses Geschäft nun schon seit Jahren und brachte damit die Unterhaltskosten für das Schloss eigenständig auf – was angesichts des beträchtlichen Familienvermögens natürlich nicht nötig gewesen wäre. Aber Alessandro vermutete, dass es ihr ganz einfach Spaß machte, große Festlichkeiten zu organisieren und den wunderschönen Ballsaal regelmäßig in all seinem Glanz erstrahlen zu lassen. Und während Alessandro lauschte, wie Gina Terlizzi „From This Moment On“ sang, schwor er sich, dafür zu sorgen, dass seine Großmutter auch in die Planung seiner Hochzeit eingebunden werden würde. Egal, ob es Michelle gefiel oder nicht!

4. KAPITEL

Für den Nachmittagstee war der Tisch auf der Loggia üppig gedeckt worden. Marco hüpfte über den Rasen und erkundete den großen Garten. Für Gina wäre es die perfekte Entspannung nach ihrem Vorsingen gewesen, wenn Michelle Banks’ säuerliche Miene dem Ganzen nicht einen kleinen Dämpfer versetzt hätte.

Dennoch ließ Gina sich ihre Stimmung nicht wirklich vermiesen. Isabella Valeri-King war von ihrem Gesang mehr als angetan gewesen. Alessandro King ebenso. In Zukunft würde sie, Gina Terlizzi, bei vielen Festlichkeiten im Schloss singen und dafür Honorare kassieren, von denen sie bislang nur hatte träumen können.

Da machte es nichts aus, dass Michelle sich zu keinem freundlichen Wort herabgelassen hatte. Vielleicht hatte sie Alessandro ja an diesem Nachmittag für sich allein haben wollen und war deshalb verstimmt, weil seine Großmutter ihn in ihre geschäftlichen Unternehmungen hineingezogen hatte. Obwohl Alessandro sich nicht dagegen gewehrt hatte. Im Gegenteil, er war so freundlich und hilfsbereit gewesen. Ja, wenn er nicht bereits vergeben gewesen wäre, dann hätte sie, Gina, sich bis über beide Ohren in ihn verliebt, da war sie sich sicher. Als er ihre Hand genommen und ihr in die Augen geblickt hatte, hatte ihr das Herz bis zum Hals geklopft.

Doch sie durfte nicht mehr daran denken. Er war vergeben. Wahrscheinlich war es einfach seine Art, jedermann mit Freundlichkeit und Zuvorkommenheit zu begegnen. Es bedeutete nicht, dass er sich genauso stark zu ihr hingezogen fühlte wie sie sich zu ihm. Wie sollte er auch? Sie hatte nicht so viel Klasse wie seine Verlobte.

Der selbst gebackene Karottenkuchen mit der köstlichen Frischkäsecreme führte sie in Versuchung. Würde es unmäßig aussehen, wenn sie sich ein zweites Stück nähme? Sie war den ganzen Tag so aufgeregt gewesen, dass sie kaum etwas gegessen hatte.

Alessandro kam ihr zuvor und tat sich ein zweites Stück Kuchen auf den Teller. Er bemerkte ihren Blick und zwinkerte ihr neckend zu. „Es ist mein Lieblingskuchen. Ich kann einfach nicht widerstehen.“

Gina seufzte genüsslich. „Ja, er ist wirklich sündhaft gut.“

„Möchten Sie auch noch ein Stück?“

Er hatte bereits eines auf den Tortenheber genommen, und Gina wurde schwach. „Ja, bitte.“

„Er ist furchtbar kalorienreich“, mischte sich Michelle kritisch ein.

„Es gehört zu den kleinen Freuden des Lebens, sich hin und wieder auch einmal etwas Reichhaltiges zu gönnen“, entgegnete Isabella Valeri-King sofort.

„Wenn man bereit ist, den Preis dafür zu bezahlen“, meinte Michelle spöttisch, wobei sie den Blick bezeichnend über Ginas Rundungen schweifen ließ.

„Ach, manchen Menschen fällt es nicht schwer, überflüssige Kalorien auch wieder zu verbrennen“, warf Alessandro ein und sah Gina lächelnd an. „Ich kann mir vorstellen, dass Marco Sie ganz schön auf Trab hält, stimmt’s?“

Ihr Herz pochte schneller. Wieder war Alessandro ihr gegen seine Verlobte zu Hilfe gekommen. Er fand sie, Gina, nicht zu dick, sondern mochte sie. Warum sonst hätte er sie verteidigen sollen? Andererseits konnte es ihm natürlich auch egal sein, wenn sie zu viel Kuchen aß und dick wurde, denn schließlich war sie nicht die Frau, die er heiraten wollte.

„Marco hält mich wirklich auf Trab“, antwortete sie und wandte sich dann ganz bewusst an seine Großmutter: „Es ist Sonntag, wissen Sie. Für mich ist das immer ein Tag, an dem ich es mit den Regeln nicht ganz so genau nehme und einfach Spaß haben will.“

Die alte Dame nickte beifällig. „Eine alte italienische Tradition. Außerdem mag ich es, wenn man meine Kochkünste zu schätzen weiß.“

Gina war nicht der Typ, der es darauf anlegte, irgendjemand auszustechen, dennoch bereitete ihr Isabella Valeri-Kings wohlwollende Zustimmung einige Genugtuung. Man konnte es mit dem Diäthalten auch zu weit treiben. Wenn sich jemand die Mühe gemacht hatte, einen besonderen Kuchen zu backen, dann war es ihrer Meinung nach einfach unhöflich, ihn nicht einmal zu probieren, nur weil er zu „kalorienreich“ war. Aber Michelle schien dieses Mindestmaß an Höflichkeit gegenüber Alessandros Großmutter nicht für nötig zu halten, denn sie hatte nur schwarzen Tee mit Zitrone zu sich genommen.

Natürlich ging es sie, Gina, nichts an, aber sie hatte den Eindruck, dass Isabella Valeri-King die Verlobte ihres Enkels nicht besonders leiden mochte – genauso wenig wie sie, Gina, Michelle leiden konnte. Allerdings war es natürlich möglich, dass die Ursache für ihre wachsende Abneigung schlicht und einfach Eifersucht war.

Angesichts dieser Überlegungen war es eine willkommene Abwechslung, als Marco jetzt über den Rasen gerannt kam, die Hände hohl zusammengepresst, als würde er etwas darin verbergen. „Guck mal, was ich gefunden habe, Mom!“, rief er aufgeregt.

„Komm her, und zeig es mir, Marco“, antwortete Isabella Valeri-King und winkte ihn lächelnd zu sich heran.

Marco, der gegenüber der feinen alten Dame keine Befangenheit zu kennen schien, blieb zwischen ihr und Michelle stehen. Seine braunen Augen funkelten übermütig. „Es is’ eine Überraschung!“, sagte er mit wichtiger Miene.

„Ich liebe Überraschungen“, versicherte Isabella Valeri-King ihm ernst.

„Dann pass auf!“, rief Marco und öffnete die Hände wie ein großer Zauberer. Eine kleine Kröte hüpfte von seiner Handfläche … direkt auf Michelles Schoß!

Michelle sprang kreischend vor Entsetzen auf und schlug wie wild um sich, um die Kröte loszuwerden. Die aber hüpfte zunächst einmal ausgerechnet auf Michelles Arm, bevor sie in die Freiheit entkam, und Michelle schauderte vor Ekel. „Du dummes Kind!“, schrie sie Marco an. „Wie kannst du dieses ekelhafte Tier an den Tisch bringen und auf mich springen lassen!“ Außer sich vor Zorn stürzte sie mit erhobener Hand auf Marco zu.

Sprachlos vor Entsetzen sah Gina, dass Michelle im Begriff stand, Marco zu schlagen, und sprang auf. Aber sie war zu weit entfernt, um es verhindern zu können.

Alessandro kam ihr zu Hilfe. Blitzschnell stand er neben Michelle, packte ihr Handgelenk und zwang sie, den Arm sinken zu lassen. Seine Großmutter reagierte im selben Moment und zog Marco aus der Schusslinie.

„Es ist doch nichts passiert, Michelle“, sagte Alessandro in einem nachdrücklichen Ton, der keinen Widerspruch duldete.

Ginas Herz pochte wie wild, als sie begriff, was da geschah: Alessandro King stellte sich schützend vor ihren Sohn … gegen seine Verlobte!

„Nichts passiert!“, schrie Michelle empört und wandte sich erneut außer sich vor Wut Marco zu, der erschrocken zurückzuckte, weil er gar nicht begriff, was er so Schlimmes angestellt hatte. „Du hast meine Hose ruiniert, du Schmutzfink!“

„Ruiniert ist doch wohl übertrieben“, widersprach Alessandro barsch.

„Jungen sind eben so“, mischte sich nun seine Großmutter betont beschwichtigend ein, wobei sie jedoch Michelle einen warnenden Blick zuwarf, während sie Marco beruhigend an sich drückte. „Sie sind von allem fasziniert, was kreucht und fleucht.“

„Kröten!“ Michelle schauderte sichtlich. „Hässliche, eklige Kröten!“

Marco schmiegte sich Schutz suchend an Isabella Valeri-King, während er mit ängstlicher Miene und großen Augen die fremde Frau anstarrte, die ihn so wütend angefahren hatte.

Der Anblick ihres völlig verschüchterten Sohnes riss Gina endlich aus ihrer Lähmung. Schön und gut, dass Alessandro und seine Großmutter Marco verteidigten, aber sie war seine Mutter. Es war ihre Aufgabe, ihm zu helfen. „Es tut mir leid, dass die Kröte auf Sie gesprungen ist, Michelle“, sagte sie erzwungen ruhig. „Aber seien Sie meinem Sohn deshalb nicht böse. Marco findet nichts Schlimmes dabei, Kröten zu fangen. Er hilft des Öfteren einem seiner Onkel dabei und ist es gewohnt, dafür gelobt zu werden, wenn er eine gefangen hat.“

Sofort richtete sich Michelles Zorn und Empörung auf sie. „Sie lassen zu, dass er seinem Onkel hilft, diese widerlichen Viecher zu fangen?“

Gina nickte und riss sich ihrem Sohn zuliebe zusammen. „Ja, für Marco ist das ein tolles Spiel. Sein Onkel veranstaltet Krötenrennen für Touristen. Er gibt den Kröten dazu sogar Namen wie Fat Freddo, Forest Lump oder Prince Charming …“

„Prince Charming?“, mischte sich Alessandro belustigt ein und sah sie an. Sein anerkennender Blick verriet, dass er ihre Ablenkungstaktik durchschaute und bewunderte.

Gina rang sich ein Lächeln ab, dankbar für seine Hilfe. „Ja, und wenn Prince Charming das Rennen gewinnt und eine Frau auf ihn gesetzt hat, versucht mein Bruder sogar, die Frau zu überreden, die Kröte zu küssen.“

„Eine Kröte zu küssen!“, stieß Michelle entsetzt aus.

„Das ist immer ein großer Spaß für die Zuschauer. Und manche küssen tatsächlich die Kröte und lassen sich dabei fotografieren oder filmen, um es später ihrer Familie oder ihren Freunden zu zeigen.“

„Ich kann mir das gut vorstellen“, kam Alessandro ihr erneut zu Hilfe, bevor er sich direkt an seine Verlobte wandte. „Wie du siehst, Michelle, ist das alles eine Frage der Betrachtungsweise.“

„Ach was!“ Michelle riss sich verächtlich von ihm los. „Wenn es dir nichts ausmacht … ich will mir den Krötenschleim vom Arm waschen!“ Sie drehte sich auf dem Absatz um und verschwand demonstrativ im Haus.

Zurück blieb eine peinliche Stille. Gina blickte besorgt zu Marco, der ein verstörtes Gesicht machte und kurz davor schien, in Tränen auszubrechen.

Alessandro hockte sich vor ihn hin. „Na, Marco, sollen wir uns einmal den Fischteich ansehen?“, fragte er aufmunternd.

„Fische?“, fragte der Kleine verschüchtert, aber interessiert.

„O ja, große rote, goldene und gefleckte. He, wie wär’s, wenn wir versuchen zu zählen, wie viele es sind?“ Alessandro hob Marco auf seine Arme und richtete sich mit ihm auf. „Kannst du überhaupt schon zählen?“

„Ja!“ Marco nickte mit wichtiger Miene. „Eins, zwei, vier, zehn …“

„Na prima! Dann lass uns zum Fischteich gehen … das heißt, falls deine Mutter nichts dagegen hat?“

Er sah Gina an. Sie las in dem Blick seiner faszinierenden blauen Augen den brennenden Wunsch, das unverzeihliche Verhalten seiner Verlobten wiedergutmachen zu wollen, und die Intensität dieses Wunsches rührte sie.

„Mom? Darf ich?“

Sie blickte Marco an. Die Tränen waren vergessen. Seine braunen Augen leuchteten erwartungsvoll. „Ja, natürlich“, gab sie sich geschlagen und sah mit gemischten Gefühlen zu, wie Alessandro King ihren Sohn zu neuen Abenteuern davontrug. Einerseits war sie dankbar, dass er so selbstverständlich die Initiative ergriffen hatte, andererseits wusste sie nicht, wohin das führen sollte. So gern hätte sie geglaubt … aber es wäre sicher klüger gewesen, wenn sie sich mit Marco verabschiedet und diesen Leuten die Möglichkeit gegeben hätte, ihre Probleme allein zu lösen. Es war nicht gut, dazwischenzugeraten.

„Alessandro kann gut mit Kindern umgehen“, versicherte Isabella Valeri-King, die ihre besorgte Miene bemerkte. „Er hat sich immer um seine jüngeren Brüder gekümmert, als sie noch klein waren.“

Gina sank auf ihren Stuhl zurück, um ihrer Gastgeberin zu zeigen, dass sie nicht daran zweifelte, dass Marco bei Alessandro sicher war. Das war nicht das Problem. Sie rang sich ein Lächeln ab. „Er ist … sehr freundlich.“

Die Erinnerung an Michelles Wutausbruch ließ sich nicht so leicht vergessen. Gina hoffte, dass Alessandro Marco bald zurückbringen würde, sodass sie sich mit ihrem Sohn verabschieden konnte, bevor Michelle wieder auftauchte. Sie fragte sich unwillkürlich, wie Alessandro auch nur daran denken konnte, eine solche Frau zu heiraten … vor allem, wenn er Kinder wollte. Zugegeben, Marco war natürlich nicht Michelles Kind, aber dieser Jähzorn wegen einer kleinen Kröte … Das war nicht gut. Überhaupt nicht gut. Und die Gefühle, die Alessandro King an diesem Nachmittag in ihr, Gina, geweckt hatte, ließen seine Beziehung zu dieser Frau noch unseliger erscheinen.

Isabella Valeri-King war zunächst einmal sehr zufrieden mit dem Anfangserfolg ihrer heimlichen Bemühungen. Bei Gina Terlizzi und ihrem entzückenden kleinen Sohn war sie zweifellos auf eine Goldader gestoßen. Es war nicht zu übersehen, dass Alessandro und diese reizende junge Frau sich zueinander hingezogen fühlten. Und Michelle Banks hatte an diesem Nachmittag endlich einmal ihr wahres Gesicht gezeigt. Der Unterschied im Verhalten der beiden jungen Frauen war so drastisch, dass Alessandro schon hätte blind und taub sein müssen, um ihn nicht richtig einzuordnen.

Kein Zweifel, er war höchst unzufrieden mit seiner Verlobten. Und sein Verhalten Gina gegenüber entsprang keineswegs bloßer Freundlichkeit. Aber damit der Erfolg dieses Nachmittags nicht verspielt werden würde, musste Gina schon möglichst bald wieder mit Alessandro zusammengebracht werden. Der Verlobungsdiamant an Michelles Hand war das große Problem. Alessandro war nicht der Typ, der sich einfach so aus einer Verpflichtung davonstahl. Da mussten schon schwerwiegende Gründe eintreten und einen Bruch herbeiführen.

Entschlossen, das Eisen zu schmieden, solange es heiß war, entwarf Isabella Valeri-King rasch einen Plan. „Um auf das Geschäftliche zurückzukommen …“, wandte sie sich an Gina, „hätten Sie nächsten Samstag Zeit?“

Mit einem so frühen Zeitpunkt hatte Gina zwar nicht gerechnet, dennoch nickte sie sofort, weil sie sich diese Chance auf keinen Fall entgehen lassen wollte. „Ja, Mrs. Valeri-King.“

„Nun, mir ist da ein Gedanke gekommen. Ein Freund meines zweiten Enkels Antonio feiert hier nächsten Samstag seine Hochzeit. Ich würde mir gern für ihn etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Wir haben Peter Owen engagiert, um auf der Feier zu singen und zu spielen. Sie kennen ihn?“

„Kennen wäre übertrieben, aber ich habe ihn schon auf der Bühne erlebt. Er ist ein brillanter Pianist und ein sehr professioneller Sänger, der sich gut zu verkaufen weiß.“

„Ja, er ist sehr bekannt und beliebt. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es gut ankommen würde, wenn Sie das eine oder andere Duett mit ihm singen würden. Zum Beispiel ‚All I Ask of You‘ aus dem ‚Phantom der Oper‘. Das kennen Sie doch, oder?“

„Natürlich.“

„Ich bin sicher, dass Sie und Peter diesen Song überzeugend darbringen können. ‚From This Moment On‘ lässt sich auch als Duett singen, und Peter könnte Sie zu ‚Because You Loved Me‘ begleiten.“

„Aber …“ Gina zögerte skeptisch. „Meinen Sie, es würde ihm nichts ausmachen, das Rampenlicht mit mir zu teilen?“

„Peter Owen tut, was ich von ihm verlange.“ Isabella Valeri-King war bereit, das Honorar, wenn nötig, entsprechend aufzustocken. „Sie müssten allerdings diese Woche einen Probetermin mit ihm vereinbaren.“

„Wenn Sie sicher sind, dass er … Ich meine, verglichen mit ihm bin ich doch eine Amateurin, Mrs. Valeri-King.“

„Oh, Peter wird das ganz sicher anders sehen.“ Isabella Valeri-King lächelte zuversichtlich. „Überlassen Sie das alles mir. Ich rufe Sie an, sobald ich mit Peter gesprochen habe. Einverstanden?“

„Ja. Vielen Dank.“

Gina wirkte ein wenig überrumpelt, aber dennoch entschlossen, ihre Chance zu nutzen. Dieses Mädchen hatte Mumm und war bereit, seinen Weg zu gehen, wenn es an das Ziel glaubte. Augenblicklich glaubte Gina Terlizzi Alessandro außerhalb ihrer Reichweite, aber wenn man ihn in ihre Reichweite brachte … oder, vielleicht noch wichtiger, sie in seine Reichweite … Sympathie, vertrauter Umgang und nicht zuletzt der ständige Vergleich zwischen seiner Verlobten und dem, was er haben könnte, konnten ihre Wirkung auf Alessandro eigentlich nicht verfehlen.

„Peter Owen trägt zu seinen Auftritten immer einen weißen Frack. Sie brauchen also ein elegantes Abendkleid.“ Isabella Valeri-King hoffte insgeheim, dass Gina in ihrer Garderobe irgendetwas besaß, das ihre überaus feminine Figur reizvoll zu Geltung bringen würde.

„Ich denke, ich habe das richtige Kleid für diesen Anlass“, versicherte Gina ihr.

„Gut.“ Isabella Valeri-King lächelte. „Meine drei Enkelsöhne werden auf der Hochzeit anwesend sein. Ich muss gestehen, dass ich ihnen meine Neuentdeckungen immer gern stolz präsentiere.“

Gina errötete und wich dem Blick der alten Dame aus. „Ich werde mein Bestes tun, damit Sie stolz auf mich sein können, Mrs. Valeri-King.“

„Daran zweifle ich nicht.“ Nicht zuletzt, weil Gina jetzt wusste, dass Alessandro da sein würde. Allerdings Michelle vermutlich auch, leider. Doch Isabella Valeri-King rechnete fest damit, dass Gina Terlizzi auf ihre ganz natürliche, reizende Art Michelle am nächsten Samstagabend in den Schatten stellen würde.

5. KAPITEL

„Meine Damen und Herren …“

Ein erwartungsvolles Schweigen breitete sich unter den Hochzeitsgästen im Ballsaal von „King’s Castle“ aus. Alle richteten den Blick auf die Bühne, wo Peter Owen, bekleidet mit dem für ihn typischen weißen Frack, sich am weißen Flügel erhoben hatte und ihre Aufmerksamkeit einforderte. Alessandro fand das Gehabe des beliebten Sängers und Entertainers etwas übertrieben, obwohl er zugeben musste, dass Owen in seinem Fach ein Profiwar … und ganz bestimmt sehr umschwärmt von den Damen.

„Heute Abend können wir der Braut und dem Bräutigam etwas ganz Besonderes bieten …“, er deutete mit einer ausladenden Geste auf den Ehrentisch, an dem auch Antonio, Alessandros jüngerer Bruder, als Trauzeuge saß, „… dank der glücklichen Hand unserer reizenden Gastgeberin Isabella Valeri-King.“

Während die Gäste applaudierten, beugte sich der dritte der Brüder, Matteo, der zusammen mit Alessandro und Michelle an einem Tisch weiter hinten im Saal saß, vor und flüsterte: „Was hat Nonna sich jetzt wieder ausgedacht?“

„Keine Ahnung“, antwortete Alessandro und beobachtete neugierig, wie seine Großmutter Peter Owen lächelnd zunickte.

„Meine Damen und Herren, es ist mir eine besondere Freude, Ihnen eine junge Künstlerin vorzustellen.“ Peter Owen wandte sich mit ausgestrecktem Arm dem seitlichen Bühnenaufgang zu. „Gina Terlizzi!“

„Na sieh mal an, dein kleiner Singvogel“, kommentierte Michelle spöttisch, und Alessandro hatte Mühe, seine Verärgerung zu unterdrücken.

Sie hatten letzten Sonntag einen heftigen Streit wegen Gina gehabt, und er wollte das an diesem Abend nicht wiederholen. Unglücklicherweise hatten Michelles Vorwürfe Schuldgefühle in ihm geweckt, die er nicht bestreiten konnte. Aber er wusste auch nicht, welche Konsequenzen er daraus ziehen sollte.

„Dein Singvogel?“, fragte Matteo neckend.

„Nonnas“, widersprach Alessandro schroff.

Gina betrat die Bühne. Peter Owen nahm ihre ausgestreckte Hand und zog sie so dicht zu sich heran, dass sich sofort alles in Alessandro dagegen sträubte. Was dachte sich seine Großmutter bloß dabei, Gina mit einem stadtbekannten Schürzenjäger von höchst zweifelhaftem Ruf zusammmenzubringen? Der Mann war bereits zweimal geschieden und konnte eine junge Frau wie Gina Terlizzi, die ebenso attraktiv wie verletzlich war, leicht ins Unglück stürzen.

„Gina und ich haben die ganze Woche geprobt …“

Die ganze Woche! Und sie strahlte förmlich an seiner Seite! Ihre goldbraunen Augen leuchteten, das lange braune Haar umschmeichelte seidig ihre nackten Schultern, eine Abendrobe in warmem Goldbronzeton brachte ihre aufregend feminine Figur reizvoll zu Geltung. Das schulterfreie Spitzenoberteil schmiegte sich eng an ihre vollen Brüste, eine breite Schärpe betonte die zierliche Taille, und der lange, seitlich provokant geraffte Rock ließ die wohlgeformten Beine erahnen.

„Hm … sehr sexy“, flüsterte Matteo bewundernd.

Alessandro dachte dasselbe und registrierte beunruhigt, wie ihn heißes Verlangen durchzuckte. Michelle saß an seiner Seite, bekleidet mit einem hautengen, metallisch glänzenden roten Kleid, dessen aufreizend tiefes Rückendekolleté verriet, dass sie praktisch nichts darunter tragen konnte. Es war so unverhohlen sexy, dass jeder männliche Gast auf dieser Hochzeit sie mindestens ein Mal mit seinen Blicken verschlungen hatte. Und sie gehörte ihm, Alessandro! Warum, in aller Welt, sollte er plötzlich Verlangen nach irgendeiner anderen Frau verspüren?

Völlig ungebeten kam ihm der Gedanke, dass Michelles Sex-Appeal künstlich war. Gina war etwas ganz anderes, die Verkörperung reiner Weiblichkeit. Und Peter Owen sonnte sich darin!

„Ich möchte Sie warnen, dass die Stimme dieser reizenden Lady Sie mitten ins Herz treffen wird“, verkündete er schmeichlerisch. „Lehnen Sie sich also zurück, und genießen Sie das wunderschöne Duett aus dem ‚Phantom der Oper‘, ein Song, der alle Gefühlsnuancen einer Liebe zwischen Mann und Frau anspricht … ‚All I Ask of You‘.“

Alessandro erstarrte, als der Entertainer den Arm um Ginas Taille legte und sie zum Flügel führte. Der Kerl nahm sich viel zu selbstverständlich viel zu große Freiheiten heraus!

„Ich frage mich, ob er sie bereits ins Bett bekommen hat“, flüsterte Michelle höhnisch.

Alessandro sah sie irritiert an.

„Nun ja …“ Sie lächelte wissend. „Wenn man Peter Owen eine Woche Zeit gibt …“

Sie brauchte nicht deutlicher zu werden. Alessandro war schon derselbe Gedanke gekommen, aber er hoffte, dass Gina zu vernünftig war, um auf platte Schmeicheleien hereinzufallen. Dieser Owen war ihm zu selbstverliebt, zu schmierig, obwohl man sich durchaus vorstellen konnte, was die Frauen an ihm fanden. Ende dreißig, mittelgroß, schlank und drahtig, strahlte er mit seinen langen dunklen Locken einen verwegenen Charme aus, der bei vielen Frauen seine Wirkung nicht verfehlte. Es hieß, dass er keine Nacht einsam verbrachte.

Und gerade jetzt überschüttete er Gina mit seinem berühmten Charme, flirtete auf galante, lockere Weise mit ihr, während er ihr mit einem gewinnenden Lächeln das Mikrofon reichte, bevor er wieder am Flügel Platz nahm, wobei er die Schwalbenschwänze seines Fracks mit einer theatralischen Geste nach hinten wedelte. Was für eine Show! dachte Alessandro gereizt und hoffte einmal mehr, dass Gina sich von solchen Tricks nicht vereinnahmen ließ.

Nach einigen einleitenden Kadenzen auf dem Piano beugte Peter Owen sich zu seinem Mikrofon vor und begann mit schmelzender Stimme zu singen, den Blick schwärmerisch auf Gina gerichtet. Alessandro ballte die Fäuste. Das ist alles Teil der Show, redete er sich ärgerlich ein.

Und dann stimmte Gina in das Duett ein, so gefühlvoll und sehnsüchtig, dass es ihren Zuhörern den Atem raubte. Restlos gefangen lauschten die Gäste der Hochzeitsgesellschaft dem klaren, warmen Klang ihrer schönen Stimme. Der Auftritt verlangte es natürlich, dass sie die Worte des Songs an ihren Duettpartner richtete. Es bedeutete nicht, dass sie sich wirklich etwas von ihm erbat. Es war Teil der Show. Sie konnte unmöglich so für Peter Owen empfinden!

Doch alle Vernunft half nichts. Es gelang Alessandro nicht, das Duett zu genießen. Im Gegenteil, ihm war aller Spaß verdorben. Und er war sogar richtig verärgert, als Matteo am Ende des Duetts begeistert kommentierte: „Wow! Was für eine Entdeckung!“

Und Michelle fügte noch hinzu: „Peter ist die perfekte Begleitung für sie. Die beiden passen außerordentlich gut zusammen.“

Glücklicherweise war das Duett die Überleitung zu den offiziellen Reden gewesen, sodass Alessandro zunächst einmal weitere Lobeshymnen auf die Harmonie zwischen den beiden Sängern erspart blieben. Dennoch fiel es ihm schwer, sich auf die Ansprachen zu konzentrieren. Lediglich Antonio gelang es, ihn zu fesseln, als er als Trauzeuge in der für ihn typischen launigen Art anhand von kleinen, köstlichen Anekdoten aufzeigte, wie tief greifend die schöne Braut schon das Leben des Bräutigams verändert hatte.

Während die übrigen Hochzeitsgäste lachend applaudierten, stimmten Antonios Worte Alessandro eher nachdenklich, denn ihm kam plötzlich in den Sinn, inwieweit er bereits sein Leben verändert hatte, um es Michelles Bedürfnissen anzupassen. Er verbrachte deutlich weniger Zeit auf der Plantage und beschäftigte sich dafür intensiver mit den Finanzgeschäften in der Stadt, wobei er sein Interesse vor allem auch auf das Modegeschäft ausgeweitet hatte … zwangsläufig, weil Michelle ganz darin aufging. Und es war ja auch eine ganz andere, faszinierende Welt voller schillernder Persönlichkeiten und kreativer Geschäftigkeit. Eine Welt, die einen durchaus blenden konnte, so wie Michelle ihn, Alessandro, geblendet hatte.

Schließlich waren alle Reden gehalten. Peter Owen sagte ein weiteres Duett an, „From This Moment On“, das das Anschneiden der Hochzeitstorte untermalen sollte. Diesmal blickte Alessandro bewusst nicht zur Bühne, sondern beobachtete lächelnd, wie das glückliche Brautpaar sich für den Fotografen in Pose stellte.

„In wenigen Monaten werden wir dir und Michelle dabei zusehen, wie ihr die Torte anschneidet“, bemerkte Matteo, als die Zeremonie vorbei war und die letzten Takte des Liedes verklungen waren.

Michelle lachte. „Ich will aber eine Torte mit mindestens drei Etagen.“

Ich will … Sie wollte auch mindestens drei Jahre warten, bevor sie bereit war, auch nur an Kinder zu denken. Das war ebenfalls bei ihrem Streit vergangenen Sonntag ans Licht gekommen. Alessandro war sich nicht einmal sicher, ob Michelle überhaupt Kinder haben wollte. Er dagegen wollte ganz bestimmt welche. Einen kleinen Jungen wie Marco Terlizzi …

Peter Owens Stimme von der Bühne riss ihn aus diesen Überlegungen. Ein weiterer, ganz spezieller Song wurde angesagt: „Für den Hochzeitstanz des glücklichen Brautpaares …“

Es war „Because You Loved Me“, das erste Lied, das Alessandro Gina hatte singen hören. Unwillkürlich schweifte sein Blick zur Bühne, während ihr gefühlvoller Gesang ihn genauso tief berührte wie beim ersten Mal. Diesmal richtete Gina die Worte nicht an Peter Owen, der lediglich den begleitenden Part übernahm, sondern an das Brautpaar, das ganz allein auf der Tanzfläche tanzte.

Gina wiegte sich anmutig im Takt der Musik, was zusammen mit ihren ausdrucksvollen Gesten ihre sinnliche Weiblichkeit noch betonte. Alessandro konnte den Blick nicht von ihr wenden und verspürte den unwiderstehlichen Wunsch, die Finger durch ihr seidiges, langes Haar gleiten zu lassen. Es war verrückt, wie stark er sich zu dieser Frau, die er doch kaum kannte, hingezogen fühlte und damit alles infrage stellte, was er je für Michelle empfunden hatte. Warum übte Gina Terlizzi eine derart tief greifende Wirkung auf ihn aus? Er wollte das nicht, denn es stellte bereits getroffene Entscheidungen in Zweifel und verunsicherte ihn.

Nach dem verdienten Applaus übernahm Peter Owen die Rolle des DJs und begann, ausgewählte Tanzmusik aufzulegen. Alessandro stand sofort auf und zog Michelle mit sich, entschlossen, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Er zog seine Verlobte in seine Arme in der Hoffnung, in dieser körperlichen Nähe erneut die Bestätigung seiner Gefühle zu finden.

Doch es funktionierte nicht. Michelle löste sich aus seinen Armen und zog es vor, allein zu tanzen, um in den bewundernden Blicken der Männer ringsum zu baden. Sie gehört mir, redete Alessandro sich ein. Sollten die anderen Männer ihn ruhig beneiden. Sollte Michelle es doch genießen, im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit zu stehen. Hatte Gina Terlizzi nicht eben noch auf der Bühne genauso im Rampenlicht gestanden?

Unwillkürlich schweifte sein Blick durch den Ballsaal auf der Suche nach ihr. Sie war nicht mehr auf der Bühne. Peter Owen ebenso wenig. Alessandro entdeckte die beiden am Tisch seiner Großmutter. Gina strahlte übers ganze Gesicht, während Peter in seiner charmanten Art plauderte.

Und plötzlich wurde er von dem Wunsch gepackt, Michelle ihren Bewunderern zu überlassen und Gina Terlizzi den Klauen ihres schmierigen Partners zu entreißen und auf die Tanzfläche zu entführen.

„Alessandro!“, protestierte Michelle schmollend, weil er völlig aus dem Takt geraten war.

Er blieb wie angewurzelt stehen, während sie sich verführerisch vor ihm drehte. „Ich bin nicht in der Stimmung für diese Art zu tanzen“, sagte er schroff.

Ihre Augen blitzten herausfordernd auf. „Dann suche ich mir einen anderen Partner!“

„Mach das“, erwiderte er gleichmütig. „Und ich werde ein wenig mit meiner Großmutter plaudern.“

Michelle wandte sich beleidigt ab und griff sich einen ihrer Bewunderer. Alessandro wusste, dass er im Begriff stand, sich Schwierigkeiten einzuhandeln. Aber in diesem Moment schien ihm nichts so wichtig, wie seine Gefühle für Gina Terlizzi zu klären.

6. KAPITEL

Nun, da ihr Auftritt vorüber war, fühlte Gina sich seltsam leer und erschöpft. Sie wusste, dass sie eigentlich überglücklich hätte sein müssen. Peter Owen war begeistert von ihr und hatte bereits vorgeschlagen, dass sie öfter zusammen auftreten sollten. Isabella Valeri-King und die übrigen Gäste an ihrem Tisch hatten sie mit Komplimenten überschüttet. Und dennoch wollte sie nur so schnell wie möglich weg und allein sein.

Es war dumm, aber der Anblick, wie Alessandro King seine Verlobte unmittelbar nach Verklingen des letzten Songs auf die Tanzfläche geführt hatte, hatte ihre Hochstimmung verpuffen lassen. Die beiden hatten sich als Erste zu dem tanzenden Brautpaar gesellt … Michelle bekleidet mit einem atemberaubend verführerischen, hautengen roten Kleid. Kein Wunder, dass Alessandro den Blick nicht von ihr lassen konnte. Und warum auch nicht? rief sich Gina zur Ordnung. Hatte sie etwas anderes erwartet?

„Peter, holen Sie doch einen Stuhl vom Nachbartisch für Gina“, bat Isabella Valeri-King. „Sie soll sich ein wenig zu mir setzen.“

„Nein, das ist nicht nötig“, protestierte Gina sofort. „Ich muss jetzt wirklich fort.“

„Fort?“ Die alte Dame sah sie überrascht an. „Aber Sie sollen noch bleiben und sich amüsieren. Marco ist bei Rosita im Kinderflügel bestens versorgt.“

Gina hatte sich von Isabella Valeri-King überreden lassen, die Nacht im Schloss zu bleiben, wobei sie sich nicht wirklich eingestanden hatte, dass vor allem die Aussicht, zusätzliche Zeit in Alessandro Kings Gesellschaft zu verbringen, sie dazu verleitet hatte. Doch nun, da sie ihre unbewussten Illusionen zerstört sah, wollte sie so schnell wie möglich weg.

„Für Marco ist hier alles fremd, Mrs. Valeri-King. Wenn er aufwacht …“ Sie verstummte zerstreut, denn sie sah Alessandro King, der sich in diesem Moment durch die tanzenden Paare auf der Tanzfläche einen Weg bahnte … geradewegs auf sie, Gina, zu. Es konnte keinen Zweifel geben, dass er sie suchte, denn er hatte nur Augen für sie.

Gina verspürte ein erregendes Kribbeln am ganzen Körper. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie wartete reglos, mit angehaltenem Atem, wollte kaum glauben, dass dies wirklich passierte und nichts es aufhalten konnte. Kam Alessandro wirklich zu ihr? Wollte er …? Sie wagte nicht, diesen Gedanken zu Ende zu führen. In freudiger Erwartung blickte sie Alessandro entgegen. Er sah nur sie an, und sein Blick verriet eine Sehnsucht, ein Verlangen, das die wildesten Reaktionen in ihr weckte.

Er sah unwiderstehlich gut aus, bekleidet mit einem maßgeschneiderten dunklen Smoking, der seine elegante, männliche Ausstrahlung unterstrich. Gina spürte, wie ihr ein Schauer über den Rücken jagte. Ihr war klar, dass sie in Gefahr schwebte, sich hoffnungslos in diesen Mann zu verlieben. Er sprach ihre sämtlichen weiblichen Sinne an, entfachte ein erotisches Feuerwerk in ihr, wie sie es nicht einmal in ihrer Ehe mit Angelo erlebt hatte.

Als Alessandro sich dem Tisch seiner Großmutter näherte, wandte Gina sich ihm zu. Alle anderen Leute um sie her waren vergessen, sie hatte nur noch Augen für ihn.

„Darf ich bitten?“ Es war eher ein Befehl denn eine Frage.

„Ja“, antwortete sie, ohne zu zögern, ohne zu überlegen.

Er nahm ihre Hand, und Gina ließ sich benommen zur Tanzfläche führen. Ehe sie begriff, wie ihr geschah, hatte Alessandro ihr einen Arm um die Taille gelegt und presste sie an sich. Ihre linke Hand ruhte auf seiner breiten Schulter. Gina verspürte den unbändigen Wunsch, sie höher gleiten zu lassen und sein dichtes schwarzes Haar zu berühren, doch sie verbot es sich sofort. Das wäre gänzlich ungebührlich gewesen und hätte sie nur noch mehr in Schwierigkeiten gebracht. Immerhin war auch Michelle auf der Tanzfläche und beobachtete sie vielleicht.

Alessandro allerdings schien sich nicht darum zu kümmern, was seine Verlobte denken mochte. Hielt er seine Tanzpartnerinnen immer in so enger Umarmung? Gina spürte die Wärme seines Körpers und roch den Duft seines teuren Aftershaves, der ihre Sinne betörte und in ihr den Wunsch weckte, den verbotenen Gefühlen nachzugeben, die er in ihr weckte.

Konnte er auch ihr Parfüm riechen? Gefiel es ihm? Er hielt den Kopf leicht zu ihr herabgebeugt, sodass seine Wange ihr Haar berührte. Was mochte er denken … fühlen?

Er schwieg. Und auch sie brachte kein Wort über die Lippen. Das Schweigen steigerte noch die knisternde Erotik zwischen ihnen, während sie sich in vollendeter Harmonie im Rhythmus der Musik bewegten. Ihre Körper rieben sich in erregender Weise aneinander, wobei Alessandro Gina fest an sich gedrückt hielt. Nicht, dass sie etwas dagegen gehabt hätte! Im Gegenteil, sie genoss die unbestreitbar sinnliche Komponente dieses Tanzes … und nicht nur sie war davon erregt.

Gina fühlte, wie erregt Alessandro war, der sie fest an seine Hüften gepresst hielt, und ein heißes Triumphgefühl durchflutete sie, dass sie diese Wirkung auf ihn hatte. Eine Spur zu spät lockerte Alessandro dann seinen Griff. Widerstrebend? Oder war das reines Wunschdenken?

Autor

Emma Darcy
Emma Darcy ist das Pseudonym des Autoren-Ehepaars Frank und Wendy Brennan. Gemeinsam haben die beiden über 100 Romane geschrieben, die insgesamt mehr als 60 Millionen Mal verkauft wurden. Frank und Wendy lernten sich in ihrer Heimat Australien kennen. Wendy studierte dort Englisch und Französisch, kurzzeitig interessierte sie sich sogar für...
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