Julia Collection Band 112

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3 Romane von Emilie Rose

UNWIDERSTEHLICH CHARMANT
"Mögen Sie Pralinen, Mademoiselle?" Erschrocken dreht Stacy sich um und blickt direkt in Philippe Bougers blaue Augen. Als er ihr eine köstlich aussehende Praline vor den Mund hält, öffnet sie unwillkürlich die Lippen. Himmlisch! Ob seine Küsse wohl genauso schmecken?

EIN PRINZ FÜR MADELINE
Kaum in Monaco angekommen, beginnt für Madeline das sinnlichste Abenteuer ihres Lebens. Denn im Hotel trifft sie auf einen aufregenden Fremdenführer. Gegen eine heiße Urlaubsaffäre hat Madeline absolut nichts einzuwenden … bis sie erfährt, wer ihr Liebhaber tatsächlich ist!

EINE HEIßE NACHT IST NICHT GENUG
Eine einzige Nacht hat die junge Amelia damals mit dem Rennfahrer Toby Haynes verbracht, hat einmal alles vergessen und nur den Moment genossen. Jetzt begegnet sie dem umschwärmten Playboy in Monaco wieder. Soll sie die Affäre fortsetzen - und riskieren, ihr Herz zu verlieren?


  • Erscheinungstag 13.10.2017
  • Bandnummer 112
  • ISBN / Artikelnummer 9783733709426
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Emilie Rose

JULIA COLLECTION BAND 112

PROLOG

„Musst du jede Frau, mit der du schläfst, gleich heiraten?“, fragte Philippe Bouger seinen Vater aufgebracht. Wütend lief er im Salon des Familienschlosses auf und ab, das sich in der Nähe von Avignon befand. „Deine Neue ist sogar jünger als ich!“

Sein Vater zuckte die Achseln und lächelte – das Lächeln eines verliebten alten Narren. „Ich liebe sie.“

„Nein, Papa, du begehrst sie. Es ist das Gleiche wie immer. Aber wir können uns nicht schon wieder eine teure Scheidung leisten! Unsere Rücklagen brauchen wir, damit ‚Midas Chocolat‘ expandiert. Himmel noch mal, wenn du schon so vehement gegen einen Ehevertrag bist, dann überschreibe wenigstens alles mir. Und zwar bevor du Fehler Nummer vier heiratest und damit unser Unternehmen aufs Spiel setzt – plus den Familienbesitz.“

Armand schüttelte den Kopf. „Angeline ist kein Fehler, sie ist ein Segen.“

Philippe hatte die Frau mit dem völlig unpassenden Namen beim Mittagessen kennengelernt. Sie war ganz und gar kein Engel. Obwohl er wusste, dass sein Vater nicht auf ihn hörte, widersprach er entschieden: „Da bin ich anderer Meinung.“

Beschwichtigend legte Armand seinem Sohn eine Hand auf die Schulter. „Ich sehe es nicht gerne, wenn du so verbittert bist, Philippe. Ich gebe ja zu, dass deine Exfrau ein egoistisches Luder war, aber so sind nicht alle Frauen.“

„Du irrst dich. Frauen sind ziemlich heuchlerische Geschöpfe und immer nur auf den eigenen Vorteil aus. Alles, was sie mir schenken wollten, kann ich mir genauso gut kaufen.“

„Wenn du aufhören würdest, mit verwöhnten reichen Frauen auszugehen, und dir jemanden mit festen Idealen suchen würdest – wie Angeline zum Beispiel –, dann würdest du feststellen, dass dich eine Frau um deiner selbst willen liebt. Es gibt Frauen, die Geld tatsächlich kaum interessiert.“

„Wenn dein Schatz nur dich will und kein Geld, Papa, dann steht sie ohne Wenn und Aber zu dir. Dafür musst du nicht heiraten. Und ich will nicht schon wieder eine Hypothek aufnehmen, Geschäfte schließen oder Arbeiter entlassen, wenn sich deine Leidenschaft abkühlt und die Anwälte der Dame dich umzingeln wie die Geier.“

„Wenn dir so viel daran liegt, die Aktienmehrheit zu halten, dann heirate du doch.“

„Auf keinen Fall gefährde ich das Familienunternehmen, indem ich wieder heirate.“

„Und was ist mit einem Erben? Wer wird alles erben, wenn du und ich nicht mehr sind?“ Armand machte eine weit ausholende Geste in dem Schloss, das seit Hunderten von Jahren der Familie gehörte.

Ein seltsamer Ton schwang in den Worten seines Vaters mit. Plötzlich war Philippe wie erstarrt vor Entsetzen. „Ist Angeline etwa schwanger?“

„Nein. Aber du bist achtunddreißig Jahre alt, mein Sohn. Ich hätte schon längst ein paar Enkelkinder haben müssen. Da du allerdings nicht bereit zu sein scheinst, einen Erben für unser Vermögen zu stellen, muss ich mich wohl darum kümmern. Angeline ist erst dreißig. Ich kann mit ihr noch viele Söhne und Töchter haben.“

„Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein, Papa! Du bist immerhin schon fünfundsiebzig.“

Hart sah Armand seinen Sohn an. „Wenn du vor meiner Hochzeit im September heiratest, überschreibe ich dir alles. Falls nicht …“ Er streckte die Arme aus und zuckte die Achseln. „… nehme ich die Angelegenheit selbst in die Hand.“

Philippe konnte leicht eine Frau finden, die ihn heiratete. Er müsste sich nur eine aus seinem großen Bekanntenkreis aussuchen. Trotzdem wehrte er sich gegen die bloße Vorstellung.

Seine Exfrau hatte ihn verraten. Jung und dumm, war er vor Liebe zu Lisette blind gewesen für ihre Fehler. Nie wieder würde er sich von einer Frau zum Narren halten lassen. Heiraten kam nicht infrage.

Er stellte sich dicht vor seinen Vater und sah ihm fest in die Augen. „Wenn ich einen Ausbund an Tugend finde und beweise, dass sie genauso gierig ist wie alle anderen Frauen … Dann überschreibst du mir die gesamten Bouger-Aktien, ohne dass ich die Parodie einer Ehe auf mich zu nehmen brauche.“

„Und wie willst du das beweisen?“

Gute Frage. „Ich werde ihr eine Million Euro anbieten, dafür, dass sie einen vollen Monat das Bett mit mir teilt. Ich werde weder vorgeben, sie zu lieben, noch, sie irgendwann zu heiraten. Und die Summe ist nur ein Bruchteil dessen, was deine zahlreichen Scheidungen uns gekostet haben.“

„Gut, ich nehme deine Bedingungen an. Aber versuche nicht, dich aus der Affäre zu ziehen, indem du eine völlig unmögliche Person aussuchst. Es muss schon eine Frau sein, die du sehr attraktiv und begehrenswert findest – und die du bereit wärst zu heiraten, falls sie reinen Herzens ist.“

Eine über jeden moralischen Zweifel erhabene Frau, dachte Philippe trocken. So etwas existiert nicht.

Selbstbewusst reichte er seinem Vater die Hand. Der Sieg würde nicht nur süß, die ganze Angelegenheit war ein Kinderspiel. Und die geldgierige Verlobte seines Vaters bekam keine Chance, sich das Familienvermögen unter den rot lackierten Nagel zu reißen. Perfekt.

1. KAPITEL

„Le chocolat qui vaut son pesant d’or.“ Stacy Reeves las die goldfarbenen Buchstaben auf dem Schaufenster laut vor. „Was heißt das?“, fragte sie ihre Freundin Candace, ohne den Blick von der appetitanregenden Auslage köstlich aussehender Pralinen zu nehmen. Die kleinen süßen Kugeln lagen auf eleganten Tellern mit Goldrand.

„Schokolade, die ihr Gewicht in Gold wert ist“, hörte sie eine männliche Stimme mit leichtem Akzent antworten. Das war eindeutig nicht Candace.

Überrascht drehte Stacy sich um und vergaß eine Sekunde lang zu atmen. Was kümmerte sie Schokolade? Der dunkelhaarige, blauäugige, umwerfend attraktive Mann, der vor ihr stand, sah zum Anbeißen aus.

„Würden Sie gern ein Stück probieren, Mademoiselle? Natürlich auf meine Rechnung.“ Monsieur Umwerfend wies mit einer Hand auf den Eingang des Geschäfts. Eine silberfarbene, schmale Uhr blitzte kurz unter seinem Ärmel auf. Platin, nach dem maßgeschneiderten Anzug zu schließen, den er trug. Außerdem schmiegte sich bestimmt keine gewöhnliche Kleidung aus dem Kaufhaus so perfekt an die breiten Schultern, schmalen Hüften und langen Beine dieses Mannes.

Heute Nacht würde Stacy wahrscheinlich davon träumen, wie sie mit diesem herrlichen Exemplar von Mann Schokolade aß – und das sehr sinnlich. Allerdings hatte sie im Lauf ihres Lebens auf die harte Tour gelernt, dass die Dinge, die zu gut aussahen, um wahr zu sein, es meistens auch nicht waren. Ein verführerisch aufregender Mann, der sie zu einer Gourmetpraline einlud – das Angebot musste eine Mogelpackung sein. Denn elegante Männer wie er interessierten sich in der Regel für keine Wirtschaftsprüferinnen. Und Stacys schlichtes lilafarbenes Sommerkleid war nun mal genau wie die unspektakulären Sandaletten nicht aus dem Stoff, aus dem Männerfantasien gemacht waren.

Suchend sah sie sich nach ihrer Freundin um. Auf dem Boulevard des Moulins, einer der Einkaufsstraßen des Fürstentums Monte Carlo, war Candace nirgends zu sehen. Aber sie hatte das Treffen mit dieser Augenweide von einem Mann sicher arrangiert. Vorhin hatte sie Scherze darüber gemacht, dass sie für jede ihrer Brautjungfern einen Mann fand, bevor die Hochzeit in vier Wochen stattfand. Zumindest hatte Stacy vor wenigen Minuten darüber gelacht. Jetzt nicht mehr.

Nachdenklich betrachtete sie nun den Mann, der vor ihr stand, und lächelte süß. „Wirkt der Spruch sonst bei den amerikanischen Touristinnen?“

Er verzog die viel zu verführerischen Lippen zu einem amüsierten Lächeln. Und legte sich die linke Hand an die Brust. Er trug keinen Ring. „Sie verletzen mich zutiefst, Mademoiselle.“

„Das bezweifle ich sehr.“ Wieder blickte sie sich nach ihrer Freundin um, die offenbar das Weite gesucht hatte. Auf keinen Fall wollte Stacy sich lächerlich machen, indem sie sich für etwas begeisterte, das sie nicht haben konnte – weder ihn noch die teuren Pralinen.

„Suchen Sie jemanden? Einen Liebhaber vielleicht?“

Liebhaber. Er brauchte das Wort nur auszusprechen und dabei das R zu schnurren, wie Franzosen es oft taten, und schon rieselten ihr wohlige Schauer über den Rücken.

„Eine Freundin.“ Die bis vor ein paar Sekunden noch genau hinter mir war, dachte sie. Candace hatte sich wohl in einem der vielen niedlichen Läden versteckt, entweder um etwas für die Hochzeit zu kaufen oder um Stacy heimlich zu beobachten. Immerhin war Candace zuerst vor dem Pralinengeschäft stehen geblieben.

„Dürfte ich Sie bei der Suche nach Ihrer Freundin unterstützen?“

Er hatte eine unglaublich schöne Stimme, herrlich tief und samtig. War sein Akzent französisch oder monegassisch? Stacy konnte ihm stundenlang zuhören.

Nein, das konnte sie nicht. Sie war mit Candace hier und mit den anderen beiden Brautjungfern, die der Noch-Verlobten dabei halfen, sich auf die Hochzeit vorzubereiten. Das Fest sollte am ersten Wochenende im Juli stattfinden.

Stacy war definitiv nicht hier, um eine Urlaubsaffäre zu beginnen.

„Danke, aber nein.“ Bevor sie jedoch weitergehen konnte, kam Candace aus dem Laden gleich neben dem Schokoladengeschäft heraus und hielt ein Stückchen Spitze in der Hand.

„Stacy, ich habe ein unglaublich schön besticktes …“ Sie brach ab, als sie den Adonis an der Seite der Freundin sah, und zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „… Taschentuch gefunden.“

Vielleicht steckte Candace doch nicht dahinter. Stacy verschränkte die Arme vor der Brust und wartete auf das Unvermeidliche. Candaces von Natur aus weißblondes Haar, die babyblauen Augen und ihr unschuldiges Alice-im-Wunderland-Aussehen raubten den meisten Männern den Atem. Zweifellos würde auch dieser Mann sich ihr zu Füßen werfen. Stacy war noch nie mit Problemen dieser Art konfrontiert worden, aber das fand sie unwichtig. Für sie gab es sowieso keine Beziehung, die ewig hielt. Dafür müsste sie sich in einen Mann verlieben, dem sie voll vertrauen konnte.

„Mademoiselle.“ Mr. Traummann verbeugte sich leicht vor Candace. „Ich versuche Ihre Freundin dazu zu überreden, mir eine Freude zu machen. Ich möchte ihr gern eine Praline schenken. Nur, Ihre Freundin stellt meine Absichten infrage. Wenn ich Sie beide zum Essen einlade, sieht sie vielleicht ein, dass ich völlig harmlos bin …“

Harmlos? Das sollte wohl ein Scherz sein! Er hatte viel zu viel Charme und Sexappeal.

Ein listiges Lächeln umspielte Candace’ Lippen, sie betrachtete Stacy aus halb geschlossenen Augen. Oje. Stacy wurde unruhig. „Entschuldigen Sie, Monsieur …“

Höflich gab er ihr die Hand. „Bouger. Philippe Bouger.“

Ihr sagte dieser Name nichts. Candace hingegen erwiderte seinen Blick erfreut. „Ich habe mich darauf gefreut, Sie kennenzulernen, Monsieur Bouger. Mein Verlobter Vincent Reynard hat oft von Ihnen gesprochen. Ich bin Candace Meyers, und das ist Stacy Reeves, eine meiner Brautjungfern.“

Er schloss die Finger um Stacys Hand. Es war ein warmer, fester Händedruck und dauerte ein wenig länger, als sie für angemessen hielt. Das Charisma dieses ungewöhnlichen Mannes hüllte sie ein wie dichte Nebelschleier. „Enchanté, mademoiselle.“

Als sie ein seltsamer Schauer durchströmte, entriss sie ihm regelrecht die Hand. Dieser Mann war gefährlich. Je klarer sie sich das vor Augen führte, desto besser.

Er wandte sich an Candace. „Darf ich Ihnen zu Ihrer bevorstehenden Hochzeit gratulieren, Mademoiselle Meyers? Vincent ist ein glücklicher Mann.“

„Vielen Dank, Monsieur. Ich würde liebend gern Ihre Einladung zum Essen annehmen. Aber ich fürchte, ich muss ablehnen. In einer Stunde treffe ich mich mit unserem Caterer. Aber Stacy hat den ganzen Nachmittag nichts zu tun.“

Fassungslos starrte Stacy nun ihre Freundin an. Sie wurde hochrot vor Verlegenheit. „Ich bin hier, um dir bei den Vorbereitungen deiner Hochzeit zu helfen. Weißt du noch?“

„Madeline, Amelia und ich haben alles unter Kontrolle. Amüsier dich ruhig. Wir treffen uns heute Abend, bevor wir ins Kasino gehen. Oh, und Monsieur, in Ihrem Hotel werden Sie Ihre Einladung zur Hochzeit und zur Hochzeitsprobe bereits vorfinden. Merci. Au revoir.“ Candace winkte zum Abschied und trippelte äußerst zufrieden lächelnd davon.

Stacy spielte sekundenlang mit dem Gedanken, einen Mord zu begehen. Andererseits wollte sie nicht den Rest ihres Lebens im Gefängnis verbringen. Und sich die Peinlichkeit ersparen, Candace hinterherzurennen.

Stattdessen verfolgte sie ein ganz anderes Ziel.

Sofort spürte sie ihre Sorgen schwer auf den Schultern lasten, als hätte jemand sie in diesem Moment damit beladen. Hör sofort auf damit, rief sie sich streng zur Ordnung, dieser Monat gehört allein Candace. Verdirb ihn ihr nicht.

Stacy gehörte nicht zu den Menschen, die den Kopf in den Sand steckten. Sie wusste, dass ihr schwierige Tage bevorstanden. Im Augenblick konnte sie sich jedoch nicht damit beschäftigen. Denn sie musste ein sehr viel dringenderes Problem lösen, eins, das in Gestalt des charmanten Monsieur Bouger vor ihr aufragte. Ihr war Candace’ kaum verhüllter Hinweis nicht entgangen: Wenn Philippe Bouger zu dem Dinner nach der Hochzeitsprobe eingeladen war, stand er den Reynards nahe. Nur zwölf Namen standen auf der Gästeliste.

Mit anderen Worten, sie sollte sich besser anständig benehmen.

Philippe umfasste Stacys Ellbogen, als ahnte er, dass sie sich am liebsten aus dem Staub gemacht hätte. Sie spürte seine kräftigen Finger auf der Haut und erzitterte bis ins Innerste. Dass eine so unpersönliche Berührung sie so aus der Fassung bringen konnte, beunruhigte Stacy zutiefst.

„Geben Sie mir nur eine Minute, Mademoiselle Reeves. Ich spreche kurz mit dem Ladeninhaber, und dann stehe ich Ihnen zur Verfügung.“

Wie ein Gentleman begleitete er Stacy ins Geschäft. Das himmlische Aroma im Verkaufsraum war unbeschreiblich. Sekundenlang schloss sie genüsslich die Augen. Nachdem Philippe den Angestellten begrüßt hatte, redete er schnell auf Französisch auf ihn ein … zumindest klang es wie Französisch.

Aufmerksam hörte sie zu, während sie die Auslagen in den verschiedenen Vitrinen betrachtete. Trotzdem erkannte sie nur wenige Wörter wieder. Zwar hatte sie sich in den Monaten, bevor sie Charlotte in North Carolina verlassen hatte, pflichtbewusst einen Monat lang CDs angehört, um in dreißig Tagen Französisch zu lernen. Aber sie verstand so gut wie nichts, wenn jemand diese Sprache in Grand-Prix-Geschwindigkeit sprach.

Sie nahm einen Hauch angenehmen Zitrusduft wahr. Ohne sich umzusehen, wusste sie, dass es Philippes Eau de Cologne war. Erst nachdem sie sich innerlich gewappnet hatte, drehte sie sich zu ihm um.

„Mademoiselle?“ Er hielt ihr eine sündhaft köstlich aussehende Praline hin. Was konnte sie anderes tun, als zu probieren? Sie schmeckte dunkle Schokolade und eine fruchtigsaure Kirsche. Stacy schloss die Augen und unterdrückte ein Stöhnen, während sie die Süßigkeit hingerissen auf der Zunge zergehen ließ. Himmel, wie wahnsinnig gut.

Kirschsaft tropfte ihr aufs Kinn. Bevor sie ihn fortwischen konnte, streifte Philippe ihre Haut mit dem Daumen und hielt ihn an ihre Lippen. Stacy wusste, dass sie das nicht tun dürfte, und bei jedem anderen Mann hätte sie es wohl auch gelassen. Bei diesem Mann überlegte sie allerdings nicht lange, sondern leckte den Saft unwillkürlich ab. Der Geschmack der leckersten Schokolade, die sie je gekostet hatte, in Verbindung mit seiner Berührung weckte in Stacy eine Leidenschaft, wie sie sie noch nie erlebt hatte.

Tief einatmend bemühte sie sich, das Gefühl von Schmetterlingen im Bauch zu ignorieren. Bevor sie sich entschuldigen und das Weite suchen konnte, hielt Philippe ihr nun die zweite Hälfte der Praline dicht an den Mund. Stacy versuchte, sie in den Mund zu nehmen, ohne dabei seine Finger zu berühren. Aber wieder strich er mit dem Daumen sanft über ihre Unterlippe.

Dann sah Philippe ihr tief in die Augen und leckte sich den Rest der Schokolade vom Finger.

Stacys Puls geriet ins Stocken. Die Verführung in Person, noch dazu in einem korrekten Anzug. Ihr wurde überall warm, ob nun von der Schokolade oder von Philippes heißem Blick – sie wusste es nicht.

„Wollen wir essen gehen, Mademoiselle?“ Er reichte ihr galant den Arm.

Sie konnte unmöglich mit diesem Menschen in ein Restaurant gehen. Philippe Bouger war zu … zu … Ach, alles. Er war in allem maßlos. Zu attraktiv, zu selbstbewusst. Und seinem Aussehen nach zu urteilen, viel zu reich für sie. Sie konnte sich nicht leisten, mit einem so einflussreichen Mann etwas anzufangen. Auf keinen Fall wollte sie den gleichen Fehler begehen wie ihre Mutter und den Rest ihres Lebens dafür zahlen.

Die Lippen aufeinandergepresst, machte sie einen Schritt auf den Ausgang zu. „Es tut mir leid. Mir fällt gerade ein … Ich muss zu einer Anprobe.“

Sie riss die Ladentür auf und floh, als ginge es um ihr Leben.

Stacy rauschte in die luxuriöse Vier-Zimmer-Penthouse-Suite des Fünf-Sterne-Hotels Reynard, die sie mit Candace, Amelia und Madeline teilte. Dass die beste Freundin den Sohn eines Hotelkettenbesitzers heiratete, brachte schon gewisse Vorteile mit sich.

Die drei Frauen im Salon sahen überrascht auf.

„Warum bist du schon zurück?“, fragte Candace.

„Warum hast du mich mit diesem Kerl allein gelassen?“, entgegnete Stacy.

Ungläubig schüttelte Candace den Kopf. „Stacy, was soll ich nur mit dir machen? Philippe ist perfekt für dich, und der Funke, der zwischen euch übersprang, hat fast die Markise vor dem Laden in Brand gesetzt. Du hättest mit ihm ausgehen sollen. Weißt du überhaupt, wer er ist? Seiner Familie gehört die Midas-Schokolade.“

„Meinst du das Unternehmen?“

„Er ist der weltbekannte Schokoladenfabrikant! Der größte Konkurrent von Godiva. In Charlotte gibt es auch ein Geschäft. Philippe ist der Vorstandsvorsitzende und einer von Vincents besten Freunden. Und er sieht außerdem auch zum Fressen gut aus.“

Dagegen konnte sie nichts vorbringen. „Ich bin nicht auf der Suche nach einem Urlaubsflirt.“

Madeline, die als Krankenschwester arbeitete, warf das lange dunkle Haar zurück. „Dann überlass ihn mir. Candace hat ihn uns schon beschrieben, und er scheint sehr sexy zu sein. Eine kurze, intensive Affäre ohne lästige Verpflichtungen wäre für mich gerade genau das Richtige. Und ich müsste mir keine Gedanken darüber machen, ob er mich sitzen lässt; schließlich reisen wir sowieso nach der Hochzeit ab.“

Ein Urlaubsabenteuer. Stacy konnte sich nicht vorstellen, die Dinge jemals so locker anzugehen, wenn es um Männer ging. Wenn sie mit einem Mann zusammen war, fühlte sie sich verletzlich. Wahrscheinlich mied sie solche Situationen deshalb in neunundneunzig Prozent aller Fälle. Bei dem Nomadenleben, das sie führte, hatte sie noch nicht einmal Freundschaften geschlossen, die länger als ein paar Monate dauerten. Das war erst anders geworden, nachdem sie Candace vor drei Jahren bei einer Steuerprüfung für das Finanzamt kennengelernt hatte. Von der großen Steuerberatungskanzlei, für die Stacy gearbeitet hatte, war ihr Candace als Klientin übertragen worden.

Andererseits, wenn sie sich Madeline mit Philippe zusammen vorstellte … Der bloße Gedanke missfiel Stacy. Völlig lächerlich, sie hatte ja höchstens zehn Minuten in der Gesellschaft des Mannes verbracht und nicht die geringsten Ansprüche ihm gegenüber. Und das wollte sie auch gar nicht. Schließlich war sie nicht der Typ für eine flüchtige Affäre. Dazu war sie viel zu vorsichtig.

„Und? Ist er wirklich so sexy?“, fragte Amelia, die blauäugige Romantikerin unter ihnen.

Alle sahen Stacy erwartungsvoll an. „Ja. Aber … aber irgendwie auf sehr gefährliche Art.“

„Gefährlich?“, wiederholten alle drei im Chor.

Dann fragte Candace: „Wieso denn das? Philippe kam mir völlig zivilisiert und sehr höflich vor.“

Keine von ihnen wusste etwas über Stacys Kindheit. Die beschämenden Einzelheiten vertraute Stacy ihnen auch lieber nicht an. Seit sie acht Jahre gewesen war, hatte sie gewusst, dass ihre Mutter und sie vor irgendetwas auf der Flucht waren, wann immer sie ihre Koffer packten und in eine andere Stadt fuhren. Manchmal hatten sie nicht einmal Zeit zum Kofferpacken gehabt. Stacy wusste nicht, wovor oder vor wem sie davonliefen, bis es dann zu spät war.

Sie schluckte mühsam, als die vertraute Übelkeit in ihr aufstieg. „Philippe Bouger strahlt Macht und Einfluss aus. Wenn etwas schiefgeht, könnte man sich nirgends vor ihm verstecken. Er würde einen überall finden.“

Verständnislos musterten die drei Frauen sie. Stacy gab keine weiteren Erklärungen ab. Sie wusste, wovon sie sprach. Ihr Vater war ein sehr vermögender Mann gewesen. Als er seine Frau misshandelte, hatten die Behörden ein Auge zugedrückt, und als sie vor ihm floh, hatte er seinen Einfluss genutzt, um sie aufzuspüren. Und dann, nach elf Jahren, hatte er mit ihr abgerechnet.

Reiche, mächtige Männer bestimmten die Regeln, wie es ihnen gefiel. Solche Menschen gingen davon aus, über dem Gesetz zu stehen. Deswegen setzte Stacy alles daran, ihnen aus dem Weg zu gehen.

Weil Philippe Bouger eindeutig zu dieser Gruppe gehörte, durfte sie ihm nicht wieder begegnen.

Philippe beobachtete Stacy Reeves vom Kasino aus. Sie eignete sich ideal für sein Vorhaben. Genau der Typ Frau, den sein Vater beschrieben hatte. Perfekt. Und Philippe würde sie bekommen, was es auch kostete. Bei Frauen ging es immer um einen Preis. Die Frage war nur: Würde Stacy ihn wert sein?

Im Grunde zweifelte er daran keinen Moment.

Nach achtunddreißig Jahren hatte er zum ersten Mal so plötzlich und instinktiv auf eine Frau reagiert. Nicht einmal bei seiner Exfrau war es ihm so ergangen. Seit er heute Morgen in Stacys ausdrucksvolle Augen gesehen hatte, sehnte er sich danach, dass sie ihn so anschaute, wie sie die Pralinen betrachtet hatte – voller Heißhunger.

Der Gegensatz zwischen ihrem prüden Kleid, der reservierten Miene, die sie trug wie einen Umhang, und diesen hungrigen Blicken faszinierte ihn. Ihre Zunge auf seinem Finger zu spüren hatte ihn elektrisiert. Und wenn sie ihn mit so nichtssagenden Gesten erregte … Er konnte kaum erwarten, ihr auf sehr viel intimerer Ebene zu begegnen.

Ein Anruf bei Vincent hatte genügt, nun kannte Philippe ein paar persönliche Einzelheiten über Mademoiselle Reeves. Inzwischen war er sich vollkommen sicher, dass er die Richtige gefunden hatte. Wer hätte das gedacht? Schon jetzt brachte ihm das Spiel Spaß, das sein Vater sich ausgedacht hatte.

Philippe bestellte zwei Gläser Champagner und machte sich auf den Weg. Stacy stand in der Nähe des Roulettetisches im „Café de Paris“ und sah den drei Damen zu, mit denen sie gekommen war. Sie selbst nahm nicht am Spiel teil. Seit sie vor einer halben Stunde in das Kasino gekommen war, hatte sie keinen einzigen Einsatz gewagt.

Heute Abend trug sie ihr schulterlanges kastanienbraunes Haar hochgesteckt, sodass ihr anmutiger Hals zu sehen war und zwei niedliche kleine Ohren, an denen Philippe sehr gern zärtlich geknabbert hätte. Ihr bodenlanges Abendkleid – ärmellos und cremefarben wie dunkles Elfenbein – betonte sanft ihre Rundungen, verbarg nur leider ihre schönen Beine. Um die Schultern hatte sie sich eine Spitzenstola gelegt, und dazu trug sie hochhackige goldfarbene Sandaletten.

Elegant. Voller Finesse. Begehrenswert.

Oh ja, sie würden großartig zusammenpassen. Als er einen Meter hinter ihr stand, schlug sein Herz schneller. Er hielt inne, um ihren Duft zu genießen. Gardenien. Erotisch, aber süß. „Vous êtes très belle ce soir, mademoiselle.“

Sie zuckte zusammen und drehte sich zu ihm um. „Monsieur Bouger.“

„Philippe.“ Er reichte ihr eine Champagnerflöte und ignorierte einfach ihre steife, nicht sehr freundliche Haltung. Das Farbspiel in Stacys türkisblauen Augen wirkte genauso wechselhaft wie das Mittelmeer und blauer als heute Morgen. Wie sie wohl aussahen, während er sie liebte? Er hatte die feste Absicht, es herauszufinden.

Nach kurzem Zögern nahm sie das Glas entgegen. Merci, monsieur …“

In dem Moment, als er ihre Finger streifte, unterbrach sie sich. Er wollte hören, wie sie seinen Namen aussprach. „Philippe“, wiederholte er.

Sie öffnete den Mund und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Philippe hätte fast der Versuchung nachgegeben, sie hier und jetzt zu küssen. Dennoch hielt er sich zurück, was ihm nicht ohne eine gewisse Anstrengung gelang. Sie war scheu. Darum musste er langsam vorgehen, um Erfolg zu haben.

„Philippe.“ Sie sprach seinen Namen französisch aus und ohne amerikanischen Akzent, wie er es während seiner Studienjahre in den Staaten oft gehört und regelrecht gehasst hatte.

Positiv überrascht stieß er mit ihr an. „À nous.“

Sie blinzelte und runzelte die Stirn. „Wie bitte?“ Sie hatte schon verstanden, es waren denkbar einfache Worte. Nur, warum sollten sie so tun, als gäbe es ein Uns?

„Auf uns, Stacy.“ Sie hatte ihm nicht erlaubt, sie mit Vornamen anzusprechen. Er nahm sich diese Freiheit einfach heraus – die erste von vielen, die er beabsichtigte, sich bei dieser verführerischen Amerikanerin zu erlauben. Finster sah sie ihn an, offensichtlich kurz davor, ihn abzuweisen. Ihre Wangen waren gerötet.

„Ich glaube nicht …“

„Monsieur Bouger“, unterbrach sie eine Frauenstimme.

Philippe ließ widerwillig Stacys Hand los und begrüßte die drei Damen mit einem höflichen Lächeln. Bonsoir, mesdemoiselles.“

Vincents Verlobte stellte ihm ihre Freundinnen vor. Während Philippe jede von ihnen charmant begrüßte, wie es die Höflichkeit gebot, gehörte doch seine ganze Aufmerksamkeit nur der Frau, die bald seine Geliebte sein sollte. Er bemerkte jede nervöse Bewegung von Stacy, jedes Rascheln ihres Seidenkleids. Und er genoss den Augenblick, als er sie beim Heranwinken eines Kellners scheinbar zufällig berührte und sie abrupt den Atem anhielt. Nachdem er für jede Dame einen Drink bestellt hatte, beobachtete er Stacy, wie sie sich das Glas an den Mund hielt. Sofort tat er es ihr nach und wünschte sich insgeheim, er würde statt des kühlen Glases ihre Lippen an seinen spüren.

Madeline, die hübsche Brünette, kam näher heran und zeigte ihm ihr offensichtliches Interesse durch einen einladenden Blick und eine betont herausfordernde Haltung. Amelia errötete verlegen und wandte den Blick ab, als sie das sah. Beide Frauen waren sehr attraktiv. Trotzdem hatte er nur Augen für Stacy. Schließlich kehrten ihre Freundinnen zum Roulettetisch zurück und schenkten ihm die Privatsphäre, die er sich mit Stacy wünschte – soweit man in einem überfüllten Kasino von Privatsphäre sprechen konnte.

„Haben Sie schon gesetzt?“, fragte er, obwohl er wusste, dass sie es nicht getan hatte.

„Nein.“

Er griff in die Tasche, holte eine Handvoll Chips heraus und reichte sie Stacy. „Wollen Sie Ihr Glück versuchen?“

Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, bekam jedoch einen Moment lang kein Wort heraus. „Das sind zehntausend Doll… Euro.“

„Stimmt.“

Ihr fassungsloser Blick sprach Bände, sie wich einen Schritt zurück. „Nein, danke.“

„Die Summe ist Ihnen zu niedrig? Wir können in den Salon Touzeta gehen, wenn Sie möchten.“

„Das ist ein Privatraum.“

„Genau.“

Hilfesuchend sah sie sich nach ihren Freundinnen um. Sie waren vollkommen auf das Spiel konzentriert und dachten offenbar nicht an Stacy. „Ich mag keine Glücksspiele.“

Je länger sie sich weigerte, desto stärker wollte er sie. Spielte sie die Spröde, um ihn zu quälen oder um den Preis zu erhöhen? Wahrscheinlich beides, es spielte allerdings keine Rolle. Philippe würde gewinnen. Seit seine Frau ihn hintergangen hatte, gewann er immer. „Sie schulden mir noch ein Essen.“

Misstrauisch musterte sie sein Gesicht. „Warum gerade ich? Warum keine Frau, die sofort begeistert Ja sagt?“

Er zuckte die Achseln. „Wer weiß schon, warum man beim Anblick eines Menschen bis ins Innerste erzittert und bei dem eines anderen nicht?“

Die Spitzenstola rutschte ihr von der Schulter. Philippe nutzte die Gelegenheit und fuhr ihr sanft mit den Knöcheln über den nackten Oberarm. Äußerst zufrieden stellte er fest, dass Stacy erschauerte, bevor sie vor ihm zurückwich. Wie vielversprechend, dachte er. Sie würde eine sehr aufregende Geliebte sein. „Essen Sie mit mir zu Abend, Stacy.“

„Ich halte das für keine sehr gute Idee.“

„Essen Sie mit mir“, wiederholte er. „Wenn Sie dann beschließen, dass Sie mich nicht wiedersehen wollen, werde ich Ihre Entscheidung respektieren.“

Sie hob das Kinn. „Und wenn ich mich weigere?“

Das Katz-und-Maus-Spiel begann, ihm zu gefallen. Er lächelte und sah, wie sie unwillkürlich den Atem anhielt. Sehr gut, die Anziehung war nicht nur einseitig. „Dann werden Sie und Ihre Freundinnen mir in den nächsten Tagen sehr oft begegnen.“

Nachdenklich biss sie sich auf die Unterlippe. „Ein einziges Abendessen? Mehr nicht?“

„Ja, Mademoiselle. Und zweifeln Sie nicht daran. Ich kann ein Nein akzeptieren, wenn die Dame es wirklich ernst meint.“

Sie straffte die Schultern. „Ich meine es ernst.“

„Nein, nein. Ihr Mund sagt das eine, aber in Ihren schönen Augen lese ich etwas ganz anderes. Sie wollen mit mir zu Abend essen.“

Errötend presste sie die sinnlichen Lippen zusammen. Dann nickte sie abrupt. „Na schön. Ein Abendessen, und dann lassen Sie mich in Ruhe.“

Ein heftiger Adrenalinstoß durchfuhr ihn, weil er den ersten kleinen Erfolg errungen hatte. Wieder stieß Philippe mit ihr an. Der Sieg war zum Greifen nahe, und die Zeit mir ihr würde wunderbar sein.

„À nous, Stacy. Il serait magnifique.“

2. KAPITEL

Il serait magnifique.

„Es wird großartig sein.“ Stacy stöhnte und warf ihr kleines Französischlexikon auf den Kaffeetisch. Ihre roten Wangen und die Unruhe hatten nichts mit der Morgensonne zu tun, die durch die offenen Vorhänge strahlte. Genauso wenig lag es daran, dass Stacy sich darauf freute, hinauszugehen und sich Monaco anzusehen. Nein, sie war nur aus einem einzigen Grund nervös: weil sich gestern Abend in Philippes Augen Leidenschaft gespiegelt hatte, als er den rätselhaften Satz gesagt und sich gleich darauf verabschiedet hatte.

Bis in ihre Träume verfolgte er sie. Sie war mit den Erinnerungen an seine hungrigen Blicke und sein sexy Kinngrübchen aufgewacht.

Philippe Bouger interessierte sich für sie, und sie konnte sich nicht vorstellen, warum. Das Land war schließlich voller schöner, eleganter und vor allem williger Frauen. Aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund wollte er Stacy. Und auch wenn es nicht klug war – es war unglaublich dumm –, sie fühlte sich sehr zu ihm hingezogen.

Sie atmete tief ein. Ein Abendessen mit dem Mann konnte sie wohl schadlos überstehen, oder? Und danach würde er sie in Ruhe lassen. Das hatte er versprochen. Allerdings war sie noch mit keinem Mann wie ihm ausgegangen. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie es noch bereuen würde, wenn sie ihn näher kennenlernte.

Plötzlich ging die Schlafzimmertür auf, und Madeline trat müde in den Salon. Ihr Blick fiel zuerst auf die Kaffeekanne, die Stacy sich vom Zimmerservice hatte heraufbringen lassen, dann auf die leere Kaffeetasse. „Mein Gott, wie lange bist du schon auf?“

„Seit ein paar Stunden. Meine innere Uhr ist ein bisschen durcheinander.“

„Und wie sieht es aus bei dir? Wird das was aus dir und Philippe?“

Stacy wurde wieder rot. „Wir werden zusammen zu Abend essen, und danach gehört er dir.“ Sie schluckte. Warum bekam sie bei der Vorstellung ein so flaues Gefühl im Magen? Philippe war zu reich und zu mächtig für sie. Andere Frauen kamen mit seinem gesellschaftlichen Status viel besser zurecht, weshalb sollte sie es ihnen neiden?

„Nein, danke. Ich habe gestern jemanden kennengelernt, nachdem du nach oben gegangen bist. Mann, ist der heiß.“ Madelines Augen funkelten, als sie sich eine Tasse Kaffee einschenkte.

Stacy war sprachlos. „Ach so?“

„Oh ja.“ Madeline lächelte und nahm einen Schluck. „Er ist mein persönlicher Touristenführer. Es geht los, sobald wir unsere Diät ad acta legen und die vielen verschiedenen Torten probiert haben, die der Hotelchef für die Hochzeit vorbereitet hat.“

Leise huschte Amelia ins Zimmer. „Habe ich das gerade richtig verstanden, du gehst heute aus? Ich auch; ich will nämlich nicht, dass Toby Haynes mich hier abholt.“

„Wer?“, fragte Stacy. Der Name kam ihr irgendwie bekannt vor.

Amelia verdrehte die Augen. „Toby Haynes! Das ist der Rennfahrer im Team der NASCAR-Motorsportliga, das die Reynard-Hotelkette sponsert. Als es in seiner Box gebrannt hat, hat Vincent sich die Verbrennungen zugezogen.“

„Da wir vom Bräutigam reden“, erwiderte Stacy, „Ihr habt ihn alle kennengelernt, als er Patient in eurem Krankenhaus war, stimmt’s?“

„Ja, und sein großspuriger Casanova von einem Fahrer ist hier in Monaco und fest dazu entschlossen, mir auf die Nerven zu gehen“, sagte Amelia gereizt.

„Vielleicht könnten wir beide ja zusammen in die Stadt gehen“, schlug Stacy vor.

„Prima Idee. Ich zieh mich um.“

Es klopfte an der Tür. Weil Amelia den kürzesten Weg hatte, öffnete sie. Wenige Augenblicke darauf kehrte sie mit einem wunderschönen Strauß Gardenien in Händen zurück. „Die sind für dich, Stacy.“

Stacys Herz setzte einen Schlag aus. Sie hatte noch nie Blumen bekommen. Betört roch sie an den duftenden Blumen und zog ein kleines Kärtchen aus dem Strauß. Darauf stand: Heute Abend, acht Uhr. Philippe.

„Von wem sind sie?“, fragte Amelia.

Stacy konnte nicht antworten. War es Zufall, dass er ihr ausgerechnet Gardenien schenkte, oder hatte er ihr Parfum erkannt?

Neugierig schaute Madeline ihr über die Schulter und las die knappe Nachricht. „Aha. Von ihrem leckeren Schokoladenfabrikanten. Er holt sie heute Abend um acht ab. Bonne chance, mon amie.

Stacy zwang sich zu lächeln. Sie brauchte sehr viel mehr als Glück, um dem aufregenden Franzosen zu widerstehen.

Madeline stand auf, streckte sich und gähnte. „Amelia, kümmere dich bitte darum, dass Stacy angemessen sexy angezogen ist. Und, Stacy, steck ein paar Kondome ein. Du solltest auf alles vorbereitet sein.“

Auf Philippe Bouger? Unmöglich.

Dank Candace und Amelia war Stacy so gut wie möglich auf das Rendezvous mit Philippe Bouger vorbereitet. Außer dem Vorschlag, Kondome mitzunehmen, hatte sie alle Ratschläge angenommen. Schließlich würde sie nicht mit Philippe im Bett landen.

Nach dem Probieren der Hochzeitstorten hatten Stacy, Candace und Amelia versucht, einige Kalorien loszuwerden, indem sie nach La Condamine fuhren, einem der ältesten Viertel von Monaco. Am frühen Nachmittag hatten sie die wundervollen Geschäfte in der Rue Grimald erkundet. Danach waren sie ins Hotel zurückgekehrt und hatten Stacy zum Schönheitssalon geschickt, wo man sie einer Gesichtsbehandlung, einer Maniküre und Pediküre unterzog.

Sie stand vor dem Spiegel und fuhr mit den Händen über den Stoff des Kleids, das sie in einem Designergeschäft gefunden hatten. Candace hatte Stacys Einwände ignoriert und es unter dem Vorwand gekauft, dass es perfekt für das Dinner nach der Hochzeitsprobe geeignet war. Das saphirgrüne Kleid brachte ihre Figur großartig zur Geltung, ohne ihr am Körper zu kleben, und das Top war so geschickt geschnitten, dass sie keinen BH darunter zu tragen brauchte. Stacy war sich noch nie so elegant vorgekommen.

Das Telefon klingelte, und sie zuckte heftig zusammen. Alle anderen waren inzwischen wieder ausgegangen, sie war allein in der Suite.

Zögernd griff sie nach dem Hörer. „Hallo?“

Bonsoir, Stacy“, sagte Philippe mit tiefer Stimme. „Ich bin in der Lobby. Soll ich nach oben kommen?“

Ihr Puls flatterte wie die Flagge über dem Palast des Fürsten, wenn es besonders windig war. Philippe in ihrer Suite? Ganz bestimmt nicht.

„Nein, ich komme nach unten.“ Sie legte auf und legte sich eine Hand auf die Brust, um ihr wild klopfendes Herz zu beruhigen. „Ein Abendessen. Das wirst du ja wohl noch schaffen.“

Nachdem sie sich die Spitzenstola um die Schultern gelegt hatte, griff Stacy nach ihrem goldfarbenen Abendtäschchen und verließ die Suite. Während der Aufzug in die Lobby fuhr, glaubte Stacy, ihr Magen rebellierte gegen die zügige Fahrt.

Die Tür glitt auf, und da war er – über eins achtzig groß, ein unwiderstehliches Bild von einem Mann. Philippe lehnte an einer Marmorsäule und sah so sündhaft lecker aus wie die Schokolade, mit der er sie gefüttert hatte. Stacy holte tief Luft und ging mit zittrigen Knien auf ihn zu.

Er bemerkte sie erst, als sie fast vor ihm stand, und richtete sich auf. Der mitternachtsblaue Anzug und das hellblaue Hemd betonten seine Augen. Bewundernd ließ er den Blick von ihrem hochgesteckten Haar bis zu ihren frisch lackierten Zehennägeln gleiten, die in hohen offenen Pumps steckten. Sie glaubte fast, seinen Blick körperlich zu spüren, und erschauerte erregt. Philippe nahm ihre Hand und küsste sie so zart, dass Stacy sich fragte, ob sie es sich nur einbildete. Und im selben Moment strich sein Atem warm über ihre Haut. Die Geste berührte Stacy tief.

Langsam richtete er sich auf, und sie sah ihm in die strahlend blauen Augen. „Stacy, vous me coupez le souffle.

Sie konnte nicht einmal den simpelsten Satz übersetzen, wenn er sie so ansah. „Entschuldigung?“

„Sie rauben mir den Atem.“

„Oh.“ Mehr fiel ihr dazu nicht ein? Verlegen entzog sie ihm ihre Hand. „Danke. Und auch für die Blumen. Sie sind wunderschön. Aber es wäre nicht nötig gewesen.“

„Ich konnte nicht widerstehen. Der Duft erinnerte mich an Sie.“ Er reichte ihr seinen Arm, und Stacy wusste nicht, wie sie ihn höflich zurückweisen könnte. Widerwillig hakte sie sich bei ihm ein und ließ sich aus dem kühlen Hotel in die warme Abendluft hinausführen. Die Lichter von Monaco funkelten in der Dämmerung. „Das Restaurant ist nur wenige Straßen entfernt. Wollen wir zu Fuß gehen? Oder möchten Sie ein Taxi nehmen?“

„Sie sind nicht mit dem Wagen gekommen?“ Sie war überzeugt, dass er mehr als einen schnittigen Ferrari besaß und gern über die Straßen brauste.

„Früher bin ich viel gefahren. Meine Villa befindet sich auf den Hügeln, die Larvotto umgeben. Das ist zu weit, um zu Fuß zu gehen. Aber es gibt in der Nähe des Restaurants keinen Parkplatz.“

„Dann spazieren wir dorthin.“

Eine leichte Brise spielte mit ihrem Haar, und er strich Stacy eine Strähne hinter das Ohr. Sobald sie seinen Finger an ihrer Wange spürte, raste ihr Puls regelrecht.

„Ich würde Ihnen gern die Aussicht auf Larvotto zeigen. Von meiner Terrasse aus kann man die Gegend überblicken. C’est incroyable.

Und wenn die Aussicht noch so unglaublich war, Stacy hatte nicht die Absicht, Philippe in seiner Villa zu besuchen. „Woher kennen Sie Vincent eigentlich?“

Als wüsste er genau, dass sie ihn vom Thema abbringen wollte, lächelte er sie an. „Wir waren während des letzten Jahrs an der Uni Zimmergenossen.“

Irritiert fragte sie: „Aber Vincent hat doch an der MIT studiert, der Technischen Hochschule in Massachusetts?“

„Ja.“

„Sie haben in den Staaten gelebt? Kein Wunder, dass Ihr Englisch so gut ist.“ Sie gingen um eine Straßenecke, der Duft nach griechischem Essen aus einem Restaurant erfüllte die Luft. Sofort lief Stacy das Wasser im Mund zusammen. Zudem knurrte ihr Magen verräterisch und erinnerte sie daran, dass sie seit heute Morgen nichts mehr gegessen hatte.

„Midas Chocolat exportiert in sechs Kontinente. Da ist es von Vorteil, mehrere Sprachen fließend zu sprechen. Übersetzer sind oft schwer zu finden und dann nicht unbedingt verlässlich.“ Er bog in eine schmale Gasse ein, die Stacy übersehen hätte, und blieb vor einem Gebäude mit rotem Dach stehen. Über einer unauffälligen Holztür war ein einfaches Messingschild angebracht. „Wir sind da.“

„Das ist ein Restaurant? Es sieht aus wie eine Privatadresse.“ Stacy nahm unter dem Vorwand, ihre Stola zurechtzuzupfen, die Hand von Philippes Arm. Sofort fehlte ihr seine Körperwärme.

„Es ist ein Geheimtipp, nur wenige kennen das Lokal. Gutes Essen, gute Musik, außergewöhnliche Gesellschaft.“

Stacy ärgerte, dass sie schon wieder rot wurde. Ihm kamen so leicht Komplimente über die Lippen, und sie wehrte sich gegen die Wirkung, die seine Worte auf sie hatten. Schon einmal war sie auf die Schmeicheleien eines Mannes hereingefallen, diese Demütigung wollte sie nicht noch einmal erleben.

Eine Hand auf ihren Rücken gelegt, zog er mit der anderen die Tür auf. Stacy spürte seine Wärme durch den dünnen Stoff. Hastig ging sie voraus, blieb dann aber abrupt im Foyer stehen.

Im Eingangsbereich erkannte sie deutlich, dass der Raum irgendwann eine Privatwohnung gewesen war. Jetzt befand sich eine Art Rezeption unter einer breiten Treppe. Die Speiseräume, in die Stacy zu beiden Seiten der Treppe sehen konnte, standen voller runder Tische mit weißen Damasttischtüchern und romantischem Kerzenlicht. Die Kristallgläser und das Silberbesteck schimmerten im flackernden Licht, und im Hintergrund war leise Musik zu hören – die Atmosphäre war sehr intim, ohne dass Stacy sich unwohl fühlte. Ihre Anspannung ließ allmählich nach.

Kurz darauf schrillten bei ihr jedoch die Alarmglocken, als die Kellnerin sie über die Treppe zu einem kleinen abgeschiedenen Zimmer führte, in dem ein einziger Tisch stand. Früher war hier sicher ein Schlafzimmer gewesen. Dieselbe Musik, die Stacy im Erdgeschoss gehört hatte, erklang hier leise und wohltönend. Eine sanfte Brise, die einen zarten Blumenduft mit sich trug, bewegte die durchsichtigen Vorhänge und brachte die Kerzenflammen zum Flackern.

Philippe rückte ihr den Stuhl zurecht. Überrascht zuckte sie zusammen, als er mit den Fingerspitzen über ihre Arme strich und die Stola so weit beiseiteschob, dass ihre Schultern entblößt waren. Dann setzte er sich neben sie. Stacy spürte, wie sein Knie gegen ihrs stieß. Schon wollte sie ein paar Zentimeter von ihm abrücken, aber … zu spät. Ihr ganzer Körper kribbelte, so sehr war sie sich Philippes Nähe bewusst.

In diesem Augenblick kam ein älterer Mann herein. Er unterhielt sich mit Philippe, und sie verstand kein Wort. Nachdem der Mann gegangen war, fragte Stacy: „War das Französisch?“

Non, monégasque. Der lokale Dialekt hier, eine Mischung aus Französisch und Italienisch.“

„Habe ich Sie deshalb kaum verstanden, als wir uns vor Ihrem Geschäft trafen?“

„Ja, aber die offizielle Sprache in Monaco ist Französisch. Sprechen Sie Französisch?“

„Ein wenig. Ich hatte zwei Pflichtsemester Französisch auf dem College, und kurz bevor ich herkam, habe ich mir einige Sprachlern-CDs gekauft.“

Bedeutungsvoll legte er die Hand auf ihre und strich mit dem Daumen über ihr Handgelenk. Stacy fühlte ihr Herz rasen und blieb wie erstarrt sitzen. Vielleicht sollte sie jetzt den einzig möglichen Ausweg wählen – sollte so schnell wie möglich fliehen. „Sie können an mir üben, wenn Sie wollen.“

Am Schimmern in seinen Augen erkannte sie, dass sie sich nicht auf die Sprache zu beschränken brauchte. Stacy entzog ihm ihre Hand und wandte den Blick ab.

Ein Kellner betrat den Raum und brachte ihnen einen Teller mit gefüllten Tomaten und Pilzen, füllte die Weingläser und zog sich zurück, obwohl sie noch nichts bestellt hatten.

„Gibt es denn keine Speisekarte?“

„Nein. Vertrauen Sie mir. Sie werden nicht enttäuscht sein.“

Vertrauen. Er konnte natürlich nicht wissen, wie schwer ihr gerade das fiel. „Und wenn ich nun allergisch auf einige Zutaten reagiere?“

„Haben Sie denn eine Allergie?“

„Nein“, gab sie zu. Sie nippte am Wein, probierte eine Tomate und suchte angestrengt nach einem Thema, um die romantische Atmosphäre zu vergessen. „Ich war überrascht, als ich erfuhr, dass Monaco sich so sehr am französischen Recht orientiert. Sogar die Rituale der Hochzeitszeremonie wurden übernommen, nur ohne den Treueschwur. Warum eigentlich? Können die Männer hier nicht treu sein?“

Philippe lehnte sich zurück. Er lächelte nicht mehr. „Ich war meiner Frau treu.“

Unwillkürlich senkte sie nun den Blick. „Sie sind verheiratet?“

„Geschieden.“ Es war unglaublich, wie viel Bitterkeit aus diesem einen Wort sprach. „Und Sie?“

„Ich bin unverheiratet.“ Genau genommen hatte sich ihr die Frage nie gestellt. Abgesehen von einer wenig ernst zu nehmenden und unglücklichen Episode aus Highschooltagen hatte Stacy nur eine kurze Beziehung mit einem Kollegen vorzuweisen. „Wie lange waren Sie verheiratet?“

„Fünf Jahre.“

„Was ist geschehen?“ Es ging sie zwar nichts an, aber ihr war jedes Mittel recht, um Philippes Aufmerksamkeit von sich abzulenken. Denn wenn er sie länger so verführerisch ansah, vergaß sie womöglich alle Vorsicht …

Er zuckte die Schultern. „Wir hatten nicht dieselben Ziele.“

„Haben Sie Kinder?“

„Non.“ Die Antwort kam so spontan und nachdrücklich, dass er sie auf Französisch gab.

Trotzdem glaubte Stacy, ein leichtes Zögern bemerkt zu haben. „Haben Sie noch Kontakt zueinander?“

„Ich habe Lisette seit der Scheidung nicht mehr gesehen.“

„Und es macht Ihnen nichts aus?“

„Pas du tout.“

Aha, absolut nicht. Sie betrachtete Philippe genau, um einzuschätzen, ob er ehrlich antwortete. Er sah ihr direkt in die Augen, in seinem Blick entdeckte sie keinerlei Zweifel.

Im Gegensatz zu ihm hatte ihr Vater nicht loslassen können. Ob er ihre Mutter zu sehr geliebt oder sie als eine Art Besitz betracht hatte, wusste sie bis heute nicht. Die Psychologen glaubten an die zweite Möglichkeit. Stacy wollte nicht länger darüber nachdenken. Antworten auf diese Fragen würde sie sowieso nie finden. „Haben Sie schon immer hier in Monaco gelebt?“

„Nein. Ich bin in Frankreich aufgewachsen, in der Nähe von Avignon. Unser Familiengut befindet sich noch immer da. Nach meiner Scheidung vor acht Jahren habe ich dann die Midas-Chocolat-Büros hierher verlegt.“ Er musterte sie nachdenklich. „Sie geben sich große Mühe, den Abend nicht zu genießen, Stacy. Warum eigentlich?“

Er hatte sie also mühelos durchschaut. „Aber nein, wie kommen Sie darauf?“

„Hm. Beweisen Sie mir, dass ich mich irre. Tanzen Sie mit mir.“

Wie konnte sie jetzt ablehnen? „Ich bin keine besonders gute Tänzerin.“

Lächelnd stand er auf und reichte ihr die Hand. „Pas de problème. Ich führe, entspannen Sie sich. Ich werde Sie schon nicht verschlingen … vor dem Dessert.“

Und nach dem Dessert, was dann? Sie hätte die Frage laut ausgesprochen, aber seine Nähe überwältigte sie. Stacy brachte kein Wort heraus. Sanft verschränkte er die Finger mit ihren und legte ihre Hand an seine Brust, sodass Stacy das regelmäßige Pochen seines Herzens spürte. Den anderen Arm legte er um ihre Taille und lehnte das Kinn an ihre Stirn. Philippe drückte sie so eng an sich, als wären sie ein Liebespaar, und ihre Beine berührten sich beim Tanzen. Das war viel zu eng. Sie versuchte zurückzuweichen, aber er ließ nicht locker.

Ihr stockte der Atem. Sein Duft, eine verführerische Mischung aus einem würzigen Zitronengeruch und seiner unleugbaren Männlichkeit, erfüllte sie. Die Musik nahm sie kaum noch wahr. Obwohl es sehr unklug war, wurde Stacy unwillkürlich schwach und wünschte sich nichts lieber, als dem Verlangen nachzugeben, das sie jedes Mal durchströmte, wenn er in ihrer Nähe war.

Um Abstand zu gewinnen, lehnte sie sich nach hinten, so weit er es zuließ. Und trotzdem war ihr sein Mund noch viel zu nahe. Wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte, könnte sie …

Nein, das ging auf keinen Fall.

„Wo kommt die Musik her?“

Sein nachsichtiges Lächeln ließ sie erröten. „Auf der Terrasse spielt ein Streichquartett.“

Er tanzte mit ihr durch die offene Balkontür und hob den Arm, damit Stacy eine Drehung vollführte. Aber nach nur einem Schritt drückte er sie plötzlich fest an sich. Sie spürte seine Brust an ihrem Rücken und blickte in den großzügig mit Blumen bepflanzten Hof.

Als sie seine Erregung wahrnahm, vergaß Stacy sekundenlang zu atmen. Beinah benommen legte sie den Kopf zurück und betrachtete die auf der Terrasse tanzenden Paare nicht länger. „Wow“, flüsterte sie bewundernd.

Vor ihnen erstreckten sich die Felshänge, die Monaco prägten. In einem Land, in dem es kaum ein ebenes Tal gab, war die Aussicht fast von jedem Hügel atemberaubend. Vor ihnen blitzten kleine Lichter in der Landschaft auf wie Sterne an einem klaren Nachthimmel. In der Ferne sah Stacy ein hell erleuchtetes Kreuzfahrtschiff, das im Hafen ankerte. „Wie wunderschön.“

Sein Atem strich ihr über die Stirn, kurz bevor sie seine Lippen heiß an ihrer Schläfe spürte. „So wie du.“

Er legte die Hände auf ihre Schultern, drehte Stacy zu sich herum und stützte sich auf die Brüstung. Stacy war gefangen. Wenn sie versuchte zurückzuweichen, lauerten in vier Metern Tiefe harte Steinfliesen, auf die sie stürzen würde. Und direkt vor ihr stand Philippe, die gefährlichste Versuchung, der sie sich je ausgesetzt gesehen hatte. Am Rücken spürte sie das Geländer, an den Beinen Philippes harte feste Schenkel. Er gab ihr einen kaum spürbaren Kuss auf den Mundwinkel, bevor er die Lippen zart auf den anderen drückte. Wieder und wieder verteilte er flüchtige, quälend süße Küsse um ihren Mund herum. Stacy wurde von Sekunde zu Sekunde erregter.

Bis ins Innerste erschauerte sie und fühlte sich eingenommen von einem verzehrenden Verlangen. Sie wollte, dass er sie küsste – richtig küsste. Sie wollte ihn so sehr wie noch keinen Mann vor ihm. Anscheinend hatte Madelines Geplapper von einer Urlaubsaffäre in Stacy die Sehnsucht nach etwas geweckt, das sie nicht haben konnte.

„Komm heute Nacht mit mir, Stacy.“ „Je veux faire l’amour avec toi.“

Ich will dich lieben. Das Blut stieg ihr ins Gesicht, dann wurde sie blass. Ihr war schwindlig, und gleichzeitig wurde ihr ganz heiß. Die Augen geschlossen, biss sie sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht.“

Dennoch wollte sie es. Sie wollte es sogar sehr. Sex war für sie nie so aufregend gewesen, wie alle taten. Allerdings hatte sie das Gefühl, dass das mit Philippe anders sein würde. Andererseits gehörte er zu genau der Sorte Mann, der sie aus dem Weg ging.

„Nein?“ Einen Moment lang presste er die Lippen auf die Stelle an ihrem Hals, wo er ihren Pulsschlag sah. „Das hier sagt mir etwas ganz anderes.“

Hin- und hergerissen zwischen Sehnsucht und Vernunft, legte Stacy die Hände auf seine Brust und sammelte Kraft, um ihn zurückzuweisen. Ein Geräusch hinter ihnen ließ sie erleichtert seufzen. „Der Kellner.“

Langsam gab er sie frei. Sein Blick schien sie zu warnen, dass sie sich nicht zu früh freuen sollte. Philippe trat zurück und ließ ihr den Vortritt in den Raum mit dem festlich gedeckten Tisch. Zu ihrem Ärger wurde Stacy sich bewusst, dass ihre Beine sie kaum trugen.

Das war Rettung in allerletzter Minute gewesen. Zum Glück war heute ihr erstes und letztes Date mit diesem verführerischen Mann. Gäbe es noch mehr Rendezvous mit ihm, könnte sie garantiert nicht mehr lange Nein sagen.

Und ein Ja wäre viel zu gefährlich.

„Was wünschen Sie sich, Stacy?“

Die tiefe Sehnsucht, mit der Stacy den mondlosen Nachthimmel betrachtete, traf Philippe wie ein Schlag in den Magen. Was sie sich auch wünschte, er wollte es ihr gern geben. Natürlich nur, solange es im Rahmen des Vernünftigen blieb und er für die Großzügigkeit belohnt wurde.

Sie blieb in einer Ecke von Reynards Hotelgarten stehen. „Was meinen Sie?“

Warum gelang es gerade dieser Frau, ihn so leicht zu erregen? Er hatte keine Antwort auf diese Frage. Dabei beschäftigte sie ihn, seit er Stacy vor seinem Pralinengeschäft entdeckt hatte. „Was wünschen Sie sich, wenn Sie zu den Sternen hinaufblicken?“

„Was bringt Sie auf den Gedanken, dass ich mir etwas gewünscht habe?“

„Ihre Augen verraten Sie.“

Sie zögerte kurz, bevor sie antwortete. „Finanzielle Sicherheit.“

„Geld?“ Er spuckte das Wort regelrecht aus. Am Ende lief immer alles darauf hinaus, das kannte er zur Genüge. Trotzdem hatte er erwartet, dass Stacy wenigstens den Versuch machen würde, ihre Gier zu verbergen. Die Enttäuschung war größer als die Genugtuung, dass er recht behalten hatte. Natürlich, er war ja sicher gewesen, dass Stacy sich nicht von den vielen Exfrauen seines Vaters oder seiner eigenen unterschied. Und deshalb passte sie genau in seine Pläne.

„Meine Mutter musste hart für unseren Lebensunterhalt arbeiten, als ich klein war. Manchmal mussten wir entscheiden, ob die Miete bezahlt oder der Kühlschrank gefüllt wird. Bevor ich den Job beim Steuerberater bekam, ging es uns sehr schlecht, und jetzt will ich …“ Sie drehte sich abrupt um. „Ich möchte nie wieder so leben müssen.“

„Und Ihr Vater?“

Sie spannte sich merklich an. „Er war nie ein Teil unseres Lebens.“

Dass sie ihm so persönliche Dinge aus ihrer Vergangenheit anvertraute, erweichte ihn. Aber er durfte sich keine Sentimentalität leisten. Es wurde Zeit, den Deal abzuschließen. „Und wenn ich Ihnen diese finanzielle Sicherheit geben würde?“

„Was meinen Sie?“ Stirnrunzelnd sah sie ihn an. „Wollen Sie mir einen Job anbieten?“

Er lächelte kurz. „Ich biete Ihnen eine Million Euro, dafür dass Sie für Ihre restliche Zeit in Monaco meine Geliebte sind. Das ist dann ein Monat, nicht wahr?“

Fassungslos starrte sie ihn an. „Sie machen Witze.“

„Nein. Ich sehe natürlich ein, dass Sie Candace und Vincent gegenüber Verpflichtungen haben, aber der Rest Ihrer Zeit gehört dann mir. Ich werde Ihnen keine Liebeserklärungen oder falsche Versprechen machen. Zwischen uns wird nur Leidenschaft existieren, und Sie bekommen außerdem einen beachtlichen Profit. Vous comprenez?

Sie schüttelte wie betäubt den Kopf. „Nein, ich verstehe nicht. Sie schlagen vor, dass ich mit Ihnen schlafe? Wie eine Prostituierte?“

„In Frankreich ist die Position einer Geliebten sehr angesehen.“

„Ich bin keine Französin, und Sex für Geld – das kann man drehen, solange man will, am Ende kommt immer dasselbe heraus. Ich bin nicht käuflich, Monsieur Bouger. Für keine Stunde, keine Woche und erst recht keinen Monat.“ Sie zog die Stola enger um sich und wich vor ihm zurück, ohne den Blick von ihm zu nehmen.

Philippe folgte ihr. Manches war die Mühe wert, zu kämpfen, um es zu bekommen. Er respektierte zwar, dass sie sein erstes Angebot ablehnte. Gleichzeitig ärgerte ihn aber, dass ihre Gier offensichtlich größer war, als er vermutet hatte. Sie wollte ihn, und sie wollte sein Geld. Das Pochen ihres Pulses, ihr unruhiger Atem und die ausdrucksvollen Augen verrieten sie. Warum also leugnete sie es?

„Weshalb wollen Sie keinen Gewinn aus der Anziehungskraft ziehen, die Sie auf mich ausüben, Stacy? Sie würden in zweierlei Hinsicht gewinnen. Mit mir werden Sie sehr vergnügliche Stunden verbringen, und Sie bekommen die finanzielle Sicherheit, nach der Sie sich sehnen.“ Philippe hatte sich den ganzen Abend über zurückgehalten, jetzt konnte er nicht mehr. Er strich ihr sanft mit der Hand über die Wange. „Ich verspreche Ihnen heiße Leidenschaft, Stacy.“

Sie holte tief Luft, zuckte jedoch nicht zurück. Nachdem er ihr über das seidenweiche Haar gestreichelt hatte, gab er ihr endlich den Kuss, auf den er sich schon freute, seit er Stacy im Hotel abgeholt hatte. Ihre Lippen waren so süß und weich, genau wie er sie sich vorgestellt hatte. Allerdings stand sie regungslos da, den Mund geschlossen und die Arme vor der Brust verschränkt, um die Stola wie einen Schutzwall um sich zu ziehen.

Eine Niederlage würde er nicht akzeptieren. Er glitt mit der Hand über ihren Nacken und Rücken. Stacy atmete tief ein und öffnete unwillkürlich die Lippen. Geistesgegenwärtig nutzte Philippe seine Chance und drang mit der Zunge ein. Stacy schmeckte köstlich, er konnte nicht widerstehen und vertiefte den Kuss. Und sobald er sie dichter an sich zog, schmiegte sie sich in seine Umarmung.

Sie seufzte, und er spürte ihre weichen Brüste. Selbstvergessen ließ sie die Stola los und legte die Hände federleicht auf seine Hüften. Innerlich jubelte er siegesgewiss. Seine Hand rutschte tiefer, er umfasste ihren hübschen, festen Po. Lustvoll drückte er sie an sich, sodass sie seine Erregung hart spürte.

Sekundenlang bewegte sie sich nicht, bevor sie sich von ihm losriss. Ihre herrlichen Brüste hoben und senkten sich schnell. Fasziniert betrachtete er die erregten Spitzen unter dem dünnen Stoff des Kleids.

„Nein. Ich … Sie können nicht … Nein, ich will nicht.“

Er sah die Unsicherheit in ihrem Blick. Ob sie es nun zugeben wollte oder nicht, sein Vorschlag führte sie in Versuchung. „Ich gebe dir einen Tag Zeit, um darüber nachzudenken. Au revoir. Schlaf gut, meine gardénia.

Dass er alles andere als gut schlafen würde, war ihm vollkommen klar.

3. KAPITEL

Ein Klopfen an der Schlafzimmertür riss Stacy aus einem Traum, in dem eine tiefe, samtweiche Stimme ihr auf Französisch anzügliche Worte ins Ohr geflüstert hatte. Benommen setzte sie sich auf und versuchte, Philippe Bouger aus ihren Gedanken zu vertreiben. „Oui? Ich meine, herein.“

Die Tür wurde geöffnet, und Candace kam geradezu hereingeschwebt. „Bonjour! Du bist heute ja eine ganz schöne Schlafmütze, mein Schatz.“

Stacy sah auf die Uhr. Schon zehn. Sie hatte verschlafen. Nach Philippes beleidigendem Vorschlag hatte sie sich gestern nicht beruhigen können und war erst irgendwann nach vier Uhr eingeschlafen. Dass sie wach gelegen und tatsächlich die Vor- und Nachteile eines solchen Arrangements gegeneinander abgewogen hatte, beunruhigte Stacy zutiefst. Noch viel schlimmer war allerdings, dass sie oft kurz eingenickt war und dann immer wieder den überwältigenden Kuss durchlebt hatte. „Tut mir leid.“

„Macht doch nichts. Aber jetzt musst du raus aus den Federn. Vincent hat angerufen. Es gibt eine Villa, die bald verkauft werden soll, und er möchte, dass ich sie mir ansehe. Ich brauche eine zweite Meinung, und ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann.“ Sie setzte sich auf den Bettrand. „Vincent kann nicht von der Baustelle des neuen Hotels in Aruba weg und hat Angst, wir könnten eine einmalige Chance verpassen.“

Müde schlug Stacy die Bettdecke zurück. „Dann ist euer Entschluss, nach Monaco zu ziehen, also tatsächlich endgültig?“

Candace seufzte. „Sieht ganz so aus. Vincent sagt, seine Wohnung über dem Hafen von Fontvieille ist nicht groß genug für drei.“

„Drei?“

Candace verzog das Gesicht. „Oje. Das ist mir so rausgerutscht.“

„Du bist schwanger?“

„Ja. Ich bin bald in der achten Woche. Deshalb passt es gut, dass Vincent und ich bald heiraten …“

„Sicher.“ Stacy stand auf, zögerte aber noch. „Darf man dir gratulieren?“

„Aber klar doch“, sagte Candace lachend. Sie umarmte Stacy herzlich. „Ich bin so aufgeregt! Ich glaube, ich platze gleich. Aber sag es bitte noch niemandem, ja? Vincents Familie soll es noch nicht erfahren.“

„Bei mir ist dein Geheimnis sicher, du kannst mir vertrauen.“

Vertrauen, da war es wieder, das Wort, das Stacy offenbar ein Leben lang zu schaffen machen würde. „Gib mir nur eine halbe Stunde, dann bin ich fertig.“

Während sie nun duschte, dachte sie wieder an Philippe und sein Angebot. Sollte sie den Vorschlag ernsthaft in Betracht ziehen? Vielleicht konnte sie ohnehin nur auf eine kurze Affäre hoffen – weil sie Männern misstraute, standen die Chancen auf eine richtige Beziehung schlecht. Und Philippe war ehrlich, er hatte ihr ganz offen gesagt, dass er nur einen Monat ihrer Zeit wollte, keine Liebe, keine Gefühle.

Trotz allem, wenn sie sich auf das Abenteuer einließ, ging sie mit einem Mann ins Bett, weil er ihr Geld dafür zahlte.

Sie stieg aus der Duschkabine und betrachtete ihr Spiegelbild. „Ich kann nicht fassen, dass du immer noch darüber nachdenkst.“

Hätte sie mit ihm geschlafen, wenn er nicht vorher mit dem Vorschlag herausgeplatzt wäre? Vielleicht. Nein, sehr wahrscheinlich. Denn als er sie geküsst hatte … Keinen Moment hatte sie daran gedacht, Nein zu sagen.

Nein, nein, nein, dachte sie gereizt. Du brauchst den Mann bis zur Hochzeit nicht wiederzusehen. Also vergiss ihn und sein unmoralisches Angebot. Er ist zu gefährlich für dich. Kleine Mädchen wie dich verspeist er zum Frühstück.

Zwanzig Minuten später schlüpfte sie in eins der Sommerkleider, die sie sich geleistet hatte, bevor sie entlassen worden war. Es war mintgrün und ging ihr bis knapp zu den Knien. Eilig zog sie ihre Sandaletten an, riss die Tür zum Wohnzimmer auf und blieb erschrocken stehen. Der Mann, dem sie auf gar keinen Fall in Monaco begegnen wollte, saß am Wohnzimmertisch und trank Kaffee. „Was machen Sie denn hier?“

Selbstsicher stellte Philippe seine Kaffeetasse ab und stand auf. Sein Blick glitt gemächlich über ihren Körper. Stacy konnte nicht anders, auch sie musterte ihn mit größtem Interesse. Bis jetzt hatte sie ihn noch nicht in sportlicher Kleidung gesehen. Das kurzärmelige weiße Hemd, das seine muskulösen Arme zeigte, und die khakifarbene Hose, die seinen flachen Bauch und die schmalen Hüften perfekt zur Geltung brachte, standen ihm sogar noch besser als Anzug und Krawatte. Was für ein Mann.

Bonjour, Stacy. Ich bin heute Ihr Chauffeur.“

Sie ertappte sich dabei, wie sie seine Lippen beim Sprechen beobachtete und sich dabei erinnerte, wie sie sich auf ihrem Mund angefühlt hatten. Erst allmählich drang der Sinn seiner Worte in ihr Bewusstsein. Entsetzt sah Stacy Candace an und dann ihn. „Was?“

Ihre Freundin lächelte selbstzufrieden. „Habe ich nicht erwähnt, dass Philippe meinem Zukünftigen von dem Haus erzählt hat?“

„Nein, das hast du nicht. Aber das macht nichts. Jetzt hast du ja deine zweite Meinung und brauchst mich nicht mehr.“

„Machst du Witze? Nichts für ungut, Philippe, aber Sie sind ein Mann. Und ich brauche die Meinung einer Frau.“

„Aber natürlich“, meinte er nur und lächelte gutmütig.

Am liebsten wäre Stacy auf der Stelle in ihr Zimmer geflüchtet und hätte dort abgeschlossen.

„Bitte, Stacy“, sagte Candace beschwörend.

Sie unterdrückte ein Stöhnen. „Na schön.“

Mit einer Hand wies Philippe auf den Kuchenteller, den er offenbar mitgebracht hatte. „Wir warten, bis Sie gegessen haben.“

Wenn sie jetzt etwas zu sich nahm, wurde ihr ganz bestimmt übel. Sie schenkte sich nur ein Glas Orangensaft ein und leerte es in nicht besonders damenhafter Eile. „Ich bin fertig.“

Abrupt wandte sie sich von ihm ab, und kurz darauf gingen sie gemeinsam hinunter ins Foyer. Nebeneinander warteten sie darauf, dass jemand Philippes Wagen vorfuhr. Als Candace zum Geschenkladen ging und die Auslage des Schaufensters begutachtete, nutzte Philippe die Gelegenheit, um mit Stacy zu reden.

„Haben Sie gut geschlafen?“, fragte er leise.

„Natürlich“, log sie, ohne ihm in die Augen zu sehen.

„Ich habe jedenfalls überhaupt nicht gut geschlafen, weil ich ständig an Sie denken musste. Jeder Luftzug, der in mein Zimmer drang, fühlte sich an wie Ihre Lippen auf meiner Haut.“

Sie hielt den Atem an, ihr Puls beschleunigte sich mit einem Mal heftig. „Sie haben gesagt, ich bräuchte Sie nach einem Abendessen nicht wiederzusehen.“

„Nein, ich sagte, Sie bräuchten mich dann nicht mehr allein wiederzusehen, mon gardénia.

„Hören Sie auf damit. Ich bin nicht Ihre … was auch immer.“

„Sie werden es noch.“ Die Selbstsicherheit in seiner Stimme brachte Stacy noch mehr aus der Fassung. „Ich kann es kaum erwarten, dich in mein Bett zu kriegen, Stacy.“

Mühsam schluckte sie. „Machen Sie sich keine allzu großen Hoffnungen.“

Eine teuer aussehende schwarze Limousine hielt vor dem Hotel. Während Philippe zur Fahrerseite ging, kam ein Page, um den Frauen die Wagentüren zu öffnen. Stacy wollte auf dem Rücksitz Platz nehmen, aber Candace stellte sich ihr in den Weg. „Setz du dich lieber nach vorn, Stacy. Die Haarnadelkurven machen mich ein wenig nervös, ich sitze deshalb lieber hinten. Heute Morgen war mein Magen etwas empfindlich, weißt du“, flüsterte sie.

Stacy gab sich geschlagen und setzte sich auf den Ledersessel neben Philippe. Obwohl die Konsole zwischen ihnen war, spürte sie die Nähe zu ihm überdeutlich. Seine Hand lag auf dem Schaltknüppel. Sie wirkte plötzlich irgendwie größer und seine Schultern breiter, überhaupt kam er ihr im engen Raum des Wagens beeindruckender vor. Mit jedem Atemzug nahm sie sein Eau de Toilette wahr.

Als er sich ihr zuwandte, sahen sie sich einen langen Moment atemlos in die Augen. „Schnallen Sie sich an, Stacy.“

Sie griff nach dem Gurt, und dann fuhr Philippe los, fort von der Küste und hinauf in die Berge. Obwohl sie sich beim Anblick der steil abfallenden Klippen unbewusst am Sitz festhielt, fand sie die Aussicht atemberaubend.

„Sehen Sie Larvotto?“, fragte er später. Unter ihnen schimmerte das blaugrüne Mittelmeer in wunderschönen Buchten.

„Ja“, antwortete sie, da Candace gar nicht reagierte. Nachdem Stacy sich umgedreht hatte, sah sie, wie blass ihre Freundin war. „Philippe, könnten Sie ein Fenster öffnen?“

Bien sûr.“ Er sah in den Rückspiegel und drückte auf einen Schalter, woraufhin die Fensterscheiben leise herunterglitten. Dann drosselte er die Geschwindigkeit und bog in eine von Bäumen gesäumte Straße, die aus dem Fels gehauen zu sein schien. „Candace, vous allez bien?

„Äh … oui. Es geht mir gut.“ Was eindeutig nicht stimmte. „Sind wir bald da?“

Er hielt kurz an. „Wir sind da, aber mein Haus ist nicht weit entfernt, falls Sie sich hinlegen wollen.“

„Nein, wenn ich ausgestiegen bin, wird es mir gleich besser gehen.“

Behutsam lenkte er den Wagen in eine Auffahrt, die zu einem cremefarbenen, mit Stuck verkleideten Haus führte. Es hatte ein rotes Ziegeldach und erinnerte Stacy an eine Reklame für Ferienhäuser am Mittelmeer. Sie stieg aus und sah nach Candace.

„Wer hätte gedacht, dass mir schwindlig wird, nur weil ich schwanger bin?“, flüsterte Candace und versuchte zu lächeln. Sie hakte sich bei Stacy unter, und beide folgten Philippe einen Steinweg entlang bis zum Eingang.

Nachdem er einen Schlüssel aus der Tasche gezogen und aufgeschlossen hatte, bedeutete er ihnen hineinzugehen. Stacy ließ Candace den Vortritt. Philippe hielt Stacys Hand fest und hielt sie zurück. „Liegt es an ihrer Schwangerschaft?“, fragte er.

Sie blinzelte ihn an. „Sie wissen das?“

„Ja. Vincent hat mich gebeten, ein Auge auf sie zu haben. Also werden Sie mir leider häufig über den Weg laufen, Stacy.“

Keine guten Neuigkeiten. Sie befreite sich aus seinem Griff. „Sie glaubt jedenfalls, dass es an der Schwangerschaft liegt.“

Fragend sah er sie an. „Est-ce que c’est possible?“

„Ich habe keine Ahnung. Ich kenne mich mit Schwangerschaften nicht aus.“

Er nickte und begleitete sie ins Haus. Für Stacy, die ihr Leben lang in schlichten Unterkünften gelebt hatte, war das Haus ein Palast. Sie wagte nicht einmal, sich vorzustellen, wie viel es kostete.

Bewundernd ging sie mit Candace durch die Villa. Inzwischen hatte Candace sich genügend erholt, um ein hinreißendes Zimmer nach dem anderen zu begutachten. Als die Frauen ins Wohnzimmer zurückkehrten, öffnete Philippe die Tür zur Terrasse, die hinter dem Haus lag. Interessiert ging Candace hinaus, um jede Ecke und jeden Winkel des Gartens zu erforschen.

Stacy blieb auf den Steinplatten der Terrasse stehen und ließ den Blick begeistert über die vielen blühenden Blumen wandern. Der Garten erstreckte sich auf zwei Ebenen. Die eine war mit zahlreichen Rosensträuchern bepflanzt, auf der anderen gab es einen Swimmingpool.

„Incroyable, n’est-ce pas?“ Philippe stand direkt hinter ihr. Und bevor sie reagieren konnte, legte er die Arme um sie. Sie konnte nicht ausweichen, weil sie dicht vor dem Geländer stand. Schon wieder hatte er es geschafft, sie in eine Falle zu locken.

„Aber meine Aussicht ist noch schöner. Du wirst sehen“, sagte er mit tiefer Stimme; es klang fast zärtlich. Jedes Mal, wenn sie allein waren, duzte er sie, als könnte er sie so eher dazu bewegen, sich auf den Deal einzulassen. Stacy spürte, wie sie erschauerte und ihre Brustspitzen fest wurden. „Komm, wir müssen gehen. Ich glaube, Candace braucht dringend einen Stuhl und einen kühlen Drink.“

Er ließ sie los, und Stacy konnte ruhiger atmen. Wie konnte ein Mann, den sie kaum kannte, eine so starke Anziehung auf sie ausüben?

Ihre Freundin sah wieder blass aus, während sie die Terrassenstufen heraufkam. Dennoch winkte Candace ab, als Stacy besorgt zu ihr ging. Sie beschlossen weiterzufahren und gingen zum Wagen zurück.

Nach einer kurzen Strecke auf der Landstraße bog Philippe in eine Einfahrt.

Misstrauisch runzelte Stacy die Stirn. „Ist das Ihr Haus? Warum sind wir hergekommen?“

„Habe ich dir nicht gesagt, dass Philippe uns zum Kaffee eingeladen hat?“, fragte Candace vom Rücksitz.

„Nein, das hast du wohl vergessen“, erwiderte Stacy leicht gereizt.

„Oje, mein Fehler.“

Das glaubte Stacy eher nicht. Ihre Freundin wollte sie und Philippe verkuppeln, und besonders unauffällig ging Candace nicht vor. „Wie freundlich von ihm“, sagte Stacy trocken. Oder vielmehr, wie hinterhältig.

Das zufriedene Lächeln um seine Lippen versetzte sie beinahe in Rage. Der Mann war entschlossen, sie zu verführen. Und sie hatte das ungute Gefühl, dass er es gewohnt war, seinen Willen durchzusetzen. Und dann sah sie sein Haus. Ihr stockte der Atem.

Die große einstöckige Villa war in einem wunderschönen Sonnengelb gestrichen, die Zierleiste um den Balkon und die Bogenfenster glitzerte weiß im Morgenlicht. „Das ist palladianischer Stil, nicht wahr? Wie alt?“

„Stimmt. Das Haus wurde 1868 gebaut und seitdem sehr oft renoviert. Zum Schluss von mir. Sie haben Architektur studiert, Stacy?“

„Nein, ich lese nur gern.“

„Stacy ist ein ziemlicher Geschichtsfan“, warf Candace ein. „Über Monaco und das Mittelmeer hat sie vor unserer Abreise alles gelesen, was sie bekommen konnte.“

Stacy errötete. „Ihr Zuhause ist sehr schön, Philippe.“

Merci. Warten Sie, bis Sie das Haus von innen gesehen haben und natürlich den Garten. Der ist bei Mondlicht atemberaubend.“

Sein Blick ließ sie nicht los. Sie wusste, was Philippe sagen wollte. Wenn sie sein Angebot von gestern Abend annahm, könnte sie den Garten bei Mondlicht zu sehen bekommen. Ihr Puls beschleunigte sich. „Wie schade, dass wir das verpassen werden.“

Seine Augen funkelten amüsiert, und er stieg aus. Sobald er die Tür geöffnet hatte, stieß Candace ihre Freundin an. „Hör auf damit, Stacy.“

„Und du hör auf, hier die Kupplerin zu spielen.“

Galant hielt Philippe ihnen die Türen auf und wartete, dass sie ausstiegen. „Mesdemoiselles?“

Er half ihnen heraus und drehte sich zum Haus um. Zu Stacys Entsetzen hing ihr Blick mit einem Mal an seinem festen Po und den langen, muskulösen Beinen, während sie ihm zum Haus folgten. Die in Monaco gerade modernen engen Hosen sahen an bestimmten Männern wirklich sehr gut aus.

Nachdem er aufgeschlossen hatte, bat er sie mit einer weit ausholenden Armbewegung einzutreten. Candace ging voran, Stacy folgte ihr widerwillig.

Als Erstes fielen ihr die hohe Decken und sonnendurchfluteten Räume auf, die mit kühlem, glänzendem weißen Marmor ausgelegt waren. Breite Bogenübergänge verbanden die einzelnen Zimmer. Zu Stacys Linken gab es eine Wendeltreppe und davor zwei runde Marmorsäulen, die ein Foyer, das größer war als das Arbeitszimmer bei Stacy zu Hause, von einem Salon trennten – der Salon war größer als ihre ganze Wohnung.

Suchend sah sie zu Philippe und erkannte, dass er sie beobachtet hatte.

„Willkommen bei mir zu Hause.“

„Es ist …“ Hinreißend. Riesig. Einschüchternd. „… sehr nett.“

Er hatte ihr eine Million Euro angeboten, daraus hätte sie auf die Höhe seines Vermögens schließen können. Trotzdem hatte sie nicht begriffen, wie stinkreich er war. Die meisten Frauen wären sicher begeistert. Aber auf Stacy wirkte so viel Reichtum abschreckend.

„Wir können uns auf der Terrasse mit einem kühlen Getränk erfrischen, wenn Sie möchten.“ Er führte sie durch den Salon. Stacy ging hinter Candace durch den Raum. Zwischen schwarzen Ledersofas und – sesseln standen dunkle Holztische. Kostbare Teppiche in verschiedenen Farbtönen von Elfenbein, Schwarz und Rot bedeckten hier und da den Boden.

Rot. Es sah wie Blut auf dem weißen Marmor aus. Stacy schauderte und achtete darauf, keinen Fuß auf die roten Teppiche zu setzen.

Sie gingen durch die deckenhohen Balkontüren auf die große Terrasse hinaus, die die des anderen Hauses bei Weitem übertraf. Candace steuerte direkt auf den Swimmingpool am äußersten Ende der Terrasse zu und beugte sich über das Geländer. „Stacy, das musst du sehen. Das Wasser im Swimmingpool läuft über den Rand – wie ein Wasserfall!“

„Es sammelt sich in einem Whirlpool genau darunter“, sagte Philippe, trat zu Stacy und stand plötzlich dicht neben ihr. „Durch den Wasserfall kann von außen niemand in den Wellness-Bereich sehen. Und ich möchte dich genau dort lieben.“

Seine Frechheit machte sie sprachlos. Stacy suchte nach einer besonders vernichtenden Antwort, aber ihr fiel einfach nichts ein. Dazu schlug ihr Herz zu schnell. Ihre Hände wurden feucht und ihre Wangen rot. Und mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass sie sich nichts mehr wünschte, als von ihm geliebt zu werden.

Autor

Emilie Rose
Ihre Liebe zu romantischen Geschichten hat Emilie bereits im Alter von zwölf Jahren entdeckt. Zu der Zeit las sie einen Liebesroman nach dem anderen, sodass ihre Mutter die Bücher bald unter den Sofakissen versteckte, sobald Emilie ins Wohnzimmer kam.

Dabei verbrachte sie damals viel Zeit in der freien Natur, wenn sie...
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