Julia Exklusiv Band 287

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SCHENK MIR DEIN HERZ, KEINE DIAMANTEN von BAIRD, JACQUELINE
"Ich liebe dich", haucht Phoebe überglücklich, als der griechische Multimillionär Jed Sabbides sie nach ihrem berauschenden Liebesspiel mit einem kostbaren Diamantcollier überrascht. Doch kaum gesteht sie, dass sie schwanger ist, wird er vom heißen Liebhaber zum kalten Fremden …

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  • Erscheinungstag 21.07.2017
  • Bandnummer 0287
  • ISBN / Artikelnummer 9783733709273
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jacqueline Baird, Natalie Anderson, Cathy Williams

JULIA EXKLUSIV BAND 287

1. KAPITEL

Jed Sabbides setzte sich rastlos in seinem Sitz auf. Das Flugzeug begann mit dem Landeanflug. Endlich. Ein gewisser Teil seines Körpers machte sich bemerkbar, als er an die atemberaubende Phoebe dachte, die in London auf ihn wartete. Für drei volle Wochen hätte er in New York sein sollen, doch er hatte seinen Aufenthalt in Amerika um einen Tag verkürzt und seinen Terminkalender so umgelegt, dass er vom Londoner Büro aus arbeiten konnte, um sich mit Phoebe zu treffen. Pünktlich landete der Sabbides-Firmenjet nun in London Heathrow.

Samstagabend musste er in Griechenland sein, zum Geburtstag seines Vaters. Doch schon jetzt wusste er, dass eine einzige Nacht mit Phoebe nicht genug sein würde …

Jed runzelte die Stirn. Wann hatte er jemals seinen Terminkalender wegen einer Frau geändert? Bisher noch nie.

Dieses Eingeständnis erzeugte ein mulmiges Gefühl in ihm. Seine Gedanken wanderten zurück zu der Zeit, als er Phoebe zum ersten Mal begegnet war …

Im Erdgeschoss des Hotels, das er besichtigt hatte, um es eventuell aufzukaufen, blickte Jed hinüber zu der jungen Frau, die durch das Foyer ging. Einen Moment blieb er stehen, um sie genauer zu betrachten.

Ungefähr eins siebzig groß, fiel ihr das hellblonde Haar in weichen Wellen bis auf die Schultern. Schon im Profil war sie umwerfend, und der schlichte schwarze Rock und die weiße Bluse lenkten in keiner Weise von ihrer großartigen Figur ab. Sie glitt geradezu über den marmornen Boden, auf Beinen, die den Blutdruck eines jeden Mannes in die Höhe treiben würden.

Mit dem Blick folgte er ihr und sah, wie sie sich hinter den Empfangstresen stellte und sich lächelnd dem nächsten Gast zuwandte. Ihr Lächeln raubte ihm den Atem, seine Reaktion darauf erfolgte prompt und breitete sich im ganzen Körper aus. Momentan hatte er keine Beziehung, doch in dieser Sekunde beschloss er, dass dieses Mädchen ihm gehören würde. Nicht einen Moment zweifelte er an seinem Erfolg.

Er ging an den Tresen und erkundigte sich nach einem guten Restaurant. Sie legte ihren Kopf ein wenig in den Nacken, um ihn ansehen zu können, und er stellte fest, dass sie aus der Nähe noch schöner war. Sie hatte ein perfektes Gesicht mit feinen Zügen und samtener Haut, einen vollen Mund und strahlend blaue Augen, die sich jetzt unmerklich weiteten, als sie instinktiv sein Interesse spürte. Sie lief sogar rot an.

Jed lud sie spontan zum Dinner ein, doch sie lehnte ab. Es sei ihr nicht erlaubt, mit den Gästen auszugehen. Immerhin brachte er sie dazu, ihm zu erzählen, dass sie nur am Wochenende im Hotel arbeitete, um sich etwas für ihr Studium hier an der Universität – sie studiere Politik und Geschichte – hinzuzuverdienen.

So meldete er sich nur aus dem Hotel ab, kehrte aber am nächsten Tag zurück, um sie wiederum einzuladen, und dieses Mal nahm sie seine Einladung an.

Keine Frau hatte bisher eine Einladung von ihm ausgeschlagen, es war eine neue Erfahrung für ihn. Normalerweise stellten die Frauen ihm nach.

So wie es auch eine neue Erfahrung war, dass es über einen Monat dauerte, bevor er Phoebe in sein Bett bekam.

Hauptsächlich lag es daran, dass sie sich ein Haus mit drei anderen Kommilitonen teilte – zwei Frauen, Kay und Liz, und einem jungen Mann, John –, sodass es keinerlei Privatsphäre gab. Aber sie weigerte sich auch strikt, mit Jed in der Suite zu dinieren, die er hier in einem der Londoner Hotels der Familie Sabbides unterhielt. Sie fühle sich unwohl, so ihr Argument, als eine von den Frauen zu gelten, die für wenige Stunden mit Männern aufs Hotelzimmer gingen.

Phoebe stand kurz vor ihrem einundzwanzigsten Geburtstag, und ihre Jugend bereitete Jed ernsthafte Sorgen. Er konnte nicht beurteilen, ob ihre Zurückhaltung von echter Scham herrührte oder ob sie, wie so viele Frauen, darauf aus war, mehr von ihm zu erhalten, als er zu geben bereit war.

Die weitere Entwicklung ihrer Beziehung war purer Zufall. An einem Abend, an dem er sich wieder einmal frustriert von Phoebe verabschiedet hatte, traf er im Empire Casino im Herzen Londons einen alten Bekannten. Bei einem Drink erzählte der Mann ihm, dass er nach Amerika müsse und jemanden suche, der für die Zeit auf sein Apartment achtgebe und Marty, seinen Kater, versorge. Beim nächsten Treffen mit Phoebe fragte Jed, ob sie an dem Job interessiert sei. Er stellte sie seinem Bekannten vor, und als der Kater ihr laut schnurrend um die Beine strich, stimmte sie zu.

Es war die perfekte Situation, und endlich kam Jed weiter als nur bis zum Gutenachtkuss. Dennoch ließ Phoebe ihn noch immer einige weitere Tage warten. Doch Jed war ein Kenner, was die Frauen anbetraf, und so war er sicher, dass das Warten sich lohnen würde.

Die neue Situation reizte ihn … und Phoebe überraschte ihn. Sie war tatsächlich noch Jungfrau. Auch das war neu für ihn. Aber nicht nur war sie eine sehr gelehrige Schülerin, sie war auch die leidenschaftlichste Geliebte, die er je gehabt hatte …

Das war vor zwölf Monaten gewesen, wurde ihm jetzt jäh bewusst. Noch ein Novum für ihn. Er war dreißig, aber in seinem gesamten Erwachsenenleben war noch keine Geliebte so lange an seiner Seite geblieben. Seiner Erfahrung nach übte sein Vermögen den größten Reiz auf die Frauen aus. Sein Vater, der inzwischen zum vierten Mal verheiratet war, lieferte da den besten Beweis.

Nicht dass Jed sich daran störte. Mit fünfundzwanzig hatte er es aus eigener Kraft zum Multimillionär geschafft, dank des Internets. Als Student hatte er zuerst gepokert, dann an den Finanzmärkten gehandelt – was eigentlich nichts anderes als Glücksspiel war, nur dass er seinen messerscharfen Verstand an der Börse besser einsetzen konnte. Er hatte seine eigene Firma gegründet – JS Investments – und nie wieder einen Blick zurückgeworfen.

Bis er schließlich der Bitte seines Vaters zugestimmt hatte, in den Familienbetrieb einzusteigen. Seine eigene Firma führte er weiter, obwohl er schon bald die Leitung der Sabbides Corporation übernommen hatte – Hotels und Freizeitindustrie weltweit. Das Geschäft lief mit enormem Erfolg, doch Jeds Beziehung zu seinem Vater, schon immer schwierig, hatte sich mehr und mehr verschlechtert.

Wenn Jed etwas von seinem Vater gelernt hatte, dann, dass die Ehe nichts für ihn war und er sein Intimleben strikt von Geschäft und Familie getrennt hielt. Seine Beziehungen dauerten nie länger als ein paar Monate. Die mit Phoebe war bis jetzt also die längste. Als er ihr direkt zu Anfang seine Einstellung zur Ehe erklärt hatte, hatte sie nur gelacht. Das Letzte, worauf sie spekuliere, sei eine Ehe. Sie wolle ihren Abschluss machen, eine Karriere für sich aufbauen und – hoffentlich – um die ganze Welt reisen. Hatte er auf ihre Frage nach seinem Beruf nur geantwortet, er sei Geschäftsmann, hatte ihre Freundin Liz in den Zeitungen von dem „griechischen Tycoon“ – eine Bezeichnung, die er verabscheute – gelesen und ihr davon berichtet.

Dennoch schien es für Phoebe keinen Unterschied zu machen. In all der Zeit, die sie miteinander verbrachten, hatte sie ihn nie um etwas gebeten und auch keine Versprechen von ihm verlangt. Er war auch ziemlich sicher, dass sie keine Hintergedanken hatte. Also brauchte er sich um nichts Sorgen zu machen. Ein Jahr, vielleicht zwei … solange die Leidenschaft anhielt, gehörte Phoebe ihm.

Vor sieben Wochen hatte sie ihr Examen bestanden und ihn zur Abschlussfeier eingeladen. Ihre Tante wollte auch anwesend sein. Er vermied es grundsätzlich, Angehörige seiner Freundinnen kennenzulernen. Und da er sowieso nach New York musste, war das die perfekte Entschuldigung gewesen, nicht hinzugehen.

Er hatte sie an dem Morgen angerufen, ihr viel Spaß gewünscht und ihr gesagt, dass er eine Überraschung für sie habe. Er hatte schon oft Geschenke für sie gekauft, und sie hatte ihre Dankbarkeit im Bett gezeigt. Dieses Mal hatte er eine wunderschöne Diamantkette ausgewählt … denn wenn er ehrlich war, hatte er ein schlechtes Gewissen wegen ihrer Abschlussfeier.

Aber nun kam er ja einen Tag früher an, und das, so konnte er ohne Einbildung behaupten, würde Phoebe freuen.

Das Flugzeug war zum Stehen gekommen. Jed richtete seine Krawatte, erhob sich und zog sein Jackett über. Groß, mit breiten Schultern, dunkelhaarig und extrem attraktiv, war er sich seiner männlichen Wirkung durchaus bewusst. Er nahm seinen Laptop, lächelte der Stewardess noch einmal zu und ging von Bord der Maschine.

Phoebe drehte das Wasser ab und stieg aus der Dusche. Es war nach neun. Sie wollte früh zu Bett gehen, um frisch und ausgeruht zu sein, wenn Jed morgen ankam.

Bei dem Gedanken flatterte es in ihrem Magen.

Das Badelaken in der Hand, betrachtete sie sich im Spiegel. Wie lange würde sie diese schlanke Figur noch haben? Vorfreude breitete sich in ihr aus.

Sie musste Jed erst noch sagen, dass sie schwanger war.

Jed Sabbides war als Finanzier erfolgreich und zudem die treibende Kraft hinter dem Thron der Sabbides Corporation. Von Anfang an hatte sie vermutet, dass er enorm reich sein musste, schon wegen seines selbstsicheren Auftretens. Deshalb hatte sie ja anfangs auch solche Scheu gehabt. Er spielte weit außerhalb ihrer Liga. Aber sie war hoffnungslos verliebt, zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich verliebt … in ihn. Liz hatte ihr nicht nur von dem riesigen Vermögen berichtet, sie hatte sie auch davor gewarnt, den Job als Haussitter anzunehmen. Weil Jed nichts anderes damit bezwecke, als sich eine bequeme und immer zur Verfügung stehende Gespielin in London zu halten.

Wie sehr Liz sich doch irrte.

Nun, es stimmte, dass sie und Jed schon bald, nachdem sie in diese Wohnung umgezogen war, miteinander geschlafen hatten, aber Jed respektierte sie und wohnte in seiner Suite in dem Londoner Luxushotel der Sabbides-Kette. Natürlich hatte er übers Jahr das eine oder andere Teil von sich hier in der Wohnung gelassen, aber sie wohnten nicht zusammen. Er war viel unterwegs, teilte seine Zeit zwischen zwei Kontinenten. Und auch wenn er nicht viel von seiner Arbeit erzählte, so war er definitiv ein Workaholic. Phoebe hatte nicht lange gebraucht, um das herauszufinden. Aber er hatte ihr von seiner älteren Schwester und deren beiden kleinen Töchtern erzählt, die er anbetete. Das war doch sicher ein gutes Zeichen, oder? Er würde das Baby ebenso sehr wollen wie sie, davon war sie überzeugt.

Selbst jetzt, nach zwölf Monaten, konnte sie noch immer nicht den Blick von ihm wenden, genau wie damals, als sie an den Wochenenden an der Hotelrezeption gearbeitet und ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Bei seinem Anblick war ein Prickeln durch ihren Körper gefahren, das sie bis dahin noch nie gefühlt hatte. Sie hatte gemerkt, wie ihr das Blut in die Wangen geschossen war. Auch heute noch spürte sie manchmal die Hitze in ihrem Gesicht brennen …

Phoebe Brown … vielleicht schon bald Phoebe Sabbides. Einen Moment lang erlaubte sie es sich, von der Zukunft zu träumen. Sie griff nach einem Handtuch und rubbelte sich das Haar trocken.

„Aah!“

Eine Hand legte sich auf ihre Schulter, das Handtuch versperrte ihr die Sicht. „Wer, zum Teufel …!“

Handtuch und Haar waren vergessen, als sie Jed anschaute. Ihr Puls beschleunigte sich. Groß, dunkel und attraktiv – diese Beschreibung tat ihm nur unzureichend Genüge. Er strahlte eine dynamische Energie aus, besaß eine Präsenz, die die Blicke aller Männer und Frauen anzog – vor allem die der Frauen. Und wieso auch nicht, dachte Phoebe. Er sah überwältigend aus.

„Jed!“

Er grinste sie an. „Wen sonst hattest du denn in deinem Bad erwartet?“ Das Badelaken fiel zu Boden, seine Hände strichen fieberhaft über ihre Seiten, seine lachenden Augen wurden dunkel. „Davon träume ich seit Wochen.“ Sein Blick kam auf ihre vollen Brüste zu liegen, auf die rosigen Spitzen, die sich aufgerichtet hatten. „Aber die Realität übersteigt bei Weitem meine wildesten Träume.“

„Oh, Jed, ich habe dich so vermisst.“ Mit einem Seufzer schlang Phoebe die Arme um seinen Nacken. Er beugte den Kopf und nahm ihren Mund in Besitz. Der Kuss drückte all ihre Leidenschaft füreinander aus, so lange zurückgehalten und unterdrückt in der Zeit, die sie sich nicht gesehen hatten.

Er streichelte ihren Rücken, zog sie fest an sich heran. Dann beugte er sie über seinen Arm zurück und reizte erst die eine vorwitzige Knospe mit Zunge und Lippen, dann die andere.

„Verdammt, Phoebe, ich kann nicht länger warten.“

Ihre Finger wühlten in seinem Haar, dann ließ sie die Hand in den offen stehenden Kragen seines Hemdes gleiten, gierte danach, endlich wieder die Wärme seiner samtenen Haut zu fühlen. Sie konnte die Röte auf seinen Wangen sehen, sah das verlangende Glitzern in seinen braunen Augen und ließ ihre Hand weiter an seinem Körper hinabwandern, bis sie den Beweis seiner Erregung fühlte. Sie wusste genau, was er meinte.

Denn auch sie wollte nicht mehr warten. So lange waren sie noch nie voneinander getrennt gewesen. Die Hitze zwischen ihren Schenkeln war unwiderlegbarer Beweis für ihr Verlangen nach ihm.

Jed schob ihre Hand fort und drängte sie gegen die Wand zurück. Ein schneller Handgriff, und der Reißverschluss seiner Hose bildete kein Hindernis mehr. Beide Hände an ihren Po gelegt, hob er sie hoch. Sie schlang die Beine um seine Hüften …

In fiebriger Hast verschmolzen sie miteinander.

Die Hände hinter seinem Nacken verschlungen, hieß Phoebe seinen Hunger willkommen. Ihr ganzer Körper pulsierte, als der Rhythmus immer heftiger wurde. Sie fühlte die Ekstase heranziehen und schrie seinen Namen heraus. Mit einem letzten wilden Stoß riss er sie beide über die Klippe, hinein in den Strudel eines überwältigenden Höhepunkts.

Ihr Kopf fiel an seine Schulter, ihr Atem ging rasselnd. Sie konnte seinen hämmernden Herzschlag an ihrer Brust fühlen, und lange Zeit war sie zu keiner noch so winzigen Bewegung fähig.

„Verzeih, Phoebe.“ Seine Stimme klang rau. Phoebe hob den Kopf und schaute in seine glühenden Augen. „Aber ich habe dich so sehr gebraucht.“

„Ich dich auch“, murmelte sie an seinen Lippen, als er sie vorsichtig auf den Boden stellte. Er stützte sie mit einem Arm um die Taille, als ihre Beine sie nicht recht tragen wollten. „Alles in Ordnung mit dir?“

„Mir geht’s bestens, vor allem jetzt. Ich brauche dich nur anzusehen, um dich schon wieder zu wollen“, gab sie freimütig zu.

„Behalte den Gedanken im Kopf, während ich mir das hier ausziehe.“ Mit einem trockenen Grinsen sah er auf seine Hose, die bis auf seine Knie gerutscht war.

Phoebe sah ihm zu, wie er sich auszog. Mein eigener griechischer Gott, war alles, was sie denken konnte. Jed war eins neunzig große Perfektion. Das schwarze, leicht lockige Haar, das sie mit ihren gierigen Fingern zerzaust hatte. Die hellbraunen Augen, die in der Hitze der Leidenschaft fast schwarz wurden. Die gerade Nase, der sinnliche Mund, das markante Kinn. Sie könnte dieses Gesicht ewig anschauen, doch die breiten Schultern, der flache Bauch, die schmalen Hüften, die langen muskulösen Schenkel und die gold getönte Haut übten eine zu große Faszination aus. Jed faszinierte sie, anders ließ es sich nicht ausdrücken.

„Gefällt dir, was du siehst?“

Ertappt hob sie den Blick. Selbst jetzt, nach all der Zeit, wurde sie noch immer rot.

„Ja.“ Gefallen? Sie liebte ihn. Vielleicht war jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, um ihm die Neuigkeit mitzuteilen. Doch bevor sie die passenden Worte finden konnte, hatte er sie schon auf seine Arme gehoben und trug sie zum Schlafzimmer.

„Jed, warte … willst du nach der langen Reise nicht erst etwas trinken oder essen? Und wieso bist du überhaupt schon hier? Einen Tag früher?“

„Weil ich nicht einen Tag länger warten konnte. Alles, was ich will, bist du.“ Er legte sie auf das Bett und streckte sich neben ihr aus.

Überwältigt von seinem Verlangen nach ihr, streckte sie die Arme nach ihm aus. Was dann folgte, war eine Nacht wie keine andere zuvor. Sie liebten sich mit einer Intensität, die Phoebe schier zum Wahnsinn trieb. Jede Zurückhaltung, die noch in ihr verblieben war, löste sich auf. Jed führte sie in eine ihr bisher unbekannte Welt, trieb sie von einem Gipfel zum nächsten. Es war, als könnte er nicht genug von ihr bekommen – und sie nicht von ihm.

Stunden später lag sie matt und ausgelaugt in seinem Arm, ohne Schlaf zu finden. Sie wandte den Kopf, schaute in sein geliebtes Gesicht und fragte sich, ob ihr Kind aussehen würde wie er. Dann drängte sich ein anderer Gedanke vor. Er hatte von einer Überraschung gesprochen. Dumm, aber insgeheim hoffte sie darauf, dass es vielleicht ein Ring sein könnte. Dass er vielleicht um ihre Hand anhielt, bevor sie ihm von der Schwangerschaft erzählte.

„Ich kann die Gedanken hinter deiner Stirn wirbeln sehen, Phoebe. Was ist los?“, fragte er sie.

Eine Hand auf seiner Brust, richtete sie sich leicht auf und blickte in seine schläfrigen Augen. „Nichts. Ich überlegte nur gerade, ob du mit der Überraschung, die du erwähntest, deine frühere Rückkehr meintest. Denn das war die beste Überraschung überhaupt.“ Sie küsste ihn.

„Immer gern zu Diensten, aber … nein.“ Er rollte sie auf den Rücken und stand auf. „Bleib, wo du bist. Ich bin gleich zurück.“

Sie folgte ihm mit dem Blick, wie er nackt das Schlafzimmer verließ und keine Minute später mit einem schwarzen Lederetui in der Hand zurückkam.

„Das hier ist für dein bestandenes Universitätsexamen.“ Er hob den Deckel und entnahm dem Etui ein faszinierend schönes Diamantcollier aus Platin, das er ihr um den Hals legte. „Und für dein Examen im Schlafzimmer.“ Zart umfasste er ihre Brüste und reizte die Spitzen. „Ich hätte nie gedacht, dass es noch schöner werden kann, aber ich habe mich geirrt. Ich habe mich selbst überrascht, und du bist jeden Schritt mit mir gegangen und hast mich noch mehr überrascht, mein kleines hemmungsloses Weib.“

„Danke, Jed“, murmelte sie. „Die Kette ist atemberaubend.“ Sie schaute auf die Kaskade von Edelsteinen an ihrem Hals, um die Enttäuschung nicht zu zeigen. Doch als sie dann seine Hände sah, die ihre Brüste liebkosten, verdrängte erneutes Verlangen jedes andere Gefühl. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und strich mit ihren Lippen über seinen Mund. „Ich liebe dich“, sagte sie schlicht.

Sie hatte diese Worte schon oft zu ihm gesagt. Doch plötzlich wurde ihr klar, dass Jed es noch nie zu ihr gesagt hatte. Er hatte sie schön genannt, hatte auch immer wieder gesagt, dass er ihren Körper liebe. Sie hatte immer angenommen, dass er „Ich liebe dich“ wohl in Griechisch zu ihr gesagt haben musste, denn das war die Sprache, die er sprach, wenn die Leidenschaft ihn mitriss. Doch jetzt war sie sich nicht mehr so sicher …

Sei nicht albern, ermahnte sie sich. Nach dieser Nacht war sie ganz bestimmt nicht länger die errötende Unschuld. Und deshalb entschied sie, dieses Mal die Initiative zu übernehmen …

Phoebe wachte am nächsten Morgen auf und seufzte zufrieden über das Gefühl einer liebkosenden Hand an ihrer Brust und dem eindeutigen Beweis männlicher Erregung an ihrem Po.

„Ah, Phoebe. Du fühlst dich so gut an“, murmelte Jed heiser an ihrem Ohr und ließ seine Hand weiter über ihren Bauch zu ihrem Schoß wandern.

Sie rekelte sich genüsslich und streckte sich aus, um es sich bequem zu machen. Doch ihr Magen hatte andere Vorstellungen, für Bequemlichkeit blieb keine Zeit. Mit hektisch wedelnden Armen sprang Phoebe aus dem Bett und stürzte zum Bad.

„Phoebe, was zum Teufel ist los?“, hörte sie Jed ihr nachrufen.

Sie konnte ihm jetzt nicht antworten. Sie schloss die Tür und drehte den Wasserhahn auf. Vielleicht würde ein Glas Wasser helfen …

Eine vergebliche Hoffnung. Zwei Sekunden später lag sie auf den Knien vor der Toilette und würgte erbärmlich – allerdings ohne Resultat.

Langsam richtete sie sich wieder auf. Sie wusch sich den Mund aus und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Vielleicht hatte sie ja Glück, vielleicht würde die morgendliche Übelkeit bald vorüber sein.

Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als sie sich in dem großen Spiegel betrachtete. Noch sah man ihr die Schwangerschaft nicht an, sie sah lediglich aus wie eine Frau, die eine exquisite Liebesnacht hinter sich hatte. Alle Zeichen dieser Nacht waren zu sehen, einschließlich der diamantenen Halskette.

„Phoebe?“

Sie hörte, wie er nach ihr rief. Und weil sie sich so unglaublich wohl und sicher nach dieser Nacht fühlte, beschloss sie, dass es der richtige Zeitpunkt war, um Jed von der Schwangerschaft zu erzählen. „Komme gleich“, rief sie aufgeräumt und wickelte ein Badelaken um sich, bevor sie ins Schlafzimmer zurückging.

„Was hast du so lange gemacht?“ Humor blitzte in seinen Augen – und unverhohlenes Verlangen. „Ich warte noch immer auf meinen Sex am Morgen“, meinte er grinsend.

„Und ich …“, sie erwiderte sein Grinsen und ging auf ihn zu, „… bin schwanger. Ich dachte, ich müsste mich übergeben, aber jetzt geht es mir wieder gut.“

Sie konnte mitverfolgen, wie das erwartungsvolle Glühen in seinen Augen jäh erlosch. Ein gewisser Teil seines Körpers hatte ebenfalls alle Erwartung verloren. Sie sah es, als er sich ruckartig aufsetzte, die Beine aus dem Bett schwang und aufstand.

„Jed …?“

Sie wollte noch mehr sagen, doch seine Miene ließ sie verstummen. Die Veränderung vom heißen Liebhaber zum kalten Fremden hätte nicht deutlicher sein können. Lange starrte er sie an, und sie erbebte. Doch dieses Mal nicht aus Leidenschaft, sondern weil die ungute Vorahnung sie erdrücken wollte.

2. KAPITEL

Schwanger. Phoebe war schwanger. Unmöglich. Er hatte immer für den nötigen Schutz gesorgt. Doch hatte sie das auch?

Wut stieg in ihm auf, so heiß, dass sie ihn blendete. Er zählte bis zehn, doch es half nicht. Erst als er bei hundert angekommen war, vertraute er sich so weit, dass er sich zu ihr umdrehte.

„Du bist wahrscheinlich sehr überzeugt davon, dass es zwischen uns beiden gut läuft.“ Zynismus troff aus jeder Silbe. Noch immer hatte er Mühe, seine Selbstbeherrschung zu wahren. „Mit einer Diamantkette um deinen schlanken Hals und schwanger mit einem Kind, das vermutlich von mir sein soll, oder?“

„Natürlich ist das Baby von dir.“

Er konnte es nicht fassen. Er hatte sich von Phoebes sogenannter Unschuld einfangen lassen und war auf den ältesten Trick der Welt hereingefallen.

„Du weißt, dass du der einzige Mann bist, mit dem ich je geschlafen habe. Ich liebe dich … Ich dachte, du liebst mich auch.“

„Du hast dich geirrt. Ich glaube gar nicht an die Liebe.“

„Wieso bist du so?“ Mit verwirrt aufgerissenen Augen starrte sie ihn an.

„Wieso? Weil ich keine Lust habe, mich durch einen Trick zum Vater machen zu lassen“, lautete seine Antwort. „Denk mal zurück. Ich habe immer für Schutz gesorgt – bis du vorgeschlagen hast, du würdest die Pille nehmen. Ich habe dich zu einem befreundeten Arzt geschickt, habe sogar mit Dr. Marcus arrangiert, er soll dir die Rezepte zuschicken, damit du sie nicht abholen musst. Auf meiner Seite liegt der Fehler also nicht. Dann sage mir doch bitte, wann diese ungewollte Schwangerschaft zustande gekommen sein soll.“

Welche Reaktion Phoebe sich auch immer ausgemalt hatte, damit hatte sie nicht gerechnet. Der kalte, zynische Fremde, der da vor ihr stand, hatte nichts gemein mit dem Jed, den sie zu kennen und zu lieben geglaubt hatte. Schockiert antwortete sie schlicht die Wahrheit. „Das Wochenende in Paris. Ich habe vergessen, die Pille einzupacken.“

„Das hätte ich mir denken müssen.“ Nicht länger von Sex abgelenkt, begann sein analytischer Verstand zu arbeiten. Jed zählte zwei und zwei zusammen und erkannte Phoebes hinterlistigen Plan. „Das einzige Mal, dass du dich über irgendetwas beschwert hast, war, als ich nach Ostern aus Griechenland zurückkehrte. Du hast dich beklagt, dass ich dich nirgendwo mit hinnehme und dass du noch nie in Paris warst. Also habe ich dich nach Paris mitgenommen. Jetzt willst du mir weismachen, du hättest vergessen, die Pille einzupacken? In den ganzen drei Tagen in Paris hast du kein Wort davon gesagt. Wie ausgesprochen günstig für dich“, spottete er beißend. „Das war Ende April, jetzt haben wir Anfang Juli. Das heißt, du musst jetzt im dritten Monat schwanger sein.“

„In der elften Woche“, ergänzte sie leise. Vielleicht lag es ja nur an dem Schock, weshalb Jed sich wie das größte Scheusal der Welt benahm, versuchte sie sich einzureden.

„Und warum hast du es mir nicht schon früher gesagt? Nein, lass mich raten. Du wolltest warten, bis du dein Examen bestanden hast. Nur hattest du nie vor, auch tatsächlich eine Karriere zu verfolgen, sondern dich auf meine Kosten ins gemachte Nest zu setzen. Du bist eine sehr intelligente Frau, Phoebe, dein Timing ist absolut perfekt. Aber ich lasse mich von niemandem zum Narren halten. Diese berauschende Nacht sollte mich wohl nachgiebig stimmen, damit ich dich heirate, oder? Nun, du hast dich getäuscht. Kein Mann heiratet seine schwangere Geliebte.“

Wie betäubt hörte Phoebe seine Anschuldigungen. Hielt er sie wirklich für so hinterhältig und kalkulierend? Und was die Bezeichnung ‚Geliebte‘ betraf … das war der letzte Tropfen. „Ich war nie deine Geliebte. Für keinen Mann der Welt will ich lediglich die Geliebte sein. Ich dachte, du wärst mein Freund. Ich dachte …“

„Komm schon, Phoebe“, fiel er ihr ins Wort. „So naiv kannst du nicht sein. Ich habe dir dieses Apartment beschafft.“

„Ja, als Haussitter für deinen Freund und damit ich mich um Marty kümmere.“

„Er hat mir die Wohnung drei Monate nach seiner Abreise verkauft, einschließlich des Katers. Scheinbar hat er ein anderes Schmusekätzchen gefunden. Hoffentlich eines, das nicht so berechnend ist wie du.“

„Berechnend?“, schrie sie auf. „Wie kannst du so etwas sagen, nach allem, was wir zusammen hatten?“

„Sehr einfach sogar. Ich habe dir ein Auto, Schmuck und Kleider gegeben. Ein Ehering gehörte nie zum Angebot. Das wusstest du von Anfang an. Wenn du meinst, du kannst mich mit einem Kind einfangen, das nie auf meiner Agenda stand … überleg lieber noch einmal genauer.“

Phoebe ließ sich auf die Bettkante sinken. Plötzlich verstand sie mit erschreckender Klarheit all die kleinen Dinge, die immer an ihr genagt hatte, ergaben jetzt einen Sinn. Kein Wunder, dass er sie nie nach Griechenland eingeladen hatte, um seine Familie und seine Freunde kennenzulernen, kein Wunder, dass er Tante Jemma nie hatte treffen wollen. Immer hatte er eine Ausrede gefunden, wenn ihre Tante aus Dorset nach London zu Besuch gekommen war. Jed war mit ihr ausgegangen, hatte sie beschenkt und mit ihr geschlafen. Doch während sie sich hoffnungslos in ihn verliebt und sich eingeredet hatte, er sei ihr Freund, hatte er sich nur eine Geliebte in London gehalten.

Ein anderer Gedanke schlug mit Wucht auf sie ein. Wenn sie nur seine Geliebte in London war, wie viele andere hielt er sich noch? In anderen Städten?

Sie ließ den Kopf hängen, ihre Schultern fielen herab, während sie mit den Tränen kämpfte. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Wie hatte sie sich nur so sehr in Jed irren können, in ihrem ersten und einzigen Mann?

Liz hatte die ganze Zeit über recht gehabt …

Jed schaute zu Phoebe. Dass sie vollkommen am Boden zerstört war, ließ sich nicht übersehen. Der erste Schock und die erste unbändige Wut in ihm hatten sich gelegt. Sollte sie wirklich schwanger sein, würde er sich natürlich um sie kümmern. Aber erst würde er sich von Marcus bestätigen lassen, dass das Kind wirklich von ihm war, bevor er überhaupt an eine Heirat dachte. Sein Kind würde nicht außerehelich geboren werden. Ehe, wiederholte er abfällig in Gedanken. Eine Ehe bedeutete unweigerlich das Ende seiner Junggesellenfreiheit.

Er hatte jetzt keine Zeit, sich mit Phoebe zu beschäftigen. In einer Stunde fand ein wichtiges Meeting statt.

Jed ging zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter. Dass sie diese ruckartig abschüttelte, verärgerte ihn erneut. „Für so etwas habe ich jetzt keine Zeit. Der ganze Tag ist verplant mit Meetings, und morgen Abend muss ich in Griechenland sein, zur Geburtstagsfeier meines Vaters.“ Viel wichtiger jedoch war die Tatsache, dass sein Vater sich zur Ruhe setzte. Die Anwälte standen alle bereit, ab morgen Abend wäre Jed offiziell der Kopf der Sabbides Corporation. Doch das brauchte Phoebe nicht zu wissen. Was er geschäftlich machte, ging sie nichts an. „Vor meiner Abreise werde ich mit Marcus sprechen, mach dir also keine Sorgen. Er ist ein exzellenter Arzt und zudem absolut diskret. Er wird sich um deine Schwangerschaft kümmern. Ich komme natürlich für alles auf.“

Sie hob langsam den Kopf und starrte ihn lange an. Sie weinte nicht, im Gegenteil. Ihre blauen Augen blickten völlig leer. „Ich mache mir keine Sorgen.“ Sie senkte den Blick zurück auf ihre verschränkten Hände im Schoß.

„Gut.“ Noch nie hatte Jed Phoebe so erstarrt und leblos gesehen. Vielleicht sollte er etwas sagen … Aber diese Emotionen waren ihm fremd, und er selbst stand ebenfalls unter Schock. Daher sagte er nur: „Ich brauche eine Dusche“, und verschwand im Badezimmer.

Unter der Dusche hatte er Zeit zum Nachdenken. Vielleicht war er zu harsch zu Phoebe gewesen. Ob nun kalkuliert oder unbeabsichtigt – sie war trotz allem eine schwangere Frau. Zügig zog er sich an und ging, um nach ihr zu suchen. Er fand sie in der Küche, eine Tasse Tee in der einen Hand, mit der anderen streichelte sie den Kater, der sich auf ihrem Schoß zusammengerollt hatte. Sie liebte diesen verdammten Kater, während der Kater ihn selbst nicht einmal zur Kenntnis nahm. Was Jed aus einem unerfindlichen Grund nur noch mehr ärgerte.

„Ich muss gehen. Heute Abend besprechen wir die notwendigen Arrangements.“ Eine monatliche Unterhaltszahlung würde er wohl sofort für sie einsetzen müssen. Und was den Rest anbelangte … das würde er entscheiden, wenn die Vaterschaft feststand.

Phoebe hatte die Tasse abgestellt und sah zu Jed hin. Der maßgeschneiderte dunkelgraue Anzug saß makellos, dazu trug er ein blütenweißes Hemd und eine seidene Krawatte. Wie hatte sie sich je einbilden können, dieser Mann könnte ihr Freund sein? Jetzt war sie entsetzt über ihre Naivität. Letzten Monat war er dreißig geworden, sie hatte ihr Sparbuch geplündert und eine Kette mit einem massiv goldenen Herz aus dem neunzehnten Jahrhundert für ihn gekauft. Das Schmuckstück hatte sie in einem Antiquitätengeschäft gesehen und gehofft, Jed würde in dem Geschenk erkennen, dass sie ihm ihr Herz schenkte.

Himmel, wie dumm konnte man sein? Er hatte nie mehr als ihren Körper gewollt. Er war jeder Zoll der reiche und mächtige Tycoon, und sie … sie hatte im Wolkenkuckucksheim gelebt, wenn sie je etwas anderes geglaubt hatte.

Sie nickte nur stumm. Ein Wort an diesen … diesen skrupellosen, arroganten Widerling zu richten, war ihr unmöglich. Mit seiner Reaktion auf ihre Schwangerschaft hatte er ihr Herz in Fetzen gerissen, mit seiner Unterstellung, sie wäre eine gierige Goldgräberin, mit seinem Vorschlag, dass sein Arzt sich um die Schwangerschaft ‚kümmern‘ würde, so als wäre ihr ungeborenes Kind gar nichts wert.

Es war vorbei. Jed wollte kein Baby. Das stand nicht auf der Agenda dieses mächtigen Geschäftsmannes. Aber das Geschäft hatte ja bei ihm immer an erster Stelle gestanden, alles andere war nebensächlich gewesen. Jetzt schlug er ihr eine Abtreibung vor und keinesfalls die Liebe und Unterstützung, die sie naiverweise erwartet hatte. Sein Arzt-Freund würde sich darum kümmern, dass das Baby verschwand. Jed war von seiner Arbeit, seinem Geld und der Macht, die damit einherging, besessen. Und sie war die größte Närrin der Welt, weil sie sich eingebildet hatte, es könnte anders sein.

Die Tür fiel zu. Phoebe stand auf und ging ins Schlafzimmer, ließ sich flach auf das Bett fallen. Das Gesicht in den Kissen geborgen, konnte sie den Tränen endlich freien Lauf lassen. Sie weinte über den Verlust ihrer unschuldigen Illusionen, bis sie keine Tränen mehr hatte und in den Schlaf der Erschöpfung fiel.

Phoebe wachte mit einem Ruck auf. Desorientiert blickte sie sich um. Was tat sie um drei Uhr nachmittags im Bett? Dann stürzten die Geschehnisse wieder auf sie ein …

Matt lag sie auf dem Bett und rief sich jede einzelne Szene seit Jeds Ankunft gestern Abend noch einmal in Erinnerung, die leidenschaftliche Liebesnacht, die ihrer Meinung nach bedeutet hatte, dass er sie liebte … Jetzt war jedoch klar, dass sie für einen einflussreichen, virilen Mann wie Jed nur wenig mehr als eine willige Gespielin gewesen war, bereit, alles zu tun, was er ihr sagte. Bilder aus dem letzten Jahr blitzten auf … Seine Geschenke waren nur eine Bezahlung für geleistete Dienste gewesen. Heute Morgen, als sie ihm gesagt hatte, dass sie schwanger war, da hatte sich der wahre Jed Sabbides gezeigt, der skrupellose Tycoon mit dem Pokerface.

Phoebe erschauerte. Heute Abend wollte er zurückkommen, um die nötigen Arrangements zu besprechen. Panik stieg in ihr auf. So lange würde sie nicht bleiben, denn sie vertraute sich selbst nicht mehr. Sie war sich nicht sicher, gegen eine Abtreibung standhaft bleiben zu können, denn so traurig es auch war, aber sie konnte die Liebe, die sie für ihn fühlte, nicht einfach ablegen. Auch wenn sie wusste, dass er ein schuftiger Mistkerl war.

Sie musste Jed und dieses Apartment verlassen. Sie würde packen. Sofort.

Das war der einzige Gedanke, der sie beherrschte, als sie aus dem Bett aufsprang, um zur Kommode zu eilen, und dabei über den Kater stolperte …

Jed Sabbides beendete die Konferenzschaltung mit der anderen Seite des Atlantiks. Das Meeting, an dem er eigentlich in New York hätte teilnehmen sollen, war ein voller Erfolg – noch ein großer Finanzdeal war über die Bühne gebracht worden. Er fuhr sich mit einer Hand durch das dichte schwarze Haar. Es war halb acht abends, bis jetzt hatte er Phoebe und ihre verwirrenden Neuigkeiten mit Arbeit ausblenden können, nun jedoch hatte er keine Entschuldigung mehr.

Er sah auf, als die Tür aufgeschoben wurde und Christina, seine Assistentin, hereinkam.

„Brauchst du mich noch?“

„Nein, geh nach Hause“, erwiderte er knapp.

„Du siehst müde aus, Jed. Ich hole dir einen Drink, und dann massiere ich dir die Schultern.“

„Ja zum Drink, nein zu der Massage.“ Er warf seiner Assistentin einen fragenden Blick zu. Wann hätte sie ihm jemals eine Massage angeboten? Das passte so gar nicht zu der dunkelhaarigen, keineswegs unattraktiven und über alle Maßen effizienten Christina. Er konnte sich glücklich schätzen, sie zu haben. Bei Christina brauchte niemand Angst zu haben, dass sie ungewollt schwanger wurde, sie machte niemals Fehler. Aber Phoebe …? Phoebe war sehr viel jünger, und er … er war ihr erster Liebhaber gewesen. Vielleicht war diese Schwangerschaft ja wirklich unabsichtlich und ohne Hintergedanken passiert.

„Hier ist dein Drink.“ Christina stellte das Gas mit dem Whisky vor ihn hin, zusammen mit der Flasche. Sie selbst blieb hinter ihm stehen. „Bist du sicher, dass du keine Massage möchtest? Das entspannt.“ Plötzlich lagen ihre Hände an seinem Nacken.

„Nein, danke.“ Er schüttelte ihre Hände ab. „Geh nach Hause, Christina. Ich komme schon zurecht.“

„Na gut.“ Sie richtete sich wieder auf, jedoch hauchte sie vorher an seinem Ohr: „Vergiss nicht, wir fliegen morgen nach Griechenland. Ruh dich aus.“

Schlichte Anteilnahme, dachte er, als sie die Tür hinter sich ins Schloss zog. Und wie viel Anteilnahme hatte er heute Morgen gegenüber Phoebe gezeigt? Er nippte an dem Whisky, fühlte das Brennen des Alkohols in seiner Kehle. Wann war er zu einem so hartherzigen, zynischen Lump geworden?

Jetzt, nachdem der erste Schock darüber, dass er Vater werden würde, abgeklungen war, konnte er wieder klar denken. Er hatte nie wirklich heiraten wollen, aber ihm war immer bewusst gewesen, dass er irgendwann in entfernter Zukunft ein Kind haben wollte – einen Erben für all das, was er erreicht hatte. Er selbst hatte eine glückliche Kindheit verlebt, mit zwei liebenden Eltern und einer Schwester. Das Verhältnis zu seinem Vater war dann nicht nur wegen des Geschäfts immer schwieriger geworden, sondern auch wegen der diversen Ehen seines alten Herrn nach dem Tod der Mutter.

Die jetzige Ehefrau seines Vaters – Nummer drei seit seiner Mutter, die verstarb, als Jed siebzehn gewesen war – war fünfunddreißig Jahre jünger als sein Vater und machte Jed jedes Mal unmissverständlich schöne Augen, wenn er nach Hause kam.

Jed trank sein Glas aus und griff nach der Flasche, um es nachzufüllen. Er misstraute den Frauen, mit Ausnahme seiner Mutter und seiner Schwester. Deshalb hatte er wohl auch nie an eine Ehe gedacht. Allerdings war er auch der festen Meinung, dass sein Kind nicht außerehelich geboren werden sollte.

Phoebe, die wunderschöne, reizende Phoebe … Wäre es denn so schrecklich, mit ihr verheiratet zu sein? Er war ihr Erster gewesen, und seltsamerweise gefiel ihm der Gedanke von Phoebe mit einem anderen Mann überhaupt nicht.

Er nahm noch einen Schluck Whisky. Er glaubte nicht an die Liebe. Aber er war Grieche, und damit glaubte er an den Fortbestand des Familiennamens. Wenn er sich unbedingt eine Ehefrau nehmen musste, wäre Phoebe eine gute Kandidatin. Die Chemie zwischen ihnen war auf jeden Fall fantastisch, und er hatte auch keine Lust, sie aufzugeben. Seit einem Jahr waren sie jetzt zusammen, und sie war schwanger mit seinem Kind.

Er leerte sein Glas und griff nach dem Telefon, um die Limousine vorfahren zu lassen. Ja, er würde sie heiraten. Erstaunlich, aber er fühlte sich gar nicht mehr so gefangen, wie er zuerst gedacht hatte.

Er würde Marcus anrufen und sich mit ihm zum Dinner treffen. Er vertraute Marcus, mit ihm konnte er offen reden. Auch wenn er im Grunde nicht glaubte, dass Phoebe ihm untreu gewesen war, konnte es nicht schaden, die Vaterschaft bestätigt zu bekommen.

Als er das Gebäude verließ und dem Portier eine gute Nacht wünschte, fühlte Jed sich sogar richtig gut. Er würde Phoebe sagen, wie er sich entschieden hatte, und freute sich schon auf das Strahlen in ihren blauen Augen, wenn er ihr sagte, dass er eine ehrbare Frau aus ihr machen würde.

Seine selbstzufriedene Hochstimmung dauerte während des Dinners mit seinem Freund an, den er über seine Heiratspläne informierte, auch noch auf der Fahrt zum Apartment, wobei er Marcus zuerst zu Hause absetzte, bevor er sich zu Phoebe bringen ließ …

Der Kater war das einzige Lebewesen in der leeren Wohnung, und auf dem Tisch in der Diele lag eine offiziell wirkende Nachricht.

Phoebe lag in dem nüchternen Krankenhausbett und starrte an die weiße Decke, ohne etwas zu sehen. Sie fühlte sich leer und ausgehöhlt. Die Geräusche und das hektische Gemurmel auf dem Gang hörte sie nicht wirklich, nur die Worte des Arztes hallten in ihrem Kopf nach.

Sie hatte ihr Baby verloren.

Der schon etwas ältere Dr. Norman hatte sie zu trösten versucht. Tausende von Schwangerschaften endeten noch im ersten Trimester. Sie sei doch noch so jung … und gesund … und sie könne später noch immer Kinder bekommen …

Sie wusste, er hatte nur nett sein wollen, doch für sie gab es keinen Trost. Vor zehn Tagen hatte sie bestätigt bekommen, dass sie schwanger war, und von der ersten Sekunde an hatte ihr mütterlicher Beschützerinstinkt eingesetzt.

Nun, jetzt nicht mehr. Ihr Baby war nicht mehr da, und mit ihm war auch ihr dummes vertrauensseliges Herz gestorben. Ihr Leben hatte sich auf einen Schlag geändert. Nie würde sie das Entsetzen, den Schmerz und die Verzweiflung des heutigen Tages vergessen.

„Phoebe.“

Sie erkannte Jeds Stimme und drehte langsam den Kopf zur Tür. Er stand da, noch immer im maßgeschneiderten Anzug, und schaute mit schockierter und abweisender Miene zu ihr hin. Es überraschte sie, dass sie nie erkannt hatte, wie kalt und mitleidlos er sein konnte.

„Ich habe schon mit dem Arzt gesprochen, er hat mir berichtet, was passiert ist. Phoebe, es tut mir so leid. Aber es wird wieder alles in Ordnung kommen, dafür sorge ich. Vertrau mir.“ Er schaute sich in dem Zimmer um. „Ich kann nicht glauben, dass man dich hierher gebracht hat. Du hättest mich anrufen sollen. Oder Marcus. Ich habe ihn angerufen und ihm den Wagen geschickt. Er müsste jede Minute ankommen. Dann bringen wir dich aus diesem Chaos hier weg.“

Als der Name des Arztes fiel, schloss Phoebe die Augen. Hätte Jed diesen Arzt nicht beauftragen wollen, sich um sie zu ‚kümmern‘, läge sie jetzt nicht hier. Dann wäre sie nicht in Panik ausgebrochen und gestolpert.

Sie erinnerte sich an den Schmerz bei ihrem Sturz. Vorsichtig hatte sie sich aufgerappelt und war in die Küche gegangen, um sich einen Tee aufzubrühen. Schmerzmittel hatte sie nicht nehmen wollen, um des Babys willen. Doch als sie dann am Küchentisch gesessen hatte, war ihr klar geworden, dass etwas nicht stimmte. Sie hatte die Tasse fallen lassen und sich vor Schmerzen gekrümmt, und plötzlich hatte sie etwas Warmes an den Innenseiten ihrer Schenkel entlangfließen gespürt. Sofort hatte sie zum Telefon gegriffen und die Notarztnummer gewählt, doch da war es schon zu spät gewesen …

Langsam öffnete sie jetzt wieder die Augen und sah den Vater ihres Kindes an. Jed besaß tatsächlich die Arroganz, zu behaupten, dass sie ihn hätte anrufen sollen. Was für ein Witz. Es war inzwischen fast Mitternacht, sie lag jetzt seit sechs Stunden hier. Ganz offensichtlich hatte Jed keine Eile gehabt. Für ihn war nichts so wichtig wie der nächste Geschäftsdeal.

„Nein.“ Dr. Marcus’ Dienste waren nicht mehr nötig. Den Job hatten bereits ihre Panik, der Kater und die Kommodenecke erledigt. „Das hier ist kein Chaos, sondern ein normales Krankenhaus für uns Normalsterbliche. Ich brauche nicht in eine andere Klinik verlegt zu werden, ich habe mein Baby doch schon verloren. Du solltest dich freuen, dass das Problem sich von allein gelöst hat.“

„Mein Gott.“ Entsetzt starrte Jed sie an, als er den Sinn ihrer Worte begriff. „Phoebe, ich habe das Kind niemals als derartiges Problem betrachtet, und es tut mir leid, dass du das Baby verloren hast, das musst du mir glauben.“ Schuldgefühle fraßen an ihm, als er in ihr bleiches Gesicht schaute. Alles Leben war aus ihren blauen Augen gewichen. Er kam sich wie ein Scheusal vor. Behutsam setzte er sich zu ihr auf das Bett und nahm ihre Hand. Es erschreckte ihn, wie kalt ihre Finger waren. „Du musst mir glauben“, wiederholte er. „Ich habe nie daran gedacht, dass du das Baby nicht bekommen solltest. Heute Morgen war ich wütend, ja, aber im Laufe des Tages habe ich den Schock verarbeitet. Ehrlich gesagt, ich habe mich schnell an den Gedanken gewöhnt, dass wir eine Familie werden. Mir gefiel die Idee sogar mehr und mehr. Ich wollte es dir heute Abend sagen.“

Auch wenn er ihre Finger drückte, auch wenn Mitgefühl und Schmerz in seinen dunklen Augen standen … nie wieder würde sie sich von ihm zum Narren halten lassen. „Ja, nette Idee, aber nicht mehr notwendig“, sagte sie tonlos. „Mein Baby ist tot. Aber sieh’s von der positiven Seite, Jed. Ich habe dir damit ein kleines Vermögen erspart.“

„Was soll das heißen?“ Er kämpfte mit sich, um den Ärger zu unterdrücken, der aufflammen wollte. In ihrem Zustand war es das Letzte, was sie brauchte, wenn er sich jetzt mit ihr stritt. „Man kann mir viele Sachen vorwerfen, Phoebe, aber Geiz gehört ganz bestimmt nicht dazu. Was immer du haben willst, bekommst du.“

Sie wollte nur ihr Baby zurückhaben, und das war unmöglich. Nein, geizig war Jed wirklich nicht – nicht mit materiellen Dingen, im Gegenteil. Nur bei seinen Emotionen … da war er der geizigste Mann der Welt. Er würde sich nie ändern. Selbstbeherrschung und Selbstsicherheit, genau das zu erreichen, was er wollte, bestärkten Jed Sabbides in der Überzeugung, immer recht zu haben.

„Natürlich“, stimmte Phoebe zu. „Die Kosten für einen persönlichen Arzt sind ein Klacks für dich, ich weiß.“

Jed hatte das ungute Gefühl, dass ihm hier irgendetwas entging, doch in diesem Moment kam Marcus zusammen mit Dr. Norman in das Zimmer.

Letztendlich wurde Phoebe nicht verlegt, stimmten doch beide Ärzte überein, dass sie zu erschöpft für einen Transport sei, und Phoebe weigerte sich auch schlicht.

„Ich gehe nirgendwohin“, murmelte sie. „Ich will einfach nur schlafen.“

Phoebe stand in der Küche und unterhielt sich mit dem Kater.

„Du hattest völlig recht mit dem Mann, Marty. Ich hätte deinen Instinkten vertrauen sollen. Jed Sabbides, so reich er auch sein mag, ist emotionell und moralisch bankrott. Er ist ein skrupelloser Mann … und ich hasse ihn.“ Der Kater schnurrte laut, wie um ihr zuzustimmen. „Aber du gehörst nun zu mir, und wir beide gehen jetzt.“

Sie setzte den Kater in sein Körbchen, nahm noch die Schmuckschatulle und verließ das Apartment. Der Portier war dabei, ihre Koffer in den Wagen zu laden. Sie dankte ihm, sicherte den Katzenkorb auf der Rückbank, glitt hinter das Steuer und fuhr davon.

Als sie am Morgen nach der Fehlgeburt aufgewacht war, hatte Jed an ihrem Bett gesessen. Phoebe wurde entlassen, allerdings würde sie noch die Nachbehandlung wahrnehmen müssen. Als Jed darauf bestanden hatte, sich um sie zu kümmern, hatte sie nicht die Kraft gehabt, sich dagegen zu wehren. Ihr war gleich, was mit ihr passierte, und so ließ sie sich von ihm zum Apartment zurückbringen. Sowohl die ihr zugeteilte Pflegeschwester als auch Phoebe hatten alle Mühe, ihn überhaupt dazu zu bringen, dass er am Nachmittag nach Griechenland zu der Feier seines Vaters abflog.

„Du hast meine Handynummer“, hatte er gesagt. „Wenn du etwas brauchst, ruf mich an. Ich komme Sonntagabend wieder zurück. Verlass dich darauf.“ Dann hatte er sie geküsst und die Wohnung verlassen.

Nun, heute war Montag. Die Pflegeschwester war nach dem Wochenende gegangen, aber Jed war nicht zurückgekehrt. Als Phoebe gestern spätabends seine Nummer wählte, hatte eine weibliche Stimme geantwortet – Christina, angeblich seine Assistentin. Und nach einem höchst aufschlussreichen Gespräch wusste Phoebe, dass sie nirgendwo anders hingehen würde als nach Hause.

Sie konnte nicht fassen, dass sie sich ein zweites Mal von Jed hatte blenden lassen. Nun, das würde ihr nie wieder passieren. Die Liebe, die sie für ihn zu fühlen geglaubt hatte, hatte sich in bittere Verachtung verwandelt. Deshalb verhielt sie sich genau so, wie man es von einer Geliebten erwartete – sie nahm alles mit, was er ihr je geschenkt hatte, einschließlich des Autos.

Es war ein geringer Preis für das Leben eines Kindes.

3. KAPITEL

„Ich wünschte, du hättest mir gesagt, dass es sich um die griechische Botschaft handelt.“

Phoebe kaute nervös an ihrer Lippe. Seit fünf Jahren ging sie allem aus dem Weg, was irgendwie mit Griechenland zu tun hatte.

„Wieso? Ob nun griechisch oder französisch oder … was auch immer. Auf einem Botschaftsempfang treffen sich immer dieselben Leute. Mach dir keine Gedanken, Phoebe, du siehst großartig aus in diesem silbernen Ding. Du passt bestens in die internationale Elite unserer Hauptstadt – um genau zu sein, du bist die bestaussehende Frau im Umkreis von Meilen.“

„Julian, du Schmeichler. Und mein Kleid ist nicht silbern, sondern hellgrau“, ließ sie ihren Begleiter mit einem Lächeln wissen, während sie langsam in der Reihe vorankamen, die darauf wartete, dem griechischen Botschafter die Hand zu schütteln. „Es ist ein großer Schritt für eine Geschichtslehrerin aus Dorset zu einem Botschaftsempfang in London.“ Sie ging jede Wette ein, dass ihr schlichtes Seidenkleid nur einen lächerlichen Bruchteil jedes anderen hier vertretenen Kleides gekostet hatte.

„Unsinn! Du hast doch auch Politik studiert, und du bist mit Sicherheit intelligenter als die meisten der Damen im Saal. Willst du wirklich nicht den Beruf wechseln und zu mir ins Außenministerium kommen?“

„Nein. Außerdem hältst du dich doch kaum in London auf, sondern bist ständig mit irgendwelchen Aufträgen im Namen der Regierung unterwegs.“

Julian schüttelte den Kopf. „Du kennst mich eben zu gut, das ist das Problem“, erwiderte er seufzend.

Phoebe lachte, aber es stimmte. Julian war drei Jahre älter als sie, und sie kannten sich praktisch von Kindesbeinen an. Tante Jemma hatte ihr ganzes Leben als Sekretärin für seinen Vater gearbeitet. Nach dem Tod seines Vaters hatte Julian das riesige Gladstone-Anwesen geerbt, doch statt es selbst zu leiten, so wie sein Vater, hatte Julian einen Verwalter eingestellt und seine diplomatische Karriere weiterverfolgt. Tante Jemma wohnte in einem kleinen Cottage am Rande des Dorfes auf seinem Besitz. Solange Phoebe sich erinnern konnte, hatte sie den Sommer bei ihrer Tante verbracht, und nach dem Tod ihrer Eltern war das Cottage zu ihrem Zuhause geworden. Das war es heute noch immer.

„Hör auf zu träumen“, drang Julians Stimme in ihre Gedanken. „Wir sind an der Reihe.“ Er blieb stehen. „Phoebe, darf ich dir Alessandro vorstellen, griechischer Botschafter und ein guter Freund von mir. Zudem möchte ich hinzufügen, dass er Witwer ist und von den Damen schmerzhaft vermisst werden wird, wenn er nächsten Monat in seine Heimat zurückkehrt.“

Phoebe lächelte über die informelle Vorstellung und streckte die Hand aus. „Es freut mich, Sie kennenzulernen. Ich heiße Phoebe Brown.“

Der Botschafter war ein attraktiver Mann mit silbernem Haar und einem warmen Lächeln. Dieser Ball war offensichtlich seine Art, um sich von der internationalen Diplomatengemeinschaft in London zu verabschieden – noch etwas, das Julian ihr verschwiegen hatte, als er sie dazu überredete, ihn zu dem Ball zu begleiten.

„Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite, Phoebe, denn es ist immer ein Vergnügen, eine schöne Frau kennenzulernen. Jetzt verstehe ich auch, warum Julian so viel Zeit in Dorset verbringt.“ Seine dunklen Augen funkelten vergnügt, und Phoebe fühlte sich geschmeichelt, als er sich einige Minuten mit ihr unterhielt.

Sie begann sich langsam zu entspannen und ließ sich von Julian in den eleganten Ballsaal führen. Unzählige Kellner boten Kristallflöten mit Champagner an, und Julian nahm zwei Gläser von dem Tablett herunter.

„Doch nicht so schlimm, wie du befürchtet hast?“, fragte er und stieß mit ihr an. „Auf eine interessante Nacht.“

Lächelnd nippte Phoebe an dem ausgezeichneten Champagner. „Weißt du, Julian, du könntest recht damit haben.“

Das Orchester spielte zu einem Walzer auf, und Julian nahm Phoebe das Glas aus der Hand. „Komm, lass uns tanzen.“

Julian, neunundzwanzig Jahre alt, ledig, groß und attraktiv mit blondem Haar, grauen Augen und einem herausfordernden Lächeln, war nicht nur ein ausgezeichneter Tänzer, er gefiel sich auch in der Rolle des weltgewandten Mannes. In den letzten Monaten hatte er deutlich durchblicken lassen, dass er aus der fast lebenslangen Freundschaft mit Phoebe mehr machen wollte. Seine Küsse waren sehr überzeugend gewesen, und heute Abend nach dem Ball würden sie in seinem Londoner Apartment übernachten. Auch wenn Julian nicht die kleinste Andeutung hatte fallen lassen, so gewann Phoebe mehr und mehr den Eindruck, dass er sich von dem heutigen Abend wesentlich mehr als nur einen Kuss erhoffte. Doch da sie ein gebranntes Kind war, scheute sie das Feuer. Um genau zu sein, hätte sie vorab gewusst, dass dieser Ball in der griechischen Botschaft stattfand, hätte sie es wahrscheinlich abgelehnt, mitzukommen.

„Einen Penny für deine Gedanken.“

Phoebe grinste zu ihm auf. „Oh, meine Gedanken sind sehr viel mehr wert. Wenn du dich gut benimmst, erzähle ich sie dir später vielleicht“, neckte sie ihn, und er blieb plötzlich stehen.

„Ich kann mich sogar sehr gut benehmen, wenn die Situation es erfordert.“ Sein Ton und der Ausdruck in seinen Augen sagten unmissverständlich, worauf er anspielte.

„Benimm dich jetzt und tanz.“ Es gefiel Phoebe, dass dieses leichte Prickeln über ihre Haut fuhr. Vielleicht war der Zeitpunkt gekommen, endlich den nächsten Schritt zu tun. Sie führte schon viel zu lange ein zurückgezogenes Leben …

Doch plötzlich richteten sich die Härchen in ihrem Nacken auf, und das Gefühl, das sie überkam, hatte nichts mit Julian zu tun. Jemand beobachtete sie.

Nach dem Tanz gingen Phoebe und Julian in den angrenzenden Raum an die Bar. Julian bestellte Whisky-Soda für sich, er trank nicht allzu gern Champagner. Phoebe wählte einen Fruchtsaft.

Julian machte einen Witz, und Phoebe musste lauthals lachen.

In diesem Moment tauchte der Botschafter an ihrer Seite auf. „Wie schön, dass ihr beide euch so gut amüsiert. Ich möchte euch gern meine Tochter Sophia vorstellen.“

Phoebe drehte sich leicht, das Lachen stand noch immer in ihren Augen. Freundlich schüttelte sie der schönen Frau mit dem rabenschwarzen Haar die Hand.

„Und das ist Jed Sabbides, ihr Freund. Jed ist Vorsitzender der Sabbides Corporation.“ Der Botschafter trat einen Schritt zur Seite. „Unsere Familien sind seit Jahren befreundet“, sagte er stolz.

Bei der Erwähnung des Namens, den Phoebe nie mehr hatte hören wollen, erstarrte sie. Doch im gleichen Augenblick stand er auch schon vor ihr. Jetzt war ihr klar, wer sie beobachtet hatte, und ihre schlimmsten Ängste für den heutigen Abend hatten sich bewahrheitet. Stocksteif vor Schock, starrte sie ihn an und nahm nichts anderes mehr wahr als das Gesicht von Jed Sabbides. Ihr Herz hämmerte wie wild in ihrer Brust, sie zwang sich, ruhig durchzuatmen und sich zusammenzunehmen.

Jed sah älter aus, leichte graue Strähnen hatten sich an den Schläfen in das immer noch dichte dunkle Haar gemischt. Seine Gesichtszüge waren prägnanter geworden, noch männlicher, doch dieses schöne Gesicht hätte Phoebe jederzeit wiedererkannt. Er war jetzt Mitte dreißig, und die Jahre hatten seine Selbstsicherheit nur wachsen lassen.

Nur mit übermenschlicher Anstrengung gelang es ihr, die offizielle Vorstellung zu überstehen und das eingefrorene Lächeln auf ihrer Miene beizubehalten. Würde Jed zugeben, dass er sie bereits kannte? Nein, natürlich nicht, er war ja in Begleitung seiner Freundin hier.

„Phoebe.“ Eine Hand mit langen, kräftigen Fingern ergriff ihre.

„Angenehm“, erwiderte sie unverbindlich.

„Das Vergnügen ist ganz meinerseits.“ Seine Augen blitzten spöttisch auf. Das Lächeln, das sie früher so fasziniert hatte, schien verloren in den harten Linien um seinen Mund.

Sie zog ihre Finger wieder zurück, sodass ihm keine Zeit blieb, sie zu drücken. Dennoch spürte sie den vertrauten elektrischen Stromschlag bei der flüchtigen Berührung und war entsetzt über sich. Schutz suchend rückte sie näher an Julian heran und wandte den Blick ab.

Das hätte sie sich sparen können. Jed hatte scheinbar nicht die Absicht, offenkundig werden zu lassen, dass sie einander kannten. Was Phoebe mehr als recht war. Kaum jemand wusste von der einstigen Verbindung zu diesem Mann, und wenn es nach ihr ginge, würde das auch immer so bleiben.

Man plauderte über allgemeine Themen, und Phoebe gab nur einen Kommentar ab, wenn Julian sie explizit in das Gespräch mit einbezog. Vor allem blickte sie Jed Sabbides niemals direkt an. Stattdessen nutzte sie die Zeit, seine Freundin genauer zu betrachten.

Sophia war klein und schön. Das scharlachrote schulterfreie Kleid, das sie trug – definitiv ein großer Designer –, schmiegte sich verführerisch um jede üppige Kurve. Sophia war genau der Typ Frau, der zu einem griechischen Tycoon wie Jed passte – reich, mit Beziehungen und vor allem Griechin.

„Habe ich Sie nicht schon irgendwo gesehen, Phoebe?“ Die dunkle Stimme warf die Frage lässig in das Gespräch ein, und ihr blieb nichts anderes übrig, als Jed anzusehen.

Doch sie war darauf vorbereitet und fühlte sich der Herausforderung gewachsen. Vor Jahren war sie nicht gut genug für Jed gewesen, denn anders als Sophia war sie weder reich, noch hatte sie Beziehungen. Jetzt war sie froh, dass sie gerade noch einmal davongekommen war. Inzwischen war er nicht mehr gut genug für sie … Und sie war auch nicht mehr das naive junge Mädchen, sondern eine erwachsene Frau. Drei Jahre Teenager zu unterrichten, die mehr Interesse am anderen Geschlecht hatten als am Unterrichtsstoff, hatten sie gelehrt, sich zu behaupten.

„Sie müssen mich mit jemandem verwechseln. Ich war noch nie in Griechenland.“ Er hatte sie ja nie mitgenommen.

Sie sah das amüsierte Aufblitzen in seinen Augen. Das Ganze machte ihm auch noch Spaß. „Sind Sie vielleicht Model, und ich kenne Ihr Bild aus einer Zeitschrift?“

„Nein, ich fürchte, nicht.“

Glücklicherweise griff seine Freundin nach seinem Arm, bevor Phoebe noch eine sarkastische Bemerkung anfügen konnte.

„Ihr Männer versteht wirklich nichts vom Modeln, Jed“, mischte Sophia sich ein. „Phoebe ist viel zu drall, um Model zu sein. Die Mädchen sind doch alle gertenschlank.“

Das Mitleid, das Phoebe vorhin noch für Sophia empfunden hatte, verpuffte schlagartig. Die beiden hatten sich gesucht und gefunden! Denn hinter dem falschen Lächeln und den großen braunen Augen versteckte sich ein echtes Biest. Mit einem ausladenden Hinterteil, wesentlich fülliger als meines, fügte sie noch bissig in Gedanken hinzu.

Ja, in den letzten Jahren hatte Phoebe ein paar Pfunde zugelegt, aber niemand würde auf die Idee kommen, sie drall zu nennen. Sie unterrichtete auch Sport, und sie war bestens durchtrainiert. Wenn ihre Oberweite etwas üppiger geworden war, dann gab es einen guten Grund dafür – einen, den dieses Pärchen nicht zu wissen brauchte.

„Ihre Freundin hat recht.“ Sie sagte es zu Jed, sah dabei aber Sophia an. „Ich unterrichte Geschichte in einer Mädchenschule.“ Sie trank von ihrem Saft und wünschte, sie hätte sich niemals von Julian überreden lassen, mit herzukommen.

„Geschichte – ein interessantes Thema. Die Geschichte kann uns vieles über die Menschen lehren“, meinte er süffisant.

War sie die Einzige, die den Spott in seiner Stimme hörte? „Ich bin sicher, Ihnen braucht niemand mehr etwas beizubringen“, fauchte sie und verstummte abrupt. Warum konnte sie nie ihren großen Mund halten? Alle starrten sie an, als hätte sie den Verstand verloren. Vielleicht hatte sie das ja auch. Jed Sabbides schien noch immer diese Wirkung auf sie zu haben.

Mit seinem Lachen rettete Julian die Situation. „Ach, Phoebe, ich nehme das Angebot zurück, dass du im Außenministerium arbeiten solltest.“ Er legte ihr den Arm um die Schultern. „Du sagst immer, was du denkst – für einen Diplomaten ist das völlig inakzeptabel.“ Er beugte den Kopf und küsste sie leicht. „Aber ansonsten bist du einfach perfekt.“

Es schockierte Jed, wie intensiv der aufflammende Ärger in ihm war, als er sah, wie Julian Gladstone Phoebe küsste.

Vor fünf Jahren hatte er Phoebe zum letzten Mal gesehen. Als er damals zum Apartment zurückgekommen war und es leer vorgefunden hatte, war er nicht begeistert gewesen, aber auch nicht wirklich überrascht. Nach allem, was passiert war … Also hatte er sein Leben weitergelebt und war davon ausgegangen, dass sie es ebenso hielt. Phoebe bedeutete ihm nichts, trotzdem reizte es ihn, sie zu provozieren, nur um herauszufinden, wie lange sie die Lüge, dass sie einander nicht kannten, aufrechterhalten wollte.

Doch als er einen anderen Mann Phoebe küssen sah, war ein primitiver Instinkt in ihm erwacht, den er längst für gestorben gehalten hatte. Noch dazu trug sie die Diamantenspange im Haar, die er ihr geschenkt hatte!

Die kleine Charade amüsierte ihn nicht länger, im Gegenteil. „Jetzt weiß ich, woher ich Sie kenne, Phoebe. Sie haben am Empfang eines Hotels gearbeitet, in dem ich einmal übernachtet habe. Sie haben damals studiert, glaube ich.“ Sollte sie zusehen, wie sie sich da herausredete.

„Durchaus möglich“, gab sie leichthin zu. „Ich habe als Studentin tatsächlich nebenher gearbeitet. Aber wissen Sie, in einem Hotel hat man mit so vielen Menschen zu tun, da kann man sich nicht an jeden erinnern.“

Das sollte wohl heißen, er war nicht erinnerungswürdig. Wohl wissend, dass er soeben beleidigt worden war, musste er die elegante Frau, die so wenig mit dem jungen Ding von damals gemein hatte, widerwillig für ihre Courage bewundern.

„Komm, Jed.“ Sophia fasste nach seinem Arm. „Sie spielen unser Lied. Lass uns tanzen.“

„Ja, gern.“ Während er Sophia zur Tanzfläche führte, stellte er selbstironisch fest, dass Phoebe ihn noch immer wütend machen konnte, dass aber die Frau, um deren Hand er anzuhalten gedachte, ihn völlig kaltließ.

Das Orchester spielte eine langsame Melodie. Jed zog Sophia eng an sich, und sie legte die Wange an seine Brust. Er war dankbar, denn ihr Schweigen gab ihm Zeit zum Nachdenken.

Normalerweise ging er nicht zu solchen Anlässen, doch da Sophia als Tochter des Botschafters ihn eingeladen hatte, hatte er zugestimmt. Sie übernachteten in der Botschaft, und er hatte sich ausgerechnet, dass es eine gute Gelegenheit wäre, ihren Vater formell um ihre Hand zu bitten, bevor er ihr einen Antrag machte.

Sophia war eine attraktive Frau und engagierte sich ehrenamtlich in mehreren Wohltätigkeitsorganisationen in Athen. Sie war zudem eine Freundin der Familie und Griechin, sie wusste, was von einer griechischen Ehefrau erwartet wurde. Wenn sie auch etwas breitere Hüften hatte … damit konnte er leben. Zumindest hatte er noch vor einer Stunde so gedacht. Bis er Phoebe Brown in den Armen eines großen blonden Mannes auf der Tanzfläche erblickt hatte.

Es konnte kein Zweifel bestehen, dass diese atemberaubende Frau tatsächlich Phoebe war. Er hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt, erstaunt über die Erregung, die allein bei ihrem Anblick in seinem Körper aufgelodert war. Doch sie hatte immer diese Wirkung auf ihn gehabt, und scheinbar hatte sich da nichts geändert.

Jed hatte den Blick nicht von ihr wenden können. Sie besaß noch immer diese feinen Züge, ihr Haar jedoch war länger. Es floss ihr in sanften Wellen über den Rücken und schwang bei jeder Drehung mit, während sie ihren Begleiter strahlend anlächelte. Die beiden standen einander nah, das war deutlich zu sehen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren sie ein Paar, vielleicht sogar ein Ehepaar. Doch warum ihn das interessieren sollte, darüber wollte er gar nicht genauer nachdenken.

Dann hatte er seine zukünftige Verlobte mit ihrem Vater auf sich zukommen sehen, und er hatte sich den Anschein gegeben, mehr über den jungen blonden Mann erfahren zu wollen. Mit einigen wenigen Fragen an den Botschafter hatte er eine Menge über Julian Gladstone herausgefunden. Der Großgrundbesitzer sei der aufsteigende Stern im Außenministerium, nur über die Tanzpartnerin könne er nichts sagen, so meinte der Botschafter. Aber er bot an, Jed mit Gladstone bekannt zu machen, denn Jed würde der Mann bestimmt sympathisch sein. Jeder fand den jungen Gladstone sympathisch …

Nun, Jed nicht. Aber er konnte sehen, warum Phoebe oder jede andere Frau sich für den blonden Adonis interessierte. Die grauen Augen allerdings sagten Jed auch, dass Gladstone mit Sicherheit kein Weichling war. Jeds Lippen verzogen sich zu einem schmalen Grinsen. Unter anderen Umständen wäre Gladstone ihm wahrscheinlich tatsächlich sympathisch gewesen.

„Jed, das Orchester hat längst aufgehört zu spielen.“ Sophia schmiegte sich aufreizend an ihn … und er fühlte absolut nichts. „Du bist meilenweit weg“, schmollte sie.

„Verloren in deinen Armen“, redete er sich heraus und führte sie zurück zu der Gruppe bei der Bar.

Sophia ließ sich nicht täuschen. Und mit einem Schmollmund und klimpernden Wimpern forderte sie Julian zum Tanzen auf.

Wieder zuckte es spöttisch um Jeds Lippen. Ob Sophia nun generell gern flirtete oder ob sie ihn eifersüchtig machen wollte – ihm war es gleich. Doch dadurch bot sich ihm die Gelegenheit, mit Phoebe allein zu sein.

„Jetzt sind nur wir beide übrig, Phoebe“, sagte er, als die anderen zur Tanzfläche strebten. Er sah den Trotz in ihren Augen aufblitzen, sie reckte die Schultern und hob das Kinn an. „Tanz mit mir“, bat er, legte seine Hand an ihren Rücken und schob sie zur Tanzfläche, bevor sie ablehnen konnte.

Die Band spielte wieder eine langsame Melodie … Phoebe legte eine Hand auf seine Schulter und hielt so viel Abstand wie nur möglich. Doch ihr eigentliches Problem war, dass er Teile in ihr anrührte, die sie seit Jahren für immun gehalten hatte.

Nimm dich zusammen, ermahnte sie sich, Jed Sabbides ist ein Mann wie jeder andere. Sie musste nur diesen Tanz durchstehen, sie brauchte ja nicht mit ihm zu reden.

„Blickkontakt mit mir zu vermeiden, wird mich nicht verschwinden lassen, Phoebe.“ Jed lachte leise. „Also hör auf damit, ins Leere zu starren, und erzähl mir, wie es dir geht. Gott, du bist schöner denn je.“

Sie sah zu ihm auf. „Danke. Mir geht es gut“, erwiderte sie höflich und kühl, auch wenn gerade Letzteres ihr schwerfiel, wenn sie seine Arme um sich spürte.

„Dann sage mir – angesichts unserer Beziehung in der Vergangenheit –, warum ich das Gefühl habe, dass du mich lieber nie wiedergesehen hättest? Warum hast du nicht zugegeben, dass wir uns kennen?“

Sie hob eine Augenbraue. „Du hast es ebenfalls nicht zugegeben. Ich verstehe auch, wieso. Du wolltest Sophia nicht aufregen. Ich verstehe nur nicht, warum du meintest, dumme Spielchen spielen zu müssen. Du kannst von Glück sagen, dass ich die Wahrheit nicht herausposaunt haben. Deine Verlobte braucht nicht zu wissen, was für ein Lump du bist.“

„Sophia ist nicht meine Verlobte.“

„Erzähl das dem Botschafter. Er hofft ganz offensichtlich darauf, dass sie es bald wird.“

„Den Eindruck hat Sophia ihm vielleicht vermittelt, was nicht heißt, dass es stimmt.“

„Nun, ich denke, ihr beide seid das perfekte Paar.“ Sie hätte es viel lieber, wenn Jed längst verheiratet wäre und seine eigene Familie in Griechenland hätte. Dann wäre ihr Geheimnis wesentlich sicherer.

„Warum solltest du mich zum Heiraten ermuntern? Möglicherweise, weil du deine eigenen Pläne mit Julian Gladstone hast und nicht wünschst, dass ich ihm von unserer Affäre und ihrem Ende verrate? Du willst nicht, dass unser tragisches kleines Geheimnis offenkundig wird?“

Phoebe wurde blass. Dass er sie an die Fehlgeburt erinnerte, war schlimm genug, aber sollte Jed je die ganze Wahrheit herausfinden … „Unsinn. Julian und ich sind seit Jahren Freunde, er weiß alles über mich. Ich wollte damit nur sagen, dass Sophia und du ein gutes Paar zusammen abgebt.“

„Und wie lange seid ihr schon ein Paar?“

„Das geht dich nichts an.“

Jed sagte nichts dazu, verschränkte nur seine Finger mit ihren und zog ihre Hand an seine Brust. Und in diesem Moment wusste Phoebe, sie steckte tief in Schwierigkeiten.

Mit der anderen Hand streichelte er leicht über ihren bloßen Rücken. Ihr Blut begann sich aufzuheizen und rauschte durch ihre Adern, lang vergessene Gefühle flossen durch sie hindurch.

Sie wollte nicht so fühlen, vor allem nicht mit diesem Mann. Sie versteifte sich, die Nerven zum Zerreißen gespannt, und kämpfte um Selbstbeherrschung. Nur diesen einen Tanz musste sie überstehen, diesen einen Abend, und danach brauchte sie Jed nie wiederzusehen.

„Aber genug von anderen Leuten“, hörte sie ihn da heiser murmeln. „Genießen wir den Tanz. Früher hast du immer gern mit mir getanzt. Entspann dich. Du weißt doch, wie das geht.“

Er war ihr so nah, dass sie seinen Duft einatmen konnte, den Duft, der ihr schmerzlich vertraut war. Und seine Hand hörte nicht auf, ihren Rücken zu streicheln … Sie sah auf in sein Gesicht und erkannte das verlangende Glitzern in seinen Augen. Jetzt spürte sie auch den eindeutigen Beweis seiner Erregung an ihrem Schoß, und ein Schauer durchlief sie. Für einen Sekundenbruchteil war sie tatsächlich erschreckend versucht.

„Die Chemie existiert noch immer zwischen uns, Phoebe. Ich kann fühlen, wie du bebst“, raunte er an ihrem Ohr.

Das Mädchen, das er einst gekannt hatte, wäre jetzt errötet und hätte sich an ihn geschmiegt. Doch dieses Mädchen war Phoebe längst nicht mehr. Sie besaß inzwischen viel mehr Courage und Selbstbewusstsein, als sich einem arroganten Mistkerl mit einer übertriebenen Leidenschaftlichkeit willig zu fügen. Vor allem hatte sie jetzt mehr zu beschützen als nur sich selbst.

Und dieses Wissen gab ihr Kraft. Sie zog ihre Hand zurück. „Vergiss nicht, wo du bist, und spar dir das für deine Freundin. Was das Beben angeht … das war der pure Ekel. Du ekelst mich an, Jed“, spie sie ihm entgegen. Die übertriebene Behauptung zielte bewusst auf sein Ego. Weil Jed Sabbides eine Bedrohung für das ruhige und geregelte Leben war, das sie sich aufgebaut hatte, und sie wollte ihm nie wieder begegnen oder mit ihm sprechen müssen.

Er verharrte und schaute auf sie hinunter. Sie konnte den Ärger in ihm brodeln fühlen, aber er explodierte nicht. Ließ nur die Hände sinken und musterte sie mit zusammengepressten Lippen. „Das ist wohl etwas heftig, Phoebe, aber ich verstehe, was du damit sagen willst. Die Musik spielt nicht mehr … Sollen wir zu den anderen zurückkehren?“ Er legte seine Hand an ihren Ellbogen. „Ach übrigens, es freut mich, dass du die Spange trägst, die ich dir damals geschenkt habe. Sie wirkt so viel besser, jetzt, da dein Haar länger ist.“

Die Haarspange hatte Phoebe völlig vergessen, jetzt wünschte sie sich, sie hätte sie heute Abend nicht getragen. Es war das einzige Schmuckstück, das sie behalten hatte. Nun lief sie doch rot an.

Jed verstand genug von den Frauen, um zu wissen, dass Phoebe ihn nur deshalb beleidigt hatte, weil sie Angst vor der eigenen Reaktion gehabt hatte. „Du kannst also noch immer rot werden.“ Er hob ihr Kinn leicht an und schaute ihr in die Augen. „Ich bin froh, dass du etwas von mir behalten hast, Phoebe, auch wenn wir beide wissen, dass es nicht das ist, was du wolltest. Und das tut mir ehrlich leid“, sagte er ernst.

Ihre Reaktion verwunderte ihn. Sie schnappte nach Luft und wandte den Kopf mit einem Ruck ab, doch nicht schnell genug, dass er die plötzliche Panik in ihrem Blick nicht hätte aufflammen sehen. Sie machte sich aus seinem Griff frei und eilte ohne ein weiteres Wort zu Julian zurück.

Dabei hatte er nur die eigene Trauer über ihre gemeinsame tragische Vergangenheit und sein Mitgefühl für Phoebe ausdrücken wollen. Vielleicht auf seine eigene Art, aber er hatte sie nicht in Panik versetzen wollen.

Die Frage drängte sich ihm auf, warum sie so heftig reagierte.

Auf dem Rückweg im Wagen fragte Phoebe Julian, wie weit es bis zu seinem Apartment sei.

„Wir fahren nicht zu mir, Phoebe, du kannst dich entspannen. Ich habe Max angewiesen, uns nach Dorset zurückzubringen. Sosehr ich auch an dir interessiert bin, ich habe nicht vor, den Ersatz für einen anderen Mann zu spielen. In der guten Stunde Fahrt hast du also Zeit, mir von Jed Sabbides zu erzählen. Du kennst ihn, nicht wahr?“, fragte Julian leise.

„Ja, ich lernte ihn kennen, als ich an der Universität studierte“, gestand Phoebe, und dann erzählte sie Julian alles.

In gewisser Hinsicht wirkte es befreiend, vor allem aber brachte es ihre Reaktion auf Jed in die richtige Perspektive.

„Ich hatte nicht den Eindruck, dass der Mann so oberflächlich ist“, erwiderte Julian und legte den Arm um ihre Schultern. „Er weiß scheinbar nicht, was er verloren hat. Vergiss ihn einfach.“

Schließlich hielt der Wagen vor ihrem Cottage, und Julian warnte sie lächelnd: „So schnell gebe ich nicht auf, Phoebe. Für die nächsten zwei Wochen bin ich auf Reisen, aber … nach meiner Rückkehr rufe ich dich an.“

Er küsste sie noch leicht auf die Wange, sie stieg aus, und der Wagen fuhr weiter.

4. KAPITEL

In der Athener Zentrale der Sabbides Corporation saß Jed in seinen Bürosessel zurückgelehnt und blickte grübelnd auf den Umschlag, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Vor einer Viertelstunde hatte Leo Takis, ein Freund und der Chef der Sicherheitsfirma, deren Dienste Jed häufig in Anspruch nahm, den Umschlag persönlich abgeliefert, mit den Worten, dass es da wohl nicht viel Interessantes gebe. Seitdem starrte Jed auf dieses verdammte Ding …

Wollte er den Umschlag überhaupt öffnen? Vor ihm lag ein voller Tag, mit viel wichtigeren Dingen, um die er sich zu kümmern hatte. Doch seit zwei Wochen, seit dem Botschaftsball, war sein geregeltes Leben aus den Fugen geraten – und alles nur wegen Phoebe Brown.

Er konnte sich nicht auf die Arbeit konzentrieren.

Nein, er hatte nicht um Sophias Hand angehalten. Eher genau das Gegenteil. Er hatte ihr gesagt, dass es zwischen ihnen nicht funktionierte, und war am nächsten Morgen früh nach Griechenland zurückgekehrt. Sophia und ihr Vater würden wahrscheinlich nie wieder ein Wort mit ihm wechseln.

Er bekam Phoebe einfach nicht mehr aus seinem Kopf heraus. Und je länger er über sie und ihr Verhalten an jenem Abend nachdachte, desto mehr wuchs das ungute Gefühl in ihm, dass es da irgendetwas gab, das ihm entging. Er war ein leidenschaftlicher Pokerspieler, war gut darin, auch die kleinsten Zeichen zu deuten, und etwas sagte ihm, dass Phoebe ihn hatte bluffen wollen.

Ihr distanziertes Gehabe. So zu tun, als würde sie ihn nicht kennen. Dann der sinnliche Schauer, als sie mit ihm getanzt hatte. Und schließlich die Panik in ihren Augen, kurz bevor sie die Tanzfläche wieder verlassen hatten. Den ganzen restlichen Abend hatte sie ihn sorgfältig gemieden, hatte ihn nicht einmal mehr angesehen. Er wusste das so genau, weil er sie unentwegt beobachtet hatte.

Seither fragte er sich ständig, warum sie sich so benommen hatte. Das war auch der angebliche Grund gewesen, weshalb er Leo beauftragt hatte.

Tatsächlich jedoch hatte das Treffen mit ihr Erinnerungen auf ihn einstürzen lassen, die er längst vergessen und begraben geglaubt hatte. Zudem befand er sich seit diesem Treffen in einem konstanten Zustand unterschwelliger Erregung.

Die traurige Wahrheit war also, dass er sich jahrelang selbst belogen hatte. Er hatte nie besseren Sex gehabt als mit Phoebe. Um genau zu sein, zwei Jahre lang nach der Trennung von ihr hatte er überhaupt keinen Sex gehabt. Was nun die Frauen danach betraf … er konnte nicht definitiv sagen, ob es etwas mit Phoebe zu tun hatte, dass seine Beziehungen nie lange dauerten.

Als er an jenem Abend Sophia in ihr Schlafzimmer gefolgt war, sie in die Arme genommen und absolut nichts gefühlt hatte, war ihm klar geworden, dass er sie nicht heiraten konnte. Sophia hatte Besseres verdient als einen Mann, der keine Leidenschaft für sie empfand.

Jed nahm den Umschlag auf. Er fühlte sich leicht an. War das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Jed wusste es nicht. Er wusste nur, dass er Phoebe wieder in seinem Bett haben wollte, dass er sich mit ihr vergnügen wollte, bis diese schwelende Faszination für sie ein für alle Mal in ihm gelöscht war.

Mit langsamen Bewegungen öffnete Jed den Umschlag, zog die Mappe heraus und begann zu lesen.

Nur wenige Minuten später ließ er die Mappe fallen und schwang mit verärgert zusammengezogenen Brauen in seinem Sessel zum Fenster herum.

Kurz nach ihrem Examen war Phoebe Brown nach Dorset zurückgekehrt, um bei ihrer Tante zu leben. Das hatte Jed sich bereits damals gedacht, als er das Apartment leer vorgefunden hatte. Sie hatte ihre Referendarzeit absolviert und unterrichtete jetzt an einer Privatschule für Mädchen. Sie hatte das alte Cottage gleich neben dem ihrer Tante gekauft und renoviert. Hier lebte sie mit ihrer Familie ein ruhiges Leben ohne große Ereignisse, galt als respektiertes Mitglied der Gemeinde, und jeder, der sie kannte, achtete und mochte sie.

So weit also keine Überraschungen. Was Jed allerdings überraschte und wütend machte, waren die Details über ihre Familie.

Phoebe war alleinerziehende Mutter. Sie hatte einen vierjährigen Jungen – heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr. Aber … laut beiliegender Geburtsurkunde hatte das Baby sieben Monate und eine Woche nach Phoebes Fehlgeburt das Licht der Welt erblickt, im Bowesmartin Cottage Hospital in Dorset. Es musste eine Frühgeburt gewesen sein, eine andere Erklärung gab es nicht.

Tja, die süße, unschuldige Phoebe … Jahrelang hatte dieses Schuldgefühl an ihm genagt, doch das war jetzt vorbei. So viel also zu ihren ständigen Liebeserklärungen. Es konnte höchstens eine Woche gedauert haben, bis sie mit einem anderen Mann ins Bett gestiegen und wieder schwanger geworden war.

So schön sie auch sein mochte, jetzt hatte er nicht mehr als Verachtung für sie übrig. Und die Idee, die Affäre mit ihr wieder aufzunehmen … das war nur ein momentaner Ausrutscher gewesen. Ihre Beziehung war schon vor langer Zeit zu Ende gegangen. Was Phoebe Brown mit ihrem Leben anfing, interessierte ihn nicht mehr.

Entschlossen, dieses Thema ein für alle Mal aus seinen Gedanken zu streichen und sich endlich auf seine Arbeit zu konzentrieren, griff Jed nach den Unterlagen, um sie in den Umschlag zurückzuschieben. Doch dabei fiel ihm ein Foto von Phoebe mit ihrem Sohn in die Hände…

Er zögerte. Seine Erfahrung in der Geschäftswelt hatte ihn gelehrt, dass, ganz gleich, wie ordentlich Fakten und Zahlen aufgelistet sein mochten … wenn sie zu unwahrscheinlich schienen, dann stimmte irgendetwas nicht.

Er nahm das Foto auf und betrachtete es noch einmal genauer. Es war aus der Entfernung mit Telelinse aufgenommen worden. Aber das da auf dem Foto war eindeutig Phoebe. Sie stand beim Tor und schaute lächelnd auf einen kleinen dunkelhaarigen Jungen herunter, der ihre Hand hielt und zu ihr aufsah.

Während Jed das Foto studierte, begann sich ein seltsames Gefühl in ihm auszubreiten. Ein Gefühl des Erkennens, das stärker wurde, je länger er auf das Foto blickte.

Als er schließlich aufstand, lag ein hartes Glühen in seinen Augen. Wenn er recht mit seinem Verdacht hatte, dann war Phoebe Brown die größte Schauspielerin und die verabscheuungswürdigste Frau auf diesem Erdboden.

Mit düsterer Miene marschierte er in das Zimmer seiner Sekretärin und wies sie an, alle Termine bis auf Weiteres abzusagen. Er würde nach London fliegen, mit dem Firmenjet. Für das, was er vorhatte, brauchte er Leos Sicherheitsfirma nicht.

Er würde seine eigene Untersuchung starten, und wenn das, was er vermutete, stimmte, dann würde Phoebe für den Rest ihres Lebens für ihre unglaubliche Lüge bezahlen …

„Und, war er schwierig?“, fragte Phoebe ihre Freundin Kay und hielt Bens Hand fester, weil er sie zur Dorfstraße hinziehen wollte.

„Nein, er ist ein Engel. Er und Emma haben die ganze Zeit brav miteinander gespielt.“

Phoebe lebte am Rand des Dörfchens Martinstead, die Schule, in der sie unterrichtete, lag in der nahen Kleinstadt Bowesmartin. Kay, ihre Freundin und Mitbewohnerin aus Studientagen, hatte sie hier besucht, als Ben geboren worden war, zufällig den Tierarzt des Ortes kennengelernt und ihn schließlich geheiratet. Emma, ihre Tochter, war anderthalb Jahre jünger als Ben. Kay hatte die beiden Kinder aus der Vorschule abgeholt, bis Phoebe aus der Schule zurückkam und Ben dann bei ihr abholen konnte.

„Du ahnst gar nicht, wie froh ich bin, dass du auf ihn aufpasst. Nächste Woche beginnen die Ferien, dem Himmel sei Dank. Und dann sind es nur noch sechs Wochen, bis Tante Jemma aus dem Urlaub zurückkehrt. Hältst du das so lange durch?“

„Hör auf, dir Sorgen zu machen, Phoebe, das ist überhaupt kein Problem. Aber jetzt seht zu, dass ihr nach Hause kommt. Es wird langsam richtig kalt.“

„Sicher.“ Phoebe lachte und ließ sich von Ben die Auffahrt hinunterziehen.

Vor vier Tagen erst war Tante Jemma zu einem Urlaub nach Australien aufgebrochen, und sehr schnell war Phoebe klar geworden, wie unentbehrlich Tante Jemmas Hilfe war. Sie hatte bei Bens Geburt an ihrer Seite gestanden, und seither hatte sie Ben betreut, sodass Phoebe die Stelle als Lehrerin hatte antreten können.

Als Ben dann im September in die Vorschule gekommen war, hatte Phoebe ihre Tante überredet, sich endlich den Urlaub zu gönnen, den sie schon so lange geplant hatte, und ihre Freundin in Australien zu besuchen. Tante Jemma hatte es wahrlich verdient, war sie doch immer für Phoebe da gewesen, und in den letzten Jahren auch für Ben.

Phoebe sah auf ihren Sohn. Er war glücklich, und sie war es auch. Der Lehrerberuf war wirklich optimal für eine ledige Mutter. Ab nächste Woche, wenn Schule und Vorschule für die Ferien schlossen, konnte sie den ganzen Tag mit Ben verbringen. Sie wollten zusammen sein Zimmer renovieren. Ben hatte genug von dem Baby-Blau und wünschte sich eine Tapete entweder mit Autos oder mit Dinosauriern, endgültig entschieden hatte er sich noch nicht.

„Mum! Mum!“, rief er aufgeregt und blieb wie angewurzelt stehen.

Autor

Cathy Williams
<p>Cathy Willams glaubt fest daran, dass man praktisch alles erreichen kann, wenn man nur lang und hart genug dafür arbeitet. Sie selbst ist das beste Beispiel: Bevor sie vor elf Jahren ihre erste Romance schrieb, wusste sie nur wenig über deren Inhalte und fast nichts über die verschiedenen Schreibtechniken. Aber...
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