Julia Extra Band 464

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

DER MILLIARDÄR UND DAS ZIMMERMÄDCHEN von JENNIE LUCAS
Ein heißer One-Night-Stand, sonst nichts! Danach hat der italienische Hotel-Tycoon Cristiano Moretti das schöne Zimmermädchen Hallie schleunigst gefeuert. Warum steht sie jetzt plötzlich vor ihm? Ungewollt begehrt er sie sofort wieder. Da schockiert sie ihn mit einem Geständnis …

VERLIEBT IN EINEN VERRÄTER? von CATHY WILLIAMS
Mit ganzem Herzen kämpft Anwältin Rose gegen das verhasste Bauprojekt in ihrem Heimatort, für Liebe ist da keine Zeit. Bis sich der geheimnisvolle, sexy Arturo dem Protest anschließt. Aber kaum lässt sie sich auf eine leidenschaftliche Romanze ein, entpuppt er sich als Betrüger …

KÜSS MICH AUF DEM MASKENBALL! von TARA PAMMI
Prinzessin Eleni will nur ein Mal begehrt werden! Für den Maskenball auf Drakos verwandelt sie sich in einen aufregenden Vamp, flirtet wie im Rausch mit Milliardär Gabriel Marquez, genießt seine Küsse. Bis er ihr ein Angebot macht, so unverschämt - und doch verführerisch erregend!

VERFÜHRUNG IM STURM von MARION LENNOX
Charlotte fühlt sich auf den ersten Blick zu dem attraktiven Fremden hingezogen, der bei einem Sturm Zuflucht auf ihrer Farm sucht. Nach einer zärtlichen Nacht in Bryns Armen wünscht sie insgeheim, dass er sie nie mehr loslässt. Noch ahnt sie allerdings nicht, was er verbirgt …


  • Erscheinungstag 02.04.2019
  • Bandnummer 0464
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712860
  • Seitenanzahl 450
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jennie Lucas, Cathy Williams, Tara Pammi, Marion Lennox

JULIA EXTRA BAND 464

JENNIE LUCAS

Der Milliardär und das Zimmermädchen

Erst verführt ihr sexy Boss Cristiano Moretti sie in seinem Luxus- Penthouse, dann feuert er sie. Am liebsten würde Hallie diesen Schuft nie wiedersehen! Da entdeckt sie die Folgen ihrer Liebesnacht …

CATHY WILLIAMS

Verliebt in einen Verräter?

Um herauszufinden, was die aufregende Anwältin Rose plant, beginnt Bauunternehmer Arturo da Costa eine Affäre mit ihr. Doch unerwartet kommt sein Herz ins Spiel – und stürzt ihn in einen Konflikt …

TARA PAMMI

Küss mich auf dem Maskenball!

„Ich will einen Kuss!“ Kaum erfüllt Gabriel Marquez der sexy Fremden mit der Maske ihren Wunsch, entdeckt er, wer sie ist. Wollte Prinzessin Eleni ihn in die Falle locken? Wütend sinnt er auf Rache …

MARION LENNOX

Verführung im Sturm

Zärtlich hält Bryn Charlotte in den Armen, während der Sturm ums Haus tobt. Ein Gefühl, als wäre er endlich nach Hause gekommen … Aber wenn Charlotte sein Geheimnis entdeckt, verstößt sie ihn! Oder?

1. KAPITEL

Für Hallie Hatfield bedeutete die Familie alles.

Familie bedeutete Zuhause. Bedeutete, sich auch in schlimmen Zeiten sicher und geborgen zu fühlen, selbst wenn am Monatsende das Geld knapp wurde. Selbst wenn die Vorräte in der Küche bedenklich zur Neige gingen. Familie bedeutete, dass da immer Menschen waren, die auf einen aufpassten. Und umgekehrt.

Sie war in einem alten Blockhaus in den Appalachen aufgewachsen, das ihr Urgroßvater gebaut hatte. Dort hatte sie zusammen mit ihren Eltern und ihrem Bruder eine glückliche Kindheit und Jugend verbracht. Ein Leben voller Liebe, Lachen und Musik.

Und dann, mit neunzehn, traf sie aus heiterem Himmel der schwerste Schicksalsschlag, den man sich nur vorstellen konnte. Sie hatte alles verloren. Ihre Familie. Ihr Zuhause.

Jetzt, mit vierundzwanzig, war das winzige Baby in ihren Armen ihre ganze Familie. Sie lebte in New York City, ohne Job, ohne Geld und ab heute sogar ohne ein festes Dach über dem Kopf.

Aber das als Lösung? Was hatten sich ihre Freundinnen nur dabei gedacht?

Niemals.

Sie atmete tief durch. „Nein. Auf gar keinen Fall.“

„Aber Hallie …“

„Ich soll diesem Schuft von seinem Kind erzählen?“ Hallie sprach empört, jedoch leise, um das schlafende Baby nicht zu wecken. Ihre Augen funkelten wütend. „Niemals!“

Ihre beiden Freundinnen wechselten einen Blick. Sie hatten sich in einer Selbsthilfegruppe für alleinerziehende Mütter kennengelernt, damals waren alle drei zum ersten Mal schwanger gewesen, und keine hatte es dem jeweiligen Vater erzählt.

Hallie hatte für ihr Schweigen einen guten Grund.

Sie war freundlich und mitfühlend und versuchte stets, in jedem Menschen das Beste zu sehen.

Cristiano Moretti jedoch hasste sie. Er hatte sich ihr gegenüber so gemein verhalten, dass sie nie wieder etwas mit ihm zu tun haben wollte.

„Aber du brauchst Hilfe, Hallie“, wandte Tess Foster, eine leicht mollige, sympathische Rothaarige, sanft ein. „Und da er der Vater ist, ist es nur logisch, ihn zu fragen.“

„Es wäre idiotisch, in deiner Situation keinen Unterhalt für das Kind zu verlangen“, sagte Lola Price, eine kämpferische, in letzter Zeit leicht reizbare Blondine, die im Gegensatz zu den beiden anderen immer noch hochschwanger war.

Hallie knirschte mit den Zähnen. Vor allem war es idiotisch gewesen, sich von ihrem Chef, einem milliardenschweren Hotel-Tycoon, zu einem One-Night-Stand verführen zu lassen. Dabei war es nicht mal eine ganze Nacht, sondern nur eine halbe gewesen. Weil er sie bereits um Mitternacht aus seinem Bett geworfen und ihr am nächsten Morgen auch noch gekündigt hatte, wahrscheinlich, um zu verhindern, dass er ihr zufällig auf einem der Flure seines Hotels begegnete.

Damit war nicht nur ihr Job als Zimmermädchen Geschichte gewesen, sondern auch die dazugehörige Unterkunft, und sie hatte sich eine neue suchen müssen.

Hallie schaute auf ihr schlafendes Baby. Jack, bei der Geburt bereits fast acht Pfund schwer, machte sich prächtig, und sie liebte ihn über alles.

„Irgendwas musst du dir überlegen“, mahnte Tess. „Du hast ja nicht mal ein Dach über dem Kopf. Es sei denn, du lässt die Polizei bei deinem Vermieter anrücken.“

„Also, bei mir kannst du nicht bleiben.“ Lola legte sich beide Hände auf ihren riesigen Bauch. Mehr erklärte sie nicht, aber Lola erklärte nie etwas.

„Bei mir geht es leider auch nicht“, meinte Tess bedauernd. „Meine Tante und mein Onkel wollen ja sogar mich schon die ganze Zeit rauswerfen.“ Sie seufzte. „Wenn du bloß diesen Scheck nicht zerrissen hättest.“

Hallie reckte das Kinn. „Man hat ja schließlich seinen Stolz.“

„Aber hunderttausend Dollar“, erinnerte Tess. „Das ist viel Geld für eine Abfindung.“

„Und mit Stolz machst du dein Baby satt, ja?“, fragte Lola spitz.

Hallie ließ die Schultern hängen. Lola war nicht sanft und fürsorglich wie Tess, dafür brachte sie die Dinge oft gnadenlos auf den Punkt.

Hallie erinnerte sich, wie ihre Vorgesetzte ihr zusammen mit der fristlosen Kündigung einen Umschlag ausgehändigt hatte. Hunderttausend Dollar für den Verlust ihrer Jungfräulichkeit und einen demütigenden Rauswurf mitten in der Nacht. Na toll. Wütend und zutiefst verletzt hatte sie den Scheck in winzige Schnipsel zerrissen und weggeworfen.

Doch nun, ein Jahr später, stand sie mit leeren Händen da. Jetzt könnte sie dieses Geld gut brauchen. Zu spät.

Natürlich hatte sie damals noch nicht gewusst, dass Cristiano sie geschwänget hatte. Sie fuhr sich verunsichert mit der Hand über die Stirn. So viel zum Thema Stolz.

„Also los.“ Lola blieb wartend zwischen den Klappstühlen und der Schar alleinerziehender Mütter stehen, die sich im Untergeschoss des Gemeindehauses versammelt hatten. „Gehen wir.“

„Wohin?“

„Zum Vater deines Kindes. Du hast keine Wahl.“

Hallie erstarrte, dann schüttelte sie vehement den Kopf. „Nein.“

„Warum?“

„Das weißt du. Er war grausam …“

„Grausam?“ Lola schaute entsetzt. „Davon hast du nie etwas gesagt. Hat er dich geschlagen? Oder bedroht?“

„Unsinn. Natürlich nicht.“

„Was dann?“

Hallie hatte plötzlich einen Kloß im Hals. „Er hat mich missachtet.“

Lola entspannte sich etwas. „Er ist ein Dreckskerl. Und du bist dir wirklich sicher, dass er der Vater ist?“

„Ja, leider.“ Auch wenn sie dringend Unterstützung brauchte, sie brachte es nicht über sich, zu Cristiano zu gehen. „Trotzdem, ich kann einfach nicht.“

„Du musst. Wenn du jetzt nicht an dich und dein Kind denkst, landet ihr beide im Obdachlosenasyl.“

Hallie keuchte entsetzt.

„Und wer weiß, vielleicht freut er sich ja, wenn er hört, dass er einen Sohn hat“, wandte Tess ein. „Oder es gibt eine einleuchtende Erklärung für sein Verhalten und …“

Das Ende ihres Satzes ließ sie in der Luft hängen. Jeder hörte, wie lächerlich es klang.

Wenn ich doch bloß … Hallie lächelte Tess wehmütig an, dann erlosch ihr Lächeln.

Sie konnte nicht, sie brachte es einfach nicht über sich.

Trotzdem wusste sie, dass Lola recht hatte. Im vergangenen Jahr hatte sie alles versucht, um sich über Wasser zu halten, doch jetzt war sie mit ihrer Weisheit am Ende.

„Also gut“, sagte sie schließlich leise.

„Du machst es?“ Lola klang hörbar erleichtert. Hallie hatte nicht zum ersten Mal den Verdacht, dass die Freundin genauso verletzlich und zartfühlend war wie Tess, auch wenn sie das aus unerfindlichen Gründen verzweifelt zu verbergen suchte.

Kurz darauf quetschten sich die drei Frauen mit ihren zwei Babys und Jacks Falt-Buggy in ein Sammeltaxi. Am Ziel angelangt, bereute Hallie ihren Entschluss sofort. Ihr graute vor dieser Begegnung.

Tess, ihr Baby in einem Tragetuch vor dem Bauch, ließ den Blick an dem Hotelturm emporwandern. „Wow. Und das gehört alles ihm?“

Hallie nickte und versuchte, die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken.

„Na dann“, sagte Lola. „Hol dir, was dir zusteht. Tu es für Jack.“

Hallie ging langsam, den Buggy vor sich herschiebend, vorbei am Blue Hour, dem Jazzclub des Hotels. Hier gab es Live-Musik, und früher hatte sie davon geträumt, irgendwann dort aufzutreten. Doch das schien ein Leben lang her.

Sie blieb stehen und schaute sich nervös nach ihren Freundinnen um, die ihr folgten. „Ihr kommt mit?“

„Nur damit du keinen Rückzieher machst“, sagte Lola.

„Damit du dich nicht so allein fühlst“, ergänzte Tess.

Hallie holte tief Luft, straffte die Schultern und betrat das Campania.

Überall Luxus pur. Hallie sah auf den spiegelblanken weißen Marmorboden, die Kamine mit den exklusiven Designersesseln davor und die elegante Bar in der Mitte des Foyers.

Sie blieb verunsichert stehen, schaute auf die edel gekleideten Gäste.

„Was ist?“, fragte Lola. „Ruf ihn doch einfach an. Sag, dass du hier bist und ihn dringend sprechen musst.“

„Ich kenne seine Durchwahl nicht. Ich war doch nur …“ Sie zögerte.

Lola zog ein finsteres Gesicht. „Du warst nur das Zimmermädchen, richtig?“

Hallie senkte den Blick, ihre Wangen glühten. Nach allem, was sie wusste, gab es zwischen einem Zimmermädchen und dem milliardenschweren Besitzer ungefähr fünfzig Hierarchieebenen. „Ich könnte versuchen, bei seiner Sekretärin eine Nachricht zu hinterlassen“, sagte sie matt. „Oder ich …“

Sie brach abrupt ab.

Auf der Galerie über der Lobby war Cristiano soeben aus dem Aufzug gestiegen.

Schlagartig wurde es still, als beträte ein umschwärmter Filmstar den roten Teppich. Die Leute reckten neugierig die Köpfe. Er kam, an seiner Seite ein atemberaubendes Topmodel, die Treppe herunter, gefolgt von zwei Assistentinnen und einem Bodyguard.

Cristiano Moretti, dunkelhaarig, hochgewachsen und breitschultrig, wirkte in seinem perfekt sitzenden Smoking höchst kultiviert. Auch wenn der dunkle Bartschatten auf Kinn und Wangen, gepaart mit glitzernden schwarzen Augen, ihm eine gefährliche, rücksichtslose Ausstrahlung verlieh. Hallie erschauerte heftig, als sie an die Nacht dachte, die ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt hatte.

Da war es wieder, dieses coole Lächeln … als ob er keine einzige Sorge auf der Welt hätte. Nun, die hatte er ja auch nicht.

Hallie klopfte das Herz bis zum Hals, als er sich seiner Begleiterin zuwandte. Jetzt! Kurzentschlossen drückte sie Lola den Griff des Buggys in die Hand.

„Hier. Pass auf Jack auf.“

Die Freundin runzelte die Stirn. „Aber der Mann wird seinen Sohn kennenlernen wollen.“

Hallie presste die Kiefer aufeinander. „Es reicht, wenn ich es ihm sage.“

„Das ist doch total …“, protestierte Lola, aber Tess legte ihr beschwichtigend eine Hand auf den Arm.

„Hallie macht das schon.“

Hallie warf ihr einen dankbaren Blick zu.

„Meinetwegen“, brummte Lola.

Hallie konnte sich kaum auf den Beinen halten, so weich waren ihre Knie, während sie auf Cristiano zuging. Mitten in der Lobby blieb sie stehen.

Was für eine Situation! Sie hier und ausgerechnet in diesem alten Sommerkleid mit den Spaghettiträgern, das sie heute Nachmittag für den Besuch in der Selbsthilfegruppe anzogen hatte. Da hatte sie natürlich noch nicht gewusst, wo sie am Ende des Tages landen würde. Er würde sich wahrscheinlich sofort fragen, wieso er ausgerechnet sie … nun, das war Geschichte.

Um ihre Nervosität in den Griff zu bekommen, stützte sie die Hände in die Hüften und wartete, bis er auf einer Höhe mit ihr war.

Sein Bodyguard versuchte sie zu verscheuchen. „Bitte, entschuldigen Sie, Miss.“

Im selben Moment erkannte Cristiano sie.

Er erstarrte. „Schon gut, Luther.“ Er kam nach vorn. „Was machst du hier, Hallie?“

Er erinnert sich an meinen Namen, dachte sie überrascht und versuchte den Schauer zu ignorieren, der ihr bei seinem Anblick über den Rücken rieselte. Er stand so dicht vor ihr, dass er sie fast berührte. Sein dunkler Blick versengte sie. „Ich … ich muss mit dir reden. Allein“, brachte sie mühsam heraus.

Seine Miene wurde undurchdringlich. „Das ist keine gute Idee.“

„Ich muss dir etwas Wichtiges sagen.“

„Dann sag es.“

„Hier?“ Hallie spürte, wie ihr Hitze in die Wangen schoss. Alle starrten sie neugierig an. Das Topmodel, das etwas abseits auf schwindelerregend hohen High Heels stand, sah verächtlich auf sie herab. Die Frau war wahrscheinlich nicht die Einzige hier, die sich wunderte, dass jemand wie sie es wagte, Cristiano Moretti anzusprechen. Hallie bekam Panik und schaute sich nach ihren Freundinnen am anderen Ende des Foyers um. Sah den Buggy mit ihrem schlafenden Sohn. Das gab ihr Kraft. „Es ist wichtig.“

„Ich wüsste nicht, was wir zu besprechen hätten.“ Er wollte gehen, aber sie verstellte ihm den Weg.

„Wenn du dich weigerst, mich anzuhören, mache ich dir hier eine Riesenszene“, sagte sie, perplex über ihre plötzliche Entschlossenheit.

Cristiano musterte sie ebenso perplex, dann gab er seinem Bodyguard ein Zeichen. Anschließend sagte er irgendetwas zu seiner Begleiterin, die ihr einen finsteren Blick zuwarf. Dann wandte er sich wieder ihr zu und forderte sie schroff auf mitzukommen.

Cristiano Moretti trat, die Kiefer fest zusammengepresst, in seinem privaten Arbeitszimmer im zweiten Stock seines Hotels an die Bar.

Er zog den Stöpsel aus der Kristallkaraffe und schaute auf Hallie, die ihm zögernd in den Raum mit der hohen Decke und der dunklen Eichentäfelung gefolgt war. „Scotch?“

Sie schüttelte den Kopf.

Was ihn nicht hinderte, sich selbst zwei Finger breit einzuschenken. Dabei meinte er fast zu spüren, wie sie hinter ihm vor Nervosität vibrierte. Er verschloss die Karaffe, trank das Glas auf einen Zug leer. Versuchte Zeit zu schinden.

Kein Wunder, schließlich war Hallie Hatfield sein größter Fehler gewesen. Und das wollte bei einem fünfunddreißigjährigen Mann mit Vergangenheit durchaus etwas heißen.

Er wandte sich zu ihr um. „Also, was willst du?“, sagte er knapp.

Hallie schluckte, zögerte, wurde rot. Sie rang sichtlich nach Worten, aber er wusste natürlich auch so, warum sie hier war.

Sie wollte Geld.

In Gedanken verfluchte er sich. Wie dämlich konnte man eigentlich sein?

Er hatte doch gewusst, dass es so kommen würde. Überraschend daran war nur, dass es ein ganzes Jahr gedauert hatte.

Wahrscheinlich hatte sie mit einem Anwalt gesprochen, der ihr geraten hatte, ihn wegen ungerechtfertigter Kündigung zu verklagen. Zu Recht. Inzwischen war ihm längst klar geworden, dass es ein Fehler gewesen war.

Aber sie hatte ihn damals einfach umgehauen. Obwohl er selbst jetzt immer noch nicht genau wusste, warum. Diese großen seelenvollen Augen, in denen man zu ertrinken glaubte. Diese einzigartige Stimme, die ihn betört hatte. Und diese atemberaubenden Kurven. Die ihm heute noch üppiger vorkamen als in seiner Erinnerung.

Cristiano konnte sich gut erinnern, wie es sich angefühlt hatte, sie im Arm zu halten, unter sich ihren weichen Körper, auf den zerwühlten Bettlaken, die sie erst eine Stunde vorher glattgezogen hatte.

Er hatte sie verführt. Daran gab es nichts zu deuteln. Er war einen Tag früher als geplant nach New York in sein Penthouse zurückgekehrt und hatte sie im Schlafzimmer singen hören. Ihre süße, leicht heisere Stimme hatte ihn verzaubert und in ihm eine Sehnsucht nach etwas geweckt, das er nie gehabt hatte. Nach etwas, von dem er nie zu träumen gewagt hatte.

Dann hatte er sie gesehen, eine bezaubernde Brünette mit einer Sanduhr-Figur, die gerade dabei gewesen war, sein Bett frisch zu beziehen. Sogar diese schwarze Zimmermädchentracht hatte unfassbar erotisch an ihr gewirkt.

Als sie auf ihn aufmerksam geworden war, hatten sich auf ihrem schönen Gesicht widersprüchliche Emotionen gespiegelt. Einen Moment lang hatten sich ihre Blicke so ineinander verhakt, dass er seinen eigenen Namen vergaß.

Schließlich hatte er sich zu einem lässigen Lächeln gezwungen. „Sind Sie neu hier?“

„Camille hat heute früher Schluss gemacht, weil … sie muss ihren Enkel abholen. Sie hat gesagt, ich soll mich möglichst unsichtbar machen und … und …“

Er hatte einen Schritt auf sie zu gemacht, sie mit Blicken verschlungen. „Sie und unsichtbar, das ist gut. Was war das für ein Song, den Sie da eben gesungen haben?“

„Ach, nur ein alter Folksong aus den Appalachen.“

„Er ist wunderschön.“ Inzwischen so nah, dass er sie berühren konnte, hatte er geflüstert: „Und Sie sind hinreißend.“

Als ihre Wangen zu glühen begannen und ihre Lippen sich einladend öffneten, hatte er die Hand nach ihr ausgestreckt.

Was zweifellos ein Fehler gewesen war, aber er hatte sie eben gewollt. Und als sie Interesse signalisierte, hatte er sie genommen. Was unter anderen Umständen undenkbar gewesen wäre, weil Angestellte für ihn prinzipiell tabu waren.

Ebenso wie Jungfrauen, und Hallie war zu allem Überfluss auch noch unberührt gewesen. Das hatte er in dem Moment, in dem er sie zum ersten Mal geküsst hatte, gespürt.

Doch auch das hatte ihn nicht aufhalten können. Er war ein Mann mit Prinzipien, die er in diesem Fall allerdings bedenkenlos über Bord geworfen hatte.

Und so war es auch kein Wunder gewesen, dass er noch eine dritte Regel gebrochen und sie gefeuert hatte. Zu Unrecht, wie er zugeben musste, und das hatte ihr Anwalt offenbar genauso gesehen.

Doch jetzt fiel es ihm schwer, über Anwälte nachzudenken. Ein ganzes Jahr lang hatte er versucht, sie zu vergessen. Vergebens. Und spätestens in diesem Moment wusste er, dass er sich etwas vorgemacht hatte.

„Warum bist du hier?“

„Ich bin … ich wollte dir sagen …“

Ihre Stimme zitterte. Versiegte. Sie schaute ihn an.

Cristiano stellte sein Glas mit einem dumpfen Knall auf der Bar ab. Machte Fäuste, um sich daran zu hindern, die Hände nach ihr auszustrecken und … Ob ihre Lippen immer noch genauso süß schmeckten wie in seiner Erinnerung? Er hätte es zu gern gewusst.

Dass ein einziges Mal nicht genug war, musste ihm bereits in jener Nacht klargeworden sein. Sie hatte ihn mit ihrem Sirenengesang angelockt, aber er hatte befürchtet, dass sie mehr von ihm wollte als nur seinen Körper. Mehr als sein Geld.

Doch mehr hatte er nicht zu geben.

Deshalb hatte er sie weggeschickt, lange bevor sein Hunger gestillt war. Genützt hatte es ihm allerdings nichts, denn auch als sie weg war, hatte er sich nach ihr gesehnt wie nach einem süßen Gift. Deshalb hatte er am nächsten Morgen dafür gesorgt, dass sie gefeuert wurde. Aus den Augen, aus dem Sinn. Zu ihrem eigenen Wohl. Und zu seinem.

Trotzdem hatte er nie aufgehört, sie zu begehren. Als er jetzt auf sie zuging, atmete er schnell. Und er war hart … oh, so hart.

„Also, was willst du?“

„Ich muss dir etwas sagen. Etwas Wichtiges.“

„Du wiederholst dich.“ Cristiano sprach leise. Jetzt stand er so dicht vor ihr, dass er sie fast berühren konnte.

Vielleicht sollte er einfach noch einmal mit ihr schlafen …

Dann hätte er sie bestimmt satt und …

Stopp, befahl er sich wütend.

Hallie zögerte, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Er hätte fast laut aufgestöhnt. Versuchte sie ihn zu provozieren?

„Das ist … nicht so einfach“, flüsterte sie.

Er knirschte mit den Zähnen. „Ich weiß ohnehin, was du willst.“

Sie riss die Augen auf. „Ja?“

„Du hast den Scheck nie eingelöst.“

Hallie blinzelte, runzelte die Stirn. „Den Scheck?“

„Vom Morgen danach.“

Sie wurde rot, schaute weg. „Nein“, sagte sie leise. „Ich habe ihn zerrissen.“

„Weil dir schnell klarwurde, dass du noch viel mehr rausholen kannst.“

„Kann ich?“, flüsterte sie. „Warum sollte ich?“

„Du willst, dass ich es laut ausspreche?“ Er riss sie an sich. Sie keuchte empört, als er ihr mit den Handflächen über Taille und Hüften fuhr.

„Was soll das?“

„Wo ist das Mikro?“ Ihr Sommerkleid war so dünn, dass es die reinste Folter war, Taille und Hüften abzutasten, ohne seinen Mund auf ihre Lippen zu pressen.

„Lass mich los!“

Er ließ von ihr ab, lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Marmorkamin und fragte kalt: „Wer ist dein Anwalt?“

„Mein Anwalt?“

„Stell dich nicht dumm. Du wusstest, dass ich verhindern wollte, dass das öffentlich wird. Ich bin nicht stolz darauf.“

Ihre Augen weiteten sich. „Stolz … auf was?“

„Ich habe einen Ruf zu verlieren. Eine Anklage wegen sexueller Nötigung ist kein Pappenstiel.“

„Oh.“ Sie biss sich auf die Unterlippe, schaute weg. Starrte einen langen Moment auf die Regalwand mit den in Leder gebundenen Büchern, die er nie gelesen hatte, auf den Lesesessel, in dem er nie saß. Das Ambiente war die Idee eines Innenarchitekten gewesen und hatte mit ihm selbst kaum etwas zu tun. Im Moment konnte er nur daran denken, dass er Hallie bis zur Besinnungslosigkeit küssen, ihr die Kleider vom Leib reißen wollte …

Er musste sie loswerden, bevor er etwas völlig Verrücktes tat.

„Nenn einfach die Summe.“

„Die Summe?“

„Wie viel?“

Hallie fuhr sich erneut mit der Zungenspitze über die Lippen. „Also … ich will … so viel wie damals.“

„Hunderttausend Dollar?“, fragte er ungläubig.

„Danach werde ich dich nie wieder belästigen. Ich gebe dir mein Wort.“

Cristiano wollte es nicht glauben, dass sie sich mit so wenig zufriedengab. Ein Prozess käme ihn wesentlich teurer zu stehen, so viel war sicher. War das ein Trick? Oder hatte sie den unfähigsten Anwalt der Welt?

Er musterte sie forschend. „Du wirst eine Schweigevereinbarung unterzeichnen müssen.“

„Ich unterschreibe alles, was du willst“, sagte sie sanft und legte die Hände zusammen wie eine Nonne zum Gebet.

Jetzt wurde Cristiano wirklich misstrauisch. „Auch eine Schuldanerkenntnis.“

„Was heißt das?“

„Dass die Kündigung gerechtfertigt war.“ Er zuckte die Schultern. „Den Grund kannst du dir aussuchen. Diebstahl. Oder häufiges Zuspätkommen.“

„Diebstahl!“, wiederholte Hallie empört, aber sie beruhigte sich gleich wieder und sagte in sanftem Ton: „Also gut, ich bin oft zu spät gekommen.“

Sie sagte es so überzeugend, dass es sich fast wahr anhörte. Aber natürlich wusste er, dass das nicht stimmte. Bei der Personalabteilung hatte man nur lobende Worte für sie gefunden.

Deshalb hatte er es ihrer Vorarbeiterin überlassen, die Kündigung auszusprechen. Er hatte ihr in einem fest verschlossenen Umschlag den Scheck in die Hand gedrückt, und die Frau hatte seine Anweisung befolgt.

Nur, warum sollte sich Hallie jetzt mit hunderttausend Dollar zufriedengeben, wenn ein Anwalt für sie so viel mehr rausholen könnte? Und darüber hinaus auch noch etwas zugeben, was sie gar nicht gemacht hatte? Nun, ihm konnte es nur recht sein.

„Schön.“ Er drehte sich zu seinem Schreibtisch um. Zog eine standardisierte Schweigevereinbarung heraus, die normalerweise für hochdotierte Führungskräfte reserviert war, und schob sie ihr hin. Dann schrieb er etwas auf ein separates Blatt Papier.

„Die Anwälte lassen wir außen vor. Das erspart uns Zeit und Ärger. Wenn du beides unterschreibst, bekommst du deinen Scheck.“

Hallie schaute ihn unverwandt an. „Ich will erst den Scheck.“

„Was?“ Er lachte leise auf. „Traust du mir nicht?“

„Nein.“ Sie blickte ihn ruhig, aber entschlossen an. „Weil ich weiß, was du für ein Mensch bist.“

Er straffte die Schultern. „Ach ja?“

„Erst hast du mich verführt …“, ihre karamellbraunen Augen glitzerten, „… und dann gefeuert. Du hast mir meine Arbeit weggenommen, nur damit du mich nicht mehr sehen musst.“

Sie hatte recht. Und dafür hasste er sich.

„Gut, und jetzt wissen wir beide, was für eine Frau du bist“, sagte er kalt. „Eine Frau, die bereit ist, für hunderttausend Dollar eine Lüge über sich selbst zu erzählen.“

Sie hielt seinem Blick einen Moment stand, dann schaute sie weg.

„Ja“, sagte sie leise. „Vermutlich.“ Sie straffte die Schultern. „Ich will trotzdem zuerst den Scheck.“

„Schön.“ Er wandte sich ab, um sein Scheckbuch zu holen. Er setzte die Summe ein, unterschrieb und hielt ihr den Scheck hin.

Ihre Hand zitterte, als sie das Formular entgegennahm. Für einen Moment schaute sie einfach nur darauf, dann presste sie es, fast den Tränen nahe, an ihre Brust.

„Danke“, flüsterte sie. „Du weißt nicht, was das für uns bedeutet.“

„Für uns?“

„Für mich“, sagte sie schnell.

Offenbar hatte sie einen Freund. Das wurmte ihn. Er schob den Gedanken weg. Das ging ihn nichts an, und sobald sie hier raus war, konnte er sie vergessen.

Er presste die Kiefer zusammen, hielt ihr den Stift hin. „Jetzt bist du dran.“

„Natürlich.“ Sie nahm den Stift, beugte sich über den Schreibtisch, um die beiden Schriftstücke – die Schweigevereinbarung und das Schuldeingeständnis – zu lesen. Derweil ließ er die Blicke über sie wandern, die Brüste, die noch üppiger wirkten als in seiner Erinnerung, den runden Po und die langen dunklen Haare, die ihr über den Rücken fielen.

Er schaffte es kaum, den Blick loszureißen.

Nachdem sie unterschrieben hatte, schraubte sie seinen Füller zu und reichte ihm diesen zusammen mit den beiden Schriftstücken. „Hier“, sagte sie, seltsam erleichtert wirkend.

Cristiano hatte Mühe, seine aufkeimende Verärgerung zu unterdrücken. Seine Hand streifte ihre, als er die Sachen entgegennahm. Ihr schoss die Röte in die Wangen. „Danke.“

Er beobachtete ungläubig, wie sie eilig zur Tür ging.

„War’s das dann?“

Hallie drehte sich noch einmal um. „Was soll noch sein?“

Er konnte es nicht glauben, dass sie einfach so gehen wollte. „Trink noch einen Schluck mit mir. Auf die Zukunft.“

Sie verzog den Mund zu einem humorlosen Lächeln. „Natalia wartet auf dich.“

„Wer?“

„Das atemberaubende Topmodel unten im Foyer.“

„Sie ist nur eine Bekannte“, gab er ungeduldig zurück. Er wusste, dass die Russin mehr von ihm wollte. Na und? Das Wiedersehen mit Hallie hatte ihm Erinnerungen zurückgebracht, die er seit einem Jahr zu verdrängen versuchte. Alle Alarmsignale standen plötzlich wieder auf Rot. „Bleib noch einen Moment.“

Hallie zögerte kurz, dann straffte sie die Schultern. „Glaubst du ernsthaft, dass ich nach allem, was ich mit dir erlebt habe, auch nur eine einzige Minute länger als nötig mit dir verbringe?“ Sie reckte das Kinn. „Ich will dich nie wiedersehen. Viel Spaß noch, Cristiano.“

Sie wandte sich ab, den Scheck fest an ihre Brust gedrückt. Und verließ ihn, ohne ihm noch einen Blick zu gönnen.

Er blieb wie betäubt zurück.

Hallie würde keinen Rechtsstreit beginnen. Die Kosten seiner Nacht mit ihr waren gering, ein Preis, den er bereitwillig zahlte. Und jetzt war sie weg. Endgültig.

Er knirschte mit den Zähnen. Das hatte er doch gewollt, oder? Er hatte sich für immer von der Versuchung befreien wollen, die sie darstellte.

Dabei war sie beileibe nicht die erste schöne Frau, mit der er geschlafen hatte. Die Gefahr – der Unterschied – lag in ihrer betörenden Stimme. Und in ihren sanften braunen Augen. Dem unwiderstehlichen Lachen, so warm und heiter, dass er förmlich dahingeschmolzen war.

Sie hatte ihn gegen seinen Willen dazu gebracht, gewisse Dinge zu fühlen.

Nicht sein Körper.

Seine Seele.

Deshalb hatte er seine Assistentin angewiesen, Hallie, falls sie anrief, abzuwimmeln.

Aber jetzt war er in seinem Stolz gekränkt.

Nachdenklich schloss er sein Scheckbuch wieder weg. Natalia wartete, doch plötzlich ödete ihn der Gedanke, sich auf einer Charity-Party die Nacht um die Ohren zu schlagen, unsäglich an.

Hallie hatte zum Anbeißen ausgesehen. Sie wirkte reifer als damals. Ihre dunklen Augen waren wachsam. Als hielte sie etwas zurück. Ein Geheimnis?

Cristiano verschloss den Safe, dann verharrte er mitten in der Bewegung.

Ein Geheimnis.

Als Hallie ihm im Foyer den Weg verstellt hatte, war sie nervös und angespannt gewesen. Ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Aber was? Dass sie sich einen Anwalt genommen hatte?

Sie hatte zögernd gesprochen – und nichts von einem Anwalt gesagt. Das hatte er getan. Als er ihr Geld angeboten hatte, war sie überrascht, ja schockiert gewesen. Obwohl sie doch bestimmt deshalb gekommen war. Weil ihr Anwalt es ihr geraten hatte.

Es sei denn, sie hatte gar keinen Anwalt.

Es sei denn, sie war aus einem anderen Grund gekommen. Aus einem Grund, der unwichtig geworden war, sobald er ihr das Geld angeboten hatte.

Ein Verdacht keimte in ihm auf.

Eilig verließ er sein Büro und lief die geschwungene Treppe hinunter, von der aus man einen guten Überblick über das weitläufige Foyer hatte. Er schaute auf die Gäste, meistens reiche Geschäftsmänner und ihre schönen Begleiterinnen, die sich an der Hotelbar drängten.

Und dann sah er Hallie auf der anderen Seite, dicht am Eingang, zusammen mit zwei jungen Frauen, eine rothaarig, die andere blond und hochschwanger. Hallie streckte gerade lächelnd die Hand nach dem Griff eines Kinderwagens aus.

Ein Kinderwagen. Sie blickte hinein, und ihr Lächeln wurde noch strahlender.

Cristiano erstarrte.

Ein Kinderwagen.

Ein Kind.

Unwillkürlich setzte er sich wieder in Bewegung, beschleunigte seine Schritte. Sein Kopf war leer, während er durch die gesichtslose Menge auf Hallie Hatfield und den Kinderwagen zuging. Beim Näherkommen hörte er ihr gedämpftes Lachen. Die beiden anderen Frauen rissen überrascht die Augen auf, als er Hallie eine Hand auf die Schulter legte.

Sie drehte sich, immer noch lächelnd, um. Und erbleichte.

Cristiano schaute von ihr zu dem dunkelhaarigen Baby in dem Buggy. Hob langsam den Blick, sah sie an.

„Ist das dein Kind, Hallie?“

Ihre Augen sagten alles.

Die Blicke der beiden anderen Frauen wanderten fragend zwischen ihm und Hallie hin und her.

„Hast du denn nichts gesagt?“, fragte die Blonde.

„Oh, Hallie“, flüsterte die Rothaarige.

„Bitte, lasst mich allein“, bat Hallie erstickt. „Ich melde mich später.“

Die Blonde wollte widersprechen, aber die Rothaarige legte ihr eine Hand auf den Arm und zog sie weg.

Hallie holte tief Atem. „Ich kann es erklären.“

Er sah wieder auf das Baby, dessen Augen genauso dunkel waren wie seine eigenen. Sein Verdacht erhärtete sich.

Er hielt seine Stimme sorgsam unter Kontrolle. „Du hast ein Kind.“

Sie biss sich auf die Lippen. „Ja.“

Er nahm sie kalt in den Blick. „Wer ist der Vater?“

„Bitte, Cristiano …“, begann sie flehend.

„Sag es, verdammt noch mal.“

Sie zuckte zusammen. Als sie sprach, war ihre Stimme fast nicht zu hören. „Du.“

Das Wort explodierte in seinem Kopf wie eine Granate.

Er hatte ein Kind.

Mit Herzklopfen schaute Cristiano auf das winzige Wesen, das jetzt herzhaft gähnte. Er wurde von Gefühlen überschwemmt, in denen er fast ertrank.

„Sicher?“, fragte er mühsam beherrscht.

„Ja. Du weißt, dass du der erste Mann warst …“

„Ich weiß“, unterbrach er sie schroff. „Aber weiß ich, was du danach getrieben hast?“

Sie spannte sich an. „Du bist der einzige Mann, mit dem ich geschlafen habe. Jack ist dein Sohn.“

Cristiano spürte, wie ihm die Kehle eng wurde. „Warum hast du mir nicht erzählt, dass du schwanger bist?“

„Ich wollte es ja. Ich habe bei deiner Sekretärin zweimal eine Nachricht hinterlassen.“

Von denen keine ihn erreicht hatte, und er wusste auch, warum.

Aber er wollte die Schuld nicht bei sich suchen, sondern bei ihr. „Wir haben ein Kondom benutzt“, sagte er. „Wie konnte das passieren?“

Sie hob die Augenbrauen. „Sag du es mir. Du bist der Erfahrenere von uns beiden.“

Er knirschte mit den Zähnen. „Du hättest dir mehr Mühe geben sollen, mich zu erreichen.“

„Nachdem du mich so behandelt hast? Um dir die Chance zu geben, nicht nur mich, sondern auch noch mein Kind zurückzuweisen?“

Das traf ihn. Er straffte die Schultern. „Und deshalb wolltest du vorhin einfach wieder gehen.“ Seine Stimme klang schneidend. Seine Kehle war rau. „Du hattest ja den Scheck. Da gab es keinen Grund mehr, mir von dem Kind zu erzählen, richtig?“

Hallie nickte verunsichert.

Er ballte die Hände zu Fäusten. „Warum?“

„Ich habe noch nie einen Menschen gehasst, Cristiano“, flüsterte sie. Sie suchte seinen Blick. „Nur dich.“

Er war schockiert von der Mischung aus Schmerz und Wut in ihren Augen. „So schlimm kann es gar nicht gewesen sein“, stieß er hervor. „Wir kannten uns ja kaum.“

„Du warst zärtlich und hast mir vorgespielt, du würdest dir etwas aus mir machen. Ein bisschen wenigstens.“ Sie wischte sich mit der Hand über die Stirn. „Doch sobald du hattest, was du wolltest, konntest du mich nicht schnell genug loswerden. Und ich stand plötzlich ohne Arbeit und ohne ein Dach überm Kopf da. Ich war schwanger und allein. Auch bei der Geburt. Ich musste irgendwie zurechtkommen. Weißt du, wie schwer es ist, mit einem Säugling einen Job zu finden? Ich habe darum gekämpft, Jack ein Zuhause zu geben, während …“ Sie schaute sich in dem luxuriösen Foyer um. „Während du Champagner geschlürft und dich amüsiert hast.“

Plötzlich fühlte er sich seltsam schuldig. Das passte ihm gar nicht. „Du hast mir nicht gesagt, dass …“

„Ich habe dich um Geld gebeten, damit ich heute nicht auf der Straße übernachten muss, Cristiano.“ Ihre schönen Augen begannen plötzlich feucht zu schimmern. „Weißt du, wie sich das anfühlt, wenn man einen Menschen um Hilfe bitten muss, den man hasst?“

Nein. Weil er so tief niemals sinken würde. Selbst damals in Italien war das nicht passiert.

Frauen sind eben anders, versuchte er sich einzureden. Eine Frau war nicht so stolz wie ein Mann.

„Und dann nimmst du den Scheck und gehst einfach ohne ein Wort.“

„Ich wollte dir nur einen Gefallen tun. Ich glaube kaum, dass du plötzlich Vater sein willst. Deshalb vergiss einfach, dass ich hier war. Vergiss, dass es ihn gibt.“

Hallie drehte sich um und ging, den Buggy vor sich herschiebend, weiter.

Noch während Cristiano ihnen nachschaute, geriet der Marmorboden unter seinen Füßen ins Wanken.

Tausend Erinnerungen stürmten auf ihn ein. Wie seine alkoholkranke Mutter ihn als Kind von Apartment zu Apartment geschleift hatte, immer ihrem neuesten Liebhaber hinterher. Er hatte sich einsam und ohnmächtig gefühlt.

Der Löwenanteil ihres knappen Haushaltsgeldes war in Alkohol geflossen. Für Essen war wenig übriggeblieben, und Sachen zum Anziehen hatte er aus der Altkleidersammlung der Kirche bekommen.

Er hatte nie einen Vater gehabt, der ihn umsorgt und beschützt hatte.

Automatisch setzte Cristiano einen Fuß vor den anderen. Bei Hallie angelangt, legte er ihr eine Hand auf die Schulter.

„Ich lasse es nicht zu, dass du mit unserem Kind einfach weggehst“, sagte er heiser.

„Warum?“, fragte sie zornig. „Entwickelst du plötzlich väterliche Gefühle?“ Ihre Augen glitzerten. „Das ist lachhaft, du denkst doch nur an dich. Du könntest niemand anderen lieben als dich selbst, nicht einmal dein eigenes Kind. Also lass uns in Frieden, ich will nichts mehr mit dir zu tun haben.“

2. KAPITEL

Hallie stand, die Arme verschränkt, mitten in der luxuriösen Eingangshalle des Hotels und musterte Cristiano entschlossen, obwohl sie innerlich zitterte wie Espenlaub. Sich gegen ihn zu behaupten war gar nicht so einfach.

Alles an ihm ist dunkel, dachte sie erschauernd. Sein Haar ebenso wie seine Augen. Der Smoking und der Bartschatten auf Kinn und Wangen. Vor allem aber spürte sie seine dunkle Wut, während er sich, immer noch mit der Hand auf ihrer Schulter, fast bedrohlich nah an sie heranschob.

Er kniff die Augen zusammen. „Du denkst also, dass ich mich mit Geld von meiner Verantwortung freikaufen will.“

Obwohl sie zitterte, war sie entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen. „Zu mehr reicht es bei dir eben nicht. Warum gibst du es nicht einfach zu?“

Seine Hand grub sich in ihre Schulter. „Wage es nicht, mich zu beleidigen.“

„Du solltest mir dankbar sein“, hielt sie ihm entgegen.

Er stutzte. „Wofür?“

„Dass ich dir die Verantwortung abnehme. Das willst du doch.“

„Wer sagt das?“, stieß er hervor.

„Ich. Und du weißt, dass es stimmt.“ Sie schwieg einen Moment, dann fuhr sie trotzig fort: „Ich gehe jetzt und löse den Scheck ein. Und dann wirst du nie wieder von uns hören.“

Cristiano senkte den Kopf, bis sein Gesicht nur Zentimeter von ihrem entfernt war. „Das werden wir schon noch sehen.“

Ihr Mund wurde trocken. Als sich ihr Blick mit seinem verhakte, erkannte sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Sie hatte ihn provoziert, hatte ihn nicht nur in seiner Männlichkeit, sondern auch in seiner Ehre gekränkt.

Die ganze Zeit über hatte sie nur an ihren eigenen Stolz gedacht, nie an seinen. Und dafür würde er sie jetzt büßen lassen.

„Du willst mich nicht“, flüsterte sie fast flehend. „Das weißt du.“

Seine dunklen Augen waren unergründlich. „Du irrst. Ich will dich seit einem Jahr. Und jetzt bekomme ich dich.“

„Was soll das heißen?“

Er schaute mit kalter ausdrucksloser Miene in den Buggy. „Er ist mein Sohn, Hallie. Ich gebe ihn nicht her … und dich auch nicht.“

Seine Augen begannen zu glitzern. „Und deshalb werden wir heiraten.“

Und deshalb werden wir heiraten.

Cristiano sah, dass Hallie entsetzt die Augen aufriss.

Seltsam, dachte er. Er hatte das gar nicht sagen wollen, die Worte waren ihm herausgerutscht. Noch nie im Leben hatte er den Wunsch verspürt, zu heiraten. Oder gar Vater zu werden. Aber noch während er sprach, wusste er, dass er Hallie tatsächlich heiraten wollte.

Wie das denn jetzt plötzlich? Ausgerechnet er wollte sich fürs Leben binden? Das war doch ein schlechter Witz.

Aber ganz so eindeutig war die Antwort auch wieder nicht, im Gegenteil. In Wahrheit wollte er seinem Sohn eine Kindheit wie seine eigene um jeden Preis ersparen. Sein Vater hatte seine Mutter noch vor ihrer Niederkunft verlassen, woraufhin er den Großteil seines Lebens mit Rachegedanken gegenüber seinem Vater verbracht hatte.

Auf der anderen Seite brauchte sein Sohn auch seine Mutter, außerdem konnte er Hallie nicht einfach ihr Kind wegnehmen. Damit blieb nur die Heirat.

„Ich soll dich heiraten?“, fragte Hallie bestürzt. „Wie soll das gehen? Ich hasse dich!“

„Ich kann auch nicht behaupten, dass ich besonders gut auf dich zu sprechen bin.“ Aber als er ihr beide Hände auf die Schultern legte, durchzuckte es ihn heiß.

Weil er nie aufgehört hatte, sie zu begehren.

Ihr Blick landete auf seinem Mund, dann schaute sie ihm trotzig in die Augen. „Warum sollte ich dich heiraten?“

Er betrachtete das Baby, das jetzt wach im Buggy lag und mit seinen Fingern spielte, und entgegnete ruhig: „Aus Liebe zu unserem Kind.“

„Aber … du wirst nie ein richtiger Vater sein.“ In ihrer Stimme schwang eine Nervosität mit, die vorher nicht dagewesen war. „Wir können ja eine Besuchsregelung ver…“

„Kommt nicht infrage. Ich will die volle Verantwortung.“

Hallie erbleichte und flüsterte: „Du willst ihn mir wegnehmen?“

„Nein.“ Er lächelte kalt. „Ich will, dass er beide Eltern hat. Aber das scheinst du ja anders zu sehen.“

Ihm war aufgefallen, dass man sie schon seit geraumer Weile beobachtete. „Lass uns hier weggehen“, erklärte er abrupt.

Sie schaute sich hektisch um, wie auf der Suche nach einem Fluchtweg. Das reichte ihm, um sich schnell nach unten zu beugen und das Kind aus dem Buggy zu heben.

„Was hast du vor?“, keuchte sie.

„Mit meinem Sohn zum Aufzug gehen“, gab er zurück.

„Soll ich mitkommen, Mr. Moretti?“, fragte sein Bodyguard.

Cristiano schüttelte den Kopf. „Sagen Sie Natalia, dass mir etwas dazwischengekommen ist. Das wird heute Abend leider nichts mehr.“

„Alles klar, Boss.“

Cristiano betrat den Aufzug, gefolgt von Hallie, die den leeren Buggy schob.

Sie ließ ihn nicht aus den Augen, während er vorzugeben versuchte, dass es für ihn das Normalste der Welt wäre, mit einem Baby im Arm im Aufzug zu stehen. Obwohl er sich äußerst unbehaglich dabei fühlte.

„Du musst seinen Kopf halten“, platzte Hallie heraus und machte es ihm gleich vor. „Am besten du gibst ihn mir einfach.“

„Vergiss es“, sagte er schroff. Jack war sein Sohn, und Hallie war sein Feind. Zumindest bis sie verheiratet waren und er sich ihrer Loyalität sicher sein konnte.

In der obersten Etage glitten die Aufzugstüren auf. Hier waren nur das Penthouse, das er bewohnte, sowie ein kleines Apartment für den Personenschützer.

„Jetzt gib ihn mir schon endlich“, verlangte Hallie, die ihm ins Penthouse gefolgt war.

Er tat es, wenn auch betont langsam und mit undurchdringlicher Miene. Sie drückte das Baby so fest an ihre Brust, als ob es um sein Leben ginge.

„Was fällt dir ein“, stieß sie erstickt hervor. „Das grenzt ja schon fast an Entführung.“

„Findest du?“ Er musterte sie kalt. „Und wie war das mit meinem Sohn? Als was würdest du das bezeichnen?“

Sie schien sich etwas zu beruhigen. „Du hättest mich eben zurückrufen sollen.“

Womit sie ja nicht ganz unrecht hatte. Irgendwie jedenfalls. Mit einem harten Auflachen wandte er sich ab. „Komm mit.“

Cristiano führte sie in den modern eingerichteten Wohnbereich mit der riesigen Fensterfront, die sich auf die Stadt mit ihren funkelnden Lichtern öffnete. Zur Linken gab es eine offene Küche mit allem technischen Schnickschnack, völlig unbenutzt natürlich. Wozu brauchte er eine Küche, wenn es einen Zimmerservice gab?

Er schaute wieder zu Hallie. Überlegte, ob ihre geröteten Wangen ein Hinweis darauf waren, dass sie sich daran erinnerte, wie sie im Rausch der Leidenschaft die Laken zerwühlt hatten, die sie kurz zuvor in ihrer Eigenschaft als Zimmermädchen sorgfältig glattgezogen hatte? In einem Taumel der Ekstase, so intensiv, dass daraus ein Kind entstanden war? In einer Nacht, die sich unauslöschlich in seine Erinnerung eingebrannt hatte.

„Setz dich.“ Er deutete auf die weiße Couch vor der Fensterfront.

Sie warf den Kopf in den Nacken. „Nein, danke. Ich kann …“

„Setz dich!“, wiederholte er entschiedener, und sie gehorchte, wenn auch mit einem finsteren Blick auf ihn.

Cristiano entschied sich für einen weißen Sessel neben der Couch, von wo aus er Hallie gut im Blick hatte.

„Wenn Jack tatsächlich mein Sohn ist, gehört er zu mir.“

„Das sagst du nur, weil du dich in deinem Stolz verletzt fühlst. Eigentlich machst du dir doch gar nichts aus ihm.“

Er kniff die Augen zusammen. „Du musst es ja wissen.“

„Stimmt.“

Er hätte ihr zu gern widersprochen, aber er hielt sich zurück. „Du traust mir also nicht? Schön. Ich vertraue dir auch nicht.“ Er sah auf das Kind in ihren Armen. „Und genau deshalb bleibt mein Sohn hier.“

„Tut er nicht.“

„Ich lasse ihn aber nicht weg.“

„Und ich erlaube es nicht, dass du unser ganzes Leben durcheinanderwirbelst, nur weil dein Ego angekratzt ist.“

Glaubte sie wirklich, dass das alles war? Er versuchte seine Wut zu zähmen, atmete tief durch.

„Ich weiß, wie es ist, ohne Vater aufzuwachsen“, sagte er langsam. „Und ich weiß auch, wie es sich anfühlt, wenn man arm ist und eine Mutter hat, die ständig nur an sich selbst denkt. Die jedem neuen Liebhaber hinterherläuft, sogar in eine andere Stadt. Meine Mutter hat sich mit Männern eingelassen, denen ich nur lästig war und die glaubten, das Recht zu haben, mich anzubrüllen, zu schlagen und sogar hungern zu lassen.“

Hallie erbleichte. „Sie hat dich nicht beschützt?“

Cristiano schüttelte den Kopf. „Sie konnte sich ja nicht einmal selbst beschützen. Ihr letzter Kerl hat sie fast totgeprügelt, da war ich achtzehn. Als ich ihr helfen wollte, hat sie mich rausgeworfen.“ Er lächelte hart. „Ich habe meine Lektion gelernt.“

In ihren Augen spiegelte sich blankes Entsetzen. „Das tut mir so leid.“

Cristiano hasste ihr Mitleid und bereute es sofort, so viel von sich preisgegeben zu haben. Das tat er sonst nie. „Vielleicht verstehst du mich ja jetzt besser.“ Er beugte sich vor. „Ich kann ihn nicht weglassen und mich dann mein ganzes Leben lang fragen, ob du auch wirklich gut für ihn sorgst. Oder ob du Liebhaber hast, die wütend werden, wenn er weint, und die ihn aus seinem Kinderbett zerren und so lange schütteln, bis endlich das Schreien aufhört …“

„Das würde ich nie zulassen!“

„Ich weiß“, sagte er grimmig. „Weil er bei mir bleibt.“

„Aber …“

„Und er wird meinen Namen tragen“, fiel er ihr ins Wort.

„Er heißt Hatfield wie ich.“

„Noch etwas, das sich mit unserer Heirat ändern wird.“

Hallie schaute auf das Baby in ihren Armen. Ihre Stimme klang dünn, als sie widerstrebend sagte: „Vielleicht könnten wir ja über … ein gemeinsames Sorgerecht nachdenken.“

Weshalb fügte sie sich nicht endlich? Nachdrücklich schüttelte er den Kopf. „Wir heiraten.“

„Aber warum?“

„Du hast mich gehört.“ Plötzlich hatte er es satt, sich zu erklären. Er war geduldiger und offener gewesen, als sie es verdiente, doch genutzt hatte es offenbar nichts. Er kniff die Augen zusammen. „Schluss jetzt. Die Entscheidung ist gefallen.“

„Du hast allein entschieden. Aber du bist nicht mein Chef. Nicht mehr.“

Cristiano neigte den Kopf und sagte in trügerisch beiläufigem Ton: „Du kannst dich natürlich weigern, mich zu heiraten.“

„Gut. Ich weigere mich.“

„Dann bleibt unser Sohn bei mir.“

Mit weit aufgerissenen Augen flüsterte sie: „Wer gibt dir das Recht, ihn mir wegzunehmen? Ich bin seine Mutter!“

„Wir werden ja sehen, wer vor Gericht Recht bekommt. Mir steht ein ganzes Team von erfahrenen Anwälten zur Verfügung, und was hast du? Nichts. Du bist eine Schwindlerin. Ich werde dafür sorgen, dass du New York vorerst nicht verlassen darfst.“

„Eine Schwindlerin? Wann habe ich dich jemals betrogen?“

„Gerade eben. Du hast dir hunderttausend Dollar erschlichen und wolltest mir verheimlichen, dass ich einen Sohn habe.“

Hallie war kreidebleich geworden. Das Baby hatte angefangen zu weinen.

„Es stimmt, ich bin wirklich eine Schwindlerin“, sagte sie plötzlich. „Du bist gar nicht Jacks Vater. Das war alles nur ein … ein Trick. Hier … dein Scheck.“

Sie zog den Scheck aus der Tasche und hielt ihn ihm hin.

Cristiano verzog abschätzig den Mund.

„Was ist los, Hallie“, sagte er, den Scheck übersehend. „Willst du damit erreichen, dass ich meine Rechte als Vater aufgebe?“

Sie steckte den Scheck wieder ein und stand zitternd auf. „Ich wünschte, ich wäre nie hierhergekommen.“

„Setz dich!“ Seine Stimme war hart.

„Und im Übrigen.“ Sie reckte das Kinn. „Kein Richter würde jemals einem Kind seine Mutter wegnehmen.“

„Wie dramatisch.“ Finster belustigt, fügte er hinzu: „Du setzt viel Hoffnung in etwas, von dem du offensichtlich nichts verstehst. Wie, glaubst du wohl, treffen Gerichte ihre Entscheidungen? Sie vertrauen den besten Anwälten mit den besten Argumenten. Deine Chancen sind gleich null, Hallie.“

Cristiano sah ihr an, dass sie mit sich rang, aber er hatte kein Mitleid mit ihr. Nicht im Geringsten. Er schaute auf das Kind in ihren Armen, das angefangen hatte zu weinen. Wenn er nicht zufällig argwöhnisch geworden und ihr ins Foyer gefolgt wäre, hätte er nie erfahren, dass er Vater war.

„Er hat Hunger“, sagte Hallie. „Wo kann ich ihn stillen?“

„Hier.“

„Dann dreh dich um.“ Das Weinen war jetzt noch lauter geworden.

„Kein Problem.“ Er tat, was sie verlangte, und schaute auf die Stadt hinunter. Jack beruhigte sich prompt und gab nur noch zufrieden schmatzende Laute von sich.

Cristiano entspannte sich. Das Geschrei seines Sohnes hatte ihn mitgenommen. Jetzt war er überzeugter denn je, dass seine instinktive Reaktion richtig war. Die Heirat war der einzige Weg, zu gewährleisten, dass sein Sohn allen Komfort und alle Sicherheit hatte, die er brauchte.

Dafür war er bereit, jedes Opfer zu bringen. Wie Hallie auch.

Er würde ihr keine Wahl lassen.

Er stand auf, zog sein Telefon aus der Tasche.

„Setzen Sie sich mit Dr. Garcia in Verbindung“, bat er Marcia Lattimer, seine persönliche Assistentin. „Informieren Sie ihn, dass ich in zwanzig Minuten mit einem Säugling zu einer Routineuntersuchung und einem Vaterschaftstest vorbeikomme.“

„Selbstverständlich, Sir.“

„Was?“, fragte Hallie hinter ihm alarmiert.

„Und Matthew soll die Limousine vorfahren“, fuhr er fort. Dann fiel ihm das Baby ein. „Oder nein, den SUV. Sagen Sie dem Hausmeister, ich brauche einen Kindersitz. Für einen drei Monate alten Säugling. Ich erwarte, dass er installiert ist, bis wir unten sind.“

„Natürlich, Mr. Moretti“, beeilte sich Marcia zu versichern. Sie wurde gut bezahlt und war rund um die Uhr einsatzbereit. „Sonst noch etwas?“

„Nein. Andernfalls melde ich mich.“

„Ein Vaterschaftstest?“ Hallie sprach gedämpft, aber empört. „Dann glaubst du mir also nicht, dass er dein Sohn ist?“

„Kann ich mich umdrehen?“

„Ja.“

Er musterte sie gelassen. „Ich will Gewissheit.“

„Ich habe es dir gesagt“, entgegnete sie wütend.

„Ich glaube dir, dass Jack mein Sohn ist, aber ich möchte den Beweis.“

Sie warf den Kopf in den Nacken. „Was für ein Arzt macht so spät am Abend einen Vaterschaftstest? Es ist nach neun.“

„Dr. Garcia ist mein Leibarzt.“

Zehn Minuten später saßen sie auf dem Rücksitz eines schweren schwarzen SUV mit getönten Scheiben, zwischen ihnen ein nagelneuer Babysitz.

Behutsam zog Cristiano eine weiche blaue Decke an die Wange des schlafenden Kindes. Als er Hallies Blick auf sich spürte, schaute er auf. Plötzlich knisterte es heftig zwischen ihnen.

Hallie biss sich auf ihre volle Unterlippe und schaute schnell weg.

Vor einem Jahr hatte er sie weggeschickt – zu ihrem und seinem eigenen Besten. Aber das Schicksal hatte anders entschieden. Durch ihr gemeinsames Kind würden sie immer miteinander verbunden sein.

Verheiratet.

Und eine Heirat hatte zweifellos ihre Vorteile. Eine Hochzeitsnacht. Endlose Sinnenfreuden. Sternstunden der Lust.

Sobald sie verheiratet waren, gehörte sie ihm.

3. KAPITEL

Als sie später an diesem Abend die Arztpraxis in der Innenstadt verließen, war Hallie in heller Aufregung.

Sie konnte ihn nicht heiraten. Sie konnte einfach nicht.

Aber warum nicht?

Mit geschlossenen Augen lehnte sie sich auf der Rückbank des SUV zurück und versuchte sich ein Leben als Cristianos Ehefrau auszumalen. Was alles andere als einfach war, weil ihr keinerlei Gemeinsamkeiten einfielen.

Bis auf das Kind natürlich.

Wie mochte es für Jack sein, als Sohn eines superreichen Hotel-Tycoons aufzuwachsen? Nur auf die besten Schulen und Universitäten zu gehen und ausgestattet zu sein mit allen nur denkbaren Privilegien? Jack würden sämtliche Türen offenstehen, so viel war gewiss.

Plötzlich hatte sie einen Kloß im Hals. Aber würde ihr Sohn auch glücklich sein? Würde er ein guter Mensch werden?

„Matthew braucht deine Adresse“, sagte Cristiano.

Hallie sah ihn über den Babysitz hinweg an. Er hatte sein Smoking-Jackett abgelegt, die Krawatte gelockert.

„Meine Adresse?“, flüsterte sie.

Cristiano hob eine Augenbraue. „Warum nicht?“

Er wollte sie zu Hause absetzen? Konnte es sein, dass er seinen idiotischen Plan, sie zur Heirat zu zwingen, aufgegeben hatte? Als sie an ihren Vermieter dachte, schluckte sie schwer. Diesem schrecklichen Mann wollte sie nie mehr begegnen. Außerdem sollte Christiano nicht sehen, wie und wo sie lebte.

„Äh … East Village“, sagte sie unbestimmt.

Cristiano schaute sie erwartungsvoll an, bis sie Matthew schließlich widerstrebend die Adresse nannte.

Sie schaute auf Jack, der zufrieden vor sich hin blubberte. Sie fuhr ihm über sein mit dunklem Haarflaum bedecktes Köpfchen und blickte ihm dabei in die Augen, die er unübersehbar von seinem Vater hatte.

Plötzlich fiel ihr siedend heiß etwas ein. Sie kramte in der Windeltasche, zog ihr Handy heraus. Wie erwartet, sah sie mehrere Nachrichten von ihren Freundinnen.

Alles okay bei dir? Ist er nett?

Von Tess.

Zahlt er Alimente? Wie viel?

Von Lola.

Warum meldest du dich nicht?

Hat er dich entführt?

Eilig tippte Hallie eine Antwort an beide.

Alles gut. Haben soeben einen Vaterschaftstest gemacht. Er sagt, dass er für Jack ein Vater sein will. Später mehr.

Sie packte das Telefon wieder weg. Dann ließ sie ihr Fenster herunter und atmete die warme feuchte Juliluft tief ein, während der SUV in die Lower East Side einbog. Ihr wurde übel, als sie an ihren Vermieter dachte, der eigentlich gar kein richtiger Vermieter war, sondern nur irgendein Typ, der ihr in dem Apartment, in dem er selbst zur Miete wohnte, zu einem für sie gerade noch erschwinglichen Preis ein Zimmer untervermietet hatte.

Und dann hatte dieser Kerl sie heute Morgen doch tatsächlich begrabscht. Sie schluckte schwer. Eigentlich hatte sie nicht die geringste Lust zurückzugehen, aber ihre Sachen waren noch dort, darunter auch einige Erinnerungsstücke an ihre Familie, die ihr viel bedeuteten.

Hallie holte tief Atem. Sie würde dem Vermieter nur rasch das Geld geben, das sie ihm schuldete, dann ihr Zeug zusammenpacken und sich mit dem Kind ein Hotelzimmer suchen.

„Äh …“ Hallie biss sich auf die Unterlippe. „Könnten wir vielleicht irgendwo anhalten, damit ich den Scheck einlösen kann?“

Cristiano hob eine Augenbraue. „Glaubst du wirklich, dass sie dir in irgendeiner Wechselstube hunderttausend Dollar in Zwanzig-Dollar-Noten auszahlen?“

„Vielleicht eine Bank …“

„Die Banken sind geschlossen. Wozu brauchst du das Geld?“

„Es gibt da ein kleines Problem mit meinem Vermieter“, sagte sie kleinlaut. Er starrte sie an.

„Was denkst du? Dass ich dich und Jack in deiner Wohnung lasse?“

Sie fuhr überrascht herum. „Nicht?“

„Wir holen nur eure Sachen, dann fahren wir zu mir.“

„Oh“, flüsterte sie.

„Steck den Scheck weg. Mach damit, was du willst. Du und mein Sohn, ihr bekommt alles von mir, was ihr braucht.“

Sein Ton war befehlsmäßig, ganz so, als wäre er immer noch ihr Chef. Sie war mit ihren Nerven am Ende.

„Ich dachte, jetzt siehst du keinen Grund mehr, zu heiraten, weil du ja ganz klare gesetzliche Rechte hast.“

„Da hast du falsch gedacht.“ Der SUV hielt vor dem fünfstöckigen Gebäude an. „Pack zusammen, was du für die Nacht brauchst, und sag deinem Vermieter, dass er die Miete morgen bekommt. Die schweren Teile werden abgeholt. Deine Möbel und so. Oder wir lassen die Sachen dort und kaufen alles neu. Das liegt ganz bei dir.“

„Äh …“, sagte Hallie. Sie besaß keine Möbel, hatte nicht einmal ein Kinderbett für Jack.

„Ich bleibe mit dem Baby hier, dann kannst du in Ruhe packen. Aber beeil dich.“ Als sie sich nicht rührte, musterte er sie scharf. „Was ist?“

Sie drehte sich um und platzte heraus: „Ich brauche nichts. Am besten fahren wir gleich zu dir.“

„Was ist mit Kleidern …“

„Ich habe alles.“

Er sah sie an, als ob sie den Verstand verloren hätte. „Aber wir sind doch schon da.“

„Ich will da nicht rein!“ Ihre Stimme war schrill. Cristiano musterte sie erstaunt. Als er sprach, klang es überraschend sanft.

„Was ist denn los, Hallie?“

Sie holte tief Atem und schaute weg. Sogar um Mitternacht herrschte hier noch Verkehr, die Neonlichter der Pizzerien und Waschsalons auf der First Avenue erhellten die schwüle Sommernacht.

„Nachdem du mich rausgeworfen hattest, war es schwierig, eine neue Stelle zu finden“, begann sie leise. „Aber dann stellte mich ein Paar auf der Upper Westside als Haushaltshilfe ein, einschließlich Unterkunft und Verpflegung. Doch nach Jacks Geburt verlor ich die Stelle.“

Er runzelte die Stirn. „Warum?“

Sie lächelte freudlos. „Sie behaupteten, dass ihre beiden prämierten chinesischen Schopfhunde von Jacks Geschrei traumatisiert würden.“

„Kein Witz?“

„Danach war ich arbeitslos. Eine alleinstehende Frau mit einem Säugling stellt niemand so schnell ein. In den letzten drei Monaten habe ich von meinen Ersparnissen gelebt, und sogar die billigsten Apartments waren unerschwinglich für mich.“ Sie schaute auf ihre Hände. „Deshalb wohne ich seit drei Monaten zur Untermiete. Es war das Einzige, was ich mir leisten konnte, aber …“

Sie unterbrach sich, biss sich auf die Unterlippe.

Cristiano kniff die Augen zusammen, beugte sich ein Stück nach vorn.

„Aber …?“

„Am Anfang war der Typ eigentlich ganz okay. Nur in den letzten Wochen drückte er sich ständig in der Küche herum, wenn ich dort war. Oder er lief mir auf dem Flur rein zufällig über den Weg, wenn ich aus dem Bad kam. Sowas eben.“ Sie schaute weg. Es fiel ihr schwer fortzufahren. „Und heute Morgen, da … da hat er mich von hinten begrabscht.“

„Er ist über dich hergefallen.“ Cristianos Stimme war tonlos.

Hergefallen wäre vielleicht übertrieben.“ Sie versuchte zu lächeln, aber es klappte nicht. „Er hat versucht, mich zu küssen, und fuhr mir mit der Hand unters Kleid. Als ich ihn wegstieß, sagte er, dass ich zu wenig Miete zahle und auf andere Weise bezahlen soll.“ Sie wich seinem Blick aus. „Da habe ich mir Jack und die Windeltasche geschnappt und bin abgehauen. Den Buggy konnte ich nur mitnehmen, weil er unten im Hausflur stand. Er hat alle meine Sachen“, flüsterte sie. „Aber ich weiß nicht, ob ich es schaffe, ihm noch einmal gegenüberzutreten.“

Stille.

Als sie aufblickte, sah sie Cristianos Gesicht. Die flammende Wut in seinen dunklen Augen.

„Mir geht es gut. Wirklich.“ Sie legte ihm eine Hand auf den Arm und sagte eilig: „Ich habe ja eh kaum etwas. Nur unsere Sachen zum Anziehen, außerdem ein paar Familienfotos und ein alter Quilt …“ Sie bemerkte, dass sie plapperte, und atmete tief durch. „Er hat mir nicht wehgetan. Und Jack auch nicht.“

Seine Stimme war tief und tödlich. „Er hat dich sexuell belästigt.“

„Mir ist nichts passiert. Alles gut, wirklich …“

„Für mich nicht“, knurrte Cristiano, als er ausstieg. Er drehte sich zu ihr um, die Miene hart wie Granit. „Apartmentnummer?“

„Versprich mir, dass du ihm nichts tust …“

„Die Nummer!“

„4C“, flüsterte sie.

„Warte hier.“

Die Wagentür krachte zu.

Hallie rutschte nervös auf der Sitzbank herum, während die Minuten verstrichen. „Alles wird gut“, versicherte sie Jack und streichelte ihm die Wange.

Oh, sie machte sich lächerlich. Wahrscheinlich redeten die beiden Männer ganz zivilisiert miteinander, sonst nichts. Cristiano schrieb seelenruhig einen Scheck aus – das konnte er sowieso am besten – und bat Mervin Smith höflich darum, ihre Sachen zusammenzupacken und nach unten zu bringen.

Haha. Das würde nicht einmal Tess glauben.

Unruhig sah sie zu Matthew, der ruhig hinterm Steuer saß. „Ich muss mir doch um Cristiano keine Sorgen machen, oder?“, fragte sie.

Er spähte durch die Windschutzscheibe. „Luther ist nirgends in Sicht. Das ist ein gutes Zeichen.“

„Luther?“

„Sein Bodyguard.“

„Als Jugendlicher in Neapel war Mr. Moretti ein Rowdy. Da hat er sich auf der Straße mit den Fäusten Respekt verschafft.“

Sie schluckte. „Oh. Aber das ist lange her. Bestimmt hat er sich geändert.“

„Letztes Jahr wollten ihn frühmorgens beim Joggen im Central Park zwei Typen abziehen, aber die waren am Boden, ehe sie auch nur piep sagen konnten. Und dann war da noch dieses …“

„Danke, das reicht“, unterbrach Hallie ihn tonlos.

„Nichts zu danken“, sagte Matthew und rückte seine Kappe gerade. Dann atmete er tief durch und stieg aus.

Hallie zuckte zusammen, als die Tür auf ihrer Seite plötzlich aufgerissen wurde. Sie sah Mervin, Ketchup am Kinn, in einem T-Shirt, das über seinem dicken Bauch spannte, kniend auf dem Bürgersteig. Und panisch.

„Es tut mir leid“, stieß er hervor. „Es tut mir ja so leid, Hallie.“

„Miss Hatfield“, korrigierte Cristiano kalt, der wie ein Racheengel hinter dem Mann aufragte.

„Miss Hatfield“, wiederholte Mervin in höchster Bedrängnis. „Ich habe Ihre Sachen runtergebracht. Es ist alles da, in perfektem Zustand, ich schwöre …“

„Danke“, sagte sie nervös. Sie suchte Cristianos Blick. Trotz allem, was ihr Vermieter ihr angetan hatte, wollte sie ihn nicht auf diese Art gedemütigt sehen. „Schon gut.“

Cristiano schaute verächtlich auf den Mann hinunter. „Sollte mir jemals wieder zu Ohren kommen, dass Sie eine Frau sexuell belästigen …“

„Nie … nie … ich schwöre …“, schrie Mervin. Dann rappelte er sich mühsam auf und rannte stolpernd zurück ins Haus.

Während Matthew ihre wenigen Habseligkeiten im Kofferraum verstaute, setzte sich Cristiano wieder auf den Rücksitz neben sie und Jack. Der Kofferraumdeckel fiel krachend zu, und eine Minute später fuhren sie nach Norden.

Hallie hatte immer noch Herzklopfen. „Was hast du mit ihm gemacht?“

Cristiano zuckte die Schultern. „Ich habe ihn gebeten, sich zu entschuldigen.“

„Wirklich nur … gebeten?“

„Ganz höflich, ja.“

Sie beschloss nicht nachzubohren, denn so genau wollte sie es lieber nicht wissen. Und äußere Anzeichen für eine Verletzung hatte sie nicht gesehen. Jetzt konnte sie nur hoffen, dass sich der Mann an sein Versprechen, nie wieder eine Frau sexuell zu belästigen, auch wirklich hielt.

„Danke“, flüsterte sie. „Die Kleider sind nicht so wichtig, aber die Familienfotos bedeuten mir alles.“

Er musterte sie nachdenklich. „Erstaunlich, dass du immer noch so an deiner Familie hängst, obwohl sie dich und Jack im Stich gelassen haben.“

Hallie blinzelte überrascht und sagte sanft: „Sie haben Jack nie kennengelernt. Sie sind seit fünf Jahren tot.“

Cristianos Augen weiteten sich. „Tot?“

Sie schluckte schwer. „Sie sind bei einer Naturkatastrophe ums Leben gekommen“, begann sie stockend. „Ich lebte damals – mit neunzehn – noch zu Hause in West Virginia, in einem winzigen Nest in den Bergen. Ich arbeitete nachts in einem Supermarkt in der Stadt, aber mein Traum war es, Sängerin zu werden. Nach einer Woche mit sintflutartigem Regen kam eines Nachts eine Sturzflut aus den Bergen und riss unser Holzhaus mit sich hinweg, wahrscheinlich, weil im Sommer zuvor ein Großteil des Waldes durch einen Waldbrand zerstört worden war. Wenn ich in jener Nacht zu Hause gewesen wäre, hätte ich dasselbe Schicksal erlitten wie meine Eltern und mein Bruder.“ Sie senkte den Blick. „Und offen gestanden habe ich mir das auch lange gewünscht.“

„Das tut mir leid“, sagte er leise.

Hallie blinzelte ihre Tränen weg und sah aus dem Fenster. „Als ich frühmorgens nach Hause kam, war überall Feuerwehr, und unser Haus war weg. Meine Familie … man fand sie später …“

Ihre Stimme brach. Plötzlich lag Cristianos Hand auf ihrer.

Tief durchatmend suchte sie seinen Blick. Seine Augen waren unergründlich.

„Als meine Mutter starb, war ich achtzehn“, begann er leise. „Es geschah an dem Abend, an dem sie mich rauswarf. Ich wollte ihr helfen, weil ihr Liebhaber wie so oft wieder einmal handgreiflich wurde, aber sie stellte sich gegen mich. Ich begriff, dass ich machtlos war, und ging. Aber nachts um drei wurde ich unruhig und kehrte noch einmal zurück. Da sah ich, dass das Haus lichterloh in Flammen stand.“

„Brandstiftung?“, keuchte Hallie.

Er schüttelte den Kopf. „Ihr Freund hatte betrunken im Bett geraucht und war eingeschlafen. Sie sind beide verbrannt.“ Er verzog die Lippen. „Deine Familie ist durch Wasser umgekommen, meine durch Feuer.“

Die ganze Zeit über hatte sie Cristiano gehasst, weil sie ihn für arrogant und kalt hielt. Was er ja auch war. Trotzdem hatte sie nie aufgehört, sich zu fragen, warum das so war.

„Es tut mir leid.“ Sie verflocht ihre Finger mit seinen. „Dann weißt du auch, wie es ist, wenn man seine Familie verliert, sein Zuhause.“

Er sah sie einen Moment wortlos an, bevor er sich abwandte und seine Hand zurückzog. Er schwieg, während sich der Wagen der Innenstadt näherte.

Am Ziel angelangt, löste Cristiano den Babysitz und hob ihn heraus. Den Tragegriff in der einen streckte er ihr die andere Hand hin, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein.

Nervös griff sie danach. Und erschauerte heftig.

Er ließ sie nicht los, während sie das elegante Foyer mit seinen hohen Decken durchquerten. Der Raum war voll mit Prominenz jeglicher Couleur. Hallie erkannte einen Politiker und einen berühmten Filmstar.

Und alle drehten sich nach Cristiano um. Dann taxierten sie Hallie in ihrem schlichten Sommerkleid. Für noch mehr Verwirrung sorgte allerdings die Babytrage an Cristianos Arm.

Die Leute tuschelten im Vorübergehen. Ein paar besonders Mutige wagten es, Cristiano fragend anzusehen. Er nickte ihnen wortlos zu und ging weiter.

Er machte nur kurz Halt, um mit Clarence Loggia, dem Hotelmanager, zu reden, während Matthew und ein Page mit Hallies Kartons zum Aufzug gingen.

„Guten Abend, Mr. Moretti.“ Mr. Loggia war zu gut geschult, um bei dem ungewohnten Anblick, der sich ihm bot, auch nur eine Miene zu verziehen.

„Wie läuft es heute Abend, Clarence?“

„Prächtig. Wir sind zu sechsundneunzig Prozent ausgebucht. Soeben ist der Sultan von Bataar eingetroffen. Er wohnt den ganzen Sommer über in der Präsidentensuite, und den Rest der Zimmer auf dieser Etage benötigt er für seine Entourage.“

„So soll es sein. Sonst noch etwas?“

„Fürst Stefano di Gioreale hat kürzlich eingecheckt.“

Kurz verfinsterte sich Cristianos Miene. Dann sagte er beiläufig: „Ich denke, Sie haben, wie immer, alles im Griff. Buona sera.

„Gute Nacht, Sir.“

Hallie folgte Cristiano erschöpft in den Aufzug. Oben im Penthouse führte er sie in das Gästezimmer, das sie vor einer gefühlten Ewigkeit geputzt hatte.

„Du kannst heute Nacht hier schlafen“, sagte er.

„Wer macht denn jetzt hier sauber?“

„Meistens Camille. Ihre derzeitige Vertretung habe ich bis jetzt noch nicht zu Gesicht bekommen.“ Er grinste schief. „Sie versteht es offenbar besser als andere, sich unsichtbar zu machen.“

Hallie schnaubte und sah sich um. „Eigentlich war hier nie was zu tun. Ich habe mich gefragt, ob das Zimmer überhaupt jemals benutzt wird.“

Behutsam stellte er die Babytrage auf dem Fußboden ab. „Nein, nie.“

Dann sah sie die Kartons neben der Tür. „Ach, da sind ja meine Sachen.“

Sie lief hin und begann im obersten Karton zu kramen. Erleichtert stellte sie fest, dass alles da war, die Familienfotos, die Uhr ihres Vaters, der Basketball-Pokal ihres Bruders, die Spieluhr ihrer Mutter. Ihre Tränen wegblinzelnd setzte sie sich auf ihre Fersen und drehte sich zu Cristiano um.

„Danke.“ Ihre Stimme klang erstickt. „Du weißt nicht, was mir das bedeutet.“

„Schon gut.“ Er wandte sich ab. „Ich lasse euch jetzt allein.“

„Hast du keine Angst, dass ich mitten in der Nacht mit Jack weglaufe?“

Er drehte sich noch einmal um. „Ist das der Plan?“

Hallie dachte an die Freude, die in seinen Augen aufgeblitzt war, als er das Ergebnis des Vaterschaftstests erfahren hatte. Wie besorgt er sich ihr gegenüber verhielt. Mittlerweile war es ihr unvorstellbar, ihm Jack wegzunehmen, wo er doch so offensichtlich Teil seines Lebens werden wollte.

„Du bist Jacks Vater“, sagte sie leise. „Das würde ich nie tun.“

Seine Schultern entspannten sich. Er deutete auf den Raum, das angrenzende Bad. „Ich denke, hier habt ihr alles, was ihr braucht.“

„Und noch viel mehr“, gab sie zurück, als sie den Stubenwagen und das Babybeistellbett neben dem riesigen Doppelbett entdeckte.

Ihrem Blick folgend gestand Cristiano verlegen: „Ich wusste nicht, wie ihr das handhabt. Meine Assistentin hat mich beraten.“

„Danke.“ Sie lächelte. „Vielen, vielen Dank.“

Er nickte knapp. „Falls du einen Wunsch hast, wähl einfach die Eins.“ Er kam auf sie zu und legte ihr sanft eine Hand auf die nackte Schulter. Und sofort stand sie lichterloh in Flammen.

„Bis morgen“, sagte er leise.

Nachdem Cristiano weg war, ging sie mit der Babytrage ins Bad. Bei einer kurzen heißen Dusche wusch sie sich den Stress und die Angst des langen Tages ab. Dabei benutzte sie eins dieser teuren Haarshampoos, die sie als Zimmermädchen aufgefüllt hatte. Nach dem Abtrocknen schlüpfte sie in einen flauschig weißen Bademantel und wandte sich ihrem Sohn zu.

„So, jetzt bist du dran, Süßer.“ Sie nahm ihn aus der Trage, drückte ihn fest an ihre Brust und küsste ihn auf sein flaumiges Köpfchen. Sie badete und wickelte ihn, dann zog sie ihm eine frische Strampelhose an. Anschließend setzte sie sich mit ihm in den Gleitsessel am Fenster, wo sie ihn stillte und in den Schlaf wiegte.

Als ihr Magen knurrte, überlegte sie, wann sie zuletzt etwas gegessen hatte. Ein schal schmeckender Keks bei der Selbsthilfegruppe? Es schien eine Ewigkeit her zu sein. In diesem Moment fielen ihr ihre Freundinnen ein. Eilig kramte sie ihr Telefon heraus und schickte beiden eine Nachricht.

Ich übernachte heute bei ihm im Penthouse. Er hat meine Sachen von dem Vermieter zurückgeholt. Ich glaube, alles wird gut.

Nachdem sie ihr Smartphone an die Ladestation angeschlossen hatte, erwog sie, den Zimmerservice anzurufen, aber irgendwie kam es ihr albern vor, sich bedienen zu lassen. Hier im Penthouse gab es schließlich eine Küche, irgendetwas Essbares würde sich da gewiss finden lassen.

Cristiano liegt bestimmt längst im Bett und schläft, dachte sie, als sie im Bademantel auf den dunklen Flur trat. Doch weit gefehlt. Als sie ins Wohnzimmer kam, sah sie ihn im Halbdunkel mit seinem Laptop auf der Couch sitzen.

„Kannst du nicht schlafen?“ Er lächelte, und sie bekam sofort Herzklopfen. Er klappte den Laptop zu, stand auf. Sein nasses Haar verriet, dass er geduscht hatte. Der Oberkörper war nackt, und das Mondlicht, das durch die großen Fenster hereinfiel, betonte die muskulöse Brust. Die Pyjamahose hing ihm so tief auf den Hüften, dass der dunkle Haarstreifen sichtbar war, der sich von seinem Nabel über den flachen Bauch zog.

Ihr Mund wurde trocken. Sie hatte Mühe, ihren Blick loszureißen.

„Ich … bin hungrig“, brachte sie mühsam heraus. Gott, hoffentlich konnte er ihre Gedanken nicht lesen. Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, während ihr Blick verzweifelt nach einem Halt suchte.

„Was ist mit dem Zimmerservice?“

Mit dem Zimmerservice? Wieso? Ach so. Sie war total durch den Wind. Ihre Blicke begegneten seinen, und das Schlafzimmerlächeln, das er ihr zuwarf, gab ihr fast den Rest. Sie spürte, dass sie knallrot wurde.

„Ich … ich wollte mir nur einfach irgendwas aus deinem Kühlschrank nehmen, falls du nichts dagegen hast.“

Cristiano wirkte amüsiert. „Nur zu.“

Doch als sie die Tür seines supermodernen Kühlschranks öffnete, war da nichts außer einer Flasche teuren Wodkas und ein paar Oliven.

Sie drehte sich stirnrunzelnd zu ihm um. „Wo sind die Lebensmittel?“

„Ich koche nicht.“

Im Tiefkühlfach nur Eiswürfel, ansonsten gähnende Leere.

„Hast du echt gar nichts? Nicht mal Chips?“

Er zuckte die Schultern. „Ich lasse mir alles kommen. Es ist mein Hotel, warum sollte ich da die Annehmlichkeiten nicht nutzen? Außerdem ist es eine gute Qualitätskontrolle.“ Er grinste. „Wie du siehst, arbeite ich immer.“

„Scheint so.“ Sie seufzte.

„Dann ruf einfach den Zimmerservice.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Es ist mitten in der Nacht.“

Er musterte sie wieder belustigt. „Aber du weißt schon, dass ich hier der Besitzer bin?“

Sie versuchte seine schön geschwungenen sinnlichen Lippen zu übersehen. Dann merkte sie, dass sie sich mit der Zungenspitze über ihre Lippen fuhr. Ihre Wangen begannen zu glühen. „Das … hat nichts damit zu tun …“, sagte sie mühsam.

„Dann muss ich das eben selbst in die Hand nehmen.“ Er ging zu dem Küchentelefon und sah sie im Zwielicht an. „Also, worauf hast du Appetit?“

Worauf sie Appetit hatte? Ihr Blick verweilte auf seinen breiten Schultern, den starken Armen, der dunkel behaarten Brust. Sie konnte die Umrisse seiner kraftvollen Schenkel unter dem dünnen Baumwollstoff seiner Pyjamahose erkennen. Er grinste.

Ertappt! Schnell jetzt, sag irgendwas Intelligentes.

„Äh … was kannst du denn empfehlen?“ Intelligent ging anders.

Seine Augen glitzerten. „Soll ich es wirklich sagen?“

Plötzlich klopfte ihr das Herz im Hals. „Einen Cheeseburger und Pommes“, sagte sie eilig. „Und einen Erdbeershake.“

Cristiano verzog den Mund. Oh, er wusste genau, dass das Blut in ihren Adern kochte und ihr vor Verlangen nach ihm schwindlig wurde. Sie wagte es nicht, seinem Blick zu begegnen. Er drehte sich wieder um, gab die Bestellung auf. „In neun Minuten ist dein Essen da.“

Hallie schaute ihn ungläubig an. „In neun Minuten? Niemals.“

„Wetten dass?“

„Was denn wetten?“

Er ging zurück zur Couch, setzte sich und klopfte neben sich auf das Polster.

Sie ließ sich zögernd auf der Kante nieder. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie unter dem Bademantel nackt war. Nervös zog sie den Gürtel enger.

„Wenn dein Essen in …“, er schaute auf seine Uhr, „… sieben Minuten und achtundvierzig Sekunden da ist, bin ich Sieger. Wenn nicht, hast du gewonnen.“

„Worum wetten wir?“

Sein Blick flackerte. „Wenn du gewinnst, mache ich morgen für dich Frühstück, wie wäre das?“

Sie schnaubte. „Müsli oder was?“

Cristiano schüttelte den Kopf. „Eier mit Schinken. Belgische Waffeln. Was immer du magst.“

Sie war beeindruckt. „Aber du hasst es, zu kochen.“

„Muss ich ja auch nicht.“

„Warum nicht?“

„Weil ich gewinne.“

„Und dann? Was willst du von mir?“

Seine dunklen Augen glitzerten.

„Einen Kuss.“

Erneut wurde sie von Begehren überschwemmt. „Was willst du?“, fragte sie heiser.

„Du hast mich gehört.“

Diese Wette konnte sie unmöglich wagen. Sie hasste ihn. Oder etwa nicht? Nun, nicht wirklich. Nicht mehr. Aber küssen wollte sie ihn auf keinen Fall. Oder doch? Also gut, vielleicht, aber sie wusste, dass es zu einer Katastrophe führen würde. Sie durfte nicht zulassen, dass er sie wieder küsste.

Trotzdem schaffte sie es nicht, ihren Blick von ihm loszureißen. „Warum solltest du mich küssen wollen?“

„Warum nicht?“, gab er gleichmütig zurück.

Langweilte sie ihn? Oder versuchte er nur, sie aus dem Konzept zu bringen? „Nein, danke. Ich wette nicht.“

„Wenn du die Wette nicht annimmst, gibst du zu, dass ich recht habe.“ Er beugte sich auf dem weißen Sofa zu ihr vor, nah genug, um sie berühren zu können.

Wieder schlug ihr Herz wie wild. „Mit dem Zimmerservice?“

„Mit allem“, flüsterte er so dicht an ihrem Gesicht, dass seine Lippen fast ihre Wange streiften.

Sie erschauerte. „Ich gebe gar nichts zu.“ Aber als sie zurückzuckte, fiel sein Blick auf ihre Knie, und sie merkte, dass sich ihr Bademantel geöffnet hatte und ihre nackten Oberschenkel freigab. Sie spürte, dass sie rot wurde, und bedeckte eilig die nackte Haut.

Er hob eine Augenbraue. „Dann wette.“

„Gut“, sagte sie schroff. „Ich bin schon auf mein Frühstück morgen gespannt.“

„Vorausgesetzt, du gewinnst“, sagte er und streckte ihr die Hand hin. Sie starrte darauf, schlug ein. Und zog die Hand ganz schnell zurück, verzweifelt bemüht, die Reaktion ihres Körpers auf die kurze Berührung zu ignorieren.

Exakt fünf Minuten und vier Sekunden später, also volle fünfzehn Sekunden vor der Deadline, schaute sie besiegt auf das mit einer weißen Leinenserviette bedeckte Tablett, das vor ihr auf dem Kaffeetisch stand. Sie seufzte. Nicht einmal der leckere Duft heißer Pommes konnte sie trösten. Sie hatte ihre Wette verloren.

Ein Kuss.

Hallie legte die Hände auf ihre Stirn. Warum hatte sie zugestimmt? Warum? Wie hatte sie bloß so dumm sein können? Cristiano kannte natürlich die Abläufe in seinem eigenen Hotel genau.

Hatte sie sich womöglich gewünscht, dass er sie küsste?

Diese höchst unangenehme Frage kam ihr in den Sinn, als Cristiano zurückkam, der den Kellner zur Tür begleitet hatte. Er knipste eine Lampe an und verzog den Mund zu einem Lächeln. „Guck nicht so entsetzt.“

„Ich bin nicht entsetzt.“

„Du hast Angst.“ Er hob den silbernen Deckel von dem Tablett und sagte beiläufig: „Denkst du, ich hole mir jetzt meinen Kuss und nehme dich anschließend gegen die Wand gepresst?“

Sie wurde von einer Hitzewelle überrollt, während ihr wüste Bilder durch den Kopf schossen. Ihr Mund war staubtrocken. „Ich …“

„Warum kostest du nicht“, meinte er und ließ sich wieder neben ihr nieder. „Vielleicht schmeckt es dir ja.“

Ihr blieb fast das Herz stehen. Sie schaute ihn an, die Lippen leicht geöffnet.

Er hielt ihr ein perfekt frittiertes Kartoffelstäbchen hin.

„Probiere“, begann er heiser, „und sag, hast du jemals bessere Pommes gegessen?“

Sie sah die Herausforderung in seinen Augen. Sie riss es ihm aus den Fingern und steckte es in den Mund. Es war so knusprig und köstlich, dass sie vor Wonne aufstöhnte.

„Mmh … lecker“, flüsterte sie hingerissen.

Ihm entfuhr ein erstickter Laut. Als sie aufschaute, sah sie, dass sein schönes Gesicht angespannt wirkte.

Er erhob sich räuspernd. „Ich lasse dich jetzt in Ruhe essen.“

„Sekunde. Ich muss von dem Rest auch noch kosten.“ Obwohl sie längst wusste, dass der Cheeseburger der beste sein würde, den sie je gegessen hatte, griff sie danach. Sie biss ein großes Stück ab, leckte sich Ketchup und Senf von den Lippen und spülte dann alles mit dem Erdbeershake hinunter.

Schließlich schaute sie besiegt auf. „Also gut, du hast gewonnen …“

Ihre Stimme brach, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. Er wirkte hungrig. In seinen Augen war etwas Dunkles und Wildes. Er machte einen Schritt auf sie zu, die Hände in die Seiten gestemmt, und ihr schossen seine Worte von eben durch den Kopf.

… und nehme dich anschließend gegen die Wand gepresst?

Sie schrak vor der Leidenschaft in seinen Augen zurück. „Nein.“

Dieses eine geflüsterte Wort stand zwischen ihnen wie eine Wand. Er blinzelte. Seine Miene verschloss sich, als ob jemand eine Jalousie heruntergelassen hätte. Die zivilisierte Maske glitt an ihren Platz zurück.

„Gute Nacht.“ Damit drehte er sich um und ging den Flur hinunter zum Hauptschlafzimmer.

Hallie spürte, wie ihr Schauer der Erregung über den Rücken liefen – obwohl doch eigentlich gar nichts passiert war. Absolut nichts. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen.

Nachdem sie die Lampe ausgemacht hatte, blickte sie gedankenverloren auf die glitzernden Lichter der Stadt und aß. Alles, was sie dabei denken konnte, war, wie heftig sie ihn eben begehrt hatte. Und doch war ihr ein Nein entschlüpft. Weil sie Angst hatte.

Vor ihrer Nacht mit Cristiano war sie kaum geküsst worden. Tatsache war, dass sie zwar ein Kind, aber keinerlei sexuelle Erfahrungen hatte – bis auf die eine schicksalhafte Begegnung mit ihm.

Und jetzt wollte er sie küssen?

Jetzt wollte er sie heiraten?

Das war mehr als eine Nummer zu groß für sie.

Sie stand auf und kehrte ins Gästezimmer zurück, wo Jack friedlich schlief.

Sie war überzeugt, nicht schlafen zu können, aber irgendwie passierte es dann doch. Nur einmal mitten in der Nacht wachte sie auf und stillte das Baby. Als sie das nächste Mal von seinem leisen Quengeln erwachte, war es bereits hell. Sie fuhr hoch und spürte, dass sie seit Monaten nicht mehr so gut geschlafen hatte.

„Hallo, Schätzchen“, sagte sie, das Baby anlächelnd, das aufgeregt mit den Ärmchen wedelte.

Nachdem sie geduscht und Jack gewindelt hatte, ging Hallie ins Wohnzimmer. Sie hatte sich für ein hellrosa Sommerkleid entschieden, das Baby trug einen blauen Strampler. Als sie Cristiano am Küchentresen sitzen sah, merkte sie, dass bei der Erinnerung an letzte Nacht ihre Wangen heiß wurden. Dabei war gar nichts passiert.

„Guten Morgen.“ Cristiano ließ die Tageszeitung sinken. „Habt ihr gut geschlafen?“

Verunsichert verlagerte Hallie das Baby auf ihrer Hüfte, während Cristiano mit fragend hochgezogenen Augenbrauen auf eine Antwort wartete. Nichts an ihm erinnerte an letzte Nacht …

Sie erschauerte.

„Hallie?“

Sie fuhr zusammen. „Ja, gut. Danke.“

Sie fragte sich, wann er seinen Preis einfordern würde. Es ist nur ein Kuss, sagte sie sich, aber stimmte das wirklich?

Er hielt eine Tasse mit Goldrand hoch und sagte rau: „Setz dich.“

Sie kletterte, das Baby fest im Arm, auf einen der Barhocker und beobachtete überrascht, wie er ihr aus einer Silberkanne Kaffee einschenkte. „Du hast Frühstück gemacht?“

„Der Zimmerservice.“ Er deutete auf das Tablett. „Milch und Zucker gibt es auch.“

„Danke.“ Erst jetzt sah sie den Servierwagen und kam sich töricht vor. Nachdem sie Milch und Zucker in ihren Kaffee getan hatte, trank sie einen Schluck und seufzte vor Wonne. Sie warf Cristiano einen Blick zu und fragte behutsam: „Möchtest du ihn halten?“

Er zögerte, dann schüttelte er den Kopf. „Jetzt nicht. Vielleicht später.“

„Na gut.“

„Dein Frühstück wartet schon seit einer Stunde, hoffentlich ist es nicht kalt geworden.“ Er vertiefte sich wieder in seine Lektüre.

„Danke.“ Sie war kein bisschen hungrig. Sie warf ihm einen Blick von der Seite zu. „Du liest eine italienische Zeitung?“

Er schaute nicht auf. „Ja.“

„Und nicht auf dem Tablet, sondern auf Papier.“

„Na und?“

„Ist das nicht ein bisschen altmodisch?“, wagte sie zu sagen.

Er antwortete nicht. Er nahm kaum Notiz von ihr. Hatte sie sich seine feurigen Blicke letzte Nacht nur eingebildet? Hatte er vergessen, dass er eine Wette gewonnen hatte?

Hallie saß an dem Marmortresen, der die elegante Küche von dem großen Wohnbereich trennte, und ließ den Blick schweifen. Überall an den Wänden moderne Kunst. Auf Säulen seltsame Skulpturen aus schweren Materialien. Wenn Jack anfing zu laufen, konnte das gefährlich werden.

Aber was für ein Luxus. Und was für ein Gegensatz zu der Welt, aus der sie kam. Sie dachte an das alte Holzhaus in den Bergen von West Virginia.

Und doch war alles so praktisch und gemütlich gewesen. So voller Liebe. Ihr geliebtes Zuhause. Ihre Eltern. Ihr Bruder.

Dahin. Alles dahin.

Sie würden nie ihren Sohn kennenlernen.

Plötzlich verspürte sie einen Stich, so scharf, dass sie keuchte.

Cristiano ließ die Zeitung sinken. „Was ist?“

Sie zwinkerte mehrmals, schaute ihn an. Schluckte. „Ich musste nur daran denken …“

„Woran?“

Jack begann sich unruhig in ihren Armen zu winden. Sie war dankbar für die Unterbrechung. „Ach, nichts.“

Sie stand auf und legte ihn auf die weiche Decke auf dem Boden, die Cristiano, ebenso wie das bunte Mobile, hatte besorgen lassen. Sie spürte seinen Blick auf sich, während sie zu dem Servierwagen ging und einen silbernen Deckel hob. Sie füllte einen Teller und nahm sich Besteck, dann kehrte sie an den Tresen zurück. Zum ersten Bissen musste sie sich zwingen, dann aß sie einen zweiten. Das Rührei und der Schinken waren lauwarm, und sie selbst war einfach nur schrecklich traurig.

„Darf ich dich etwas fragen?“ Cristiano legte seine Gabel ab.

„Ja?“

„Warum willst du mich nicht heiraten?“

Sie warf ihm einen Blick zu. „Ich habe gesagt …“

„Dass wir uns hassen. Ich weiß.“ Er trank einen Schluck Kaffee. Die elegante Porzellantasse wirkte zerbrechlich in seinen großen Händen.

„Erstens hast du mich nicht gefragt. Du verlangst, dass wir heiraten.“ Hallie schaute auf ihren Teller. „Außerdem bezweifle ich, dass du weißt, worauf du dich da einlässt.“

„Wie kannst du so etwas sagen?“

Hallie ließ ihre Gabel sinken und schaute zu der Fensterfront. Über der Stadt wölbte sich blau der Sommerhimmel. „Meine Eltern haben gleich nach der High School geheiratet. Sie lagen sich ständig in den Haaren, aber keiner hat je gedroht, den anderen zu verlassen. Wir waren eine Familie. Und Familie bedeutet, dass man zusammenhält, egal was passiert.“ Ihre Stimme brach. „Nach ihrem Tod habe ich immer davon geträumt, wieder eine Familie zu haben. Ein Zuhause.“

„Deshalb warst du noch unberührt“, sagte er nachdenklich. „Du hast auf den Mann fürs Leben gewartet.“

Sie nickte, unfähig seinem Blick zu begegnen, während sie sich auf seine zynische, spöttische Erwiderung gefasst machte.

Aber er sagte ruhig: „Und ich habe dir alles vermasselt.“

Hallie hob den Blick. Dann schaute sie auf ihr Kind. Jack ruderte mit seinen Ärmchen, um das Mobile über seinem Kopf zu erhaschen. Angestrengt lächelnd schüttelte sie den Kopf.

„In dieser Nacht wurde unser Kind gezeugt. Wie könnte ich dir das zum Vorwurf machen? Außerdem …“ Sie sah auf ihre Hände. „Es war ja nicht allein deine Schuld.“ Tief durchatmend sagte sie: „Wenn ich wirklich vorgehabt hätte, bis zur Heirat zu warten, hätte ich mich davon auch nicht abbringen lassen. Egal wie sehr ich dich wollte. Weil mir natürlich völlig klar war, dass das nur ein One-Night-Stand sein kann.“

„Du irrst“, sagte er leise. „Du warst für mich von Anfang an mehr als das.“

Autor

Tara Pammi

Tara schreibt sexy Romanzen mit anbetungswürdigen Helden und sexy Heldinnen. Ihre Heldinnen sind manchmal laut und rebellisch und manchmal schüchtern und nerdig, aber jede von ihnen findet ihren perfekten Helden. Denn jede Frau verdient eine Liebesgeschichte!

Tara lebt in Texas mit ihrem ganz persönlichen Helden und zwei Heldinnen in der...

Mehr erfahren
Marion Lennox
Marion wuchs in einer ländlichen Gemeinde in einer Gegend Australiens auf, wo es das ganze Jahr über keine Dürre gibt. Da es auf der abgelegenen Farm kaum Abwechslung gab, war es kein Wunder, dass sie sich die Zeit mit lesen und schreiben vertrieb. Statt ihren Wunschberuf Liebesromanautorin zu ergreifen, entschied...
Mehr erfahren
Jennie Lucas

Jennie Lucas wuchs umringt von Büchern auf! Ihre Eltern betrieben einen kleinen Buchladen und so war es nicht weiter verwunderlich, dass auch Jennie bald deren Leidenschaft zum Lesen teilte. Am liebsten studierte sie Reiseführer und träumte davon, ferne Länder zu erkunden: Mit 17 buchte sie ihre erste Europarundreise, beendete die...

Mehr erfahren
Cathy Williams

Cathy Willams glaubt fest daran, dass man praktisch alles erreichen kann, wenn man nur lang und hart genug dafür arbeitet. Sie selbst ist das beste Beispiel: Bevor sie vor elf Jahren ihre erste Romance schrieb, wusste sie nur wenig über deren Inhalte und fast nichts über die verschiedenen Schreibtechniken. Aber...

Mehr erfahren