Julia Extra Band 478

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DIE SINNLICHE RACHE DES WÜSTENPRINZEN von TARA PAMMI
Verlangend zieht Scheich Adir die betörend schöne Amira in seine Arme. Dabei verführt er sie nur aus einem Grund zu einer heißen Liebesnacht: aus Rache - Amira ist die künftige Braut seines verhassten Halbbruders! Doch Adirs falsches Spiel hat schon bald ungeahnt süße Folgen …

CINDERELLA UND DER STOLZE SCHEICH von MAYA BLAKE
"Du wirst meine Braut sein!" Die schüchterne junge Kammerzofe Niesha kann nicht fassen, was der mächtige Zufar ihr befiehlt. Sie weiß, dass sie bloß seine Verlobte ersetzt, die ihn vor dem Altar hat stehen lassen. Aber warum prickelt es dann plötzlich so erregend, als der Wüstensohn sie küsst?

HEISS VERFÜHRT UNTER TAUSEND STERNEN von DANI COLLINS
Wie im Rausch genießt Prinzessin Galila die sinnlichen Küsse des Fremden im Palastgarten, vertraut ihm sogar ein pikantes Familiengeheimnis an - schließlich sieht sie ihn nie wieder! Doch schon am nächsten Tag erfährt sie: Ihr Verführer war Scheich Karim - und er verlangt jäh Unmögliches!

PIKANTES GESTÄNDNIS IM PALAST DER SEHNSUCHT von CAITLIN CREWS
Playboy-Prinz Malak führt ein sorgloses Leben, bis er überraschend das Thronerbe von Khalia antreten muss. Affären sind ab sofort Vergangenheit, er braucht eine standesgemäße Frau an seiner Seite! Da holt ihn seine unvergessliche Nacht der Lust mit sexy Kellnerin Shona ein …


  • Erscheinungstag 07.01.2020
  • Bandnummer 478
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714789
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Tara Pammi, Maya Blake, Dani Collins, Caitlin Crews

JULIA EXTRA BAND 478

TARA PAMMI

Die sinnliche Rache des Wüstenprinzen

Leidenschaftlich gibt Amira sich Adir hin. Nur einmal will sie wahre Lust erleben, bevor sie ihre arrangierte Ehe eingeht! Noch ahnt sie nicht, wer ihr heimlicher Verführer wirklich ist …

MAYA BLAKE

Cinderella und der stolze Scheich

Als seine Braut ihn versetzt, tritt Scheich Zufar mit der unscheinbaren Kammerzofe Niesha vor den Altar. Natürlich bloß, damit es keinen Skandal gibt! Doch dann erlebt er eine sinnliche Überraschung …

DANI COLLINS

Heiß verführt unter tausend Sternen

Scheich Karim wollte Galila nur einen leidenschaftlichen Kuss stehlen – bis sie ihm ihr dunkles Geheimnis verrät. Um seine Ehre zu retten, bleibt ihm keine Wahl: Er muss die Prinzessin zu der Seinen machen!

CAITLIN CREWS

Pikantes Geständnis im Palast der Sehnsucht

Scheich Malaks Stimme ist wie eine Liebkosung, als er Shona begrüßt, doch sein Blick ist eiskalt. Schockiert fragt sie sich: Hat er etwa von den Folgen ihrer einzigen Nacht der Leidenschaft erfahren?

1. KAPITEL

„Ich bin Adir Al-Zabah, Eure Hoheit, Scheich der Stämme Dawab und Peshani.“

Er hatte keinen Respekt vor dem alten König, ein Mann, der eine Frau – ein schwächeres Wesen – unterjocht und gezwungen hatte, sich seinem Willen zu beugen.

Trotzdem deutete er eine leichte Verbeugung an. Auch wenn er im Vergleich zu den königlichen Geschwistern Prinz Zufar und Prinz Malak und Prinzessin Galila unzivilisiert sein mochte, kannte er die Gepflogenheiten und Traditionen.

Wie ein Falke, der über den Weiten seines Wüstenreiches kreist, starrte er König Tariq von Khalia an und wartete darauf, in den traurigen Augen ein Anzeichen dafür zu finden, dass er ihn erkannte.

Es war Kummer, der in dem Blick des Königs lag. Kummer, den auch er selbst empfand, seit er von Königin Namanis Tod gehört hatte. Der alte Mann schien seine Frau tatsächlich geliebt zu haben.

Doch jedes Mitgefühl, das Adir vielleicht verspürt haben mochte, erstarb unter der Feindseligkeit, die in ihm loderte. Ihm war noch nicht einmal das Recht eingeräumt worden, öffentlich zu trauern und ihr die letzte Ehre zu erweisen.

Selbst die Chance, sie einmal im Leben zu sehen, war ihm versagt worden.

Seine letzte Blutsverbindung. Es würde keine Briefe mehr geben, in denen stand, dass er geschätzt wurde. Keine Briefe, die ihn an den Platz erinnerten, auf den er noch nie Anspruch erhoben hatte.

Nun war er völlig allein auf der Welt.

Und schuld daran war allein dieser König.

Während König Tariq ihn mit verwirrtem Blick ansah, trat einer der Prinzen vor und versperrte die Sicht auf die gebeugte Gestalt des alten Königs.

„Ich bin Kronprinz Zufar. Wenn Sie gekommen sind, um Königin Namani die letzte Ehre zu erweisen und König Tariq Treue zu geloben …“, begann er, und seine Feindseligkeit spiegelte Adirs eigenes Empfinden wider, „dann betrachten Sie es als erledigt.“

Adir biss die Zähne zusammen. „Ich bin der regierende Scheich der Stämme Dawab und Peshani. Wir sind unabhängige Stämme, Eure Hoheit.“ Er legte all den Spott, den er empfand, in die Anrede. „Ich gestehe Ihnen oder Ihrem König keinerlei Autorität über unsere Stämme zu.“

In den Augen des Prinzen leuchtete etwas auf, das fast wie Bewunderung wirkte. Doch es war so schnell wieder verschwunden, dass Adir sich fragte, ob es nur Einbildung gewesen war. War er so verzweifelt auf eine familiäre Verbindung aus?

„Die königliche Familie will in diesen Tagen für sich trauern. Wenn Sie nicht gekommen sind, um Ihren Respekt zu erweisen, warum haben Sie dann um eine Audienz bei meinem Vater gebeten?“

Dass er sich mit diesem Mann herumschlagen musste, der alles hatte, was ihm selbst verweigert worden war, fühlte sich an, als würde man Sand in eine offene Wunde reiben. „Ich habe um einen Besuch beim König angesucht. Nicht bei Ihnen.“

Befriedigung leuchtete in Zufars Augen auf, weil er das Recht hatte, Adir diesen Wunsch zu verweigern. Und auch alles andere, um das er vielleicht bitten würde. „Mein Vater ist … er ist überwältigt vor Trauer über den Tod seiner Königin.“

Der Tod seiner Königin, nicht der Tod meiner Mutter, dachte Adir. Die Worte des Kronprinzen klangen aufschlussreich.

In den Augen des Prinzen lag kein Schmerz um seine Mutter. In seiner Stimme war keine Zärtlichkeit, wenn er von ihr sprach. „Er ist nicht ganz bei sich … schon seit einigen Monaten.“

Adirs Blick ging zu Prinz Malak und Prinzessin Galila. Er wollte kein Mitleid empfinden und darüber nachdenken, wie sie sich so kurz nach dem Tod ihrer Mutter fühlten. Und doch merkte er, dass er genau das tat. „Möchten Sie, dass ich vor Ihren jüngeren Geschwistern darlege, welche Leichen im Keller versteckt sind?“, fragte er seidenweich.

Zufar wurde blass unter seiner dunklen, olivfarbenen Haut. Seine Arroganz verlor er jedoch nicht. „Mit Drohungen kommen Sie auch nicht weiter, Scheich Adir.“

„Also gut. Ich bin … ich bin Königin Namanis Sohn.“

Die Worte, die er so oft in seinem Kopf wiederholt hatte, hallten nun in der frostigen Stille wider. Die Prinzessin schnappte leise nach Luft, während Prinz Malak finster dreinschaute.

Zufars Miene war noch feindseliger geworden, während er sein Gegenüber ungläubig ansah.

Adir verlagerte sein Gewicht, um einen Blick auf König Tariq werfen zu können, der mit gebeugten Schultern dasaß und ihn forschend ansah. Als könnte er in ihm ein Anzeichen seiner geliebten Frau entdecken.

„Namanis Sohn? Aber …“

„Leugnen Sie es nicht, Hoheit. Die Wahrheit schimmert in Ihren Augen.“

„Vater?“ Zufar klang vorwurfsvoll.

Doch König Tariq konnte den Blick nicht von Adir wenden. „Sie sind Namanis Sohn? Das Kind, das sie …“

„Das Neugeborene, das sie den Launen der Wüste ausgesetzt hat, ja. Das Kind, das Sie von seiner Mutter getrennt haben.“

„Sie sind unser Bruder?“, warf Prinzessin Galila ein. „Aber warum …“

„Namani … sie hatte eine Affäre …“, stammelte König Tariq.

„Sie hat sich in einen anderen Mann verliebt und ist dafür bestraft worden.“ Adir legte sich keine Zurückhaltung auf.

Das Gesicht des Königs fiel in sich zusammen.

„Und, was wollen Sie, Scheich Adir?“, fragte Prinz Zufar kalt.

„Ich will das, was meine Mutter für mich gewollt hat.“

„Wie können Sie wissen, was Königin Namani …, was sie für Sie wollte, wenn Sie sie nie getroffen haben?“, fragte Prinzessin Galila in federleichtem Ton.

„Sie wurde gezwungen, mich wegzugeben, aber sie hat mich nicht fallen lassen.“

Prinz Malak, der bis jetzt schweigend zugehört hatte, stellte sich neben seinen Vater. „Was soll das heißen, sie hat Sie nicht fallen lassen?“ Er stieß ein sarkastisches Lachen aus.

Mit gerunzelter Stirn sah Adir die Geschwister an. Irgendetwas stimmte hier nicht. Sie machten keine Anstalten, das Andenken an ihre Mutter zu verteidigen. Auf ihren Gesichtern lag nur ein Schatten von Angst, welche Forderungen er stellen könnte.

„Irgendwie hat sie einen Weg gefunden, wie sie mit mir in Verbindung bleiben konnte. Sie hat mir all die Jahre geschrieben und mich ermuntert, meinen Weg zu gehen. Mir gesagt, wie wichtig ich ihr bin, und mir erzählt, wo mein Platz ist auf dieser Welt. Ist das Beweis genug?“, entgegnete Adir, der seine Worte mit sehr viel Bedacht gewählt hatte. „Jedes Jahr zu meinem Geburtstag hat sie mir einen Brief geschrieben. Und sie hat dafür gesorgt, dass diese Briefe mich auch erreichen. Briefe, in denen sie mir gesagt hat, wer ich bin.“

„Sie hat Ihnen geschrieben? Die Königin?“

„Von eigener Hand.“

„Was wollen Sie, Scheich Adir? Warum sind Sie hier?“

Adir sah Prinz Zufar an, und Entschlossenheit erfasste ihn. „Ich will, dass der König anerkennt, dass ich Königin Namanis Sohn bin. Die Welt soll wissen, dass ich von königlichem Geblüt bin. Ich will meinen rechtmäßigen Platz in Khalias Geschlecht.“

„Nein“, erklärte Zufar, kaum dass Adir seinen Satz beendet hatte. „All das würde einen Skandal heraufbeschwören.“

Adir sah zum König, der mit versonnenem Blick dasaß. Gegen seinen Willen verspürte er ein Gefühl von Mitleid für den alten Mann, der offensichtlich sehr um seine Königin trauerte.

„Mein Vater wird im ganzen Land zur Zielscheibe, wenn Ihre Abstammung herauskommt. Sie …“ Zufar stockte. „Ich werde nicht zulassen, dass unsere Familie jetzt durch Ihr selbstsüchtiges Verhalten Anstoß erregt, selbst wenn meine Mutter nicht mehr ist. Als ob sie uns nicht schon genug Leid angetan hätte. Wenn Sie Scheich Ihrer Stämme sind, so wie Sie es behaupten, werden Sie verstehen, dass Khalia für mich an erster Stelle kommt. Hier ist kein Platz für Sie, Scheich Adir.“

„Das würde ich gerne vom König selbst hören.“

„Meine Entscheidung ist auch die des Königs. Ich werde keinen Skandal über unser Haus zulassen, indem ich der Welt erkläre, was meine Mutter getan hat.“

„Und wenn ich mich weigere, Ihren Anweisungen zu folgen?“

„Seien Sie vorsichtig, Scheich Adir. Sie haben gerade den Kronprinzen bedroht.“

„Haben Sie Angst, dass ich die Herrschaft über Khalia will? Dass ich um ein kleines Stück Ihres immensen Reichtums bitte? Wenn ja, dann lassen Sie sich gesagt sein, dass ich nicht die Absicht habe, Ihnen irgendetwas wegzunehmen. Ich habe keine Verwendung für Ihren Reichtum. Alles, was ich will, ist Anerkennung.“

„Und die werden Sie nicht bekommen – nicht, solange ich lebe. Sie sind nichts als das schmutzige Geheimnis meiner Mutter, ein Schandfleck auf unserer Familie.“

Die Worte waren für Adir wie unsichtbare Schläge, die umso todbringender waren, weil sie die Wahrheit enthielten, gegen die er immer versucht hatte anzukämpfen.

Er war ihr schmutziges Geheimnis, verbannt in die Wüste.

„Passen Sie auf, was Sie sagen, Prinz Zufar. Es könnte schwerwiegende Folgen haben.“

„Haben Sie sich nicht gefragt, warum sie Sie gebeten hat, erst nach ihrem Tod Anspruch auf Ihre Rechte zu erheben? Weshalb sie Ihnen zwar geschrieben, uns aber nie anvertraut hat, dass wir einen Bruder haben?“

„Sie hat Sie und den Ruf der königlichen Familie geschützt. Sie war …“

„Königin Namani“, stieß Prinz Zufar hervor, „war eine egoistische Frau, die nur an sich selbst gedacht hat. Sicher hat sie Ihnen nur geschrieben, weil sie wie ein Kind geschmollt hat. Sie hat gehandelt, ohne an die Konsequenzen zu denken, für Sie, für sich selbst oder für jeden von uns. Es war grausam von ihr, Sie hierher zu locken, obwohl sie wusste, dass es zu nichts führen würde.“

„Und wenn ich trotzdem die Wahrheit öffentlich mache?“ Adir hasste es, wie verbittert er klang. Doch er musste daran denken, was seine Mutter ihm geschrieben hatte. Wie verwöhnt seine Halbgeschwister waren und wie wenig sie den Respekt und die Privilegien verdienten. All das hatte an ihm genagt. „Was, wenn ich es trotzdem sage?“

„Ich werde nicht auf Ihre Drohungen eingehen, Scheich Adir. Falls Sie etwas sagen, wird es Ihre Schande sein und die der Königin. Nicht unsere. Gehen Sie jetzt. Sonst werde ich Sie von den Wachmännern hinauswerfen lassen, als wären Sie nichts als ein Aasgeier, der in der Trauerzeit hier seine Kreise zieht. Wären Sie nicht nur ihr Bastard, hätten Sie mehr Anstand und würden meinen Vater in dieser schweren Zeit nicht bedrohen.“

In den flackernden Schatten der Dunkelheit, in der nur hier und da Gaslampen aufleuchteten, schien hinter dem Fenster, aus dem Amira Ghalib springen wollte, nur Leere zu liegen, ohne Hilfe weit und breit. Ein Abgrund ohne Boden.

So wie ihr Leben in den letzten sechsundzwanzig Jahren. Wie die Aussicht, Prinz Zufar zu heiraten, wie ihre Zukunft als Königin von Khalia.

Ungehalten starrte sie in die Dunkelheit.

Ya Allah, sie wurde wirklich immer übellauniger. Aber das lag daran, dass sie seit fünf Tagen die Gefangene ihres Vaters war und er sie ins Gesicht geschlagen hatte. Weil sie bei ihrer Freundin Galila so getan hatte, als wäre sie wieder einmal ungeschickt gewesen und gegen einen Pfeiler gelaufen. Weil ihr Verlobter ihr wieder einmal mit nichts als Gleichgültigkeit begegnet war. Und weil sie für ihren machtbesessenen Vater nur ein Mittel zum Zweck war.

Hier im Palast von Khalia hatte sie noch weniger Freiheit als in ihrem eigenen Zuhause, wobei es auch ein Käfig war. An diesem Ort hingegen waren alle Augen auf sie gerichtet.

Doch zukünftige Königin oder nicht, sie musste all dem entfliehen. Nur für ein paar Stunden.

Wieder starrte Amira aus dem Fenster. Nach der Taschenlampe hatte sie vergeblich gesucht, weil der Wachhund ihres Vaters sie wahrscheinlich aus ihrer Suite entfernt hatte. Sie erinnerte sich an einen kurzen Sims am Fenster, ein rechteckiger Vorsprung, der sich über dem Fenster darunter befand. Er war groß genug, dass sie mit ihren Füßen darauf landen konnte.

Von dort aus würde sie seitlich auf den nächsten Vorsprung springen. Und von da aus auf die gewundene Treppe, die nicht einmal von Bediensteten oder anderem Personal benutzt wurde. Dann wäre sie befreit von dem Wachmann vor ihrer Suite, von ihrem Vater und allen Verpflichtungen.

Sie könnte zu den Ställen gehen, einen der Stallburschen bestechen und mit der Stute ausreiten, mit der sie sich neulich angefreundet hatte. Oder sie könnte durch die wunderschön angelegten gepflegten Gärten spazieren, um die sich die verstorbene Königin Namani selbst gekümmert hatte.

Für ein paar Stunden könnte sie tun und lassen, was sie wollte.

Mit klopfendem Herzen kletterte sie auf die Fensterbank. Ihre Beine baumelten in der Luft, während sie in die Dunkelheit spähte. Ein Pferd wieherte, Wasser plätscherte in dem berühmten Brunnen im Innenhof, und das Geräusch von Sohlen auf dem gefliesten Durchgang drang an ihre Ohren.

Der Duft von Nachtjasmin stieg ihr in die Nase.

Amira fühlte sich bereits ruhiger. Es war eine wunderschöne Nacht für eine Flucht.

Sie lächelte und sprang.

„Sie hätten sich umbringen können! Im besten Fall. Im schlimmsten hätten Sie sich alle Knochen gebrochen.“

Die Luft, die ihr noch geblieben war, als sie wackelig auf den Knien landete, wich aus Amiras Lungen.

Sie erstarrte, und die tiefe, raue Stimme, die von der dunklen Ecke an der Treppe kam, sandte ihr einen Schauer über den Rücken. Angst und noch ein anderes Gefühl erfassten sie. Sie blinzelte und spähte zu der verschatteten Gestalt.

Katzengleiche, bernsteinfarbene Augen starrten sie im Mondlicht an. Der Fremde hatte breite Schultern, schmale Hüften und muskulöse Schenkel. Ihr Blick ging zu seinem Gesicht. Ausgeprägter Kiefer, gerade Nase, hohe Stirn.

Und seine Augen sahen sie mit unverhohlener Neugier an.

War er ein Wachmann des Königs? Oder ein weiterer Spion, den ihr besessener Vater auf sie angesetzt hatte? Oder schlimmer noch, ein Gast des Palastes?

Alles wäre besser als ein Spion ihres Vaters. Sie würde sogar lieber ihrem Verlobten die Stirn bieten und sich rechtfertigen, als sich ihrem Vater zu stellen.

Und sollte er doch der Spion ihres Vaters sein …

Schmerz durchzuckte ihre Wange, als sie sich an den Schlag erinnerte, und sie fuhr zusammen.

Sie war sicher, dass der Mann, der nun aus dem Schatten trat, noch finsterer dreinblickte. „Sind Sie verletzt?“

„Nein, mir … geht’s gut.“ Sie wischte sich die Handflächen an den Beinen ab und verzog das Gesicht. Steinchen hatten sich in ihre Hände gebohrt, als sie versucht hatte, sich abzufangen.

„Sie lügen nicht besonders gut, ya habibti.“

Der vornehme aristokratische Akzent – ihrem oder dem des Prinzen ähnlich und doch anders – weckte ihr Interesse. Mit seiner gewählten Ausdrucksweise und seiner selbstverständlichen Autorität könnte der Mann Mitglied eines Königshauses und hier zu Besuch sein.

Er trat einen weiteren Schritt vor. Amira, die sich immer noch auf ihren Knien befand, rutschte zurück. Ihren Schmerz hatte sie vergessen. Sie wollte nur weg von diesem … interessanten Fremden.

Doch er kam weiter auf sie zu. „Lassen Sie mich nachsehen, ob Sie verletzt sind. Sie sind so hart aufgekommen, dass Sie sich etwas gebrochen haben könnten.“

Sie wich weiter zurück. „Ich habe mir nichts gebrochen.“

„Lassen Sie mich das beurteilen.“

Ihre sonst übliche Gelassenheit ließ sie im Stich. „Da ich ausgebildete Krankenschwester bin, kann ich wohl selbst beurteilen, ob ich mir etwas gebrochen habe oder nicht.“ Zischend stieß sie die Luft aus. „Bitte … gehen Sie einfach. In ein paar Minuten werde ich auch verschwinden.“

„Sie müssen keine Angst vor mir haben.“

Amira hatte Panik, das ja, aber seltsamerweise keine Angst.

Tief atmete sie durch. Sandelholz und ein sehr männlicher Duft stiegen ihr in die Nase, als er bei ihr war, und sie verspürte ein seltsames Ziehen im Bauch. Gefangen von der Reaktion ihres Körpers, sah sie zu ihm hoch.

Er lächelte. „Sie wollen also hierbleiben?“

Sie nickte und war sich bewusst, wie dumm sie aussehen musste, weil sie ihn sehnsüchtig ansah, ohne etwas dagegen tun zu können.

„Mir macht es überhaupt nichts aus, mich auf dem … schmutzigen Boden zu unterhalten“, erklärte er sachlich. Ehe sie begreifen konnte, was er meinte, sank er auf die Knie.

In diesem Moment warf der Mond seinen silbernen Schein durch den Torbogen und beleuchtete sein Gesicht.

Amira stockte der Atem. Tief liegende bernsteinfarbene Augen blitzten amüsiert. Er war atemberaubend schön, seine Züge wie von einem Meisterbildhauer gemeißelt.

Sie hatten beinahe etwas Königliches, seltsam Vertrautes.

Seine dunkelgoldene Haut verriet, dass er sich oft in der Sonne aufhielt. Am liebsten hätte sie seinen ausgeprägten Kiefer berührt. Schnell vergrub sie ihre Fäuste in den Falten ihres Kleids.

Er hatte es bemerkt und wirkte nun noch amüsierter.

„Heben Sie den Kopf, damit ich Sie besser ansehen kann“, sagte er mit tiefer Stimme.

Eingeschüchtert durch all die Jahre des Gehorsams, kam Amira seiner Bitte pflichtbewusst nach. Erst als er ihr Gesicht eingehend musterte, wurde ihr bewusst, was sie getan hatte.

Röte stieg in ihre Wangen. Doch statt zurückzuweichen und den Blick zu senken, wie ihr Vater ihr immer wieder eingebläut hatte, nutzte sie den Moment, um ihn noch genauer zu betrachten.

Er stieß ein Zischen aus und wirkte mit einem Mal wütend.

Als er seine Hand an ihr Gesicht hob, wich Amira instinktiv zurück, erkannte dann aber, dass seine Miene weicher wurde. Beschämt sah sie zu Boden.

„Darf ich Sie berühren?“, fragte er heiser.

Sie sah zu ihm hoch und glaubte, dass er schluckte. Seltsam.

„Ich verspreche, dass ich Ihnen nicht wehtue.“

Seine Miene gab nichts preis, und doch hatte Amira instinktiv das Gefühl, ihm vertrauen zu können. Dieser Mann würde seine Hand nicht gegen das schwächere Geschlecht oder Menschen erheben, die von seiner Gnade abhängig waren.

Und doch verströmte er Autorität. Sicher würde sich jeder Mann und jede Frau gern seinem Willen beugen. Sogar mit Vergnügen, was Letztere betraf.

Langsam nickte sie, während ihr bewusst wurde, dass sie von diesem Mann berührt werden wollte, sei es auch noch so flüchtig.

Sie glaubte, er würde sie auf die Füße ziehen. Stattdessen berührten seine Finger so sanft ihre Wange, dass sie heiße Tränen hinter ihren Augenlidern spürte.

„Das sind Fingerabdrücke, die Ihre schöne Wange entstellen“, sagte er sachlich, doch seine Wut war deutlich zu spüren.

Amira schloss die Augen, weil sie es hasste, sich schwach vor ihm zu zeigen. Sie hatte nie auch nur eine Träne vergossen, selbst dann nicht, als ihr Vater sie so heftig auf die Wange geschlagen hatte, dass ihr Kopf zurückschnellte und sie noch wochenlang Nackenschmerzen gehabt hatte.

Sie verdrängte ihren Kummer und merkte, dass ein anderes Gefühl an die Oberfläche drängte. Mit seinem großen Körper schenkte er ihr Wärme in der kühlen Nacht, hüllte sie ein wie eine Decke in ihrer Kindheit – eine Erinnerung an ihre Mutter.

Je mehr sie von seinem Duft – eine Mischung aus Sandelholz, Pferd und Mann – einatmete, desto mehr wollte sie davon.

Als er mit dem Daumen über den Bluterguss auf ihrer Wange fuhr, zuckte sie zusammen. Doch nicht deshalb, weil es wehtat, sondern weil sie die Hitze seiner Finger spürte.

Er fluchte. „Verzeihung, ich hatte versprochen, Ihnen nicht wehzutun.“

„Das haben Sie nicht“, gab sie zurück.

Er hob eine Braue. „Nein?“

„Unsere Haut besitzt tausende von Nervenzentren, die auf äußere Reize reagieren. Ihre Handfläche fühlt sich auf meiner Haut rau an. Und da ich kaum von jemand anderem berührt wurde als von meinem Vater, und das allerdings nicht so sanft, habe ich das Gefühl, verbrannt zu werden, wo Ihre Haut meine berührt …“ Als er fragend seine Braue hob, erklärte sie hastig: „Nicht so wie Feuer, eher angenehmer. Ich glaube, dass ich deshalb zusammengezuckt bin. Selbst wenn es angenehm ist, zuckt man zusammen, wenn man nicht damit rechnet.“

Stille folgte, und sie wurde wieder rot und schlug die Hände vor den Mund. Kein Wunder, dass ihr Vater immer ärgerlich wurde, wenn sie den Mund aufmachte.

Langsam erschien ein Lächeln in den Augen des Fremden. Ein Lächeln, das ihn noch tausendmal umwerfender machte.

„Ich plappere immer drauflos, wenn ich ängstlich, aufgeregt oder aufgebracht, traurig oder wütend bin. Mein Vater glaubt, dass ich es deshalb mache, um seine Anweisungen zu ignorieren und ihn zu beleidigen.“

„Und wenn Sie glücklich sind?“

Sie lächelte. „Sie sind sehr schlau, nicht wahr? Wissen Sie, die Leute glauben, Intelligenz ist …“ Sie räusperte sich und wurde erneut über und über rot. „Wenn ich glücklich bin, mache ich es auch, ja.“

Sein Lächeln wurde zu einem Lachen, das aus ihm herausplatzte. Tief, rau und sehr sinnlich, aber es klang auch ein wenig seltsam. Als würde er nicht oft lachen.

Amira wollte der Grund dafür sein, dass sein ernstes Gesicht sich zu einem Lachen verzog, wieder und wieder. Sie wollte eine Ewigkeit mit diesem aufregenden Fremden verbringen, bei dem sie sich sicher fühlte. Sie wollte …

„Ich muss gehen“, sagte sie schnell.

Er runzelte die Stirn. „Dann kann ich mich also darauf verlassen, dass Sie nicht verletzt sind?“ Wieder warf er einen Blick auf ihre Wange. „Außer auf Ihrer Wange?“

„Ich habe die Entfernung zwischen dem letzten Sims und der Treppe falsch eingeschätzt, aber mir nicht wehgetan.“

Er nickte. „Und was ist so unwiderstehlich, dass Sie solch einen gefährlichen Weg nehmen … Wie heißen Sie eigentlich?“

Zara, Humeira, Alisha, Farhat …

„Sie denken sich falsche Namen aus.“

Amira zuckte zusammen. Er beobachtete sie wie ein Falke. Und noch etwas anderes lag in seinem Blick. Besitzgier, vielleicht.

Sie schluckte. „Ich werde Probleme bekommen, wenn jemand merkt, dass ich aus meinem Zimmer geflohen bin oder dass ich ohne Wachmann im Palast herumlaufe und in der Dunkelheit mit einem Fremden spreche. Große Probleme.“

„Niemand wird davon erfahren“, sagte er. „Ich werde Sie zu Ihrem Zimmer zurückbringen, ohne dass jemand etwas mitbekommt.“

„Ich weiß nicht, ob ich Ihnen vertrauen kann“, entgegnete sie.

Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Seine Berührung war so leicht, so zärtlich, dass sie ihr auch noch das letzte bisschen Verstand raubte. „Ich glaube, Sie vertrauen mir. Deshalb sind Sie solange geblieben. Sie müssen nur noch den letzten Schritt machen, ya habibti. Wir sind Fremde, die in diesem langen Leben ein paar gemeinsame Momente erleben.“

Mit einem Finger hob er ihr Kinn. „Ich möchte Ihren Namen wissen.“

Wäre es ein Befehl gewesen, hätte Amira sich geweigert. Doch in seiner Bitte schwang eine Sehnsucht mit, die in ihrer Seele widerhallte.

Der Rest ihres gesunden Menschenverstandes und ihre Schüchternheit schmolzen dahin. So unschuldig sie in Bezug auf Männer auch sein mochte, hatte sie bereits das Gefühl, ihn zu kennen.

Er würde ihr nicht wehtun.

„Amira … mein Name ist Amira.“

Ein Feuer erwachte in seinen Augen. Sie wussten beide, dass sie ihm in diesem Moment mehr gegeben hatte als nur ihren Namen.

Er nickte. „Ich heiße Adir.“

Salam alaikum, Adir.“

Wa alaikum as-salam, Amira.“

Er umschloss ihre Hand mit seiner. Gefühle schimmerten auf und breiteten sich wie ein Fluss von ihrer Hand in ihren ganzen Körper aus. Dann zog er sie sanft zu sich, hob ihre verschränkten Hände und drückte einen sanften Kuss auf ihr Handgelenk.

Auch wenn es nur ein züchtiger Kuss war, klopfte ihr Puls unter seinem Mund. „Dich kennenzulernen hat einen schrecklichen Abend tausendmal besser gemacht.“

Sie wollte seinem feurigen Blick mit ihrer Leidenschaft begegnen. Für eine Nacht wollte sie Amira sein, nicht die Tochter eines machtbesessenen Mannes oder die Verlobte eines meist gleichgültigen Prinzen. Sie wollte in Adirs Arme sinken und sich von ihm davontragen lassen.

„Wenn du lachst, hast du zwei Grübchen. Wusstest du, dass Grübchen dadurch entstehen, weil ein Gesichtsmuskel, den man zygomaticus major nennt, eine besonders feste Verbindung zur Haut der Wangen hat? Manchmal entstehen sie auch bei ausgeprägtem Fett im Gesicht. In deinem Fall trifft das natürlich nicht zu, weil du so hart aussiehst wie diese Felsformationen, die man in …“

Langsam breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus.

Amira vergrub ihr Gesicht in den Händen und stöhnte laut.

„Du willst mir also sagen, dass meine Gesichtsform fehlerhaft ist?“

Sie versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen, doch er ließ es nicht zu. „Du weißt doch, dass du fehlerlos bist.“

Das schien ihn zu überraschen. Sah er denn nicht in den Spiegel? Gab es denn keine Frauen, die ihm nachsetzten, um einmal dieses verschlagene Lächeln zu sehen?

Immer noch lächelnd zog er sie auf die Füße. „Du bist wie … ein Wüstensturm, Amira.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Kompliment ist.“

Seine Augen leuchteten in der Dunkelheit. „Möchtest du denn ein Kompliment bekommen, ya habibti?“

„Ja, bitte.“

Wieder lachte er – eine Belohnung für ihre Kühnheit. „Du bist ein Schatz. Und jetzt erweise mir die Ehre, dich untersuchen zu dürfen.“

Während er sich aufrichtete, klopfte er sie sachlich ab. Als wäre er ihre Possen gewöhnt und hätte es schon tausendmal gemacht.

Seine breiten Hände lagen nun auf ihren Schultern und raubten ihr erneut den Atem.

„Also, was war es diesmal?“

Amira runzelte die Stirn, gefangen von seinem Blick. „Was meinst du?“

„Warum hast du mir all die wichtigen Fakten über Grübchen enthüllt? Habe ich dich vielleicht traurig gemacht? Warst du verärgert? Wütend?“

„Du willst mich auf schamlose Weise dazu bringen, etwas zu gestehen, was ich nicht preisgeben sollte. Reicht es nicht schon, dass ich mich lächerlich gemacht habe?“

„Bitte, ya habibti.“

Sie hob eine Braue. „Weshalb habe ich das Gefühl, dass du dieses Wort – meine Liebe – niemals sagst?“

Er zuckte die Schultern. „Doch, ein paarmal in den letzten zehn Jahren.“

Sie seufzte. Er wusste doch, was sie meinte. „Ich fühle mich zu dir hingezogen. Selbst all das, was in Liebesromanen steht, kommt dem nahe, was ich empfinde. All das ist neu, seltsam, sehr beängstigend und …“

Herzzerreißend und schmerzlich.

Plötzlich wurde sie von so großer Verzweiflung erfasst, dass sie von ihm abrückte. Sie sah hoch und kämpfte um Fassung.

Sterne glitzerten am Himmel. Die von Duft erfüllte Nacht schien für sie jetzt wie eine Bestrafung. Sie versprach etwas, was sie nie haben könnte.

Amira spürte seine Wärme, seinen Duft in ihrem Rücken und verspannte sich. Obwohl er sie nicht einmal berührte, schlug ihr Puls wieder viel zu schnell.

„Geh mit mir fort, Amira. Nur für ein paar Stunden. Ich verspreche dir noch einmal, dass ich dir nicht wehtun werde.“

„Es wäre falsch.“

„Warum?“

„Ich bin nicht frei, um dem hier nachgeben zu können … diesem gestohlenen Moment mit dir spät am Abend. Und nicht nur deshalb, weil mein Vater mir bei lebendigem Leib die Haut abziehen wird, wenn er davon erfährt.“ Sehnsucht erfasste sie, und sie versuchte, sie zu verdrängen. „Ich bin verlobt.“

„Ist es dein Verlobter, der …“ Er zögerte. „Ist er es, der dich verletzt hat?“

„Nein. Er … er ist ein vollkommener Gentleman, der mich kaum ansieht. Wenn man ihn fragt, welche Farbe meine Augen haben, wird er es sicher nicht wissen.“

„Wer war es dann?“

„Mein Vater. Er … seine Wut geht mit ihm durch.“

Es war ihr egal, aus welchem Grund Adir sie in seine Arme zog. Die Berührung seiner muskulösen Brust an ihrem Rücken weckte Verlangen in ihr. Es dauerte gerade einmal vier Sekunden, bis sie sich in seine Umarmung schmiegte. Alles an ihm war so schockierend hart, sein Bauch an ihrem Rücken, seine Schenkel an ihren Beinen, seine muskulösen Arme, die sie festhielten. Den Teil, den sie zu ihrer Schande am liebsten spüren wollte, presste er jedoch nicht gegen sie.

Und trotzdem hatte sie das Gefühl, ganz von ihm erfüllt zu sein.

Sie schloss die Augen, lehnte sich gegen ihn und spürte sein Herz, das an ihrem Rücken hämmerte. Mit dem Daumen strich sie über seinen Handrücken, weil sie ihn fühlen wollte.

Seine Haut war dunkel und rau, seine Finger waren lang. Amira strich über den Smaragdring, der an seinem Ringfinger steckte, und prägte sich die Form ein.

Zum ersten Mal in ihrem Leben wurde sie auf solche Weise von einem Mann gehalten. Es war beglückend und tröstlich zugleich – so wie dieser Mann selbst.

„Liegen deshalb diese Schatten in deinen wunderschönen Augen? Weil du diesen Mann liebst, den du heiraten wirst, er deine Liebe aber nicht erwidert?“

„Liebe? Nein. Mein Vater ist König Tariqs engster Freund. Ich bin schon fast mein ganzes Leben mit Prinz Zufar verlobt.“ Verbittert lachte sie auf. „Ich werde die zukünftige Königin von Khalia sein, Adir. Ich bin dazu erzogen worden, Prinz Zufar in jeder Hinsicht ebenbürtig zu sein. Mein Leben hat mir nie selbst gehört. Mein Wille kann nie mein eigener sein. Meine Träume und meine Wünsche … sie gehören mir nicht.“

2. KAPITEL

Entsetzen stürzte mit der Macht eines Sandsturms auf ihn ein, und Adir hatte Mühe, sich aufrecht zu halten. Sie war Zufars Verlobte, die zukünftige Königin von Khalia.

Trotz dieser Erkenntnis war er voller Verlangen nach ihr. „Du zitterst“, flüsterte er und strich mit den Händen über ihre Arme.

Die Gedanken überschlugen sich in seinem Kopf. Erst als sie leise stöhnte, merkte er, dass er ihre Schultern zu fest umklammerte.

Adir lockerte seinen Griff, wollte sie jedoch nicht loslassen, auch wenn er nicht wusste, warum.

Er versuchte, sie zu beruhigen – und sich selbst –, als er ihre Schultern streichelte.

Es war Verlangen nach ihr, das wusste er. Sie war schön, mutig, klug und witzig.

Doch diese starke Besitzgier, die sein Blut befeuerte … die kam woanders her.

Vielleicht, weil sie der kostbarste Besitz seines Halbbruders war? Und jetzt bei ihm war?

„Ich sollte gehen.“ Ihre Worte waren ein Flüstern in der Nacht – eine Bitte, ein Befehl an sich selbst. Trotzdem rührte sie sich nicht. „Weg von dir. Weil mir bewusst wird, wie viel ich nicht haben kann. Das hier …“ Sie hob seine Hände an ihr Gesicht und vergrub es in seinen Handflächen. „Es tut mir nur weh und erinnert mich daran, was ich nie hatte. Und nie haben werde.“

„Pst … ich will dich nur halten, Amira“, sagte er, auch wenn sich alles in seinem Kopf drehte. „Was auch immer du brauchst, es ist hier, jetzt, bei mir.“

Sie drehte sich um, schlang die Arme um seine Hüften und legte ihr Gesicht an seine Brust.

Der Duft ihrer Haare vermischte sich mit seinem Atem. Sie war so unschuldig, so zutraulich. Ein großes Geschenk. Ein Geschenk, das Zufar nicht verdiente. Das er nicht einmal schätzte. Warum sonst sollte sie sich so sehr nach der Gesellschaft eines Fremden sehnen?

Ein Geschenk, das unabsichtlich in Adirs Hände gefallen war.

Er hob ihr Kinn, damit sie ihn ansah. Das Verlangen in ihrem Blick verscheuchte jeden Zweifel, den er vielleicht gehabt haben mochte. Wilde Besitzgier erfasste ihn, und sanft berührte er ihre Lippen mit seinen.

Sie war so schön, jung und weich.

So leicht zu verführen.

Mochte auch etwas in ihm dagegen aufbegehren, unterdrückte er es mit der gleichen Unbarmherzigkeit, die ihn das raue Leben in der Wüste gelehrt hatte.

Zunächst war sie schockiert, dann beruhigte sie sich. Doch sie war bereits zu spüren, diese Hitze zwischen ihnen, ein kleiner Funke, der nur darauf wartete, entzündet zu werden.

Adir streichelte ihren Rücken, um sie zu beruhigen, während er sanft an ihren Lippen knabberte.

Honig und Hitze. Noch nie hatte er so etwas Vollkommenes gekostet. Es drängte ihn, sie gegen die Wand hinter ihnen zu pressen, ihren Körper an seinen. Mit seiner Zunge in ihren Mund einzudringen, in ihre Hitze … um sie zu der Seinen zu machen, hier, in diesem Moment, ihr seinen Stempel aufzudrücken …

Nein!

Eine kleine Stimme in ihm flüsterte. Aus welchen Gründen er dies auch immer wollte, es sollte auch für sie schön sein. Und deshalb musste er seine Libido zügeln.

„Adir?“, flüsterte sie scheu. „Warum hörst du auf?“

„Ich wollte, dass es für dich auch schön ist.“

„Es ist schön. Ich wusste gar nicht, dass ein einfacher Kuss so … machtvoll sein kann.“

Wie konnte eine unschuldige, behütete Schönheit genau die Worte sagen, die sein Blut befeuerten? Er vergrub seine Zähne in ihrer Unterlippe und leckte darüber, als sie stöhnte. „Bei einem richtigen Paar kann ein Kuss so viel mehr sein.“

„Dann ist es für dich also auch schön?“

„Du bist doch die Wissenschaftlerin, oder nicht?“

Sie zuckte die Schultern und musterte ihn mit ihren großen Augen. „Ich habe nur überlegt.“

Er rieb seine Nase an ihrer, eine Geste der Zärtlichkeit, die selbst ihn schockierte. Aber was war falsch daran, ihr das zu geben, was sie wollte? „Was hast du überlegt, Amira?“

„Ob du das Gleiche empfindest. Ich bin noch nie so geküsst worden.“

„Nicht einmal von deinem Verlobten?“

„Nein. Das höchste der Gefühle war, dass er meine Hand gehalten hat. Bei öffentlichen Feierlichkeiten.“ Sie blinzelte, und er wusste, dass er diesen Ausdruck in ihren großen Augen nie vergessen würde. Das deutlich erkennbare Verlangen. „Um auf uns zurückzukommen … du warst offensichtlich schon mit vielen Frauen zusammen.“

Er konnte sich nicht erinnern, ein Gespräch mit einer Frau jemals genauso genossen zu haben wie Sex. Aber wann hatte er je eine richtige Beziehung gewollt oder die Zeit dafür gehabt?

Für ihn waren Frauen nur dazu da, die Bedürfnisse seines Körpers zu befriedigen. Doch das geschah nur, wenn er im Ausland war, weil er die Frauen seiner eigenen Stämme nicht respektlos behandeln konnte, indem er sie zu seinen Geliebten machte.

Nicht, nachdem alle Macht in seinen Händen lag.

„Warum ist das offensichtlich? Und möchtest du es denn?“, neckte er sie.

„Nein“, antwortete sie entschieden. „Ich habe das Thema nur deshalb angeschnitten, weil ich neugierig bin, ob es sich für einen leidenschaftlichen Mann, der sexuell erfahren ist, genauso anfühlt wie für eine Frau, deren Verlobter sie kaum ansieht.“

Diesmal empfand er bei ihrem Eingeständnis eine seltsame Enge in der Brust. Die Chemie war etwas Merkwürdiges, was er nicht verstehen musste. An diesem Abend war sie nichts als ein Werkzeug, das er benutzen würde. So wie er es immer getan hatte, um seinen eigenen Weg zu finden, als er sich von einem Waisenkind zum Scheich gegnerischer Stämme hochgekämpft hatte.

Um der Mann zu sein, der das Unmögliche geschafft hatte.

Er legte ihre Hand über sein Herz, das viel zu schnell schlug. Dann auf seinen Bauch und weiter nach unten.

Sie schnappte nach Luft, als ihre Hand schließlich auf seinen Lenden ruhte. Er legte seine Hand über ihre, damit sie fühlen konnte, wie hart seine Männlichkeit war. Als sie ihn mit ihrer angeborenen Neugier erkundete, merkte er, dass es keine gute Idee gewesen war.

Schnell griff er nach ihrem Handgelenk. „Seit ich dich berührt habe, bin ich erregt. Unser Kuss war wie ein Funke, der entzündet werden will, und ich kann es kaum erwarten, ihn brennen zu sehen.“

Helle Freude erleuchtete ihr Gesicht.

Sanft küsste er sie. Dann zeichnete er mit der Zunge ihre Lippen nach und zog sie noch näher an sich. Er hauchte Küsse auf ihren Hals, ihre Wange, die Nase, die Augenlider und ihre Schläfen, bis er das Gefühl hatte, schon eine Ewigkeit darauf gewartet zu haben, von ihr kosten zu können. Bis jeder Muskel in seinem Körper sich zusammenzog, während sie in ihrer Unschuld mit dem Bauch über seine erregte Männlichkeit rieb.

„Ich könnte das die ganze Nacht machen“, flüsterte er und wollte nicht, dass sie bereits so viel Macht über ihn hatte. Dies war nur ein Mittel zum Zweck, allerdings ein sehr vergnügliches.

Sie stöhnte an seinem Mund, und er verstärkte den Druck. Adir konnte sich nicht erinnern, je so versessen darauf gewesen zu sein, von den Lippen einer Frau zu kosten.

Nein, von den Lippen dieser Frau. Ihrem Körper, ihrer Unschuld und dem Verlangen, das sie so deutlich zeigte.

Als er Einlass in ihren Mund forderte, gab sie nach und klammerte sich an ihn. Sie legte die Hände auf seine Schultern, bog sich ihm entgegen.

Er würde ihr geben, was sie sich so verzweifelt wünschte. Sie würde bereitwillig mitkommen, das wusste er. Denn dieses Feuer zwischen ihnen hatte er noch nie verspürt.

„Komm mit mir, Amira. Für eine Nacht. Ein paar Stunden.“

Ihre geschwollenen Lippen zitterten, und in ihren Augen schimmerte Begierde, aber auch noch etwas anderes. Er müsste sie nicht fragen, ob sie es wollte, und doch sollte sie selbst entscheiden.

Er würde sich nehmen, was er wollte – Rache. Er würde etwas stehlen, was seinem Halbbruder gehörte, so wie Zufar ihm etwas genommen hatte. Und seine Rache wäre umso süßer, wenn seine Verlobte freiwillig mitkommen würde.

Wenn sie ihm den Vorzug gab, und sei es nur für ein paar Stunden …

„Entscheide dich, Amira.“ Er strich mit dem Daumen über ihre zitternden Lippen. Sein Körper verlangte nach ihr. Und doch wählte er seine Worte mit Bedacht, um ihr den letzten Rest an Angst und Zweifel zu nehmen. „Du kannst wieder ins Bett gehen und dich dein ganzes Leben lang fragen, welchen Zauber wir gemeinsam erlebt hätten. Oder …“ Er strich mit den Lippen über ihren Hals und merkte, dass sie zuckte. Mit einem verschlagenen Lächeln saugte er an der zarten Haut. Er wusste, dass sie bereit für ihn war, auch wenn es ihr selbst noch nicht klar war. „Oder du kannst dich für mich entscheiden. Für dies hier. Für ein paar Stunden.“

Als sie seine Fingerknöchel küsste und ihn mit Tränen in den Augen ansah, verdrängte er den Anflug von Bedenken, den er empfand.

Du bist ein Schandfleck.

Er würde Zufar für diese Bemerkung zahlen lassen. Ohne schlechtes Gewissen würde er sich das nehmen, was ihm angeboten wurde.

Ein Gefühl des Triumphs erfasste ihn, als sie sagte: „Ja, ich … ich würde gerne … ein paar Stunden mit dir verbringen.“

Er presste seinen Mund gegen ihre Schläfe und hielt sie fest, bis sie aufhörte zu zittern.

„Ich werde dich unversehrt zurückbringen, ja?“

Als sie nickte, eroberte er ihren Mund in einem leidenschaftlichen Kuss und vergaß in diesem Moment, dass sie unschuldig war. Er biss in ihre volle Unterlippe, und als sie stöhnte, schlang er seine Zunge um ihre. Hitze baute sich in ihm auf, angestachelt von einer dunklen Begierde, sie zu besitzen. Sich das zu nehmen, was von Rechts wegen Zufar gehörte.

Dem legitimen Sohn seiner Mutter, dem Mann, der im Begriff war, König von Khalia zu werden. Der nie an seiner Herkunft oder seinem Platz in dieser Welt gezweifelt hatte, und der selbst jetzt Adir seinen rechtmäßigen Platz verweigerte, obwohl er Khalia schon in seinen Händen hielt …

Es war eine gebührende Rache.

Sein Körper zitterte vor Verlangen, in ihr zu sein, hier … bei dieser dunklen Treppe. Aber Adir war kein Wilder, egal, was sein Halbbruder von ihm denken mochte.

Er riss sich zusammen und löste sich von ihrem verführerischen Mund.

Amira atmete heftig. „Wo gehen wir denn hin?“ Ihre Augen leuchteten vor spitzbübischer Freude, obwohl sie zitterte. „Ich muss zurück sein, bevor …“

„Ich habe so viele Geschichten über ihre Gärten gehört“, sagte er und erinnerte sich an die Briefe seiner Mutter, in denen sie die Gärten beschrieben hatte. „Dass sie viele Stunden dort gearbeitet hat und sie ihre wahre Liebe gewesen sind.“

„Die Gärten der Königin? Du weißt davon?“

Er nickte.

Ein breites Lächeln umspielte Amiras Lippen. „Genau dort wollte ich heute Abend auch hingehen.“

Er nahm ihre Hand und führte Amira die Stufen hinunter. „Dann muss es Schicksal sein, dass ich dich ausgerechnet heute getroffen habe.“

Sie blieb stehen und sah ihn entschlossen an. „Nein, es ist kein Schicksal, Adir. Wir beide sind hier, weil wir einen Entschluss gefasst haben. An diesem Abend gibt es kein Schicksal, keine Mächte, die über uns bestimmen. Nur dich und mich.“

„Dich und mich“, stimmte Adir zu und zog sie weiter, bevor sie den dunklen Schatten in seinen Augen sehen konnte.

Sie war die Seine in dieser Nacht. Nicht Zufars. Nur daran sollte er denken.

Amira hatte das Gefühl, in den letzten beiden Stunden auf Wolken geschwebt zu sein, während sie mit Adir durch die berühmten Gärten von Königin Namani spazierte. Zwei Stunden, in denen sie gelacht, geredet, sich geneckt hatten.

Zwei Stunden, in denen sie mehr sie selbst gewesen war als in ihrem ganzen Leben.

Adir hatte sie in wenigen Sekunden von dem Treppenaufgang durch einen weiteren Flur im Palast geführt, der von bewaffneten Männern bewacht wurde.

Fast schien es, als wäre er darauf trainiert, das Militär von Khalia zu überlisten. Vielleicht hatte er sich den Grundriss des Palastes aber auch eingeprägt, weil er alle Ein- und Ausgänge in den beleuchteten und unbeleuchteten Fluren kannte, die in die Gärten führten. Wege, die selbst Amira nicht kannte, obwohl sie seit Jahren immer wieder zu Besuch kam.

Gehörte er vielleicht zu dem Wachpersonal, das eigens für das Begräbnis der Königin angeheuert worden war? War sie vielleicht nur eine von etlichen Frauen, mit denen er so etwas machte?

Amira verwarf den Gedanken. Es war ihr egal, was er machte oder wie er lebte. Sie konnte es sich nicht leisten, darüber nachzudenken, wenn sie sich diese Nacht stehlen wollte. Wenn sie glauben wollte, dass sie ein paar Stunden mit einem Mann verdiente, der sie wirklich sah. Der sie bewunderte, mochte und sich zu ihr hingezogen fühlte.

Entsetzen hatte in seinem Blick gestanden, als sie ihm gestand, mit wem sie verlobt war. Aber danach hatte er Prinz Zufar nicht mehr erwähnt. Oder die königliche Familie. Nur Königin Namani kam ab und zu in ihrem Gespräch vor. Amira spürte eine gewisse Ehrfurcht in seiner Stimme, wenn er von der verstorbenen Königin sprach, ignorierte es aber. Was sie von der Königin dachte, auch wenn es seinen Ansichten widersprach, spielte jetzt keine Rolle.

Diese Nacht gehörte ihr.

„Ist dir kalt?“, fragte er, als sie zitterte.

Sie nickte und war sofort eingehüllt von seiner warmen Jacke.

Obwohl die Luft erfüllt war von dem starken Duft des Nachtjasmins, roch sie seinen Duft auf ihrer Haut. Sie spazierten durch ein kleines Labyrinth, bis sie zu dem berühmten Springbrunnen in der Mitte kamen, der beleuchtet war.

Unzählige Male hatte sie den Palast besucht, hatte diesen gemütlichen Platz inmitten des Labyrinths jedoch noch nie gesehen. Es war ein verschwiegener Ort, den König Tariq als Geschenk für seine Frau hatte anlegen lassen.

Galila hatte ihr nie erzählt, ob es ihrer Mutter gefallen hatte oder nicht.

Es war eine wunderschöne, magische Nacht, und dieser Ort schien wie für sie geschaffen, mit den hohen Hecken, die keinen Einblick boten, und dem ständigen Plätschern des Wassers, das alle anderen Geräusche verschluckte.

Und all ihre Sinne waren nur auf den Mann gerichtet, der ihre Hand hielt.

„Warum Krankenschwester?“, fragte er.

Wärme breitete sich in ihrer Brust aus. „Als ich ein kleines Mädchen war, hat meine Mutter mir erzählt, dass sie immer davon geträumt hat, Medizin zu studieren. Sie hat mir einen kleinen Arztkoffer geschenkt, und wir haben oft damit gespielt. Sie war die Patientin, ich die Ärztin.

Ich glaube, ihr hat es genauso viel Spaß gemacht wie mir. Eines Tages fühlte sie sich wirklich krank. Ich saß immer bei ihr und habe gelernt. Und dann plötzlich war sie nicht mehr.

Ich war eine gute Schülerin und hatte immer die besten Noten. Doch als ich meinem Vater gesagt habe, dass ich gerne Medizin studieren würde, war er dagegen. Er meinte, ich sei für etwas Besseres bestimmt. Bald waren Zufar und ich offiziell verlobt. Kurz danach, bei einem königlichen Dinner, habe ich ihm erzählt, dass ich Krankenschwester werden möchte. Ich habe ihm gesagt, dass meine Ausbildung mir bei den verschiedenen Stiftungen für Kinder zugutekommen würde, mit denen ich in Zukunft zusammenarbeiten würde. Dass ich seine Erlaubnis brauche, um mich über die Weigerung meines Vaters hinwegsetzen zu können. Und wenn er mir jetzt sofort seine Zustimmung geben würde, dann würde ich ihn nie mehr im Leben um irgendetwas bitten. Es war das einzige Mal, dass er mich richtig angesehen hat.“

„Was hat er gesagt?“

Seine Stimme klang seltsam eindringlich, und Amiras Lächeln verblasste. „Dass er … sehr viel lieber eine Frau will, die glücklich ist, statt eine, die das Leben aller anderen zerstört. Er … hat meinem Vater gesagt, dass meine Erziehung, meine Zukunft ihm als meinem zukünftigen Ehemann zugutekommt. Dafür hätte ich ihn küssen können.“

„Hast du es getan?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Selbst wenn, wäre es nur aus Dankbarkeit geschehen und hätte nichts von unserem Kuss gehabt.“ Sie konnte sich nicht vorstellen, Zufar jemals so zu küssen wie Adir.

Er drehte sie zu sich, sein Gesicht verschattet. „Für eine Frau, die so betörend unschuldig aussieht, bist du ziemlich gerissen.“

„Aus deinem Mund klingt es so, als sei ich … verrucht.“

Er lachte. „Du hast die Gelegenheit beim Schopf gefasst, um deinen Traum zu verwirklichen. Es ist ein Kompliment, Amira.“

Und weil er so aufrichtig klang, stellte Amira sich auf die Zehenspitzen und presste ihre Lippen auf seine. Sie wollte sein Lachen und seine Komplimente. Aber sie wollte auch seine Hitze, seinen Körper. Und erleben, wie es war, eine Frau zu sein, die sich verzweifelt nach einem Mann verzehrte.

Diesmal öffnete sie sich ihm. Und als er sie jetzt küsste, war sie bereit für ihn.

Sie wollte seine männliche Hitze, seine Finger, die sie berührten.

Amira klammerte sich an ihn, während ihre Zungen miteinander spielten.

Schließlich hob er ihr Kinn. „Ich würde gerne an dem Tag da sein, wenn Amira Ghalib sich entschließt, wirklich verrucht zu sein.“

Mit dem Daumen zeichnete sie seine Lippen nach und spürte seine harte Männlichkeit an ihrem Bauch, die ihre Haut in Flammen setzte.

„Jetzt ist dieser Moment, Adir. Ich möchte verrucht sein. Mit dir.“

Seine dunklen Augen leuchteten vor Begierde. „Hier, mit mir?“

Als er ihr die Jacke von den Schultern nahm und auf den Rasen legte, klopfte Amiras Herz heftig. Und als er sie dann umdrehte und den Reißverschluss hinten an ihrem langen Kleid bis zum Po herunterzog, wurde ihr Atem flach.

Während er das Kleid über ihre Schultern streifte und ihren Rücken küsste, glaubte sie, innerlich zu verbrennen.

Er fiel auf die Knie, drehte sie zu sich um, umfasste ihre Hüften und atmete tief ein, als wollte er den Duft ihrer Erregung in sich aufnehmen. Und als er dann mit der Hand ihr Höschen zur Seite schob, gaben die Knie unter ihr nach, und sie sank in seine wartenden Arme.

Nie würde sie die Geräusche, die Düfte, die Seufzer dieser Nacht vergessen, als er ihr sagte, dass ihr Duft keinem anderen auf der Welt gleichkam.

Nicht das Leuchten der Sterne hoch am Himmel, als er eine ihrer Brustspitzen in den Mund nahm und sie reizte. Auch nicht ihr Stöhnen, als er so sanft mit zwei Fingern in sie eindrang, dass sie glaubte, vor Verlangen explodieren zu müssen.

All die Gefühle, die sie überschwemmten, als er endlich zu ihr kam, den flüchtigen, scharfen Schmerz, das Gefühl, ganz von ihm erfüllt zu sein und dass sie nie wieder ganz sein würde ohne ihn.

Sie wollte in dieser Lust versinken, die ihre Körper gemeinsam erschufen, sich ihm ganz überlassen.

Silbernes Mondlicht liebkoste seine markanten Gesichtszüge, die angespannt wirkten vor Lust. Als er ihr dann voller Verlangen in die Augen sah, stützte Amira sich auf die Ellbogen und küsste ihn.

Er schmeckte nach Schweiß, Pferden und Männlichkeit.

„Du möchtest etwas“, flüsterte er.

„Ich will dich berühren.“

Er nickte.

Begierig fuhr Amira mit den Händen unter sein zugeknöpftes Hemd. Seine Haut, weich und rau, war warm, sein Herz raste unter ihren Fingern. Sie strich über seine Brust, erkundete seinen muskulösen Bauch und wanderte tiefer, dort, wo sie beide vereint waren.

„Gefällt dir das?“, fragte sie und wollte mehr, immer mehr.

Er kreiste mit den Hüften. „Zweifelst du immer noch daran, habibti?“

Und dann fanden seine Finger die empfindsame Perle ihrer Lust. Er reizte sie meisterhaft, und Amira glaubte, vergehen zu müssen, wenn sie nicht …

Dann endlich stieß sie einen kehligen Laut aus, als sie vor Erlösung immer wieder zuckte.

„Du bist das Schönste, was ich je gesehen habe“, sagte er heiser.

Als er sich dann schneller in ihr bewegte und ihr in die Augen sah, während er selbst von seinem Höhepunkt überschwemmt wurde und sich ihr in all seiner Verletzlichkeit offenbarte, wusste Amira, dass sie richtig entschieden hatte.

Dieser Mann gehörte ihr, in diesem Augenblick.

3. KAPITEL

Vier Monate später

Amira drehte sich zur Seite und starrte in den großen, vergoldeten Spiegel. Überall um sie herum gab es goldene Möbel und kostbare Teppiche, doch es war ein Käfig.

Ein goldener Käfig, in dem sie keine Freiheiten hatte. Ein Ort, an dem niemand ihr wahres Selbst kannte.

Sie legte die Hände auf ihren gerundeten Bauch, der sich unter den üppigen Falten ihres mit Juwelen besetzten Hochzeitskleids verbarg.

Ihr Hochzeitskleid … ihr Hochzeitstag … und sie war schwanger mit dem Kind eines anderen Mannes.

Adirs Kind.

Die unzähligen Edelsteine auf dem engen Oberteil glitzerten im Spiegel, und die Sonnenstrahlen, die durch die Fenster in den Raum fielen, spiegelten die Steine überall wider. Selbst in ihren Augen, wenn sie aufsah.

Wenigstens wirkten ihre Tränen auf diese Weise wie eine Lichttäuschung. Ihre Freundin Galila und das Dienstmädchen, das ihr zugeteilt worden war, hatten ihr ohnehin schon seltsame Blicke zugeworfen, als sie darauf bestanden hatte, das schwere Kleid allein anzuziehen.

Aber vielleicht hätte sie ihnen doch den Beweis dieser einen Nacht, in der sie frei gewesen war, zeigen sollen. Vielleicht wäre es besser, wenn das Kleid ihren gerundeten Bauch nicht kaschierte.

Die Wut ihres Vaters hatte keine Grenzen gekannt, als sie ihm davon erzählte. Bis zu diesem Moment war ihr nicht bewusst gewesen, wie wichtig es ihm war, der Vater der Königin zu sein. Bis zu diesem Abend, als er sie in ihr Zimmer gestoßen und sie dort eingeschlossen hatte, hatte sie immer Entschuldigungen für sein autokratisches Verhalten gefunden, manchmal sogar für seine Gewalt.

Was würde König Zufar seiner Meinung nach wohl tun, wenn er herausfand, dass seine Frau schwanger mit dem Bastard eines anderen Mannes war? Ein Wort, das sie abgrundtief hasste und das ihr Vater immer wieder benutzt hatte, um ihr einzubläuen, dass ihr Kind so genannt würde, wenn sie König Zufar nicht heiratete.

Ya Allah, sie hasste Betrug.

Zufar, dessen Vater kurz nach dem Tod seiner geliebten Königin abgedankt hatte, hatte zwar nie Interesse an ihr gezeigt, aber das hatte er nicht verdient.

Ihr Vater wollte sie zwingen, das Kind wegzugeben. Ein Makel, der ihren Ruf beschmutzte und entfernt werden musste …

Als sie aufstöhnte, zuckten Galila und das Dienstmädchen zusammen.

Trotz der Drohungen ihres Vaters hatte sie am Abend zuvor alles darangesetzt, sich mit König Zufar allein zu treffen. Irgendwie hätte sie ihm schon klargemacht, warum die Hochzeit abgesagt werden musste. Er hatte zugestimmt, sie in seinem Arbeitszimmer zu empfangen. Doch ihr Vater hatte sie zwei Schritte davor abgefangen.

Er hatte sie zurück in ihr Zimmer gezerrt und sie mit solch brutaler Gewalt geschlagen, dass sie das Bewusstsein verloren hatte. Und heute Morgen war es zu spät.

König Zufar war bereits unterwegs zu der Parade und würde auf sie in der Halle warten, wo die Hochzeitsfeierlichkeit stattfinden sollte.

Bei jedem Wachmann, jedem Würdenträger, der zu Gast war, jedem Mann, der ihr über den Weg lief, hatte sie nach diesen breiten Schultern, diesem ernsten Gesicht gesucht. Diesem verschlagenen Lächeln.

Sie hatte es deshalb getan, weil sie einen Weg aus ihrer Zwickmühle suchte, wie sie sich einredete. Weil sie dieser Farce, auf der ihr Vater bestand, unbedingt Einhalt gebieten musste. Nur deshalb.

Doch von Adir war nichts zu sehen.

„Amira … ist alles in Ordnung?“, fragte ihre Jungenfreundin Galila – Prinz Zufars Schwester.

„Wusstest du eigentlich“, gab sie ausweichend zurück, „dass man mit dem Geld, das während der letzten Jahrhunderte für das Brautkleid der zukünftigen Königin verwendet wurde, allen Armen von Khalia Essen und Kleidung hätte beschaffen können? Dass es dreihundert Tage dauert und man zwanzig Frauen dazu braucht, die von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang arbeiten, umso ein Kleid fertigzustellen?“

Mit besorgtem Blick griff Galila nach den Händen ihrer Freundin. „Mein Bruder mag nicht … der ideale Mann sein. Aber er ist kein Monster, Amira.“ Sie wusste um die Wutausbrüche von Amiras Vater und glaubte wohl, dass ihre Freundin deshalb Angst hatte.

Unfähig, dem Blick ihrer Freundin zu begegnen, entzog sie sich Amira.

Galila seufzte. „Das Mädchen und ich holen jetzt den königlichen Schmuck. Ist es in Ordnung für dich, wenn wir dich kurz alleinlassen?“

„Ja, natürlich“, antwortete Amira automatisch. Doch zehn Minuten später war ihre Panik noch größer geworden.

Ob sie davonlaufen könnte, bevor Galila und das Mädchen mit dem Schmuck zurückkamen? Könnte sie auf dem Weg zu dem riesigen Kronsaal vielleicht vorgeben, dass ihr übel sei, und sich dann irgendwie aus dem Palast stehlen?

Mit den Edelsteinen auf dem Kleid könnte sie sich wahrscheinlich ein paar Monate über Wasser halten. Aber wie weit würde sie mit dem schweren Kleid und in ihrem geschwächten Zustand kommen? Seit fast einer Woche hatte sie kaum etwas von ihrem Frühstück bei sich behalten.

Außerdem würde das teure Kleid sie verraten. Was bedeutete, dass sie es ausziehen musste, wenn sie ungesehen fliehen wollte. Und um das Kleid auszuziehen, brauchte sie …

Fast hysterisch vergrub sie den Kopf zwischen den Knien.

Sie würde das Baby behalten, ganz egal, was geschah. Sie würde nicht zulassen, dass sie getrennt wurden.

Nur dieser Gedanke gab ihr neuen Mut.

Sie trank gerade einen Becher Wasser, als der Riegel an dem großen Fenster klapperte. Amira runzelte die Stirn. Es war nicht windig. Ganz im Gegenteil. Galila und das Mädchen hatten erklärt, dass es ein wunderschöner Tag sei, um zu heiraten.

Ihr stockte der Atem, als ein Schopf dunkler Haare draußen vor dem Fenster auftauchte. Und dann ein Gesicht, das sie seit vier Monaten in ihren Träumen verfolgte.

Der Silberbecher fiel ihr aus der Hand, während ihr Herz laut hämmerte.

Breite Schultern. Schmale Hüften. Muskulöse Schenkel rittlings über ihren Hüften, als er in sie eingedrungen und ihr solch unbeschreibliche Lust geschenkt hatte, dass ihr selbst jetzt wieder heiß wurde.

Geschickt landete Adir im Zimmer.

Salam-alaikum, Amira.“

Sie griff nach der Rücklehne eines Stuhls und blinzelte gegen die aufsteigenden Tränen an. Adirs Anwesenheit bedeutete Hilfe. Und dass sie die Hochzeit nicht über sich ergehen lassen musste.

Warum er hier war, spielte keine Rolle. Er hatte ihr nichts versprochen, und sie erwartete nichts. Doch er würde ihr bei der Flucht helfen. Dann könnte sie für sich und das Baby ein Leben aufbauen, das sie allein bestimmen würde. Wenn sie sich erst zurechtgefunden hatte in diesem neuen Leben, könnte sie es ihm vielleicht sagen, ohne ihn zu etwas zu zwingen. Er sollte sein Leben weiterführen.

Vielleicht wäre er einverstanden, ihr Kind zu besuchen, wenn es seine Arbeit erlaubte oder er im Land war. Vielleicht könnten sie …

„Amira?“

Sie zuckte zusammen. „Ich habe Angst, dass du gar nicht wirklich da bist. Ich weiß, es ist irrational, weil ich dich sehe. Mein Körper erinnert sich an deinen Duft nach Pferd, Sandelholz … nach dir. Aber der Geist gaukelt einem manchmal etwas vor. Ich habe meine Mutter Monate nach ihrem Tod auch immer gesehen. Halluzinationen werden verursacht durch …“

„Wie viel Zeit bleibt noch, bis du den König heiratest?“

Sie zuckte zusammen, als sie den Hass in seiner Stimme hörte. Dies war nicht der charmante, gelassene Mann, dem sie ihre Unschuld geschenkt hatte. Irgendetwas war anders.

Er lächelte nicht. Nein, das war es nicht allein. In dieser Nacht damals hatte er auch nicht oft gelächelt. Vielmehr lag jetzt etwas anderes in seinem Blick.

Eine dunkle Eindringlichkeit.

War es Missgunst? Wut? Aber warum?

Auf leisen Sohlen trat er zu ihr. Als er ihr ins Gesicht sah, wurden seine Züge einen Moment weicher, und sie bemerkte einen Anflug von Zärtlichkeit, die sie in dieser unglaublichen Nacht erlebt hatte.

„Mein Vater wird eine Stunde vorher kommen, um mich zu begleiten“, sagte sie ruhig, bevor Schmerz in ihre Stimme zurückkehrte. „Warum siehst du mich so seltsam an?“

„Tue ich das?“

„Ja.“

„Ich habe mich nur gefragt, ob diese eine Nacht unerlaubter Freiheit die Lust nach Rebellion ausgelöscht hat. Bist du glücklich, deinen König heute zu heiraten?“

Seine Worte trafen sie wie ein Schlag. „Wie kannst du es wagen …“ Sie wandte den Blick ab und schluckte die Wut herunter, die in ihr aufgestiegen war.

Wer war dieser Mann, der in Rätseln sprach? Wie viel wusste sie wirklich über diesen Fremden? Wie würde er wohl reagieren, wenn er erfuhr, dass ihre gemeinsame Nacht unwiderrufliche Konsequenzen hatte?

„Bitte … Adir. Tu nicht so, als wüsstest du, was mich zu meinen Entscheidungen treibt. Alles, was ich tue oder nicht tue, hat Konsequenzen.“ Und sie hatte Angst davor, es ihm jetzt zu sagen.

„Wohin hat er dich diesmal geschlagen?“, fragte er so übergangslos, dass Amira verblüfft war, wie schnell er verstanden hatte.

Wieder erfasste sie ein Gefühl von Scham. „Ich wollte König Zufar sagen, dass ich … ihn nicht heiraten kann. Vater … hat mich in mein Zimmer gestoßen, um mich davon abzuhalten. Ich bin gefallen, habe mir den Kopf am Tisch angeschlagen und bin ohnmächtig geworden.“

Sein Gesicht zeigte so wilden Zorn, dass sie zurückwich.

„Mit ihm werde ich mich ein anderes Mal befassen.“

„Es ist nicht deine Sache, mich zu verteidigen.“

„Trotzdem … du hast jetzt die Wahl, Amira.“

Sie wusste nichts über diesen Mann, außer dass er ihr eine Nacht unglaublicher Lust geschenkt hatte. Doch im Moment war er ihre einzige Option. Um zu fliehen, nichts sonst.

„Willst du ihn heiraten?“

„Nein.“

„Dann komm mit mir.“

„Jetzt?“

Er nickte knapp und trat näher, bis sie umgeben war von seinem Duft, an den sie sich so gut erinnerte.

Ein Gefühl von Sicherheit und Freude hüllte sie ein. Sie sah in seine wunderschönen Augen. Er machte keine Zusagen, keine Versprechungen.

Trotzdem vertraute Amira diesem Fremden mit dem intensiven Blick mehr als jedem anderen in ihrem Leben. Er ließ ihr die Wahl. Zum ersten Mal in ihrem Leben behandelte ein Mann sie wie eine Person, nicht wie ein Ding, das man kontrollierte oder formte.

In diesem Moment wollte sie nichts anderes, als dieses Leben, diesen Palast verlassen, in dem der König auf sie wartete. Was die Zukunft für sie bereithielt – und ob dieser Mann dabei eine Rolle spielte –, darüber würde sie später nachdenken.

„Ja, ich werde mit dir gehen, Adir.“

Befriedigung zeigte sich auf seinem Gesicht. Er umklammerte ihren Unterarm und zog sie zum Fenster.

Plötzlich blieb er stehen und warf einen Blick auf ihr prächtiges Hochzeitskleid. „Zieh dieses Ding aus.“

Bei seinem barschen Befehl blieb ihr die Luft weg. „Galila und das Mädchen werden bald zurück …“

„Du wirst nicht gehen, solange du irgendetwas trägst, was König Zufar gehört. Du wirst alles zurücklassen, Amira … das ganze Leben hier. Verstehst du?“

Sie runzelte die Stirn. „Ja, aber …“

Als er nur den Kopf schüttelte, wurde Amira klar, dass er nicht nachgeben würde. Ein dunkles Leuchten stand in seinem Blick, während er die Arme verschränkte und wartete.

Ihr Herz hämmerte. Sie konnte sich nicht vor ihm umziehen, weil er dann ihr Bäuchlein sehen würde. Und sie wollte jetzt noch nicht mit ihm darüber sprechen.

„Ich werde ein anderes Kleid anziehen.“ Schweiß perlte auf ihrer Stirn. „Aber du musst mir den Reißverschluss hinten herunterziehen.“

Er bedeutete ihr mit einem Finger, sich umzudrehen.

Mit angehaltenem Atem präsentierte sie ihm ihren Rücken und hörte, wie er den Reißverschluss herunterzog. Ihre Haut brannte, wo seine Finger sie berührten. Als sein Atem federleicht über ihren Nacken strich, erschauerte sie.

Amira raffte ihr Kleid und schlüpfte hinter den Wandschirm. Mit zitternden Fingern zog sie ihr Hochzeitskleid aus, hängte es auf und zog ein anderes Kleid aus Seide an. Endlich konnte sie wieder besser atmen. Es fühlte sich an, als hätte sie den ersten Schritt getan, um wieder selbst über ihr Leben zu bestimmen. Als wäre sie aus einem unsichtbaren Käfig getreten, der sie all die Jahre beengt hatte.

Sie trat hinter dem Wandschirm hervor.

Etwas leuchtete in Adirs Blick auf, doch als er sprach, klang er sachlich. „Komm, draußen im Innenhof wartet ein Jeep.“

Amira ging zu ihm. Als wäre sie leicht wie eine Feder, hob er sie auf das breite Fensterbrett.

Sie schwang die Beine hinüber und wollte gerade springen, als Galila und das Mädchen mit dem Schmuck das Zimmer betraten.

„Amira? Was ist hier los? Wohin willst du …?“ Und dann: „Adir? Was machst du hier? In Amiras Gemach?“

Amiras Puls setzte aus, während ihr Verstand langsam Galilas Worte verarbeitete.

Galila kennt Adir? Wie das? Wer ist er?

Adir bedeckte mit seiner rauen Handfläche ihren Mund, ehe sie eine Frage stellen konnte. Die Arme um ihre Schultern geschlungen, kletterte er über das Fensterbrett.

Während er Amira mit einem Arm festhielt, drehte er sich mit grimmigem Lächeln zu Galila um.

„Sag deinem Bruder, dass ich seine kostbare Braut nicht nur verführt habe, sondern dass sie auch freiwillig mit mir davonläuft. Und dass ich ihm seine zukünftige Königin nehme, so wie er mir mein Geburtsrecht genommen hat.“

Bevor Amira glauben konnte, dass er dies wirklich gesagt hatte, fielen sie.

Er hatte sie verführt? Um König Zufar zu demütigen?

Plötzlich wirkte ihre gemeinsame Nacht falsch, verdorben. Und obwohl sie inzwischen wieder festen Boden unter den Füßen hatte, hörte ihre Welt nicht auf, über ihr zusammenzustürzen.

Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf und verschluckte ihren Protest. Adir packte sie bei der Hüfte und zog Amira mit sich. Die heiße Morgensonne nahm ihr den Atem. Ihre Kehle war wie ausgedörrt, ihr Mund trocken.

All die Fragen, die Amira ihm stellen wollte, blieben ihr im Hals stecken, während Punkte vor ihren Augen tanzten. Schließlich sank sie in willkommenes Vergessen.

4. KAPITEL

Adir warf einen Blick auf Amiras reglose Gestalt, während er den Jeep über den holprigen Pfad lenkte, der in die Wüste führte.

Ihre leuchtend goldene Haut sah beunruhigend blass aus, wie hauchdünnes Pergament. Blaue Schatten lagen unter ihren Augen. Ihre langen dichten Wimpern ruhten wie die ausgebreiteten Schwingen eines Falken auf ihren hohen Wangenknochen.

Unschuldig und gebildet, kultiviert und sinnlich, war sie wirklich eines Königs wert. Und er hatte sie Zufar unter der Nase weg gestohlen. Jetzt würde Zufar sich der Welt, seinem kostbaren Khalia und dessen Volk ohne Braut stellen müssen, zutiefst gedemütigt. Allein bei dem Gedanken an den wütenden Blick seines Halbbruders musste Adir lächeln.

Weshalb kam sie nicht wieder zu Bewusstsein?

Mit dem Jeep erklomm er eine hohe Düne, von der aus man die Wüste überblickte und die Grenze seiner eigenen Region.

Khalia, Königin Namanis Versprechen, Zufars Arroganz, die Unruhe, die er in der Nähe seiner Geschwister verspürte … all das lag nun hinter ihm.

Hier war er der Herrscher. Der Gebieter der härtesten Geliebten von allen – der Wüste. Hier hatte er sich aus der Asche der schmutzigen Geheimnisse, die seine Geburt umgaben, eine Identität aufgebaut.

Obwohl er schon seit einunddreißig Jahren hier lebte, nahm ihm die raue Schönheit, die sich vor ihm ausbreitete, immer wieder den Atem. Endlose Dünen in alle vier Himmelsrichtungen. Und dahinter befand sich sein Lager, das im Gegensatz zu dieser unendlichen Einsamkeit wie eine saftig grüne Fata Morgana wirkte.

Bewaffnete Wachmänner, die darauf geschult waren, ihre offensichtliche Neugier nicht zu zeigen, blieben ein Stück zurück, als er um den Jeep herumging und Amira sanft hochhob. In seinem Zelt standen bereits Wasser, Früchte und andere Dinge bereit, die er vielleicht brauchte, um sie wieder zu Bewusstsein zu bringen.

Gerade als er sie mitten zwischen die bunten Kissen auf dem Diwan legte, öffneten sich flatternd ihre Augenlider.

Er hielt sie, während sie langsam wieder zu Bewusstsein kam.

Ihre Augen waren so dunkel, dass sie fast schwarz wirkten in dem zarten Gesicht. Sie hatte ihn erkannt und erwiderte seinen Blick voller Freude, die bis in seine Seele vordrang. Doch ihr Strahlen verschwand so schnell wie das Trugbild von Wasser in der erbarmungslosen Wüstensonne.

Vorsicht und Angst erwachten in ihrem Blick. Einen Atemzug später zuckte sie abrupt vor ihm zurück.

Adir erstarrte, sein Herz hämmerte gegen seine Rippen. Er hatte etwas gespürt, kurz bevor sie zurückgezuckt war. Als sein Arm über ihren Rippenbogen strich und seine Hand auf ihrem Bauch ruhte.

Eine leichte Wölbung, wo sie vorher flach gewesen war. Er wusste es, weil er ihren weichen Bauch geküsst hatte und mit der Zunge darübergefahren war …

War Amira schwanger? Mit seinem Kind?

Seine Fingerknöchel wurden weiß. Wut, Angst und so vieles andere bedrängten ihn. Wäre er eine Stunde später gekommen, dann hätte sein Halbbruder sie geheiratet.

Sein Kind würde Zufar gehören, und der könnte damit machen, was er wollte.

Für ihn wäre es für immer verloren. Er hätte nie davon gewusst.

Ein Knurren entfuhr ihm. „Amira …“

„Nein, hör auf.“

Sie hatte sich halb aufgesetzt. Ihr Blick wirkte panisch, verschwommen. Sie wirkte wie ein Reh, das sich einem Raubtier gegenübersah. Er war das Raubtier, das sie fürchtete.

Adir hob die Hände hoch, um ihr zu zeigen, dass er ihr nichts Böses wollte. Trotzdem atmete sie nicht regelmäßiger. Vielmehr wurde ihre Unruhe noch größer, als ihr Blick von ihm durch das Zelt schweifte. Ihre Brust hob und senkte sich. Ihre Wangen wurden beunruhigend blass, und Schweißperlen standen auf ihren Lippen.

„Ich bekomme … keine Luft“, wisperte sie.

Adir zog sein Messer heraus, das er immer am Bein trug, und schnitt mit präzisen Bewegungen das Oberteil ihres Kleids vom Hals bis unterhalb des Nabels auf.

Er hatte sich immer als gebildeten Menschen betrachtet, der sich zum Wohl seines Volkes dem Fortschritt verschrieben hatte, dabei die Traditionen aber nicht vergaß. Doch als er ihr Kleid aufschnitt, fühlte er sich wie einer seiner Vorfahren aus der Wüste, von denen man ihm als Junge Geschichten erzählt hatte. Von Kriegern, die Städte einnahmen und sich unbeschreibliche Schätze sicherten.

Einen Schatz hielt er jetzt in seinen Händen.

„Nein, warte …“, bettelte sie mit dieser panischen Stimme.

Statt ihrer Bitte nachzukommen, hielt er das Messer zwischen den Zähnen, griff nach dem zerrissenen Oberteil und zog es herunter.

Dann stand er langsam auf und steckte sein Messer zurück in die Scheide. Erst jetzt gestattete er sich, Amira anzusehen.

Lockige Strähnen hatten sich aus ihrer komplizierten Frisur gelöst und umschmeichelten ihr Gesicht. Ein lächerliches hauchdünnes Ding aus cremefarbener Spitze bedeckte sie von den Brüsten bis zu den Schenkeln. Adir blieb die Luft im Hals stecken.

Vier Monate hatte er von ihr geträumt.

Unter der dursichtigen Spitze war nichts als ihr Fleisch. Das er berührt, geküsst und liebkost, aber nicht gesehen hatte, außer wenn das Mondlicht ihm einen verstohlenen Blick gewährt hatte.

Jedes Mal, wenn er an Nachtjasmin vorbeiging, wurde er an sie erinnert. An weiche Rundungen, leise Schreie und Haut, weich wie Seide. An unbeschreibliches Vergnügen.

Nun sah er all dies im Tageslicht, und nichts, was er sich ausgemalt hatte, ließ sich vergleichen mit der Schönheit von Amira Ghalib.

Er brauchte nur ein paar Sekunden, um all dies zu erfassen – die dunklen Brustwarzen, die sich stolz gegen die Spitze drängten; volle Brüste, die so perfekt waren, dass er sich danach sehnte, sie wieder in die Hände zu nehmen; die schmale Taille, die rundlichen Hüften, die schwarzen Löckchen zwischen ihren Schenkeln. Und … der deutlich gerundete Bauch.

Ya Allah, sie war schwanger!

Mit einem entsetzten Keuchen zog sie das zerrissene Kleid hoch, um sich zu bedecken.

Ein Knurren entfuhr ihm.

Sie hätte unwiderruflich Zufar gehört, für Adir für immer unerreichbar. Genauso wie sein Kind.

Ein weiterer Bastard, dem seine wahre Abstammung aberkannt wurde.

Noch etwas, das man Adir gestohlen hätte.

„Bist du schwanger, Amira?“ Die Frage ließ ihm keine Ruhe.

„Stimmt es? Bist du gekommen, um mich Zufar wegzunehmen?“

„Ich habe gesagt …“

Sie lehnte sich gegen die leuchtend bunten Wandteppiche. „Beantworte zuerst meine Frage“, forderte sie.

„Ja“, sagte er und zeigte ihr gegenüber viel zu viel Nachsicht, während sein Herz wie eine Trommel schlug.

Erneut wurde sie blass. „Warum?“

Sein schlechtes Gewissen nagte an ihm, doch er verdrängte es.

Er hatte sie gebeten, und sie war mitgekommen. Dass er aus anderen Motiven gehandelt hatte, sollte ihr egal sein. „Du hast gehört, was ich zu Prinzessin Galila gesagt habe.“ Damals hatte er genau gespürt, wie sie in seinen Armen auf der Fensterbank erstarrt war.

Sie runzelte die Stirn. „Warum bist du zu mir gekommen, Adir? Wir haben uns nichts versprochen. Vier Monate sind seit dieser Nacht vergangen. Und jetzt bist du hier, am Morgen meiner Hochzeit, kaum eine Stunde, bevor die Zeremonie beginnen sollte.“

„Ich habe immer wieder an dich gedacht. An diese Nacht und wie unglaublich es sich angefühlt hat. Dass ich wieder in dir sein will. Und dass du … dich in einer Situation befunden hast, die du nicht wolltest.“

„Ach, dann bist du gekommen, um der Held in meiner Geschichte zu sein?“, meinte sie.

Ihr leicht sarkastischer Ton ließ ihn aufhorchen. Verschwunden war die süße, vertrauensvolle Amira. Stattdessen sah er sich einer Frau gegenüber, die seinen Blick misstrauisch erwiderte.

Es spielt keine Rolle, redete er sich ein. Was geschehen war, konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Wenn sie eine ständige Rolle in seinem Leben spielen würde, dann könnte sie vielleicht auch verstehen, dass der Adir, den sie in dieser Nacht kennengelernt hatte, nur eine Illusion war, geschaffen dazu, um sie zu erfreuen.

„Nein, so etwas Bewundernswertes ist es nicht. Ich wollte dir zu Flucht verhelfen und noch ein wenig mehr von dieser Leidenschaft zwischen uns, wenn du immer noch gewillt bist.“

„Dann hast du dich also entschlossen, mich zu deiner Geliebten zu machen?“ Sie klang zwar spöttisch, doch ihre Wangen röteten sich.

Seine Bedenken verblassten ein wenig.

„Ja … vielleicht.“ Er zuckte die Schultern. „Ich habe noch nicht genau darüber nachgedacht. Bei meiner Stellung ist es nicht einfach, eine Geliebte zu haben. Zumindest nicht für einen längeren Zeitraum. Aber ich wusste, dass ich dich will und du fliehen wolltest. Also ging es nur darum, den optimalen Zeitpunkt herauszufinden. Einer meiner Wachen hat in Bezug auf die Hochzeit ein genaues Auge auf den Palast gehabt, um mir zu melden, was es Neues gibt.“

„Du hast absichtlich solange gewartet?“ Wut flammte in ihren Augen auf. „Als ob … mein Leben ein Schachspiel ist? Und ich eine Schachfigur?“

„Strategie ist mein Blut, die Luft, die ich atme. Meine Libido konnte warten, genau wie du, wenn dadurch ein besseres Ergebnis erzielt werden würde.“

„Welches Ergebnis?“

„Wenn ich dich am Hochzeitsmorgen vor den Augen der ganzen Welt stehle, wäre Zufar ganz und gar gedemütigt. Und meine Rache noch erfüllender.“

„Aber warum? Weshalb hasst du ihn so sehr?“

„Weil er mir immer noch verweigert, was von Rechts wegen mir gehört.“

Wenn er geglaubt hatte, dass die süße Amira, die er gekannt hatte, vor seinen Augen zusammenfallen würde, dann hatte er sich gründlich getäuscht. „Diese Nacht, als du …“, eine verräterische Röte kroch in ihre Wangen, doch sie fuhr tapfer fort, und er konnte nicht anders, als sie für ihre Haltung zu bewundern, „als du mich eingeladen hast, mit dir zusammen zu sein, habe ich dir gestanden, wer ich bin. Hattest du bereits geplant, Sex mit mir zu haben?“

Verzweiflung und Sehnsucht flammten in ihrem Blick auf. Auch wenn man sie gelehrt hatte, als zukünftige Königin von Khalia alles durchzustehen, konnte sie ihre Naivität und Unerfahrenheit nicht so einfach ablegen.

Obwohl sie sich alle Mühe gab, es nicht zu zeigen, hatte sein Verhalten sie zutiefst verletzt.

Doch Weichheit war ein Gefühl, das er nicht kannte. Und er hatte weder die Absicht noch Lust darauf, die Wahrheit für sie in milderem Licht darzustellen. Nichts – weder ihr verletzter Blick noch ihr Körper – würde etwas daran ändern, wie er war, oder was ihn in dieser Nacht dazu getrieben hatte, sie zu verführen.

Er war ein Einzelgänger. Zuerst durch das Schicksal bedingt, dann durch eigene Entscheidung. Die Briefe seiner Mutter hatten ihn schon früh gelehrt, für sich zu bleiben, wenn er das erreichen wollte, wozu er bestimmt war.

Wäre sie nicht gewesen, wäre er ein Ziegenhirte geworden, ein unbedeutender Teppichweber oder ein ganz normaler Stammesangehöriger.

Doch er war ihren Worten gefolgt wie Lehrsätzen, hatte sich von anderen ferngehalten, nicht zugelassen, dass Gefühle sein Leben beherrschten, und war zu dem geworden, was er nun war. War in Höhen aufgestiegen, die selbst sie sich für ihn nicht hatte vorstellen können.

Hätte es die Briefe der Königin nicht gegeben, wäre er damit zufrieden gewesen, ein einfacher Mensch zu sein.

Stattdessen hatten ihre Worte ihn angespornt, aus ihm einen Anführer gemacht. Trotz seines schlechten Starts.

Selbst jetzt, da er Scheich zweier Stämme war, ein Geschäftsmann mit Anteilen an multinationalen Unternehmen, hatte er keine engen Freunde, keine Familie. Keine Frau, die ihn schwach machte. Nur Ratgeber und Menschen, die seinen Befehlen folgten.

Er war von niemandem abhängig, außer von sich selbst. Ließ keine Emotionen zu, außer dem Drang, das Leben seines Volkes zu verbessern und seiner Bestimmung nachzukommen.

So wie ein Herrscher es tun sollte.

Und wenn Amira Antworten auf ein paar Fragen in Bezug auf ihre kurze gemeinsame Vergangenheit wollte, damit sie verstand, welchen Platz sie jetzt im Leben hatte und dass sie unwiderruflich an ihn gebunden war, dann sollte es eben so sein.

„Stand ich auf diesem Treppenaufgang und habe darauf gewartet, dass mir Zufars Verlobte in die Hände fiel?“ Er gestattete sich ein Lächeln. „Nein. Habe ich es genossen, dich ihm wegzunehmen, so wie er mit etwas gestohlen hat? Und genieße ich seine Demütigung, nachdem ich jetzt mit seiner weggelaufenen Braut in meinem Zelt sitze? All das kann ich bejahen.“

Sie sank gegen die Wand, während sie mit einer Hand immer noch ihr zerschnittenes Kleid umklammerte.

Adir verschränkte die Hände hinter dem Rücken, um sich davon abzuhalten, sie nach ihr auszustrecken.

Er wollte ihre Finger lösen, die sich um den Stoff krallten, und sie wieder nackt sehen. Wollte ihre Arme um seinen verschwitzten Körper spüren, wieder seinen Namen aus ihrem Mund hören.

„Beantwortet das all deine Fragen, Amira?“

Ein leichtes Zittern durchlief ihren schlanken Körper. „Für den Moment ja, danke.“

„Dann könntest du mir vielleicht jetzt meine beantworten …“

Und dann sah er es. Den Tränenschimmer in ihren Augen. Die gebeugten Schultern, die zeigten, dass sie geschlagen war.

Er konnte sich nicht länger zurückhalten und legte eine Hand auf ihre Schulter, um Amira in seine Arme zu ziehen. Er wollte sie nur halten. Sie hatte einen Schock gehabt, doch wenn sie ihn erst überwunden hatte, würde sie erkennen, dass sie selbst sich entschieden hatte, mit ihm zu kommen. Er würde ihr all ihre Sorgen nehmen – die Angst, die sie in den letzten vier Monaten vor ihrem tyrannischen Vater gehabt haben musste, weil sie wusste, dass sie schwanger war und es nicht lange verbergen konnte. Dass sie ihn Zufar vorgezogen hatte – in der Nacht damals und heute –, änderte nichts an seinen Motiven.

Mit einem leisen Aufschrei riss sie sich so heftig von ihm los, dass sie beinahe über den Tisch mit den Erfrischungen gestolpert wäre.

„Zuck doch nicht vor mir zurück.“

Anmutig wie eine Königin straffte sie sich wieder. „Dann berühr mich nicht.“

Selbst als stumme Tränen über ihre Wangen liefen, beschimpfte sie ihn nicht wegen dem, was er ihr angetan hatte, und er verspürte ein schlechtes Gewissen.

„Du musst dich beruhigen. Es ist nicht gut für dich und das Baby. In deiner Panik wärst du beinahe erstickt …“

„Ich würde lieber ersticken als deine Berührung jetzt ertragen zu müssen.“ Sie flüsterte, als spräche sie zu sich selbst. Und das traf ihn mehr als alles andere.

Er trat zu ihr. „Soll ich dich auf die Probe stellen, ya habibti?“

„Ich würde scheitern und du gewinnen. Auch wenn mein Verstand nicht will, gibt es Auslöser in meinem Körper, die mein Gehirn beeinflussen. Millionen Jahre alte Instinkte der Evolution, die in Aktion treten, denn wenn es darauf hinausläuft, erkennt der triebhafte Teil meines Gehirns dich als das aggressivste Männchen, das am besten Schutz bieten kann. Und es sind noch andere Hormone mit im Spiel, die mich noch empfänglicher für dich machen.“

„Dann bist du also einverstanden, dass ich dich jetzt berühre, dir dieses Kleid ausziehe, deine Brüste küsse und deinen Bauch.“

„Ja, das wäre ich. Aber später, wenn mein Hirn sich wieder von dem Orgasmus erholt hat, den du mir schenken würdest, würde ich dich hassen. Mehr noch als jetzt.“

Ich würde dich hassen …

Vier Monate hatte er nur davon geträumt, wie begeistert sie auf ihn reagiert hatte, von ihren sanften Rundungen unter seinem muskulösen Körper. Jetzt wollte er nichts anderes, als sie zurückerobern, die Nacht mit ihr verbringen, die seinem Halbbruder zugestanden hätte, um seinen Sieg zu besiegeln. Er wollte, dass sie ihre Worte zurücknahm.

Doch ein Blick in ihre Augen genügte, um seiner Lust einen Dämpfer zu verpassen. Sicher, er könnte sie haben, wieder und wieder, bis sein Verlangen befriedigt war, aber er wollte dem nicht nachgeben wie ein grüner Junge, der zum ersten Mal eine nackte Frau sah.

Er würde sie erst dann berühren, wenn sie als seine Frau zu ihm kam.

Adir schloss die Augen, atmete tief durch und öffnete sie wieder.

Ein Blick voller Angst begegnete seinem. Er verdrängte seinen Schreck. Es reichte.

Zeit, die Dinge in die Hand zu nehmen. „Du bist mit meinem Kind schwanger.“

Ihre Knöchel waren weiß, weil sie ihr zerrissenes Kleid fest umklammerte. Sie starrte ihn an, unschuldig und entschlossen, eine unwiderstehliche Mischung. „Bist du so sicher, dass es deins ist? Was, wenn ich mir hundert weitere Nächte mit hundert anderen Fremden nach dir gestohlen habe? Wenn es seit dieser Nacht eine ganze Reihe von Männern in meinem Leben gegeben hat? Wenn das, was wir zusammen erlebt haben, so gut war, dass ich nicht warten konnte …“

Er zog sie an sich, und die Bilder, die sie malte, ließen bittere Galle in seiner Kehle aufsteigen. Sie gehörte ihm. Nur ihm. „Setz nicht herab, was zwischen uns war.“

Tränen liefen über ihre Wangen. „Das hast du gemacht. Nicht ich.“

„Dieses Kind ist von mir.“ Furcht erfasste ihn. Verlustangst. „Wäre ich eine Stunde später gekommen und du Zufars Frau geworden, wäre dieses Kind, mein Kind …“

Was auch immer sie in seinem Gesicht sehen mochte, erschreckte sie offensichtlich. Mit entschlossener Miene trat sie zu ihm. „Ich würde nie zulassen, dass dieses Kind weggeben wird. Ich liebe es jetzt schon, Adir. Aber ich will nicht mehr über die Vergangenheit sprechen, sondern mich auf die Zukunft konzentrieren.“

Er nickte. Trotz ihrer Naivität würde Amira eine gute Mutter sein. „Gut. Sprechen wir über das, was wichtig ist.“

„Dann lass uns diese Farce beenden und erlaube mir zu gehen.“

„Wir werden so bald wie möglich heiraten.“

Sie hatten gleichzeitig gesprochen. Angespannte Stille hing im Raum.

„Nein.“ Er hatte genug Nachsicht mit ihr gezeigt.

Entsetzt sah sie ihn an. Bevor er nach ihr greifen konnte, schreckte sie zurück. Ein Zittern durchlief ihren Körper, und sie schlang die Arme um sich.

Voller Ungeduld wartete Adir. Als sie den Blick wieder hob, schimmerte nackte Angst in ihren Augen. Er hatte das Gefühl, von einer Klippe in einen dunklen Abgrund zu fallen. Was immer zwischen ihnen gewesen sein mochte, es war verloren.

Für immer.

Sie sah ihn an, als wäre er ein Fremder. Ein Monster.

„Amira?“

„Vor einer Minute hast du noch darüber nachgedacht, dass ich vorübergehend deine Geliebte sein könnte. Und jetzt befiehlst du, dass ich deine Frau werde? Ich wollte Zufar nicht heiraten. Und dich ganz sicher nicht.“

„In diesem Fall haben wir beide keine Wahl mehr. Wie du schon sagtest, alles, was wir tun, hat Konsequenzen. Mein Kind wird nicht als Bastard auf die Welt kommen. Und ich will keine Frau, die mich ansieht, als würde sie mich nicht mehr kennen …“

„Und ich will keinen Ehemann, bei dem jedes Wort eine Lüge ist. Der sich nicht von all den arroganten, dominanten Männern unterscheidet, die mich herumgeschubst haben, sondern der seinen wahren Charakter auch noch hinter einer Fassade aus Freundlichkeit und Charme versteckt.“

„Ich bin immer noch der Gleiche, Amira.“

„Der Mann, den ich in jener Nacht in dir gesehen habe, existiert nur in meiner Fantasie. Wenn du mir befiehlst oder drohst, wirst du nichts erreichen. Ich habe …“ Sie wandte den Blick ab und schluckte. „Ich habe seit Jahren Erfahrung mit Männern, die unbedingt ihren Willen durchsetzen wollen. Du könntest mich windelweich schlagen, und ich würde mich trotzdem nicht deinem Willen beugen.“

Ohne sich dessen bewusst zu sein, streckte er die Hand nach ihr aus. „Vergleich mich nie wieder mit deinem Vater. Ich bin ein Mann von Ehre. Was ich tue oder nicht tue, hat Konsequenzen. Die Menschen setzen darauf, dass ich Führung übernehme. Und zum letzten Mal, mein Kind wird nicht als Bastard geboren.“

Etwas an seinem Ton ließ sie erstarren. Angst schnürte ihre Brust zu, als ihr einfiel, was sie ihn damals in der Nacht schon hatte fragen wollen.

Er hatte von Königin Namani gesprochen, als würde er sie persönlich kennen. Von König Zufar, der ihm verweigerte, was ihm gehörte. Von Ehre und seinem Platz im Leben …

Oh Gott, was hatte sie getan? Auf wen hatte sie sich eingelassen?

Schweiß lief über ihren Rücken, während sich wieder ein unsichtbarer Käfig um sie herum aufrichtete. „Wer bist du? Und bitte … diesmal die Wahrheit.“

„Ich habe dich damals nicht angelogen. Du wolltest eine Nacht voller Fantasie, und die habe ich dir geschenkt.“

Sie war so dumm gewesen und hatte geglaubt, dass ein Märchen wahr werden könnte, wenn auch nur für eine Nacht.

„Und jetzt ist es Zeit, den Preis dafür zu bezahlen, stimmt’s? Mein Vater hatte recht – auf dieser Welt bekommt man nichts umsonst. Also, wer bist du?“

„Ich bin Adir Al-Zabah, Scheich der Stämme Dawab und Peshani. Ich besitze drei multinationale Informatik-Unternehmen. Ich habe einen Abschluss in Jura mit Spezialgebiet internationale Politik und Landrecht. Hin und wieder wurde mir gesagt, dass ich ein recht hübsches Gesicht habe. Und du trägst mein Kind in dir. Ich werde dich beschützen, dir jeden Luxus bieten, aber vor allem würde ich mir lieber die Hand abschlagen, als sie gegen dich zu erheben. Also, sollen wir die Abmachung jetzt besiegeln, Amira?“

Sie hatte das Gefühl, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen.

Ein kalter Schauer erfasste sie, und stumm starrte sie den arroganten Fremden an, der ihr zukünftiges Leben nach seinen Wünschen festlegte.

Adir Al-Zabah, der bekannte Scheich, natürlich. Sein Ruf war legendär in den Königshäusern Khalia und Zyria, weil er im Alleingang die Beduinenstämme seiner Region vereinigt hatte. Den vorher verfeindeten Stämmen hatte er neues Leben eingehaucht, indem er die Lücke zwischen Tradition und Fortschritt geschlossen hatte.

Er hatte zwei IT-Unternehmen in die Städte gebracht, die an der Grenze zur Wüste lagen, in denen die Stämme ihr Land besaßen. Seine politischen Kritiker hatten darüber gelacht, doch innerhalb von drei Jahren hatte er seinen Stammesangehörigen zu einer neuen Lebensweise verholfen.

Sie hatte geglaubt, sie seien seelenverwandt und suchten beide nach einer Beziehung in ihrem einsamen Leben. Doch er war genauso wenig einsam wie ein Löwe im Dschungel. Und nicht weniger rücksichtslos als ihr Vater oder König Zufar, da er skrupellos ihre Naivität und ihr Vertrauen ausgenutzt hatte.

Er war nur ein weiterer Mann, den ihre Wünsche und Träume nicht im Geringsten interessierten.

„Nein. Ich werde dich nicht heiraten.“

Ein Muskel zuckte in seinem Kiefer. Offenbar war er es nicht gewohnt, dass man ihm etwas abschlug. „Es ist höchste Zeit, dass du deine albernen Träume aufgibst, Amira. Zwing mich nicht dazu, dir keine Wahl mehr zu lassen.“

„Was für eine Wahl habe ich denn noch, wenn das die einzige Möglichkeit ist?“

Autor

Tara Pammi

Tara schreibt sexy Romanzen mit anbetungswürdigen Helden und sexy Heldinnen. Ihre Heldinnen sind manchmal laut und rebellisch und manchmal schüchtern und nerdig, aber jede von ihnen findet ihren perfekten Helden. Denn jede Frau verdient eine Liebesgeschichte!

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