Julia Extra Band 535

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  • Erscheinungstag 23.05.2023
  • Bandnummer 535
  • ISBN / Artikelnummer 9783751518154
  • Seitenanzahl 450
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Joss Wood, Rebecca Winters, Ally Blake, Michele Renae

JULIA EXTRA BAND 535

1. KAPITEL

Noch eine Stunde, dann war es so weit.

Thadie Le Roux blickte ihr Brautkleid auf dem Doppelbett an und berührte ihr Haar, das zu platinblonden Mikrozöpfen geflochten war, die im Nacken zu einem eleganten Knoten geschlungen waren.

Nach zahlreichen Rückschlägen und einem wahnsinnigen Presserummel waren sie fast auf der Ziellinie. In zwei Stunden war sie Mrs. Clyde Strathern.

War Clyde, der in einer anderen Suite weiter den Flur entlang untergebracht war, aufgeregt?

Sie nicht. Nicht besonders. Aber andererseits hatte sie zuletzt in jener Nacht in London vor vier Jahren Schmetterlinge im Bauch gehabt und war schwindlig vor Aufregung gewesen, als sie, untypisch für sie, einem tollen Fremden erlaubt hatte, mit ihr in ihr Hotelzimmer zu gehen und mit ihr zu schlafen.

Es war eine einmalige Kollision gewesen, und ihr Zusammensein machte ihr das schönste Geschenk ihres Lebens, ihre Zwillingssöhne Gus und Finn. Du kannst doch nicht an Angus denken, Thadie, nicht an deinem Hochzeitstag.

Sie zog den Gürtel ihres kurzen Morgenmantels fest, setzte sich auf die Bettkante und starrte ihr absurd teures Brautkleid an. Die Zweifel, die sie während der vergangenen drei Monate gehabt hatte, schlugen über ihr zusammen, und ihr Atem ging flach vor Angst. Was machte sie denn hier? Clyde liebte sie nicht, sie liebte ihn nicht.

Thadie zwang sich, ihre Zweifel zu verdrängen. Du weißt, warum du heiratest, Le Roux, es war eine wohlüberlegte Entscheidung, erinnerst du dich?

Clyde hatte sich dazu bereit erklärt, bei ihren Jungs mit anzupacken, was bedeutete, dass sie mehr Zeit für sich selbst hatte. Sie wollte vielleicht wieder als Designerin arbeiten. Teilzeit, natürlich.

Und ja, ihren Jungs einen Vater zu besorgen, ließ sie sich ein bisschen weniger schuldig fühlen, weil sie etwas für sich selbst tun wollte. Sie brauchten einen Vater, und Rugby-Superstar und Nationalheld Clyde, sportlich und intelligent zugleich, war eine gute Wahl.

Es war einfach ein Geschäft: Clyde mochte ihre Medienpräsenz und wollte zur berühmten Familie Le Roux gehören. Sie wollte einen Vater für ihre Jungs, die Einsamkeit und Verantwortung loswerden, eine alleinerziehende Mutter zu sein. Sie wusste, dass sie sich niemals nach seiner Liebe sehnen würde, und vorausgesetzt, dass er sein Versprechen hielt, dabei zu helfen, Gus und Finn großzuziehen, würde er sie niemals enttäuschen.

Konnte man es ihr verübeln, dass sie sich für ihre Söhne eine stabile, altmodische Erziehung von zwei Elternteilen wünschte? Clyde hatte eingewilligt, diese Herausforderung anzunehmen.

Thadie zuckte zusammen, als ihr einfiel, dass sich Clyde in letzter Zeit nicht viel mit den Zwillingen beschäftigt hatte. Plötzlich fragte sie sich, ob er ihr noch immer dabei helfen wollte, sie großzuziehen. Nein, sie überreagierte. Clyde hätte etwas gesagt, wenn er Zweifel daran gehabt hätte, sie zu heiraten.

Zugegeben, die letzten Monate waren schrecklich gewesen. Eine unbekannte Person hatte den ersten Veranstaltungsort für die Hochzeit abgesagt, und für eine Weile hatten sie keinen Veranstaltungsort für das gehabt, was Südafrikas Hochzeit des Jahres genannt wurde. Journalisten hatten öffentlich die Beziehung zwischen ihnen angezweifelt. Thadie war in den sozialen Medien getrollt worden. Und sie hatte Clydes Stiefschwester Alta bitten müssen, als Brautjungfer zurückzutreten, weil sie alles negativ sah. Trotz einiger Streitereien und vieler durch Stress und Frustration ausgelöster Tränen – ihre, nicht Clydes, ihn hatte das ganze Drama ziemlich kaltgelassen – hatten sie es bis zu ihrem Hochzeitstag geschafft.

Sie war nur gestresst. Alles war gut.

Thadie sah auf, als ihre beste Freundin Dodi ins Zimmer kam. „Ist Liyana hier? Sie hat versprochen, hier zu sein.“

Dodi schüttelte den Kopf. „Sie hat eine Textnachricht geschickt, sie würde direkt zur Kirche fahren.“

Obwohl sie gewusst hatte, dass ihre glamouröse Mutter sie hängen lassen würde, war Thadie enttäuscht. Liyana hatte noch nie in ihrem Leben ein Versprechen gehalten und war für sie nie wirklich eine Mutter gewesen, also warum erwartete sie an ihrem Hochzeitstag etwas anderes?

„Dumm von mir, zu glauben, dass sie sich Umstände machen würde“, sagte Thadie leise. „Aber andererseits, wenn mein Vater noch am Leben wäre, würde er wahrscheinlich vergessen, dass er mich zum Traualtar führen soll, und man müsste ihn vom Golfplatz zerren.“

Oder aus dem Bett einer seiner vielen Geliebten. Dass ihr Vater ein Serienfremdgeher gewesen war, war eine weitere Enttäuschung. Allerdings hatte ihre Mutter auch nicht allzu großen Wert auf Monogamie gelegt.

Nach ihren Eltern und Angus, dessen Nachnamen sie nicht wusste und dessen noch ungelesene Visitenkarte sie verloren hatte – was zur Folge hatte, dass sie keinen Kontakt mit ihm aufnehmen konnte, nicht nach ihrer umwerfenden gemeinsamen Nacht und auch nicht, als sie festgestellt hatte, dass sie schwanger war –, war Thadie fertig damit, enttäuscht zu sein. Es war viel besser, ihre Erwartungen niedrig zu halten und, vor allem, realistisch.

„Verdammt“, murmelte Dodi, deren Aufmerksamkeit auf etwas gerichtet war, was draußen vor sich ging.

Thadie stand auf. „Was ist los?“

Als sie sich neben sie ans Fenster stellen wollte, streckte Dodi den Arm aus und hielt sie zurück. „Am Tor ist ein riesiger Tumult. Es ist ziemlich weit weg, aber ich erkenne Fotografen, einige mit Teleobjektiven.“

Nein, das konnte nicht stimmen. Damit die Presse wegblieb, hatte Thadie dafür gesorgt, dass am Ende des Gottesdienstes eine Textnachricht an die Hochzeitsgäste gesendet wurde, in der ihnen verraten wurde, wohin sie für den Empfang fahren mussten.

Nur wenige Leute wussten, wo der Empfang stattfand. Thadie ging ins angrenzende Wohnzimmer. Ihre Jungs waren zum Glück bei Jabu, dem Langzeitbutler von Hadleigh House und Ehrengroßvater der Zwillinge.

Sie ignorierte ihre Brüder, deren Verlobten und Clydes Stiefschwester Alta und bat Greg, ihren Bodyguard – sie hatte sich wegen des großen Presseinteresses an ihr für Personenschutz entschieden –, Clyde aus seiner Suite zu holen. Es sei dringend.

Eine Minute später betrat Clyde das Zimmer, aber anstatt sie anzusehen, schob er die Hände in die Taschen seiner Smokinghose und starrte den Teppich an. Offensichtlich hatte er Probleme erwartet. Interessant.

„Wir haben Fotografen vor dem Tor.“ Thadie blickte wütend Clyde und Alta an. „Ich habe klargemacht, dass dieser Veranstaltungsort bis nach dem Gottesdienst geheim bleiben soll. Wer hat ihnen die Information zugespielt?“

Die Blondine warf ihre Zeitschrift beiseite und stand auf. „Ich“, gab sie ohne ein Anzeichen von Reue zu.

Keiner im Raum sah überrascht aus. „Das dachte ich mir“, sagte Thadie mit zusammengebissenen Zähnen. Alta hatte sehr deutlich gemacht, dass sie kein Fan dieser Heirat war. „Warum?“

Alta wechselte einen Blick mit Clyde. Er ging zum Getränkewagen, goss sich einen Whiskey ein und schüttete ihn hinunter. Als er sich wieder umdrehte, nickte Alta ihm ermutigend zu.

„Ich habe ihr erlaubt, den Veranstaltungsort durchsickern zu lassen“, gab Clyde zu.

„Warum?“, flüsterte Thadie, bis ins Mark erschüttert.

„Clyde und ich haben gehofft, es würde dich endlich dazu bringen, die Hochzeit abzusagen“, sagte Alta.

Was passierte hier eigentlich? Das war alles so surreal.

Thadie bemerkte, dass ihre Brüder, ihre Gesichter grimmig, einen Schritt vorwärts gemacht hatten, und sie hob die Hand, um die beiden aufzuhalten. Das hier war ihr Problem, das sie lösen musste. „Tut mir leid, wenn ich begriffsstutzig bin, aber soll das heißen, dass du mich nicht heiraten willst, Clyde?“

„Natürlich will ich nicht! Wir bemühen uns schon seit Wochen darum, dass diese Hochzeit abgesagt wird, aber mit nichts, was wir getan haben, konnten wir dich dazu bringen, sie abzublasen!“

„Hier kommt eine neue Idee: Warum hast du Thadie nicht einfach gesagt, dass du nicht heiraten willst?“, fragte Micah scharf. Er sah fuchsteufelswild aus.

Berechtigter Einwand.

„Warum der ganze Aufwand, den Veranstaltungsort stornieren zu lassen, der Presse zuzuspielen, dass Alta als Brautjungfer ausgeschlossen worden ist, vertrauliche Informationen über eure Beziehung auszuplaudern?“, fragte Jago. Sein Ton war eisig kalt.

„Clydes Marke ist darauf aufgebaut, dass er der anständige Typ ist, der nette Kerl, der perfekte Gentleman. Ich wollte nicht, dass sein guter Ruf beschmutzt wird“, erklärte Alta. „Für mich als seine PR-Agentin ist das von größter Wichtigkeit. Thadie gehört zur Dynastie Le Roux, südafrikanische Royals. Sie ist berühmt und wird von der Öffentlichkeit geliebt. Du und Micah habt Macht und Einfluss und seid auch extrem populär. Clydes Verlobung mit Thadie war PR-Gold und hat ihm eine unglaubliche Publicity verschafft. Der Plan war immer, nach ungefähr sechs Monaten mit Thadie Schluss zu machen.“

Also hatte er nie vorgehabt, sie zu heiraten, ein Vater für ihre Söhne zu sein.

„Ich kapiere noch immer nicht, warum du eure Hochzeit sabotierst, wenn doch ein schlichtes ‚Ich bin nicht mehr interessiert‘ genügen würde“, sagte Micah.

„Clyde wollte die Beziehung gerade beenden, als er ein Angebot von einer berühmten, familienorientierten Marke erhalten hat, ihr Markenbotschafter zu werden. Es ist ein millionenschweres Geschäft. Aber er darf nicht im Zusammenhang mit einem Skandal stehen, er muss seine Weste sauber halten. Mit dir Schluss zu machen, Thadie, der Prinzessin der Nation, wäre problematisch gewesen. Wenn du ihn sitzen lassen würdest, hätte Clyde die Sympathie der Öffentlichkeit auf seiner Seite.“

Wow. Thadie schüttelte ungläubig den Kopf.

„Wenn du mir all das erklärt hättest, Clyde, hätten wir gemeinsam eine Lösung finden können. Aber mich zu hintergehen, mir und meiner Familie unzählige Stunden Stress zu verursachen, ist unverzeihlich. Micah hat wochenlang nach einem anderen Veranstaltungsort für uns gesucht, und Ella hat gegen alle Erwartungen diesen hier gefunden! Jago und Micah haben die Hochzeit im Voraus bezahlt!“

„Das ist nicht wichtig“, murmelte Micah.

„Es ist wichtig!“, schrie Thadie. „Und das alles hätte vermieden werden können, wenn du ehrlich zu mir gewesen wärst, Clyde! Und lass mich besser gar nicht erst mit den Versprechungen anfangen, die du meinen Jungs gemacht hast.“

Clyde zuckte die Schultern. Und diese kleine Geste, mit der er ihre Jungs und ihre Gefühle abtat, ließ Thadie rotsehen.

„Sie sind sowieso verzogene Bälger, und sie mögen Rugby nicht.“ Clyde klang zutiefst gelangweilt.

Wer war dieser Mann? Warum hatte sie diese Seite von ihm bis jetzt nicht gesehen? Oder hatte sie ignoriert, was ihr nicht gefiel, weil sie sich unbedingt einen Vater für ihre Söhne schnappen wollte?

„Sie sind drei!“

„Wirklich? Ich habe sie für älter gehalten. Jedenfalls ist Alta bereit, vor die Presse zu treten. Sie wird den Leuten mitteilen, dass du die Hochzeit absagst.“

Nein!

Mit zwei Sätzen hatte er es geschafft, sie als Mutter zu beleidigen – sie hatte verdammt hart gearbeitet, um sicherzugehen, dass ihre Kinder nicht verzogen wurden – und ihr zu zeigen, dass er von ihren Kindern keine Ahnung hatte. Und er glaubte, sie würde trotzdem seinen kostbaren Deal retten?

Es kam nicht oft vor, dass sie in Wut geriet oder irrational handelte, aber Clyde hatte all ihre Knöpfe gedrückt. Thadie rannte aus dem Zimmer, die Treppe hinunter zur Haustür der großen viktorianischen Villa.

„Thads, du trägst einen kurzen, sehr offenherzigen Morgenmantel“, schrie Dodi hinter ihr. „Und du hast keine Schuhe an! Wohin willst du?“

Sie riss die Tür auf, trat auf den Portikus und stand den Presseleuten gegenüber, die sich am Tor am Ende der langen Auffahrt versammelt hatten. Mit ihren Teleobjektiven würden sie gute Fotos von ihr bekommen, aber das war nicht genug.

Sie hatte einen Ex-Verlobten, den sie fertigmachen musste.

Am Montagnachmittag saß Angus Docherty in seinem Penthousebüro im Canary Wharf Tower, den Blick auf den Bildschirm seines Tablets gerichtet. Er war vor Kurzem aus Pakistan zurückgekehrt, nachdem er einen inoffiziellen Einsatz abgeschlossen hatte, und er hatte jede Menge Arbeit zu erledigen.

Die Welt stand nicht still, weil er während der vergangenen Wochen nicht erreichbar gewesen war. Obwohl er ein internationales, milliardenschweres Unternehmen besaß und leitete, das Menschen, Vermögen und Gebäude schützte, führte er auch heikle Aufträge für westliche Regierungen aus … Aufträge, die gefährlich waren, nirgendwo dokumentiert und streng geheim.

Einmal Soldat, immer Soldat.

Ein Unternehmen zu besitzen und zu leiten, war nie auf seinem Radar gewesen, als er aufgewachsen war. Nein, wie sein Vater und Großvater und Urgroßvater war er für den Militärdienst bestimmt gewesen. Von ihm wurde erwartet, dass er ebensolche Glanzleistungen wie sein Vater und Großvater vollbrachte. Sein Urgroßvater schied als Oberst aus der Armee aus, sein Großvater starb ein paar Tage, nachdem er zum Generalmajor befördert worden war.

Sein Vater hatte den höchsten Rang erreicht. General Colm Docherty stand nur Gott Rede und Antwort. Und, manchmal, dem Premierminister. Er war in Militärkreisen eine Legende, respektiert und verehrt. Er hatte ein unermüdliches Arbeitsethos und war diszipliniert und fokussiert. Für den General zu arbeiten, war schwierig, er stellte gnadenlose Anforderungen.

Von seinem Sohn verlangte er noch viel mehr.

Zu Hause war der General zehnmal schlimmer als bei der Arbeit, pedantisch und emotionslos, unbarmherzig anspruchsvoll. An sein einziges Kind wurden höhere Maßstäbe angelegt als an jeden anderen. Angus musste schneller laufen, härter arbeiten, mehr leisten und besser sein. Der Beste sein. Von seinem Vater akzeptiert zu werden, bedeutete, dass er perfekt sein musste. Scheitern wurde nicht geduldet. Niemals.

Von einer Kugel getroffen zu werden, die seine Oberschenkelarterie knapp verfehlte, aber den Knochen zerschmetterte, war sein größtes Scheitern. Angeschossen zu werden, vereitelte nicht nur die Pläne seines Vaters, dass er der zweite General mit dem Namen Docherty wurde, sondern veränderte auch grundsätzlich seine Beziehung zu seinen Eltern. Die Pins in seinem Oberschenkel genügten, um ihn aus dem Militär zu entlassen. Er hatte nicht auf einen Schreibtischjob befördert werden wollen, aber seine Einheit zu verlassen, war eine Wunde, von der er sich noch erholen musste …

Für den General war es das schlimmste Scheitern. Dochertys waren Soldaten, und wenn man nicht mehr diente, war man nichts. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Angus geglaubt, dass seine Eltern ihn, irgendwie, liebten.

Er rieb sich das Gesicht. Er war wohl müder, als ihm bewusst war, wenn er Erinnerungen nachhing, an seine ihm entfremdeten Eltern dachte. Gähnend fuhr er sich mit den Händen durch sein dichtes Haar, das nach Wochen unterwegs übermäßig lang war.

Ein Klopfen an der Tür ließ ihn aufsehen, und er winkte seinen stellvertretenden Geschäftsführer herein. Sie hatten zusammen in der Einheit gedient. Heath war der Erste, den Angus eingestellt hatte, als er Docherty Security gegründet hatte.

Heath, sein Tablet in der Hand, sank in den Besuchersessel. Angus bemerkte das Lächeln auf Heaths normalerweise verschlossenem Gesicht. „Was ist?“

„Ich sehe mir gerade ein Video von einer südafrikanischen Klientin an. Sie wurde kurz vor ihrer Hochzeit abserviert, und ihre spontane Pressekonferenz ist viral gegangen.“

Angus nahm das Tablet. Die Frau trug einen seidenen Morgenmantel, der den größten Teil ihrer Oberschenkel und lange, schöne Beine zeigte. Der Ausschnitt klaffte auf, und Angus, und der Rest der Welt, erhaschte einen Blick von einer üppigen Brust, bedeckt von einem trägerlosen hellblauen BH aus Spitze.

Als Angus zu ihrem Gesicht weiterging, wurde er reglos. Thadie …

Sein Herz fing an zu rasen, etwas, was selten passierte. Er verlor nie die Nerven, aber ein einziger Blick auf ihr schönes Gesicht und ihren sexy, kurvenreichen Körper ließ ihn ganz fiebrig werden.

Er war in Feuergefechten gewesen, in seiner Nähe waren Bomben explodiert, er hatte im Nahkampf um sein Leben gekämpft, er war angeschossen worden, und er hatte nie die Nerven verloren. Ein Blick in Thadies außergewöhnliche Augen, und er war ein Nervenbündel.

Angus zeichnete mit dem Zeigefinger ihre hohen Wangenknochen nach, ihr spitzes Kinn und den sinnlichen Mund. Ihre Augen waren mandelförmig und so dunkel wie die Sünde. Ihre Haut war goldbraun. Sie hatte Sommersprossen auf der Nase und den Wangen, und er erinnerte sich, versucht zu haben, jede, die er auf ihrem Körper fand, zu küssen.

In dem Video trug sie dünne, lange hellblonde Zöpfe – sie standen ihr –, aber er erinnerte sich, dass sie Locken hatte, die ihr bis auf die Schultern fielen.

„Ich bin hierhergekommen, um Ihnen zu sagen, dass mein Verlobter, nein, Ex-Verlobter“, verbesserte sie, „mich nicht nur gerade sitzen lassen hat, sondern auch gerade zugegeben hat, unsere Pläne für die Hochzeit sabotiert zu haben. Er hat das in der Hoffnung getan, dass der Stress zahlreicher Hochzeitskatastrophen mich dazu bringt, sie abzusagen, weil er nicht den Mumm hatte, es selbst zu tun.“

Ihre Brust hob und senkte sich, ihre Wangen waren gerötet. Sie hatte eine Mordswut im Bauch, und Mann, sie war hinreißend. Dann drückte Thadie die Handballen an ihre Augen. Nach ein paar Sekunden ließ sie die Hände sinken, aber Angus sah keine Tränen.

„Er hat mir erklärt, er habe vorgehabt, vor dem Gericht der öffentlichen Meinung mir die Schuld für die Trennung zu geben, deshalb bin ich hier draußen. Um Ihnen mitzuteilen, dass ich bereit war, heute seine Frau zu werden.“

Bereit? Das deutete nicht an, dass sie wahnsinnig verliebt war in den Bräutigam. Fasziniert beobachtete Angus, wie sich ihr zwei große Männer näherten. Sie trugen Designeranzüge, und nach den Rosen am Revers zu urteilen, gehörten sie zur Hochzeitsgesellschaft. Außerdem strahlten sie eine besitzergreifende und beschützende Haltung aus.

Einer der Männer legte ihr seine Anzugjacke um die Schultern und führte Thadie zurück zum Haus. Der andere stellte sich vor die Pressevertreter, die das Drama gierig aufsaugten.

„Wie die meisten von Ihnen wissen, bin ich Jago Le Roux. Wie eben bekannt gegeben, ist die Hochzeit meiner Schwester abgesagt worden. Ich möchte Sie bitten, unsere Privatsphäre zu respektieren und meiner Schwester den Freiraum zu geben, diesen Tag und dieses Drama aufzuarbeiten, aber ich vermute, das wird nicht passieren, oder?“

Es hagelte Fragen, als er seinen Geschwistern folgte. Das Video brach ab, und Angus, noch immer erschüttert, aber bemüht, es zu verbergen, hob die Augen und sah Heath an.

„Erklär“, verlangte er.

„Wir wurden beauftragt, eine der bekanntesten Personen Johannesburgs zu schützen, die Erbin Thadie Le Roux …“

Erinnerungen an jene Nacht in London vor vier Jahren stürmten auf Angus ein, daran, wie er die Hände über ihre seidenzarte Haut hatte gleiten lassen, ihren sinnlichen Mund erforscht hatte, an ihr Keuchen und Stöhnen, als er sie geliebt hatte. Jene sechs Stunden mit Thadie waren die schönsten sexuellen Erinnerungen seines Lebens, und es kostete ihn seine ganze Willenskraft, keine Miene zu verziehen.

„Das hier ist in Südafrika eine riesige Story und deshalb erregt Docherty Security dort unten Aufmerksamkeit. Es ist achtundvierzig Stunden her, dass die Hochzeit abgeblasen wurde, aber der Ex-Verlobte gibt in der Hoffnung, seinen Ruf wiederherzustellen, Interviews. Damit hält er die Story in den Schlagzeilen. Jetzt hat die internationale Presse die Story aufgegriffen, und weil ihre Mutter ein berühmtes Ex-Supermodel ist und zur Schickeria gehört, wird sich das Interesse an ihr verdoppeln. Oder verdreifachen.“

Angus hörte ihm zu, aber nicht voll konzentriert. Er konnte nicht glauben, dass er sie gefunden hatte, dass er jetzt ihren Nachnamen kannte, wusste, wer sie war, wo sie lebte. Vor vier Jahren, als sie sich auf einer Verlobungsparty kennengelernt hatten, hatten sie die Party im Penthouse des Paars getrennt verlassen und sich unten auf dem Bürgersteig getroffen. Angus lud sie zu einem Drink ein, aber irgendwie fingen sie im Taxi zur Bar an, sich zu küssen, und Thadie wies den Fahrer an, sie zu ihrem Hotel zu bringen.

Von dem Moment an wurde das ganze Gespräch zwischen ihnen mit Händen und Lippen, mit Streicheln und Küssen geführt. Nur Vornamen, machten sie ab, nichts weiter. Die Anziehungskraft zwischen ihnen war umwerfend, überlagert von einer Intensität, die Angus noch nie zuvor erlebt hatte. Anstatt nach einer sexuellen Begegnung abzuhauen, brauchte er mit Thadie zum ersten Mal mehr Zeit. Er redete sich ein, dass er in ein oder zwei Tagen, ganz bestimmt dann, wenn sie in vier Tagen aus London abreiste, bereit sein würde, Auf Wiedersehen zu sagen. Damals – und jetzt – hatte er wahnsinnig hohe emotionale Barrieren, und eine schöne Ausländerin würde sie nicht durchbrechen.

Er hatte weder Zeit noch Lust, in seinem Leben für eine Frau Platz zu schaffen, und zweiundsiebzig Stunden schienen ihm genug zu sein, um sie loszuwerden.

Beim Frühstück am nächsten Morgen lud er sie ein, für den Rest ihrer Zeit in London bei ihm zu wohnen, und zu seiner Überraschung nahm Thadie an. Weil sie am vergangenen Abend ihr Telefon verloren hatte, vereinbarten sie, dass sie aus dem Hotel auschecken und sich ein neues Telefon kaufen würde, während er ihren Koffer mit in sein Büro nehmen würde. Wenn sie alles erledigt hatte, würde sie ihn anrufen – Angus hatte seine Visitenkarte auf den Nachttisch gelegt –, und er würde ihr den Weg zu seiner Wohnung beschreiben. Dort würden sie sich treffen und den Rest des Tages im Bett verbringen.

Ihr Anruf war nie gekommen, und ihr Koffer stand noch immer an der Rückseite seines begehbaren Kleiderschranks. An den Tagen nach ihrer Begegnung hatte Angus versucht, Thadie zu finden, aber bald eingesehen, dass es unmöglich war, wenn er doch nur ihren Vornamen wusste.

Jetzt wusste er mehr.

Der Flug nach Johannesburg dauerte zehn, zwölf Stunden. Wenn er nach dem Abendessen mit einem wichtigen Klienten abflog, konnte er morgen am frühen Nachmittag südafrikanischer Zeit dort sein.

Nein! Nach Südafrika zu fliegen, war eine alberne Idee. Thadie war ein One-Night-Stand, nichts weiter.

„Ihre Familie steht im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Thadie Le Roux hat in den sozialen Medien ungeheuer viele Follower. Ihre Brüder haben uns ihrer jüngeren Schwester empfohlen, als sie den Wunsch nach einem Personenschützer geäußert hat. Ich mache mir Sorgen, dass Docherty Security unter Beschuss gerät, wenn ihr etwas passiert. Ich denke, sie braucht mehr Personenschützer.“

Angus nickte zustimmend. Er verstand Heaths Sorge, dass der gute Ruf des Unternehmens Schaden nehmen könnte. Das beschäftigte ihn normalerweise auch. Aber nicht heute.

Ja, er hatte sich wahnsinnig zu Thadie hingezogen gefühlt, und die Erinnerungen an jene Nacht hatten sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Anziehungskraft trieb ihn jedoch nicht dazu an, Thadie sehen zu wollen, es war seine Neugier. Vielleicht bekam er endlich Antworten auf Fragen, die ihn gelegentlich noch immer nachts wach hielten. Was war passiert, als sie vor ihrem Hotel ins Taxi gestiegen war? Wenn sie sich entschieden hatte, ihn nicht wiederzusehen, warum hatte sie ihren Koffer nicht abholen lassen?

Angus war nicht daran interessiert, ihre Affäre neu zu starten. Er wollte nur einfach Bescheid wissen. Er hatte immer die Fähigkeit gehabt, Menschen und Situationen zu deuten. Diese Fähigkeit hatte ihm bei mehr als einer Gelegenheit das Leben gerettet. Was hatte er bei Thadie so falsch gemacht?

Sie war ein ungelöstes Rätsel, ein nicht abgeschlossener Einsatz, etwas Unerledigtes. Als Soldat und Perfektionist hasste Angus ungeklärte Fragen.

Er hatte Thadie falsch verstanden, und dass sie keinen Kontakt mit ihm aufgenommen hatte, fühlte sich an wie ein Scheitern. Und Scheitern war, wie sein Vater ihm von klein auf eingehämmert hatte, inakzeptabel.

Aber wollte er wirklich Tausende von Meilen fliegen und die Betriebskosten seines Langstreckenjets auf sich nehmen, nur um herauszufinden, wie und warum er Thadie falsch gedeutet hatte? Ja, er wollte wissen, wie und warum. Es war kein verletzter Stolz oder sein Ego: Wenn er eine andere Situation während eines Undercover-Einsatzes missverstand oder eine andere Person in einer gefährlichen Situation falsch deutete, könnten Menschen, auch er selbst, verletzt oder getötet werden. Das größte Scheitern von allen.

Außerdem standen die Chancen gut, dass er sich, sobald er Thadie zu Gesicht bekam, fragen würde, warum er so viel geistige Energie in eine einzige lange zurückliegende Nacht investiert hatte. Es war unwahrscheinlich, dass Thadie noch dieselbe starke Wirkung auf ihn hatte, die sie vor Jahren gehabt hatte.

Er würde die Antworten auf seine Fragen bekommen, und weil er reich war, konnte er sich die Kosten ohne Weiteres leisten. Während er dort war, würde er dafür sorgen, dass der gute Ruf von Docherty Security erhalten blieb, indem er zusätzliche Personenschützer für Thadie organisierte und die Kosten übernahm.

In ein paar Tagen würde er keinen Gedanken mehr an sie verschwenden müssen.

Es war ein Plan mit einem soliden Ergebnis, einer, der nicht scheitern konnte.

Angus mochte Pläne. Und er scheiterte niemals.

2. KAPITEL

Thadie konnte nicht glauben, dass sie Cathcart House in ihrem knappen Morgenmantel verlassen hatte, der viel Bein zeigte, und, weil sie nicht daran gedacht hatte, den Gürtel straff zuzuziehen, den Rand ihres trägerlosen hellblauen BHs. Sich vor all die Reporter zu stellen und Clydes Niedertracht zu schildern, war dumm gewesen, und jetzt bezahlte sie den Preis. Während der vergangenen drei Tage hatten die Reporter vor ihrem Tor gestanden und jede ihrer Bewegungen verfolgt.

Als einzige Tochter eines der reichsten Männer des Landes und eines berühmten Ex-Supermodels war sie regelmäßig in den Klatschspalten, und mit ihrer geplanten Hochzeit hatten Clyde und sie die Südafrikaner monatelang unterhalten.

Sie hatte sich ihre ganze Kindheit und Teenagerzeit nach Aufmerksamkeit von ihren Eltern gesehnt, deshalb war sie blauäugig gewesen, als Clyde gesagt hatte, er würde der Vater der Zwillinge sein. Sie war so begeistert davon gewesen, ihren Söhnen die stabile Familie zu bieten, die sie nie gehabt hatte, dass sie alles ignoriert hatte, was nicht in ihre Fantasievorstellung von einer perfekten Familie passte.

Thadie seufzte. Sie war erschöpft und wünschte, sie wäre nicht so besessen davon, ihren Jungs einen Vater zu schenken, ein Rollenbild. Sie gab zu, dass es ihr Problem war, nicht das der Zwillinge. Aber der Zwang, einen Vater für die beiden zu finden, blieb.

Die Erinnerung an ein attraktives, markantes Gesicht wurde plötzlich wach. Die Zwillinge hatten seine Augen, ein helles Blaugrün, ein unwiderstehlicher Kontrast zu ihrer hellbraunen Haut. Gus hatte seine lange Nase, Finn hatte Angus’ Mund. Schon groß für ihr Alter, hatten sie vermutlich auch seine Körpergröße geerbt. Die Jungs in ihrem Leben zu haben, war eine ständige Erinnerung an die schönste Nacht ihres Lebens …

Wenn sie nur nicht seine Visitenkarte verloren hätte. Oder sie sich zumindest angesehen hätte, bevor sie sie verlor.

Und nicht allein, weil sie gewollt hatte, dass er über die Zwillinge Bescheid wusste. Nein, von dem Moment an, als sich ihre Blicke begegnet waren, hatte sie sich mit ihm verbunden gefühlt. Sie erinnerte sich, dass sich ihr Herz seufzend entschieden hatte. Bis zu dem Moment war ihr nicht bewusst gewesen, dass sie ihr ganzes Leben lang auf ihn gewartet hatte …

Nein, sie würde ihren Kummer nicht noch vergrößern, indem sie an Angus dachte, daran, was hätte sein können. Sie war schon deprimiert genug. Sie sollte etwas tun, irgendetwas.

Die Jungs waren bei Jabu, und sie musste raus hier. Ihr Bodyguard Greg versuchte, sie davon abzuhalten, aber Thadie erklärte ihm, entweder er begleite sie oder nicht, sie würde auf jeden Fall aus dem Haus gehen.

Greg, weil es sein Job war, hatte keine andere Wahl, als sie zu begleiten.

Er bestand darauf, zu fahren, und es dauerte einige Zeit, ihren SUV durch die Scharen von Presseleuten am Tor zu lenken. Zehn Minuten später waren sie auf der Hauptverkehrsstraße, unterwegs zum Geschäft ihrer besten Freundin.

Da sie wusste, dass Greg in der Nähe von Dodis beliebtem Geschäft nur schwer einen Parkplatz finden würde, sagte Thadie ihm, er solle eine Straße weiter parken. Der Spaziergang vorbei an den Kunstgalerien, Boutiquen und Delikatessengeschäften in Melrose störte sie nicht. Sie liebte diesen Stadtteil von Johannesburg.

Thadie stieg aus, hängte sich ihre große Handtasche über die Schulter und ging los. Greg folgte ihr.

„Ich finde, wir sollten zurück zum Auto gehen“, sagte Greg hinter ihr. „Hier draußen in der Öffentlichkeit zu sein, ist keine gute Idee.“

Dodis Geschäft war gleich um die Ecke, es waren vielleicht noch zwanzig, dreißig Meter. „Ich raste zu Hause aus, Greg, und ich muss mit meiner besten Freundin sprechen. Es wird schon gut gehen“, versicherte Thadie ihm mit mehr Zuversicht, als sie empfand.

„Warum glaube ich, dass ich das hier bereuen werde?“, murrte Greg. Er rückte näher an sie heran, als sie nach rechts abbogen …

Und direkt in einen Mob von Reportern mit Blitzlichtgewitter und geschrienen Fragen platzten. Thadie wurde klar, dass es ein Hinterhalt war. Die Presse hatte überall Informanten. Es war gut möglich, dass jemand ihrem Auto gefolgt war und, nachdem er von der Fahrtrichtung darauf geschlossen hatte, wohin sie wollte – Dodi und sie waren schon lange vor Dodis Verlobung mit ihrem Bruder Jago Freundinnen –, der Presse einen Tipp gegeben hatte.

Greg versuchte, die Reporter von Thadie fernzuhalten, aber das war unmöglich, weil sie sie von allen Seiten einkreisten. Die Fragen verschmolzen zu einer unverständlichen Kakofonie, das Blitzlicht tat ihren Augen weh. Thadie begann, zu hyperventilieren, und umklammerte Gregs Arm fester. Zumindest hoffte sie, dass es Gregs Arm war, sicher konnte sie nicht sein.

Gerade als sie dachte, sie könne nicht noch mehr ertragen, legte sich ein muskulöser Arm um ihre Taille, drehte Thadie herum und drückte sie an eine sehr breite und sehr harte Brust. Der Druck des Arms wurde stärker, und ihre Füße verloren den Kontakt mit dem Boden. Mit dem anderen Arm und einer Reihe von mit tiefer Kommandostimme erteilten Befehlen bahnte sich ihr Retter einen Weg aus dem Gedränge.

Thadie wurde starr. Sie erkannte diese Stimme wieder, den schottischen Akzent. Nein, das konnte nicht sein. Keinesfalls trug Angus sie aus der Menschenmenge heraus. Es musste ein anderer ein Meter fünfundneunzig großer Prachtkerl sein.

Sie legte ihm die Hand auf die harte Brust und sah hoch. Ihr wurde erst kalt, dann heiß. Ihr Herz schlug schneller, und ja, sie hatte plötzlich Schmetterlinge im Bauch. Ihre Augen mussten ihr einen Streich spielen, weil es nicht sein konnte, dass Angus, ihr heißer One-Night-Stand, sie gerade zu einem riesigen mattschwarzen Range Rover trug und unsanft auf dem Beifahrersitz absetzte.

Was? Wie? Verlor sie den Verstand?

Aber da er der einzige Mann war, der sie jemals dazu gebracht hatte, schwindlig zu sein, verzehrt von dem Drang, zu berühren und zu kosten, wurde sie vielleicht doch nicht verrückt. Oder noch nicht.

Angus ging um die Motorhaube des Luxuswagens zum Fahrersitz, seine finstere Miene genügte als Abschreckung, um die Reporter auf Abstand bleiben zu lassen. Vage bekam Thadie mit, dass Greg sagte, er würde ihr Auto nach Hause fahren, aber sie konnte den Blick nicht von Angus losreißen – so männlich, so sexy! –, als er sich ans Steuer setzte.

Ohne ein Wort startete er das Auto, blickte in den Seitenspiegel, um zu sehen, ob er sich in den Verkehr einfädeln konnte. „Was in aller Welt machst du denn hier?“, fragte Thadie.

Diese blaugrünen Augen, in deren Miniversion sie jeden Tag schaute, richteten sich auf sie. In seinem Blick lagen Verärgerung und eine Menge Frustration.

„Ich beschütze dich, Thadie.“ Er wartete darauf, dass Greg an ihm vorbeifuhr.

Seine Unzufriedenheit mit Greg war ihm anzumerken, und Thadie wollte ihren jungen, wenn auch unerfahrenen Bodyguard schützen. „Es ist nicht Gregs Schuld. Ich habe darauf bestanden, zu Dodis Geschäft zu fahren“, sagte sie schnell. „Ich habe ihm erklärt, ich würde allein fahren, wenn er mich nicht begleitet.“

Angus’ Blick kehrte zu ihr zurück, und sie saß wie festgenagelt da, während er überlegte, ob sie die Wahrheit sagte. Während sie wartete, fielen ihr die grauen Strähnen in seinem Haar über den Ohren auf, und anstatt eines Barts trug er jetzt sexy Stoppeln. Sie entdeckte neue Falten um seine Augen. Angus sah älter aus, wachsamer, hundertmal erotischer.

Thadie hatte das Gefühl, als würde ihr das Herz aus der Brust springen. Ihr war schwindlig. Ihre Gedanken rasten. Warum saß der Vater ihrer Söhne neben ihr, kühl und unnahbar und noch attraktiver, als er es vor vier Jahren gewesen war?

„Tut mir leid, ich verstehe nicht, warum du hier bist“, sagte Thadie. Sie klang völlig verwirrt.

Angus konnte es ihr nicht verübeln. Am allerwenigsten hatte sie erwartet, den Mann, mit dem sie geschlafen und den sie vergessen hatte, vier Jahre später in ihrer Heimatstadt zu sehen, während sie von einer Reportermeute angerempelt wurde.

Mit Greg Hadley, der in Thadies Auto vor ihm fuhr, würde er später darüber sprechen, wie man Nein zu einem Klienten sagte. „Ich fahre in einer fremden Stadt und muss mich konzentrieren“, sagte er hart. „Können die Erklärungen warten?“

„Das werden sie wohl müssen.“ Thadie sank auf ihrem Sitz in sich zusammen.

Angus setzte seine Sonnenbrille auf, fädelte sich in einen weiteren Verkehrsstrom ein und rieb sich den Nacken. Am liebsten würde er ein Hotel suchen, Thadie dieses sexy Kleid ausziehen und sich seinen Weg über ihren Körper küssen, bevor er hineinglitt und sich in ihr verlor.

Es war so heiß hier drin, er brauchte frische Luft. Aber die Klimaanlage lief, sie arbeitete prima. Nein, er war es, der überhitzt war, und das lag nur daran, weil er, zu kurz, Thadie in seinen Armen gehalten hatte. Angus unterdrückte ein frustriertes Stöhnen. Er hatte geglaubt, er wolle Antworten, und er wollte sie, aber er hatte nicht mit dieser wahnsinnigen Lust gerechnet, damit, dass er sich wieder so stark zu ihr hingezogen fühlen würde. Er war älter, hoffentlich klüger, und er hatte gedacht, er hätte sein Verlangen nach ihr überwunden …

Aber nein. Ganz und gar nicht.

Toll. Seine Südafrikareise lief nicht nach Plan. Nichts war so, wie er es erwartet hatte. Er war weit außerhalb seiner Komfortzone, und er mochte das nicht.

Wenn er gewusst hätte, wie es sich auf ihn auswirken würde, Thadie wiederzusehen, wäre er in London geblieben. Angus mochte es nicht, sich psychisch und emotional erschüttert zu fühlen. Er war in einem Haus aufgewachsen, in dem Emotionen sorgfältig reguliert, wenn nicht abgetan wurden. Um sein eigenes Vermächtnis zu erschaffen, um ein internationales Unternehmen aufzubauen, musste Angus emotional so distanziert sein, wie es sein Vater gewesen war. War.

Aber anders als sein Vater würde er seinen Weg allein gehen. Er würde nicht Ehefrau und Kinder als glänzende Accessoires betrachten, als weiteren Beweis dafür, dass sein Leben in jeder Hinsicht ein Erfolg war. Angus hatte die dysfunktionale Ehe seiner Eltern beobachtet. Er glaubte nicht an die Liebe. Er brauchte sie auch nicht, was auch immer Liebe war …

Außerdem hatte er in seinem Leben keinen Platz für eine Beziehung. Er musste seine ganze Energie darauf verwenden, sein eigenes Vermächtnis zu erschaffen, sich zu beweisen, dass der General nicht der einzige Docherty war, der Außergewöhnliches erreichen konnte.

Vierzig Minuten später schlug Angus seine Autotür zu, ignorierte die Zurufe und Forderungen der Pressevertreter und folgte Thadie den Steinweg hoch zu ihrer Haustür. Sie tippte einen Code ein, und die Tür ging auf. Angus trat direkt in einen riesengroßen, offen angelegten Wohn- und Essbereich. Die ganze Wand am anderen Ende bestand aus Glas, Angus erkannte, dass es eine Schiebetür war, die sich auf eine Terrasse und einen Pool öffnete. Bequem aussehende Sofas standen auf teuren Teppichen, Zimmerpflanzen sorgten für Farbtupfer. Aber es gab keine persönlichen Gegenstände oder Fotos. An der Wand waren Stellen zu erkennen, wo früher Gemälde oder Grafiken gehangen hatten.

Hatte Thadie geplant, mit ihrem neuen Ehemann neu zu dekorieren? Trotz der fehlenden persönlichen Gegenstände mochte Angus ihr Haus. Es war ganz anders als seine minimalistische Wohnung in Knightsbridge. Es war gemütlich, anders als die ordentlichen, emotional kalten Häuser, in denen er aufgewachsen war.

Sein Zuhause, wie alles in seinem Leben, war reglementiert gewesen. Wehe, man verschüttete etwas oder benutzte etwas und legte es nicht zurück an seinen richtigen Platz. So zu leben, war ungemütlich gewesen. Irgendwie wusste Angus, dass sich Thadie wegen Kleinigkeiten nicht aufregte. Sie war der Typ, der Leute ermutigte, die Füße hochzulegen und ihr hübsches Zuhause zu genießen.

Sie zu genießen. Schließlich waren sie allein in ihrem Haus …

Thadie legte die Hände auf die Kücheninsel, die die Küche vom Essbereich trennte und senkte den Kopf. Ihre mit einem schlichten schwarzen Band zusammengezogenen Zöpfe hingen ihr über den Rücken.

„Was machst du hier, Angus?“, fragte sie, ohne aufzusehen.

Er wollte ihr Gesicht umfassen und sie küssen, wollte ihren Körper an seinem spüren, wollte seinen Oberschenkel zwischen ihren Beinen haben und seine Hand auf ihrem Kreuz, um ihren Bauch an seine Erektion zu drücken.

Angus holte tief Luft, er war beunruhigt. Er fühlte sich wieder mit aller Macht zu Thadie hingezogen. Ich bin hier in großen Schwierigkeiten, gestand er sich ein. Fast war es ihm egal, was in London passiert war, er wollte einfach da weitermachen, wo sie aufgehört hatten.

Sie in seinen Armen, beide von ihnen auf dem Weg, nackt zu werden.

„Angus?“

Richtig, sie hatte ihn etwas gefragt.

„Ich habe das Video deiner spontanen Pressekonferenz gesehen.“ Solange er lebte, würde er niemals Thadie in diesem sexy Morgenmantel vergessen. Sie hatte hinreißend ausgesehen.

Aber er war aus einem Grund hier. Er würde zusätzlichen Schutz für sie bald ansprechen. Er war von seinem Manager hier in Johannesburg am OR Tambo International Airport abgeholt und auf dem Weg nach Rosebank, wo seine Geschäftsstelle ihren Sitz hatte, gebrieft worden. Thadies Nicht-Hochzeit und das idiotische Abstreiten ihrer Aussagen auf der Pressekonferenz durch ihren Ex fütterten die Boulevardzeitungen und führten dazu, dass immer mehr Leute Thadie online trollten. Ein paar Drohungen gegen sie hatte es auch gegeben.

Bevor sie übers Geschäft sprachen, wollte Angus jedoch Antworten darauf, warum ihrer beider Pläne so schiefgegangen waren. Wenn er dahinterkam, wie er die Situation so falsch hatte deuten können, ließ sich vermeiden, dass er seinen Fehler wiederholte.

„Warum hast du dich nach London nicht gemeldet? Du hattest meine Visitenkarte mit Telefonnummern, E-Mail-Adressen und der Website meines Unternehmens. Was ist passiert?“

Falls die neue Richtung des Gesprächs Thadie aus der Fassung brachte, so zeigte sie es nicht. „Warum bist du so sicher, dass ich wieder Kontakt mit dir wollte? Es war ein One-Night-Stand, nichts Besonderes, und ich habe mich entschieden, weiterzugehen.“

Sie wandte den Blick ab, und Angus wusste, dass sie log. Er sah den Puls an ihrem Hals schlagen und die Röte, die ihr ins Gesicht stieg. Ihre hart gewordenen Brustwarzen zeichneten sich unter dem Stoff ihres Oberteils ab, und er wusste einfach, dass ihre Beine unter dem Kleid gespreizt waren.

Thadie begehrte ihn, er begehrte sie, und die Anziehungskraft zwischen ihnen war unbestreitbar außergewöhnlich. Und es war nicht etwas, was unerforscht bleiben sollte.

Von dem Moment an, als er sie wiedergesehen hatte, noch bevor er sie in seine Arme gehoben und weggetragen hatte, hatte Angus gewusst, dass er einen aussichtslosen Kampf führte, dass sie ihre wahnsinnige gegenseitige Anziehungskraft noch einmal ausleben würden. Sie war zu stark, unvermeidlich. Es würde passieren, anscheinend eher früher als später.

Seine Fragen konnten warten.

Angus ging schnell zu ihr und stellte sich vor sie, blickte in ihr schönes Gesicht und wartete darauf, dass sie ihn zurückschob oder sich von ihm wegbewegte. Er gab ihr eine Minute, vielleicht mehr, um Abstand zwischen sie beide zu bringen, aber Thadie blieb, wo sie war und sah ihn unverwandt an.

Sie wurde zuerst schwach, rückte näher an ihn heran, und als ihre Brüste seine Brust streiften, umfasste Angus ihre Oberarme und presste sich an Thadie, seine Brust an ihren Brüsten, sein Oberschenkel zwischen ihren Beinen. Sie nickte, neigte in einer stummen Bitte das Gesicht hoch, und Angus gab der Versuchung nach und küsste sie auf den Mund, wollte unbedingt die intensive Verbindung wieder erleben, die sie vor so langer Zeit miteinander geteilt hatten.

Er hatte mit einem Aufflammen von Lust und Verlangen gerechnet, aber nichts hatte ihn auf die Macht der Leidenschaft, den Ansturm der Empfindungen vorbereitet. Thadies Lippen waren weich, ihre Haut unter seinen Händen war seidenzart, und ihr Mund war himmlisch. Thadie zu küssen, war tröstend und aufregend zugleich. Sie schmeckte nach Minze und Kaffee, sie duftete nach Apfelbäumen und Beeren, nach Leidenschaftlichkeit.

Thadie wimmerte, und Angus vertiefte den Kuss, nahm wie aus weiter Ferne wahr, dass sie ihm die Arme um den Nacken legte, dass ihre Finger mit seinem Haar spielten. Seine Hand hielt wie von selbst ihr Gesicht, die andere lag auf ihrem Po. Angus brauchte mehr, er brauchte alles. Die Wirklichkeit war so viel besser als seine Fantasie, deshalb schob er ihr Kleid hoch und streichelte ihren schlanken Oberschenkel, weiter nach oben und über die nackte Haut ihres Pos, kaum bedeckt von ihrem winzig kleinen Slip. Er ließ die Finger unter den Tanga gleiten und streichelte sie mit der flachen Hand, während er Thadie enger an sich zog, sodass der Beweis dafür, wie sehr er sie brauchte, noch fester an ihren Bauch drängte.

Wie hatte sie nur weggehen können, bevor ihre starke gegenseitige Anziehungskraft erlosch? Er musste wissen, warum, aber mehr als das musste er Thadie küssen, so lange, wie sie es ihm erlaubte. Sie war schön und beunruhigend, sie war … eine Frau, für die ein Mann Kontinente überquerte.

Und Angus wollte mehr, er wollte alles, was sie ihm geben konnte. Er küsste sie noch leidenschaftlicher, er musste sie nackt sehen, ihren sexy Körper an seinem spüren, ohne dass ihrer beider Kleidung im Weg war. Er wollte ungehinderten Zugang zu ihrer samtweichen Haut, wollte seinen Mund überall auf ihr haben, besonders an dieser herrlichen Stelle zwischen ihren Beinen. Und, nach ihrem leisen Stöhnen zu urteilen, danach, wie sie ihm das Hemd aus der Hose gezogen hatte, wollte Thadie ihn genauso.

Ihre Leidenschaft entsprach seiner, und Angus hielt es für eins der schönsten Geschenke, die er jemals bekommen hatte.

„Ich liebe es, wie du küsst“, flüsterte Thadie. „Wie du schmeckst …“

Gerade als Angus reagieren, die Hand auf ihre Brust legen wollte, hörte er die Haustür aufgehen. Er ließ Thadie los und schob sie instinktiv hinter sich, bereit, sich der Gefahr zu stellen.

Zwei große Männer kamen herein, beide sahen wütend aus. Eine Reihe von Eindrücken stürmte auf Angus ein: fit, muskulös, ein bisschen trainiert. Wenn diese Begegnung mit einem Kampf endete, würde er gewinnen, aber er würde Schläge einstecken müssen. Auf jeden Fall würde er Thadie bis zum letzten Atemzug beschützen.

„Was ist hier los?“, donnerte der blonde Mann. „Wer sind Sie, und woher kennen Sie meine Schwester?“

Jetzt fiel Angus wieder ein, dass er die Männer in dem Video gesehen hatte, das Heath ihm gezeigt hatte. Sie waren Thadies Brüder, oder genauer, Halbbrüder. Derselbe Vater, eine andere Mutter. Nach den Recherchen, die er seine Assistentin hatte anstellen lassen, waren sie Besitzer einer milliardenschweren Holdinggesellschaft mit Beteiligungen in vielen Branchen. Zusammen mit ihrer Schwester waren sie die Royals Südafrikas.

Thadie drückte flüchtig seinen Arm, als sie an ihm vorbei zum nächsten Sofa ging. Sie setzte sich und lehnte sich zurück. Sie sah erschöpft aus. „Angus, das sind meine Brüder Jago und Micah Le Roux.“

Angus nickte ihnen zu. Ein peinliches Schweigen trat ein. Er entdeckte ein Glas, das verkehrt herum neben der Spüle stand, nahm es und goss sich Wasser ein. Er hatte sich Kugeln und Bomben gegenübergesehen, Terroristen und Plünderern, sich auf seine Ausbildung verlassen, um aus brenzligen Situationen herauszukommen. Thadie stieß ihn weit aus seiner Komfortzone, und er wusste nicht, wie er dieses Szenario steuern sollte. Er improvisierte, und für jemanden, der Kontrolle liebte und Scheitern fürchtete, war das beängstigend.

Angus, mit dem Rücken zu Thadie und ihren Brüdern, hob das Glas an die Lippen, sein Blick fiel auf den mit Magneten bedeckten Kühlschrank. Einige stammten von Reisezielen – New York, London, Kapstadt und andere Städte –, auf anderen standen inspirierende Sprüche. Der größte Magnet, eine Cartoon-Ananas, hielt Take-away-Speisekarten am Kühlschrank fest. Unter der Ecke einer Sushi-Speisekarte lugte ein Foto hervor. Angus schob mit dem Zeigefinger die Karten zur Seite, und zwei kleine Kinder blickten ihn an.

Sein Herz geriet ins Stottern und Stolpern. Ihr Haar war lockiger, ihre Haut dunkler, aber ansonsten sahen die beiden Jungen, auf verschiedene Art, wie er als Kind aus. Und, wichtiger Anhaltspunkt, sie hatten beide seine Augenfarbe, dieses seltene Blaugrün.

Sie konnten nicht … Doch. Aber waren sie es? Wie? Wirklich?

Passierte das hier tatsächlich?

3. KAPITEL

Dies musste ein böser Traum sein, nichts sonst ergab einen Sinn. Jeden Moment jetzt würde sie in ihrem Bett aufwachen, sich recken und strecken und nach Kaffee sehnen. Die Jungs würden hereinstürmen, sich auf sie stürzen und zu quasseln beginnen.

Drei, zwei, eins …

Aber nein, ihr Leben war ein einziges Chaos. Ihre Brüder hätten fast Angus und sie beim Küssen überrascht. Hätten seine Hand unter ihrem Kleid gesehen. Küssen? Das war solch ein kleines Wort für das, was sie gemacht hatten. Sie hatten sich nacheinander verzehrt. Die Anziehungskraft zwischen ihnen war außergewöhnlich. Heiß, verrückt, unerklärlich.

Am schlimmsten von allem war, dass sie noch immer nicht wusste, warum er in Südafrika war. Ihre gemeinsame Nacht war kein ausreichender Grund für Angus, Kontinente zu überqueren. Sie war keine Femme fatale, die Männer über Ozeane lockte. Und er konnte unmöglich von den Zwillingen wissen …

Die Zwillinge! Thadie widerstand dem Drang, die Hände vors Gesicht zu schlagen. Angus war Gus’ und Finns Vater! Und er war hier.

In den Monaten und Jahren nach der Geburt hatte sie oft die Tatsache verflucht, dass sie seine Visitenkarte verloren hatte, ohne die sie keinen Kontakt mit ihm aufnehmen konnte, weil sie nur seinen Vornamen wusste.

Was wäre passiert, wenn sie es gekonnt und getan hätte? Hätte er angeboten, sie zu heiraten, wenn er erfahren hätte, dass sie schwanger war? Selbst wenn nicht, sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sie allein damit hätte fertigwerden lassen.

Wäre er für sie da gewesen? Und, wichtiger, für Gus und Finn?

Anders als ihre Eltern, die so wenig wie möglich mit ihr zu tun gehabt hatten. Thadie konnte sich an kein einziges Versprechen erinnern, das sie gehalten hatten, an irgendeine nennenswerte Zeit, die sie mit ihr verbracht hatten.

Als Folge hatte Thadie von dem geträumt, was sie nie erlebt hatte: ein Paar, das seine Kinder aufzog, geteilte Pflichten, doppelte Freude. Sie hatte sich eine starke Schulter zum Anlehnen vorgestellt, einen Mann, der ihr zuhörte und sie liebte, der sie zum Mittelpunkt seiner Welt machte. Nach der Geburt der Zwillinge hatte Thadie weder die Zeit noch Energie gehabt, zu träumen. Sie hatte alles selbst gemacht, füttern und Windeln wechseln, zwei schreiende Babys in den Schlaf wiegen, eins in jedem Arm, ständig müde, immer mehr überwältigt. Sie hatte es geschafft, und ihre rosarote Brille war ihr abgerissen worden.

Sie war Mutter, und ihre Bedürfnisse und Wünsche waren nicht wichtig, ihre Söhne kamen zuerst.

Und jetzt ihr Vater, ihr echter Vater, war plötzlich wieder aufgetaucht, und Thadie hatte keine Ahnung, wie Angus auf diese Bombe reagieren würde. Würde er überhaupt eine aktive Rolle in Gus’ und Finns Leben spielen wollen, und wenn ja, wäre er ihnen ein guter Vater?

Angus hatte das Recht, von den Zwillingen zu wissen, aber seine Rechte würden immer an zweiter Stelle stehen gegenüber dem, was das Beste für ihre Söhne war.

Jagos zornige Stimme durchdrang ihre Gedanken. „Würde uns bitte mal jemand erklären, was los ist?“

„Ich bin nicht ganz sicher, was Angus hier will“, sagte Thadie ehrlich. „Wir haben uns vor Jahren kennengelernt, und vorhin hat er mich vor Dodis Laden aus einem Pressemob gerettet.“

Angus drehte sich zu ihnen um. „Die Reporter wussten, dass Thadie dort sein würde. Sie wurde verfolgt. Oder aufgespürt. Der Personenschützer, der für mich arbeitet, hätte sie niemals dorthin begleiten dürfen.“

Micah zog die Augenbrauen hoch. „Ihr Personenschützer?“

„Mein Name ist Angus Docherty, mir gehört Docherty Security. Thadie ist durch meine Geschäftsstelle Johannesburg eine Klientin.“

„Dir gehört das Sicherheitsunternehmen?“, fragte sie. Sein Nachname sagte ihr nichts. Sie hatte ihn nie erfahren. Als sie einen Bodyguard gesucht hatte, war sie dem Rat ihrer Brüder gefolgt, jemanden von Docherty Security zu engagieren, das den Ruf hatte, eins der besten Unternehmen auf der Welt zu sein. Sie hatte es sich nicht genauer angesehen. Sie war verzweifelt gewesen und vertraute ihren Brüdern.

Auf der Welt … Was bedeutete, dass er ein riesengroßes, multinationales Unternehmen besaß und leitete.

Wenn sie auf irgendetwas anderes geachtet hätte als seinen fantastischen Körper und sein sexy Gesicht, hätte sie seine Luxusarmbanduhr bemerkt, seine Designerschuhe und den teuren Haarschnitt. Aber nein, sie hatte sich nur dafür interessiert, wann sie ihn das nächste Mal küssen konnte. Keiner, vor ihm oder seit ihm, ließ sie sich so außer Kontrolle fühlen. Aber sie kannte ihn kaum. Sie hatte so wenig Zeit mit Angus verbracht, und sie hatte keine Ahnung, was für ein Mensch er wirklich war. Bis sie das herausfand, würde sie die Zwillinge vor ihm geheim halten.

Ihre Brüder setzten sich ihr gegenüber, aber Angus blieb stehen, zog es vor, über ihnen aufzuragen. Er hatte die Arme verschränkt, und die Ärmel seines Hemds spannten sich über seinen Bizepsen.

Ihn zu ignorieren, war unmöglich. Er war zu groß, zu unnahbar, viel zu sexy. Thadie holte tief Luft. Sie sah ihren Brüdern an, dass sie eine Million Fragen hatten, und hoffte, sie würden ihr keine stellen. Sie würde nicht damit fertigwerden, verhört zu werden.

Allerdings wollte sie wirklich wissen, warum sie an einem Dienstagnachmittag in ihrem Haus waren. Schließlich waren sie viel beschäftigte Männer.

„Der Presserummel um dich ist absurd“, sagte Jago. „Nicht nur rufen sie uns zu jeder Tages- und Nachtzeit an, sondern sie kampieren auch vor Hadleigh House und dem Bürogebäude.“

Ihre impulsive Pressekonferenz hätte sich nur auf sie negativ auswirken sollen, auf niemanden sonst. Nicht auf ihre Kinder, nicht auf ihre Brüder, nicht auf ihre besten Freundinnen. Thadie entschuldigte sich noch einmal dafür.

Jago schüttelte den Kopf. „Wir brauchen eine Lösung.“

Jetzt setzte sich Angus neben Thadie aufs Sofa. Und seltsamerweise fühlte sie sich sofort sicher und beschützt.

„Zum Teil bin ich hier, um für zusätzliche Sicherheit für Thadie zu sorgen“, sagte Angus. „Die Pressemeute war heute völlig außer Kontrolle. Und einige der Kommentare in den sozialen Medien klingen bedrohlich. Und irre. Ich denke, du brauchst zusätzliche Personenschützer, bis sich das Interesse legt. Natürlich hilft es nicht, dass dein Ex-Verlobter weiter Fernsehinterviews gibt.“

Damit würde Clyde nicht aufhören, weil Alta im Schadensbegrenzungsmodus war. Wenn Clyde die Leute daran erinnerte, sich Thadies verrücktes Video anzusehen, sammelte er Unterstützung. Und er brauchte öffentliche Unterstützung, um seinen millionenschweren Vertrag zu retten.

„Er wird nicht aufhören“, sagte Micah, bevor Thadie es tun konnte. „Nicht, wenn wir ihn nicht auszahlen und ihm genug zahlen, um ihn dazu zu bringen, wegzugehen.“

„Er bekommt nichts von uns“, beharrte Thadie. „Lieber lebe ich für den Rest des Jahres unter Hausarrest, als ihm Geld zu geben.“

„Das ist alles gut und schön“, sagte Micah, „aber wir anderen können doch nicht auch nur in unseren Häusern leben. Dodi muss ihr Geschäft führen, und Jago und ich möchten uns ebenfalls frei bewegen können, ohne Mikrofone und Kameras im Gesicht zu haben.“

Thadie kam sich selbstsüchtig vor und schämte sich. „Dann weiß ich wirklich nicht, was ich tun soll“, gab sie zu.

„Die beste Lösung wäre, die Stadt zu verlassen“, schlug Angus vor. „Die Presseleute so behandeln wie ein Kleinkind, das außer Rand und Band ist. Ihnen das Objekt ihres Interesses wegnehmen.“

Thadie warf ihm einen schnellen Blick zu. Dass er das Wort „Kleinkind“ benutzte, war doch sicher ein Zufall. Er konnte von den Zwillingen nichts wissen, oder? Sie musste es ihm sagen, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt.

Zum Glück war ihre Haushaltshilfe vorhin da gewesen und hatte alle Spielsachen der Jungs zurück ins Spielzimmer gebracht. Clyde und sie waren sich einig gewesen, ihre Möbel zu behalten, aber Thadie hatte ihre Bilder von den Wänden genommen, weil ihr Ehemann dabei ein Mitspracherecht haben sollte. Deshalb wurden alle Fotos von den Zwillingen gerade neu gerahmt, in stylishe schwarze und weiße Rahmen, weil Clyde um Einheitlichkeit gebeten hatte. Sie musste sich merken, den Auftrag zu stornieren, und dann würde sie ihre bunt gemischten Rahmen wieder aufhängen.

Aber erst, wenn Angus wieder auf der anderen Seite der Welt war …

„Thadie sollte die Stadt verlassen, am besten das Land“, sagte Angus. „Zwei Wochen, ein Monat wäre noch viel besser. Flieg nach New York oder Südfrankreich. Viele finden London zu dieser Jahreszeit schön.“

Was wollte er damit sagen? Las sie zu viel in eine harmlose Bemerkung hinein?

„London mit den Zwi…“

„Ich bin auch der Meinung, dass wegzufahren gut wäre.“ Thadie unterbrach Micah schnell, weil sie die Zwillinge unbedingt geheim halten wollte. Zumindest noch ein bisschen länger. Sie sah ihn stirnrunzelnd an und schüttelte ein klein wenig den Kopf. Sie hoffte, dass er und Jago ihr Widerstreben bemerkten, Angus von den Zwillingen zu erzählen. Micah erwiderte ihren Blick nachdenklich, und sie erkannte dankbar, dass er ihre Botschaft erhalten hatte. Auch Jago starrte sie durchdringend an. Sie würde mit den Fragen ihrer Brüder fertigwerden müssen, aber fürs Erste war sie sicher.

Jago nickte. „Mir gefällt Dochertys Idee.“

Thadie gab zu, dass es oberflächlich betrachtet nach einem guten Plan klang. Nur hatte Angus keine Ahnung, dass es Vorbereitungen und noch zwei Hände mehr erforderte, mit den Zwillingen in Urlaub zu fahren.

Immer auf einer Wellenlänge mit ihr, warf Micah ihr ein verständnisvolles Lächeln zu. „Was, wenn wir alle für ein paar Tage verschwinden? Ein Familienurlaub. Ihr habt für eure Flitterwochen Petit Frère gebucht. Ich habe unsere Buchungsvermittler angewiesen, für die nächsten zehn Tage keine Reservierungen anzunehmen. Wir könnten morgen früh abfliegen und am Sonntag zurückkommen. Wenn nötig könnte Thadie länger bleiben.“

Micah sah Angus an. „Abgesehen von einem kleinen Angestelltenteam, ist die Insel leer. Petit Frère ist ein exklusives Resort auf einer Insel der Seychellen, die wir gepachtet haben. Die Insel hat vier Villen und ein kleines Cottage mit zwei Schlafzimmern. Das Haupthaus bietet ein Restaurant, Bar, Pool, Fitnessraum und Sauna.“

„Zugang?“, fragte Angus.

„Man kommt nur per Boot dorthin“, erwiderte Jago. „Ich finde, das ist eine tolle Idee.“

Micah lächelte Thadie an. „Wir müssen nur unseren Piloten bitten, einen Flugplan anzumelden, und Jabu bitten, unsere Koffer zu packen. Er wird darauf bestehen, mitzukommen und sich um uns zu kümmern.“

„Jabu?“, fragte Angus.

„Unser Butler, der schon halb in Rente ist“, erklärte Jago.

Thadie war es immer unangenehm, Jabu so zu nennen. „Er ist so viel mehr als ein Butler. Er fing in Hadleigh House an, als Jago und Micah noch klein waren, bevor ich geboren wurde. Jabu war der Erste, der mich laufen sehen hat, er hat mir Zulu beigebracht, weil meine Mutter das nicht tun wollte. Er hat mich zu meiner afrikanischen Abstammung geführt.“

„Er ist mehr ein Vater als ein Butler“, stimmte Micah zu.

„Um auf unseren Inselurlaub zurückzukommen“, sagte Thadie, verlegen, weil Angus ihr einen wissenden Blick zuwarf, „ich würde sehr gern wegfahren.“

„Wann wollen wir los?“, fragte Micah. „Ist morgen früh okay?“

Thadie nickte. Sie sah wieder Angus an. „Da ich außer Landes sein werde, brauche ich keinen zusätzlichen Schutz. Aber danke für deine Besorgnis“, fügte sie hinzu und zuckte bei ihrem förmlichen Ton zusammen. Angus musste gehen. Sie brauchte Freiraum, um ihre Gedanken zu sammeln und zu entscheiden, wie sie ihm von Gus und Finn erzählen wollte.

Angus stand auf und stemmte die Arme in die Hüften. „So einfach wirst du mich nicht los.“

„Mir fällt sonst nichts ein, was wir besprechen müssten“, sagte Thadie hochmütig und hoffte, dass er nicht merkte, dass sie log.

„Dir nicht?“ Angus klang angespannt. „Mir fallen da ein paar Dinge ein …“

Er wandte sich Micah und Jago zu, sein Lächeln war kühl und beherrscht. „Wenn Sie uns entschuldigen würden, Thadie und ich müssen unter vier Augen miteinander sprechen. Es ist nichts, was ihre Sicherheit angeht.“

Oder euch. Thadie hörte es heraus und zweifelte nicht daran, dass Jago und Micah es auch heraushörten. Jago sah sie an. „Möchtest du, dass wir bleiben?“

Natürlich nicht!

„Nein, es ist okay. Er hat recht. Wir müssen reden. Ich rufe euch später an.“

Ihre Brüder standen auf, küssten sie auf die Wange und gingen hinaus. Thadie unterdrückte den Drang, hinterherzulaufen.

Sie wartete, bis sie ihre Autotür zuschlagen hörte, dann drehte sie sich wieder zu Angus um. „Worüber wolltest du sprechen?“

„Ich möchte auf meine Frage zurückkommen. Warum hast du dich nie mehr gemeldet? Du hast gesagt, du würdest anrufen, und ich glaube nicht, dass du eine Frau bist, die ihr Wort nicht hält. Also warum hast du mich nicht angerufen oder mir eine E-Mail gesendet?“

An seinem Ton war irgendetwas anders, etwas, was Thadie nicht ganz ausmachen konnte. Sie fing an, es zu erklären, aber er sprach einfach weiter.

„Vor allem möchte ich wissen, warum du mir nichts von ihnen gesagt hast.“

Angus zog ein Foto aus seiner Hosentasche, und Thadie blieb die Luft weg, ihr wurde heiß und kalt. Sie erkannte das Foto, das sie vor Monaten an den Kühlschrank geheftet hatte. Gus und Finn saßen auf ihren Plastikmotorrädern, die sie in ihr Schaumbad gestellt hatten, und lachten wie Irre. Das Foto hatte zusammen mit Take-away-Speisekarten und Magneten am Kühlschrank gehangen, und ehrlich, sie hatte vergessen, dass es dort war.

Nicht nur hatte Angus das Foto bemerkt, er hatte es auch abgenommen und eingesteckt, ohne dass sie oder ihre Brüder es sahen. Ein bisschen wie James Bond, auf eine erschreckende Art beeindruckend.

Ihr Geheimnis war gelüftet.

4. KAPITEL

„Ja, es sind deine.“

Was sonst konnte sie sagen? Sie hatte Zeit gewollt, um nachzudenken, und so hatte sie ihm die Neuigkeit nicht mitteilen wollen, aber anlügen würde sie ihn nicht.

„Hattest du vor, es mir zu sagen? Oder würdest du mich zurück nach London fliegen lassen, ohne zu wissen, dass ich Vater bin?“

Thadie hörte die Wut in seiner Stimme, und sie konnte es ihm nicht verübeln. Sie wäre auch wütend. Sie ging in den Küchenbereich, nahm aus einem der oberen Schränke eine Flasche Whiskey und schenkte ihnen einen ordentlichen Schluck ein. Es kam nicht jeden Tag vor, dass man erfuhr, dass man Vater war.

Oder dass man plötzlich den Vater seiner Zwillinge direkt vor sich hatte. Thadie gab ihm ein Glas, kippte ihren Whiskey hinunter und forderte ihn auf, sich auf einen der Barhocker auf der anderen Seite der Kücheninsel zu setzen. Als er es tat, stützte sie die Ellbogen auf die Marmorplatte und zwang sich, Angus’ Blick zu erwidern.

„Zuerst werde ich erklären, warum ich mich in London nicht gemeldet habe. Lass uns das aus dem Weg räumen.“

...

Autor

Joss Wood
<p>Schon mit acht Jahren schrieb Joss Wood ihr erstes Buch und hat danach eigentlich nie mehr damit aufgehört. Der Leidenschaft, die sie verspürt, wenn sie ihre Geschichten schwarz auf weiß entstehen lässt, kommt nur ihre Liebe zum Lesen gleich. Und ihre Freude an Reisen, auf denen sie, mit dem Rucksack...
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Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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