(K)ein Playboy für eine Nacht

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"Dann heiraten wir eben." Stella ist sprachlos. Sicher, der One-Night-Stand mit dem attraktiven Playboy Bobby war unglaublich. Aber sie zweifelt: Will er wirklich sie? Oder steckt ihr Vater dahinter? Der ist mächtig genug, Bobbys gesamte Karriere zu ruinieren ...


  • Erscheinungstag 09.05.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746759
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Was Stella wohl gerade macht? Bestimmt schon zum hundertsten Mal in dieser Woche fragte sich Bobby das. Und die Antwort war jedes Mal dieselbe:

Er hatte nicht die geringste Ahnung.

Vielleicht hätte er sich doch mehr ins Zeug legen sollen, um nach der wilden Nacht im Club ihre Telefonnummer zu bekommen. Aber Bobby Bolton war nicht der Typ, der Frauen hinterherlief. Er genoss ihre Gesellschaft gewöhnlich für eine Nacht oder längstens ein Wochenende, aber das war es dann auch. Langfristige Geschichten waren nicht seine Sache, er führte keine „Beziehungen“. Man verbrachte einen netten Abend miteinander und trennte sich als Freunde. So war es bisher immer gewesen.

Aber seit der Nacht vor zwei Monaten, in der er Stella getroffen hatte, war alles anders.

FreeFall TV, der Fernsehsender, der seine Reality-Show The Bolton Biker Boys produzierte, hatte eine VIP-Party anlässlich der Ausstrahlung der nächsten Staffel veranstaltet. Es war eine Veranstaltung ganz nach Bobbys Geschmack. Glamouröse Menschen in einer glamourösen Umgebung.

Schon während er die Runde machte, um mit verschiedenen wichtigen Leuten zu plaudern, fiel ihm die Frau an der Bar auf. Sie stach durch ihren Stil aus der Masse heraus. Ihr langärmeliges Kleid war weder besonders kurz noch besonders eng, aber es war verziert mit Lederbändern und Schnallen und ließ ihren gesamten Rücken frei. Ihr Outfit war aufsehenerregend, aber dennoch saß sie allein, während sie ihren Blick über die Anwesenden schweifen ließ.

Er gesellte sich zu ihr, plauderte ein wenig mit ihr und besorgte ihr einen Drink, ohne zu wissen, wer sie war. Sie hatte ihm zwar erzählt, dass sie Modedesignerin war, aber ihren Nachnamen hatte sie nicht genannt. Ihr außergewöhnliches Stilbewusstsein und ihr weicher britischer Akzent faszinierten ihn. Sie unterhielten sich, als ob sie sich schon seit Jahren kennen würden, und lachten über dieselben Witze. Er hatte ihr nicht widerstehen können.

Was vermutlich der Grund dafür war, dass sie später mit einer Flasche Champagner und einem Päckchen Kondome auf dem Rücksitz ihrer Limousine landeten.

Erst danach, als er sie nach ihrer Nummer fragte, hatte sie die Bombe platzen lassen. Sie war Stella Caine, die einzige Tochter von David Caine, dem Eigentümer von FreeFall TV – gleichzeitig auch einer der Hauptinvestoren, die ihr Geld in Bobbys Ferienresort anlegten. Außerdem war er einer der konservativsten Männer, denen Bobby je begegnet war.

Bobby fühlte sich, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Wie hatte er nur so dumm sein können? Was, wenn ihr Vater davon erfuhr?

David Caine würde ihn ruinieren. Das würde passieren.

Aber selbst nachdem sie ihm gesagt hatte, wer sie war, wollte sie ihm ihre Nummer nicht geben. Mit einem Kuss auf die Wange und den Worten „Es ist besser so“ hatte sie sich von Bobby verabschiedet und es ihm überlassen, darüber nachzudenken, für wen es besser so war.

Das war das Letzte, was Bobby von ihr gehört hatte. Weder war er zu David Caine zitiert worden, noch hatte Stella ihn angerufen oder eine Nachricht geschickt. Er hatte nichts, was ihn an sie erinnerte. Bis auf ein Foto und die Bilder in seinem Kopf.

Er riss sich los von den Gedanken an Stella, als Vicky, eine der Produktionsassistentinnen, ihn ansprach. „Die Aufnahme ist im Kasten. Steht sonst noch was an?“

Sie drehten gerade eine weitere Folge seiner Reality-Show auf der Baustelle seines zukünftigen Ferienresorts in South Dakota. Die Show würde den gesamten Bauprozess von Beginn an dokumentieren. Stella befand sich weit weg in New York und hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie kein weiteres Interesse an ihm hatte. Und er hatte hier schließlich genug zu tun.

„Wir sind für heute fertig“, antwortete Bobby, als er sich in dem engen Wohnwagen umblickte, der sein Büro war und an vielen anderen Tagen auch sein Zuhause.

Es war ein Freitagnachmittag Mitte November. Die Sonne ging bereits unter, und die Baustelle war in ein winterliches Grau gehüllt. Die Arbeiter waren schon längst nach Hause gegangen.

Bobby ärgerte sich. Sie hatten heute nicht viel gedreht. Was zum Teufel ist los mit mir? fragte er sich. Schließlich war dies genau das, was er wollte. Die Show, die er zunächst im Internet ausgestrahlt hatte, war von Beginn an ein voller Erfolg gewesen, und dank des Vertrags mit FreeFall TV hatte er den Baubeginn für das Crazy Horse Resort finanzieren können.

Diese Hotelanlage würde die erste Adresse für wohlhabende Wochenendbiker werden. Für Ärzte, Börsenmakler und Anwälte, die während der Woche viel Geld verdienten und sich am Wochenende beim Motorradfahren entspannen wollten. Das Resort war geplant als Fünfsterneanlage mit Wellnessbereich, Einkaufsmöglichkeiten, drei Restaurants, einem Nachtclub, einer Crazy Horse Boutique und einer Werkstatt, in denen die Gäste ihre Motorräder aufrüsten oder neue Bikes kaufen konnten. Mithilfe der Reality-Show hatte er es geschafft, mit Crazy Horse eine Marke zu eta­blieren, die einen gehobenen Lebensstil symbolisierte.

Bobby hatte lange und hart gearbeitet, um es so weit zu bringen. Jetzt war er reich, berühmt und mächtig. Seine Träume waren in Erfüllung gegangen. Nach allen objektiven Maßstäben hatte er es geschafft.

Weshalb fühlte er sich dann so … unsicher?

Vielleicht bin ich einfach müde, dachte er und versuchte, sich auf die Verkaufszahlen zu konzentrieren, die vor ihm auf dem Computerbildschirm blinkten. Bobby konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er zuletzt zu Hause gewesen war. Seine luxuriöse Eigentumswohnung schien ihm fast nur noch ein Traum zu sein, so lange schlief er schon hier im Wohnwagen auf der schmalen Couch.

Reiß dich zusammen.

Seine Brüder wurden nicht müde, ihn daran zu erinnern, dass er sich selbst in diese Lage gebracht hatte. Sie hielten seine Ideen für lächerlich und schienen nur darauf zu warten, dass er scheiterte, aber Bobby würde alles daransetzen, um ihnen zu beweisen, dass sie falschlagen.

Und wenn er dazu in einem Bauwagen leben und den Freitagabend damit zubringen musste, Verkaufszahlen zu überprüfen.

Bald würde sein Penthouse im obersten Stockwerk im Hauptgebäude des Resorts fertig sein. Es würde einen eigenen Aufzug haben und einen unvergleichlichen Blick auf die umliegenden Berge bieten. Zum ersten Mal in seinem Leben würde er etwas ganz für sich allein haben. Sein eigenes, von ihm geschaffenes Königreich.

Das Geräusch einer Autotür, die zugeschlagen wurde, brachte ihn zurück in die Gegenwart.

In letzter Zeit hatte es immer wieder Probleme mit Einbrechern gegeben. Die Versicherung kam zwar für die Schäden auf, aber Bobby würde den Dieben schon zeigen, dass man sich besser nicht mit einem Bolton anlegte. Er öffnete die unterste Schublade seines Schreibtischs und nahm einen Revolver heraus.

Gerade als er die Waffe entsichert hatte, klopfte es an der Tür, und Bobby sprang überrascht auf. Diebe klopften für gewöhnlich nicht an.

„Ich komme“, rief Bobby, dem nichts Besseres einfiel.

Er stand auf, steckte den Revolver in den Hosenbund und ging zur Tür.

Bobby öffnete. Im Lichtschein der Tür stand ein kleiner gedrungener Mann, den er nie zuvor gesehen hatte.

„Hier stecken Sie also“, begrüßte ihn der Mann und grinste unverfroren. „Sie haben’s mir nicht gerade leicht gemacht, Sie zu finden, mein Bester.“

„Bitte?“ Irritiert blickte Bobby an dem Mann vorbei und sah im Hintergrund eine schwarze Limousine mit dunkel getönten Scheiben.

Auf einmal erkannte Bobby das Auto, einen Jaguar, den er schon seit einigen Tagen zu ungewöhnlichen Zeiten um die Baustelle hatte herumfahren sehen.

Unauffällig versuchte er, seine Waffe zu erreichen.

Doch bevor er es sichs versah, blickte er in den Lauf einer kleinen Pistole. „Keine gute Idee, mein Freund“, warnte ihn der Mann und streckte die freie Hand aus, um Bobbys Waffe entgegenzunehmen.

„Wer sind Sie?“ Wenn Bobby ihm schon seine Waffe aushändigen musste, wollte er wenigstens wissen, mit wem er es zu tun hatte.

„Mickey heiße ich.“ Sobald der Mann Bobbys Revolver in der Hand hielt, fügte er hinzu: „So ist’s gut, mein Junge. Sie hat mir schon gesagt, dass Sie was aufm Kasten haben. Hätte mir leid getan, ihr das Gegenteil zu beweisen.“

„Was? Wer ist sie?“

Statt einer Antwort grinste der Mann ihn wieder ungeniert an. „Sind Sie allein?“ Mickey beugte sich nach vorne, um in den Bauwagen blicken zu können.

„Ja.“ Obwohl Bobby wusste, dass er Mickey besser nicht aus den Augen lassen sollte, konnte er nicht aufhören, auf das schwarze Auto zu starren. Sie? fragte er sich völlig irritiert.

„Locker bleiben, und keinem passiert was.“ Mickey zwinkerte ihm zu. „Setzen Sie sich hin und nich’ vergessen …“, er wedelte mit der Pistole vor Bobbys Gesicht, „… wenn Sie ihr auch nur ein Haar krümmen, vergess ich mein Versprechen.“

„Welches Versprechen?“

„Das ich Ihnen nix tue. Jedenfalls nich’, solang sie’s mir nich’ sagt.“

Nach diesen kryptischen Worten steckte Mickey beide Waffen in seine Jackentaschen, drehte sich um und ging zu dem wartenden Wagen. Er öffnete die hintere Tür und hielt den Arm hin, um dem Fahrgast beim Aussteigen zu helfen.

Zuerst wurde ein langes, schlankes Bein sichtbar, dem kurz darauf ein zweites, nicht weniger ansehnliches Bein folgte. Bobbys Puls begann zu rasen. Vielleicht wurde er gerade gar nicht überfallen, sondern etwas Wunderbares würde geschehen? Was sonst hatten so schöne Beine um diese Uhrzeit hier zu suchen?

Eine behandschuhte Hand legte sich in Mickeys Hand, und eine in Schwarz gekleidete Frau tauchte aus dem Dunkel des Wagens auf. Selbst auf die Entfernung konnte Bobby den schwarzen Pony und den asymmetrischen kinnlangen Bob erkennen. Für einen Moment lang hörte sein Puls auf zu rasen, und sein Herz schien stillzustehen.

Stella Caine.

Bobby rieb sich die Augen, aber das Bild, das sich ihm bot, verschwand nicht.

Stella.

Wie war das möglich?

Sie schien die Baustelle kurz mit einem Blick zu erfassen, bevor sie sich an Mickeys Arm langsam auf Bobby zubewegte.

Bezaubernd, war alles, was er denken konnte, als sie mit einem leichten Hüftschwung auf ihn zuschritt. Unter ihrem langen schwarzen Pelzmantel, in dem sie fast zu versinken schien, blitzte bei jedem Schritt ein nacktes Bein hervor. Und als sie in den Lichtkreis der Tür trat, sah sie ihn an.

Der Blick ihrer hellgrünen Augen durchfuhr ihn wie ein Blitz. Obwohl ihr außergewöhnlicher Stil Stella cool und selbstbewusst erscheinen ließ, drückten ihre Augen in diesem Moment etwas anderes aus. Ihr Blick war weich, ja sogar verletzlich.

„Hallo, Bobby.“

Ein plötzlicher Windstoß fuhr in diesem Moment zwischen sie, wie eine unheilvolle Warnung. Bobby spürte sofort, dass er, ganz abgesehen von Stellas bewaffnetem Begleiter, in Gefahr war. Was man bei ihrem letzten Treffen als kühles und reserviertes Verhalten bezeichnen konnte, schien heute in Eiseskälte umgeschlagen zu sein. Sollte sich Stella darüber freuen, ihn wiederzusehen, sie ließ es sich nicht anmerken.

„Stella.“ Bobby wusste nicht, was er sagen sollte, obwohl er ansonsten nie um Worte verlegen war. Normalerweise gelang es ihm, in jeder Situation zu jedem Menschen das Passende zu sagen. Tatsächlich war dies sogar eines seiner besonderen Talente, das ihm schon häufig zugutegekommen war.

Jetzt schien es ihn allerdings verlassen zu haben. Eigentlich fühlte sich Bobby auch gar nicht danach, etwas zu sagen. Am liebsten hätte er sie einfach in die Arme geschlossen und ihr gesagt, dass er sie nie wieder loslassen wollte.

Vermutlich würde das allerdings nur dazu führen, dass Mickey ihn erschoss. „Komm rein.“ Mehr fiel ihm nicht ein. Er trat zur Seite, als sie an ihm vorbei in den Bauwagen ging, und bemerkte ihren zarten Duft nach Lavendel.

Mickey war wieder zum Wagen zurückgekehrt und blieb gegen den Kotflügel gelehnt dort stehen. „Ich warne dich, mein Freund“, sagte er zu Bobby und nickte ihm zu. „Mach keine Dummheiten.“

Wie bitte? Dachte er etwa, Bobby würde Stella etwas antun? Sie hatten … sie hatten bereits Zeit miteinander verbracht, und er war ganz sicher niemand, der einer Frau wehtun würde. Die Bolton-Männer waren Gentlemen.

Bobby achtete darauf, dass die Frauen genauso viel Spaß mit ihm hatten wie er mit ihnen. Beide Seiten befriedigten ihre Bedürfnisse, und anschließend verabschiedete man sich, ohne weitere Erwartungen aneinander zu stellen.

Aber mit Stella? Es war nicht annähernd dasselbe.

Nach einem letzten verwirrten Blick auf Mickey schloss Bobby die Tür und wandte sich Stella zu, die das Innere seines Wohnwagens mit offensichtlichem Missfallen musterte. Er wusste wieder nicht, was er sagen sollte, auch wenn er sie gerne gefragt hätte, was sie hier eigentlich verloren hatte.

„Kann ich … dir den Mantel abnehmen?“

Stella wandte ihm den Rücken zu, aber er konnte sehen, dass sie den Gürtel, der den Mantel zusammenhielt, löste. Bobby trat auf Stella zu und legte ihr die Hände auf die Schultern.

Der Pelz glitt von ihren Schultern in seine Hände und entblößte ihren Rücken und ihre Arme, die von einem Hauch brauner Spitze kaum verhüllt wurden. Die Spitze ging über in eine Lederkorsage, die in einem langen Rock mündete. Von hinten sah der Rock züchtig aus. Als Stella sich umdrehte, sah Bobby jedoch, dass er vorne hochgeschlitzt war.

Sein Puls begann erneut zu rasen. Stella Caine war die einzige Frau, die er kannte, die so komplett bedeckt gleichzeitig so viel enthüllte. Was tat sie hier? Und warum begehrte er sie immer noch wie wahnsinnig?

Bobby wollte sie so gerne küssen. Intensiv, leidenschaftlich, wie von Sinnen.

Allerdings war es sehr wahrscheinlich, dass Mickey das für eine Dummheit halten würde, und so nahm Bobby ihr lediglich den Mantel ab und hängte ihn an die Tür. „Setz dich doch.“ Woher kam bloß dieses Kratzen im Hals?

„Nein danke“, sagte sie kühl, nachdem sie die von Kaffeeflecken übersäte Couch abschätzig betrachtet hatte.

Bobby fuhr sich durchs Haar und blickte nach unten zu ihren Schuhen. Schwarze Wildlederstiefel, deren Absätze mindestens zehn Zentimeter hoch sein mussten. Er wusste nicht, wie lange sie heute schon unterwegs war, konnte sich aber nicht vorstellen, dass es besonders bequem war, in diesen Schuhen zu stehen.

„Hier, nimm den“, sagte er und rollte seinen relativ neuen Schreibtischstuhl zu ihr hinüber. Stella nickte kurz, setzte sich und schlug die Beine übereinander, sodass der geschlitzte Rock ihr rechtes Bein enthüllte. Jetzt konnte er sehen, dass ihre Stiefel bis fast über die Knie reichten. Der Anblick der Haut ihres Oberschenkels, die zwischen Stiefel und Rock hervorblitzte, erregte ihn. Bobby hätte sie gerne berührt.

Stattdessen setzte er sich auf die Couch.

Er musste etwas sagen.

Aber es wollte ihm nichts einfallen, als er der faszinierendsten Frau, der er je begegnet war, in seinem schäbigen Bauwagen gegenübersaß. Bobby hatte nicht die geringste Ahnung, weshalb Stella hier war oder was sie von ihm wollte. Das Einzige, was er wusste, war, dass draußen vor dem Bauwagen ihr Bodyguard wartete, der ihm seinen Revolver abgenommen hatte und bestimmt nicht zögern würde, ihn zu benutzen.

Abgesehen davon war ihm bewusst, dass er noch nie im Leben so froh gewesen war, eine Frau wiederzusehen. Was angesichts der Tatsache, dass sie sich überhaupt nicht darüber zu freuen schien, ihn zu sehen, absurd wirkte.

Schließlich hielt Bobby das Schweigen nicht länger aus. „Dein Kleid ist umwerfend.“

Stella lächelte ihn gezwungen an. „Danke, ich habe es selbst gemacht.“

Er sah es noch einmal an. Es saß perfekt wie eine zweite Haut. „Beeindruckend.“ Eigentlich sprach er von dem Kleid, aber er bemerkte, wie er Stella dabei in die Augen sah.

Ihre Wangen röteten sich leicht. „Danke“, wiederholte sie, diesmal etwas freundlicher, bevor sie den Blick senkte.

Er wusste, dass sie nicht gekommen war, um sich Komplimente für ihr Kleid bei ihm abzuholen, und überlegte fieberhaft, wo­rüber er mit ihr sprechen sollte, als sie ihm die Entscheidung abnahm.

„Sehr schön hast du es hier.“ Noch einmal blickte Stella sich in dem Wohnwagen um. Es gelang ihr, gleichzeitig ironisch, lustig und schlagfertig zu klingen.

„Ja, nicht wahr? Alles vom Feinsten.“ Er machte eine kurze Pause, bevor er sich gezwungen fühlte, hinzuzufügen: „Ich habe noch eine Eigentumswohnung in der Stadt. Aber wenn das Resort fertig ist, ziehe ich hierher, in das Penthouse.“

Meine Güte, wie konnte man nur so schwerfällig sein? Er wusste, dass er viel zu bemüht wirkte, ja, zu bemüht war, weil er verwirrt war.

Wo war seine übliche Leichtigkeit hin? Wo war der Mann, der seine Hände nicht von dieser Frau gelassen hatte?

Stella verunsicherte ihn, und dieses ungewohnte Gefühl gefiel ihm ganz und gar nicht.

„Du warst schon seit einer Woche nicht mehr zu Hause.“

Bobby sah sie verblüfft an. Was wollte sie? Sie war bestimmt nicht hergekommen, um ihn in einen zähen Small Talk zu verwickeln.

„Ich habe die ganze Woche hier im Resort gearbeitet. Möchtest du die Baupläne sehen?“ Ein lahmer Versuch, das wusste er selbst, aber er wollte sie unbedingt irgendwie erreichen.

Stella antwortete nicht, sondern blickte ihn nur unverwandt an.

Was hat sie nur? fragte er sich. Wütend und frustriert sah sie ihn an, als ob sie sich sehr anstrengen musste, ihr gutes Benehmen nicht zu vergessen. Aber er konnte auch sehen, dass noch etwas anderes als Wut in ihren Augen lag.

Stella hatte Angst.

Endlich rührte sie sich. Sie fuhr sich mit dem schwarz lackierten Fingernagel über den Mundwinkel, als hätte sie etwas gegessen, das ihr nicht bekommen war. Dann atmete sie tief durch und richtete sich auf, bevor sie die Bombe platzen ließ.

„Ich bin schwanger.“

2. KAPITEL

Hatte Stella gerade … schwanger … gesagt? Bobby schien augenblicklich in eine Art Schockstarre zu geraten.

Stella starrte ihn an, ihr Gesicht fast ausdruckslos, als sie seine Antwort abwartete. Was sollte er dazu sagen? Konnte er überhaupt noch sprechen? Was erwartete sie von ihm? Bobby öffnete schon den Mund, um zu fragen, wer denn der Vater sei, aber zum Glück konnte er sich noch zurückhalten. Er wusste, dass er keine dümmere Frage hätte stellen können.

Hinter ihrem scheinbar gefassten Auftreten konnte Bobby erkennen, dass sie nicht bloß besorgt war. Stella hatte Angst. Angst davor, was er sagen würde, Angst davor, was er tun würde. Aber sie schien entschlossen, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen.

Damit waren sie jetzt schon zu zweit.

Und auf einmal begriff er. Was auch immer die Wahrheit sein mochte – und er würde herausfinden, was die Wahrheit war –, sie glaubte, dass er der Vater war. Und das war, völlig fraglos, der beängstigendste Gedanke, den er je gehabt hatte.

Niemals hatte jemand zu ihm gesagt: „Bobby, du wirst bestimmt mal ein toller Vater.“ Ganz im Gegenteil, normalerweise hörte er, dass er endlich erwachsen werden sollte.

Kinder waren … unordentlich. Laut. Unvernünftig. Sie schrien ständig ohne erkennbaren Grund. Und stellten Forderungen.

Bobby traf seine Entscheidungen gerne selber und konnte sich nicht vorstellen, sich nach den Bedürfnissen eines Kindes zu richten. Er sah sich bestimmt nicht als einen guten Vater. Er war Geschäftsmann – und zwar ein sehr guter. Sein Resort sollte megaerfolgreich sein, und später wollte er eventuell weitere eröffnen. Eine Familie passte nicht in sein Konzept.

Jedenfalls bisher nicht. Vielleicht.

Bobby wählte seine Worte mit Bedacht. „Wie kann das sein … wir haben doch Kondome benutzt. Beide Male.“

Zuerst schien Stella sich nicht zu rühren, aber dann bemerkte er, wie sich ihre Brust immer stärker hob und senkte. Schließlich antwortete sie. „Haben wir auch.“

Wie kam sie dann darauf, dass er der Vater war? Diese Frage brannte Bobby auf der Zunge, aber er wusste ganz genau, dass er sie niemals stellen durfte.

„Ich glaube …“, fuhr sie langsam fort, „… dass das zweite Kondom geplatzt ist. Und wir zu betrunken waren, um es zu bemerken.“

„Oh.“ Er versuchte nachzudenken. Sicher, er hatte einige Drinks an der Bar gehabt und noch eine Flasche Champagner mit ins Auto genommen. Er konnte sich jedoch nicht daran erinnern, betrunken gewesen zu sein. Nur daran, wie aufregend und sexuell aufgeladen ihre Begegnung gewesen war. Kein Alkoholeinfluss konnte diese Erinnerung trüben.

Wieder fuhr er sich mit den Händen durchs Haar. Bobby fühlte sich, als ob ihm gerade die Kontrolle über sich entglitt, während Stella ihm gegenübersaß und sich scheinbar nicht aus der Ruhe bringen ließ. Sicher, Bobby war überglücklich, dass sie hier war. In den letzten zwei Monaten hatte er nichts anderes getan, als an Stella zu denken. Aber … schwanger? Und mit welcher Verachtung sie ihn anblickte!

Bobby handelte schnell. Er wusste immer noch nicht, was genau sie von ihm wollte, aber eines war ihm klar. Sie gehörte nicht hierher, nicht auf die Baustelle, nicht an diesen Ort, an dem Bauarbeiter und Filmteams ein und aus gingen. Sie gehörte an einen ruhigen Ort, einen Platz, der zu ihrer Situation passte.

Er stand so abrupt auf, dass sie zusammenzuckte. „Wir sollten los.“

„Los?“

„Wir gehen zu mir nach Hause. Dort können wir uns über diesen …“, es gelang ihm, das Wort „Schlamassel“ zu unterdrücken, „… uns über alles in Ruhe unterhalten.“

„Keine Kameras?“

Zum ersten Mal hörte Bobby die Angst deutlich aus ihrer Stimme heraus. Sofort verspürte er in sich den Wunsch, sie zu beschützen. „Nein. Keine Kameras.“

Kameras waren auch für ihn das Letzte, was er wollte. Er mochte sich gar nicht ausmalen, wie schnell David Caine sein Leben ruinieren konnte.

Verdammt, wenn Caine erfuhr, dass seine Tochter hier war, ja, noch schlimmer, dass sie schwanger war, wäre alles weg. Die Show, das Geld, das er für den Bau des Resorts brauchte. Er konnte nicht riskieren, all das zu verlieren, wofür er gearbeitet hatte.

Stella nickte und stand auf. Bobby half ihr in den Mantel und öffnete die Tür. Sie traten aus dem Bauwagen und gingen zu Mickey, der noch an demselben Platz stand, an dem sie ihn verlassen hatten.

„Ich schlage vor, dass wir das Gespräch in meiner Wohnung weiterführen“, wandte sich Bobby, der inzwischen zu seinem gewohnt selbstbewussten Auftreten zurückgefunden hatte, an Mickey.

Dieser blickte fragend zu Stella, die nickte. „Ich fahre mit Bobby“, sagte sie zu Mickey – und wenn der überrascht war, zeigte er es nicht. Pfeifend drehte er sich um und stieg in den Jaguar. Bobbys Revolver steckte noch immer in seiner Tasche.

Bobby wusste, was das zu bedeuten hatte.

Noch war die Gefahr nicht vorüber.

Bobby fuhr einen schicken Wagen, eine feuerrote Corvette. Das Auto passte zu dem Bild des Playboys, das Stella sich von ihm gemacht hatte. Genauso war er ihr jedenfalls vorgekommen in der Nacht, in der sie sich kennenlernten. Das blonde Haar aus dem Gesicht zurückgekämmt, ein makellos weißes Hemd unter dem maßgeschneiderten grauen Anzug. Natürlich ohne Krawatte. Er sah so aus, als ob er genau auf diese Party gehörte, ja, als ob er auf jeder Party zu Hause wäre, während Stella sich zutiefst unwohl gefühlt hatte.

Seine Reaktion auf ihre Nachricht ließ sich jedoch nicht mit diesem Bild in Einklang bringen.

Stella wusste nicht genau, was sie erwartet hatte, als sie ihm eröffnete, dass er der Vater ihres Kindes war.

Nein, wenn sie ehrlich war, hatte sie eine sehr genaue Vorstellung davon gehabt, wie Bobby reagieren würde. Sie hatte gedacht, er würde ihre Worte anzweifeln und verschiedene Gründe dafür nennen, dass er unmöglich der Vater sein konnte, dass es jemand anders sein musste. Oder dass er ihr unverblümt sagen würde, dass er nichts mit dem Kind zu tun haben wollte. Nichts mit ihr zu tun haben wollte.

Aber Bobby hatte nichts dergleichen gesagt. Er hatte ihr lediglich einige Fragen gestellt, um den Sachverhalt besser zu verstehen. Und dann vorgeschlagen, dass sie zu ihm fahren sollten.

Autor

Sarah M. Anderson
Sarah M. Anderson sagt, sie sei 2007 bei einer Autofahrt mit ihrem damals zweijährigen Sohn und ihrer 92-jährigen Großmutter plötzlich von der Muse geküsst worden. Die Geschichte, die ihr damals einfiel, wurde ihr erstes Buch! Inzwischen konnte sie umsetzen, wovon viele Autoren träumen: Das Schreiben ist ihr einziger Job, deshalb...
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