Küss mich, mein geliebter Feind!

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Auch wenn Jake Reed vielleicht der reichste, sexyeste Mann von ganz Texas ist - Claire Blake will nichts mit ihrem Nachbarn zu tun haben! Denn ihre Familien sind seit Ewigkeiten verfeindet. Doch dann wird Claires Ranch bei einem Brand zerstört, und ausgerechnet Jake rettet sie aus den Flammen. Als sie seine starken Arme um sich fühlt, lodert jäh die Leidenschaft in Claire auf, unwiderstehlich und heißer als Feuer! Mit jedem verbotenen Kuss fühlt sie sich nur noch stärker zu Jake hingezogen. Bis sie hinter sein Geheimnis kommt …


  • Erscheinungstag 30.03.2021
  • Bandnummer 2179
  • ISBN / Artikelnummer 9783751503600
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Jake Reed wurde in seinem Pick-up heftig durchgeschüttelt, als er mit dem Wagen auf seiner Ranch in Texas über eine große Wiese fuhr. Ganz in der Nähe waren seine Cowboys gerade dabei, Rinder in Richtung Osten zu treiben, weil im Westen ein verheerender Waldbrand tobte. Das Knacken der brennenden Äste war selbst über den Lärm hinweg noch zu hören, den die laut rufenden Cowboys und die verängstigten Rinder machten. Stämme krachten, und immer wieder stürzten Bäume um.

Am Himmel breitete sich eine graue Rauchwolke aus. Die Sonne kam kaum noch durch. Über ihnen kreiste ein Flugzeug, und Jake warf einen Blick auf den Bildschirm, den er in seinen Wagen eingebaut hatte. Der Pilot hatte eine Kamera dabei, deren Fotos direkt auf Jakes Monitor übertragen wurden. Die Bilder zeigten ihm, dass sein Haus im Augenblick nicht von den Flammen bedroht wurde. Er war erleichtert.

Selbst wenn sich der Wind wie jetzt langsam auf Nord drehte, würde das Gebäude nicht in der Feuerschneise liegen. Zwar stand sein Haus weit im Osten, aber so ein Feuer konnte sich sehr schnell ausbreiten. Und dann reichte ein kleiner Funke, der von einer brennenden Zeder weggeblasen wurde, um das ganze Haus in Brand zu setzen. Deshalb blieb er wachsam. Gerade wenn der Wind weiter drehte, konnte man nicht sicher sein.

Er sah zu dem Stacheldrahtzaun hinüber, der sein Land von dem seiner streitsüchtigen Nachbarin trennte. Seine Familie und Familie Blake lagen miteinander im Clinch, seit sie sich nach dem Bürgerkrieg, vor über eineinhalb Jahrhunderten, in Texas niedergelassen hatten. Zu seiner Überraschung erblickte er auf der anderen Seite des Zauns eine Gestalt, die neben einem Tier kniete.

Er wendete, um näher heranzufahren, und erkannte nach einigen Sekunden seine Nachbarin Claire Blake. Ihr gehörte die Ranch. Sie trafen sich zwar bei Viehauktionen, Rodeos, auf der Bank und im Supermarkt in Persimmon, der nächstgelegenen Kleinstadt, aber sie hatten eigentlich seit Jahren nicht miteinander gesprochen – außer wenn sie sich vor Gericht gestritten hatten.

Er winkte einem seiner Männer, damit dieser weiterfuhr, und setzte seinen Weg in Richtung Zaun fort. Claire hatte dem Feuer den Rücken zugekehrt. Das war nicht klug, wenn der Wind so stark wehte und der Brand sich so schnell ausbreitete.

Ihr Großvater hatte texanischen Wacholder als Windbrecher gepflanzt. Aus Jakes Sicht ein großer Fehler. Die Büsche hatten sich als Ärgernis erwiesen, weil sie das Grundwasser nur so aufsaugten, sich schnell ausbreiteten und sich kaum im Zaum halten ließen. Jetzt fegte das Feuer auf Claires Land durch diese Büsche, und jeder einzelne ging in Flammen auf, sobald er nur von einem Funken gestreift wurde.

Wenn sie nicht in wenigen Minuten verschwunden war, würde sie in Lebensgefahr geraten. So weit durfte Jake es nicht kommen lassen. Jetzt sah er, dass es sich bei dem Tier, neben dem sie kniete, um einen Hund handelte. Ihr Pick-up stand fünfzig Meter hinter ihr, zu dicht an einer Gruppe Wacholder und Lebenseichen, zu nah beim Feuer.

Jake stieg aus seinem Pick-up, hob den Kopf und drehte das Gesicht in den Wind. Der Wind wechselte die Richtung, was keine Überraschung war, aber Jake hatte gehofft, dass gerade das nicht passieren würde. Jetzt würde er noch mehr Land an das Feuer verlieren.

Da er schon oft im Helikopter über die beiden Ranches geflogen war, wusste er, dass die Flammen bald Claires Haus umzingeln würden, wenn der Wind direkt von Norden kam. Sie beugte sich noch immer über den Hund, als ob sie nichts um sich herum bemerken würde. Das überraschte ihn, denn in der Gegend waren die Leute allgemein der Überzeugung, dass sie eine gute Rancherin war. Er versuchte, sich bemerkbar zu machen, doch Feuer und Wind schluckten seine Rufe.

Schnell beugte er sich hinunter und zog den Stacheldraht so weit auseinander, dass er durch den Zaun klettern konnte. Dann rannte er zu Claire hinüber.

„Hey!“, rief er noch einmal. Endlich hatte sie ihn gehört, hob den Kopf und blickte ihn an, als ob er sie bedroht hätte. Verdammt. Er setzte ihretwegen sein Leben aufs Spiel, und sie durfte jetzt nicht mit ihm darüber streiten, ob sie mitkommen wollte.

Claire Blake sah von der Hündin auf, die gerade Junge bekam. Sie erschrak, als sie über die Schulter blickte und ihren Nachbarn bemerkte, der mit den Armen fuchtelnd auf sie zurannte. Er sah nicht nur teuflisch gut aus, sondern kam auch aus einer Familie, die direkt mit Satan hätte verwandt sein können. Egal was er wollte, er sollte sie bloß in Ruhe lassen. Schließlich musste sie sich um die Hündin und die fünf neugeborenen Welpen kümmern, denn sie waren wegen des Feuers in Gefahr. Sie wandte sich wieder der frischgebackenen Mutter zu, die vor ihr auf einer Decke ausgestreckt lag und den kleinen braunen Labradorwelpen sauber leckte, der noch ganz runzlig war und die Augen fest geschlossen hatte. Zum Glück für sie und die Hündin war das der letzte.

Sie wusste, dass hinter ihr das Feuer tobte und sie von hier verschwinden mussten. Ob Jake ihr mit den Welpen helfen würde? Nein, sie hatte sich noch nie auf ihn verlassen und würde jetzt nicht damit anfangen. Wenn es andersherum gewesen wäre, hätten ihre Brüder ihm auch nicht geholfen. Sie musste die Hunde alleine hier rausbringen.

„Queenie, du hast dir einen echt miesen Zeitpunkt ausgesucht, um deine Jungen zu kriegen.“ Sie wusste nicht, wie das Tier hieß, deshalb hatte sie ihm selbst einen Namen gegeben.

„Du kannst hier nicht bleiben“, rief Jake Reed, als er auf sie zugerannt kam.

„Ach was“, murmelte sie. „Das weiß ich auch“, sagte sie und befasste sich weiter mit der Hündin und den Welpen.

„Der Wind hat sich gedreht. Du verbrennst zusammen mit den Hunden“, rief er. Als er näher kam, stand sie auf und sah ihn an. Selbst unter diesen Umständen fand sie noch, dass ihr Nachbar der bestaussehende Mann in mindestens den nächsten sechs Bezirken war.

Claire riss sich von seinem Anblick los und blickte zum ersten Mal seit einiger Zeit wieder zum Feuer hinüber. Sie wurde starr vor Schreck und vergaß, woran sie eben noch gedacht hatte. Das Feuer hatte die Richtung gewechselt und war schon fast bei ihnen. Sie wandte sich Jake zu. Was hatte er dann hier verloren? Wollte er sie retten? Das konnte sie nicht glauben. Nein, die Hündin musste ihm gehören. „Ich habe nicht gemerkt, dass sich das Feuer so schnell ausgebreitet hat. Ich muss die Hunde in meinen Wagen bringen. Wenn ich …“

„Den kannst du vergessen“, stellte er fest und blieb neben ihr stehen, während die Flammen ihren Pick-up umschlossen. „Ich nehme die Hundemama, du die Welpen. Los.“

„Ist das dein Hund?“, fragte sie ihn.

„Bestimmt nicht. Los“, befahl er ihr erneut und hob die Hündin hoch. „Schnapp dir die Welpen und dann in mein Auto. Bewegung“, sagte er scharf. „Dein Pick-up ist nicht zu retten. Wir sind als Nächste dran. Mach schnell.“

„Ich wusste ja nicht …“ Ihr wurde klar, dass sie sich zu sehr auf die Hunde konzentriert hatte. Das Feuer aus den Augen zu lassen war ein Fehler, der tödlich hätte enden können.

„Leg ein paar Welpen auf sie, damit sie nicht denkt, wir wollten ihr die Kleinen wegnehmen“, sagte er. Zögernd beförderte Claire drei Welpen auf die Mutter.

„Komm schon, beweg dich“, brüllte er ihr über die Schulter zu. „Wir müssen weg hier, solange wir noch können.“

Sein gebrüllter Befehl drang durch ihre Schockstarre, sodass sie sich die verbliebenen Welpen schnappen konnte. Rasch folgte sie ihm zu seinem Pick-up. Sie sah sich noch einmal um. Trotz der Hitze, die das wütende Inferno verbreitete, wurde ihr eiskalt. Er hatte sie und die Hunde vor dem sicheren Tod in dieser Flammenhölle gerettet. Wie konnte sie das jemals wiedergutmachen, wenn sie nicht einmal mit ihm redete? Sie hatte einen schrecklichen Fehler begangen, als sie dem Feuer den Rücken zugewandt hatte, aber dass sie sich in eine so missliche Lage gebracht hatte, dass Jake Reed sie retten musste, war ein mindestens ebenso großer Fehler.

2. KAPITEL

Jake spürte die Hitze und hörte das Brausen der Flammen. Hinter ihnen knackten und knisterten die Wachholderbüsche, wenn sie aufloderten und vom Feuer verschlungen wurden.

Wegen der Hitze des Feuers lief ihm der Schweiß über das Gesicht und den Rücken hinab. Es war Mitte Februar, und in Texas wehte ein warmer Wind, in dem sich das Feuer schnell ausbreitete und der die Flammen anfachte. Wenn ein Baum Feuer fing, verbrannte er sofort, befeuert vom trockenen Wintergras.

Beim Zaun angekommen drückte er die Hunde fester an seine Brust und sprang über den Draht. Claire hatte die Welpen in ein Bandanatuch gewickelt. Sie schlüpfte zwischen den Zaundrähten hindurch und holte ihn ein.

Kurze Zeit später lagen die Hündin und ihre Welpen schon durch eine Decke geschützt auf der Ladefläche seines Pick-ups. „Ich fahre bei den Tieren mit“, sagte Claire und wollte hinten auf den Wagen klettern. Er nahm ihren Arm, und als er sie berührte, sah sie zu ihm auf. Für einen Moment verlor er sich in großen, grünen Augen mit dichten Wimpern und vergaß die Gefahr, das Feuer, die Umstände, alles außer seiner Nachbarin und schlimmsten Feindin, die dicht neben ihm stand und ihn mit weit aufgerissenen Augen anblickte. Ein Baum stürzte um und holte ihn wieder in die Gegenwart zurück.

„Der Hündin geht es gut. Steig ein“, befahl er. „Schnell.“ Er schoss auf die andere Seite, um einzusteigen, und ließ den Motor an. Claire glitt rasch auf den Beifahrersitz. Er wendete seinen Pick-up. Die Feuersbrunst loderte auf, und hinter ihnen gingen immer mehr Wacholderbüsche in Flammen auf.

Sie sah sich um und schauderte. „Du hast uns gerettet. Wenn du mich nicht gerufen hättest, wäre ich da nicht mehr rausgekommen. Die Hunde auch nicht.“

Jake warf ihr einen Seitenblick zu; sie schlang die Arme um sich, als wäre ihr kalt. Er war entsetzt darüber, dass sie das Feuer nicht bemerkt hatte, denn sie war ganz allein auf der Ranch, und er hatte sie immer für fähig gehalten. Außerdem war er entsetzt darüber, dass er ihr gerade das Leben gerettet hatte – seiner größten Feindin.

Während sie sich in seinem Auto rasch von ihrem Grundstück entfernten, holperte der Pick-up heftig. Das war ihm egal. Er wollte nur so weit wie möglich weg von dem Feuer, das sich blitzschnell weiter ausbreitete. Schließlich wusste er, wie leicht man von so einem Brand eingeschlossen werden konnte.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er ein paar Minuten später, als er endlich das Gefühl hatte, nicht mehr so rasen zu müssen.

„Ja, alles okay“, antwortete sie schnippisch. „Mir ist völlig klar, was ich gerade verliere“, fügte sie hinzu, aber er bemerkte erleichtert, dass ihre Stimme fest klang und sie nicht Gefahr lief, die Fassung zu verlieren. „Das war wirklich leichtsinnig. Ich habe einen schweren Fehler begangen, als ich nicht auf das Feuer geachtet habe und rechtzeitig abgehauen bin. Es macht mich echt fertig, wenn mir auf der Ranch so was Dummes passiert. Wenn du nicht gewesen wärst, dann wäre das mein letzter Fehler gewesen.“

Sie sah sich um. „Ich mache mir trotzdem Sorgen um die Hunde, die werden da hinten total durchgeschüttelt. Sie wissen ja nicht, dass wir dabei sind, sie zu retten.“

„Mach dir keine Sorgen wegen der Hunde. Denen passiert nichts, und wir bringen sie gemeinsam in Sicherheit. Du hast natürlich ganz schön was riskiert, aber wir machen doch alle Fehler. Man darf einem Waldbrand einfach nicht den Rücken zukehren, solange man nicht vor ihm wegläuft.“

Sein Handy klingelte, und er nahm ab. Das Gespräch dauerte nur ein paar Sekunden. „Das war der Sheriff“, sagte er. „Die Gegend hier wird evakuiert. Ich muss meine Leute rausholen“, fuhr er fort und rief seinen Vorarbeiter an.

„Kurz bevor du aufgetaucht bist, hat mich ein Stellvertreter des Sheriffs angerufen und mir dasselbe gesagt. Mein Haus steht direkt im Waldbrandgebiet. Ich habe meinen Leuten schon gesagt, dass sie verschwinden sollen, aber ich gehe lieber auf Nummer sicher.“ Sie machte einen Anruf.

„Tut mir leid, dass es dich so hart trifft. Der Brand ist direkt auf dem Weg zu deinem Haus.“

Sie drehte sich auf ihrem Sitz um und blickte zurück. „Ich verliere mein Haus mit allem Drum und Dran“, erwiderte sie so leise, dass er sie kaum hören konnte, und dieses Mal vernahm er ein Zittern in ihrer Stimme. Er sah in den Rückspiegel und stellte fest, dass sie das Feuer hinter sich gelassen hatten. Dann bremste er und hielt an. Den Motor ließ er laufen. Sie hatte sich von ihm abgewandt, die Schultern waren ein wenig zusammengesunken.

„Also, das ist echt was Neues – ein Reed und eine Blake, die sich nicht streiten“, sagte er mehr zu sich selbst als zu ihr. Er mochte weder sie noch ihre Familie. Sie kannte er nicht, aber ihre verfluchten Brüder und ihren Dad zumindest so gut, dass er wusste, wie sehr er sie alle verabscheute.

Claire drehte sich um und sah ihn an. Er blickte noch einmal in ihre großen, smaragdgrünen Augen mit den langen, dunkelbraunen Wimpern, die kein Make-up brauchten, um schön zu sein. Ihre Haut war makellos und von der Arbeit an der frischen Luft gebräunt. Das dunkelrote Haar trug sie in einem dicken, geflochtenen Zopf, der ihr über den Rücken hing. Ihr Mund war rot und anziehend. Die Lippen wirkten weich und luden zum Küssen ein. Erschrocken bemerkte er, welche Richtung seine Gedanken genommen hatten. Von allen Frauen auf der Welt war sie die einzige, an die er nicht auf diese Art denken durfte. Dann kam ihm wieder der Brand in den Sinn und dass sie ihr Haus und ihren ganzen Besitz verlieren würde.

„Ich weiß auch, dass wir unser Leben lang verfeindet sind und noch nie ein freundliches Wort füreinander übrighatten, aber es tut mir leid, dass du dein Zuhause verlierst“, sagte er zu seiner eigenen Überraschung, denn sie hatten wegen der Ranch einige erbitterte Auseinandersetzungen im Gerichtssaal ausgefochten.

„Danke“, flüsterte sie und sah zu Boden. „Es tut echt weh.“ Sie schwieg einen Augenblick, genau wie er. „Du weißt vielleicht nicht sehr viel über mich“, fuhr sie mit leiser Stimme fort und zögerte dann, ehe sie weiterredete. „Aber ich habe vor langer Zeit schon einmal alles verloren, was mir wichtig war. Jetzt verliere ich mein Zuhause, und dann habe ich nichts mehr außer meinem Land und dem Vieh. Doch manchmal braucht man mehr als Land und Vieh“, flüsterte sie.

Claire fuhr sich mit den Fingern über die Lider. Sie tat ihm leid, weil ihr Vater und ihre Brüder kaum in diese Gegend kamen und ihre Mutter schon vor Jahren gestorben war. Sie hatte noch eine Schwester, aber die und Jakes Bruder waren ein Kapitel für sich, seitdem sie geheiratet hatten und weggegangen waren. Einen Moment lang dachte er an die Geheimnisse ihrer Familie, in die er eingeweiht war, die sie aber nicht kannte und nie kennen würde. Er fragte sich, ob sie Freunde hatte oder sonst jemanden, der ihr nahestand.

Ohne darüber nachzudenken, legte er einen Arm um ihre Schultern. Und diese Geste schockierte ihn, weil er mit jemandem Mitleid hatte, den er sein Leben lang verabscheut hatte. Noch mehr schockierte ihn, dass sie so weich und anziehend war. Er verbannte den Gedanken schnell aus seinem Kopf.

Es gab gerade keine andere Frau in seinem Leben, aber er brauchte dringend eine, wenn er jetzt schon so auf eine Blake reagierte. Sie stammten beide aus Familien, die seit Generationen nicht miteinander geredet hatten, die mehr als ein Jahrhundert verfeindet waren und heftige Gefechte ausgetragen hatten, wenn man den Geschichten ihrer ersten Vorfahren glauben durfte. Wenigstens hatten seine Verwandten ihm eine Menge erzählt. Er wusste Dinge, die sie nicht wusste. Geschichten, die über Generationen weitergegeben wurden und in denen von Galgen über Schießereien bis Viehdiebstahl alles Mögliche vorkam. Sogar heute gab es noch Geheimnisse.

Er überlegte, was er jetzt tun sollte, und musste sich dabei Mühe geben, den Blick von ihren großen, grünen Augen abzuwenden. Dann fiel sein Blick auf ihren Mund. Ihre vollen, rosigen Lippen verführten zum Küssen. Oh verdammt, was für ein Gedanke. Er hätte beinahe laut gestöhnt. Schnell blickte er ihr wieder in die Augen. In ihrem Blick flackerte etwas, und ihm wurde klar, dass sie das plötzliche Knistern zwischen ihnen auch spürte.

Wie lange hatte er sie jetzt angesehen? Ein paar Sekunden? Zehn, fünfzehn? Wie lange auch immer, er hatte das Gefühl, dass sich sein ganzes Leben unmerklich, aber unwiderruflich verändert hatte. Nie mehr würde er sie sehen wie zuvor. Schlimmer noch: Jetzt gerade hätte er am liebsten seinen Arm enger um sie gelegt, sie an sich gezogen und sie geküsst. Er ließ sie los. Sie rückte sofort von ihm weg, und ihre Wangen färbten sich rosa, was sie noch schöner machte. Warum fand er sie plötzlich so anziehend?

Claire rückte noch weiter von ihm weg und sah sich nach ihrer Ranch um. „Gott im Himmel. Meine ganze Ranch steht in Flammen. Das Feuer ist fast bei meinem Haus. Ich hatte so gehofft, dass es nicht so weit kommt.“

Er streckte die Hand aus und holte zwei saubere Bandanatücher aus dem Handschuhfach vor ihr. Das eine hielt er ihr hin. „Binde dir das um, das hilft vielleicht gegen den Qualm. Ich bringe uns und die Hunde in Sicherheit.“

„Danke“, sagte sie und band sich das Tuch um Nase und Mund. Dadurch wurde sein Blick noch mehr auf ihre großen, grünen Augen gelenkt. Er atmete tief ein, musste ein wenig husten und wünschte sich, dass sie nicht diese Wirkung auf ihn hätte.

„Der Sheriff sagt, wir sollen von hier verschwinden, also machen wir das auch“, erwiderte er, wendete und versuchte sich darauf zu konzentrieren, so schnell wie möglich von hier wegzukommen.

Claire antwortete nicht, und er sah sie an. Sie wandte sich ab und strich sich mit einer Hand über das Gesicht. Sie hatte sich bestimmt Tränen abgewischt.

In seinem Monitor knackte es, und er hörte die Stimme seines Piloten. Claire drehte sich so, dass sie den Monitor sehen konnte. „Was ist das denn?“

„Darauf kann ich mir die Aufnahmen ansehen, die von einem meiner Flugzeuge aus gemacht werden. Der Pilot hat die Gegend inzwischen verlassen, weil hier zu viel Qualm in der Luft liegt. Selbst wenn wir ein Bild kriegen könnten, glaube ich kaum, dass du dein Haus sehen willst.“

„Nein, eigentlich nicht.“

„Mach dir keine Sorgen, wenn ich ihm nichts anderes sage, macht er nur Aufnahmen von meinem Land.“

Sie nickte und sah über die Schulter hinweg aus dem Fenster.

Für den späten Nachmittag war Regen vorausgesagt. Jake betete um ihretwillen, dass der früher kommen würde. Er sah zum Himmel hinauf, aber der war von Qualm verdeckt, der sich über ihren Köpfen in alle Richtungen ausbreitete. Weil er schon häufiger über diesem Land geflogen war, wusste er, dass sie in dem alten Farmhaus wohnte, das angeblich schon über hundert Jahre dort stand. Es tat immer weh, sein Zuhause zu verlieren, doch bei einem so alten Haus war das noch viel schlimmer. Es hatte all die Jahre überstanden, aber es gab keine Hoffnung, dass es diesen heftigen, nicht mehr einzudämmenden Waldbrand überstehen würde. Sie tat ihm leid, und das überraschte ihn.

„Claire“, sagte er. Ihr Name kam ihm zum ersten Mal in seinem Leben über die Lippen. Er hatte sie noch nie direkt angesprochen, und als er ihren Namen sagte, dachte er wieder an den Augenblick, als er ihr in die großen Augen gesehen und dann ihren Mund angeschaut hatte, der zum Küssen gemacht schien. Beinahe hätte er deswegen laut geseufzt. Sie war Claire Blake, rief er sich in Erinnerung. Eine Blake – der verachtete und verhasste Feind, so lange, wie seine Familiengeschichte zurückreichte.

Jake glaubte nicht, dass sie je mit jemandem ausging. Sie lebte wie eine Eremitin, blieb allein auf ihrer Ranch. Freitag- oder Samstagabend, wenn er sich amüsierte, sah er sie nie. Er dachte kaum an sie und hatte sich bisher nicht gefragt, warum er sie nie sah. Jetzt fing er an, darüber nachzudenken. Und als ihm das klar wurde, wusste er sofort, dass er das nicht durfte. Er musste sie einfach wieder ignorieren und sie so sehen, wie er das immer getan hatte – als Nachbarin, deren gesamte Familie eine Fehde mit seiner Familie hatte. Aber das würde nicht so einfach werden.

Sie hatte nichts getan, außer ihn anzusehen, doch damit hatte sie trotzdem sein Leben auf den Kopf gestellt.

Jetzt brauchte sie eine Unterkunft für die Nacht. Er hatte Angst davor, sie zu fragen, ob sie in seinem Blockhaus übernachten wollte. Zum einen schätzte er seine Privatsphäre, zum anderen waren sie erbitterte Feinde. Warum stand er dann kurz davor, ihr ein Dach über dem Kopf anzubieten? Dann würde er auf unbestimmte Zeit mit ihr in seinem Blockhaus festsitzen. Aber noch während ihm dieser Gedanke durch den Kopf schoss, fiel ihm wieder ein, wie weich ihre Lippen ausgesehen hatten.

„Claire, ich habe dreißig Meilen von hier ein Blockhaus am Fluss. Das ist weit genug weg, um in Sicherheit zu sein. Du kannst gern mitkommen. Es ist genug Platz.“ Schon als er die Worte aussprach, hoffte er, dass sie ablehnen würde, doch er nahm an, dass sie keine andere Wahl hatte. Wo sollte sie denn sonst hin?

Sie blickte ihn überrascht an. Er konnte an den Fältchen unter ihren Augen sehen, dass sie lächelte. Der Gedanke reichte schon aus, damit sich sein Magen aufgeregt zusammenzog, und er fing wieder an, sich Sorgen zu machen. Es war nicht so, dass er Frauen nicht mochte, gut aussehende Frauen, mit denen er Spaß haben konnte. Aber das hier war eine absolut unwillkommene, erschreckende Reaktion auf eine Frau, der er sein Leben lang aus dem Weg gegangen war. Ganz zu schweigen von der Feindseligkeit zwischen ihren Familien und bisweilen auch zwischen ihnen. Manchmal kam sie ihm genauso gefangen vor, wie er selbst sich fühlte.

„Komm mit zu mir“, wiederholte er zu seiner eigenen Überraschung. „Das Haus ist groß, und ein oder zwei Nächte unter demselben Dach werden wir schon schaffen.“

In ihren Augen leuchtete erneut ein kleines Lächeln auf und war schnell wieder verschwunden. Doch dieses winzige Lächeln sorgte dafür, dass sein Herz sich zusammenzog. Was hatte es zu bedeuten, dass er ständig mit so heftigen Gefühlen auf seine erbittertste und vielleicht auch älteste Feindin reagierte? Also die einzige Feindin hier in der Gegend. Ihre Brüder, die weggezogen waren, gehörten ebenfalls dazu. Nur die beiden ältesten, korrigierte er sich sofort. Laird hingegen, der jüngere Bruder, hatte sich immer aus jedem Streit herausgehalten.

Jake wusste, dass ihre älteren Brüder ihn hassten, und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Ironischerweise hatten sie dafür wohl genauso gute Gründe wie er. Er wollte nichts mit ihnen zu tun haben. Sie hatten Geheimnisse, die sie vor der Welt zu verbergen versuchten. Und sie wären entsetzt gewesen, wenn sie gewusst hätten, dass er wusste, was sie wussten.

Als sein Bruder vor Jahren mit ihrer Schwester durchgebrannt war, hatten beide den Kontakt zu ihren Familien abgebrochen. Allerdings galt das nicht für Jake und seinen Bruder.

Wenn er darüber nachdachte, wusste Jake eine Menge über ihre Familie, Claire aber kaum etwas über seine. Und er konnte ihr niemals verraten, was er wusste und woher. Er hatte versprochen, diese Geheimnisse für sich zu behalten, und vor allem durfte er sie ihr nicht verraten.

„Die Umstände sind natürlich furchtbar“, sagte er, „doch von meinem Bruder und deiner Schwester einmal abgesehen, ist das jetzt wahrscheinlich das erste Mal seit Generationen, dass ein Reed und eine Blake sich nicht gegenseitig an die Gurgel gehen.“

„Na ja, unter diesen Umständen …“ Sie zuckte mit den Schultern, und er wusste genau, was sie gemeint hatte. Dann wandten sie die Blicke voneinander ab. „Du hast mich und die Hunde gerettet, und nun bietest du mir auch noch an, bei dir zu übernachten … Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“ Er hätte beinahe „sag ja“ erwidert. Doch dann drehte sie sich zu ihm um und fuhr fort: „Außer dass ich dir dankbar bin. Ich komme mit in dein Blockhaus. Oder vielmehr kommen wir mit in dein Blockhaus“, fügte sie hinzu und zeigte mit einem Nicken auf die Hunde, die auf der Ladefläche seines Wagens lagen. „Danke.“

„Gerne doch“, sagte er, lächelte ihr zu und dachte, dass das eine echte Neuerung zwischen ihnen war. Er hatte viel zu viele Jahre damit verbracht, sich mit ihrer Familie zu streiten, um sich mit ihr anfreunden zu wollen, und dieses Gefühl beruhte sicherlich auf Gegenseitigkeit. Also richtete er seinen Blick auf die Straße vor ihm und versuchte, mit den Gedanken bei der Aufgabe zu bleiben, die zu bewältigen war.

Nachdem sie ein paar Minuten gefahren waren, sagte er: „Ich habe immer Vorräte im Blockhaus, weil ich oft zum Angeln da bin, deshalb haben wir genug zu essen.“

„Ich kann im Augenblick sowieso nichts essen. Ich muss die ganze Zeit an mein Haus denken. Auf meiner Ranch stehen auch noch ein paar Häuser für meine Angestellten, und wenn die abbrennen, verlieren meine Leute alles, was sie haben.“ Er hörte, dass sie tief und zitternd einatmete, und sah aus dem Augenwinkel, wie sie sich wieder Tränen wegwischte.

Dann sagte sie gefasst: „Tut mir leid, aber das ist wirklich traurig. Mein Leben kommt mir wie eine ganze Serie von Verlusten vor.“

Als er ihr einen neugierigen Blick zuwarf, setzte sie zu einer Erklärung an: „Meine Mom ist gestorben, als ich sieben Jahre alt war. Danach hat meine große Schwester wie eine Mutter für mich gesorgt, bis sie vier Jahre später mit deinem Bruder durchgebrannt ist. Sie zu verlieren war echt hart für mich. Zumal sie mir nur einen Brief dagelassen hat, um mir zu erklären, warum sie den Kontakt abbrechen muss. Regina war achtzehn, als sie durchgebrannt sind. Jetzt bin ich dreißig, und sie ist siebenunddreißig.“

Jake erinnerte sich. Sein Bruder war erst einundzwanzig gewesen.

„Nachdem sie weg waren, haben mein Dad und meine Brüder nicht gerade viel Mitgefühl mit mir gehabt.“ Sie schüttelte den Kopf und sah aus dem Fenster. Er dachte schon, dass sie ihm nicht mehr von ihrem Leben erzählen wollte. Aber dann fuhr sie fort.

„Meine Mutter hatte Geld geerbt. Das hatte sie Regina vermacht, unter der Bedingung, dass sie sich um mich kümmert, bis ich achtzehn Jahre alt bin. Andernfalls sollte ich das Geld bekommen, und das ist passiert, als sie deinen Bruder geheiratet hat – ich habe eine ziemlich hohe Summe geerbt. Irgendwie war dieses Geld ein Puffer zwischen meinem Dad und meiner Schwester und später zwischen meinem Dad, meinen Brüdern und mir. Ich glaube, sie haben gehofft, dass ich ihre Rechnungen übernehme, falls sie das nicht können. Gott sei Dank ist es nie dazu gekommen.“

Während sie redete, wanderte sein Blick immer wieder zu ihr hinüber. Es fiel ihm schwer, sich aufs Fahren zu konzentrieren, denn er konnte nicht aufhören, über sie nachzudenken. Dabei fragte er sich, wie ihr Haar wohl aussah, wenn sie ihren Zopf löste. Er erschrak, als er merkte, wohin seine Gedanken gewandert waren, und versuchte, wieder darauf zu achten, was sie sagte.

Autor

Sara Orwig

Sara’s lebenslange Leidenschaft des Lesens zeigt schon ihre Garage, die nicht mit Autos sondern mit Büchern gefüllt ist. Diese Leidenschaft ging über in die Liebe zum Schreiben und mit 75 veröffentlichten Büchern die in 23 Sprachen übersetzt wurden, einem Master in Englisch, einer Tätigkeit als Lehrerin, Mutter von drei Kindern...

Mehr erfahren