Küss niemals deinen besten Freund

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Wir sind verlobt!" Bias bester Freund Aiden gibt sich spontan als ihr Zukünftiger aus.Angeblich nur, um sie nach einer katastrophalen Kurzaffäre mit einem Prominenten vor den Paparazzi zu schützen. Aber warum fällt sein gespielter Kuss dann so unglaublich leidenschaftlich aus?"


  • Erscheinungstag 08.11.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733738754
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Es hatte auch seine Vorteile, die Chefin zu sein, und heute würde Bia Anderson das ausnutzen. Schließlich ging es um Schokolade.

Entschlossen hob sie den Kopf und ging den von Petunien gesäumten Weg entlang, der zu dem alten Bungalow am Ende der Hauptstraße von Celebration führte – dem neuen Zuhause von Maya’s Chocolates.

Nicole Harrison, eine Reporterin beim Dallas Journal of Business and Development, dessen Chefredakteurin Bia war, hatte am Morgen gar nicht erst versucht, ihre Enttäuschung zu verbergen. Bia hatte sie zum Ferkelfangen bei der Eröffnung der Supermarktfiliale Piggly-Wiggly in Kenansville geschickt und das Interview mit der Inhaberin von Maya’s Chocolates selbst übernommen.

Vor zwei Monaten hatte Bia die Redaktionsleitung bei der Zeitung übernommen, und seitdem hatte sie oft unbequeme Entscheidungen treffen müssen, die sie in der Redaktion nicht gerade beliebt machten.

Was würden ihre Kollegen von ihr denken, wenn sie erfuhren, dass ihre knallharte Chefin Mutter wurde? Bia redete sich ein, dass es ihr völlig egal war, auch wenn alle hinter ihrem Rücken darüber tuscheln würden, dass sie von Hugh Newman schwanger war, den das Magazin People zum „Sexiest Man Alive“ erklärt hatte. Instinktiv legte sie eine Hand auf den Bauch.

Nachdem ihre Periode zwei Monate ausgeblieben war, hatte sie gestern Abend endlich einen Schwangerschaftstest gemacht. Jetzt wusste sie, warum sie plötzlich einen Heißhunger auf Schokolade verspürte.

Zunächst hatte sie das auf die katastrophale Affäre mit Hugh Newman geschoben: fünf turbulente Tage, die abrupt zu Ende gegangen waren, als die Medien sich fragten, wer die Frau mit kastanienbraunem Haar war, mit der Newman beim Knutschen in Celebration, Texas, gesehen worden war.

Knutschen? Nannte man das heute noch so?

Er war in der Stadt gewesen, um sich für seinen nächsten Film mit der lokalen Atmosphäre vertraut zu machen. Außerdem hatte er sich bereit erklärt, beim Ärzteball aufzutreten, auf dem für die neue Kinderstation des Krankenhauses gesammelt wurde. Sehr zu Nicole Harrisons Leidwesen hatte Bia sich persönlich mit ihm zum Lunch getroffen, um ihn zu interviewen. Der Mann trug zu Recht den Titel Mr Sexy. Schon nach fünf Minuten hatte er sie verführt. Okay, vielleicht hatte es eher eine Stunde gedauert. So leicht war sie nun auch wieder nicht zu erobern.

Bia klopfte und wartete.

Nein, leicht machte sie es den Männern wirklich nicht.

Sie war achtundzwanzig und hatte erst zwei Liebhaber gehabt. Der erste war Duane gewesen, und ihre sechsjährige Beziehung hatte mit einer gelösten Verlobung geendet. Der zweite war Hugh gewesen. Es war eine spontane Affäre, von der Bia von vornherein gewusst hatte, dass es nicht lange dauern würde.

Verdammt, sie hatte einfach nur mal leichtsinnig sein wollen. Eine unverbindliche Nacht, mehr hatte es nicht sein sollen. Aber aus einer Nacht waren fünf geworden, die Medien hatten davon Wind bekommen, und plötzlich hatte die ganze Welt wissen wollen, wer die Frau in dem blauen Sommerkleid war. Über Nacht war Bia auf Platz eins der Liste der meistgesuchten Prominenten geraten.

Nervös blickte sie über die Schulter. Offenbar hatten die Paparazzi das Interesse verloren, nachdem Hughs Pressesprecherin erklärt hatte, dass die Frau im blauen Sommerkleid nur eine Fremdenführerin gewesen war.

Hier gibt es nichts zu sehen, Leute. Nur eine Fremdenführerin.

Lügnerin.

Wenigstens hatten sie sie nicht als Escort Lady bezeichnet.

Besonders tief hatte es sie getroffen, als Hughs Agentur sie dafür bezahlen wollte, dass sie den Mund hielt. Sie wollte sein Geld nicht. Aber sie wollte ihr Privatleben zurück. Nur deshalb hatte sie nicht gegen die Geschichte mit der Fremdenführerin protestiert.

Wenige Stunden später war Hugh mal wieder offiziell mit seiner On-off-Freundin Kristin Capistrano, einem Starlet, zusammen gewesen. Schön für die beiden. Das Paar hatte verkündet, dass sie verliebter als je zuvor waren und Kristin – Überraschung, Überraschung – die weibliche Hauptrolle in dem Film spielen sollte, den Hugh in Celebration, Texas, drehen würde.

Bia ballte die Fäuste und bohrte die Fingernägel in die Handflächen. Für sie hatte Hugh Newman nicht mehr existiert, aber der blaue Strich auf dem Schwangerschaftstest hatte ihn wieder zum Leben erweckt. Sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Fest stand nur, dass sie ein Baby bekam … und es behalten wollte.

Bia war adoptiert worden und hatte sich oft gefragt, warum ihre leibliche Mutter sie weggegeben hatte. Ihre Adoptiveltern waren gute Menschen gewesen. Ihr Vater jedenfalls, ihre Mutter hatte sie kaum gekannt, denn sie war gestorben, als Bia fünf gewesen war.

Ihr Vater war ein schweigsamer Mann gewesen und hatte nicht mit ihr über ihre leibliche Mutter geredet. Irgendwann hatte Bia nicht mehr nachgefragt. Er war im letzten Jahr verstorben. Vielleicht war es an der Zeit, nach ihren Wurzeln zu suchen. Schon des Babys wegen.

Zum Glück musste ihr Vater nicht mehr miterleben, was sie getan hatte.

Es war einfach passiert. Als sie sich mit Hugh zum Interview hingesetzt hatte, war sie die journalistische Professionalität in Person gewesen. Zu Beginn war sie gegen seinen Charme immun gewesen, aber dann hatte er nach allen Regeln der Kunst zu flirten begonnen.

Hugh Newman hatte mit ihr geflirtet.

Und sie war dahingeschmolzen wie Zucker im Tee.

Natürlich hatten sie verhütet. Jedes Mal.

Trotzdem war sie jetzt schwanger und musste mit den Konsequenzen leben.

Sie klopfte wieder, diesmal etwas kräftiger. Wo zum Teufel steckte Maya?

Sie schaute durch das kleine Fenster. Im Schauraum war niemand, und die Vitrinen waren leer.

Seltsam.

Bia warf einen Blick auf ihr Handy. Okay, sie war ein paar Minuten zu früh. Ihr war leicht schwindlig, und sie schwitzte. Bei bestimmten Gerüchen, zum Beispiel Kaffee und Autoabgasen, wurde ihr übel. Auch deshalb war sie nach Dallas gefahren, um den Schwangerschaftstest zu besorgen. Im Drugstore in Celebration hätte sie ihn nicht kaufen dürfen. Es hätte sich schneller herumgesprochen als die Schlagzeile eines Skandalblatts.

Blinzelnd konzentrierte Bia sich auf die Fragen, die sie Maya stellen wollte.

Gerade wollte sie Maya anrufen, da sah sie durchs Türfenster, wie die Frau nach vorn eilte, mit wehenden roten Locken und einem Geschirrtuch über der Schulter.

Bonjour! Schön, dass Sie gekommen sind!“, rief Maya atemlos und mit unüberhörbar französischem Akzent. „Ich hoffe, Sie haben nicht zu lange gewartet. Ich war in der Küche, um eine Überraschung für Sie zuzubereiten. Kommen Sie herein, Chère!

Eine Überraschung? Für mich?

„Hoffentlich ist es Schokolade“, erwiderte Bia.

„Natürlich.“ Lächeln hielt Maya ihr die Tür auf. Kühle, nach dunkler Schokolade duftende Luft drang heraus, und Bia atmete sie tief ein, bis die Übelkeit etwas nachließ.

„Dann verzeihe ich Ihnen.“ Bia lächelte. „Von Ihrer Schokolade träume ich seit dem Ärzteball. Da habe ich sie das erste Mal probiert, und seit Wochen bin ich verrückt nach Schokolade, aber die aus dem Supermarkt reicht mir einfach nicht. Ich habe gerade erfahren, dass es Ihre Irish-Cream-Trüffel in Baldoon’s Pub als Dessert gibt.“

„Stimmt. Und dass meine Schokolade Ihnen besser schmeckt als die aus dem Supermarkt, freut mich. Genau darauf beruht mein Geschäftsmodell.“

In der Mitte des weiß gestrichenen Verkaufsraums stand eine große Kühlvitrine, umgeben von einem Tresen aus Marmor, auf dem eine altmodische Registrierkasse thronte. Leider war die Vitrine ebenso leer wie die Regale an den Wänden, und Bia fragte sich, ob sie sich den leckeren Duft nur einbildete.

„Wo ist die Schokolade?“

Maya schaute sich um. „Ja, es sieht ziemlich leer aus, nicht wahr?“ Seufzend ging sie hinter den Tresen. „Wegen der großen Nachfrage musste ich die Herstellung etwas modernisieren, aber spezielle Wünsche bereite ich noch immer per Hand zu. Wie diese kleine Auswahl, die ich heute Morgen extra für Sie zusammengestellt habe.“

Sie präsentierte eine dreistöckige Etagere voller Konfekt in verschiedenen Formen und Farben. Bia lief das Wasser im Mund zusammen.

„Ich hatte schon Angst, dass ich mir den Schokoladenduft nur einbilde.“

Maya lachte. „Es riecht herrlich, nicht wahr? Manche Leute behaupten, dass Schokoladenduft bei Frauen eine Hormonausschüttung bewirkt, bei der sie sich fühlen, als würden sie sich gerade verlieben.“

„Und das ohne gebrochene Herzen! Ich wünschte nur, die Schokolade würde meine Liebe nicht so intensiv erwidern. Sie bleibt bei mir. Und zwar hier.“ Bia klopfte sich auf die linke Hüfte.

„Sie sind doch gertenschlank.“

„Wow, Sie machen Schokolade und Komplimente … Ich glaube, wir könnten gute Freundinnen werden.“

Mayas Augen leuchteten. „Das hoffe ich sehr.“

„Sie haben doch genug Schokolade für die Eröffnung, oder?“

„Natürlich. Ich hatte das Glück, einen Hersteller zu finden, der nach meinem Familienrezept produzieren kann. Er liefert am Tag vor der Eröffnung, damit alles ganz frisch ist.“ Maya zeigte auf den Teller. „Greifen Sie zu.“

Bia zögerte kurz, um nicht allzu gierig zu wirken, doch dann ließ sie es sich schmecken.

Ja, dies könnte wirklich der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein.

Maya legte ihr eine Serviette hin und stellte einen kleinen Kristallkrug mit Wasser, ein Glas und einen Teller mit Brot, Crackern und Apfelspalten dazu.

„Was ist das?“

„Die sollen bei der Verkostung den Geschmackssinn neutralisieren“, erklärte Maya. „Um die Unterschiede zwischen den Sorten herauszuschmecken, muss man zwischendurch etwas mit wenig Eigengeschmack essen.“

Oh. „Wie bei einer Weinprobe?“

„Pourquoi pas?“

„Stimmt. Warum nicht?“

„Ich schlage vor, Sie beginnen mit der Schokolade in der ersten Etage. Die hat weniger Kakaogehalt und ist milder. Die Pralinen auf der obersten Etage schmecken viel intensiver. Lassen Sie die Schokolade auf der Zunge zergehen, anstatt sie zu kauen, und essen Sie zwischen den Kostproben ein Stück Apfel oder Brot mit einem Schluck Wasser. Auf die Weise schmecken Sie sämtliche Nuancen heraus.“

Sie gab Bia noch ein paar Tipps: die Schokolade zu betrachten, daran zu schnuppern und sie zu brechen, bevor man sie schmeckte.

Bia atmete tief ein und genoss die Vielfalt der Aromen, deren Duft ihr in die Nase stieg. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie, wie Ruhe und Ausgeglichenheit über sie kamen.

„Danach müssen Sie mir sagen, welches Ihre Lieblingsschokolade ist.“

„Bestimmt sind alle köstlich.“

Als Erstes wählte sie einen mit Kakaopuder bestäubten Trüffel. Sie biss hinein, und der Geschmack explodierte auf ihrer Zunge. Sie schloss die Augen und musste sich beherrschen, um nicht genießerisch aufzustöhnen.

Maya irrte sich. Die Schokolade war besser als Verliebtsein. Viel besser. Besser als Küssen. Besser als Sex.

Oh mein Gott, ich habe gerade Sex mit einem Trüffel. In aller Öffentlichkeit. Und es ist mir egal.

Sie öffnete die Augen und war versucht, nach dem nächsten Stück zu greifen, bevor sie das erste aufgegessen hatte. Irgendwie schaffte sie es, sich zu beherrschen und den Rest des Trüffels in den Mund zu stecken. Wieder hätte sie beinahe aufgestöhnt. Erst nachdem sie mehrere Stücke probiert hatte, trat sie einen Schritt zurück. „Das war fantastisch, Maya. Ich muss jetzt aufhören, aber es kann sein, dass ich schon bald mehr will.“

„Wäre das denn so schlimm?“

Die beiden lachten wie langjährige Freundinnen.

„Ihr Geschäft sieht edel aus. Wer hat es gestaltet?“

Maya strahlte. „Danke. Das habe ich selbst getan. Es sollte so ähnlich aussehen wie mein Laden in St. Michel, nur ein Hauch moderner, amerikanischer. Da ich viel Zeit hier verbringe, möchte ich mich wie zu Hause fühlen.“

Bia blätterte in ihrem Notizbuch nach dem, was sie sich zu Bia aufgeschrieben hatte. „Sie kommen aus Frankreich. Wollen Sie nach Celebration ziehen?“

„Vorläufig ja. Mein Herz sagt mir, dass ich nach Celebration gehöre, wenn ich mit meinem neuen Laden Erfolg haben will.“

„Wer kümmert sich um den Laden in St. Michel, während Sie hier sind?“

„Ich habe meine Assistentin Grace zur Geschäftsführerin befördert. Bei ihr ist er in guten Händen.“

„Warum haben Sie Celebration als Standort Ihrer ersten Filiale in den USA ausgesucht? Nichts gegen die Stadt, ich lebe schließlich hier. Aber warum ausgerechnet Celebration?“

Als Maya nicht sofort antwortete, schaute Bia vom Notizblock auf und bemerkte, dass die Konditorin sie mit einem eigenartigen Gesichtsausdruck musterte.

„Ich habe hier Freunde. Kennen Sie Pepper Merriweather, A. J. Sherwood-Antonelli und Caroline Coopersmith?“

„Ich kenne Caroline. Ihr Mann Drew ist mein Arbeitgeber.“

„Natürlich. Ich habe Caroline, A. J. und Pepper durch eine gemeinsame Freundin kennengelernt, die mit ihnen zur Schule gegangen ist. Damals waren sie noch nicht verheiratet. Sie kamen nach St. Michel, um einer anderen Freundin zu helfen. Margeaux Brossard. Kennen Sie sie?“

Bia schüttelte den Kopf und machte sich Notizen, während Maya erzählte.

„Die drei haben Margeaux geholfen, sich mit ihrem Vater auszusöhnen. Danach sind sie nach Celebration zurückgekehrt und haben meine gute Freundin Sydney hergelockt. Mit einem Job bei Texas Star Energy hier in Celebration.“

Bia kannte Sydney, da sie gerade Miles Mercer geheiratet hatte, der wiederum mit Bias bestem Freund Aiden Woods befreundet war. Sie unternahmen viel zu viert, und Bia hätte es als Doppeldate bezeichnet, wenn sie und Aiden ein Paar wären, aber das waren sie nicht. Sie kannte ihn seit dem Kindergarten, und er bedeutete ihr zu viel, als dass sie ihre Freundschaft durch amouröse Avancen aufs Spiel setzen würde.

„Texas Star Energy?“, wiederholte sie.

Maya nickte. Offenbar wusste sie vom skandalösen Niedergang des korrupten Energieriesen. Bia war die Reporterin gewesen, deren Story das Ende des Konzerns eingeläutet hatte. Auch deshalb hatte sie den Chefposten bei ihrer Zeitung bekommen, als Drew Montgomery sich aus der redaktionellen Arbeit zurückgezogen hatte, um sich auf die Arbeit als Verleger zu konzentrieren.

„Dann sind Sie also Ihrer Freundin nach Celebration gefolgt?“

Mais non. Es ist etwas komplizierter.“ Maya spitzte die Lippen. „Zuerst habe ich sie nur besucht und bin zu jeder Hochzeit gefahren. Man könnte sogar sagen, dass ich geholfen habe, jede von ihnen mit ihrem Seelengefährten zusammenzubringen.“

„Sie haben sie miteinander bekannt gemacht?“

„Das ist noch so eine komplizierte Geschichte.“

„Die höre ich mir gern an … das ist mein Beruf.“

„Und ich rede gern.“ Maya lachte. Ihr Lachen war ansteckend, und Bia musste lächeln. „Über die Jahre sind mir die Mädchen – Pepper, A. J. und Caroline – ans Herz gewachsen, deshalb hatte ich eine Hand im Spiel, als sie mit ihren Seelengefährten zusammengekommen sind.“

Seelengefährten. Bia bezweifelte, dass es so etwas wirklich gab. Für sie gehörte Liebe ins Märchenbuch. Die Menschen schwärmten davon, manche behaupteten sogar, sie erlebt zu haben, aber die wahre Liebe, eine, die wasserstoffblonden Stripperinnen und hartnäckigen Paparazzi standhielt, war ihr bisher noch nicht begegnet.

„Zu Hause, in St. Michel, bin ich als marieur bekannt.“

„Wie bitte?“

„Als Heiratsvermittlerin. Ich bin zwar in dritter Generation chocolatier, aber ich bringe leidenschaftlich gern Paare zusammen. Manche Leute glauben, dass meine Schokolade Zauberkräfte besitzt.“

Bia sah sie an. Der Zimtgeschmack vom letzten Stück Schokolade lag ihr noch auf der Zunge. „Rühren Sie etwa einen Liebestrank hinein?“

„Nein, meine Schokolade besteht aus natürlichen Zutaten. Alle stehen auf dem Etikett, nur bei ein paar Geheimrezepten nicht.“

„Die mit dem Liebestrank?“

Maya strich sich durchs Haar. „Hätte ich bloß nichts gesagt. Bitte drucken Sie das nicht in Ihrem Artikel.“

„Warum nicht? Ihr Umsatz würde durch die Decke gehen. Jeder will Liebe.“

Na ja, fast jeder.

Maya zuckte mit einer Schulter.

„Das glauben Sie nicht?“, fragte Bia.

„Ich glaube, dass es für jeden Menschen einen passenden Partner gibt. Auch für Sie, trotz aller Rückschläge. Sie sind ihm bereits begegnet.“

Wow. Wow. Wow. Bia hatte wenig Lust, über das Debakel mit Hugh Newman zu reden. „Gibt es in Ihrem Leben einen besonderen Menschen?“, lenkte sie von sich ab.

Maya atmete tief durch. „Leider funktioniert mein Gespür bei mir selbst nicht so gut.“

„Gilt Ihre Begabung auch für andere Gebiete? Könnte man sagen, dass Sie über hellseherische Fähigkeiten verfügen?“

Maya lachte. „Wenn es so wäre, hätte ich längst bei der Lotterie gewonnen und müsste mich nicht mit Eröffnungsbilanzen und Marketingstrategien herumquälen. Aber das bleibt unter uns, oui?“

„Einverstanden. Dies ist die erste der beiden Chocolaterien, die Sie in den USA eröffnen wollen. Wo machen Sie die andere auf?“

„Möglicherweise in New York. Aber viel wichtiger ist, dass die existierenden Läden finanziell gesund sind, vor allem der in St. Michel. Dort hat meine Großmutter angefangen, und sämtliche Rezepte sind von Mutter zu Tochter weitergegeben worden.“

„Und Sie wollen die Tradition fortsetzen?“

Maya nickte.

„Haben Sie Kinder?“

Für den Bruchteil einer Sekunde wurde Mayas Blick traurig. „Kommen Sie mit“, bat sie. „Ich möchte Ihnen etwas zeigen.“

In der – abgesehen von den glänzenden Kupfertöpfen über der Spüle – enttäuschend normal aussehenden Küche stand auf der Arbeitsfläche ein schwarzer und pinkfarbener, mit einer Schleife verschlossener Karton. Maya reichte ihn Bia. „Der ist für Sie.“

„Oh, danke.“ Bia schaute sich um. „Hier zaubern Sie also.“

Oui. Die Kupfertöpfe stammen von meiner Mutter und Großmutter. Die Rezepte sind ein sorgsam gehütetes Geheimnis, das von Generation zu Generation weitergeben wird, zusammen mit den Töpfen und der Familienbibel.“ Sie nahm einen Topf herunter und strich mit den Fingerspitzen über das polierte Metall. „Alles andere ist nagelneu. Die hier habe ich mitgenommen, um niemals zu vergessen, wie wichtig die eigene Familie ist. Ich benutze sie, um kleinere Mengen herzustellen. Ganz persönliche Schokoladen. Wie die in der Schachtel.“

„Ich freue mich schon darauf“, erwiderte Bia. „Ihre Großmutter hat das Geschäft gegründet und es Maya’s Chocolates genannt?“

„Ja.“

„Sind Sie nach der Familienfirma benannt?“

„Nein, nach meiner Großmutter.“

Bia verspürte einen bitteren Geschmack im Mund, der den des Zimts überlagerte. Ihre eigene Herkunft lag im Dunkeln, es sei denn, sie suchte nach der Frau, die sie vor all den Jahren zur Adoption freigegeben hatte. Aber wäre es das wert? Wenn ihre leibliche Mutter gar nichts von ihr wissen wollte?

„Haben Sie entferntere Verwandte, die die Tradition fortsetzen werden?“

„Man wird sehen.“

Da war er wieder, der Anflug von Trauer in Mayas Augen, bevor sie sich abwandte, um den Topf wieder aufzuhängen.

Bia wollte gerade nachfragen, als sie kalten Schweiß am Nacken fühlte. Sie zupfte am Kragen. Als ihr auch noch schlecht wurde, hielt sie sich an der Arbeitsfläche fest.

Maya berührte sie am Arm. „Geht es Ihnen gut? Ich hole Ihnen einen Schluck Wasser und einen Stuhl, damit Sie sich hinsetzen können.“

Am ganzen Körper zitternd ließ Bia sich auf den schmiedeeisernen Stuhl sinken, den Maya unter einem kleinen Glastisch in der Ecke hervorzog. Was war nur mit ihr los? Von morgendlicher Übelkeit in der Schwangerschaft hatte sie gehört, aber jetzt war es Nachmittag. Maya brachte ihr Eiswasser, und sie nippte daran, bevor sie das kühle Glas an die Stirn presste.

Wie peinlich war das denn? Sie holte tief Luft und überlegte, ob sie den Bericht über die Chocolaterie zu Hause schreiben konnte. „Danke, Maya. Entschuldigen Sie die Unterbrechung. Ich fühle mich etwas benommen.“

Maya legte eine Hand an Bias Wange. „Kein Fieber“, stellte sie fest. „Geben Sie mir Ihre Hand.“

Bia tat es.

„Könnten Sie schwanger sein?“, fragte Maya so beiläufig, als würde sie fragen, ob Bia schon mal Schinken im Schokoladenmantel probiert hatte.

Bia zog die Hand aus Mayas und stand ruckartig auf. Sofort wurde ihr schwindlig, und sie musste sich wieder hinsetzen.

„Das ist eine sehr persönliche Frage, ich weiß“, fuhr Maya fort, während in Bias Kopf die Alarmglocken läuteten: Maya und ihre Intuition.

Vorsichtig erhob Bia sich. „Ich muss gehen.“

„Ich wollte Sie nicht aufregen. Es wird alles gut, glauben Sie mir.“

Als Bia sich die Tasche über die Schulter hängte, fiel ihr das Notizbuch aus der Hand.

Maya hob es auf und gab es ihr. „Tut mir leid, Bia. Ich wollte Sie wirklich nicht beunruhigen.“

„Kein Problem. Nicole Harrison ruft Sie an, falls wir für den Artikel noch mehr Informationen brauchen.“

Maya nickte ernst. „Verzeihen Sie, falls ich Ihnen zu nahe getreten bin. Aber ich muss Ihnen sagen, dass es Ihnen und Ihrem Baby gut gehen wird. Hugh Newman mag der Vater sein, aber es gibt einen anderen Mann, der Sie beide so lieben wird, wie Sie es verdienen. Und das ist noch nicht alles.“

„Doch, das ist es“, widersprach Bia und wandte sich ab.

„Ihre Familie wird Sie während der Schwangerschaft unterstützen. Sie haben nichts zu befürchten.“

Autor

Nancy Robards Thompson
<p>Nancy Robards Thompson, die bereits mit vielen Preisen ausgezeichnet wurde, lebt in Florida. Aber ihre Fantasie lässt sie Reisen in alle Welt unternehmen – z. B. nach Frankreich, wo einige ihrer Romane spielen. Bevor sie anfing zu schreiben, hatte sie verschiedene Jobs beim Fernsehen, in der Modebranche und in der...
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