Küsse verraten so viel

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Seit vier Jahren hat Casey ihren Mann Bobby nicht gesehen, als sie die Nachricht erreicht, dass er bei einem Turnier verletzt wurde. Sofort eilt sie zu ihm ins Krankenhaus - auch wenn sie nur mehr gute Freunde sind, will sie ihn in dieser Zeit nicht allein lassen. Als sie ihn zärtlich begrüßt, erwachen ganz neue heiße Gefühle in ihr …


  • Erscheinungstag 05.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756833
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Casey Carmichael stieß die schwere Tür zum Saloon auf und trat aus der klaren Nachtluft in die stickige Bar. Ihre Augen brannten, und der Zigarettenqualm kratzte ihr in der Kehle. Da sie möglichst unbemerkt bleiben wollte, unterdrückte sie den Hustenreiz, während sie den blauen Dunst mit ihren Blicken zu durchdringen versuchte.

Irgendwo in diesem von Lärm erfüllten Raum musste er sein. Sie hatte schon in Erfahrung gebracht, dass er noch in der Stadt war, obwohl er das Rodeo verloren hatte. Sie war verzweifelt, doch das brauchte er nicht zu wissen. Irgendwie musste sie ihn davon überzeugen, dass sie beide von ihrem Plan profitieren würden. Was sie betraf, sie hatte nichts zu verlieren. Und was ihn anging, so hoffte sie, ihren Vorschlag so verlockend wie irgend möglich klingen zu lassen, damit der Mann zumindest darüber nachdachte.

Casey zog sich den Stetson tief ins Gesicht. Ihren langen Zopf hatte sie unter den Hut gezwängt. In der Hoffnung, wenigstens im ersten Moment nicht gleich als Frau erkannt zu werden, trug sie ihre ältesten Jeans und eine abgewetzte Denim-Jacke, die ihr mehrere Nummern zu groß war und die sie im Stall gefunden hatte.

Sie zog die Blicke der Anwesenden auf sich, aber sie konnte nicht sagen, ob ihr die Verkleidung gelungen war. Vielleicht war es hier einfach üblich, dass jeder Neuankömmling erst einmal gründlich gemustert wurde. Da sie heute Abend zum ersten Mal einen solchen Ort aufsuchte, waren ihr die Sitten nicht geläufig.

Casey straffte die Schultern und ließ den Blick betont gelangweilt durch den Raum schweifen. Schon bald erlosch das Interesse an ihr, und die anderen Gäste wandten sich wieder ihrer Unterhaltung zu. Casey stieß einen leisen Stoßseufzer aus, bevor sie sich daranmachte, den Mann zu suchen, den zu finden sie ihren Ruf und ihre Zukunft aufs Spiel setzte.

Sie kannte ihn noch nicht einmal persönlich, sondern hatte lediglich einen Schnappschuss von ihm gesehen, der ihn nach einem Bullen-Rodeo vor ein paar Jahren zeigte. Bei dem gedämpften Licht und dem blauen Dunst im Saloon zweifelte sie, ob sie den Mann überhaupt erkennen würde, wenn er hier war.

Plötzlich wurde die Tür hinter ihr schwungvoll aufgestoßen, und Casey taumelte beinahe gegen einen Tisch. Hastig ging sie weiter in den Raum. Eine Gruppe Cowboys stürmte herein, in eine hitzige Diskussion über das Rodeo vertieft.

Rasch ließ sie den Blick prüfend über die Gesichter der Männer gleiten, doch keines kam ihr bekannt vor. Noch länger hier vor der Tür herumzuhängen brachte sie auch nicht weiter. So gleichgültig wie möglich schlenderte sie zur Bar, die sich über den rückwärtigen Teil des Saloons erstreckte. Dabei musterte sie aufmerksam die Männer auf den Barhockern. Doch keiner glich der Beschreibung des Mannes, den sie so verzweifelt suchte.

Casey rief sich alles, was sie über den Mann gehört hatte, noch einmal in Erinnerung. Zum einen war er als Einzelgänger bekannt. Zumindest wenn er verloren hatte, so wie heute. Er würde also vermutlich allein sitzen. In diesem Moment erspähte Casey in der hintersten Sitzecke eine einsame Gestalt. Der Mann hatte andere Gäste erfolgreich davon abgehalten, sich zu ihm zu setzen, indem er die Füße, die in ausgetretenen Cowboystiefeln steckten, lässig auf die gegenüberliegende Bank gelegt hatte.

Das könnte der Mann sein, nach dem sie suchte. Casey schluckte hart und befahl ihren Knien, nicht zu zittern, jetzt, da sie schon so weit gekommen war.

Sie blieb neben dem Mann stehen und wartete darauf, dass er zu ihr aufblickte. Doch er ignorierte ihre Gegenwart; er hatte seine Aufmerksamkeit fest auf die langhalsige Bierflasche vor ihm auf dem Tisch gerichtet. Die tief in die Stirn gezogene Krempe seines Hutes verdeckte sein Gesicht fast vollständig. Casey sah nur sein energisches Kinn, doch von ihm ging eine besondere Ausstrahlung aus, die ihr die Gewissheit gab, den richtigen Mann gefunden zu haben.

Sie räusperte sich und fragte: „Sind Sie Bobby Metcalf?“

Sekundenlang rührte er sich weder, noch antwortete er. Casey fragte sich schon, ob er sie bei all dem Lärm hier überhaupt gehört hatte, als er plötzlich mit rauer Stimme barsch hervorbrachte: „Wer will das wissen?“

Sie setzte sich auf die Kante der Bank ihm gegenüber. Aus diesem Blickwinkel konnte sie hohe Wangenknochen erkennen, tief liegende Augen und eine Nase, die mehr als einmal gebrochen gewesen war.

„Mein Name ist Casey Carmichael. Falls Sie Bobby Metcalf sind, dann muss ich mit Ihnen reden.“

„Worüber?“

Obwohl Casey sich ihre kleine Rede ganz genau zurechtgelegt hatte, ließ ihr Gedächtnis sie im Stich, gerade jetzt, da sie dem Mann endlich gegenübersaß. Sie stützte die Arme auf den Tisch und beugte sich vor, um seine Augen zu sehen. „Sind Sie Bobby Metcalf?“

„Vielleicht“, brummte er. „Wer zum Teufel sind Sie, und was wollen Sie?“

„Für den Anfang wäre ich schon mit ein bisschen Höflichkeit zufrieden“, erwiderte sie schnippisch, bevor sie sich beherrschen konnte. Mühsam unterdrückte sie einen Seufzer. Die Sache entwickelte sich ganz und gar nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte.

Der Mann hob den Kopf und starrte sie kalt an. „Sie wollen doch unbedingt etwas von mir, Sugar. Ich sitze hier friedlich und kümmere mich um meine eigenen Angelegenheiten. Das sollten Sie auch mal versuchen.“

Casey spürte, wie sie rot wurde. Sie richtete sich kerzengerade auf. „Hören Sie“, begann sie gedämpft. „Ich brauche wirklich Ihre Hilfe, sonst wäre ich nicht hier. Eine Freundin hat mir von Ihnen erzählt, und ich …“

„Welche Freundin?“

„Dolores Bennett. DeeDee und ich …“

„Nie von ihr gehört“, entgegnete er abweisend, setzte die Bierflasche an und trank sie in einem Zug leer. Als er sie auf den Tisch stellte, bedeutete er der Bedienung, ihm noch eine Flasche zu bringen.

Casey bestellte eine Cola. Sie wartete, bis die Bedienung wieder verschwunden war. Dann sagte sie: „DeeDees Bruder nimmt immer an den Wettbewerben teil. Er …“

„Meinen Sie Bulldog-Bennett?“ Zum ersten Mal schwang in seiner Stimme ein Anflug von Belustigung mit.

„Sein Name ist Brad. Ich weiß nicht …“

„Derselbe Bursche. Dann kennen Sie Bulldog also?“

„Nicht besonders gut. Seine Schwester und ich sind zusammen zur Schule gegangen. Die Familie besitzt eine Ranch in der Nähe von Cielo.“

Die Bedienung brachte Cola und Bier, und der Mann schob ihr einige Münzen hin. „Der Rest ist für Sie.“

„Danke, Bobby.“

Jetzt wusste Casey wenigstens, dass sie mit dem richtigen Mann sprach.

Es gab keine Möglichkeit, ihm elegant zu eröffnen, weshalb sie hier war, also packte sie den Stier gleich bei den Hörnern. „Nächsten Samstag werde ich heiraten“, erklärte sie ohne Umschweife.

„Herzlichen Glückwunsch.“ Er setzte die Flasche an, ohne Casey noch einmal anzusehen.

Jetzt kam der schwierige Teil. „Nur kann ich die Sache so nicht durchziehen.“

Er setzte die Flasche ab und musterte sie irritiert. „Sie wenden sich da an den Falschen, Sugar. Mir scheint, Ihr Auserwählter würde einiges darum geben, diese Neuigkeit als Erster zu erfahren.“

Leider hatte DeeDee vergessen zu erwähnen, wie ironisch Bobby Metcalf sein konnte. Aber Casey war sich ja nicht einmal sicher, wie gut DeeDee Bobby überhaupt kannte. Die meisten Geschichten über ihn wusste sie von ihrem Bruder. Casey konnte bloß hoffen, dass sie nicht übertrieben hatte und dass Bobby tatsächlich so unkonventionell war wie sein Ruf.

„Ich weiß, das ergibt für Sie im Moment alles noch keinen Sinn. Aber als DeeDee mir von Ihnen erzählt hat, sagte sie, dass ihr Bruder …“ Ihre Stimme erstarb. Casey räusperte sich, unfähig, ihren Satz zu beenden, als sie bemerkte, wie ihr Gegenüber sich starr aufrichtete und sie finster anstarrte.

Sie griff nach ihrer Cola und nahm hastig einen Schluck, wobei sie sich fast verschluckte.

„Was genau hat Bulldog über mich gesagt?“ Seine Stimme klang gefährlich leise.

„Nun, er … DeeDee erwähnte, dass …“

„Ja?“

Hastig fuhr sie fort: „Dass Sie in Las Vegas eine überstürzte Ehe mit einer Frau eingegangen sind, die Sie kaum kannten.“

Er musterte sie in einer Mischung aus Abneigung und Belustigung. „Das ist lange her, Sugar, da war ich noch jung und dumm. Ich hoffe doch, mit den Jahren ein wenig klüger geworden zu sein.“ Er starrte nachdenklich auf seinen Drink, bevor er fortfuhr: „Was geht Sie dieser Schnee von gestern überhaupt an?“

„Wie viel muss ich Ihnen anbieten, damit Sie mich heiraten?“

Was immer Casey auch erwartet hatte, wie Bobby Metcalf auf diese Frage reagieren würde, sie hatte nicht damit gerechnet, dass er ihr schallend ins Gesicht lachen würde. Nun, immerhin waren sie einander völlig fremd. Er hatte keinen Grund, sie ernst zu nehmen. Doch irgendwie musste sie es schaffen, ihn davon zu überzeugen, dass sie nie in ihrem Leben etwas ernster gemeint hatte.

„Habe ich Sie richtig verstanden?“, fragte er schließlich, die Bierflasche zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her schwingend. „In einer Woche möchten Sie heiraten. Angeblich ist alles längst arrangiert. Und auf einmal wollen Sie einen vollkommen Fremden heiraten, weil Sie offenbar das Gefühl haben, dass Ihr Verlobter doch nicht so recht zu Ihnen passt. Wäre es nicht einfacher, die ganze Sache einfach abzublasen?“

Wenn Casey nicht schon jede andere Möglichkeit in Erwägung gezogen und wieder verworfen hätte, dann wäre sie jetzt einfach aufgestanden und wortlos gegangen. Stattdessen nippte sie erneut an ihrer Cola, während sie die Alternativen überdachte. Einen Fremden dazu zu überreden, sie zu heiraten, war für sie im Moment der beste Ausweg aus ihrem Dilemma. Jetzt musste sie nur Überzeugungsarbeit leisten und Bobby Metcalf ihre Beweggründe vernünftig darlegen, damit er ihr aus der Patsche half.

„Lassen Sie mich bitte erklären, damit Sie mein Problem verstehen“, begann sie, sehr zufrieden mit ihrem vernünftigen Ton. „Ich bin seit knapp einem Jahr mit Steve Whitcomb verlobt. Ich weiß, wie albern das in Ihren Ohren klingen muss, aber mir ist erst kürzlich bewusst geworden, dass ich ihn nur heiraten wollte, um meinem Vater einen Gefallen zu tun.“

Casey starrte auf die Eiswürfel in ihrem Glas. Es kostete sie große Überwindung, ihre Gefühle in Worte zu fassen. „Steve ist genau der Mann, den sich mein Vater immer als Sohn gewünscht hatte. Mir war von jeher bewusst, welche Enttäuschung ich für ihn war.“

Mit einem leichten Achselzucken fuhr sie fort: „Wer weiß, vielleicht habe ich mir eingebildet, in Daddys Achtung zu steigen, indem ich Steve heirate. Außerdem habe ich wirklich geglaubt, in ihn verliebt zu sein. Er hat mich behandelt, als sei ich etwas ganz Besonderes, als würde ich ihm wirklich etwas bedeuten.“ Sie schluckte. Jetzt kam der demütigendste Teil. „Vor ein paar Wochen habe ich jedoch zufällig herausgefunden, dass er während unserer gesamten Verlobungszeit mit einer anderen Frau zusammen war. Er liebt mich nicht. Er ist ein verlogener Heuchler, der …“

„Immer langsam, Sugar“, unterbrach Bobby sie. „Die besonderen Eigenschaften Ihres Auserwählten wollte ich gar nicht wissen. Hören Sie, wenn sie ihn nicht mehr heiraten wollen, warum blasen Sie die Sache dann nicht einfach ab?“

„Glauben Sie etwa, das hätte ich nicht versucht? Als ich Steve mit der Wahrheit konfrontierte, hat er mir frech ins Gesicht gelacht und mich aufgefordert, mit meinem Vater über meine Gefühle zu reden. Dummerweise ist mein Vater davon überzeugt, dass ich zu jung bin, um zu wissen, welcher Mann zu mir passt. Da er sich etwas darauf einbildet, den Mann höchstpersönlich ausgewählt zu haben, der einmal sein Imperium übernehmen soll, behauptet er einfach, ich litte lediglich an vorehelichem Fracksausen. Das waren seine Worte. Und Steves Untreue soll ich einfach ignorieren. Tatsächlich hat er sich mehr darüber geärgert, dass ich die Sache rausgekriegt habe, als darüber, dass Steve eine Freundin hat.“

„Und was sagt Ihre Mutter zu dem Ganzen?“

„Keine Ahnung. Sie hat meinen Vater verlassen, als ich acht war. Ich habe nie wieder etwas von ihr gehört. Wenn er sie so behandelt hat, wie er mit mir umspringt, wundert es mich nicht, dass sie abgehauen ist. Meinem Vater zufolge besitzen Frauen weder Verstand noch Vernunft. Deshalb brauchen wir Männer, damit sie für uns das Denken übernehmen.“

Bobby musterte sie prüfend. „Was sagten Sie, wie Sie heißen?“

„Casey Carmichael.“

Er nickte wissend, als hätte sie eine Annahme bestätigt. „Graham Carmichaels Tochter, hm? Sieht aus, als hätten Sie seine Frechheit geerbt. Einen fremden Mann einfach so zu fragen, ob er Sie heiraten will. Was haben Sie vor? Einen handfesten Skandal zu provozieren, um die Aufmerksamkeit Ihres Vaters zu erregen?“

Casey erwiderte nichts darauf, aus Angst, laut loszuschreien. Innerlich kochte sie vor Wut. Noch so ein widerwärtiges Exemplar der männlichen Spezies. Hielt das Schicksal nur solche Ekelpakete für sie bereit? Dann wollte sie lieber gar nicht heiraten, nicht mal der Form halber.

Sie nickte bedächtig. „Yeah, vermutlich haben Sie recht. Ich bin ganz wild darauf, im Mittelpunkt zu stehen, das ist alles. Nun, Mr. Metcalf, es tut mir sehr leid, Sie belästigt zu haben. Ich lasse Sie jetzt in Ruhe, damit Sie sich weiter sinnlos besaufen können.“

Als sie aufstehen wollte, stellte sie verärgert fest, dass er seine Füße inzwischen so neben ihr auf der Bank platziert hatte, dass sie in der Falle saß.

„Wie alt sind Sie, kleines Mädchen?“

„Was macht das für einen Unterschied? Würden Sie bitte Ihre Füße wegnehmen, damit ich gehen kann?“

„Seien Sie nachsichtig mit mir, okay? Tut mir leid, wenn ich Sie verärgert habe, aber Sie müssen zugeben, dass Ihre Bitte ein wenig ungewöhnlich klingt. Also, weil Bulldog-Bennett Ihnen diese alte Geschichte von mir erzählt hat, dachten Sie, ich sei bereit, Sie ebenfalls Hals über Kopf zu heiraten?“

Sie biss die Zähne zusammen. „Ich will nichts weiter als meine Freiheit … von Steve, von meinem Vater und von meinem bisherigen Leben. Ich dachte, wenn wir eine rein geschäftliche Vereinbarung treffen, helfen Sie mir, und auch Sie werden davon profitieren.“

„Und was wäre das in meinem Fall?“

„Ich habe gehört, dass Sie Ihr ganzes Geld auf die Seite legen, um eine eigene Ranch zu kaufen.“

„Ach, so?“

„Sobald ich verheiratet bin, steht mir eine größere Summe aus einem Treuhandfonds zu. Ich bin bereit, das Geld mit Ihnen zu teilen.“

„Was sagten Sie, wie alt Sie sind?“

„Mein Alter habe ich nicht erwähnt, aber zu Ihrer Information, ich bin achtzehn.“

„So alt, hm? Das erklärt einiges. Zunächst einmal ist es nicht besonders klug, durch die Gegend zu rennen und Fremden Ihr Geld anzubieten. Es könnte tatsächlich jemand unverschämt genug sein, Sie beim Wort zu nehmen. Zweitens gereicht es Ihnen nicht zur Ehre, irgendeinen dahergelaufenen Kerl zu bestechen, mit Ihnen die Ehe einzugehen. Und drittens, was zum Teufel haben Sie sich bloß dabei gedacht, so jung zu heiraten? Warum unterstützt Ihr Vater diesen Blödsinn auch noch?“

„Es war Steve, der unbedingt heiraten wollte, sobald ich mit der Highschool fertig bin. Ich dachte, ich könnte anschließend aufs College gehen, auch wenn ich verheiratet bin. Ich habe wirklich geglaubt, dass Steve versteht, wie ernst es mir damit ist, eine vernünftige Ausbildung zu absolvieren. Solange ich zurückdenken kann, habe ich immer davon geträumt, Tierärztin zu werden. Doch jetzt musste ich feststellen, dass weder mein Vater noch Steve damit einverstanden sind, dass ich studiere.“

„Wie alt ist dieser Steve?“

„Ich weiß nicht genau. Knapp über dreißig. Zweiunddreißig, glaube ich.“

„So alt schon? Ich raube Ihnen ungern Ihre Illusionen, aber ich bin auch kein Küken mehr. Tatsächlich gehe ich ziemlich hart auf die Dreißig zu.“

„Es ist mir egal, wie alt Sie sind. Mir kommt es lediglich darauf an, meinem Vater unmissverständlich klarzumachen, dass ich Steve nicht heiraten kann, weil ich nämlich schon mit einem anderen Mann verheiratet bin. Danach können wir unsere Ehe getrost annullieren, und jeder geht seiner Wege. Als DeeDee mir von Ihnen erzählt hat, schienen Sie mir der perfekte Kandidat zu sein.“ Ihr Ton machte deutlich, dass sie ihre Meinung darüber inzwischen gründlich geändert hatte.

Bobby seufzte. „Der einzige Ruhm, den ich erworben habe, war eine unbedachte Heirat in Las Vegas. Diese Geschichte wird mir wohl für den Rest meines Lebens anhängen.“

„Seien Sie doch nicht so bescheiden. Das ist schließlich nicht die einzige Heldentat, auf die Sie stolz sein können. Schließlich sind Sie Weltchampion im Bullen-Rodeo …“

„Erinnern Sie mich bloß nicht daran. Jeden Morgen beim Aufstehen beklagt sich mein Körper über mein verpfuschtes Leben.“

Casey sah ihn neugierig an. „Denken Sie über mein Angebot nach?“

Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Sehen Sie, Sugar, es war wirklich sehr amüsant, Ihnen zuzuhören, aber ich habe keine Lust, mich in Ihre Pläne einspannen zu lassen. Ist Ihnen nie in den Sinn gekommen, dass Ihr Herr Papa vielleicht recht hat? Vielleicht haben Sie einfach nur Lampenfieber. So etwas kommt vor, wissen Sie? Dieser Steve ist vermutlich gar nicht so übel. Wie kommen Sie überhaupt darauf, dass er Sie betrügt?“

„Meinen Sie, abgesehen von dem zweijährigen Kind, das er zusammen mit dieser Frau hat? Oder der Tatsache, dass er sich vor seinen Freunden über mich lustig macht und sich auch noch einbildet, ich merke von alledem nichts? Oder …“

„Schon gut, das reicht. Und Ihrem Vater ist das alles vollkommen gleichgültig?“

„Mein Vater hält mich für überempfindlich. Er sagt, wenn ich nur halbwegs die Frau bin, für die er mich hält, dann sollte ich in der Lage sein, Steves Interesse auf mich zu fixieren.“ In ihrer Stimme schwang deutliche Abscheu mit.

„Davon verstehe ich nichts. Ich weiß nur, dass ich mich nicht einspannen lassen will, um es Ihrem Dad und seinem handverlesenen Kandidaten heimzuzahlen.“ Er stand auf. „Ich brauche jetzt dringend meinen Schlaf. Morgen muss ich früh aufstehen. Ich schlage vor, Sie gehen nach Hause, bevor man Sie vermisst. Wir tun einfach so, als hätte diese Unterhaltung nie stattgefunden, okay?“

Casey stand ebenfalls auf und wandte sich abrupt ab. Mühsam kämpfte sie gegen die aufsteigenden Tränen an, die sie vor diesem Scheusal von Mann bloßstellen würden. Ohne sich noch einmal umzudrehen, ging sie zur Tür und trat hinaus auf den kiesbestreuten Parkplatz.

Als sie ihren roten Kompaktwagen seufzend aufschloss, spürte sie auf einmal eine schwere Männerhand auf ihrer Schulter. Sie wirbelte herum und hätte den Mann mit dem Knie fast an seiner empfindlichsten Stelle getroffen, doch in letzter Sekunde erkannte sie Bobby Metcalf.

„Immer mit der Ruhe, Sugar“, beschwichtigte er sie und umfasste ihre Hand. „Durch Ihre impulsive Art werden Sie irgendwann gewaltige Schwierigkeiten bekommen.“

„Was wollen Sie denn noch von mir?“, fuhr sie ihn schnippisch an und befreite sich aus seinem Griff.

„Ich weiß auch nicht warum, aber irgendwie fühle ich mich für Sie verantwortlich. Muss wohl an Ihrer verdrehten Art liegen. Ich wollte bloß wissen, was Sie jetzt vorhaben.“

„Nach Hause gehe ich auf keinen Fall zurück“, versetzte sie so dickköpfig, als hätte er ganz genau das von ihr verlangt. In Gedanken entwarf sie einen neuen Plan, einen Plan, der weder ihrem Vater noch Bobby Metcalf gefallen würde. „Ich fahre nach Las Vegas, bleibe ein paar Tage dort, und dann geht es weiter nach Kalifornien. Ich wollte schon immer mal nach Los Angeles. Mein Vater kommt nie und nimmer auf die Idee, außerhalb des Staates nach mir zu suchen.“

„Das bezweifle ich stark, zum Teufel. So wie Ihr Verstand arbeitet, würde ich an Ihres Vaters Stelle mit dem Schlimmsten rechnen und alle Hebel in Bewegung setzen, um Sie zu finden, wenn Sie meine Tochter wären. Sie sind wohl von allen guten Geistern verlassen, Mädchen! Wissen Sie denn nicht, wie gefährlich es für eine Frau ist, allein zu reisen? Besonders nach Las Vegas! Wenn Sie es wie durch ein Wunder schaffen sollten, dort nicht ausgeraubt und vergewaltigt zu werden, dann planen Sie also einen netten Trip nach Los Angeles?“ Er schüttelte ungläubig den Kopf. So wie er Casey einschätzte, würde dabei nichts Gutes herauskommen.

Aber das Ganze ging ihn doch eigentlich gar nichts an. Nur weil irgendein durchgeknalltes Mädchen ihn um Hilfe bat, hieß das noch lange nicht, dass er bei dieser Schnapsidee auch noch mitmachen würde.

Warum also machte er sich fortwährend Gedanken? Warum machte er sich Sorgen um sie?

Weil er ein Idiot war, deshalb.

Ehe er es sich noch einmal anders überlegen konnte, sagte er: „Hören Sie, ich bin nicht scharf auf Ihr Geld, aber falls Sie wirklich der Meinung sind, dass es Ihnen aus dem Schlamassel hilft, dann fahre ich mit Ihnen nach Las Vegas und heirate Sie. Ich finde zwar nach wie vor, dass Sie einen Fehler machen, aber ich wage gar nicht daran zu denken, auf was für verrückte Einfälle Sie sonst noch kommen könnten.“

Casey starrte ihn ungläubig an. „Meinen Sie das wirklich ernst?“

„Yeah, ich glaube schon. Sie müssen mir aber versprechen, Ihre Ausbildung fortzusetzen und nicht durch die Gegend zu laufen und Fremden Ihr halbes Erbe anzubieten, wenn Sie deren Hilfe brauchen.“ Gerührt registrierte er die Tränen in ihren Augen. „Also, was ist nun?“, herrschte er sie ungeduldig an. Er hasste weinende Frauen!

„Vielen Dank, Bobby. Ich kann Ihnen gar nicht genug danken.“

„Nun, da könnten Sie recht haben. Diese kleine Aktion wird sicherlich zu meinem Ruhm beitragen. Ich hole eben schnell meine Tasche aus dem Truck, und dann geht es los. Wir haben heute Nacht noch einen weiten Weg vor uns.“

„Sie meinen, wir sollen sofort losfahren?“

„Sie haben doch selbst gesagt, dass Sie nicht zurück nach Hause wollen. Und ich muss demnächst zu einem Rodeo nach Wyoming. Wenn Sie mich also als Ehemann benötigen, dann sollten Sie lieber sofort zugreifen.“

Ihr Lachen klang ein wenig gezwungen. In gespielter Verzweiflung blickte sie an sich hinunter. „Ich wünschte, ich hätte noch ein paar Sachen zum Wechseln eingepackt. Aber vermutlich ist es ganz egal, auch wenn ich in Jeans heirate.“

„Sobald wir in Las Vegas sind, können wir uns etwas Neues zum Anziehen besorgen und auch ein Hotelzimmer. Nach dieser Gewalttour brauche ich eine Mütze voll Schlaf, bevor wir zurückfahren. Außerdem wirkt die ganze Sache weitaus überzeugender auf Ihren Vater und Ihren Verlobten, wenn wir dort übernachten.“

„Das klingt vernünftig“, erwiderte sie und merkte, wie sie errötete.

Bobby ging zum Truck, um seine Ausrüstung zu holen. Doch dann überlegte er es sich anders. Er machte kehrt und öffnete die Fahrertür von Caseys Wagen. „Das ist nicht das erste Mal, dass ich meine gesamte Habe in einem Truck vor einer Bar zurücklasse. Und vermutlich auch nicht das letzte Mal. Es wird schon nichts passieren. So, jetzt aber los. Ich fahre, bis ich müde werde, dann lösen Sie mich ab. Wir haben eine ziemliche Strecke vor uns. Bis Las Vegas sind es 850 Meilen. Es wird später Vormittag, bis wir da sind. Sie täten gut daran, unterwegs so viel wie möglich zu schlafen.“

Casey schlüpfte auf den Beifahrersitz, und Bobby lenkte den Wagen vom Parkplatz. Dann schaltete er das Radio ein. Er brauchte Musik, um sich wach zu halten. Während er westwärts fuhr, malte er sich in Gedanken aus, wie er diesem Mr. Graham Carmichael und dem nicht minder abstoßenden Mr. Steve Whitcomb ordentlich die Meinung sagen würde, weil sie Casey in ihrem jungen Leben schon so viel Schmerz zugefügt hatten. Diese Frau verdiente etwas Besseres, und er schwor sich, dafür zu sorgen, dass sie es in Zukunft auch bekam.

2. KAPITEL

Sie waren irgendwo westlich von Winslow, Arizona, als Casey der Gedanke kam, dass sie möglicherweise doch recht impulsiv gehandelt hatte, indem sie sich einem völlig Fremden an den Hals warf. Während sie durch die sternklare Nacht brauste, blieb ihr genug Zeit, um über ihr unüberlegtes Verhalten nachzugrübeln.

Autor

Annette Broadrick
<p>Bis Annette Broadrick mit sechzehn Jahren eine kleine Schwester bekam, wuchs sie als Einzelkind auf. Wahrscheinlich war deshalb das Lesen immer ihre liebste Freizeitbeschäftigung. Mit 18 Jahren, direkt nach ihrem Abschluss an der Highschool, heiratete sie. Zwölf Monate später wurde ihr erster Sohn geboren, und schließlich wurde sie in sieben...
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