Laurels kleine Pension am Meer

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In Kalifornien wagt die verwitwete Laurel einen Neuanfang. Nur ihre Kinder zählen für sie – bis ihr Nachbar Mark, ein smarter Handwerker, Laurel in ihrer kleinen Pension am Meer hilft. Doch die Sehnsucht nach Liebe, die er in ihr weckt, passt so gar nicht in ihr neues Leben …


  • Erscheinungstag 27.07.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751522946
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Die hübsche Dunkelhaarige, die mit einem sperrigen Umzugskarton und einem mit wer weiß was gefüllten Müllsack beladen war, brauchte offensichtlich Hilfe. Mark Delaney hatte sie gestern schon bemerkt, oder vielmehr hatte der Anblick ihres wippenden Pferdeschwanzes seine Aufmerksamkeit erregt.

Um die drohende Katastrophe abzuwenden, sprang er von der Leiter, von der aus er die Dachrandverkleidung des Drumcliffe-Hotels strich, wobei er mit einem Knöchel umknickte. Beim Überqueren der Straße versuchte er, sein Humpeln zu verbergen.

„Brauchen Sie Hilfe?“

„Oh!“ Da ihr der Karton runterzurutschen drohte, sah sie ihn voller Dankbarkeit an. „Ja, bitte.“

Mark griff rasch zu. Der Karton war überraschend leicht.

„Da ist mein englisches Lieblings-Teegeschirr drin. Ganz schön leichtsinnig von mir, oder?“ Sie atmete erst mal erleichtert auf und lächelte dann freundlich. „Ich bin übrigens Laurel Prescott. Und Sie sind?“

„Mark Delaney.“ Mit der freien Hand zeigte er auf die andere Straßenseite. „Meiner Familie gehört das Drumcliffe.“

Sie hob die hellbraunen Augenbrauen, ein paar Schattierungen heller als ihr Haar. „Ach, dann sind wir ja Nachbarn.“

Nachdem er den Karton auf ihrer Veranda abgestellt hatte, fiel ihm auf, dass ihre Augen haselnussbraun und mandelförmig waren. Hübsche Augen. „Sieht so aus. Wann wollen Sie Ihr Bed & Breakfast eröffnen?“

Sie holte tief Luft. „Gute Frage. Eigentlich wollte ich schon nächste Woche anfangen, aber es gibt noch so viel zu tun, das ich vorher nicht bedacht habe.“ Sie schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht habe, ausgerechnet in der ersten Schulwoche umzuziehen.“ Scheppernd schwang sie den Müllbeutel über eine Schulter. „Ach ja, jetzt fällt’s mir wieder ein – ein paar Stunden für mich allein?“

Er musste lachen. „Haben Sie noch etwas, das reingetragen werden muss?“

Ihre sehr hübschen Augen leuchteten so erfreut auf, als sei er ein Geschenk des Himmels. Was ein verdammt gutes Gefühl war. „Haben Sie denn überhaupt Zeit?“, fragte sie. „Ich meine, Sie sind doch gerade beim Streichen.“

Mark senkte den Blick zu seinem schwarzen T-Shirt und seiner Jeans mit den Farbflecken. „Ich wollte sowieso gerade Pause machen.“ Er warf einen Blick auf die noch offene Farbdose auf der anderen Straßenseite. „Einen Moment, okay? Ich muss noch kurz die Dose schließen.“

„Natürlich!“ Sie stieg die Verandastufen zu dem prächtigen viktorianischen Haus im Queen-Anne-Stil hoch, das laut Marks Mutter schon eine Ewigkeit leer stand. In Marks Kindheit und Jugend hatte dort ein sympathisches altes Paar gewohnt. Bei ihnen hatte er mal den besten Apfelkuchen bekommen, den er je gegessen hatte.

In den letzten Monaten waren ständig Handwerker im Haus ein- und ausgegangen und hatten den heruntergekommenen Kasten in seine ursprüngliche Pracht zurückversetzt. Seitdem sie vor ein paar Wochen fertiggeworden waren, strahlte die ehemals abblätternde undefinierbar blaue Fassade mit dem großen Erker und der Rundum-Veranda in frischem Salbeigrün mit cremefarben abgesetzten Fensterrahmen und Türen und dunkelgrün gestrichenen Gesimsen. Mark musste zugeben, dass das Haus jetzt richtig Klasse hatte.

Genauso wie seine Besitzerin. Denn genau das war sein erster Eindruck von seiner neuen Nachbarin gewesen, als sie letzte Woche vorbeigekommen war, um sich das Ergebnis anzusehen – dass sie in einer ganz anderen Liga spielte als er.

Bei ihrem Anblick in Arbeitsklamotten – ausgeblichene, gerade geschnittene Jeans und ausgeleiertes Polohemd, das mal bessere Tage gesehen hatte – musste er lächeln. Jetzt passte sie schon viel besser zu ihm. Und trug zum zweiten Mal nacheinander einen Pferdeschwanz. Nicht dass er mitzählte, aber er fand die Frisur bei ihr irgendwie süß.

„Ein bisschen zu früh für eine Pause, oder nicht?“, fragte Marks Großvater, als er gerade den Deckel auf die Farbdose setzte. Padraig Delaney trug eine bunte Golfhose und ein lachsfarbenes Hemd und kam anscheinend gerade vom Golfplatz. Dank seines Hobbys, dem er täglich nachging, war er immer sonnengebräunt, was seine blauen Augen und seine weißen Zähne noch mehr betonte. Beides blitzte auch jetzt auf, als er sah, wo Mark herkam und wer auf der anderen Straßenseite beschäftigt war.

Mark erwiderte das Lächeln seines Granddas, der Guinness liebte und an übernatürliche Kräfte glaubte. Sie hatten einen ganz besonderen Draht zueinander, da sie beide wussten, wie es war, jung und weit weg von zu Hause zu sein und sich ängstlich und einsam zu fühlen, auch wenn einer von ihnen das in Friedenszeiten erlebt hatte und der andere in der Hölle des Mittleren Ostens.

Jeder kannte Padraig Delaneys Geschichte. In den 1950ern war er aus Irland ausgewandert, um beim Bau von Golfplätzen entlang der kalifornischen Küste mitanzupacken. Trotz seines mageren Lohns hatte er eisern gespart und sich schließlich ein kleines Stück Land in Sandpiper Beach gekauft. Je mehr Verantwortung er in seinem Job übernommen hatte, desto besser hatte er verdient, sodass er es sich Ende der Sechziger hatte leisten können, auf dem Grundstück ein kleines Hotel zu errichten.

Wer weiß, was aus dem Delaney-Clan geworden wäre, wenn Padraig seinen Traum nicht verwirklicht hätte. Also gönnte Mark seinem Großvater sein vormittägliches Golfspiel von Herzen. Der Mann hatte es sich redlich verdient.

So wie er auch Padraigs ständige Einmischung in sein Leben tolerierte. „Ich werde schon noch rechtzeitig fertig, keine Sorge. Lief das Spiel gut?“

„Jedes Spiel ist ein gutes Spiel, Marky, my boy, weil ich noch am Leben bin.“

Seit seiner Rückkehr aus Afghanistan letztes Jahr hörte Mark diesen Spruch täglich. Ihm war nur allzu klar, dass sein Großvater ihm damit auf nicht allzu subtile Art etwas sagen wollte, auch wenn er noch nicht wirklich wusste, was.

Heute jedoch, beim Anblick der Lady mit dem Pferdeschwanz auf der anderen Straßenseite, die seine Hilfe so dringend benötigte, bekam er plötzlich eine Ahnung. „Das stimmt, Grandda. Völlig richtig.“

„Verbrüderst du dich etwa mit der Konkurrenz?“

Mark lachte. Er wusste, dass Grandda nur einen Witz machte. Seine Mutter war die Einzige in der Familie, die sich Sorgen wegen des B&Bs machte. Padraig Delaney hingegen wusste, dass ein Hotel eine ganz andere Klientel als ein Bed & Breakfast anzog. Das Haus auf der anderen Straßenseite war daher keine Konkurrenz, sondern brachte frischen Wind in die Stadt, und davon würden alle profitieren. „Ich helfe nur einer Nachbarin.“

„Einer sehr attraktiven Nachbarin, wie ich hinzufügen möchte.“ Der alte Mann zwinkerte zweideutig, was Mark jedoch ignorierte.

„Hast du inzwischen mal darüber nachgedacht, ob du das Hotel übernimmst?“

Mark stellte die Farbdose an die Hotelmauer, klappte die Leiter zusammen und lehnte sie daneben. „Ich bin noch nicht so weit. Außerdem wollen Mom und Dad sich doch noch gar nicht zur Ruhe setzen.“ Zumindest hoffte er das.

„Schwer vorstellbar, da sie von morgens bis abends über nichts anderes reden. Außerdem bist du der Einzige, der dieses Hotel so liebt wie ich.“

Mark konnte nicht leugnen, dass er von den drei Delaney-Brüdern am geeignetsten dafür war, das Hotel zu übernehmen. Daniel war Physiotherapeut mit eigener Praxis und Conor Deputy Sheriff. Keiner von ihnen zeigte auch nur das geringste Interesse am Hotel. Doch seitdem Mark vor einem Jahr ehrenhaft aus der Armee entlassen worden war, schreckte er vor der Verantwortung zurück. Es reichte ihm völlig, sich vormittags als Handwerker zu betätigen und nachmittags surfen zu gehen. Er hatte zwar Pläne für das Drumcliffe, aber seine Eltern gebeten, ihm noch Zeit zu lassen und vorerst nicht in den Ruhestand zu gehen. Es war einfach noch zu früh.

Als Mark den Kopf senkte, um seinem Grandda zu signalisieren, dass er keine Lust auf ein Gespräch über die Zukunft des Familienhotels hatte, räusperte der sich resigniert, doch Mark wusste, dass er früher oder später wieder darauf zurückkommen würde. Er würde erst Ruhe geben, wenn Mark nachgab. Was vielleicht sogar zu Marks Bestem wäre.

„Also, ich gehe dann mal.“ Padraig ging weiter die Main Street entlang, um den anderen Geschäftsleuten in der Straße einen Besuch abzustatten. „Denk an den Selkie, Junge“, sagte er, ohne sich noch mal nach Mark umzudrehen. Er wusste genau, dass sein Enkel nur genervt gucken würde.

Würde der alte Mann wohl je von seiner fixen Idee ablassen, dass Mark und seine Brüder einen Selkie gerettet hatten – ein Wesen aus der keltischen Mythologie, das im Wasser ein Seehund war, sich an Land jedoch in einen Menschen verwandeln konnte? Natürlich war es kein Selkie gewesen, sondern ein Seehund, der von einer Gruppe Orcas gejagt worden war. Mark, Daniel und Conor waren mit ihrem Boot dazwischen gegangen und hatten die Orcas lange genug abgelenkt, um dem Seehund eine Chance zur Flucht zu geben.

Ihr größter Fehler dabei war nicht gewesen, sich der Gefahr auszusetzen, dass die erbosten Orcas ihr Boot umkippten, sondern ihrer Familie die Geschichte beim Sonntagsessen im Pub zu erzählen. Ihr Großvater war ganz außer sich gewesen vor Aufregung. „Der Seehund war ein Selkie“, hatte er steif und fest behauptet. „Jetzt schuldet er euch einen Gefallen.“

Seitdem bestand Padraig Delaney, sonst ein durchaus vernünftiger und intelligenter Mann, darauf, dass sie zur Belohnung die wahre Liebe finden würden. Ja, ja, wer’s glaubt …

Leider hatte Marks älterer Bruder Daniel Grandda noch in seiner fixen Idee bestärkt, indem er sich in seine Angestellte Keela verliebt hatte. Die beiden waren inzwischen verheiratet und erwarteten ein Baby, und seitdem bestand Grandda noch beharrlicher darauf, recht zu haben – vor allem, wenn er ein Glas Guinness oder zwei intus hatte. Dann verkündete er Mark, dem mittleren der drei Brüder, und Conor, dem Jüngsten, jedes Mal, dass sie als Nächstes an die Reihe kommen würden. Was für ein Schwachsinn!

„Von wegen Selkie“, murmelte Mark, als er den alten Mann die Straße entlanggehen sah. Wie kam der alte Mann eigentlich ausgerechnet jetzt darauf?

Sein Blick fiel wieder auf die andere Straßenseite. Wegen der bildhübschen neuen Nachbarin, deshalb.

Mark musste grinsen. Dann war Laurel Prescott seinem Großvater also auch aufgefallen. Er wischte sich die Hände mit dem Lappen ab, der an der Leiter hing, und ging lächelnd zurück zum B&B, obwohl sie ihn wahrscheinlich keines Blickes mehr würdigen würde, wenn er damit fertig war, ihr zu helfen.

Als Laurel zu ihrem Wagen ging, beobachtete sie verstohlen, wie Mark seine Farbdose schloss und sich dann mit einem alten Mann unterhielt.

Sie war eine verwitwete Fünfunddreißigjährige, die sich ständig selbst hinterfragte. Und Mutter eines noch trauernden Teenagers mit den üblichen Pubertätsproblemen und von vierjährigen Zwillingsmädchen zu sein, die gerade in die Vorschule gekommen waren, machte ihre Selbstzweifel nicht besser. Mit dem Geld von Alans großzügiger zweiter Lebensversicherung ein altes Haus zu kaufen und es in ein B&B zu verwandeln, war zwar ein riskantes Unterfangen, aber nachdem die letzten fünf Jahre von Alans Krebserkrankung, seiner zwischenzeitlichen Heilung und dem Albtraum eines Rückfalls zwei Jahre später überschattet gewesen waren, brauchten sie dringend einen Neuanfang. Sie alle. Nur Alan war eine zweite Chance nicht vergönnt gewesen …

Laurel musste wie immer beim Gedanken an ihren verstorbenen Mann schlucken. Das Leben ohne ihn war sehr hart gewesen und hatte seine Spuren hinterlassen, aber trotzdem wollte sie endlich wieder nach vorn blicken. Was blieb ihr auch anderes übrig?

Sie nahm ein paar kleinere Gegenstände aus dem Kofferraum ihres Wagens und lauschte unauffällig dem Wortwechsel zwischen dem alten Golfer und Mark, ihrem beunruhigend attraktiven Nachbarn, auf der anderen Straßenseite. Die Tatsache, dass der Mann ihr überhaupt aufgefallen war, gab ihr zu denken. Andererseits war er ein sehr attraktiver Mann. So, sie hatte es sich eingestanden. Wieso auch nicht?

Vor ihrem Umzug hatte sie zwei Jahre lang nur wie ferngesteuert funktioniert und gerade mal ihre Grundbedürfnisse befriedigt – abgesehen von Sex natürlich. Daran dachte sie so gut wie nie, nur in jenen Nächten, in denen sie Alan so schmerzlich vermisste, dass sie weinen musste. Sie wollte sich daher endlich ein neues Leben aufbauen, schon allein, damit es ihren Kindern wieder besser ging. Doch gleichzeitig hatte sie starke Zweifel, ob dieses B&B wirklich eine so gute Idee gewesen war.

So oder so gehörte das Haus in Sandpiper Beach jetzt ihr und erlaubte es ihr, von zu Hause aus zu arbeiten. Mit einer Festanstellung hätte sie zwar ein sicheres Gehalt, aber weniger Zeit für ihre Kinder.

Wieder spähte sie verstohlen zur anderen Straßenseite hinüber. Was war an dem Mann nur so faszinierend, dass sie den Blick kaum von ihm losreißen konnte? Sie hatte so viel um die Ohren, dass sie nicht wusste, wo ihr der Kopf stand, da konnte sie keine Ablenkung gebrauchen. Und trotzdem musste sie ihn immer wieder ansehen, sein dunkles Haar, seine leuchtend blauen Augen. So unglaublich irisch. Jünger als sie.

Also – was sprach gegen etwas Interesse oder gar eine heimliche Schwärmerei für einen Nachbarn? Vielleicht war das ja ein Zeichen, dass sie nach zwei trostlosen Jahren endlich bereit für einen Neuanfang war. Und das war doch schließlich genau das, was sie wollte, oder nicht?

Eine halbe Stunde später, in der Laurel und Mark auf dem Weg vom Auto zum Haus und zurück ständig aneinander vorbeiliefen und sich höflich zulächelten, trug er den letzten Umzugskarton die Verandastufen hoch ins Haus und sah sich um.

Die Eingangshalle und das Wohnzimmer waren frisch gestrichen, und der Stuck, der Kamin und das Holzgeländer waren liebevoll restauriert worden. Doch am beeindruckendsten war das große Esszimmer mit seinem langen Eichentisch, der Tapete im antiken Stil und dem Kronleuchter. Es würde den Gästen bestimmt gefallen.

„Sieht ja ganz toll aus“, sagte er.

„Danke. Manchmal kriege ich richtig Panik bei dem Gedanken, was passiert, wenn niemand kommt, nachdem ich so viel Geld reingesteckt habe.“

„Haben Sie schon mal ein B&B geführt?“ Seltsamerweise schoss ihm auch die Frage durch den Kopf, ob sie verheiratet war. Was ihn absolut nichts anging.

„Nein, noch nie.“ Für einen Moment wirkte sie fast verängstigt, erholte sich aber rasch wieder. „Möchten Sie ein Glas Limonade? Das ist das Mindeste, was ich Ihnen anbieten kann, nachdem Sie mir so lieb geholfen haben.“

Vielleicht ist sie ja geschieden.

Mark war eigentlich nicht der Typ, der sich spontan mit jemandem hinsetzte, um zu plaudern. Ehrlich gesagt lebte er ziemlich zurückgezogen, seitdem er aus Afghanistan zurückgekehrt war. Außer zu seinen Familienmitgliedern hatte er zu niemandem Kontakt, aber Laurel Prescott hatte etwas an sich, das ihn dazu bewog, ihr Angebot anzunehmen. „Klingt gut, danke.“

Er folgte ihr in eine Küche, die für ein so großes Haus eher von bescheidener Größe war, und warf einen Blick aus dem Fenster. Der Strand und das Meer waren nicht weit entfernt. Wahrscheinlich konnte man das Wasser von den meisten Zimmern aus sehen. „Ich würde mir nicht allzu viel Sorgen machen, dass niemand kommt. Es sei denn, Ihre Preise sind zu hoch.“

„Nein, ich habe vorher gründlich recherchiert.“ Sie öffnete einen doppeltürigen Edelstahlkühlschrank und nahm einen Krug Limonade heraus. Mark fiel auf, dass sie sich bei den Schränken und der Kücheninsel für eine moderne Variante entschieden hatte. „Ich liege mit meinen Preisen im Mittelfeld. Außer natürlich bei der Honeymoon Suite.“ Sie warf ihm einen verschmitzten Blick zu. „Die ist so schön, dass sie den hohen Preis wert ist.“

Mark hatte nie verstanden, warum man romantischen Gefühlen mit einem besonders schönen Zimmer noch mehr auf die Sprünge helfen wollte – seiner Meinung nach hatte man diese Gefühle oder nicht –, aber frisch verheiratete Paare fühlten sich vielleicht von so etwas angesprochen, während das Drumcliffe eher etwas für Familien und Rentner mit wenig Geld war.

Laurel reichte ihm ein zierliches, handbemaltes Glas mit Limonade. Anstatt es einfach in einem Zug zu leeren, wie er es sonst immer machte, probierte er vorsichtig einen Schluck des erfrischenden Zitronengetränks mit einem Hauch Minze. „Schmeckt großartig.“

„Danke. Ich habe die Limonade aus den Zitronen im Garten gemacht.“

„Wirklich lecker.“ Apropos Garten – vorhin war ihm aufgefallen, dass dort dringend Unkraut gejätet werden musste, und die Hecken brauchten auch einen frischen Schnitt. Aber wahrscheinlich hatte sie bereits einen Gärtner damit beauftragt, sodass es völlig überflüssig war, ihr seine Dienste anzubieten. Wozu auch? Er hatte im Hotel schon genug zu tun.

Laurels hausgemachte Limonade war wirklich gut. Mit so etwas konnte man Gäste dazu bringen, immer wiederzukommen … vorausgesetzt, sie fanden überhaupt hierhin. „Machen Sie eigentlich eine Eröffnungsfeier?“

Laurel trank ebenfalls einen Schluck Limonade. „Ich will ein paar Anzeigen schalten und einen Tag der offenen Tür anbieten.“

„Gute Idee.“

Sie schien sich über sein Lob zu freuen. „Ich bin in Pismo Beach aufgewachsen, deshalb weiß ich, dass die Touristensaison hier an der Küste immer lange dauert. Ist denn jemals gar nichts los?“

„Ich bin erst seit einem Jahr wieder hier und kann Ihnen das nicht wirklich beantworten. Aber ich kann mich gern bei meinen Eltern erkundigen, wenn Sie wollen.“

„Oh, sorry, ich ging davon aus …“

„Ich war zehn Jahre bei der Armee. Das Drumcliffe gehört meinen Eltern. Ich bin immer noch nicht ganz wieder hier angekommen.“

Ob sie jetzt weniger von ihm hielt, weil er im Hotel nur eine Art Mädchen für alles war? Wieder fragte er sich, warum ihn das überhaupt interessierte.

Als er zur Armee gegangen war, war er ein erfolgreicher Surfer gewesen, doch seit seiner Rückkehr aus dem Mittleren Osten – meistens Afghanistan, aber auch dem Irak –, war er nicht mehr der Alte. Er litt unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung, bewältigte seine Stimmungsschwankungen jedoch, indem er sich zurückzog und sich auf seinen Job im Hotel konzentrierte. Und aufs Surfen. Aber die Aufs und Abs gehörten zum Heilungsprozess dazu, wie sein Therapeut gesagt hatte.

Wegen eines „Abs“ waren er und seine Brüder am Tag des Vorfalls mit dem „Selkie“ zum Angeln rausgefahren. Daniel und Conor hatten ihm aus dem Loch raushelfen wollen, in dem er damals gesteckt hatte.

Mark war immer noch nicht hundertprozentig über seine Posttraumatische Belastungsstörung hinweg – er hatte immer noch ab und zu Albträume und hasste Menschenmengen –, war jedoch auf einem guten Weg. Insgesamt war er zurückhaltender Menschen gegenüber und weniger impulsiv als früher. Weniger leichtherzig. Aber vielleicht ging das ja allen Dreißigjährigen so.

Laurel sah ihn forschend aus karamellbraunen Augen an. Wahrscheinlich fragte sie sich gerade, was er alles erlebt hatte. Tja, sie war nicht die Einzige, die Fragen hatte. „Und was hat Sie hierhergeführt?“

„Oh“, sagte sie überrascht. Anscheinend hatte sie nicht damit gerechnet, dass er den Spieß umdrehen würde. „Ich habe das Meer vermisst. Als ich nach dem College geheiratet habe, bin ich zu meinem Mann ins Landesinnere nach Paso Robles gezogen, um meine Kinder großzuziehen. Vor zwei Jahren habe ich ihn verloren.“

„Das tut mir leid.“ Mark meinte das ernst, obwohl er sich kaum vorstellen konnte, wie es war, jemanden zu verlieren, den man liebte.

Seufzend trank sie einen Schluck Limonade. „Es war ganz schön hart.“

Mit harten Zeiten kannte Mark sich aus. Mitgefühl oder Empathie oder wie auch immer man das nannte, waren eigentlich nicht seine Stärke, aber sie tat ihm aufrichtig leid. Sie hatte eine Menge zu bewältigen, und ein so großes Projekt wie die Eröffnung eines B&Bs war auch kein Zuckerschlecken. „Wenn Sie Hilfe brauchen, können Sie sich jederzeit an mich wenden.“ Ich dachte, ich bin zu beschäftigt.

„Danke“, sagte sie freudig überrascht. „Ich werde bestimmt bei Gelegenheit darauf zurückkommen.“

Völlig untypisch hatte Mark gerade eine Tür geöffnet, für die er erstens keine Zeit hatte und durch die er zweitens vielleicht gar nicht gehen wollte. Zumindest noch nicht. Laurel mochte Single sein, aber sie hatte Kinder, um Himmels willen!

Plötzlich riss sie erschrocken die Augen auf. „Oh Gott, ich muss dringend die Mädchen abholen!“ Sie griff nach ihrer Handtasche und eilte zur Tür. „Heute ist ihr erster Tag in der Vorschule, da darf ich nicht zu spät kommen.“

Als Mark aufstand und ihr folgte, fiel ihm auf, dass sie Mühe hatte, die Haustür abzuschließen. „Ich kann gern nachher wiederkommen und mir das Schloss ansehen, wenn Sie wollen.“

Ihr Lächeln war so aufrichtig und so strahlend, dass er für einen Moment wie geblendet war. „Das wäre ganz toll!“ Sie eilte zu ihrem Minivan, auf dessen Rückbank sich zwei identische Kindersitze befanden.

Irgendwie musste Mark seinen antisozialen Verstand verloren habe, aber irgendwie fand er diese multitaskende Unternehmerin und Mutter verdammt sexy. Was absolut nicht zu seiner derzeitigen Lebensstrategie passte – sich bedeckt zu halten und herauszufinden, wie er in diese Welt hineinpasste … und ob er das überhaupt wollte.

2. KAPITEL

Während Laurel auf dem Weg zur Vorschule die Geschwindigkeitsbegrenzung voll ausreizte, versuchte sie verzweifelt, nicht mehr an Mark Delaney zu denken. Wusste der Mann eigentlich, wie toll er aussah?

Sie sah immer noch sein aus der Stirn gekämmtes dunkelbraunes Haar vor sich, das sich hinter seinen Ohren kräuselte, seine klaren blauen Augen und seinen Dreitagebart mit einem Hauch Rot. Sein schwarzes T-Shirt, das sich über breiten Schultern und einem Waschbrettbauch spannte, seine Arme, die einem Bauarbeiterkalender alle Ehre machen würden, und die sich wie angegossen um schmale Hüften und lange Beine schmiegende Jeans.

Er sah echt heiß aus und schien das noch nicht mal zu merken. Oder es war ihm egal. Er war eine faszinierende Mischung aus sanft und abgründig, der sie einfach nicht widerstehen konnte. Was sie ganz schön beunruhigte.

Als Laurels Blick in den Rückspiegel fiel, zuckte sie erschrocken zusammen. So hatte sie also ausgesehen? Mit zerzaustem Pferdeschwanz und ohne jede Spur Make-up, noch nicht mal Lipgloss? Der Mann hielt sie wahrscheinlich für total ungepflegt.

Autor

Lynne Marshall
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