Liebe in getrennten Betten

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Die Folgen einer einzigen heißen Liebesnacht: Zoe ist schwanger von ihrem Chef. Im Gegensatz zu ihr ist der erfolgreiche Bauunternehmer begeistert und will sie auf der Stelle heiraten. Doch Zoe ist skeptisch: Zu oft musste sie auf ihre acht Geschwister aufpassen, eine Familie mit Kindern war nie ihr Lebensziel Und wer weiß: Vielleicht passen sie und Nick gar nicht zueinander? Probehalber soll er deshalb für einen Monat zu ihr ziehen. Sie werden zusammenleben - aber in getrennten Betten schlafen. Das ist Zoes Bedingung. Für Nick eine fast unerträgliche Herausforderung ...


  • Erscheinungstag 20.01.2008
  • Bandnummer 1495
  • ISBN / Artikelnummer 9783863498962
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Nick Bateman konnte es einfach nicht fassen. Er musste von allen guten Geistern verlassen sein. Da lag er im Bett der Honeymoon-Suite, die er für seine Hochzeitsnacht gebucht hatte, und stellte sich schlafend, während er so grübelte. Aber nicht seine Braut lag neben ihm, die Frau, die er vor einigen Stunden hätte heiraten sollen, sondern seine Chefsekretärin Zoe Simmons.

Nick hätte es gern auf die beiden Flaschen Champagner geschoben, die Zoe und er geleert hatten, bevor sie sich ausgezogen hatten und zusammen ins Bett gegangen waren, um im nächsten Moment wie wild übereinander herzufallen. Das wäre eine einfache Erklärung gewesen. Aber sie war zu einfach. Er hätte nach diesem Champagner zwar nicht mehr Auto fahren dürfen, aber so betrunken war er dann auch wieder nicht gewesen, dass er nicht mehr gewusst hätte, was er tat. Und als er vor dem Altar zu seiner Braut „Nein“ statt „Ja“ gesagt und sie dort einfach stehen gelassen hatte, konnte von derart „mildernden Umständen“ erst recht keine Rede sein.

Schlimm genug, dass er die Trauung hatte platzen lassen. Aber dann auch noch mit Zoe zu schlafen, war nun wirklich keine besonders gute Idee gewesen. Denn Zoe war nicht nur Nicks unersetzliche rechte Hand im Büro, sondern über die zehn Jahre ihrer Zusammenarbeit auch eine treue Freundin und Vertraute geworden. Und das wusste nun wirklich jeder Trottel: Um auf dem schnellsten und sichersten Weg die Freundschaft zu einer Frau zu zerstören, musste ein Mann nur mit ihr ins Bett gehen.

Dass er frustriert und niedergeschlagen war, noch dazu reichlich durcheinander, und dass er Trost brauchte, war eine reichlich lahme Entschuldigung. Immerhin hatte er nicht zum ersten, sondern bereits zum zweiten Mal eine Hochzeit platzen lassen! Anscheinend wurde ihm immer erst im allerletzten Moment klar, dass er auf dem besten Weg war, einen Riesenfehler zu begehen. So wie dieses Mal, als ihm urplötzlich bewusst wurde, dass er Lynn, die neben ihm vor dem Altar stand, eigentlich gar nicht richtig kannte. Ein merkwürdiges Phänomen, das er sich höchstens damit erklären konnte, dass sein brennender Wunsch, endlich eine Frau und vor allem eine Familie und Kinder zu haben, ihm den Verstand völlig vernebelt hatte.

Lynns Gesicht würde er so schnell nicht vergessen, als er sich zu ihr umdrehte, nachdem der Priester ihn gefragt hatte, „willst du diese Frau“ und so weiter, und er antwortete: „Es tut mir wirklich leid, aber ich kann das nicht.“ Als Nächstes hatte er ihre rechte Gerade gespürt, die direkt unter seinem linken Auge landete. Aber er konnte ihr diese Reaktion wirklich nicht verdenken. Redlich verdient hatte er sie, selbst wenn Lynns Motive, diese Ehe zu schließen, nicht über jeden Zweifel erhaben waren. Seine Freunde hatten ihn mehr als einmal gewarnt, dass diese Frau ausschließlich hinter seinem Geld her war. Und trotzdem fügte man keiner Frau eine derartige Erniedrigung ungestraft zu.

Wieso nur wollte es ihm einfach nicht gelingen, die richtige Frau zu finden? Schon vor rund fünf Jahren hatte Nick für sich beschlossen, dass es nun an der Zeit sei, solide zu werden, zu heiraten und die Familie zu gründen, nach der er sich so sehnte. Aber irgendwie wollte nichts so klappen, wie er sich es vorgestellt hatte.

Nach dem vorzeitigen Abbruch der Trauung hatte Zoe ihn hierher ins Hotel gefahren, wo in der geräumigen Hochzeitssuite der Champagner schon kalt gestellt war. Da er fürchtete, dem Trübsinn zu verfallen, hatte er sie gebeten, ihm noch ein wenig Gesellschaft zu leisten. Also hatte Zoe ihm kalte Umschläge für seinen lädiertes Jochbein gemacht und beim Zimmerservice etwas zu essen zu bestellt.

Sie hatte für ihn gesorgt, so wie sie es schon seit Jahren tat. Aber wie sie dieses Mal für ihn gesorgt hatte … Nick hätte nicht einmal sagen können, wie es angefangen hatte. Sie hatten beisammengesessen und geredet, und im nächsten Augenblick hatte er sie schon wie wild geküsst. Im übernächsten rissen sie sich bereits gegenseitig die Kleider vom Leib. Sie war so warm und weich und hingebungsvoll gewesen. Und er hatte gar nicht fragen müssen, was sie gerne hatte, weil sie das ganz von selbst tat. Überhaupt hatten sie sich viel und eine Menge aufregender Dinge zu sagen gehabt. Noch nie hatte er bei der Liebe so viel mit einer Frau geredet – es war schlichtweg überwältigend gewesen.

Dass er eine unsichtbare Grenze zwischen ihnen überschritten und mit Zoe geschlafen hatte, konnte Nick immer noch nicht glauben. Diese imaginäre Trennungslinie hatte von Anfang an bestanden, was allerdings nicht hieß, dass Nick ihr nicht den einen oder anderen bewundernden Blick zugeworfen hätte. Sie war mit ihren achtundzwanzig Jahren ein paar Jahre jünger als er, eine attraktive Frau – aber nicht von der Art, der die Männer auf der Straße hinterherpfeifen, sondern von einer besonderen Schönheit, die auch von innen heraus strahlt, aus einem quicklebendigen, freundlichen, aufgeschlossenen Wesen.

Wieder dachte Nick darüber nach, ob er die wertvolle Freundschaft zu Zoe damit wohl ruiniert hatte. Aber über eines brauchte er sich keine Gedanken zu machen: Zoe gehörte nicht zu den Frauen, die nach einer gemeinsamen Nacht sofort eine längere Beziehung erwarteten. Dazu war Zoe viel zu unabhängig und liebte ihre Freiheit und ihr Single-Dasein viel zu sehr.

Vorsichtig tastete er mit der Hand nach der anderen Seite des Doppelbetts. Es war noch warm, die Laken zerwühlt, aber das Bett war leer. Es roch nach Zoes Parfüm und nach der Liebe, die sie gemacht hatten. Und während er noch diesen Duft einsog und die Augen einen winzigen Spalt breit öffnete, hörte er aus dem Dunkeln ein leises, dumpfes Poltern und einen unterdrückten Fluch. Schon seit einer Weile tapste Zoe durchs Zimmer, ohne Licht zu machen. Offenbar war sie dabei, ihre Kleider zusammenzusuchen.

Das nächste Rumoren kam vernehmbar ganz aus der Nähe. Nick blinzelte und sah nur eine Armlänge von sich entfernt ein wohl gerundetes bloßes Hinterteil. Er grinste, griff neben sich und knipste die Nachttischlampe an.

Zoe Simmons stieß einen leisen Schrei aus und fuhr erschrocken herum. Hastig versuchte sie, mit den Sachen, die sie schon eingesammelt hatte, ihre Blöße zu bedecken, und kniff im plötzlichen Lichtschein die Augen zusammen.

„Hast du mich erschreckt!“, zischte sie. Das war’s dann wohl mit dem Versuch, sich heimlich davonzustehlen, dachte sie gleichzeitig. Zoe hatte vermeiden wollen, Nick am Morgen in die Augen sehen zu müssen nach dem, was sie diese Nacht getrieben hatten – und wie oft sie es getrieben hatten und in wie viel verschiedenen Varianten …

Sie blickte auf die zerwühlten Betten und die auf dem Boden verstreuten, aufgerissenen Kondompackungen. Ein Schauer nach dem anderen überlief sie, wenn sie nur daran dachte, wie unglaublich, unbeschreiblich, schlichtweg überwältigend es gewesen war. Aber gleichzeitig war sie sich bewusst, dass es das einzige Mal bleiben musste.

„Du willst gehen?“, fragte Nick.

„Ich fürchte … ja.“

„Jetzt? Mitten in der Nacht?“ Er warf einen Blick auf den Wecker auf dem Nachtschrank.

„Ich dachte, es ist besser so.“ Zoe wagte nicht, ihn anzusehen, denn sie merkte, wie unter dem Blick aus seinen haselnussbraunen Augen ihre Entschlusskraft dahinschmolz. Er hatte sich aufgerichtet und saß auf dem Bett, nackt und schön wie ein griechischer Gott. Wie wunderbar einfach wäre es jetzt, schnell wieder zu ihm ins Bett zu kriechen und …

Pfui, böse Zoe. Das musste aufhören, auf der Stelle. Sie langte nach ihrer Handtasche auf dem Tisch und steuerte entschlossen auf das Badezimmer zu. „Ich ziehe mich rasch an. Und dann können wir … reden.“

Sie ging, schloss hinter sich ab und schaltete dann erst das Licht ein. Als ihr Blick in den Spiegel fiel, stöhnte sie verzweifelt auf. Ein Bild des Grauens schaute ihr entgegen. Ihre ohnehin kaum zu bändigenden blonden Locken standen in allen Richtungen vom Kopf, das Make-up war verschmiert, die Augen rotgerändert, und auf der linken Gesichtshälfte zeichnete sich das Muster des knittrigen Kissenbezugs ab, auf dem sie geschlafen hatte. Es war ein Wunder, dass Nick nicht aufgesprungen und schreiend hinausgerannt war, als er das Licht angemacht hatte. Er selbst hatte offensichtlich keine derartigen Probleme. Wenn er aufwachte, sah er so taufrisch aus wie der junge Tag.

Zoe sah sich um. Aber dieses Badezimmer hatte kein Fenster, durch das sie jetzt noch hätte die Flucht ergreifen können. Also beugte sie sich übers Waschbecken und spritzte sich ein paar Hände kaltes Wasser ins Gesicht. Dann entfernte sie mit einem Papiertaschentuch wenigstens notdürftig die verwischte Wimperntusche und durchwühlte ihre Tasche auf der Suche nach einem Haarband.

Sie fuhr mehrmals mit den nassen Händen durch die wilden Locken und band sie schließlich hinten zusammen. Wo ihr BH und ihr Slip geblieben waren, war ihr schleierhaft, aber jetzt nebenan danach zu suchen, kam gar nicht infrage. Sie musste sich wohl oder übel so nach Hause durchschlagen.

Ihr Top und ihr Rock sahen ebenfalls reichlich mitgenommen aus. Auf dem Seidenrock war noch schwach ein feuchter Fleck erkennbar, wo sie am Abend zuvor etwas von dem Champagner verschüttet hatte. Außerdem war einer der Spaghettiträger ihres Tops in Folge von Nicks Ungestüm gerissen, sodass das Oberteil leichte Schlagseite hatte. Zoe gab sich Mühe, alles einigermaßen zu richten und die Falten glattzustreichen, um nicht gleich unten am Empfang des Fünf-Sterne-Hotels als Stadtstreicherin verhaftet zu werden. Zuversichtlich hoffte sie, auf ihrem Heimweg morgens um halb drei nicht allzu vielen Menschen zu begegnen.

Aus dem Zimmer kam ein Geräusch. Um eine weitere Begegnung mit einem nackten Nick zu vermeiden, trat sie an die Tür und rief halblaut: „Ich komme jetzt raus.“

Zoe wartete einen Moment und schloss dann zögernd auf, als keine Antwort erfolgte. Vorsichtig öffnete sie die Tür und steckte ihren Kopf hinaus. Nick saß auf der Bettkante, bekleidet nur mit seiner Anzughose. Heimlich bewunderte sie seinen athletischen Oberkörper mit dem mächtigen Brustkasten und den breiten Schultern. An seiner Schulter fiel ihr eine Art Mal auf. Hatte sie ihn da etwa gebissen? Prompt fielen ihr noch eine Menge anderer Dinge ein, die sie sonst noch mit ihren Lippen, den Zähnen und mit ihrer Zunge gemacht hatte, und jedes einzelne dieser Details, an die sie jetzt besser nicht dachte, reichte schon für sich genommen, um tiefrot anzulaufen. Außerdem stand Nicks Hose offen. Ihre Ungeduld gestern Abend war nicht ohne bleibende Folgen geblieben, und er musste sich wohl etwas einfallen lassen, um den Schaden zu verbergen, wenn er das Zimmer verließ.

Sie waren übereinander hergefallen, als wollten sie in einer Nacht nachholen, was sie in den zehn Jahren, die sie sich nun schon kannten, versäumt hatten – als hinge ihr Leben davon ab, keine weitere Sekunde zu verlieren. Sie spürte noch immer, wie Nick das erste Mal in sie eingedrungen war: groß und schnell und ungestüm. Wie sie dann die Beine um seine Taille geschlungen und sich an ihn gedrängt hatte, wie sie stöhnend nach mehr verlangt hatte …

Sie trat ein und sah sich auf dem Fußboden nach ihren Schuhen um. Sie musste hier weg, und zwar so schnell wie möglich, bevor sie neue Dummheiten beging.

„Das müsste eigentlich dir gehören“, meinte Nick und hielt einen BH aus schwarzer Spitze sowie einen Slip in die Höhe. „Das lag zwischen den Laken.“

„Danke“, sagte Zoe, nahm ihm die beiden Teile aus der Hand und stopfte sie hastig in ihre kleine Handtasche.

„Sollen wir darüber reden?“, schlug er vor.

„Wenn es dir nichts ausmacht, wäre es mir lieber, zu gehen und alles, was hier gewesen ist, aus meinem Gedächtnis zu streichen.“

Nick fuhr sich mit der Hand durch das kurz geschnittene pechschwarze Haar. Auf seinem Gesicht spross der Bart und warf einen tiefen Schatten, was auch erklärte, warum es sich zwischen ihren Beinen ein wenig wund anfühlte. „Das wäre natürlich auch eine Möglichkeit“, meinte er.

Was sonst? Er musste doch so gut wie sie wissen, dass das hier ein einmaliges Abenteuer war, eine Entgleisung, die nie wieder geschehen durfte. Nicht dass Nick ein so übler Kerl war, im Gegenteil. Er war großartig. Freundlich, hilfsbereit, großzügig, ein Bild von einem Mann und obendrein auch noch reich. Manchmal konnte er einen mit seiner Sturheit in den Wahnsinn treiben, aber das fiel nicht weiter ins Gewicht. Nie würde Zoe begreifen, warum ausgerechnet er noch immer nicht die richtige Frau gefunden hatte. Vielleicht lag es daran, dass er seinem Glück ein bisschen zu sehr hinterherrannte. Oder er war in dieser Hinsicht einfach ein Pechvogel. Die falschen Frauen zog er jedenfalls an wie ein Magnet.

Zoe für ihren Teil suchte überhaupt nicht. Sie war mit ihrem Leben, so wie es war, vollauf zufrieden. Sie hatte sich und Dexter, ihren Kater, und brauchte sich um niemanden sonst zu kümmern. Das genügte ihr vollkommen. Ihr Bedarf an Verpflichtungen und Sorge um andere war früh gedeckt worden. Als Älteste von neun Geschwistern hatte sie bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr alle Hände voll zu tun und eine große Verantwortung gehabt, da ihre Eltern beide berufstätig waren. Während Nick sich seit fünf Jahren nichts sehnlicher wünschte als eine treu sorgende Frau und einen Stall voller Kinder, war es ihr schon unangenehm, dass Dexters Katzenfutter im Drogeriemarkt neben den Windeln stand.

Kurz nach ihrem achtzehnten Geburtstag war sie aus ihrem Elternhaus in Petoskey geflüchtet, als sei der Leibhaftige ihr dicht auf den Fersen. Quer durch Michigan hatte sie der Weg nach Detroit geführt. Dass sie dort hatte Fuß fassen können, verdankte sie allein Nick, der sie eingestellt und auch dann nicht gefeuert hatte, als ihre angebliche Berufserfahrung als Sekretärin, die sie in ihrer Bewerbung angegeben hatte, sich als reiner Schwindel entpuppt hatte.

In Wahrheit konnte sie weder tippen noch eine vernünftige Ablage führen. Aber obwohl Nick sein Bauunternehmen gerade erst gegründet hatte, behielt er sie. Möglicherweise hatte sie auch seinen männlichen Beschützerinstinkt geweckt. Er unterstützte sie dabei, ihren Collegeabschluss nachzuholen, und half ihr in jeder Weise, um nach und nach den Anforderungen gerecht zu werden, die ihr neuer Job mit sich brachte.

Bis auf den heutigen Tag wusste Zoe nicht genau, womit sie es eigentlich verdient hatte, dass Nick so nachsichtig und fürsorglich war. Aber schon bei ihrer ersten Begegnung hatte irgendetwas „klick“ gemacht, und Nick hatte das völlig unbedarfte, naive Wesen, das sie damals war, unter seine Fittiche genommen. Im Gegenzug wurde sie so etwas wie seine engste Vertraute, auf die er sich hundertprozentig verlassen konnte – als gehörte sie zur Familie, die Nick aber gar nicht besaß.

Dieses wunderbare Verhältnis zwischen ihnen war Zoe mehr wert als alles andere. Und jedes andere Verhältnis zwischen ihnen konnte nur zum Scheitern verurteilt sein, denn dazu waren sie viel zu verschieden.

Sie schlüpfte in die Pumps, die sie endlich unter dem Bett gefunden hatte. „Ich fürchte, wir haben eine riesengroße Dummheit begangen“, sagte sie. „Wir kennen uns nun schon so lange, und ich möchte nicht, dass diese eine Nacht uns all das verdirbt, was wir an Freundschaft und Vertrauen aufgebaut haben.“

„Das wäre das Letzte“, stimmte er ihr zu.

Sosehr es Zoe freute, dass sie sich darin einig waren, ärgerte es sie doch ein wenig, dass er nicht einmal zum Schein eine Andeutung machte, dass es ihm leidtat und dass sich so etwas wie diese Nacht auf gar keinen Fall wiederholen durfte. Sie zeigte mit dem Daumen über die Schulter zur Tür. „Ich geh jetzt mal lieber.“

Nick erhob sich. Trotz der hohen Absätze ihrer Pumps überragte er sie immer noch um mehr als Haupteslänge. „Ich fahr dich nach Hause.“

Zoe hob abwehrend die Hand. „Ist wirklich nicht nötig. Ich nehme ein Taxi.“

„Aber es ist schon nach drei.“

Sie hatte allen Grund, sein Angebot auszuschlagen. Gerade heute fühlte sich sie nicht ganz zurechnungsfähig, was ihn betraf. Sie war imstande, ihn noch hereinzubitten, wenn sie bei ihr waren, und dann konnte sie weder für sich noch für ihn garantieren. „Ist lieb gemeint. Aber ich fahre jetzt besser allein nach Hause. Ich pass schon auf mich auf, versprochen.“

Er hielt ihr den Wagenschlüssel hin. „Dann nimm wenigstens meinen Wagen, und ich nehme morgen früh ein Taxi.“

„Meinst du wirklich?“

„Wirklich.“

Sie gingen zusammen zur Tür. Dann drehte sie sich um und schaute ihm ins Gesicht. Das Licht fiel schwach durch die Schlafzimmertür auf sein Gesicht – genau da, wo sich immer ein Grübchen bildete, wenn er lächelte. Aber jetzt lächelte er nicht, sondern sah sogar fast ein wenig traurig aus.

„Es tut mir leid, wie das gestern mit Lynn gelaufen ist“, sagte Zoe teilnahmsvoll. „Mach dir keine Sorgen, du findest ganz bestimmt noch die Richtige.“ Die Richtige – im Unterschied zu seiner Braut Nummer eins, die ihm am Tag vor der Hochzeit eröffnet hatte, dass sie die nächsten zehn Jahre auf gar keinen Fall ein Kind bekommen und damit ihre Karriere und ihre Figur ruinieren wollte. Oder jetzt Lynn, die Nummer zwei, die in Zoes Augen durch und durch verlogen und ausschließlich hinter seinem Geld her war. Um Nicks willen war sie heilfroh, dass er im letzten Augenblick noch den Absprung geschafft hatte. Zoe wandte sich zum Gehen. „Wir sehen uns Montag im Büro“, sagte sie noch.

Doch sie kam nicht bis zur Tür. Nick hatte sich ihr in den Weg gestellt. „Wie wäre es mit einem kleinen Abschiedskuss?“, fragte er.

Oh nein, ganz schlechte Idee. Zoe wusste inzwischen nur allzu gut, was seine Küsse anrichten konnten. Schließlich wäre sie nie mit ihm ins Bett gegangen, wenn er nicht so fantastisch küssen würde. „Ich glaube nicht, dass das gut wäre“, entgegnete sie.

Auch diesen Blick kannte sie längst – dabei war sie gestern Abend auch schon schwach geworden. Aber dann stand er plötzlich dicht vor ihr. Wie von einem Magneten fühlte sie sich von ihm angezogen. „Ach, komm schon, Zoe, ein kleiner Kuss.“ Er strich ihr zärtlich mit den Fingerkuppen über die Wange und dann mit der ganzen Hand durchs Haar, bis sich das Haarband löste und ihre wilden blonden Locken freigab.

„Nick, lass das“, protestierte sie, machte aber keinen ernsthaften Versuch, ihn aufzuhalten. „Wir haben gesagt, dass es bei diesem einen Mal bleiben muss.“

„Ja, wirklich?“ Er streichelte ihr über die Schultern. Der Träger ihres Tops rutschte herunter, ihre Tasche fiel zu Boden, die Autoschlüssel, die er ihr gegeben hatte, landeten daneben. „Es ist doch heute sowieso schon passiert. Da kommt es doch auf ein Mal mehr oder weniger auch nicht mehr an“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Was war dagegen einzuwenden? Gar nichts. Schon deshalb nicht, weil er gerade anfing, sanft an ihrem Ohrläppchen zu knabbern. Nein, auf dieses eine Mal kam es wirklich nicht mehr an. „Aber nur ein ganz kleiner Quicky.“ Da war Zoe schon mit der Hand an seiner Hose.

Er ließ seinen Mund über ihre Schulter bis zum Hals wandern, und umgehend waren ihre Knie wie aus Gummi. Dann küsste er sie, und sie schmolz vollends dahin. Nur noch dieses eine Mal, dachte sie zitternd, während er ihr den Rock hochschob. Dann hob Nick sie hoch und drückte sie mit dem Rücken an die Wand neben der Tür. Zoe schlang die Beine um seine Hüften, und mit einer einzigen schnellen Bewegung drang er in sie ein.

Dieses eine Mal noch – und dann würde sie versuchen, jede Einzelheit von dem aus dem Gedächtnis zu streichen, was hier geschehen war.

2. KAPITEL

Welchen Unterschied sollte dieses eine Mal, dieser krönende Abschluss einer stürmischen Nacht schon ausmachen? Anscheinend einen ziemlich großen.

Zoe warf einen zaghaften Blick auf die Uhr über ihrem Schreibtisch. Wieder stand sie unschlüssig vor dem Aktenschrank. Hinter den Personalakten hatte sie eine Tüte aus der Apotheke versteckt. Und die wollte sie schon seit vier Tagen nach der Arbeit mit nach Hause nehmen, aber ein ums andere Mal hatte sie es wieder „vergessen“. Halb so schlimm, versuchte sie sich einzureden. Wahrscheinlich hatte sie sich sowieso nur mit einem harmlosen Virus angesteckt. Ein merkwürdiger Virus allerdings, der bewirkte, dass ihr morgens, wenn sie sich aus dem Bett quälte, übel war, und der ihr tagsüber so zusetzte, dass sie sich wie ausgelaugt fühlte. Außerdem schien der geheimnisvolle Virus auch auf ihre Brüste Einfluss zu nehmen, die seit einiger Zeit wehtaten und ihr größer vorkamen als sonst. Und nicht zu vergessen schließlich, dass ihre Periode schon eine ganze Weile überfällig war.

Es musste so einen vertrackten Virus geben, fand Zoe. Denn die viel näher liegende Erklärung für ihren Zustand – dass ihr nämlich in einem knappen Dreivierteljahr durchwachte Nächte und die Entsorgung gut gefüllter Windeln bevorstand – wollte sie einfach nicht wahrhaben. Andererseits konnte sie ihre gewagte Erklärung eines wunderlichen Virus selbst nicht recht ernst nehmen, denn sie war sich ziemlich sicher, dass Nick bei jenem verflixten letzten Mal neben der Tür der Hotelsuite ausnahmsweise kein Kondom benutzt hatte.

Einfach zu Nick zu gehen und ihn zu fragen, ob er sich noch erinnern konnte, kam nicht infrage. Die ersten Wochen nach ihrem Abenteuer in seiner Hochzeitssuite waren schon schwierig genug gewesen. Zoe hatte kaum gewagt, ihm in die Augen zu sehen. Oder auf seine großen, kräftigen Hände, die sie so unendlich zärtlich gestreichelt hatten. Wenn sie ihn nur von weitem sah, wurden ihre Erinnerungen daran wieder lebendig, wie sie ihre Beine um seine schmalen Hüften geschlungen hatte, wie er mit einer einzigen Bewegung in sie eingedrungen war und wie sie in seinen Armen vor Glück fast vergangen war. Sie brauchte nur an seinen Mund mit den wundervoll sinnlichen Lippen zu denken …

Genug!

Hundertmal am Tag nahm sie sich fest vor, nicht mehr daran zu denken. In den letzten Tagen hatte sie sich wieder einigermaßen gefangen, sodass ihre Gefühle nicht mehr ganz so verrückt spielten, wenn Nick in der Nähe war. Nick und sie konnten sich wieder ganz normal unterhalten – ohne diese Beklommenheit, die anfangs zwischen ihnen geherrscht hatte. Es war also nicht ratsam, daran zu rühren.

Zoe hatte überhaupt mit niemandem über die Vorkommnisse jener Nacht gesprochen. Nicht einmal ihrer Schwester Faith hatte sie davon erzählt, obwohl sie ihr sonst alles erzählte. Ob sie das gerade bei Faith durchhalten konnte, war allerdings mehr als fraglich. Dafür kannten sie sich viel zu gut. Schon bei ihrem letzten Telefongespräch hatte Zoe das Gefühl gehabt, Faith könnte schwanen, dass da was im Busch war. Und es würde ihrer Schwester ähnlich sehen, plötzlich und unangemeldet aufzutauchen und keine Ruhe zu geben, bis sie genau im Bilde war.

Zoe warf noch einen Blick auf die Tüte hinter den Akten und seufzte. Sie führte sich auf wie ein kleines Kind. Anstatt die Angelegenheit weiter zu hinauszuzögern, sollte sie den Schwangerschaftstest endlich mit nach Hause nehmen und sich Gewissheit verschaffen. Das noch länger aufzuschieben, änderte doch nichts an den Tatsachen. Und im Fall des Falles musste sie beizeiten überlegen, was sie unternehmen, und vor allem, wie sie es Nick beibringen sollte.

Sie wollte nach der Tüte greifen, als plötzlich Shannon, eine befreundete Kollegin aus der Buchhaltung, in der Tür erschien. Zoe stieß heimlich einen Seufzer der Erleichterung aus, ließ die Tüte, wo sie war, und machte die Schublade schnell wieder zu.

„Kommst du mit, Zoe?“, fragte Shannon. „Wir gehen zum Lunch rüber ins ‚Shooters‘.“

„Lunch? Das klingt wie Musik in meinen Ohren“, antwortete Zoe. Für gewöhnlich aß sie mittags höchstens einen Salat. Aber obwohl sie heute ein wahres Nervenbündel war, hatte sie Heißhunger auf einen riesigen Burger mit Pommes frites und einen Jumbo-Milchshake. Und anschließend auf einen Nachtisch mit einem großen Schokoeisbecher. Ein paar saure Gurken wären auch nicht schlecht. „Ich komme.“

Zoe holte das Portemonnaie aus ihrer Tasche und griff nach ihrer Jacke. Bevor sie Shannon folgte und die Tür hinter sich schloss, warf sie noch einen Blick auf den Aktenschrank. Heute Abend nehme ich die Tüte bestimmt mit, gelobte sie. Dann wird der Test gemacht, und es herrscht endlich Klarheit.

Wenig später öffnete sich die Tür zu Zoes Büro, und Nick steckte seinen Kopf herein. Mit einer Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung stellte er fest, dass das Büro leer war. Halb bewusst, halb unbewusst war er zu der Zeit gekommen, in der Zoe normalerweise in der Mittagspause war. Mochten Zoe und er sich auch versprochen haben, diese Nacht aus ihrem Gedächtnis zu streichen – trotzdem konnte er sich noch an das winzigste Detail erinnern, und zwar wieder und wieder. Nick gab sich alle Mühe. Aber diese wunderbaren Stunden der Leidenschaft aus seiner Erinnerung zu löschen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Alles zwischen ihm und Zoe war so merkwürdig geworden, so – anders.

Außerdem ertappte er sich immer häufiger bei dem Gedanken, dass er ihre wunderbare Nacht gar nicht vergessen wollte, so wie sie es vereinbart hatten. Was würde passieren, wenn er Zoe erklärte, dass er die ganze Sache gar nicht vergessen wollte?

Nick wusste selbst nicht, was er wollte. Fest stand, dass sie beide grundverschieden waren. Was hatten sie überhaupt gemeinsam? Er liebte Hunde, sie Katzen. Er ernährte sich am liebsten von Kartoffeln und Fleisch, während er sie kaum je etwas anderes hatte essen sehen als Salat. Sie interessierten sich für verschiedene Fernsehsendungen und hörten unterschiedliche Musik. Ihm fiel kaum etwas ein, worin sie übereinstimmten. Nur beim Sex war es anders gewesen. Da hatten sie auf die unglaublichste Weise harmoniert.

Der wesentliche und entscheidende Unterschied jedoch bestand in ihrer komplett verschiedenen Lebensplanung. In all den Jahren, die sie sich kannten, hatte er kein einziges Mal von ihr so etwas wie den Wunsch nach eigenen Kindern und einer Familie gehört. Ein Wunder war das nicht nach allem, was er von ihrer Familiengeschichte wusste. Er selbst war als Einzelkind bei Onkel und Tante aufgewachsen, und die hatten reichlich wenig mit einem achtjährigen Jungen anfangen können, dessen Obhut sie notgedrungen übernommen hatten. Nicks Kindheit hatte demzufolge zu einem erheblichen Teil in Internaten und Ferienlagern stattgefunden.

So war es nur folgerichtig, dass er sich nichts mehr wünschte, als eigene Kinder und eine eigene Familie zu haben. Aber dazu fehlte ihm noch immer die passende Frau. Zweimal war er schon um ein Haar an die Falsche geraten, als er – im allerletzten Moment – herausfand, dass bei der einen die Karriere an erster Stelle stand, und nicht die Familie, und die andere plötzlich nichts anderes im Sinn hatte als eine dreiwöchige Hochzeitsreise durch Europa und ein angemessenes Eigenheim in einem der teuersten Viertel von Detroit.

Materielle Dinge bedeuteten Nick nicht sonderlich viel. Er war mit seiner nicht übertrieben luxuriösen Eigentumswohnung und seinem schon etwas betagten Geländewagen vollauf zufrieden. Dass Geld und Luxus nicht imstande sind, Wärme, Herzlichkeit und Zuneigung zu ersetzen, hatte er schmerzlich genug durch seinen Onkel und seine Tante erfahren, die sich seiner angenommen hatten, als seine psychisch kranke Mutter nicht mehr für ihn sorgen konnte. Die beiden hätten zwar nie einen Preis als Eltern des Jahres gewonnen, aber sie meinten es gut, erfüllten ihm jeden Wunsch, investierten große Summen in seine Ausbildung und streckten schließlich auch das Geld vor, das Nick für die Gründung seiner Firma brauchte. Trotzdem hatten sie ihm nie so etwas wie das Gefühl vermitteln können, geliebt zu werden. Noch auf dem College hatte Nick versucht, sie durch seinen Fleiß und seine Leistungen dazu zu bringen, stolz auf ihn zu sein, aber auch damit war er nicht zu ihnen durchgedrungen.

Es hatte lange gedauert, bis Nick erkannte, dass es nicht an ihm lag, dass er nicht auf Gegenliebe stieß und ständig das Gefühl hatte, nur eine Belastung zu sein. Fest stand für ihn auf jeden Fall, dass seine Kinder einmal jederzeit wissen sollten, wie sehr er sie liebte. Und irgendwo musste es doch auch die richtige Frau dafür geben! Eine, die dasselbe wollte wie er, die dieselben Sehnsüchte hatte. Und er hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, sie zu finden, bevor er zu alt dazu war, mit seinem Sohn Fußball zu spielen oder seiner Tochter das Fahren auf Inlineskates beizubringen.

Dann fiel ihm wieder ein, was er in Zoes Büro wollte. Nick suchte die Personalakte eines neuen Mitarbeiters, der auffällig viele Fehlstunden hatte und häufig zu spät kam. Das war Nick ein Rätsel, denn dieser Mark O’Connell hatte bei seiner Einstellung hervorragende Empfehlungen vorlegen können.

Nick sah sich um. Wo verwahrte Zoe nur die Personalakten? Die Frage war nicht so abwegig, denn er kannte Zoes Chaos. Übertriebene Ordnung und System waren nicht ihre Sache, auch wenn es ihr in dem ganzen Durcheinander wunderbarerweise gelang, die Firma so reibungslos wie ein Uhrwerk am Laufen zu halten. Von einem Totalausfall bei ihrer Einstellung war sie längst zu einer unersetzlichen Kraft aufgestiegen.

Das musste der richtige Aktenschrank sein. Nick trat heran und arbeitete sich von Schublade zu Schublade von oben nach unten durch, bis er endlich ganz unten fündig wurde. Er nahm den Schnellhefter mit dem Namen O’Connell heraus und wollte das Schubfach gerade wieder schließen, als sein Blick auf ein Stück braunes Packpapier fiel. Verwundert schaute er nach und entdeckte eine Einkaufstüte. Diese hier stammte eindeutig aus einer Apotheke. Nick nahm sie heraus, immer noch erstaunt, auf so etwas hinter den Personalakten zu stoßen, richtete sich auf und wollte gerade einen Blick hineinwerfen, als er hinter sich einen gedämpften Aufschrei hörte, gefolgt von der empörten Frage: „Was machst du denn da?“

Er drehte sich um, die Apothekertüte noch immer in der Hand, und schaute in Zoes entsetztes Gesicht. „Ich habe das hier bei den Personalakten gefunden.“

Als Zoe die Sprache wiedergefunden hatte, sagte sie: „Ich schätze es nicht besonders, wenn man in meinen Sachen wühlt.“ Es war unüberhörbar, dass sie angestrengt versuchte, ruhig zu bleiben.

Autor

Michelle Celmer

Michelle Celmer wurde in Metro, Detroit geboren. Schon als junges Mädchen entdeckte sie ihre Liebe zum Lesen und Schreiben. Sie schrieb Gedichte, Geschichten und machte selbst dramatische Musik mit ihren Freunden. In der Junior High veröffentlichten sie eine Daily Soap Opera. Ungeachtet all dessen, war ihr Wunsch immer Kosmetikerin zu...

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