Mit den Waffen der Leidenschaft

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Die schöne Orla Kennedy ist perfekt auf das Meeting mit den Chatsfields vorbereitet, die das Kennedy-Hotel kaufen wollen. Aber am Abend zuvor will sie sich in der Bar des Londoner Luxushotels einen Drink gegen ihre Nervosität genehmigen. Doch sie findet etwas anderes als Entspannung: Ein attraktiver Mann blickt von seinem Whiskey hoch - und Orlas Welt steht still. Sie fragt nicht, wer er ist, begleitet ihn in seine Suite und genießt die Leidenschaft! Bis sie am nächsten Tag wie vom Donner gerührt sieht: Ihr Lover der letzten Nacht leitet die Verhandlungen - Antonio Chatsfield …


  • Erscheinungstag 15.09.2015
  • Bandnummer 2196
  • ISBN / Artikelnummer 9783733702045
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Antonio Chatsfield vermittelte der vollbusigen Brünetten am Bartresen die knappe Botschaft nonverbal und unmissverständlich: Nicht interessiert.

Alles an der aufgetakelten Beauty, die ihn aus kohlschwarz geschminkten Augen herausfordernd fixierte, strapazierte seine angegriffenen Nerven. Sie war zu vordergründig, zu sehr von sich überzeugt, dazu noch übertrieben aufgestylt … wie alles hier.

Um seinen Mund spielte ein zynisches Lächeln, während er das dekadent luxuriöse Bar-Ambiente des Flagship-Hotels begutachtete, das seiner Familie gehörte. Nichts, was Antonio in den letzten zehn, zwölf Jahren zu sehen bekommen hatte, konnte man hiermit vergleichen. Alles war von Chaos, Panik, Leiden und Tod geprägt gewesen.

Doch daran wollte er nicht zurückdenken. Nicht jetzt!

Schließlich war er gerade wegen der dunklen Ecken und des gedämpften Lichts hierhergekommen, anstatt sich in der einsamen Hotelsuite zu betrinken, die er vorübergehend sein Heim nannte. Antonio lächelte grimmig. Was für ein Fortschritt, dass er nicht länger darauf bestand, sich in einem selbst gewählten Exil zu betäuben, sondern in Gegenwart anderer. Sein Therapeut wäre zweifellos stolz auf ihn!

Was andere als selbstverständlich ansahen, war für ihn ein großer Schritt und hatte ihn einige Kämpfe gekostet. Und schon fühlte er das vertraute Frösteln und Prickeln auf der empfindlichen Haut, das ihn nie ganz verließ, ebenso wie das Krampfen in der Magengegend. Dazu reichte ein unerwartetes Hundegebell oder ein anderes, lautes Geräusch, und er war wieder gefangen im Terror seiner verheerenden Erinnerungen.

Doch leider hatte der vorsorgliche doppelte Whisky heute Abend nicht den gewünschten Effekt. Es war, als würde die essigsaure Bitterkeit in seinem Innern die erhoffte Wirkung einfach wegätzen. Selbst die Frau am Tresen verlor das Interesse an ihm und wandte sich einem Gast zu, der gerade die Bar betreten hatte. Antonio sah, wie sie beziehungsvolle Blicke tauschten, bevor der Neuankömmling dem Barkeeper einen Wink gab, der Dame einen weiteren Cocktail zu kredenzen.

Mental prostete Antonio den beiden zu, hatte er doch zu anderen Zeiten etliche Situationen wie diese erlebt und genossen. Momentan jedoch hatte er dafür keinen Sinn. Trotzdem spürte er ein unangenehmes Ziehen im Unterleib, etwas, das er lange nicht gefühlt hatte, da er es vorzog, sich rund um die Uhr zu betäuben, mit harter Arbeit oder Extremsport.

Nach langen Jahren im Exil, unterbrochen von gelegentlichen Trips in seine Heimat, war er erst seit wenigen Monaten zurück in London. Und das auch nur, weil seine Familie in einer ernsthaften Krise steckte. Was seinen Vater dazu veranlasst hatte, Christos Giantrakos als CEO an die Spitze des Familienunternehmens zu setzen – einer weltweiten Kette von Luxushotels, denen seit 1920 ein undefinierbarer Hauch von Exklusivität und Glamour anhaftete.

Doch der Stern der noblen Luxusherbergen befand sich seit Langem im Sinkflug. Gerade in den letzten Jahren war der ehemalige Glanz durch Antonios jüngere Geschwister noch zusätzlich angekratzt worden – durch eine Reihe von Skandalen, in denen einer den anderen förmlich zu übertreffen versuchte. Mit Ausnahme seiner Schwester Lucilla, die ihn um Hilfe gebeten hatte, da sie sich absolut überfordert fühlte.

Auch er hatte sich in jungen Jahren nicht gerade durch Diskretion und Feingefühl hervorgetan und war von zu Hause geflüchtet, als seine jüngeren Geschwister an der Schwelle zum Flegelalter standen. Deshalb stand es ihm kaum zu, sie zu verurteilen.

Antonio hatte der Familie und den dazugehörigen Pflichten schon vor langer Zeit den Rücken gekehrt und beabsichtigte nicht, die Zügel erneut in die Hand zu nehmen. Schon gar nicht, wenn Giantrakos darauf spekulierte, seine Erfahrungen aus Militärzeit und Business für sich zu nutzen, um das angeschlagene Image der Chatsfield Hotels wieder aufzupolieren und seine ehrgeizigen Expansionspläne voranzutreiben.

Doch Lucilla, die ihm von allen Familienmitgliedern nicht nur im Alter am nächsten stand, hatte ihn förmlich angefleht, sie dabei zu unterstützen, den arroganten Griechen möglichst vom Thron zu stoßen. Und da ihn schon lange das schlechte Gewissen plagte, weil er sie damals mit den jüngeren Geschwistern allein gelassen hatte, saß er jetzt hier in der Bar des Chatsfields London und brütete vor sich hin …

Lucilla hatte es geschickt angefangen, indem sie ihn nicht nur bei seiner Familienehre, sondern seinem sportlichen und beruflichen Ehrgeiz packte. Ihre Idee war die feindliche Übernahme eines Konkurrenzunternehmens – der Kennedy Group. So wollte sie noch vor dem im August anberaumten Aktionärs-Meeting beweisen, dass sie auch ohne einen selbstherrlichen Außenseiter in der Lage waren, dem Familienunternehmen wieder zu altem Glanz und Erfolg zu verhelfen.

Und wenn das erforderte, an einen Ort zurückzukehren, den er nie wieder hatte sehen wollen … dann sei’s drum.

Antonio verspürte einen vertrauten Druck in der Brust bei dem Gedanken an seine Geschwister und daran, dass niemand von ihnen, eingeschlossen er selbst, je die Chance auf ein normales, erfülltes Leben bekommen hatte. Nicht, nachdem sie von beiden Elternteilen im Stich gelassen worden waren. Als Ältester hatte er damals versucht, sein Bestes zu geben, doch es hatte nicht gereicht.

Die Wunden nach der schrecklichen Auseinandersetzung mit seinem Vater, vor mehr als zehn Jahren, waren immer noch nicht verheilt. Damals hatte er schmerzhaft einsehen müssen, wie unbedarft und schwächlich seine Bemühungen um eine intakte Familie waren – und dass es wohl für alle das Beste war, wenn er einfach verschwand und dem Schicksal seinen Lauf ließ. Denn, wie sein alter Herr ihn lapidar und mit sichtlicher Genugtuung erinnerte, war nun mal nicht er der Vater und würde es nie sein, wie sehr er sich auch anstrengte.

Freudlos trank er einen großen Schluck Whisky. Seine Schwester kannte ihn sehr gut. Lucilla wusste natürlich, wie schuldig er sich wegen seiner Flucht fühlte, obwohl sie es gewesen war, die ihn zum Gehen gedrängt hatte. Sie hatte seine Rast- und Ruhelosigkeit gespürt und geahnt, ihn ohnehin nicht auf Dauer halten zu können.

Ihre spezielle Nähe zueinander basierte hauptsächlich auf der schweren Bürde, die ihnen die eigene Mutter aufgehalst hatte, als sie eines Tages sang- und klanglos die Familie verließ und bis heute nicht wieder aufgetaucht war.

Trotz der Vielzahl quälender Ereignisse, die er seither durchlebt hatte, schmerzte ihn nichts heftiger als das Bild von Lucilla als Teenager, die mit tränenüberströmtem Gesicht ihre winzige Babyschwester an sich drückte.

‚Antonio … sie ist gegangen und hat uns allein gelassen …‘

Er selbst war zu wütend und zu verängstigt gewesen, um auch nur ein Wort herauszubringen. Darum hatte er seine beiden Schwestern nur stumm in die Arme genommen und sich geschworen, niemals zuzulassen, dass die Familie auseinanderfällt. Damals war er fünfzehn Jahre alt gewesen.

Frustriert über den unaufhaltsamen Fluss trüber Gedanken, leerte er sein Glas und beschloss, lieber in die Suite zurückzukehren, bevor er die anderen Gäste noch mit seiner miesen Laune ansteckte. Doch gerade als er vom Barhocker rutschen wollte, öffnete sich die Tür, eine Frau trat ein, und Antonio war wie paralysiert.

Dabei hätte er gar nicht sagen können, was genau ihn so an ihr faszinierte. Vielleicht war es einfach nur der auffällige Kontrast ihres blassen Teints zum tiefen Schwarz des aufregenden Kleids. Oder die unglaublich langen, schlanken Beine in mörderischen High Heels. Was immer es war, es bannte ihn auf seinem Platz fest. Atemlos verfolgte er ihre geschmeidig graziösen Bewegungen, während sie zum Tresen hinüberging und gelassen darauf wartete, dass der Barkeeper sie bemerkte.

Ein echter Rotschopf. Das aufgesteckte Haar schien bei jeder Bewegung feurige Funken zu sprühen. Die Augen waren blau … oder besser, dunkelviolett, das täuschend schlichte Seidenkleid stylish und sexy zugleich. Sie hatte schlanke Arme, schmale Handgelenke, und ihre kurzgeschnittenen Nägel waren farblos lackiert. In der Hand hielt sie eine elegante schwarze Clutch, und außer schlichten Diamantohrringen trug sie keinen Schmuck.

Sie war kleiner, als er zuerst angenommen hatte, ohne die hohen Absätze maximal eins fünfundsechzig. Piccola e fragile …

Antonio spürte ein heftiges Ziehen in den Lenden und bewegte sich unruhig auf dem Barhocker. Wie war das möglich, nachdem ihn die eindeutigen Avancen der wesentlich auffälligeren Schönheit von eben völlig kalt gelassen hatten?

Soweit er das angesichts der dämmrigen Lichtverhältnisse beurteilen konnte, hatte sie kleine Brüste und trug keinen BH unter der schwarzen Seide. Als sie sich leicht zur Seite wandte, zeigte sich für den Bruchteil einer Sekunde ein Schlitz im Oberteil des Kleides und ließ milchweiße Haut aufblitzen.

Eine heiße Woge heftigen Verlangens erfasste Antonio, während er sich vorstellte, seine Hand durch den Spalt zu schieben, eine Brust zu umfassen und zu spüren, wie sich die rosige Knospe in seiner warmen Handinnenfläche verhärtete …

Orla Kennedy stand vorm Bartresen, versuchte ihre Befangenheit zu verbergen und das irritierende Prickeln auf ihrer Haut zu ignorieren. Der Drang, auf der Stelle kehrt zu machen und die sprichwörtlichen Hacken in den Teer zu hauen – der sich in der dekadenten Bar im Zwanziger-Jahre-Stil als kostbarer Intarsienboden mit original Lalique-Motiven präsentierte –, wurde fast übermächtig.

Doch dann erinnerte sie sich an ihre Mission. Als Erstes wollte sie sich etwas Mut antrinken und dann relaxed eine dezente Recherche betreiben, um einen persönlichen Eindruck oder möglicherweise sogar interessantes Insiderwissen vor dem morgigen Meeting zu gewinnen. Wie kann ich da kneifen, nur weil sich gefühlt jedes anwesende Augenpaar auf mich richtet?

Wahrscheinlich bedauerte man die Single-Frau, die es nötig hatte, sich aus Einsamkeit in eine schummerige Bar zu flüchten. Oder schlimmer! schoss es Orla durch den Kopf, als sie dem flirtenden Paar am Ende des Tresens einen flüchtigen Blick zuwarf. Womöglich unterstellt man mir sogar, dass ich extra hergekommen bin, um einen Mann aufzureißen!

Ein sichernder Rundumblick zeigte ihr weitere Paare, die in intimen Nischen saßen, und eine Gruppe junger City-Boys in schicken Businessanzügen, die sich an einen langen Tisch im Hintergrund der Bar zurückgezogen hatten. Orla atmete innerlich auf, da offenbar niemand sie beobachtete oder sich gar über sie lustig machte, und beschloss, auf einem der hohen, samtbezogenen Drehhocker Platz zu nehmen, weil sie so im antiken Spiegel über dem Bartresen sehen konnte, was hinter ihrem Rücken vor sich ging.

Der attraktive, junge Barkeeper kredenzte ihr mit souveräner Geste den bestellten Drink, und Orla bat ihn lächelnd, den Cocktail auf ihre Zimmerrechnung zu setzen. Dann trank sie einen Schluck … und noch einen, doch das Gefühl, beobachtet zu werden, blieb.

Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, sich eine Nacht vor dem Meeting im Hotel einzumieten. Sie hatte es für einen besonders gelungenen Geistesblitz gehalten, eine Art Inspiration, um sich einen Eindruck zu verschaffen, wer es darauf anlegte, sich ihr angeschlagenes Familienunternehmen unter den Nagel zu reißen.

Doch um sich ein Bild von der Exklusivität des Hotels zu machen, hätte sie nicht wirklich einchecken müssen. Ein Blick ins Internet hätte gereicht, auch wenn gemunkelt wurde, dass die Reputation der Chatsfield Hotel Group wegen diverser Familienskandale in den letzten Jahren ziemlich gelitten hatte.

Eine Maßnahme, die Firma wieder zu stärken, wenn es schon nicht möglich schien, die wilden, zügellosen Hotelerben in Schach zu halten, hieß offensichtlich: Expansion. Orlas weicher Mund verhärtetet sich, wenn sie daran dachte, wie entschlossen, ja, geradezu gnadenlos man sich Hotelketten einverleibte, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckten. Aktuell peilte man die Kennedy Group an, die Firma ihres Vaters …

Begonnen hatte die Geschichte in Irland, wo Patrick Kennedy in den Sechzigern mit einem kleinen Hotel begann und dank harter Arbeit, enormer Willenskraft und dem berühmten irischen Dickschädel bald über eine ganze Hotelkette verfügte, wobei ihm der damalige wirtschaftliche Aufschwung sehr entgegenkam. Dann verlegte er seine Geschäfte nach England, reagierte zu spät auf den ökonomischen Einbruch und war gezwungen, mehrere Hotels zu schließen, was ihn verwundbar und zur begehrten Beute für feindliche Übernahmen machte.

Orla war klar, dass ihr Familienunternehmen niemals mit dem Chatsfield-Imperium verglichen werden konnte, aber sie besaß genügend Fachwissen und Sachverstand, um zu erkennen, wie perfekt sich die Kennedy-Hotels ins Chatsfield-Portfolio einfügen ließen. Vor allem dank ihrer vorzüglichen Reputation und einer exklusiven Klientel, die neben Luxus und Glamour gesteigerten Wert auf Diskretion legte.

Deshalb war sie hergekommen, um ihre Gegner besser einschätzen zu können. Doch angesichts der gediegenen Atmosphäre und der eleganten Opulenz allein im Foyer oder hier in der Bar fühlte sie sich wie David vor dem Riesen Goliath. Eigentlich kann ich auch direkt wieder nach Hause fahren, dachte sie mutlos. Ehe ich mich noch lächerlich mache …

Ihre Nackenhärchen sträubten sich. Da war es wieder, dieses verstörende Gefühl, beobachtet zu werden. Diesmal so intensiv, dass sie den Blick wie magisch angezogen nach links wandern ließ, und ihr der Atem stockte, als sie sich von einem glühenden, dunklen Augenpaar gefangen fühlte. Der Mann stand abseits, im Hintergrund der Bar, und fixierte sie auf eine geradezu unverschämte Weise. Selbst als sie jetzt unwillig das Kinn vorschob, dachte er nicht daran, den Blick abzuwenden.

Und frustriert musste Orla feststellen, dass sie es ebenso wenig fertigbrachte.

Wie habe ich ihn bisher nur übersehen können? Ohne einen Finger zu rühren oder auch nur mit der Wimper zu zucken, beherrschte er den Raum. Dunkel und brütend, mit geradezu dramatisch maskulinen Gesichtszügen, nachtschwarzem, kurz getrimmtem Haar, einem klassisch geschnittenen Mund mit etwas vollerer Oberlippe, den er momentan allerdings zu einer grimmigen Linie zusammenpresste.

Wie es wohl war, von derart herben Lippen geküsst zu werden? Rau und ohne Kompromisse? Mit ungezügelter Leidenschaft und …

Heiße Röte überzog ihren Hals, und Orla konnte es nicht fassen, wohin sich ihre lebhafte Fantasie verirrte. Mit flammenden Wangen senkte sie den Blick schuldbewusst auf ihren Cocktail, den sie so schnell wie möglich austrinken würde. Aber nicht hier, im Spotlight des Bartresens, sondern etwas abseits, wo sie sich nicht auf dem Präsentierteller fühlte … und verstörenden Männerblicken ausgeliefert.

Kurz darauf sank sie mit einem erleichterten Seufzer auf die mit dunkellila Samt gepolsterte Sitzbank und stellte ihr Glas auf dem Tisch vor ihr ab. Mit der Wand im Rücken und freiem Blick über die Bar fühlte sie sich schon sicherer. Überhaupt gehörte die vollbusige Brünette, die sich inzwischen im wilden Clinch mit ihrem Begleiter befand, wahrscheinlich viel eher ins Beuteschema ihres Beobachters.

Verrückt, wie mein Herz pocht und mein Puls jagt! Wie nach einem schweißtreibenden Marathonlauf. Vorsichtig hob Orla den Blick, stellte fest, dass der beunruhigende Fremde immer noch in ihrem Sichtfeld war und sie offenbar nonstop in seinem Fokus!

Ein beängstigendes Gefühl. Oder eher seltsam. Sinnlich, sündhaft … sexy.

Orla spürte, wie sich ihre harten Brustspitzen gegen die weiche Seide drängten. Erst als sie im Hotelzimmer ihre Tasche ausgepackt hatte, hatte sie festgestellt, dass kein BH dabei war, den sie unter diesem Kleid mit dem versteckten Schlitz im Dekolleté tragen konnte. Aber im strengen Business-Hosenanzug wäre sie hier in der Bar unter Garantie noch mehr aufgefallen, also musste sie oben ohne gehen. Was in ihrem Fall nicht tragisch … oder besonders frustrierend war, da sie keine so aufregend großen Brüste hatte wie die Frau am Tresen.

In der schummerigen Barbeleuchtung war bestimmt nichts Kompromittierendes zu sehen, wenn man nicht so dreist und unverschämt starrte!

Rasch wandte sie den Blick ab, um dem dunklen Fremden nicht noch falsche Signale zu senden. Okay, es war eine ganze Weile her, dass sie Sex gehabt hatte. Präzise gesagt bereits über ein Jahr, und davor war in dieser Hinsicht auch nicht viel passiert. Jedenfalls nichts Erwähnenswertes. Warum keine ihrer Beziehungen mehr als ein paar Wochen gehalten hatte, konnte sie sich bis heute nicht erklären. Irgendwie schienen die Männer, mit denen sie sich verabredete, ein Problem damit zu haben, dass Arbeit und Familie für sie immer an erster Stelle standen.

Irgendwann hatte Orla sich damit abgefunden, ihre Arbeit als potenten Bettgenossen zu akzeptieren. Und bis zu diesem Moment hatte ihr diese Illusion auch absolut gereicht. Natürlich war sie auch mal frustriert oder fühlte sich einsam, wenn sie verliebten Pärchen gegenüberstand, die sich für ein Romantik-Wochenende in ihrem Hotel einmieteten und das Haus nach zwei Tagen relaxed und mit träumerischem Augenausdruck wieder verließen.

Aber warum stört mich das ausgerechnet jetzt? Und warum dieser bittere Geschmack auf der Zunge, wenn sie …

„Darf ich mich zu Ihnen setzen?“

Ihr Kopf flog so abrupt hoch, dass sie es im Nacken spürte. Es war, als habe ihr jemand eine heftige Ohrfeige versetzt. Alles Blut wich aus ihrem Gesicht, nur um in der nächsten Sekunde als heiße Welle ihre Wangen zu überfluten.

Der Mann, um den sich in den letzten fünf Minuten jeder ihrer Gedanken drehte, stand dicht neben ihr, in dunklem Anzug und mit am Kragen offenem weißem Hemd. Er war so … groß, so kraftvoll, regelrecht überwältigend.

Sie brachte keinen Ton hervor, was offenbar als stumme Einladung interpretiert wurde. Lässig ließ er sich auf den gepolsterten Stuhl ihr gegenüber fallen. Erst als er seinen Drink auf dem schmalen Tisch abstellte, erwachte Orla aus ihrer Trance. „Ich habe Sie nicht darum gebeten, sich zu mir zu setzen“, sagte sie steif, während ihr Herz ganz weit oben im Hals schlug. Da er nicht reagierte, griff sie nach ihrem Cocktailglas und wollte sich erheben.

„Bitte, bleiben Sie.“

Seine dunkle, raue Stimme sandte wilde Schauer über ihren Rücken. Orla zögerte. Sie fühlte sich unsicher, atemlos und ausgeliefert. Was war nur an diesem Mann, dass er ihr so unter die Haut ging? Woher mochte er stammen? Erst verspätet registrierte sie seinen leichten Akzent. „Sie sind nicht von hier?“

Antonio hob die Brauen. „Doch, bin ich. Warum?“

„Ich weiß nicht …“ Ihre Röte vertiefte sich noch, weil sie ihm unabsichtlich ihr Interesse offenbart hatte. „Sie wirken irgendwie fremdländisch.“

Seine aufregenden Lippen kräuselten sich leicht. „Das liegt vielleicht daran, dass ich halb Italiener, halb Engländer bin.“

„Oh …“

„Und Sie?“

„Irisch“, gab Orla wie aus der Pistole geschossen zurück und hätte am liebsten die Augen verdreht. Sie hatte eben nur wenig Erfahrung in Bargesprächen! „Da geboren, hier aufgewachsen.“

„Das erklärt die helle Haut und das rote Haar.“

Wie hypnotisiert starrte sie ihm in die Augen und versuchte, die Farbe zu ergründen. In dem dämmerigen Licht erschienen sie ihr tiefschwarz, mit winzigen goldenen Pünktchen, die ab und zu aufblitzten. Auf jeden Fall signalisierten sie Gefahr. Dann fiel ihr wieder ein, wo sie war, und Orla versteifte sich. „Würden Sie mich jetzt bitte allein lassen? Ich habe Sie nicht um Ihre Gesellschaft gebeten … Sir.“

Das Schweigen zwischen ihnen dehnte sich ins Unendliche aus. Der Fremde rührte sich keinen Millimeter. Frustriert startete Orla einen erneuten Versuch aufzustehen. „Okay, wenn Sie so unhöflich sind, werde ich …“ Sie brach ab, als sie seinen festen Griff um ihr Handgelenk spürte.

„Bitte, tun Sie mir nur einen kleinen Gefallen, bevor Sie mich verlassen“, bat er eindringlich. „Geben Sie nur für ein paar Minuten vor, dass wir beide zusammengehören.“

Sein Vorschlag machte Orla sprachlos, aber nur für einen Moment. „Wovon reden Sie eigentlich?“, fragte sie brüsk und machte sich mit einem Ruck frei.

„Sehen Sie die Frau dahinten am Tresen?“, fragte der Fremde im Verschwörerton und wies mit den dunklen Augen in die Richtung, ohne den Kopf zu bewegen.

Orla folgte seinem angedeuteten Blick und sah den vollbusigen brünetten Vamp, inzwischen allerdings ohne Begleiter, auf dem hohen Barhocker balancieren. „Was ist mit ihr?“

„Ich befürchte, ich bin der Nächste auf ihrer Hitliste.“ Auf seinen dunklen Zügen zeigte sich so etwas wie Panik.

Oder einfach nur Theatermelodramatik! entschied Orla. Der Kerl flirtet mit mir!

„Und Sie versuchen mir vorzumachen, dass Sie der lockenden Sirene nichts entgegenzusetzen haben?“, fragte sie spöttisch. „Netter Versuch.“

Jetzt grinste er breit und mit funkelnden Augen. „Hat nicht geklappt, oder?“

Sie schüttelte den Kopf und versuchte, sich von seiner unangemessenen Heiterkeit nicht anstecken zu lassen. „Ich glaube, jetzt sind Sie sicher“, informierte sie ihren dreisten Verehrer. „Wie es aussieht, brauchte ihr Rivale nur eine kleine Pause und ist wieder zurück an seinem Platz.“

Erst jetzt fiel ihr auf, dass der Fremde sich gar nicht umdrehen musste, um das Geschehen hinter seinem Rücken zu registrieren. Ein Blick in den Barockspiegel über ihrem Kopf reichte. „Schade, nun muss ich mir etwas Neues einfallen lassen, um mit Ihnen reden zu können.“

In Orlas Magen flogen unzählige Schmetterlinge auf. Natürlich hätte sie auch jetzt noch gehen können, doch dazu war sie inzwischen viel zu neugierig und animiert. Der dunkle Fremde erwies sich als wesentlich charmanter und lockerer als anfangs angenommen. Dazu der geheimnisvolle Habitus – welche Frau hätte darauf nicht reagiert? Orla fühlte sich plötzlich so belebt und feminin wie seit Ewigkeiten nicht mehr.

„Darf ich Ihnen noch einen Cocktail als Wiedergutmachung für meine Dreistigkeit bestellen?“, fragte der Mann, als spüre er ihre Schwäche.

Orla zögerte nur kurz. „Sicher, warum nicht?“, erwiderte sie betont flapsig, lehnte sich zurück und beobachtete, wie der Barkeeper auf den leisesten Fingerzeig ihres Gegenübers herbeieilte, um die Bestellung aufzunehmen, während der geheimnisvolle Fremde sie immer noch nicht aus den Augen ließ. Orla war atemlos und voller Erwartung …

„Sind Sie geschäftlich hier?“, eröffnete er die Konversation.

Sie nickte, allerdings widerwillig. Gerade jetzt wollte sie nur ungern an den Grund ihrer Anwesenheit denken: die unvermeidliche Übernahme ihres Familienunternehmens. „Verkaufsangelegenheiten …“, erklärte sie vage und erntete ein verständnisvolles Nicken.

„Akquisition“, kam es genauso vage zurück. „Trockene Angelegenheiten, oder?“

Irgendwie konnte sie sich ihn nicht als gewöhnlichen Geschäftsmann vorstellen, aber vielleicht versuchten sie ja auch beide, dem anderen etwas vorzuenthalten oder vorzumachen? Das brachte sie zu einem noch viel wichtigeren Punkt. Sie schaute auf seine kräftige gebräunte Hand, konnte aber keinen Ring entdecken. „Sind Sie verheiratet?“

Er schüttelte den Kopf, und der flüchtige Ausdruck von Schmerz, der über die dunklen Züge huschte, überzeugte Orla noch mehr als das raue Nein, das er hinzufügte.

„Und Sie?“

Auch Orla schüttelte rasch den Kopf und unterdrückte ein Schaudern. Niemals würde sie sich einem Mann ausliefern, damit er Anspruch auf die Hälfte ihrer Geschäftsanteile erheben konnte, die sie sich zusammen mit ihrem Vater so hart erarbeitet hatte.

„Nein.“ Das klang mindestens so entschieden wie zuvor bei ihm.

„Nun, nachdem das geklärt ist, sind wir beide also frei, um … ja, um was zu tun?“

Wieder lief ihr ein Schauer über den Rücken, diesmal vermischt mit wildem ungezügeltem Verlangen. Ein Gefühl, dass sie schon fast vergessen hatte und kaum kontrollieren konnte. „Wir sprachen gerade über Verkauf und Akquisition, glaube ich …“

„Ah, ja …“ Der Barkeeper kam an ihren Tisch und stellte zwei Gläser Whisky ab. Der Mann hob seines zum Toast und suchte erneut Orlas Blick. „Auf überraschende Begegnungen und unverhoffte Chancen …“

Sie stieß mit ihm an. „Auf pathetische, dunkeläugige Fremde.“

Er lächelte, und dann lächelten sie beide, bevor sie tranken. Orla spürte, wie sich der Whisky wohlig wärmend in ihrem Innern ausbreitete. Sie fühlte sich unglaublich gut.

„Sollten wir uns einander nicht vorstellen?“

Die Frage wirkte wie eine kalte Dusche. Ihr Magen zog sich zusammen, und rasch nahm sie noch einen Schluck. Namen waren so real, so nüchtern. „Ich finde, diese Gewohnheit wird völlig überbewertet“, entgegnete sie ihrem Tischherrn viel lockerer, als ihr zumute war. „Wir werden uns vermutlich nie wiedersehen, wofür also Namen?“

In seinen Augen blitzte es auf, um die Lippen spielte ein herausforderndes Lächeln. „Aber irgendwie muss ich Sie doch ansprechen, es muss ja nicht der richtige Name sein.“

Ihr wurde ganz heiß unter seinem Blick. Wann will er mich denn ansprechen? Wenn ich nackt in seinen Armen liege und wir beide auf den Höhepunkt der Lust …

„Ich bin Marco“, behauptete er grinsend und reichte ihr seine rechte Hand.

Orla ergriff sie nur zögernd und mit brennenden Wangen. „Ich bin … Kate.“

„Freut mich, dich kennenzulernen, Kate …“

„Einfach nur Kate.“

Er nickte zufrieden. „Kate und Marco also.“

Lieber Himmel! Kein Mann, der ihr bisher über den Weg gelaufen war, kam ihrer Vorstellung vom obligatorischen Traumprinzen oder tapferen Ritter auf schwarzem Pferd so nah wie dieser Fremde … wie Marco.

„Du hast also morgen hier im Hotel ein Geschäftsmeeting?“

Schlagartig fühlte sich Orla in die bittere Realität zurückgeworfen. „Lass uns jetzt nicht über morgen sprechen“, murmelte sie rau.

Antonio neigte den Kopf und betrachtete ihre weichen Lippen, die sie gerade zu einem schmalen Strich zusammenkniff. „Okay, einverstanden: keine echten Namen, kein Morgen. Die Gegenwart ist ohnehin viel interessanter und aufregender. Soll ich dir was sagen, Kate? Ich war gerade im Begriff die Bar zu verlassen, als du aufgetaucht bist.“

Autor

Abby Green

Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...

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