Verliebt in den geheimnisvollen Milliardär

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Nicolo Chatsfield hat den Ruf eines Helden. Warum also vergräbt er sich in der Einsamkeit des düsteren Familienanwesens? Sophie Ashdown, die hübsche Assistentin des neuen Geschäftsführers der Hotelkette, sucht den geheimnisvollen Milliardär auf. Der älteste Chatsfield-Erbe muss sie unbedingt zu einem Meeting begleiten, das über die Zukunft der legendären Hotels entscheidet! Doch nichts hat Sophie auf Nicolos dunkle Anziehungskraft, erotische Ausstrahlung und zugleich schroffe Ablehnung vorbereitet. Als hätte seine Seele Wunden - die ihre Liebe vielleicht heilen kann?


  • Erscheinungstag 18.08.2015
  • Bandnummer 2192
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701956
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

So viel zur modernen Technologie, dachte Sophie, lenkte den Wagen an den Straßenrand und schaltete den Motor aus. Obwohl sie strikt den Anweisungen ihres Navis gefolgt war, hatte sie sich hoffnungslos verfranzt.

Vor ihr lag die sanfte Hügellandschaft von Chiltern Hills, doch nirgends war ein Farmhaus oder auch nur eine Scheune zu sehen, geschweige denn ein stattliches Herrenhaus. Die Landstraße verengte sich zunehmend, und Sophie mochte gar nicht daran denken, was passieren würde, sollte ihr ein anderes Fahrzeug entgegenkommen.

Seufzend nahm sie die aufgeschlagene Landkarte vom Beifahrersitz und stieg aus. An einem anderen Tag hätte sie die reizvolle Umgebung sicher genossen. Unter einem kornblumenblauen Himmel erstreckten sich Wiesen und Felder im saftigen Grün bis zum Horizont. Zu Füßen der Hecken, die den Wegrand säumten, blühten Wiesenblumen in allen Farben des englischen Sommers.

Doch Sophie machte keine Landpartie, sondern war auf Geheiß von Christos Giantrakos nach Buckinghamshire gekommen und wollte seinen Auftrag so schnell wie möglich hinter sich bringen.

Vor etwa zwei Stunden war sie bei strahlendem Sonnenschein in London aufgebrochen. Inzwischen war die Luft schrecklich schwül und drückend – ein sicheres Zeichen für einen Wetterumschwung. Ein Blick über die Schulter bestätigte ihre Befürchtung. Sophies Herz sank, während sie düster die dunklen Wolken in ihrem Rücken betrachtete.

Sie wirkten regelrecht Angst einflößend. Das fehlte ihr noch, mitten in einem Sturm im Nirgendwo festzustecken!

Darum hielt sie das rumpelnde Geräusch hinter sich auch zunächst für Donner, doch als sie sah, dass es von einem Traktor stammte, atmete sie erleichtert auf und hielt den Fahrer mit wildem Winken an, bevor er auf ein Feld abbog.

„Können Sie mir helfen? Ich suche Chatsfield House, aber wahrscheinlich habe ich mich verfahren.“

„Bleiben Sie einfach auf dieser Straße, Miss. Nach einer halben Meile sehen Sie dann schon den Familiensitz der Chatsfields.“

„Auf diesem Schotterweg?“, hakte Sophie zweifelnd nach.

Der Farmer hob die Schultern. „Ab hier ist es keine öffentliche Straße mehr, sondern ein Privatweg. Aber die Familie kümmert sich schon lange nicht mehr um die Instandhaltung. Regen hat den Weg aufgeweicht und tiefe Löcher hinterlassen, die Sie besser umfahren, sonst stecken Sie rettungslos fest.“

Na bravo! dachte Sophie grimmig und zwang sich zu einem Lächeln. „Danke für die Warnung.“ Sie wollte wieder ins Auto steigen.

„Die Familie ist schon vor langer Zeit weggezogen, und Besucher sind sehr selten geworden.“ Die Neugier in der Stimme des Traktorfahrers war nicht zu überhören.

„Aber Nicolo Chatsfield lebt doch noch dort, oder?“, vergewisserte Sophie sich.

Aye! Der ist vor einigen Jahren zurückgekommen, zeigt sich aber nur selten im Ort. Die Schwester meiner Frau macht bei ihm sauber und sagt, er sitzt ständig am Computer und tätigt irgendwelche Finanzgeschäfte, die ihm bereits ein Vermögen eingebracht haben. Eine Schande, dass er davon nicht wenigstens ein bisschen im örtlichen Pub ausgibt. Wegen der Rezession droht dem King’s Head nämlich das Aus.“

Sophie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte, aber der Farmer schien auch keinen Kommentar von ihr zu erwarten, sondern musterte sie nur zweifelnd von Kopf bis Fuß.

„Mit einem warmen Willkommen von Nicolos Seite sollten Sie lieber nicht rechnen, Miss. Und was seinen Köter betrifft, der gleicht eher einem blutrünstigen Wolf.“

Na, das wird ja immer besser! Sophie schnitt eine Grimasse, nickte zum Abschied, stieg in ihren Wagen und ließ den Motor an. Ganz kurz war sie versucht, einfach zu wenden und gleich wieder nach London zu fahren, doch der Gedanke, ihrem Boss unter die Augen zu treten und das Scheitern ihrer Mission zu gestehen, schreckte sie davon ab.

Christos Giantrakos, der neue Geschäftsführer, hatte von Gene Chatsfield den Auftrag bekommen, dem einst weltberühmten Namen und Image der Hotelkette wieder zu altem Glanz zu verhelfen. Und nachdem Sophie ihre Stellung als seine persönliche Assistentin angetreten hatte, wurde ihr schnell klar, dass es nur einen Weg gab, um sich nicht von einer derart dominanten Persönlichkeit unterbuttern zu lassen: Sie durfte keine Angst zeigen, sondern musste Christos unerschrocken die Stirn bieten. Sollte das restliche Personal ihn ruhig mit Samthandschuhen anfassen, für sie war das nichts.

Seit sie als Teenager dem Tod ins Gesicht hatte sehen müssen, gab es nur sehr wenig, wovor Sophie sich fürchtete. Ihre schwere Krankheit hatte ihr eine völlig veränderte Perspektive auf ihr zukünftiges Leben gegeben.

Sie war begeistert gewesen, aus Hunderten von Kandidaten als Giantrakos’ PA ausgewählt worden zu sein, und ihr Stolz verbot ihr, sich schnell geschlagen zu geben.

Sophie blinzelte und versuchte, sich zu orientieren. Die Bäume zu beiden Seiten der holperigen Allee waren offenbar seit Ewigkeiten nicht mehr beschnitten worden. Ihr dichtes Blätterdach bildete einen dunklen Tunnel und filterte das abnehmende Sonnenlicht, sodass bizarre, schmale Schatten vor ihr auf dem Weg tanzten wie Irrlichter.

Willkommen in Narnia!

Ungeduldig trat sie aufs Gas, schlängelte sich zwischen den matschigen Schlaglöchern hindurch und sog scharf den Atem ein, als sich der vermeintliche Dschungel nach einer leichten Kurve plötzlich lichtete und Chatsfield House in Sicht kam.

Ihr erster Eindruck des riesigen, ramponierten Gebäudes aus rotem Backstein war der einer Irrenanstalt aus dem neunzehnten Jahrhundert, wie man sie aus alten Filmen kannte. Die Architektur wies eindeutig gotische Einflüsse auf, die unzähligen bleigefassten Sprossenfenster sahen aus, als wären sie vergittert. Selbst die üppig blühenden Glyzinien, die den herrschaftlichen Eingang umrankten, konnten die grimmige Fassade nicht auflockern.

Irgendwann musste es ein charmanter Familiensitz gewesen sein, doch die untrüglichen Zeichen jahrelanger Verwahrlosung waren durchaus dazu angetan, etwaige Besucher abzuschrecken. Ein Umstand, der dem derzeitigen Bewohner von Chatsfield House möglicherweise sogar entgegenkam, überlegte Sophie, während sie über den knirschenden Kies an einem reich ornamentierten Brunnen vorbeiging, der seine Funktion offensichtlich schon seit Langem eingebüßt hatte. Das Becken war halb mit braunem, modrigem Wasser gefüllt, und der marmornen Wassernymphe im Zentrum fehlte der Kopf.

Sophie dachte an das Gespräch mit Christos heute Morgen um acht Uhr in seinem Büro. Wie gewöhnlich saß er bereits an seinem Schreibtisch, ignorierte ihren etwas atemlosen Guten-Morgen-Gruß und knurrte ungnädig, als sie eine Tasse Kaffee vor ihn hinstellte.

„Verdammt! Manchmal spiele ich ernsthaft mit dem Gedanken, die ganze missratene Chatsfield-Brut auf eine einsame Insel zu verfrachten und sie dort verrotten zu lassen!“

Sie verstand sofort und atmete innerlich durch. „Na, welcher von Genes Sprösslingen hatte heute das Pech, in Ihr Kreuzfeuer zu geraten?“, hatte sie ihn forsch gefragt.

„Nicolo!“, schnappte Christos.

„Ich nehme an, er weigert sich immer noch, an der Aktionärsversammlung im August teilzunehmen?“

„Er ist wirklich so stur wie …“

Wie Sie? wäre ihr fast herausgerutscht, doch im letzten Moment biss Sophie sich auf die Zunge.

„Ich habe gerade mit ihm gesprochen und musste mir sagen lassen, dass er keinerlei Interesse an der Hotelkette und auch nicht an seinem Anteil am Familienunternehmen hat und deshalb keinen Sinn darin sieht, nach London zu kommen. Dann riet er mir noch, meine kostbare Zeit nicht damit zu verschwenden, ihn weiterhin anzurufen, und legte einfach auf.“

Sophie zuckte zusammen, als Christos fluchten. Oh nein, Leute legten nicht so einfach auf, wenn Mr Giantrakos mit ihnen sprechen wollte. Jedenfalls nicht, wenn sie wussten, was gut für sie war. „Und was werden Sie jetzt tun?“

„Ich habe keine Zeit, mich mit Nicolo Chatsfields Extravaganzen herumzuschlagen, darum werden Sie zu ihm nach Chatsfield House fahren und ihn nach London bringen. Ohne seine Anwesenheit kann ich gewisse Veränderungen im Gesamtkonzept nicht durchführen. Und falls er wirklich so unwillig ist, wie er behauptet, besteht immerhin die Möglichkeit, dass er bereit ist, seine Anteile zu verkaufen. Aber auch in dem Fall brauche ich ihn hier bei dem Meeting.“

„Und was lässt Sie annehmen, dass er ausgerechnet auf mich hört?“, fragte Sophie beherrscht. „Haben Sie nicht erzählt, dass er seit über einem Jahr absolut zurückgezogen lebt und jeglichen sozialen Kontakt meidet?“

Christos hörte ihr gar nicht zu. „Wie Sie das zustande bringen, ist mir egal, selbst wenn Sie ihn bei den Ohren packen und herschleifen müssen. Aber auch davon abgesehen gibt es noch etwas, was Sie in Buckinghamshire für mich erledigten können. Ich möchte, dass Sie Unterlagen durchsehen, die einen Chatsfield-Besitz in Italien betreffen. In den ersten Jahren seiner Ehe unterhielt Gene ein Büro im Chatsfield House und wechselte erst nach Geburt der Zwillinge in eine Londoner Dependance, worauf es in seiner Ehe zu kriseln begann.“

Sophie hob skeptisch die Brauen. „Was voraussetzt, dass Nicolo mich einlädt zu bleiben, was angesichts Ihres Telefonats wohl eher unwahrscheinlich ist.“

„Sie brauchen keine Einladung von ihm“, kam es brüsk zurück. „Er wohnt in Chatsfield House, aber es gehört ihm nicht. Sie haben Gene Chatsfields persönliche Erlaubnis, sich so lange dort aufzuhalten, wie Sie wollen.“

Ich Glückliche! dachte Sophie sarkastisch und starrte das imposante Herrenhaus an. Die massive Haustür war schwarz gestrichen und mit einem hässlichen Messing-Türklopfer in Form eines Widderkopfs versehen.

Nach einem tiefen Atemzug betätigte Sophie den Klopfer, trat zurück und wartete ein paar Minuten, bevor sie es erneut versuchte. Vermutlich benötigte Nicolo mehr als nur eine sporadische Putzfrau, um ein Haus dieser Größe zu führen, und sie hatte laut genug geklopft, dass irgendjemand es hören musste, egal, wo er sich aufhielt.

Eine unerwartete Windböe wirbelte einen Haufen welker Blüten und Blätter auf, die sich in einer Ecke des Portals gesammelt hatten. Im gleichen Moment schob sich eine dunkle Wolke vor die Sonne. Sophie fröstelte.

Reiß dich zusammen! rief sie sich zur Ordnung, versuchte durch ein Fenster neben der Tür zu linsen, doch im Hausinnern tat sich absolut nichts. Verdammt! Wo war Nicolo Chatsfield? Christos hatte doch erst vor wenigen Stunden mit ihm telefoniert.

Sophie nagte an ihrer Unterlippe. Immer noch rührte sich nichts, was ihr die perfekte Rückzugsmöglichkeit bot, doch das Wort aufgeben hatte noch nie zu ihrem Vokabular gehört. Vor zehn Jahren, während sie ums Überleben kämpfte, hatte sie sich jedes bisschen Entschlossenheit und Zähigkeit erkämpfen müssen. Mit gerade mal sechzehn die Diagnose zu erhalten, an einer ganz besonders aggressiven Art von Krebs zu leiden, war ein herber Schlag gewesen.

Bis heute hatte sie weder den kalten Knoten aufsteigender Panik in ihrem Magen vergessen noch das entsetzte, verzweifelte Gesicht ihrer Mutter. In jenem schrecklichen Moment hatte Sophie sich selbst geschworen, zu kämpfen und den Krebs zu besiegen, koste es, was es wolle. Es half ihr durch die aggressive Chemotherapie, die damals ihre einzige Hoffnung bedeutete.

Als alles überstanden war, nahm sich vor, ihr neues Leben voll auszukosten. Jede Chance zu nutzen und sich von keinem Problem irritieren und aus der Bahn werfen zu lassen, so übermächtig es sich auch darstellen mochte.

Sophie presste die Lippen zusammen, trat vor und klopfte erneut, kräftig und anhaltend. Da auch das nichts half, lief sie ums Haus herum auf die Rückseite und fand sich in einem riesigen verwilderten Garten wieder. Verunkrautete Flächen, die früher ein gepflegter Rasen gewesen sein mochten, und Beete, in denen alte Rosensorten im Würgegriff wuchernder Winden einen langsamen Tod starben.

Die rückwärtige Tür war offen, was wohl bedeutete, dass Nicolo irgendwo in der Nähe sein musste. Sie zögerte nur für den Bruchteil einer Sekunde, ehe sie die Küche betrat, wo ein massiver eiserner Herd, der aussah, als stehe er seit dem Erstbezug des Landsitzes dort, ihre Aufmerksamkeit weckte.

„Hallo? Jemand da?“, rief sie versuchsweise, ehe sie sich auf einen Erkundungsgang durchs Haus machte. Sie schaute in etliche Räume, die alle mit exquisiten antiken Möbeln eingerichtet waren und von einer großzügigen Halle abgingen. In einem Zimmer stand ein imposantes Klavier, das sie geradezu magisch anzog. Während sie ihre Finger spielerisch über die Tasten gleiten ließ, dachte sie an ihren Vater und wie sie es geliebt hatte, ihm zuzuhören, wenn er Klavier spielte, in dem gemütlichen alten Haus in Oxford, wo sie aufgewachsen war.

Sie seufzte. Es waren wundervolle Jahre gewesen … bis der Krebs kam.

Soweit sie wusste, hatten ihre Eltern sich aufrichtig geliebt, doch die tödliche Bedrohung hatte sich wie eine schwarze Wolke über die ganze Familie gelegt und schlussendlich die Idylle der frühen Kinderjahre zerstört. Dass ihr Vater dem Druck nicht standgehalten und die Familie verlassen hatte, war für Sophie schlimmer zu ertragen gewesen als ihre Krankheit. Er hatte sie im Stich gelassen, als Sophie ihn am meisten brauchte. Der Schmerz darüber nagte heute noch an ihrem Herzen.

Abrupt klappte sie den Klavierdeckel zu und verbannte damit auch die unliebsamen Erinnerungen wieder in den Hinterkopf. Eine Art sechster Sinn warnte sie, dass sie nicht länger allein war, doch noch bevor sie reagieren konnte, ließ ein dumpfes Grollen in ihrem Rücken sie erstarren. Sophie spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufrichteten, und drehte sich langsam um.

Beim Anblick von Mann und Hund im offenen Türrahmen stockte ihr der Atem. Beide waren groß, dunkel und wirkten ausgesprochen bedrohlich, wobei das gewaltige Tier Sophie weniger einschüchterte als sein Herrchen. Das einzige Bild, das sie von Nicolo kannte, war ein älteres Pressefoto aus Christos’ Geschäftsunterlagen. Zu der Zeit, als das Foto geschossen wurde, galt Nicolo noch als notorischer Lebemann und Playboy, der seinen beachtlichen Trust mit schnellen Autos, Champagner und atemberaubenden Schönheiten durchzubringen versuchte. In seinen frühen Zwanzigern hätte er mit jedem männlichen Supermodel konkurrieren können, wie etliche Titelbilder exklusiver Magazine bewiesen.

Damals war noch nichts von den schrecklichen Narben zu sehen gewesen, die ihn seit einem Brandunfall zeichneten.

Wie bei seinen Brüdern und Schwestern hatten auch Nicolos Extravaganzen immer wieder zu skandalträchtigen Schlagzeilen geführt, was dem Namen Chatsfield erheblichen Schaden zufügte. Doch vor einigen Jahren hatte sich Nicolo abrupt aus dem Medienzirkus und den Spotlights zurückgezogen.

Der Mann, der jetzt vor ihr stand, hatte wenig Ähnlichkeit mit der Fotografie, die Sophie kannte. Seine markanten Gesichtszüge wirkten viel härter, die hohen Wangenknochen definierter und die kantige Kinnlinie wie aus Granit gemeißelt. Er sah älter aus als zweiunddreißig. Das dichte braune Haar trug er schulterlang und nachlässig frisiert. Dazu die dunklen Bartstoppeln und der gut geschnittene, feste Mund, den kein Lächeln entspannte. Das Ganze ergab das Bild eines Mannes, der sich den Teufel darum scherte, was andere von ihm dachten.

Sophie schluckte trocken. Sie hatte zwar keine Angst, fühlte sich aber von Nicolos aggressiver Männlichkeit ziemlich überwältigt. Er hatte noch kein Wort gesagt, und langsam fand sie sein stures Schweigen entnervend. Deshalb zwang sie sich zu einem Lächeln. „Sicher fragen Sie sich, was ich hier in Ihrem Haus zu suchen habe?“

„Darüber bin ich absolut im Bilde“, kam es knapp zurück.

Seine tiefe, leicht raue Stimme jagte Sophie heiße Schauer über den Rücken.

„Sie halten sich widerrechtlich in meinem Eigentum auf.“

„Das stimmt so nicht ganz“, widersprach Sophie, trat einen Schritt vor und verharrte abrupt, als das Grollen aus der Hundekehle lauter wurde. Das Tier war so riesig, dass es sie überragen würde, sollte es auf die Idee kommen, seine Vorderpfoten auf ihre Schultern zu legen. Es war ein irischer Wolfshund, den man besser nicht provozierte, wollte man nicht als sein Dinner enden. Also blieb Sophie vorsichtshalber, wo sie war.

„Darf ich mich Ihnen vorstellen? Mein Name ist Sophie Ashdown. Ich bin die persönliche Assistentin von Christos Giantrakos. Er hat mich hergeschickt, um …“

„Ich weiß, was Christos von mir will“, unterbrach Nicolo sie grob. „Meine Antwort ist dieselbe wie am Telefon. Sie haben die Reise umsonst gemacht, Miss Ashdown. Schließen Sie die Tür hinter sich, wenn Sie gehen.“

„Warten Sie!“ Sophie kreischte fast, als er sich abwandte und ging, dieses Kalb von Hund auf seinen Fersen. „Mr Chatsfield …“ Sie folgte ihm durch die riesige Halle, doch Nicolo verschwand ungerührt hinter einer Tür, die er nachdrücklich schloss. „Also, das ist doch …“ Sophie fehlten die Worte. In ihr begann es zu brodeln. Noch nie war sie derart rüde behandelt worden.

Ohne sich Rechenschaft über ihr Tun abzugeben, riss sie die Tür auf und platzte in einen großen hellen Raum mit hoher Decke, der offensichtlich als Büro diente. An den Wänden wechselten sich Bücherregale mit geschlossenen Schränken ab. Auf dem überdimensionalen Schreibtisch sah sie ein beeindruckendes Computersystem mit acht Bildschirmen, über die ständig wechselnde Diagramme, Zahlen und Symbole flimmerten.

Ihr fiel ein, dass Christos erwähnt hatte, Nicolo habe sich in den letzten Jahren als äußerst erfolgreicher Finanzmakler etabliert und betreibe einen eigenen Hedgefonds, der unter Black Wolf Asset Management firmiere und ihn zu einem der reichsten Männer Londons gemacht habe.

Zumindest scheint er es nicht für nötig zu halten, auch nur einen Teil seines Vermögens in standesgemäße Kleidung zu investieren, dachte Sophie. Sein langer, ehemals schwarzer Wachsmantel hatte seine beste Zeit längst hinter sich, die wadenlangen Lederstiefel wirkten abgewetzt und geradezu schäbig. Und er trug lederne Handschuhe, seltsamerweise aber nur an einer Hand … der linken.

Ohne das Zeitungsfoto hätte sie ihn irrtümlicherweise für einen Jäger oder Wildhüter halten können, besonders in Begleitung seines grauschwarzen Höllenhundes. Der grollte immer noch tief in der Kehle, ein grässliches Geräusch, das Sophie in jeder Körperzelle spürte.

Nicolo stand vor dem Schreibtisch und machte sich nicht einmal die Mühe, sich ihr zuzuwenden, obwohl er sie gehört haben musste.

„Leben Sie wohl, Miss Ashdown“, sagte er mit leiser, tiefer Stimme, die einen Anklang von Ungeduld verriet.

Auch Sophies Geduld ging langsam, aber sicher zur Neige. „Mr Chatsfield …“

Der Wolfshund bleckte warnend die Zähne, doch sein Herrchen ignorierte sie weiterhin standhaft. Sophie fragte sich, ob er wenigstens dann mildes Interesse zeigen würde, wenn der Hund sie in Stücke riss. Was für eine absurde, lächerliche Situation!

Wie sollte sie Nicolo den Grund für ihre Anwesenheit erklären, während sie sich mit hungrigen Wolfsaugen und geifernden Lefzen konfrontiert sah? Ihre einzigen Erfahrungen, was Hunde betraf, beschränkten sich auf ihren geliebten Yorkshireterrier Monty, der ihr in frühen Kinderjahren ein guter und treuer Freund gewesen war. Allerdings glaubte Sophie irgendwo gelesen zu haben, dass irische Wolfshunde als gutmütige, sanfte Riesen galten.

Um herauszufinden, ob das wirklich stimmte, gab es nur einen Weg.

Sophie nahm ihren ganzen Mut zusammen, ging auf das Riesentier zu und hielt ihm ihre Hand hin. „Hallo … was bist du nur für ein braver Kerl?“, murmelte sie mit mehr Hoffnung als Überzeugung. „Wie heißt er?“, wandte sie sich dann an seinen Besitzer.

Accidenti! Nicolo fluchte lautlos in sich hinein.

Obwohl in England aufgewachsen, verfiel er oft in die Sprache seiner Mutter. Hauptsächlich wenn er aufgewühlt oder genervt war – so wie jetzt. Diese unmögliche Frau hatte es nicht nur gewagt, dreist in sein Haus einzudringen, sie machte nicht einmal vor seinem privaten Heiligtum, seinem Büro, halt!

Nur widerwillig riss er den Blick vom PC los, wandte sich um und staunte nicht schlecht, als er sah, wie Sophie Ashdown den mächtigen Schädel seines Hundes streichelte.

„Dorcha …“, knurrte er unwillig. „Im Irischen heißt das Dunkelheit.“

„Ah, dann hatte ich doch recht! Es ist ein Irischer Wolfshund, nicht wahr?“

„Rüde.“ Ihre Unerschrockenheit überraschte und irritierte ihn. Die meisten Menschen fürchteten sich vor Dorcha, dabei war er eine Seele von Hund, der nichts mehr genoss, als beachtet und verwöhnt zu werden. Wenn diese Frau so weitermachte, würde er sich ihr als Nächstes zu Füßen werfen und den blanken Bauch zum Kraulen hinhalten!

„Er sieht gar nicht wie ein Wolf aus.“

„Der Name hat auch nichts mit dem Aussehen zu tun, sondern hängt mit dem Einsatz der Hunde bei der Jagd auf Bären und Wölfe zusammen“, erklärte er widerwillig. „Es ist eine sehr alte Rasse, die bereits zu Zeiten des Römischen Reichs gezüchtet wurde.“

Sophie lachte und kraulte Dorchas Kehle. „Na, dann kann ich ja froh sein, dass er es offenbar nicht auf mich abgesehen hat.“

Nicolo knirschte mit den Zähnen, kam aber nicht umhin festzustellen, dass Christos’ PA außerordentlich attraktiv war und eine beängstigende Anziehungskraft hatte. Der Gedanke an den griechischen Thronräuber, den sein Vater an die Spitze des Chatsfield-Hotelimperiums gehievt hatte, ließ seine Miene noch finsterer werden.

Er war Giantrakos nie persönlich begegnet und gedachte auch nicht, daran etwas zu ändern. In den letzten acht Jahren hatte Nicolo sich immer weiter aus der Hotelbranche zurückgezogen und versuchte seitdem, sich selbst davon zu überzeugen, dass ihm egal war, was dort firmenintern geschah. Doch die Entscheidung seines Vaters, einen Außenseiter als CEO einzusetzen, hatte ihm klargemacht, dass es ihn sehr wohl interessierte, was aus dem Familienunternehmen wurde.

Allerdings mehr um seiner Schwester willen als aus Eigeninteresse. Lucilla arbeitete seit Jahren im Flagship der Kette, dem Londoner Chatsfield, womit sie jeglichen Anspruch auf den Posten verdiente, den ihr Vater völlig selbstherrlich einem Fremden übergeben hatte. Kein Wunder, dass Lucilla verärgert und gekränkt war.

Seine große Schwester hatte wahrlich ihr Bestes getan, um die Familie zusammenzuhalten, nachdem ihre Mutter sie einfach verlassen hatte und ihr Vater nichts Besseres zu tun gehabt hatte, als seinen Frust im Alkohol zu ertränken und sich mit jedem Zimmermädchen zu trösten, das ihm über den Weg lief. Anstatt die Stellung zu bekommen, die Lucilla dank ihrer überragenden Leistung zustand, war sie jetzt gezwungen, Befehle vom neuen CEO ihres Vaters anzunehmen, der sich nicht gerade durch Verbindlichkeit oder Nachsicht auszeichnete.

Ärger und Frustration verdunkelten Nicolos Blick, als er Sophie Ashdown von Kopf bis Fuß musterte. Wie dreist muss diese Frau sein, um ungefragt hier einzudringen und dann noch zu erwarten, von mir willkommen geheißen zu werden? Alles an ihr regte ihn auf. Angefangen von ihrem todschicken Leinenensemble, das auch ohne sichtbares Label den Topdesigner verriet, bis zu den endlos langen Beinen in extravaganten High Heels, die ihre ohnehin schmalen Fesseln noch zierlicher erscheinen ließen. Ihr Haar leuchtete in einem ungewöhnlichen Honiggold, und Nicolo fragte sich sarkastisch, wie viele Stunden sie wohl beim Hair-Stylisten verbracht haben mochte, um die üppige Lockenpracht so zu bändigen, dass sie wie ein seidiger Wasserfall ihren Rücken herabfiel.

Autor

Chantelle Shaw
Chantelle Shaw ist in London aufgewachsen. Mit 20 Jahren heiratete sie ihre Jugendliebe. Mit der Geburt des ersten Kindes widmete sie sich ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter, ein Vollzeitjob, da die Familie bald auf sechs Kinder und verschiedene Haustiere anwuchs.

Chantelle Shaw entdeckte die Liebesromane von Mills & Boon,...
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