Mit jedem glühenden Blick

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Jake war immer wie ein großer Bruder für Ashley. Bis zu der Nacht, in der sie ihm mit einem heißen Kuss beweisen wollte, dass sie eine Frau ist - und zurückgewiesen wurde. Jahrelang trennten sich ihre Wege. Doch jetzt benötigt Jake plötzlich ihre Hilfe. Und plötzlich ist da diese unwiderstehliche Anziehung ...


  • Erscheinungstag 16.03.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733746056
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Die Crenshaws veranstalteten eine Grillparty, und alle Nachbarn waren gekommen. Lichterketten zierten die alten Eichen, die das große Haupthaus umgaben. Der große Innenhof bot genügend Platz zum Tanzen, und eine Band spielte Countrymusic.

Joe Crenshaw häufte seinen Gästen gegrillte Rippchen und Würstchen auf den Teller und war zufrieden, weil alle ihren Spaß hatten. Er und seine Frau Gail genossen es, Gäste zu bewirten.

„Nimm dir einen Teller und setz dich zu uns, Joe!“, rief sein Freund Randy ihm zu. „Wir haben gerade über deine Familie gesprochen, und mein Enkel hat viele Fragen, die ich nicht beantworten kann.“

Joe lachte, füllte sich den Teller und schlenderte hinüber an den langen Tisch. Nachdem er sich einige Rippchen hatte schmecken lassen, fragte er: „Was willst du wissen, Teddy?“

Der Zwölfjährige errötete. „Wie lange leben die Crenshaws schon hier?“

„Seit 1845.“

Teddy machte große Augen. „Wow!“

„Ja, es ist lange her, dass Jeremiah Crenshaw nach Texas geritten kam. Er fühlte sich hier sofort heimisch und kaufte Land.“

„Viel Land?“

„Es gehört sich nicht, so etwas zu fragen“, warf Randy ein.

Joe grinste. „Oh, ich glaube nicht, dass Jeremiah diese Frage beleidigend gefunden hätte. Er war stolz auf seinen Besitz. Ich kenne die genaue Fläche nicht, aber es waren mehrere Tausend Morgen.“

„Ich wette, er musste einen Haufen Leute einstellen, die für ihn gearbeitet haben, oder?“

„Da hast du recht, Junge. Aber er hat kleine Teile seines Landes an sie verkauft, damit sie Häuser bauen konnten. Und für die, die kein Grundstück kaufen wollten, hat er Unterkünfte bauen lassen.“

„Und wie hat er so viele Leute verpflegt?“, wollte Teddy wissen.

„Er war ein Schlitzohr, das kann ich dir sagen. Er hat die Eisenbahnbesitzer überredet, Schienen hierher zu verlegen. So konnte er sein Vieh, die Wolle und Lederprodukte abtransportieren und andere Güter anliefern lassen.“

„War New Eden denn damals schon eine Stadt?“

„Nein, eher ein winziger Ort. Aber es entstanden schon Geschäfte und …“

„Saloons!“

„Genau. Das alles wurde um den Bahnhof herum aufgebaut. Damals hieß der Ort aber noch Trail’s End.“

Randy war erstaunt. „Das wusste ich gar nicht. Du kennst dich ja gut aus, Joe.“

„Einige Frauen unserer Familie haben über Generationen Tagebücher über die Ereignisse in der Gegend geführt. Mein Dad hat sie vor einigen Jahren veröffentlicht. Ihr könnt Kopien davon in der Bücherei finden.“

Die Diskussion am Tisch wandte sich anderen Dingen zu, aber Joe dachte noch immer über die Geschichte der Crenshaws nach. Als die Band zu spielen begann, zog er sich zurück und setzte sich auf einen der Liegestühle unter der großen Eiche.

Die Mitglieder der Familie Crenshaw hatten sich immer als Hüter ihres Landes betrachtet. Wir alle haben Jeremiahs Stärke, Entschlossenheit, Widerstandsfähigkeit und eine gewisse Wildheit, die zum Leben in Texas gehört, dachte Joe schmunzelnd.

Nach und nach hatte man die Ranch und die anderen Besitzungen zu einer Aktiengesellschaft zusammengefasst, jedes Familienmitglied zum Teilhaber gemacht und jedem ein Stück Land zugeteilt. Selbst jetzt gab es noch genügend Land, um jeden Crenshaw mit einem Grundstück zu versorgen, auf dem er sein Heim bauen konnte. Nicht alle lebten als Farmer oder Viehzüchter, aber es war keine Frage, dass sie hierher gehörten.

Joe bemerkte, dass sein Vorarbeiter Ken Sullivan mit zwei Flaschen Bier in der Hand auf ihn zu geschlendert kam.

„Hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich mich zu dir geselle, Joe“, meinte er.

„Natürlich nicht. Ich hab gern Gesellschaft. Aber ich schaue mir das Treiben auch gern mal mit etwas Abstand an und genieße es, dass alle ihren Spaß haben.“

Ken ließ sich auf dem Stuhl neben Joe nieder und reichte ihm ein Bier. „Den haben sie wirklich. Vor allem Ashley. Ich kann dir gar nicht genug danken, dass du diese Geburtstagsfeier für sie arrangiert hast. Sechzehn ist ein ziemlich wichtiger Meilenstein im Leben eines Mädchens.“

„Meine vier Jungs haben damals die Tage gezählt, weiß du noch? Sie konnten es kaum erwarten, ihren Führerschein zu machen, um endlich einmal von der Ranch wegzukommen.“

Ken nickte. „Es ist schon schwierig, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass meine Ashley so schnell erwachsen wird, aber deine Jungs, die scheinen jeden Tag noch größer zu werden!“

Joe lächelte. „Ganz zu schweigen von den Mengen, die sie beim Essen verschlingen. Allen voran Jake.“

Ken lachte. „Du musst aber zugeben, er arbeitet auch für zwei. Vor allem, seit er offiziell für die Rinderzucht auf der Ranch zuständig ist.“

„Das hat er immer schon getan, Ken. Ich habe gerade neulich erst zu Gail gesagt, dass in ihm der alte Jeremiah wiedergeboren zu sein scheint. Er liebt diese Ranch. Es macht mir wirklich große Freude, dass er sie übernehmen will.“

Joe betrachtete seine breitschultrigen und braun gebrannten Söhne. Alle vier waren muskulös und drahtig und sahen gut aus.

Der älteste – Jake – war vierundzwanzig. Jared war zweiundzwanzig und hatte vor Kurzem das College abgeschlossen. Er war geschickt darin, Ölvorkommen ausfindig zu machen und sie zu erschließen.

Der zwanzigjährige John machte dem Ruf der Crenshaws in Bezug auf Wildheit und Wagemut alle Ehre, und der Jüngste, Jason, war achtzehn und besuchte noch die Schule. Er hielt seinen Bruder John jedoch für das perfekte Vorbild.

„Na, ihr zwei“, sagte Gail, die auf Joe und Ken zukam. „Die Party ist ein voller Erfolg, oder?“, fragte sie ein wenig außer Atem.

Sie hatte getanzt, und Joe hatte ihre anmutigen Bewegungen bewundert. Er fand, dass sie kaum älter aussah als ihre Söhne. „Scheint so“, erwiderte er. „Hast du Spaß?“

Gail lachte. „Ich habe immer Spaß, wenn ich eine Party gebe. Willst du mit mir tanzen?“

„Hast du jemals erlebt, dass ich eine Gelegenheit auslasse, dich in die Arme zu nehmen?“, fragte er und zwinkerte Ken zu. Joe stand auf und legte seiner Frau einen Arm um die Schulter. „Komm schon, Ken. Such dir auch eine Tanzpartnerin.“

Die Söhne der Familie Crenshaw beobachteten den Spaß aus sicherer Entfernung. Keiner von ihnen tanzte gern.

Jake hatte den Abend über ein wachsames Auge auf Ashley gehalten, amüsiert und zufrieden, dass sie ihre Party genoss.

Ashley war immer ein Wildfang gewesen und hatte Jeans und Westernhemden Rüschenblusen und Kleidern vorgezogen. Sie heute Abend herausgeputzt zu sehen, war ein kleiner Schock für ihn gewesen. Der kurze Rock zeigte viel von ihren perfekten Beinen und die Kombination ihrer kunstvollen Frisur – statt des Pferdeschwanzes, den sie sonst trug – und des sorgfältig aufgetragenen Make-ups verursachte ein merkwürdiges und ungewohntes Gefühl bei ihm.

Ashley war auf der Ranch geboren und aufgewachsen und zu einem wichtigen Teil in Jakes Leben geworden. Von dem Moment an, als sie alt genug gewesen war, ihm zu folgen, war sie nicht mehr von seiner Seite gewichen. Sie war mit ihm auf einem Pferd geritten, bis sie allein reiten konnte. Und er hatte sich auch sonst um sie gekümmert, wenn sie ihm überall hin auf der Ranch gefolgt war.

Normalerweise waren ihr zwei oder drei Hunde hinterhergelaufen, Streuner, die schnell ein Heim bei ihr fanden, da Ashley ein weiches Herz hatte.

Doch von dem Kind war jetzt nichts mehr zu sehen. An diesem Abend sah sie wie eine junge Frau aus, provokativ und faszinierend, was Jake aus einem Grund, den er selbst nicht kannte, Sorgen bereitete.

„Scheint, als wäre dein kleiner Schatten erwachsen geworden, Jake.“

Jake lächelte John halbherzig zu. „Wohl wahr“, meinte er nachdenklich.

„Es ist kaum zu glauben, dass sie schon sechzehn ist“, erklärte Jared und sah der tanzenden Ashley zu. „Ich erinnere mich noch gut daran, dass sie dir auf Schritt und Tritt gefolgt ist, als wir Kinder waren. Ich habe nie begriffen, wo du die Geduld hergenommen hast.“

Jake lächelte. „Es hat mir nichts ausgemacht.“

„Nicht einmal, als sie jedem erzählte, sie würde dich heiraten, wenn sie groß sei?“

„Ach, komm schon. Da war sie sechs oder sieben. Kinderkram, Jared. Dem ist sie lange entwachsen.“

Jason, der zwei Jahre älter als Ashley war, meinte: „Ob sie wohl jetzt mit mir ausgehen würde? Bisher hat sie immer gelacht, wenn ich sie gefragt habe. Vielleicht sollte ich noch einmal mein Glück versuchen.“

Jake runzelte die Stirn. „Angesichts des Rufs, den du dir so hart erarbeitet hast, bezweifle ich, dass Ken dich auch nur in die Nähe seiner Tochter lässt.“

Jason errötete. „Du weißt genau, dass ich ihr nichts tun würde, Jake. Ken würde mich in Stücke reißen.“

„Und wenn er mit dir durch wäre, würde ich auf dich warten“, entgegnete Jake.

John sah ihn herausfordernd an. „Warum gehst du nicht mit ihr aus?“

Jake sah seinen Bruder an, als hätte der den Verstand verloren. „Das soll wohl ein Witz sein, oder? Ich bin viel zu alt für sie. Außerdem ist sie für mich wie eine kleine Schwester.“ Sein Blick suchte Ashley. „Allerdings muss ich zugeben, dass sie in diesem Kleid nicht wie eine kleine Schwester aussieht.“

„Wie ich schon sagte, sie ist erwachsen geworden. Also, wann forderst du sie zum Tanzen auf?“, neckte John ihn.

„Ihre Zehen werden ihr zu wertvoll sein, als dass sie einen Tanz mit mir riskiert. Außerdem stehen die Jungs Schlange, um sie aufzufordern.“

„Übrigens, Jake“, wechselte Jared das Thema. „Was hältst du eigentlich davon, dass Dad jetzt davon spricht, sich aufs Altenteil zurückzuziehen?“

„Ich denke, er und Mom haben es sich verdient, ein wenig kürzer zu treten“, erwiderte Jake. „Mom überlegt bereits, wie das neue Haus aussehen soll, das sie bauen lassen will. Ich habe sie schon lange nicht mehr so aufgeregt gesehen. Sie hofft, dass sie Dad dann auch dazu bewegen kann, mehr zu verreisen. Ich habe ihr zugeredet.“

Er nahm einen Schluck Bier und wandte sich an Jared: „Ich hätte nichts dagegen, die Arbeit ein wenig mit dir zu teilen, wenn du dich mal dazu entschließen könntest, ein bisschen länger an einem Ort zu bleiben, als man braucht, um ein Ölloch zu bohren.“

„Rund um die Uhr auf das Vieh aufzupassen, ist nicht meine Vorstellung von Spaß, Brüderchen. Ich bin glücklich mit dem, was ich tue.“

„Wie ist es mit dir, John?“, fragte Jake. „Willst du dich auf der Ranch versuchen?“

„Ich habe nichts dagegen zu helfen, wenn Not am Mann ist, Jake, aber es wird ganz sicher nicht mein Lebensinhalt werden. Wer weiß, was aus mir einmal wird. Im Moment genieße ich einfach das Leben.“

Jemand berührte Jakes Arm, und als er sich umdrehte, sah er eine lächelnde Ashley neben sich stehen. Sie trug ihr dunkles Haar zurückgekämmt, sodass es in natürlichen Wellen über ihre Schultern fiel. Ihre grünen Augen funkelten, als sie meinte: „Kann ich mit dir reden, Jake?“

„Sicher.“ Er war überrascht, als sie sich von seinen Brüdern entfernte, und folgte ihr.

Ashley wartete, bis sie eine ruhige Ecke erreicht hatten, bevor sie sprach. „Tanz mit mir“, forderte sie Jake auf. „Ich habe praktisch mit allen hier getanzt … außer mit dir.“

Jake schüttelte schon den Kopf, als sie den Satz noch nicht mal beendet hatte. „Nein, Kleines. Es gibt genügend Jungs, die auf dich warten. Nimm dir einen von denen. Du willst doch auch gar nicht mit einem so alten Knaben wie mir tanzen.“

„Alt! Vierundzwanzig ist nicht alt.“

„In Bezug auf dich schon“, erwiderte er ohne zu lächeln.

Ashley senkte den Blick und sah auf die Tanzfläche. „Die Party ist wundervoll, oder? Deine Mom und dein Dad sind super, dass sie das alles arrangiert haben.“

„Die beiden haben Spaß daran. Ich freue mich, dass es dir gefällt.“

„Na, dann werde ich mal wieder zu den anderen gehen.“ Sie sah Jake an. „Wenn du nicht mit mir tanzen willst, dann gib mir wenigstens einen Geburtstagskuss.“

Jake nickte. Er hatte sie als Kind immer auf die Nase geküsst, was sie zum Kichern gebracht hatte. Jetzt, da sie fast erwachsen war, würde er sie auf die Wange küssen. Das war zumindest sein Plan. Doch als er sich zu ihr hinunterbeugte, schlang Ashley die Arme um seinen Nacken, stellte sich auf Zehenspitzen und schmiegte sich an ihn. Als er ihr die Hände um die Taille legte und sie auf die Wange küssen wollte, kam sie ihm zuvor und berührte seine Lippen mit ihren.

Jake erstarrte und versuchte sich ihr zu entziehen, doch sie klammerte sich an ihn, und er wollte ihr nicht wehtun. Ihre weichen Lippen lagen fest auf seinen, und mit ihrer Zunge berührte sie spielerisch seinen Mund. Völlig überrascht wollte Jake etwas sagen, doch als er den Mund öffnete, nahm Ashley das als Aufforderung, und umspielte seine Zunge mit ihrer.

Der Kuss war erregend und herausfordern, und Jake verspürte einen Anflug von Verlangen, dessen Intensität ihn schockierte.

Dies hier war Ashley! Wer hatte ihr beigebracht, so zu küssen? Jake ergriff ihre Handgelenke und stieß sie von sich. Er atmete schwer und verfluchte sich dafür, dass er den Kuss nicht sofort unterbunden hatte.

„Was zum Teufel soll das?“

Ashley blinzelte träge, als würde ihr erst langsam wieder bewusst, wo sie sich befand. Ihre Lippen schimmerten feucht. Ein Blick in ihre Augen verriet Jake, dass der Kuss auch sie tief berührt hatte.

Er war wütend auf sich und auf Ashley. Sie hatte kein Recht, einen Mann – vor allem nicht ihn – so zu küssen. Es war unanständig, es war …

„Verdammt, Ashley. Spiel deine Teenagerspiele nicht mit mir. Such dir gefälligst jemanden in deinem Alter zum Flirten.“

Jake bemerkte die Tränen, die sich in ihren Augen sammelten, als sie sich abwandte. Wie sollte er nur mit dieser Situation umgehen? Sie hatte nur ein bisschen üben wollen, das war alles. Vielleicht fühlte sie sich bei ihm sicher, aber das war leider ein Irrtum. Sie war alles andere als sicher, wenn sie ihn dermaßen erregen konnte.

Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, doch Ashley drehte sich nicht zu ihm um.

„Es tut mir leid, Kleines, es ist nur …“

„Du brauchst nichts zu erklären, Jake. Du hast dich klar ausgedrückt.“ Ashley machte sich los und ging davon.

Jake schlenderte unbeholfen zurück zu seinen Brüdern. Es war offensichtlich, dass sie alles mitbekommen hatten, was seine Laune nicht gerade besserte. Die vier standen einen Moment lang schweigend da, während Jake sich bemühte, seine Erregung wieder in den Griff zu bekommen.

„Warum bist du so schockiert, Jake?“, fragte Jared schließlich. „Du weißt, was sie für dich empfindet. Du warst schon immer ihr Idol. Du hättest wissen müssen, dass das irgendwann passiert.“

„Quatsch. Sie hat früher vielleicht für mich geschwärmt, aber …“

„Kein Aber!“, unterbrach John ihn. „Du hättest sie nicht behandeln dürfen, als hätte sie eine ansteckende Krankheit oder so etwas.“

Jake rieb sich die Stirn. „Okay, okay. Vielleicht hast du recht. Ich hätte diplomatischer sein sollen, aber sie hat mich so überrumpelt, dass ich …“ Er seufzte resigniert. „Ich muss mich wohl entschuldigen.“

Jake machte sich auf die Suche nach Ashley und überlegte, welche Erklärung er ihr für sein Verhalten geben konnte, ohne ein unschuldiges Mädchen zu schockieren. Er schaute sich auf der überfüllten Tanzfläche um, ohne sie zu entdecken. Er traf seine Mutter und fragte, ob sie Ashley gesehen hätte.

„Sie scheint heute Abend überall zu sein“, meinte Gail. „Vielleicht ist sie ins Haus gegangen.“

Drinnen war es genauso voll wie draußen, was die Suche erschwerte. Wegen der Größe des Hauses dauerte es eine Weile, bis Jake feststellte, dass Ashley auch nicht im Haus war.

Sie blieb spurlos verschwunden.

1. KAPITEL

Neun Jahre später

„Ich bin dabei und erhöhe um fünfundzwanzig“, meinte Jake zu Tom McCain, dem Leiter der größten Bank in der Stadt. Er musterte abwartend die anderen – die Rancher Kent und Lew sowie Curtis, den ortsansässigen Anwalt. Sie hatten sich im Hinterzimmer der „Mustang Bar“, die am Rande von New Eden lag, zu ihrem wöchentlichen Pokerspiel versammelt.

Jake saß mit dem Rücken zur Wand, den Stetson tief über die Augen gezogen, und beobachtete seine Mitspieler genau. Da sie schon seit Jahren zusammen spielten, kannte er die Anzeichen, wenn einer von ihnen bluffte. Nur Tom verriet durch nichts, was für ein Blatt er in der Hand hatte.

Die anderen warfen ihre Karten zusammen, und Tom war wieder an der Reihe.

„Ich halte deine fünfundzwanzig und erhöhe um fünfzig.“

Auf dem Tisch lag ein Haufen Geld, und die drei anderen Mitspieler schauten interessiert zu Jake.

„Ich halte deine fünfzig und will sehen“, sagte er.

Tom betrachtete seine Karten, doch bevor er antworten konnte, öffnete sich die Tür und der Lärm aus der Kneipe drang zu ihnen herein.

Weder Jake noch Tom registrierten die Unterbrechung. Jake hielt seinen Blick auf Tom gerichtet und fragte sich, ob dessen Karten gut genug waren, um ihn zu schlagen. Seine Konzentration wurde jedoch jäh unterbrochen, als sein Cousin Jordan ihn am Arm berührte.

„Tut mir leid, dich zu stören, Jake“, sagte Jordan, „aber du wirst umgehend auf der Ranch gebraucht.“

Ohne sich umzudrehen schüttelte Jake den Kopf. „Nicht jetzt, Jordan. Was auch immer es ist, du wirst damit fertig.“

„Ich wünschte, dem wäre so, geht aber nicht. Du musst mitkommen. Jetzt gleich.“

Tom lächelte Jake an. „Geh nur, Crenshaw. Ich werde den Pott bewachen.“ Die anderen drei lachten.

„Darauf könnte ich wetten. Wenn du noch dabei bist, zahle und lass sehen, was du hast.“

Tom machte seinen Einsatz und legte die Karten auf den Tisch – drei Buben und ein Zehnerpärchen, ein Fullhouse. „Ich hoffe, das wird dir eine Lehre sein, Crenshaw“, meinte er und griff nach dem Geld.

„Ja, Tom, es lehrt mich, dass ich um hundert hätte erhöhen sollen“, entgegnete Jake und drehte seine Karten um. Er hatte einen Flush. Während er aufstand, sammelte er das Geld ein. „Tut mir leid, jetzt aufhören zu müssen, aber wie ihr seht, werde ich anderswo gebraucht.“

Die anderen beschwerten sich, weil er nach seinem Gewinn sofort gehen wollte und beschuldigten ihn, das so geplant zu haben. Tom lehnte sich zurück und meinte: „Zum Teufel, Crenshaw, zumindest könntest du mir die Möglichkeit geben, einen Teil meines Geldes zurückzugewinnen!“

Jake lächelte. „Nächste Woche, Tommy. Da bekommst du deine Chance.“

Er steckte das Geld in seine Hemdtasche und betrachtete besorgt seinen Cousin. Der sechsundzwanzigjährige Jordan war normalerweise ein ruhiger, besonnener Mensch. Jake hatte ihn selten so aufgeregt wie jetzt gesehen.

Nachdem Jake sich verabschiedet hatte, bahnten er und Jordan sich einen Weg durch die gut besuchte Kneipe. Jake grüßte Bekannte, ohne jedoch stehen zu bleiben. Erst auf dem Parkplatz sprach er Jordan an.

„Okay, was zum Teufel ist so wichtig, dass du mich bei meinem Pokerspiel unterbrechen musstest? Das ist meine einzige Chance, mich zu entspannen. Wenn das Haus brennt, hättest du die Feuerwehr rufen sollen. Wenn Einbrecher im Haus sind, hättest du den Sheriff rufen sollen. Also, was konnte deiner Meinung nach nicht warten, bis ich wieder zu Hause bin?“

„Tiffany.“

Jake erstarrte. „Wovon redest du?“ Er wurde lauter.

„Sie ist auf der Ranch.“

Jake starrte Jordan fassungslos an. Warum sollte seine Exfrau nach all den Jahren wieder aufgetaucht sein? Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Hat sie gesagt, was sie will?“

Jordan stieg in seinen Pick-up und schlug die Tür zu. „Das kann sie dir selbst erzählen. Ich habe ihr versprochen, dich zu holen, und das habe ich getan. Jetzt verschwinde ich nach Hause. Wenn ich mir nicht um eine der Stuten Sorgen gemacht hätte, wäre ich gar nicht auf der Ranch gewesen, als deine Ex aufgetaucht ist.“ Er winkte kurz und fuhr los.

Jake stand da und starrte dem Wagen hinterher. Tiffany Rogers war auf die Ranch zurückgekehrt, obwohl sie geschworen hatte, niemals wieder einen Fuß dorthin zu setzen. Er hatte nicht erwartet, sie jemals wiederzusehen und konnte sich nicht vorstellen, was sie von ihm wollte.

Frustriert schüttelte er den Kopf und stieg in seinen Wagen, um zu seiner dreißig Meilen entfernt liegenden Ranch zu fahren. Was konnte Tiffany an einem Freitagabend, er schaute auf die Uhr, kurz vor Mitternacht wohl von ihm wollen? Hatte die Frau ihm nicht schon genug Kummer bereitet?

Jake erinnerte sich an die Nacht, bevor sie gegangen war. Tiffany hatte schon seit Tagen in einem der Gästezimmer geschlafen, was nichts Ungewöhnliches gewesen war. Sie hatte es immer getan, wenn sie ihren Willen nicht durchsetzen konnte. Zu dem Zeitpunkt hatte er bereits gelernt gehabt, ihr Schmollen zu ignorieren, denn er war sicher gewesen, alles getan zu haben, um sie glücklich zu machen. Trotz ihrer Prinzessinnen-Allüren hatte er sie geliebt und immer gehofft, dass sie irgendwann zu der reifen Frau werden würde, von der hin und wieder etwas in ihrem Verhalten aufblitzte.

Als er in jener Nacht aufgewacht war, hatte er gespürt, dass Tiffany neben ihm im Bett lag. Er hatte angenommen, sie habe sich beruhigt und sei bereit, sich wieder mit ihm zu vertragen. Manchmal hatte er sich sogar gefragt, ob sie sich nur deshalb mit ihm stritt, weil sie ihr Versöhnungsritual so sehr genoss. Er hatte sich auch in dieser Nacht nicht dagegen gewehrt, erinnerte er sich reuevoll.

Als er am nächsten Morgen das Haus wie immer bei Tagesanbruch verlassen hatte, war er der Meinung gewesen, es sei alles in Ordnung zwischen ihnen. Doch als er später zurückkam, war Tiffany verschwunden und mit ihr all ihre Sachen und einige von seinen.

Innerhalb von Stunden hatte er die Scheidungsunterlagen auf dem Tisch gehabt. Da hatte er gewusst, dass sie in der Nacht nicht zu ihm gekommen war, um sich zu versöhnen, sondern um Abschied zu nehmen.

Inzwischen waren sie lange genug geschieden, dass er sich von dem Schock und der Verzweiflung erholt hatte, die er damals verspürt hatte. Sie waren fast vier Jahre verheiratet gewesen, als ihre Beziehung zerbrach.

Natürlich hätte er wissen können, dass ein reiches Mädchen aus Dallas sich auf dem Land nicht wohlfühlen würde, aber sie hatte immer wieder behauptet, es sei ihr egal, wo sie lebe, solange sie nur mit ihm zusammen sein könne. Und er war zu verliebt gewesen, um zu erkennen, dass ihre Ehe keine Chance hatte. Tiffany hatte gesagt, was er hatte hören wollen, und er hatte ihr geglaubt.

Die Scheidung war alles andere als freundschaftlich verlaufen. Vier Jahre waren keine lange Beziehung, und sein Anwalt und Pokerfreund Curtis Boyd hatte sich entschieden gewehrt, als Tiffany eine unverschämt hohe Unterhaltszahlung verlangt hatte. Er und Curtis wussten, dass sie das Geld nicht brauchte. Sie wollte sich nur an ihm rächen, weil er sich geweigert hatte, ständig nach ihrer Pfeife zu tanzen.

An dem Tag, als er das Gericht als freier Mann verlassen hatte, hatte Jake sich geschworen, niemals wieder zu heiraten. Er hatte seine Lektion gelernt.

Und jetzt war Tiffany aus irgendeinem Grund wieder da, und er musste sich mit ihr auseinandersetzen.

Um diese Uhrzeit war die Strecke zur Ranch kaum befahren. Er folgte dem kurvigen Verlauf der Straße entlang der malerischen Hügel, bis er vom Gas gehen musste, um in den schmalen Weg zur Ranch abzubiegen. Als er vor dem Haus hielt, bemerkte er eine schwarze Limousine, die unter den Bäumen parkte. Typisch Tiffany, sie reiste immer mit Stil.

Jake seufzte irritiert, stieg aus und schlug die Wagentür heftig zu. Mit langen Schritten ging er auf den Nebeneingang zu und betrat die Küche.

Noch im Türrahmen blieb er stehen. Tiffany saß am Küchentresen und nippte ruhig an einem Eistee. Ihr Haar war kürzer als beim letzten Mal, als er sie gesehen hatte. Sie trug Hosen und eine Bluse und sah aus, als warte sie darauf, für eine Modezeitschrift fotografiert zu werden. Die Frisur und das Make-up waren wie immer makellos.

Sobald sie ihn sah, rutschte Tiffany vom Hocker und wandte sich strahlend lächelnd an ihn. Jake bemerkte, dass sie nervös war, aber nur, weil er sie so gut kannte.

Kluge Frau.

Es bedurfte schon einer gewissen Dreistigkeit, um in sein Haus zu spazieren und es sich gemütlich zu machen, während er nicht da war. Jake lehnte sich gegen den Türrahmen, verschränkte die Arme und wartete.

Tiffanys Lächeln schwand langsam. „Hallo, Jake“, meinte sie mit ihrer rauchigen Stimme.

Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte diese Stimme seine Fantasie angeregt. Inzwischen war er jedoch älter und sehr viel erfahrener.

„Was machst du hier?“

Eine winzige Falte erschien zwischen ihren Brauen, als sie überrascht mit den Wimpern klimperte. „Was ist denn das für eine Begrüßung?“, erwiderte sie schließlich. „Ed hat mich den ganzen Weg hierher gebracht, damit ich dich besuchen kann. Du könntest also zumindest höflich sein.“

„Mir ist im Moment nicht nach Höflichkeit. Wer ist Ed?“

„Edward James Littlefield Junior.“

„Nie von ihm gehört.“

Autor

Annette Broadrick
<p>Bis Annette Broadrick mit sechzehn Jahren eine kleine Schwester bekam, wuchs sie als Einzelkind auf. Wahrscheinlich war deshalb das Lesen immer ihre liebste Freizeitbeschäftigung. Mit 18 Jahren, direkt nach ihrem Abschluss an der Highschool, heiratete sie. Zwölf Monate später wurde ihr erster Sohn geboren, und schließlich wurde sie in sieben...
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