Nur eine einzige perfekte Nacht mit dir?

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„Du raubst mir den Atem!“ Takis Samaras’ Stimme klingt rau, als er Lissa am Pool seines luxuriösen Penthouses an sich zieht. Noch nie hat eine Frau ihn so erregt wie das betörende Model. Nur eine einzige, perfekte Nacht will er mit ihr verbringen und Stunden purer Ekstase erleben. Zu mehr ist der griechische Playboy-Millionär nicht bereit. Er hat geschworen, sich nie zu binden. Als Takis Monate später erfährt, dass ihre Begegnung nicht ohne Folgen geblieben ist, drängt er Lissa dennoch zur Ehe. Aus Pflichtgefühl, nicht aus Liebe …


  • Erscheinungstag 22.03.2022
  • Bandnummer 2537
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509572
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich habe nicht erwartet, Sie hier draußen allein im Dunkeln zu finden.“

Lissa Buchanan verspannte sich, als die tiefe Stimme mit dem anziehenden griechischen Akzent aus dem Schatten ertönte. Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass die Stimme zu Takis Samaras gehörte.

Sofort begann Lissas Haut zu prickeln.

„Ich dachte, Sie würden immer noch im Partyzelt Hof halten“, sagte er gedehnt. „Die schönste Frau auf der Tanzfläche, die die Aufmerksamkeit aller Männer auf sich zieht.“

„Ich habe nicht versucht, Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.“ Ihr war bewusst, dass sie unnötig defensiv klang. Aber sie hasste das Label des Partygirls, das ihr die Boulevardpresse verpasst hatte. Ihr Ruf in den Medien entsprach nicht der echten Lissa Buchanan. Das würde sie einem Fremden allerdings nicht erklären, auch wenn er der faszinierendste Mann war, den sie je gesehen hatte. Ihr Puls beschleunigte sich bei seinem Kompliment. „Außerdem ist meine Schwester auf ihrer Hochzeit die schönste Frau.“

„Eleanor ist eine bezaubernde Braut, was, wie ich annehme, der Grund ist, warum Jace sie gewählt hat“, sagte Takis trocken.

„Sie scheinen überrascht, dass Jace meine Schwester heiratet.“ Endlich wagte Lissa, ihn anzusehen. Es war wie ein Schock. Sie war auf ihre instinktive Reaktion auf seine Ausstrahlung purer Männlichkeit nicht vorbereitet. Noch nie hatte sie auf Anhieb eine so intensive sexuelle Anziehung verspürt. Ihre Brustwarzen verhärteten sich unter ihrem Kleid, die Seide glitt über die empfindsamen Gipfel, eine sehr erotische Empfindung.

Die Eheschließung hatte früher am Tag im Rathaus von Thessaloniki stattgefunden. Lissas Herz hatte einen Schlag ausgesetzt, als sie Jaces Trauzeugen zum ersten Mal gesehen hatte. Während Eleanor und Jace sich das Jawort gaben, konnte sie sich kaum konzentrieren.

Beim Empfang in dem großen Partyzelt im Garten von Jaces Strandvilla wanderte ihr Blick ganz von allein immer wieder zu Takis. Dabei sah er nicht unbedingt auf klassische Weise gut aus. Zwar war er groß und muskulös, aber in seinem Gesicht lag ein grimmiger, strenger Ausdruck. Bei den seltenen Gelegenheiten, wenn er lächelte, blitzten makellose Zähne weiß in seinem gebräunten Gesicht. Sein schwarzes Haar war kurz geschnitten, seine Augen, überwölbt von dichten Augenbrauen, hatten die Farbe von kaltem Stahl.

An seinem harten, kompromisslos wirkenden Mund war etwas, das gleichzeitig grausam und sinnlich wirkte. Er war schlank, körperlich fit und erinnerte sie auf beinahe unheimliche Weise an einen Wolf.

Er zuckte mit den Schultern. „Ich muss zugeben, ich habe nicht erwartet, dass Jace heiraten würde. Ich kenne ihn schon lange, und er war immer gegen die Ehe.“

„Ach, aber wer versteht schon das Mysterium der Liebe?“

„Sie denken, Liebe ist der Grund, warum die Hochzeit zwischen Jace und Ihrer Schwester so spontan stattfindet?“

„Welchen Grund könnte es sonst geben?“ Lissa schaute hinüber in die Mitte des Gartens, die von unzähligen Lampions erhellt wurde, und sah Eleanor und ihren neuen Ehemann aus dem Zelt kommen. Ganz offensichtlich hatten sie nur Augen füreinander. Takis sah aus, als wollte er etwas sagen, aber er zögerte, als sein Blick auf das frisch verheiratete Paar fiel.

„Vielleicht haben Sie recht. Ich bin kein Experte, was Liebe angeht“, sagte er schließlich zynisch.

Lissa sah ihn an und direkt wieder weg. Warum war sie so von diesem Mann gefesselt? So sehr, dass sie eine kurze Auszeit gebraucht und sich in eine abgelegene Ecke des Gartens verdrückt hatte, wo sie das beruhigende Rauschen der Wellen hören konnte, die gegen die Mauer schlugen.

Takis trat näher, stützte seinen Ellbogen auf den Stein und hielt sie so zwischen sich und der Mauer gefangen. Oder zumindest hatte Lissa den Eindruck, denn obwohl sie hätte ausweichen können, waren ihre Füße auf einmal unfähig, sich zu bewegen. In seiner Nähe spürte sie die Hitze, die von ihm ausging. Unter seinem Seidenhemd sah sie einen Schatten dunklen Brusthaars. Der geheimnisvolle Geruch seines Aftershaves brachte ihren Magen zum Flattern.

„Sie haben mir nicht gesagt, warum Sie die Party verlassen haben.“

Ganz bestimmt würde sie nicht zugeben, dass sie eifersüchtig gewesen war, als sie ihn mit einer üppigen Brünetten hatte tanzen sehen. „Ich wollte allein sein.“

„Lügnerin“, sagte er leise. „Denken Sie, ich hätte nicht bemerkt, wie Sie mich während des Empfangs angesehen haben?“

War sie so auffällig gewesen? Verlegenheit durchflutete sie. Er war der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte. Die Männer, die sie kannte, waren vor allem gut aussehende Models oder Möchtegern-Schauspieler. Verglichen mit Takis waren sie grüne Jungen. Er wäre bestimmt ein unglaublicher Liebhaber. Wie sie sich so sicher sein konnte, obwohl sie keinerlei sexuelle Erfahrung hatte, wusste sie nicht, aber die Erregung, die sie spürte, war eine Reaktion auf die lodernde, glühende Sinnlichkeit, die er ausstrahlte.

Hoffentlich blieb ihm in der Dunkelheit verborgen, wie rot sie geworden war. „Wollen Sie behaupten, ich sei hier herausgekommen in der Hoffnung, Sie würden mir folgen?“

„Sind Sie das?“

„Natürlich nicht. Mir war nicht klar, dass Sie mich überhaupt bemerkt hatten. Die Frau in dem zu engen Kleid war gerade dabei, Sie bei lebendigem Leib zu verschlingen.“

Takis lachte, und der heisere Laut war unerwartet und faszinierend. „Es tut mir leid, dass ich Sie gestört habe. Wenn Sie wollen, gehe ich.“ Er sprach mit dem Selbstvertrauen eines Mannes, der genau wusste, welchen Effekt er auf das andere Geschlecht hatte.

Auf mich …

„Sie können tun, was Sie wollen. Aber das machen Sie sicher sowieso.“ Es wäre ein Fehler zu glauben, man könnte einen Wolf zähmen. „Bleiben Sie gern hier und bewundern den Mondschein über dem Meer. Ich gehe zurück zum Haus und warte auf mein Taxi.“

„Sie übernachten heute im Pangalos Beach Resort, richtig? Ich auch. Ich kann Sie fahren.“

Die Fahrt nach Sithonia, einer Halbinsel im Norden Griechenlands, dauerte von Thessaloniki aus mehr als eine Stunde. Die Aussicht, so lange mit Takis allein zu sein, setzte Lissa zu, aber ihr fiel keine Ausrede ein. „Ähm … das ist nett von Ihnen.“ Sie erkannte die heisere Stimme, die da sprach, gar nicht als ihre eigene.

Erneut zuckte er mit den Schultern. „Jace hat mich gebeten, dafür zu sorgen, dass Sie sicher heimkommen.“

Also hatte er nur angeboten, sie zu fahren, weil er sich verpflichtet fühlte. Der Gedanke, eine Belastung zu sein, gefiel ihr nicht. Dieses Gefühl hatte ihr Großvater ihr als Kind immer gegeben.

„Ich bin nicht nett“, sagte Takis nun unerwartet. „Halten Sie mich ja nicht für einen Ihrer kleinen Freunde aus reichem Hause, mit denen Sie am Strand auf den Malediven oder auf einer Jacht in St. Tropez herumgemacht haben. Ihr Liebesleben ist für jeden, der die Klatschspalten liest, ein Quell der Unterhaltung.“ Sein Kiefer verhärtete sich. „Ich bin ein Überlebenskünstler. Ich habe mich selbst aus der Gosse gezogen und mir den Weg an die Spitze als Besitzer einer eigenen Hotelkette mühsam erkämpft.“

Sein Sarkasmus machte Lissa wütend. Wie konnte er es wagen, sich ein Urteil über sie zu bilden? Er wusste gar nichts über sie. Sie wollte ihm schon sagen, dass es ihn nichts anging, wie sie ihr Leben lebte. Aber sie schuldete ihm keine Erklärung.

Sie hatte jahrelange Erfahrung darin, ihre wahren Gefühle zu verbergen. Lässig zuckte sie mit den Schultern und sah ihm in die Augen. „Anscheinend lesen Sie die Klatschspalten auch, da Sie so viel über mich wissen.“

In Wirklichkeit konnte sie ihm keinen Vorwurf machen, dass er das Schlechteste über sie annahm. Sie hatte die Gerüchte und den Klatsch über ihr Privatleben nie öffentlich abgestritten und häufig ganz bewusst die Aufmerksamkeit der Medien gesucht, weil sie gewusst hatte, dass Berichte über ihr angebliches Fehlverhalten ihren Großvater aufregen würden. Sie hatte seine Aufmerksamkeit gewollt, auf welchem Weg auch immer.

Nach dem Tod ihrer Eltern war Kostas Pangalos ihr Vormund geworden, aber er hatte zu viel mit seinem Hotelgeschäft zu tun gehabt, um Zeit für seine verwaiste und traumatisierte jüngste Enkelin zu finden. Vor achtzehn Monaten war er gestorben und hatte Eleanor, seinem Liebling, die Leitung von Gilpin Leisure übertragen.

Diese letzte Kränkung war für Lissa ein harter Schlag gewesen. Auch ihr Bruder Mark konnte nicht fassen, dass er übergangen worden war. Eleanor hatte ihn zum Ausgleich zum Manager des Pangalos Beach Resort gemacht, aber er kämpfte gegen seine eigenen Dämonen und hatte das Hotel durch seine Spielsucht in finanzielle Schwierigkeiten gebracht, bevor Jace mit einem Rundum-Rettungspaket angekommen war.

Lissa wendete den Blick von Takis’ bezwingendem Gesicht ab und ging an ihm vorbei. „Mein Schwager ist nicht für mich verantwortlich – und Sie sind es auch nicht. Ich fahre lieber allein zum Pangalos.“

„Führen Sie sich nicht wie eine verwöhnte Göre auf. Sagen Sie Ihrem Taxi ab. Wir fahren in fünf Minuten.“

„Sie sind unglaublich arrogant“, schnappte sie.

Er leugnete es nicht. Seine Augen waren auf ihr Gesicht gerichtet, und Lissa hielt den Atem an, als er eine Hand hob und einen Finger leicht über ihre Wange gleiten ließ. „Und Sie sind unglaublich schön. Aber das wissen Sie sicher.“ Seine Stimme wurde tiefer, heiser, wie rauer Samt auf ihrer Haut. „Ich habe Sie aus Werbespots und Anzeigen für diese Beauty-Company wiedererkannt, für die Sie gemodelt haben.“

Sein Gesicht war ihrem so nahe, das sie seinen warmen Atem auf ihrer Wange spüren konnte. Er sah sie mit einer glühenden Intensität an, die Lissa alles andere als fremd war. Begierde.

Seit sie in die Pubertät gekommen war und ihr schlanker Turnerinnen-Körper Kurven entwickelt hatte, hatten Männer sie gewollt. Zuerst war ihr das unangenehm gewesen, bis sie entdeckt hatte, dass männliche Bewunderung ihr auch ein berauschendes Gefühl der Macht verlieh, nachdem ihr Großvater sie so lange ignoriert hatte. Aber obwohl sie mit ihren vielen Verehrern geflirtet hatte, hatte sie nie mehr gewollt.

Die Aufmerksamkeit, die Takis ihr schenkte, machte sie nervös. Er spielte in einer anderen Liga. Ihre Vernunft riet ihr, ihn wie jeden anderen Mann auf Distanz zu halten. Aber etwas war an ihm, das in ihr den Wunsch weckte, der sexuellen Anziehungskraft zwischen ihnen nachzugeben.

Er faszinierte sie mehr als jeder andere Mann vor ihm. Sie wollte ihre Hemmungen und ihre Unsicherheit über Bord werfen. Fragte sich, wie es wäre, ihn zu küssen. Und begriff schockiert, dass sie es unbedingt herausfinden wollte.

Seine Augen glitzerten, und Lissas Herz machte einen Sprung. Konnte er ihre Gedanken lesen? Langsam senkte er den Kopf, und sie hielt den Atem an, wie hypnotisiert von seinem sinnlichen Mund. Unbewusst befeuchtete sie ihre Lippen mit der Zunge.

Takis versteifte sich und hob ruckartig den Kopf, brachte Abstand zwischen sie. Lissa wusste nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte.

„Gehen Sie und holen Sie Ihre Sachen,“ sagte er in einem Tonfall, der besagte, dass ihn die elektrische Spannung zwischen ihnen ungerührt ließ.

Wahrscheinlich reagierte jede Frau so auf ihn.

Aber Lissas Herz wollte nicht mehr im normalen Takt schlagen. Er hatte sie beinahe geküsst. Warum hatte er seine Meinung geändert? Und warum hatte sie gehofft, er würde sie küssen? Sie kannte ihn nicht und mochte ihn nicht, ganz bestimmt nicht. Seine herrische Art, kombiniert mit seinem Sexappeal, war mehr, als sie verkraften konnte.

Sie wollte schon darauf bestehen, nicht mit ihm zu fahren. Aber sein grimmiger Gesichtsausdruck sagte ihr, er war ein Mann, der seinen Willen durchsetzte. Und dann kam ihr etwas in den Sinn. Hatte ihre Schwester ihren Mann vielleicht gebeten, dafür zu sorgen, dass Takis sie mit zurücknahm? Das sähe ihr ähnlich.

Letztlich blieb ihr keine Wahl, als sein Angebot anzunehmen. Lissa murmelte einen leisen Fluch und stapfte über den Rasen hinüber zum Haus, während sein leises Lachen ihr folgte.

2. KAPITEL

Takis kannte Frauen wie Lissa. Selbstbezogen und mit einem Anspruchsdenken, das er irritierend fand. Er hatte angenommen, er sei immun gegenüber den weiblichen Reizen einer hübschen Blondine, vor allem, weil elegante Karrierefrauen eher sein Fall waren – solche, die akzeptierten, dass es nur eine Affäre war.

Aber Lissa war nicht einfach nur hübsch. Sie war wunderschön. Atemberaubend schön. Der Grund, warum sie so fotogen war, leuchtete ein: hohe Wangenknochen, perfekt symmetrische Gesichtszüge, große, strahlend blaue Augen, die Takis an die Kuppeln der Kirchen auf Santorini erinnerten.

Vor der Hochzeit hatte Jace ungeduldig auf seine Braut gewartet, aber Takis’ Blick war von Eleanor in ihrem Hochzeitskleid zu ihrer Trauzeugin gewandert, deren kornblumenblaues Seidenkleid ihre schlanke Figur und ihre kleinen, festen Brüste betonte. Auf die Wirkung, die Lissas Lächeln auf ihn hatte – ein Lächeln mit einer unerwarteten Süße und Verletzlichkeit, die er sich sicher nur einbildete –, war er nicht vorbereitet gewesen. Es war noch nicht lange her, dass Lissa Buchanan ständig auf den Titelseiten gewesen war. Die Boulevardpresse war von ihr geradezu besessen. In letzter Zeit hatte sie allerdings weniger im Rampenlicht gestanden.

Beim Empfang hatte Takis gehört, wie sie mit melodischer Stimme mit Leuten plauderte, als wäre ihr Leben eine einzige lange Party. Der Klang ihres Lachens hatte einen unerklärlichen Schmerz in ihm geweckt. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal gelacht hatte, ohne sich sofort schuldig zu fühlen.

Und er musste an die Geschichten denken, die er über ihre zahlreichen Affären mit männlichen Stars gehört hatte. Die Gerüchte über Drogen, die sie immer abgestritten hatte. Aber verschiedene Quellen sagten, die Beauty-Company, für die sie geworben hatte, hätte sie fallen lassen. Eine Frau wie Lissa bedeutete nichts als Ärger, und er hatte nur auf Jaces Bitte hin eingewilligt, sie zum Hotel zurückzubringen.

Aber wem machte er eigentlich etwas vor? Er hatte sie küssen wollen, als er sie im Garten gesehen hatte. Glücklicherweise hatte sein Verstand im letzten Moment die Oberhand gewonnen. Aber es hatte all seiner Willenskraft bedurft, um ihrem Mund zu widerstehen. Zwischen ihnen sprühten die Funken.

Er schaute zu ihr herüber. In einer Hand hielt sie einen kleinen Spiegel und zog gerade ihren Lippenstift nach. Jähe Erregung erwachte in Takis, als er zusah, wie der Lippenstift über ihre verlockend geschwungenen Lippen glitt. Es rief Erinnerungen wach – an die Zeit, als er sechzehn gewesen war und im Haus seines Vaters in einem abgelegenen Bergdorf in Griechenland gelebt hatte.

Als Takis die Küche betrat, wusste er sofort, dass Spiros nicht da war – wahrscheinlich hockte er betrunken und streitsüchtig in einer Bar.

Seine Stiefmutter Marina stand vor der Spüle, spähte in den gesprungenen Spiegel und trug Lippenstift auf. Er lehnte sich in den Türrahmen und beobachtete sie. Sein Blick verharrte auf ihren glänzenden Lippen, und er schämte sich, weil er eine Erektion bekam. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel, und er verspürte den Kitzel verbotenen Verlangens.

Marina war nur ein paar Jahre älter als er. Und auch nicht wirklich seine Stiefmutter: Sein Vater hatte sie nie geheiratet, obwohl sie ein Kind von ihm hatte. Im Dorf tuschelten alle darüber, dass Giannis ein Bastard war, auch wenn sie sich in Takis’ Gegenwart zurückhielten. Er liebte seinen kleinen Bruder über alles.

Marina drehte sich um. „Gefällt dir mein Lippenstift?“

Er starrte auf ihre scharlachroten Lippen. Das Verlangen pulsierte in ihm. „Ja.“

„Du willst mich küssen, oder?“ Mit schwingenden Hüften ging sie durchs Zimmer und blieb so dicht vor ihm stehen, dass ihre Brüste seinen Oberkörper berührten. Er vergaß beinahe zu atmen. „Ich weiß, dass du weggehen willst. Nimm mich und Giannis mit, und dann kannst du mehr tun, als mich nur zu küssen. Du kannst mich haben, Takis.“ Sie küsste ihn flüchtig, mit diesen verführerischen Lippen. „Hilf mir. Nimmt mich mit, und ich mache dich zum Mann.“

Takis hatte seiner Stiefmutter nicht widerstehen können. Er war ihr hilflos verfallen. Ein verliebter Teenager. Und er hatte nicht vorhergesehen, welche fürchterlichen Konsequenzen seine Handlungen für sie und Giannis haben würden …

Er schluckte und zwang sich, nicht mehr an die Vergangenheit zu denken – und an den kleinen Jungen, der inzwischen ein Mann wäre, wenn er noch leben würde. Die Erinnerungen waren zu schmerzhaft, die Schuld wog zu schwer. Etwas in ihm war mit Giannis gestorben, und Takis hatte sich an dem Tag, an dem er seinen Bruder beerdigt hatte, geschworen, nie wieder die Kontrolle über seine Gefühle zu verlieren. Fast zwanzig Jahre lang hatte er es einfach gefunden, seinen Schwur zu halten. Er hatte nie eine Frau getroffen, die ihn in Versuchung geführt hätte, ihn zu brechen.

„Sie haben die Abfahrt verpasst.“ Lissas Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er fluchte leise, bremste und wendete.

„Sie sind sehr still“, sagte er, nachdem sie richtig abgebogen waren. Lissas Geplauder über Leute, die er nie kennengelernt und an denen er kein Interesse hatte, wäre besser als seine Erinnerungen. „Fällt Ihnen nichts mehr ein?“

„Ich habe beim Empfang genug über mich selbst geredet“, sagte sie mit einem reumütigen Lächeln, das einen seltsamen Effekt auf seine Herzfrequenz hatte. „Erzählen Sie mir etwas über sich.“

„Was möchten Sie wissen?“

„Sind Sie verheiratet?“

Er lachte. „Sehr subtil sind Sie nicht gerade! Ich bin nicht verheiratet und habe auch nicht vor, das zu ändern.“

„Aber wenn Sie irgendwann Kinder haben wollen, dann heiraten Sie doch bestimmt?“

„Ich will keine Kinder. Die Verantwortung, die man als Vater trägt, ist nichts für mich.“ Takis schaute geradeaus auf die Straße, aber er spürte, dass Lissa ihn neugierig ansah.

„Ich dachte, alle griechischen Männer hätten das Ziel, ihren Familiennamen weiterzugeben.“

„Ich nicht. Ich bin Einzelkind.“ Er umklammerte das Lenkrad unwillkürlich fester. „Ich habe vor, der letzte Samaras zu sein.“

„Ist Ihr Vater tot?“

„Ja.“

„Und Ihre Mutter?“

„Sie ist vor ein paar Jahren gestorben.“ Takis hatte für ihre Beerdigung bezahlt, als der Mann, mit dem sie zusammengelebt hatte, ihn nach ihrem Tod benachrichtigte. Aber er hatte nicht daran teilgenommen. Er fühlte nichts für die Frau, die ihn schon im Kindesalter im Stich gelassen hatte. So, wie ich Giannis im Stich gelassen habe. Die Schuld schmeckte bitter.

„Meine Eltern sind auch beide tot. Sie sind gestorben, als ich noch klein war, und meine Geschwister und ich haben dann bei meinen Großeltern gelebt. Nana Francine ist kurz darauf auch gestorben. Ich glaube, sie hat den Tod meiner Mutter nicht verkraftet. Mein Großvater war nicht begeistert davon, drei Kinder allein großziehen zu müssen.“

„Ich habe gehört, Kostas Pangalos war eine beeindruckende Persönlichkeit.“

„Pappoús war kein netter Mensch“, sagte Lissa flach. „Um Eleanor hat er einen großen Wirbel gemacht, weil sie ihn an unsere Mutter erinnerte, aber für Mark und mich hatte er nichts übrig.“

Ein leichtes Zittern lag in ihrer Stimme. Takis konnte spüren, dass sie sich von ihrem Großvater zurückgewiesen fühlte. Unwillkürlich empfand er Mitgefühl für das kleine Mädchen, das den Verlust beider Eltern hatte hinnehmen müssen und sich dann von seinem Großvater nicht geliebt gefühlt hatte. Wie es war, ohne Liebe aufzuwachsen, wusste er nur zu gut.

Er runzelte die Stirn. Lissa war nicht so, wie er erwartet hatte. Glaubte man den Online-Plattformen, auf denen es ständig um ihre Frisur und ihr Outfit ging, war sie taff, eine Herzensbrecherin, ein It-Girl. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sie sich mit den Fingern durch das kinnlange blonde Haar fuhr, das ihr bemerkenswertes Gesicht einrahmte. Theos! Sie war unfassbar schön.

Er widmete seine Aufmerksamkeit wieder der Straße. Auf der Feier hatten die Männer Lissa gemustert, mit Blicken, als wäre sie öffentliches Eigentum, und er hatte es mit Neugier und so etwas wie Eifersucht beobachtet.

Erneut wandte er den Kopf und sah geradewegs in tiefblaue Augen. Schnell drehte sie sich weg. Die Röte, die sich auf ihren Wangen ausbreitete, fesselte ihn. Diese Unschuld musste gespielt sein – aber zu welchem Zweck? Bei ihm brachte das ohnehin nichts. Er kannte alle Tricks, alle Spiele, die Frauen gern spielten.

Lissa brach das Schweigen. „Sie haben gesagt, Sie würden meinen Schwager schon länger kennen.“

„Wir haben uns kennengelernt, als wir beide auf dem Bau gearbeitet haben. Ich hatte keine Familie, und Jace hat sich nach dem Tod seines Vaters um seine Mutter gekümmert. Wir wollten unbedingt Geld verdienen, aber wir waren Teenager und mussten lügen, um überhaupt angestellt zu werden.“

Die Wochen und Monate, nachdem er sein Heimatdorf verlassen hatte, waren hart gewesen. Er war obdachlos gewesen, hatte kein Geld gehabt und um seinen Bruder getrauert. Allein die Freundschaft zu Jace hatte ihn davor bewahrt, komplett abzustürzen.

„Jace und ich haben uns gegenseitig unterstützt, als wir anfingen, Karriere zu machen“, sagte er zu Lissa. „Dann hatten wir das Glück, in der Lotterie zu gewinnen. Mit dem Geld hat Jace seine Bauentwicklungsfirma gegründet – und ich Perseus, meine Hotelkette.“

„Perseus ist eine Figur aus der griechischen Mythologie, oder?“

„Ja, er war ein Jäger.“

„Das ist ein seltsamer Name für eine Hotelkette. Sie hätten Zeus nehmen können, den König des Olymps. Oder Hephaistos, den Meister der Bauwerke, wenn Sie schon als Bauarbeiter angefangen haben.“

Takis war im Stillen überrascht. „Haben Sie griechische Mythologie studiert?“

„Nein, aber antike Geschichte fasziniert mich, und ich habe viel darüber gelesen. Das Museum auf der Akropolis und das Parthenon stehen auf der Liste von Orten, die ich gern besuchen möchte, ganz weit oben. Waren Sie schon mal da?“

„Nein“, gab Takis zu. Aus seinem Apartment in Athen hatte man zwar einen guten Ausblick auf Griechenlands berühmteste Sehenswürdigkeiten, aber er nahm sich selten Zeit für Freizeitaktivitäten.

Er hatte nicht vor, ihr zu erklären, dass er Perseus, den berühmten Jäger zahlreicher Ungeheuer, aus einem bestimmten Grund gewählt hatte. Nämlich als Erinnerung an das Monster, das in seinem Vater gelauert hatte – und das sich vielleicht auch in ihm versteckte.

Spiros war gewalttätig geworden, wenn er die Beherrschung verloren hatte. Takis konnte nicht sagen, wie oft er von ihm geschlagen worden war, und wusste nicht, ob Genetik dabei eine Rolle spielte und sich die Neigung zur Gewalttätigkeit vielleicht weitervererbte. Aber er war nicht bereit, das Risiko einzugehen. Die Welt würde ein besserer Ort sein, wenn seine Blutlinie mit ihm starb.

Ohne eine Familie, ohne irgendwelche engen emotionalen Bindungen war er entschlossen seinen Weg gegangen. Nie wieder wollte er in das Dorf an der albanischen Grenze zurückkehren. Die Region war von Armut und Arbeitslosigkeit geprägt, und sein Vater hatte sich mühsam seinen Lebensunterhalt als Ziegenzüchter verdient. Ziegen waren die einzigen Nutztiere, die in der unwirtlichen Gegend ein Auskommen fanden. Aber das Leben als Ziegenhirte hatte für Takis keinen Reiz.

Giannis’ Tod hatte ein Loch in sein Herz gerissen, aber andererseits war seine Emotionslosigkeit auch das Geheimnis seines Erfolgs. Es machte ihm nichts aus, Risiken einzugehen. Warum auch? Schließlich hatte er den einzigen Menschen, den er je geliebt hatte, bereits verloren. Bei seinem beruflichen Aufstieg hatte er sich den Ruf eingehandelt, skrupellos zu agieren. Für Außenstehende schien es, als hätte er alles. Geld, mehrere Häuser überall auf der Welt und ständig eine schöne Frau in seinem Bett. Aber sein Erfolg bedeutete ihm nichts angesichts des dunklen, beschämenden Geheimnisses, das er mit sich herumtrug und nie jemandem anvertraut hatte.

Takis besann sich mit Mühe wieder auf ihre Unterhaltung. „Das erste Hotel auf Mykonos, das ich gekauft habe, war komplett heruntergekommen. Ich habe es in eine Fünf-Sterne-Residenz verwandelt und besitze inzwischen vier weitere Luxushotels auf den Kykladen und zwei in Athen.“

Er runzelte die Stirn, als er ein leises Schnarchen hörte, und schaute zu Lissa hinüber. Waren seine Errungenschaften so wenig unterhaltsam, dass sie eingeschlafen war? Aber wahrscheinlich hatte Lissa Buchanan nur an sich selbst Interesse.

Das Pangalos Beach Resort lag vor ihnen. Er bog in die von hohen Zypressen gesäumte Einfahrt ein und stellte das Auto neben der Treppe ab, die zum Haupteingang hinaufführte. Licht fiel durch das Autofenster und erhellte Lissas wunderschönes Gesicht.

Blonde Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht, und Takis musste sich davon abhalten, sie ihr zurückzustreichen. Ihre langen, dunklen Wimpern flatterten, und dann öffnete sie die Augen und sah ihn an. In der Dunkelheit war das Blau ihrer Augen kaum zu erkennen, aber er sah, wie sich ihre Pupillen weiteten, und hörte, wie sie den Atem einsog.

Er fluchte im Stillen. Er wollte diese Erregung nicht fühlen. Er konnte sich nicht erinnern, dass ihn eine Frau je so verzaubert hatte – außer der einen, aber da war er noch ein hormongesteuerter Teenager gewesen. Seine Stiefmutter hatte ihn ausgenutzt. Er hatte sich nach Zärtlichkeit und Zuneigung gesehnt, aber für Marina war er nur ein Weg gewesen, ihrem Leben mit seinem Vater zu entkommen.

Lissa blinzelte, und Takis lehnte sich in seinem Sitz zurück, als sie sich aufrichtete und gähnte. „Entschuldigung. Ich muss eingeschlafen sein. Habe ich etwas verpasst?“

Autor

Chantelle Shaw
Chantelle Shaw ist in London aufgewachsen. Mit 20 Jahren heiratete sie ihre Jugendliebe. Mit der Geburt des ersten Kindes widmete sie sich ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter, ein Vollzeitjob, da die Familie bald auf sechs Kinder und verschiedene Haustiere anwuchs.

Chantelle Shaw entdeckte die Liebesromane von Mills & Boon,...
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